Unterrichtsentwurf von Claudia Blasinger zur Ringvorlesung „Human-Animal-Studies“ (Wintersemester 2012/13)
an der Universität Innsbruck Juli 2013
Human – Animal - Studies
Strukturmerkmale der Fabel Umfang: knapp, gezielt, pointiert Aufbau: episch und dramatisch zugleich; Einheit von Ort,
Zeit, Handlung Schema: Situation actio (Rede/Handlung) reactio (Gegenrede/Gegenhandlung) Ergebnis
Definitionsbestimmung (?) FABULA DOCET ET DELECTAT Wikipedia: „kürzere Erzählung mit belehrender Absicht, in
der vor allem Tiere (…) menschliche Eigenschaften besitzen (Personifikation) und handeln (Bildebene)“
B.E. Perry (1959; in Anlehnung an Theon von Alexandria, 1. Jh. n. Chr.): „a fictitious story picturing a truth“
„Eine allgemeingültige Definition der Fabel in ihrem Ursprung bis zur Gegenwart gibt es nicht, da sich jede definitorische Bestimmung an einzelnen Autoren, Epochen oder Typen der Fabel orientiert.“ (Dithmar 1997, S.165)
Altes Testament (2Kön. 25,17-19) 17 Und Amazja, der König Juda's, ward Rats und sandte hin zu
Joas, dem Sohn des Joahas, des Sohnes Jehus, dem König Israels, und ließ ihm sagen: Komm, wir wollen uns miteinander messen!
18 Aber Joas, der König Israels, sandte zu Amazja, dem König Juda's, und ließ ihm sagen: Der Dornstrauch im Libanon sandte zur Zeder im Libanon und ließ ihr sagen: Gib deine Tochter meinem Sohn zum Weibe! Aber das Wild im Libanon lief über den Dornstrauch und zertrat ihn.
19 Du gedenkst: Siehe, ich habe die Edomiter geschlagen; des überhebt sich dein Herz, und du suchst Ruhm. Nun bleib daheim! Warum ringst du nach Unglück, daß du fallest und Juda mit dir?
Hesiod (ca. 700 v. Chr.): Nachtigall und Habicht Jetzt will Herrschern, die klug sich's deuten, ich bringen ein Märlein. So zur Nachtigall, der melodischen, sagte der Habicht, als mit den Krallen sie fassend, er hoch in den Wolken dahinzog; diese jedoch wehklagte, zerfleischt von den Krallen, den krummen, jämmerlich - jener nun sprach zu ihr die gebietende Rede: „Törin! Wozu das Geschrei? Du bist in des Stärkeren Macht jetzt; bist du die Sängerin auch, du gehst, wohin ich dich bringe; je nach Belieben erwähl' ich zum Schmaus dich oder entlass dich. Tor ist, wer sich erkühnt, mit dem Stärkeren je sich zu messen; nie kann Sieg er gewinnen und trägt zur Schande noch Unglück.“ also eilenden Fluges der schwingenentbreitende Habicht. (Werke und Tage 202-212)
Phaedrus (ca. 15 v. Chr. – ca. 50 n. Chr.) Bedeutendster römischer Fabeldichter Libertus Augusti
Greift in seinen Fabeln auf Aesop (6. Jh. v. Chr.) zurück, den „Vater der abendländischen Fabel“
„Servitus obnoxia, quia quae volebat non audebat dicere, affectus proprios in fabellas transtulit, …“ (Prol. III 34-36)
„Duplex libelli dos est: quod risum movet Et quod prudentis vitam consilio monet.“(Prol. I 3-4)
Livius (II 32, 9-11) Tempore quo in homine non ut nunc omnia in unum consentiant, sed singulis membris suum cuique consilium, suus sermo fuerit, indignatas reliquas partes sua cura, suo labore ac ministerio ventri omnia quaeri, ventrem in medio quietum nihil aliud quam datis voluptatibus frui; conspirasse inde ne manus ad os cibum ferrent, nec os acciperet datum, nec dentes quae acciperent conficerent.
consentire: in Einklang sein, übereinstimmen membrum: Körperteil, Glied indignatus3: entrüstet ministerium: Dienerschaft, Unterstützung conspirare: sich verschwören conficere: vollenden; h. zerkauen
Livius (II 32, 9-11) Hac ira, dum ventrem fame domare vellent, ipsa una membra totumque corpus ad extremam tabem uenisse. Inde apparuisse ventris quoque haud segne ministerium esse, nec magis ali quam alere eum, reddentem in omnes corporis partes hunc quo vivimus vigemusque, divisum pariter in venas maturum confecto cibo sanguinem.
tabes: Fäulnis, Auszehrung segnis,-e: säumig, träge vigere: stark/kräftig sein
Jean de la Fontaine: LE CORBEAU ET LE RENARD
Maître Corbeau, sur un arbre perché,
Tenait en son bec un fromage. Maître Renard, par l'odeur alléché, Lui tint à peu près ce langage :
Et bonjour, Monsieur du Corbeau, Que vous êtes joli ! que vous me semblez beau !
Sans mentir, si votre ramage Se rapporte à votre plumage,
Vous êtes le Phénix des hôtes de ces bois. À ces mots le Corbeau ne se sent pas de joie,
Et pour montrer sa belle voix, Il ouvre un large bec, laisse tomber sa proie.
Le Renard s'en saisit, et dit : Mon bon Monsieur, Apprenez que tout flatteur
Vit aux dépens de celui qui l'écoute. Cette leçon vaut bien un fromage sans doute.
Le Corbeau honteux et confus Jura, mais un peu tard, qu'on ne l'y prendrait plus.
http://www.youtube.com/watch?v=xoc30-7qYp8
Franz Grillparzer (1791-1872): Diplomatischer Rat
Ein Marder fraß die Hühner gern, Doch wußt' er nicht, wie sie erhaschen; Er fragt den Fuchs, 'nen alten Herrn, Dem Steifheit schon verbot das Naschen. Der sagt ihm: „Freund, der Rat ist alt, Was hilft zu zögern, - brauch Gewalt!“ Der Marder stürmt in vollem Lauf, Die Hühner aber flattern auf, Die eine gackernd, kreischend jene, Gerade in des Fuchses Zähne, Der gegenüber lauernd lag Und müh'los hielt den Erntetag. Wenn du nach Hühnern lüstern bist, Frag keinen, der sie selbst gern frißt.
Weitere Fabeldichter Horaz (65-8 v. Chr.)
-> Stadtmaus und Feldmaus (sat. II 6, 80-117) Martin Luther (1483-1546) G. E. Lessing (1729-1781) James Thurber (1894-1961) Jean Anouilh (1910-1987) Wolfdietrich Schnurre (1920-1989) Elias „Walt“ Disney (1901-1966)
Ordnet den Tieren die Eigenschaften zu, die ihnen in Fabeln oft zugesprochen werden:
dumm - einfältig - eitel - hinterhältig - königlich - schlau - stark
Fuchs Rabe Bär Wolf
Schaf Löwe Pfau
Der Wolf in der Fabel Dasselbe Tier kann auch für verschiedene menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen stehen! Wolf und Lamm: der Mächtiger der den
unschuldigen Schwachen vernichtet und sich dabei noch den Schein des Rechts gibt
Wolf und Hund: der Freiheitsliebende, der eher Entbehrungen auf sich nimmt, als im Wohlstand unter dem Joch zu leben
Wolf und Fuchs: der gierige und plumpe Tor
Wolf und Kranich: der Undankbare, der im Wissen um seine körperliche Überlegenheit seine Position auch vollends ausnutzt
etc.
Tiere als Akteure in Fabeln 1. Aus welcher Perspektive werden Fabeln erzählt (vgl. (Fabeln
von Wolf und Lamm, Elefant und Maus etc.)? Inwieweit lässt sich daraus eine Kritik herleiten – und woran?
2. Was bildet die Fabel ab? Menschliche Charaktere/Typen oder Verhaltensweisen? Was ist das Ziel einer solchen Abbildung?
3. Was bewirkt die Namensgebung bei Fabeltieren, wie beim Fuchs Reineke oder dem maître Corbeau?
Tiere als Akteure in Fabeln 4. „Herr Meyer wollte Minister werden, und da er’s nicht
wurde, sagte er, das Amt locke ihn nicht.“
Welche Fabel ist hier gemeint? Erläutert die Effekte, die dieselbe Kernaussage durch unterschiedliche Darstellungsformen (Mensch- vs. vermenschlichtes Tierbild) mit sich bringen! Vergleicht eure Ergebnisse auch mit dem Ausschnitt aus Lessings Abhandlungen über die Fabel (Kapitel 8)!
5. Warum werden in der Tierdichtung einzelne Tiere mit deutlicher Vorliebe verwendet, andere hingegen kaum oder gar nicht?
babyfaceness theory
-> Frauen erscheinen v.a. dann besonders attraktiv, wenn ihr Gesicht "kindchenhafte" Merkmale aufweist!
Supermodel Kate Moss 4-jähriges Mädchen
Physiognomie
101 Dalmations - Dog Walking Look Alikes
http://www.youtube.com/watch?v=Vv1FlfdJxho
MENSCH „TIER“ Kultur Natur
Gerechtigkeit Recht des Stärkeren EigentümerIn Eigentum Person, Du Sache
Seele seelenlos Selbstbewusstsein freier
Wille Biomaschine, determiniert
Vernunft, Gefühle Instinkt, Trieb Zweck an sich Mittel zum Zweck
Subjekt Objekt
Soziale Hilfe für Schwache Natürliche Auslese der Schwachen
BewohnerInnen der Erde Ausstattung der Erde WIR DIE ANDEREN
Natur-Kultur-Dichotomie
The Bare Necessities & The Monkey Song
http://www.youtube.com/watch?v=aWwORTCdXGI
101 Dalmatians Car Chase
http://www.youtube.com/watch?v=wLHGys6WMMk