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    LebenundTod

    Das Erscheinungsbild der Menschen whrend der letzten 35000 Jahre ent-spricht demjenigen der heutigen Menschen im ausgehenden 20. Jahrhundert.

    Archoanthropologie (Prhistorische und historischeMenschenkunde)

    Bei einer Vielzahl an Grbern lassen sichanhand der Resultate folgende Aussagenmachen:

    GeschlechteranteilKindersterblichkeitLebenserwartungArbeits- und Krankheits-

    belastungVerwandschaft

    DieArchoanthropologiebeschftigt sichmit derBergungundderwissenschaftlichenAus-wertungvonmenschlichenberrestenausarchologischenAusgrabungen.Diese liegen meist in Form von Skeletten, auch Knochenresten von Brandestattungen, seltener Mumien, vor.Fr die urgeschichtliche Forschung sind Auswertungsergebnisse an menschlichen berresten der Schlsselzu Fragen der Lebenserwartung, den Ernhrungsgewohnheiten und den Krankheiten der Menschen ver-gangener Epochen.

    Die Anthropologie kann anhand der Fun-de ber folgende biologische DatenAuskunft geben:

    GeschlechtSterbealterKrperhheKrperbaukrankheitsbedingte

    VernderungenVerletzungenErnhrungsweiseMangelerscheinungen

    Jungsteinzeitliches Grab von Lenzburg AG, ca. 35-jhriger,grossgewachsener Mann in Hockerstellung. Grabbeigaben:Halskette mit 5 Hundezhnen, 2 Pfeile, Knochenkamm,Bergkristallklinge und 5 Knochenwerkzeuge.

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    GeschlechtsbestimmungFr die Geschlechtsbestimmung eig-nen sich insbesondere die Becken-knochen und der Schdel. Das weib-liche Becken ist breiter und niedriger,um dem Kind gengend Platz zu bie-ten whrend der Schwangerschaftund fr die Geburt.Der mnnliche Schdel ist in der Re-gel grsser und robuster als der weib-liche. Wenn Becken und Schdel feh-len oder ungengend Auskunft geben,so knnen die grsserenGliedmassen-knochen bei der Geschlechtsbestim-mung weiterhelfen.

    KrperhheDie Lnge der grossen Extremittenknochen steht blicherweise ineinem gleichbleibenden Verhltnis zur Krperhhe eines Menschen.

    Krperhhe 170 cmFrau: Oberarmknochen 33,8 cm/ Oberschenkelknochen 48,2 cmMann: Oberarmknochen 32,8 cm/ Oberschenkelknochen 46,0 cm

    Die Leute waren imDurchschnitt etwas kleiner als heute. Krperhhenvariieren je nach Lebensbedingungen. Im Fhmittelalter waren Mn-ner sogar bis zu 170 cm und Frauen bis zu 160 cm gross. Sozialhhergestellte Personen waren gross gewachsen. Leute, welche tg-lich harte Arbeit verrichteten, waren kleiner gewachsen.

    KrperbauAnhand des Skeletts kann beschrieben werden, ob das Erscheinungs-bild des Menschen feingliedrig oder robust war.

    AltersbestimmungVerschiedene Merkmale geben Auskunft ber das Alter beim Eintrittdes Todes: Nahtverschluss an der Innen- u. Aussenseite des Sch-dels; Verkncherung der knorpeligen Skelettteile; bei Kindern undJugendlichen die Zahnentwicklung; Abbau der Knochensubstanz inden Gelenkkpfen von Oberarm und Oberschenkel; Abntzungs-grad der Zhne; Verschleisserscheinungen bei der Wirbelsule undan den Gelenken.Das Alter der Erwachsenen wird in Altersklassen auf 10 Jahre genaubestimmt: (2029 Jahre, 3039 Jahre, 4049 Jahre, 5059 Jahre,ber 60 Jahre)Kinder werden in drei Altersgruppen eingeteilt:Frh- und NeugeborenenalterKindesalterJugendalter

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    Skelett einer Frau

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    Beckenknochen

  • AbntzungserscheinungenOft werden seit der Sesshaftwerdung an den Ske-letten Verformungen an den Knien festgestellt. Diesdeutet auf eine starke Beanspruchung durch schwe-re oder einseitige krperliche Arbeit hin. Eine mg-liche Erklrung wre die kniende Stellung beimGetreide mahlen.An den Fussgelenken gibt es Hinweise auf hok-kende Ruhestellung, wie es heute noch in stlichenLndern zu beobachten ist. Gekauert wurde wohlzum Beispiel beim handwerklichen Arbeiten, beimKochen und beim Schwatzen.

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    KrankheitenVernderte Oberflchenstrukturen der Knochendeuten auf mgliche Infektionskrankheiten hin. DieGelenke zeigen hufig aufgrund bermssiger Be-anspruchung arthrotische Vernderungen. DieWir-belsulen von ber 50jhrigen Mnnern zeigenhufig Abntzungsspuren mit Verformungen rheu-matischer Art, bei Frauen oft schon ab 40 Jahren.Knochenbrche kamen eher selten vor. Am ehe-sten sind Brche an den Armen festgestellt wor-den.Karies oder Zahnbettschwund amGebiss lsst sichin der Jungsteinzeit im Durchschnitt bei jedem vier-ten Skelett feststellen. Schon im Frhmittelalter lit-ten vier Fnftel der Leute an Karies. Mit demGetreidebrei nahmen die Menschen grosse Men-gen an Strke zu sich. Strke verwandelt sich beimKauen zusammenmit dem Speichel in Zucker, wel-cher den Zahnschmelz anfllig fr Karies macht.Die Steinsplitter im Mehl, welches auf Steinmhlengemahlen wurde, raspelten die Zhne ab, entfern-ten aber gleichzeitig wieder die Karies.

    ErnhrungsbedingungenLebensmittelknappheit herrschte am ehesten imSptwinter und Frhjahr.In allen urgeschichtlichen Epochen gibt es Hin-weise auf Mangelkrankheiten.Beispiele:Rachitis verursachte Knochenverkrmmungen we-gen Mangel an Vitamin D, und Skorbut entstanddurch Mangel an Vitamin C.

    Eingriffe amSchdelMindestens schon seit der Mittelsteinzeit ist die Trepanation angewandt worden. Dabei wurde in den

    Schdel ein Loch gebohrt oder geschabt.Auf diese Weise konnte erhhter Hirn-druck vermindert oder Krankheiten epilep-tischer Art geheilt werden. Obwohl dieTrepanation mit einfachen Gerten (z.B.Steinmessern) vorgenommen wurde, lagdie berlebenschance nach einem sol-chen Eingriff bei 50%. Dies zeigen die vie-len verheilten Eingriffsstellen.

    Schdel mit verheilterTrepanationsffnung, Bonfol (JU),(Frhmittelalterlich).

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    Links: Unterarm-knochen eines er-wachsenen Man-nes mit in Fehl-stellung verheiltemBruch, Baar (ZG),Restaurant Frei-hof.Rechts: Speicheohne Verletzun-gen.

    Eingriffe amMenschenDie Menschen versuchten sehr wahr-scheinlich mit Heilpflanzen Krankheitenzu heilen. Knochenbrche wurden ge-schient und Wunden gepflegt. Aber auchfr chirurgische Eingriffe am Menschengibt es Hinweise.

    Mord und TotschlagEs gibt Hinweise auf Gewalt am Menschen, wiezum Beispiel Spuren von Schwerthieben am Sch-del, Pfeilspitzen zwischen den Rippen oder im Sch-del.Ebenso sind Massengrber bekannt, in denen mitGewalt zu Tode gekommene Menschen bestattetwurden , z. B. in Talheim (Deutschland).

    Schdel einesjungsteinzeitlichenMannes mit stek-kender Pfeilspitzeaus Knochen imKopf aus Neastved(Dnemark)

    Lebenserwartung inurgeschichtlicherZeitDie Lebenserwartung war niedrig. 25% allerNeugeborenen starben im ersten Lebensjahr.Die Hlfte der Bevlkerung erlebte dasErwachsenenalter von 20 Jahren nicht.

    LebenserwartungderFrauenDie durchschnittliche Lebenserfahrung der Frau lag6 bis 8 Jahre tiefer als beim Mann, im Gegensatzzu heute. Die Frauen starben sehr oft als Folge derBelastung bei Schwangerschaft und Geburt.

    BevlkerungszahlenWeltbevlkerungum 4000 v. Chr.: ca. 100 Millionenum 1000 n. Chr.: ca. 300 MillionenDieWeltbevlkerung hat sich also innerhalbvon 5000 Jahren etwa verdreifacht.

    um 1750: 800 Millionenum 1900: 1650 MillionenHeute: 5090 MillionenIn den letzten 90 Jahren hat sich die Welt-bevlkerungmehr als verdreifacht.

    LebenserwartungheuteVor allem wegen der besseren medizinischen Versorgung und Ernhrung stieg die Lebenserwartung imLauf der letzten 200 Jahre im Vergleich zur urgeschichtlichen Zeit auf das Doppelte.Heute betrgt die durchschnittliche Lebenserwartung in Westeuropa und Nordamerika (industrialisierteLnder) bei Frauen bei 79 Jahren und bei Mnnern bei 73 Jahren.

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    Bestattungsarten/Grabbautenim Gebiet von MitteleuropaKrperbestattungenDie Toten wurden in Seitenlage, Hockerlage, meist aber in Rckenlageins Grab gelegt.Von der Altsteinzeit bis in die Eisenzeit sind Mehrfachbestattungen be-kannt. In einigen Fllen wurden mehrere Tote gleichzeitig im selbenGrab bestattet.In jungsteinzeitlichen Dolmengrbern war es auch Brauch, im gleichenGrab Tote nacheinander zu beerdigen. So sind Skelette oft beiseitegerumt worden, um erneut fr eine Bestattung Platz zu gewinnen (z.B.Sion, Petit Chasseur)

    BrandgrberDie Toten wurden verbrannt und der Leichenbrand in Urnen oder direktin einer Grube einzeln oder gemeinsam bestattet.

    Andere Bestattungsarten, wie man sie aus der Ethnographie kennt, sindfr die Urgeschichte denkbar, wie z.B. Leichen auf Bume oder Anh-hen legen oder in Flsse geben.

    Jungsteinzeitliches Dolmen-Dop-pelgrab von Opfikon ZH, Stein-kistemit Doppelbestattung inRk-kenlage. Als Grabbeigabenmehrere Pfeile, ein Messer undein Dolch (s. Schdel rechts).

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    Die Totenwurden beerdigt

    BestattungsorteIn der Alt- und Mittelsteinzeit weiss man von Bestattungen in Hhlen oder unter Felsvorsprngen. Ab derJungsteinzeit sind Nekropolen, das heisst Friedhofsanlagen an erhhten Lagen und in der Umgebung derSiedlungen bekannt. In rmischer und frhmittelalterlicher Zeit befanden sich die Begrbnispltze immer

    ausserhalb der Stdte oder Wohngebiete. In rmischer Zeit wurdenSuglinge in den Siedlungen beerdigt.

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    Der Umgang mit dem Tod war fr die Menschen der urgeschichtlichenEpochen und bis weit in die Neuzeit hinein ein Bestandteil des Alltags.

    Die Frau aus der Hhle von CotencherIn Cotencher, Rochefort (NE) in einer Hhle wurdeder Oberkiefer einer vermutlich mit ca. 40 Jahren ver-storbenen Frau gefunden. Diese Frau gehrte zu denspten Neandertalern und lebte vor ungefhr63000 Jahren. Die Frau aus der Felsgrotte vonNenzlingen

    Ein beinahe vollstndiges Skelett einer 40- bis 60-jhrigen Frau wurde bei Nenzlingen (BL) in einerGrotte gefunden. Die Frau stammt aus der Mittel-steinzeit (ca. 9000 6000 v. Chr.) und gehrtzum anatomisch modernen Menschen, demHomo sapiens.

    Die ltestenmenschlichenKnochenfunde auf demGebietder heutigen Schweiz

    Der Zahn aus Saint Brais, Glovelier (JU)Der in einer Hhle gefundene Schneidezahnstammt von einem 16- bis 18-jhrigen Neander-taler, welcher vor ungefhr 40000 Jahren leb-te.

    Grotte duBichon, LaChaux-deFonds (NE)Fast vollstndiges Skelett eines 20- bis 25-jhrigenJgers (165 cm Krperhhe), welcher in einer Hhlevon einem Bren gettet wurde. (Sptpalolithisch,um 12000 v. Chr.)

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    Eisenzeit: 800 15 v. Chr.Brandbestattungen/KrperbestattungenBestattungen im Sarg od. unter GrabhgelnLeichenbrandUrnengrber

    Bronzezeit: 2200 800 v. Chr.Brandbestattungen/KrperbestattungenBestattungen in Steinkisten od. unter GrabhgelnLeichenbrandUrnengrber

    Altsteinzeit/Mittelsteinzeit: 17000 6000 v. Chr.Krperbestattungen einzeln

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    GrabbeigabenDen Verstorbenen wurden oftmals persnlicheoder speziell angefertigte Gegenstnde undSpeisen ins Jenseits mitgegeben.Die Toten wurden in gewissen Epochenmit Tracht,Schmuck und Bewaffnung ins Grab gelegt. Auchbei Brandbestattungen wurden Beigaben mit-verbrannt oder nachtrglich ins Grab gelegt.Natrlich sind auch Grber ohne Beigaben be-kannt.Es gibt Hinweise, dass die Neandertaler den To-ten schon in der Altsteinzeit Bltter und Blten insGrab gelegt haben.Tierknochen, welche in Grbern gefundenwerden deuten auf Speiseopfer hin, oder dasLieblingstier wurde mitbestattet.Weltbild, Glaubensinhalte und Kulte knnen anhand der Grabbeigaben nicht endgltig rekonstruiert wer-den. Allenfalls kann die soziale Stellung der Verstorbenen in der Gesellschaft aufgrund der Reichhaltigkeitder Grabbeigaben vermutet werden.Keramik, Schmuck und Waffen knnen einer archologischen Epoche zugeordnet werden und helfen so,das Grab zu datieren.Die Bedeutung der einzelnen Grabbeigaben in Bezug auf Grabriten bleibt, ausser in der rmischen Epo-che, aus der man schriftliche Quellen hat, weitgehend unbekannt.

    Jungsteinzeitliches Grab von Lenzburg, mit7 Skeletten.

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    Bestattungsarten/Grabbauten imGebiet der Schweiz

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    Jungsteinzeit: 5500 2200 v. Chr.Krperbestattungen/BrandbestattungenBestattungen in HolzkistenBestattungen in SteinkistenBestattungen in Dolmen

    Frhmittelalter: 500 800 n. Chr.Krperbestattungen in Steinkisten/Holzkisten-grbern in Grberfeldern

    Rmische Zeit: 15 v. Chr. 401 n. Chr.UrnengrberKrperbestattungen, z.T. mit Grabsteinen, Sug-linge unter Ziegeln

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    Grber im Kanton Zug

    Eisenzeit (Hallstatt/Latne)800 15 v. Chr.OberwilFrauengrab mit reichen Beigaben(um 260 v. Chr.)SteinhausenUnterfeldVier Grber mit reichen Grabbeigaben(um 260 v. Chr.)

    Rmer15 v. Chr. 401 n. Chr.Zug-LoretoGrberfeld(um 300 n. Chr.)Risch-HolzhusernDrei Urnengrber mit Leichenbrand(um 300 n. Chr.)

    Frhmittelalter (Alamannen)500 n. Chr. 800 n. Chr.Baar-Rest.FreihofGrab (7. Jahrhundert n. Chr.)Baar-ZugerstrasseGrberfeld (7. Jahrhundert n. Chr.)Obergeri-SeemattSkelett mit Skramasax (7. Jahrhundert n. Chr.)Zug-LberenSkelette mit Skramasax (7. Jahrhundert n. Chr.)Zug-FischmarktSkelett mit Dolch, Pfeilspitze, Grtelschnallen und Feuerzeug(7. Jahrhundert n. Chr.)

    Baar-St. Martin (Pfarrkirche)Frhmittelalterliches Stiftergrab mitTuffsteinumrandung, als GrabbeigabeeinRasiermesser ausEisen (sieheKreisbeim Unterschenkel) .

    Baar-Rest. Freihof, frhmittelalterliches Grab eines etwa 50-jhrigen alamannischen Mannes. Er war 1,59 m gross, hatteeinen in verschobener Stellung verheilten Oberarmbruch. Sei-ne Wirbelsule war stark abgentzt (siehe Detailbilder). DerMann gehrte eher der sozial unteren Schicht an.

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    Das Frauengrab von Oberwil ZG (Eisenzeit 800 bis 15. v. Chr.)Im Jahre 1951, beim Abtiefen eines Wasserleitungsgrabens in Oberwil, stiess der Arbeiter Melchior Gwerderauf menschliche Knochen. Ein Spaziergnger entdeckte die auf den Aushub gelegten Fibeln aus Bronzeund meldete den Fund Michael Speck, der damals zustndig war fr die archologischen Bodenfunde.

    Die anthropologischen Untersuchungen diesesGrabfundes ergaben, dass die bestattetenmenschlichen Knochen einer Frau gehrten, dieetwa 160 bis 165 cm gross war. Ihr Sterbealterlag bei etwa 40 Jahren.

    Die Frau trug im Brust- undSchulterbereich mehrere Fi-beln (Gewandnadeln). An-hand dieses Schmucks kannim Vergleich mit andereneisenzeitlichen Grbern fest-gestellt werden, dass dieFrau ungefhr Mitte des 3.Jahrhunderts v. Chr. beerdigtwurde. An den Arm- undFussgelenken trug sie Reifenund an der Hand Fingerrin-ge, unter anderen einenSchaukelring (9).Eher seltene Funde sind inFrauengrbern die glattenArmringe und die Schaukel-ringe, wie sie die Frau ausOberwil trug.Der Durchmesser des glat-ten Armrings (11) ist so klein,dass der Reif schon wh-rend der Kindheit ber das

    Handgelenk gestreift worden ist.Schmuck scheint schon zu dieser Zeit Reichtumund dadurch eine bedeutende Stellung in derGesellschaft angezeigt zu haben.

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    Skelettschemader Frau vonOberwil mitLage der Funde.

    Funde des Frauengrabs von Oberwil: 1-6 Fibeln u.Fibelfragmente, 8-9 Fingerringe, 10-11 Armreife,12-14 Fussreife.

    Alamannische Grabrekonstruktion (um 400 n.Chr.)

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    Totenbrauchtum der Rmer (15 v. Chr. bis 401 n. Chr.)Aus rmischer Zeit sind schriftliche Quellen bekannt, welche Totenbrauchtum der Oberschicht, Jenseitsvor-stellungen und rmisches Grabrecht beschreiben.

    DasSterbenSchon am Sterbebett versammelten sich die Verwandten der dem Tode geweihten Person. Nach Eintrittdes Todes schloss man der verstorbenen Person die Augen. Anschliessend wurde laut der Namen dertoten Person gerufen, Anrufung conclamatio genannt.

    AufbahrungDie Leiche wurde gewaschen und gesalbt, eingekleidet und in einem blumengeschmckten Raum desWohnhauses bis zu einer Woche aufgebahrt. Fackeln und llmpchen wurden angezndet und Rucher-pfannen verbreiteten wohlriechende Dfte.Whrend mehreren Tagen blieben die Toten aufgebahrt. Die Trauernden hielten Totenwache und drcktenihre Trauer aus. Klageweiber bezeugten ihre Trauer mit Haare raufen und sich auf die Brust schlagen, wasdie Rmer planctus nannten. Klageweiber spielten bei der Totenklage bis in die Neuzeit in Italien einewichtige Rolle.

    DerLeichenzugBei hochrangigen Personen folgten dem Leichenzug pompa die Angehrigen und Freunde, auch Klage-weiber, Musiker und Schauspieler, welche Ereignisse aus dem Leben der Verstorbenen nachspielten. Bil-der der Verstorbenen wurden beim Leichenzug mitgetragen.Es wurden Reden pro rostrisgehalten, nicht um die Trauernden zu trsten, sondern um die Verstorbenen zuloben und deren Verlust deutlich zu machen.

    Nach rmischem Brauch wurden die Verstorbenen oft-mals kremiert. Rekonstruktionszeichnung einer aufgebahr-ten Toten. (aus: Des Lichtes beraubt, ArchologischeDenkmalpflege Mainz)

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    BegrbnisvereineDie Angehrigen der untersten Bevlkerungs-schicht konnten sich kein aufwendigesBegrbniszeremoniell leisten. Begrbnisvereine,bei denen Mitgliederbeitrge bezahlt wurden,halfen eine angemessene Bestattung und Grab-sttte zu ermglichen. Kinder wurden nachts undohne grosse Feier beerdigt.

    KremationundBegrbnisplatzIn der Nhe des Begrbnisplatzes, wurde dieBahre oder das Totenbett mit der Leiche auf ei-nem Scheiterhaufen verbrannt. Durch dieKremation gewannen die Toten ihre Reinheit wie-der.Die berreste des Scheiterhaufens wurden mitWasser und Wein gelscht und die Knochen-reste fllte man in eine Urne ossilegium.Die Begrbnispltze lagen an den Strassen,ausserhalb der Stdte.

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    TrauerNeben den Gefhlen des Verlusts und der Trau-er gab es auch Furcht vor den Toten, da manglaubte, dass sie umgehen. Man stellte sichvor, dass die Toten als Totengeister (manes)weiterlebten und im Grab wohnten. Deshalbwurde das Grabmit Esswaren undGefssen aus-gestattet. Sogar die Lieblingstiere wurdenmanch-mal ins Grab mitgegeben.

    GrabinschriftenAuf den Grabinschriften widerspiegelt sich derSchmerz ber den Verlust der Verstorbenen.Eltern trauern um ihre Tochter :

    Literatur- u. Abbildungshinweise:Beitrge zur Archozoologie, Archologie, Anthropologie, Geologie und Palontologie, Ph. Morel: Quelquesremarques propos de coquilles doeufs dcouvertes dans une tombe de lpoque augustenne Sion Petit-Chasseur, Basel

    A. Cueni et al, Baarer Heimatbuch 1997/98, Signalement: mnnlichA. Cueni et al, Einfhrung in die Archoanthropologie, VATG Basel 1993B. Cunliffe, Illustrierte Vor- und Frhgeschichte Europas, Zrich 1996Die Alamannen, Wrttembergisches Landesmuseum, Stuttgart 1997Die Schweiz vom Palolithikum bis zum frhen Mittelalter, SPM I/SPM II/SPM III, Basel 1993/1995Fundbericht aus Baden-Wrttemberg: Anthropologisch-Traumatische Untersuchung der menschlichen Skelettreste aus dem band-keramischen Massengrab bei Talheim, Kreis Heilbronn, Stuttgart 1987

    A.R. Furger /F. Hartmann, Vor 5000 Jahren, Bern 1983A. Hafner, Grber Spiegel des Lebens; Totenbrauchtum der Kelten und Rmer, Mainz 1989M.N. Haidle, MangelKrisenHungersnte? Ernhrungszustnde in Sddeutschland und der Nordschweiz vomNeolithikum bis ins 19. Jahrhundert, Urgeschichtliche Materialhefte 11, Tbingen 1997

    S. Hochuli und B. Horisberger, Greens und Grber, Kantonsarchologie Zug, Zug 1997B. Kaufmann, Der Beitrag der Palopathologie zur Geschichte des Mittelalters, ohne ZitatU. Ruoff, Leben im Pfahlbau, Solothurn 1991B. Streit, Evolution des Menschen, Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1995M. Witteyer u. P. Fasold, Des Lichtes beraubt; Totenehrung in der rmischen Grberstrasse von MainzWeisenau,Archologische Denkmalpflege Mainz/Museum fr Vor- und Frhgeschichte, Frankfurt 1995

    Rmisches Urnenbegrbnis (aus: Des Lichtes beraubt,Archologische Denkmalpflege Mainz).

    Totenbrauchtum der Rmer (15 v. Chr. bis 401 n. Chr.)

    DEN TOTENGTTERN. TELESPHORIS UNDIHREHEMANN, DIE ELTERN, SETZTEN IHRERSSSESTENTOCHTERDENGRABSTEIN.KLA-GEN MUSS MAN BER DAS SSSE MD-CHEN! OH, DASS DU NIE GEWESENWRST, WENN DU SO LIEB WERDEN SOLL-TEST UND DOCH BEI DEINER GEBURT DIRBESTIMMT WAR, IN KURZER ZEIT DAHINZURCKZUKEHREN, VON WO DU UNS GE-GEBEN, DEINEN ELTERN ZUR TRAUER. DIEHLFTE EINES JAHRES LEBTE ESUNDACHTTAGE. WIE EINE ROSE VERBLHTE SIE UNDVERWELKTESOGLEICH.

    Gedenken an die TotenDie Ehrung der Toten war eine lebenslange Pflicht, vorallem der nchsten Angehrigen. Die Verwandten ge-dachten der Toten, besuchten die Grber, entzndetenllmpchen und brachten Opfer (inferiae), z.B. Frch-te, Salz, in Wein eingeweichtes Brot und Blumen.

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