Das Kinder- und Jugendhilfe-weiterentwicklungsgesetz (KICK)
und die Auswirkungen auf die Arbeit des ASD
Informationsveranstaltung am 07.12.2005
im Landeshaus Münster
Referent:
Prof. Dr. Dr. h.c. Weinhard Wiesner
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Entwicklungen auf der rechtlichen Ebene
• Die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung (Föderalismuskommission)
• Das Tagesbetreuungsausbaugesetz
• Das Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK)
• Der Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich (KEG)
• Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des SGB VIII
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Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung
• Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern
• Forderung der Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe von Seiten der Länder (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG)
• Verzicht des Bundes auf die Zuweisung von Aufgaben an die Kommunen (Art. 84 Abs. 1 GG)
• Öffnungsklausel für abweichende Regelungen der Länder hinsichtlich der Behördenbestimmung
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Das Tagesbetreuungsausbaugesetz ist in Kraft
• Aufspaltung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung in– einen zustimmungsfreien und – einen zustimmungspflichtigen Teil
• Verabschiedung des zustimmungsfreien Teils in 2.und 3.Lesung am 28.10.2004 im Bundestag– Vermittlungsverfahren und Einspruch des
Bundesrates– Zurückweisung des Einspruchs durch die
Bundestagsmehrheit– Inkrafttreten am 1.Januar 2005
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Ziele des Tagesbetreuungsausbaugesetzes
• Formulierung gemeinsamer Qualitätsmerkmale für Tageseinrichtungen und Tagespflege (§ 22)
• Qualitätsentwicklung in Tageseinrichtungen (§ 22 a)
• Aufwertung der Tagespflege (§ 23)• Konkretisierung der Pflicht zur Vorhaltung eines
bedarfsgerechten Angebots (§ 24)• Übergangsregelung für die alten Länder (§ 24 a)
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Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes
(KICK)• Wiederaufnahme der
Ausschussberatungen im März 2005• Sachverständigenanhörung am 12.April
2005• 2.und 3.Lesung im Bundestag am 3.Juni
2005• Zustimmung des Bundesrates am 8.Juli
2005• Inkrafttreten am 1.Oktober 2005
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Ziele des Gesetzes zur Weiterentwicklung
der Kinder- und Jugendhilfe (KICK)
• Konkretisierung des Schutzauftrags der Jugendhilfe
• Stärkung der Steuerungsverantwortung des Jugendamtes
• Verbesserung der Wirtschaftlichkeit durch stärkere Realisierung des Nachrangs
• Verwaltungsvereinfachung – insbesondere bei der Kostenheranziehung
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Besserer Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren für ihr Wohl
• Konkretisierung des Schutzauftrags des Jugendamts bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a)
• Systematische Neuordnung der Inobhutnahme (§ 42)
• Versagung der Betriebserlaubnis für Einrichtungen fundamentalistischer Träger (§ 45)
• Befugnis zur Weitergabe anvertrauter Daten bei internem oder externem Zuständigkeitswechsel (§ 65)
• Verschärfte Prüfung der persönlichen Eignung von Personen mit bestimmten Vorstrafen (§ 72 a)
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Der Schutzauftrag des Jugendamtes bei Kindeswohlgefährdung - Hintergrund
• Das Jugendamt zwischen den Forderung nach
– effektivem Kindesschutz und – Achtung der Elternautonomie
• Die Entwicklung von Verfahrensstandards in der Praxis
• Die Pflicht des Gesetzgebers, die wesentlichen grundrechtsrelevanten Fragen selbst zu regeln
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Konzeption der Regelung in § 8a
• Informationsgewinnung und Risikoeinschätzung als Aufgabe des Jugendamts
• Beteiligung des Kindes oder Jugendlichen und der Personensorgeberechtigten
• Einbeziehung der Einrichtungen und Dienste• Reaktionsalternativen des Jugendamts in
eigener Kompetenz• Einschaltung anderer Stellen
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Einbeziehung von Leistungserbringern (§ 8a Abs. 2)
• Verlängerung des Schutzauftrags• Adressaten: alle Leistungserbringer nach dem
SGB VIII• Instrument: Vereinbarung• Inhalt:
– Wahrnehmung des Schutzauftrags nach Abs. 1– Einbeziehung erfahrener Fachkräfte zur Abschätzung
des Gefährdungsrisikos– Hinwirken auf die Inanspruchnahme von Hilfe bei den
Eltern– Information des Jugendamts
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Der Nachrang der Kinder- und Jugendhilfe (§ 10)
• Der konstitutive Nachrang der Kinder- und Jugendhilfe als Bereich der öffentl. Fürsorge (Abs. 1)
• Kinder- und Jugendhilfe und Unterhalt (Abs.2)• Nachrang des SGB II mit Ausnahme der §§ 14
bis 16 SGB II (Abs.3)• Nachrang des SGB XII mit Ausnahme der
Leistungen für körperlich und geistig behinderte Junge Menschen
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Aktivierung des Nachrangs
• Der Vorrang kommt nur dann zum Zug, wenn es sich um „präsente Mittel“ handelt. Das ist dann der fall wenn der vorrangig zuständige Leistungsträger die Hilfe tatsächlich anbietet und auch leistet oder wenn die Mittel kurzfristig z.B. in einem gerichtlichen Eilverfahren präsent gemacht werden können
• Anderenfalls ist der nachrangig zuständige Leistungsträger nach Maßgabe der für ihn geltenden Rechtsvorschriften zuständig
• Wäre der vorrangig zuständige Träger zur Leistung verpflichtet gewesen, so hat der tätig gewordene Leistungsträger einen Anspruch auf Kostenerstattung (§ 104 SGB X)
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Erweiterte Hilfe nach §§ 27 ff. und § 35a (sog. Drei-Generationen-Hilfe)
• Ausgangslage: Eine minderjährige Empfängerin von HzE oder von EinglH, die stationär untergebracht ist,
wird Mutter.
• Frage: Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt die Betreuung und Versorgung von Mutter und Kind?
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Erweiterte Hilfe (2)
• Lösungsalternativen:– ergänzende Sozialhilfe für das Kind– Wechsel der Hilfeart nach § 19 SGB VIII– Erweiterung der Leistungstatbestände
(Lösung KICK)• §§ 27 und 35a im Hinblick auf den Hilfebedarf der
Mutter• § 39 Abs.7 im Hinblick auf die Versorgung des
Kleinkinds
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Erweiterte Hilfe (3)
• Leistungsberechtigte bleiben die Großeltern
• Zwar hat die minderjährige Mutter in Bezug auf ihr Kind die elterl. Sorge, diese ruht jedoch, da die Mutter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist (§ 1673 Abs. 2 Satz 1 BGB)
• Eine Hilfegewährung nach § 27 Abs.4 setzt deshalb das Einverständnis – des Personensorgeberechtigten der Mutter– des Vormunds und– der Mutter selbstvoraus
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Weiterentwicklung des § 35 a
• Zum Hintergrund– Forderungen der Länder und Kommunen: Streichung von § 35 a– Zur primären Verantwortung von Schule und Krankenkassen– Das Sonderproblem der Teilleistungsstörungen– Der zweigliedrige Leistungstatbestand und seine Umsetzung
• Änderungen durch das KICK– Anhebung der Schwelle für die drohende Behinderung– Nähere Umschreibung des Auftrags des Arztes/ Psychotherapeuten
• Koalitionsarbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen:Eckpunkte zur Weiterentwicklung des SGB IX
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Qualifizierung intensivpädagogischer Maßnahmen im Ausland
• Forderung der Länder: Verbot intensivpädagogischer Maßnahmen im Ausland
• Änderungen durch das KICK– Hilfen zur Erziehung im Ausland als begründete
Ausnahme (§ 27 )
– Klärung gesundheitlicher Risiken im Vorfeld (§ 36)
– Eignungskriterien für die Leistungserbringer ( § 78 b)
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Verbesserung der Steuerungskompetenz des Jugendamts (§ 36 a)
• Grundsätzliches Verbot der Selbstbeschaffung von Leistungen
• Vertragliche Lösungen für den niederschwelligen Zugang zu Beratungsstellen
• Zur Anordnungskompetenz der Familien- und Jugendgerichte
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Ergänzende Regelungen zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege
• Kooperations – und Informationspflichten (§§ 22 a, 24)
• Neuregelung des Erlaubnisvorbehalts für die Tagespflege (§ 43)
• Einführung sozial gestaffelter Elternbeiträge für die öffentl. finanzierte Tagespflege (§ 90)
• Neuordnung der Statistik für Kinder in Tageseinrichtungen und in öff. finanzierter Tagespflege (§§ 99 ff.)
• Aufnahme von Kindern in öff. vermittelter Tagespflege in die gesetzl. Unfallversicherung (SGB VII)
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Neuordnung des Erlaubnisvorbehalts für die Kindertagespflege (§ 43)
• Zweck des Vorbehalts:Gefahrenabwehr oder Qualifizierung der
Tagespflege ?
• Abgrenzung erlaubnisfreier von erlaubnispflichtiger Tagespflege
• Symmetrie mit den Anforderungen an die öff. finanzierte Tagespflege (§ 23) ?
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Ausgestaltung des Erlaubnisvorbehalts (1)
• Voraussetzungen:– Betreuung des Kindes außerhalb des
Elternhauses– während des „Tages“ (Schichtarbeit ?)– mehr als 15 Stunden wöchentlich (pro Kind
oder auf die Kindertagespflegeperson bezogen ?)
– gegen „Entgelt“– auf länger als drei Monate angelegt– Pflegeperson muss geeignet sein (Abs.2)
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Ausgestaltung des Erlaubnisvorbehalts (2)
• Rechtsfolgen– Befugnis zu Betreuung von bis zu 5 Kindern– befristet auf 5 Jahre
• Landesrechtliche Modifikationen:– generell: Erlaubnis für weniger Kinder
oder– individuelle Entscheidung des Jugendamts
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Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe
• Verbreiterung der Bemessungsgrundlage (statt ersparte Aufwendungen künftig: Kosten der (teil)stationären Hilfe)
• Einheitliche Heranziehung durch öffentl.-rechtl. Kostenbeitrag
• Vereinfachte Einkommensermittlung durch pauschale Abzüge von Belastungen vom Einkommen
• Einführung von Tabellen für den einkommensabhängigen Kostenbeitrag im Rahmen der Kostenbeitragsverordnung
• Mindestkostenbeitrag in Höhe des Kindergelds beim kindergeldberechtigten Elternteil
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Weitergehende Forderungen der Länder (Übersicht- Teil 1)
• Streichung von § 35 a bzw. wesentliche Behinderung als Voraussetzung für den Anspruch
• Rückführung der Hilfe für Junge Volljährige auf das Niveau des JWG
• Kostenbeteiligung bei ambulanten Hilfen
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Weitergehende Forderungen der Länder (Übersicht - Teil 2)
• Herauslösung der Zuständigkeit für die Tagesbetreuung aus den Kreisjugendämtern
• Auflösung der Landesjugendämter bzw. Verlagerung ihrer Aufgaben (Aufsicht)
• (Einführung einer Finanzkraftklausel für die Umsetzung des Kinder-und Jugendhilfe - und des Sozialhilferechts)
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Amtl. Drucksachen (1)
• Gesetzentwurf der Bundesregierung zum TAG: BT-Drs. 15/ 3676
• Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT-Drs. 15/ 3986
• Erste Beschlussempfehlung und erster Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: BT-Drs. 15/ 4045
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Amtl. Drucksachen (2)
• Zweite Beschlussempfehlung und zweiter Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: BT- Drs. 15/ 5616
• Gesetzesbeschluss des Bundestages zum KICK: BR- Drs. 444/ 05
• Zustimmung des Bundesrat: BR-Drs. 444/ 05 – Beschluss
• Veröffentlichung des KICK im BGBl. I S. 2729• Veröffentlichung der KostenbeitragsVO im BGBl.
I S. 2907