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9 Keimstrang-Stroma-TumorenM. Friedrich, S. Tauchert, C. Villena-Heinsen

Einleitung

Diese Gruppe von Tumoren leitet sich vom primitiven Keimstrang (Granulosa-und Sertolizellen) oder vom sexuell determinierten Mesenchym des Ovars (The-ka-, Hilus- und Leydig-Zellen) ab. Epitheliale und mesenchymale Differenzie-rungen können allein oder kombiniert, als luteinisierte oder nichtluteinisierteForm auftreten. Sie machen etwa 5–10% aller Ovarialtumoren aus.

Klassifikation der Keimstrang-Stroma-Tumoren

Granulosastromazelltumoren

▬ Granulosazelltumor– Jugendlicher Typ– Erwachsener Typ

▬ Tumoren in der Thekom-Fibrom-Gruppe– Thekom

TypischLuteinisiert

– Fibrom– Zelluläres Fibrom– Fibrosarkom– Stromatumor mit geringen Sexcord-Elementen– Sklerosiender Stromatumor– (Stromaluteom) s. unten– Nichtklassifiziert (Fibrothekom)– Andere

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Sertolistromazelltumoren, Androblastom

▬ Gut differenziert– Sertolizelltumor (tubuläre Androblastom)– Sertoli-Leydig-Zell-Tumor– (Leydig-Zell-Tumor) s. unten

▬ Mit intermediärer Differenzierung– Variante – mit heterologen Elementen (Typ spezifizieren)

▬ Schwach differenziert (sarkomatös)– Variante – mit heterologen Elementen (Typ spezifizieren)

▬ Retiform– Variante – mit heterologen Elementen (Typ spezifizieren)

Keimstrangtumoren mit annulären Tubuli

Gynandroblastom

Unklassifizierbar

Steroid-(Lipid-)Zelltumoren

▬ Stromaluteom▬ Leydig-Zell-Tumor (Hiluszelltumor)▬ Nichtklassifiziert (nicht anderweitig spezifiziert)

Symptomatik

In den meisten Fällen sind die Symptome durch die Fähigkeit zur Biosynthese von Steroidhormonen (Progesteron,Hydroxyprogesteron,Androstendion,Testo-steron, Östrogen etc.) geprägt. In Abhängigkeit von dem am stärksten produ-zierten Hormon werden unterschiedliche Störungen der endokrinen Regula-tionsmechanismen manifest (z. B. Pseudopubertas praecox, Fertilitätsstörungen,Virilisierung, Postmenopausenblutungen, Endometriumkarzinom, Mamma-karzinom). Zusätzlich beeinflussen das Alter der Patientin und die endokrineAusgangssituation das klinische Erscheinungsbild. Am häufigsten werden auf-grund vermehrter Östrogenproduktion Postmenopausenblutungen bei Endo-metriumhyperplasie beobachtet.

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Granulosazelltumoren

Diese Tumoren entsprechen einer tumorösen Proliferation der Granulosazellenund sind in 80% mit einer Östrogenbildung assoziiert. In aller Regel weisen sieThekazellanteile mit oder ohne Luteinisierung auf. Sie sind mit ca. 2% allerOvarialtumoren und mit 5–10% aller soliden Ovarialtumoren die häufigsteVariante der Keimstrang-Stroma-Tumoren (70% der malignen Keimstrang-Stroma-Tumore).

So werden Granulosazelltumoren in allen Altersgruppen von Patientinnenangetroffen. Unter präpuberalen Patientinnen treten Granulosazelltumoren in5% der Fälle auf.Ein bilaterales Auftreten ist nur bei 2% der Patientinnen der Fall.Am häufigsten werden aufgrund vermehrter Östrogenproduktion Postmeno-pausenblutungen bei Endometriumhyperplasie beobachtet. So sind 25–50% derGranulosazelltumoren mit einer endometrialen Hyperplasie assoziiert. Endo-metriumkarzinome entstehen in Assoziation mit Granulosazelltumoren inmindestens 5% der Fälle. Im geschlechtsreifen Alter sind Zyklusstörungen odersekundäre Amenorrhö die Leitsymptome. Bei den seltenen Keimstrang-Stroma-Tumoren des Kindesalter kann sich eine Pseudopubertas praecox entwickeln.Etwa ein Drittel der Granulosastromazelltumoren sind endokrin inaktiv.

Aszites tritt in ca. 10% der Fälle auf. Granulosazelltumoren werden für ge-wöhnlich im FIGO-Stadium I diagnostiziert, können aber nach 5–30 Jahren nachPrimärdiagnose noch rezidivieren. Diese Tumore können hämatogen in par-enchymatöse Organe wie Lunge, Leber und Hirn Jahre nach der Primärdiagnosemetastasieren.Inhibin wird von Granulosazelltumoren sezerniert und stellt einennützlichen Marker für diese Erkrankung dar. Die Mehrzahl der Keimstrang-Stroma-Tumoren ist als semimaligne einzuschätzen und zeigt eine relativ gutePrognose.Bei Diagnose im FIGO-Stadium I beträgt die Zehnjahresüberlebensrate90–95% und im FIGO-Stadium III 0 – 22%.

Therapie

OperationDa Granulosazelltumoren bei ca. 2% der Patientinnen bilateral auftreten, ist dieeinseitige Salpingoophorektomie die geeignete operative Therapie für das FIGO-Stadium Ia bei Kindern oder Frauen im reproduktiven Alter.Bei suspektenLäsionen des kontralateralen Ovars sollten Biopsien vom kontralateralen Ovarentnommen werden.Bei Patientinnen im peri- oder postmenopausalen Alter,beidenen der Erhalt der Eierstöcke nicht zwingend erforderlich ist, sollte eineHysterektomie mit beidseitiger Salpingoophorektomie, Peritoneallavage, mul-tiplen Peritonealbiopsien, Omentektomie sowie pelvine und paraaortale

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Lymphondektomie bzw. Sampling erfolgen. Bei prämenopausalen Patientinnen,bei denen der Uterus belassen wird, sollte eine fraktionierte Abrasio zumAusschluss eines koexistenten Adenokarzinoms des Endometriums erfolgen.

StrahlentherapieIm Rahmen der Primärtherapie eines Granulosazelltumors im FIGO-Stadium Ibzw. nach kompletter Resektion kommt der adjuvanten Strahlentherapie keineBedeutung zu.Einzig beim Auftreten von Rezidiven im kleinen Becken besteht dieMöglichkeit zur Bestrahlung des kleinen Beckens.

ChemotherapieEs gibt nur wenige Hinweise dafür, dass eine adjuvante Chemotherapie dieRezidivrate verringert, sodass im Rahmen der Primärtherapie eines Granulosa-zelltumors im FIGO-Stadium I bzw. nach kompletter Resektion der adjuvantenChemotherapie keine Bedeutung zukommt. In der metastasierten Situationwurde im Rahmen von Studien eine Vielzahl unterschiedlicher Chemotherapie-Regime eingesetzt. Das effektivste Chemotherapie-Regime scheint das BEP-Regime (Bleomycin, Etoposid, Cisplatin) zu sein.Weitere wirksame Kombinatio-nen sind: – Cisplatin,Adriamycin,Cyclophosphamid (CAP),– Cyclophosphamid,Cisplatin (CP),– Cisplatin,Vinblastin,Bleomycin (PVP),– Paclitaxel.Hinsichtlicheiner hormonellen Therapie mit GnRH-Analoga,Antiöstrogenen oder MPA gibtes derzeit noch keine ausreichenden Daten.

Prognose

Die Zehnjahresüberlebensrate beträgt im FIGO-Stadium I 85 bis 96%. Die Zwan-zigjahresüberlebensrate liegt bei 75%. Im FIGO-Stadium II und III sinkt diese al-lerdings deutlich. Der wichtigste Prognosefaktor für ein rezidivfreies Überlebenist der postoperative Tumorrest, während die DNA-Ploidie ebenfalls als unab-hängiger Prognosefaktor angesehen wird. Patientinnen ohne Tumorrest nachPrimäroperation und DNA-diploiden Tumoren haben eine krankheitsfreie Zehn-jahresüberlebensrate von 96%.

Sertoli-Leydig-Zell-Tumoren

Diese Gruppe von Tumoren ist charakterisiert durch eine Proliferation von Ser-toli- und/oder Leydig-Zellen.Sie stellen mit 0,2% der Ovarialtumoren eine Raritätdar. Der Häufigkeitsgipfel liegt in der dritten und vierten Lebensdekade, wobei75% der Läsionen bei Frauen <40 Jahren auftreten. Nur vereinzelt werden diese

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Tumoren im Präpubertätsalter gefunden. 20% dieser Tumoren sind maligne. Dieklinischen Symptome richten sich nach Ausmaß und Art der Hormonsekretion.In typischer Weise produzieren diese Tumoren Androgene, sodass klinisch eineOligo- und Amenorrhö, begleitet mit einer Brustatrophie und Hirsutismus, zubeobachten ist. Selten sind Sertoli-Leydig-Zell-Tumoren mit Manifestation einerÖstrogenisierung wie Pseudopubertas praecox und irregulären Blutungsstörun-gen verbunden.

Therapie

Da diese Low-grade-Läsionen nur selten bilateral auftreten, erfolgt üblicherwei-se eine einseitige Salpingoophorektomie mit Evaluation des kontralateralen Ovarsbei Patientinnen, die sich im reproduktiven Alter befinden. Bei älteren Patien-tinnen besteht die geeignete Therapie in der Hysterektomie und bilateralenAdnexektomie. Zur adjuvanten Strahlentherapie und Chemotherapie liegen nurunzureichend Daten vor. Vereinzelt wurde ein Ansprechen von fortgeschrittenSertoli-Leydig-Zell-Tumoren mit messbarer Erkrankung nach pelviner Bestrah-lung und Chemotherapie nach dem VAC-Regime beobachtet.

Prognose

Fünfjahresüberlebensraten liegen bei 70–90%. Rezidive nach 5 Jahren sindungewöhnlich. Die meisten Todesfälle sind assoziiert mit gering differenziertenTumoren.

Nichtklassifizierbare Stromatumoren

Bei den unklassifizierten Stromatumoren ist auf das Vorliegen eines Peutz-Jeghers-Syndroms (PJS) zu achten. In diesen Fällen ist die Diagnose meist zufäl-lig und kann nur mikroskopisch in den entfernten Ovarien gestellt werden.Bei Patientinnen ohne PJS zeigt sich der unklassifizierte Stromatumor als großereinseitiger Adnextumor. Etwa 20% der Patientinnen weisen bei der Primär-diagnose bereits Metastasen auf. Standardisierte Therapieempfehlungen für diese seltenen Tumoren existieren nicht (z. B. PEB).

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