Strategische Kommunikation im RechtsstreitJeder kennt Robin Hood, kaum einer Litigation PR. Was hat ein Verfechter der Gerech-tigkeit mit einer PR-Disziplin zu tun? Robin Hood ist ein Symbol für den Kampf des Gu-ten gegen einen übermächtigen Widersacher. Dieses uralte Bild wird oft und gerne genutzt, um Konflikte zu veranschaulichen.
Konflikte – kaum etwas zieht die journalistische und öffentliche Neugierde so an. Dies gilt umso mehr, wenn die Auseinandersetzung in einen Rechtsfall eingebettet ist. Dann geht es auch um „kriminelle Machenschaften”, um Schuld und Bestrafung. Wer vor Gericht steht, steht auch am Medienpranger. Und damit wären wir bei Litigation PR.
Litigation PR ist die Öffentlichkeitsarbeit, die bei rechtlichen Auseinandersetzungen eingesetzt wird. Damit ist Litigation PR ein Schutzschild für die, die im Kreuzfeuer der Kritik stehen. Die Chemieverbände Rheinland-Pfalz haben eine Expertin eingeladen, die mit den Teilnehmern die Grundlagen der Litigation PR durchging und anhand echter und aktueller Beispiele professionelle Kommunikation im Rechtsfall trainierte.
Stefanie Lenze | Chemieverbände Rheinland-Pfalz
Kommunikation im Rechtsfall, strategische Rechts-kommunikation, prozessbegleitende pR, verfahrens-begleitende Öffentlichkeitsarbeit – es gibt viele Namen für Litigation pR.
INHALTWas Litigation-Themen so brisant macht
Wen es treffen kann
Auf welche Risiken man sich einstellen muss
Litigation pR ist leise
Wie man professionell reagiert
Litigation pR folgt eigenen Regeln
festgehaltenDie Veranstaltungen der Chemieverbände Rheinland-pfalz
05 | 2015
Was Litigation-Themen so brisant machtJuristische Auseinandersetzungen haben einen hohen Nachrichtenwert: sie sind aktuell und sensationell, unvorhersehbar und relevant. Oft stehen Menschen im Mittelpunkt. Damit gehen die Geschichten nah und lassen sich gut dramatisieren. Im Zentrum steht ein Konflikt – und der verspricht Spannung. Damit hat man alles, was man für eine gute Geschichte braucht.
Daher kann die Berichterstattung über Rechtsfälle schnell an Fahrt aufneh-men und unkontrollierbar werden. Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass Vorverurteilungen in den Medien keineswegs Seltenheitswert haben. Das prominenteste Beispiel der letzten Jahre ist der Fall des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.
Strategische Kommunikation im Rechtsstreit | Asselheim/Grünstadt
Studie
Hans Kepplinger, professor an der universität mainz, hat gezeigt, dass die Berichterstattung Richter beeinflusst. er konnte belegen, dass die mediale Stimmung Auswir-kungen auf das Strafmaß hat.
Wen es treffen kann„Es kann jeden treffen” ist mehr als ein Sprichwort. Auch Unternehmen können sich einem Rechtsstreit ausgesetzt sehen, zum Beispiel bei:
Arbeitsunfällen auf dem Werksgelände
Zwischenfällen in der Produktion oder Probleme mit einem Produkt
Ärger mit dem Betriebsrat
einem Wechsel der Unternehmensführung
der Restrukturierung des Geschäfts
Abbau von Arbeitsplätzen oder einer Kündigung mit unvorhergesehener Prominenz
Umweltthemen (Altlasten, Unfällen beim Transport von Grundstoffen oder Produkten etc.)
Umbau auf dem Werk oder Werkserweiterung
Auf welche Risiken man sich einstellen muss Das Ansehen des Unternehmens oder der betroffenen Person in der Öffent-lichkeit leidet. Dies kann bis zum Jobverlust oder zur Geschäftsaufgabe füh-ren. Der Prozess um „Wetterfrosch” Jörg Kachelmann ist nur ein Beispiel. Das hier sind einige Risiken für Chemieunternehmen:
Geschäftspartner sind irritiert und kündigen im schlimmsten Fall die Ge-schäftsbeziehung.
Die Marken werden in Mitleidenschaft gezogen, Umsätze brechen ein
„Semper aliquid haeret.” Es bleibt immer etwas hängen – auch bei einem Freispruch steht man zukünftig im Zusammenhang mit dem Vorfall. Das di-gitale Gedächtnis des Internets verstärkt diesen Effekt.
Potenzielle Bewerber werden abgeschreckt, die Stimmung im Haus ver-schlechtert sich nachhaltig, die Beziehung zur Arbeitnehmervertretung kühlt sich ab.
Zukünftig negative Berichterstattung in den Medien, die Zusammenarbeit mit den Redakteuren wird schwieriger
„Das Ziel der Litigation PR ist eine chancengleiche Berichterstattung.” Susanne Kleiner
Litigation PR ist leise„Man führt zwei Verfahren: Eines im Gerichtssaal und eines im Gerichtssaal der öffentlichen Meinung,” erklärt Referentin Susanne Kleiner. Sie ist auf strategische Öffentlichkeitsarbeit bei Krisen und Konflikten spezialisiert. Oft arbeitet sie im Hintergrund, erstellt im Auftrag von betroffenen Firmen Medienanalysen und Konzepte zur Kommunikationsarbeit. Unter Umständen lautet ihre Empfehlung auch mal: Erstmal nichts tun. „Das ist für den Betrof-fenen oft schwer nachvollziehbar”, gibt sie zu. Aber Litigation PR zielt auf eine möglichst geringe mediale Aufmerksamkeit. „Das bedeutet nicht, zu schweigen”, so Kleiner. Sondern im Rahmen einer Defensivstrategie kurz und klar Position zu beziehen und sachlich zu informieren.
Es geht darum, ein Gleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung zu er-reichen, Vorverurteilungen zu verhindern und so die Reputation des Unter-nehmens und der Person zu schützen. Litigation PR kann die Position der Gegenpartei entkräften und dafür sorgen, dass in den Medien die Un-schuldsvermutung aufrecht erhalten wird. Selbst wenn man Recht be-kommt, kann man allzu schnell im Gerichtssaal der öffentlichen Meinung verloren haben. Das soll Litigation PR verhindern.
05/2015
Wie man professionell reagiert In der Theorie klingt die ideale Kommunikationsstrategie schlüssig und ein-fach. Aber in der Realität ist jeder Fall anders. „Daher wollte ich praktische Beispiele”, sagte Rolf Peikert. „Gut, dass wir diese Praxischecks machen.” Zwei der Teilnehmer hatten zwei ganz unterschiedliche Fälle aus ihrer Be-rufspraxis mitgebracht. Im Team wurde der Fall neu analysiert und ein ver-besserter Handlungsplan erarbeitet. Diese Leitfragen halfen ihnen dabei:
1. Wie ist der Fall einzuordnen?
Ist der Rechtsstreit öffentlich bekannt? Welche Tonalität und Intensität herrscht in den Medien vor? Wie ist die Stimmung im Unternehmen? Wie schwer wirkt der Vorwurf und sind Personen im Schussfeld?…
2. Was ist das Kommunikationsziel?
Berichterstattung vermeiden? Oder versachlichen? Muss Glaubwürdigkeit zurück gewonnen werden?…
3. Welche Schritte sind notwendig?
Litigation-PR-Team aufbauen, Sprachregelung entwickeln, Presseinfor-mationen zusammen stellen, die Belegschaft aufklären…
„Auch andere machen PR: der Rettungsdienst, die Polizei, Behörden. Und durch die sozialen Medien wird die Verbreitung der Information beschleunigt.” ulrike Dalheimer
Jeder kann kommunizieren, ungeachtet des Wahrheitsgehalts. Oft hat die Gegenseite Interesse an einer intensiven Bericht -erstattung und geht sehr professionell vor. Auch Kanzleien und Staatsanwaltschaften gehen auf die presse zu, um sich zu profilieren. Kommuniziert man selbst nicht, weckt dies den leisen Verdacht, „dass die was verschweigen, weil sie Schuld haben.” Wer die Deutungshoheit behalten will, muss sich äußern.
Wer kommuniziert?
Rettungskräfte
Kontraktoren Feuerwehr
Behörde...
JournalistenRechtsanwalt
Anwohnerpolizei
Rechtsanwalt
Strategische Kommunikation im Rechtsstreit | Asselheim/Grünstadt
ImpReSSum Herausgeber: Chemieverbände Rheinland-Pfalz, Bahnhofstraße 48, 67059 Ludwigshafen, Telefon 06 21-5 20 56 -0, Telefax 06 21-5 20 56 -20, [email protected], www.chemie-rp.de, Redaktion: Stefanie Lenze, Fotos: kokouu, iStock; Marcel Hasübert, mh-foto.de, Gestaltung: [email protected], Köln, Druck: Chroma Druck & Verlag GmbH, Römerberg-Berghausen, Auflage: 400, Stand: Mai 2015. Die Veranstaltung fand am 12. März 2015 in Asselheim/Grünstadt statt.
Litigation PR folgt eigenen Regeln
Grundsätzlich gilt
Jede kommunikative Aktion folgt der juristischen Argumentationslinie der Anwälte. Auf ihrer Grundlage werden das Statement der handelnden Per-son und die Sprachregelung für alle Akteure formuliert. So können die Aus-sagen und Presseunterlagen rechtssicher und handwerklich sauber aufbe-reitet werden.
Schnelligkeit vor Vollständigkeit
Gelangt der Rechtsstreit in die Öffentlichkeit, muss die erste Reaktion schnell kommen, sonst bestimmen andere die Agenda. „Das erste State-ment ist entscheiden”, sagt Susanne Kleiner. Eine frühe Aussage zum Sachverhalt birgt die Chance, dass sich die Diskussion dreht. Man signali-siert Transparenz und Kooperationsbereitschaft – beides wichtig, um das Vertrauen zu erhalten und die Reputation zu schützen.
Kurz, sachlich, rechtssicher
„Litigation-Statements müssen mit der Problematik klarkommen, dass das, was juristisch richtig ist, nicht unbedingt medial passt”, so Kleiner. Folgende Kriterien gelten für ein gutes Litigation-Statement:
keine Defensivhaltung, Dementis oder Schuldzuweisungen
klar und sachlich
positiv
keine Widersprüche
Nie ohne Sprachregelung
Das Unternehmen sollte mit einer Stimme sprechen. Entweder der eigene Pressesprecher, ein externer Sprecher, der Anwalt oder der Geschäftsfüh-rer. Diese Entscheidung sollte situativ getroffen werden. Die Mitarbeiter am Empfang, der Telefonhotline oder die Assistenten müssen informiert sein und Zugang zum vereinbarten Wording haben.
Übersetzungsarbeit
Nur Journalisten, die solide unterstützt werden, können fundiert berichten. Deswegen leistet Litigation PR hauptsächlich Übersetzungsarbeit. Es geht darum, juristische Sachverhalte verständlich zu formulieren, Komplexität zu verringern, nachvollziehbar zu argumentieren und die Fakten zu kontextua-lisieren. Die wenigsten Journalisten sind Rechtsexperten; Gerichtsbericht-erstatter leisten sich nur noch die wenigsten Verlage.
Wege in die medien
Litigation-Themen sind naturgemäß komplex. Daher empfiehlt sich ein Hinter-grundgespräch oder Exklusivinterview mit einem Leitmedium. Eine Presse-mappe und/oder Homepage mit den wichtigsten Fakten und den Statements liefert Material für eine ausgewogene Berichterstattung. Fotos sollten kosten-los zur Verfügung gestellt werden. Das verhindert unvorteilhafte Schnapp-schüsse und schlechte Motive, die „zur Story passen”. Pressekonferenzen sollten nur dann anberaumt werden, wenn man etwas zu sagen hat. Empathie und Zurückhaltung sind wichtig. Sonst wird schnell das Bild des „kalten Kapi-talisten” gezeichnet. Und: „Man muss nicht auf alle Fragen antworten”, be-tont Kleiner. „Lassen Sie sich nicht instrumentalisieren.” Ein regelmäßiges Ka-mera- und Rhetoriktraining kann sich in genau diesen Situationen auszahlen.
„Mir war der Praxisbezug wichtig und die Möglichkeit,
offene Fragen stellen zu können. Insgesamt war es sehr
interessant und lehrreich.” Steffen Spendel