AMS 40/41
Olivier Messıaen
Orgelwerke
Der 1908 in Avignon geborene Olivier Messiaen
zählt zu den profiliertesten musikalischen Per-
sönlichkeiten unserer Zeit, obwohl er sich kaum
ineines der bekannten Systeme oder in eine der
neueren Richtungen einreihen läßt. Seine Mutter
war die Dichterin Ce&cile Sauvage; sein Vater,
Pierre, Akademiker, hat sich als Shakespeare-
Übersetzer einenNamen gemacht. Das große und
bestimmende Erlebnis des Knaben war die Be-
gegnung mit Debussys Pelleas et Melisande.
Vom 11. bis zum 22. Lebensjahr betrieb Messiaen
am Pariser Konservatorium ein sehr vielseitiges
Musikstudium, das ihm fünf Premier prix
eintrug, u. a. für Orgel und Improvisation,
Musikgeschichte und Komposition. Seit 1931 ist
Messiaen Organist in der Kirche La Trinite (Drei-
faltigkeitskirche), Paris. Von 1936 bis 1939 bildete
er mit Y. Baudrier, A. Jolivet und D. Lesur die
Musikergruppe La Jeune France, die sich aus-
drücklich zu der fortschrittlichen neuen Musik
bekannte, jedoch dasreine Experimentieren avant-
gardistischer Tendenzen ablehnte. Fast gleich-
bedeutend wie sein umfassendes Werk ist Mes-
siaens Lehrtätigkeit: zuerst in der Ecole normale,
dann in der Schola cantorum und vor allem seit
1942 am Pariser Konservatorium; dort wurde 1947
fürihn ein neuer Lehrstuhl geschaffen (,Analyse,
Ästhetik und Rhythmik‘'). Pierre Boulez, Karlheinz
Stockhausen, Michael Fano, Makoto Shinohara
und viele andere namhafte Musiker der jüngeren
Generation waren seine Schüler.
„Seine Originalität beruht auf einer neuen Kon-
zeption der musikalischen Funktionen sowie auf
der subjektiven Ausdruckshaftigkeit und dertheo-
logisch-mystischen Grundhaltung seiner Werke.
Messiaen empfindet sich stets als katholischer
Musiker und seine Werke (bei denen er, da sie aus
einer gemeinsamen Haltung entstanden sind,
keinen Gegensatz ‚geistlich- weltlich‘ anerkennt)
als Taten seines Glaubens. Ziel seines Schaffens
ist, die Herrlichkeit Gottes zu verkündigen; der
Weg.aaber, den er in tiefer Gläubigkeit geht, ist ein
allgemein-christlicher, der aus irdischer Ge-
bundenheit heraus nach Verklärung und Voll-
endung im Religiösen und Mystischen strebt‘
(W.Brennecke-J.C. Henry). Trotzseinerepoche-
machenden Studien über exotische Skalen und
Rhythmen schöpft Messiaens Musik doch auch
aus den Quellen der Spätromantiker und Im-
pressionisten; von dem späten Mahler oder dem
jungen Schönberg hebt sich seine Kunst durch
einen ausgesprochen intellektualistischen Ein-
schlag ab.
Daserste Werk Messiaens, das im Druckerschien,
war das hier eingespielte „Banqguet celeste - Das
himmlische Gastmahl‘ (1926) ; ihm folgten zahl-
reiche andere Orgelkompositionen, die aus Mes-
siaen den bedeutendsten Orgelkomponisten un-
serer Zeit machen. Selbstverständlich sind diese
Werke auch von dem symphonischen Klang sei-
nes Instruments in der Dreifaltigkeitskirche be- stimmt. So darf es nicht überraschen, daß die
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vier Teile der Suite „L’Ascension - Die Himmel- _ fahrt des Herrn“ zuerst als Orchesterwerke mit dem Untertitel „symphonische Betrachtungen‘ -
(meditations symphoniques) konzipiert wurden.
Ein Jahr später (1934) war die Fassung für Orgel
vollendet. Als Orchesterstück wurde das Werk
schnell bekannt; interessanterweise hat bis jetzt
nur die Schallplatte die Orgelfassung weiter ver-
breitet. Eine dem polyphonen Instrument gemäße
Klangstruktur war schon in dem ersten Teil der
Orchestersuite zu erkennen,daderKomponisthier
einen reinen Bläsersatz geschaffen hatte. Die pro-
grammatischen Titel der einzelnen Sätze sind
symptomatisch für Messiaens Ästhetik der Orgel.
Über dem ersten Satz steht ein Vers aus dem ho- henpriesterlichen Gebet Christi: „Vater, die Stun-
de ist gekommen, verherrliche deinen Sohn, damit
er dich verherrliche!‘‘ Die Orgelfassung ist hier
eine fast notengetreue Transkription des Or-
chesterparts. Der zweite und der dritte Satz sind
in beiden Fassungen verschieden. Dem zweiten
Stück schickt Messiaen das Gebet voran: „Wir
bitten dich, o Gott, laß uns im Geiste im Himmel
leben.‘‘ Der Orgelsatz wirkt nüchterner als derin
üppige Klangfarben gekleidete Orchesterpart, je-
doch entspricht die spätere Fassung im Grunde
mehr dem geistigen Motto. Das ursprünglich
schlichte Orchesterstück Nr.3 schrieb Messiaen
neu für die Orgel. Die etwas prosaische Überset-
zung des Mottos: „Freudenausbruch der Seele vor
‚der Herrlichkeit Christi, die ihre eigene ist‘‘, klingt
im Original viel leidenschaftlicher und hat auch in
der zweiten Fassung eine stürmisch-bewegte, fast
frenetisch-entrückte Musikerzeugt. Über dem letz-
ten Teil der Himmelfahrtssuite steht abermals ein
Zitat aus dem Johannesevangelium: „Ich habe
deinen Namen den Menschen geoffenbart (...).
Ich bleibe nicht mehr in der Welt, sie aber bleiben
in der Welt, denn ich komme zu dir.‘'
Kurz vor der Suite L’Ascension schrieb Messiaen
sein volkstümlichstes Orgelwerk, das heute all-
gemein zum Repertoire gehört: „Die Erscheinung
der ewigen Kirche‘‘' - (Apparition de l’eglise eter-
nelle). In einem Ciaconaähnlichen Stil konstruiert
Messiaen eine gewaltige Steigerung, deren far-
benreiche Registrierung und volle Harmonik viel
zu derraschen Verbreitung dieses Jugendwerkes
(1932) beigetragen hat.
La Nativitö du Seigneur - (Die Geburt des Herrn)
entstand 1935; auch hier benutzt der Komponist
den für ihn charakteristischen Ausdruck „Neun
Betrachtungen für Orgel‘‘. Zwischen der Himmel-
fahrts- und der Weihnachtsmusik liegt eine be-
deutende Entwicklung. In dieser dokumentiert
Messiaen zum ersten Male in prägnanter Weise
seine kompositorische Eigenart. Hier wendet er
seine Erfindung an, die „modes ä transposition
limit&ee‘‘, also eine Tonart, die man nicht mehr, wie
es seit der temperierten Stimmung möglich ist,
uneingeschränkt transponieren kann. Diese Ab-
kehr von der überspitzten Chromatik des be-
ginnenden 20. Jahrhunderts kann vielleicht als
eine Parallele zu der Zwölfordnung der Töne ge-
deutet werden, obwohl Messiaen jeglicher Syste-
matik ausweicht. Auch auf dem Gebiet der
rhythmischen Forschung, die in seinen neueren
Werken so sehr im Vordergrund steht, ist La
Nativit6 der eigentliche Ausgangspunkt. Hier erscheinen die ‚„valeurs ajoutees‘', die „zugefüg-
ten Zeitwerte‘‘, d. h. laut Messiaen ‚‚die Hälfte des
kleinsten Zeitwertes einer gegebenen rhyth-
mischen Struktur‘‘ (Ton oder Pause). Diese zu-
gefügten Zeitwerte verleihen Messiaens Rhythmik
jene eigenartige Dehnbarkeit, die sie von der oft
monotonen,jasogarmechanischen, traditionellen
Metrik unterscheidet. Sehr anschaulich möchte
man diese Weihnachtsmusik nennen, der es
übrigens nicht an Beziehungen zu Bachs Orgel-
büchlein fehlt. Man begegnet hier fast tonmaleri-
schen Gebilden in Thematik, Harmonie und
Rhythmik. Die einzelnen Teile heißen: Die Jung-
frau und das Kind, Die Hirten, Ewige Ratschlüsse,
Das Wort, Die Gotteskinder, Die Engel, Jesus
nimmt das Leiden an, Die Weisen, Gott in unserer
Mitte.
Gaston Litaize, der Interpret dieser Aufnahme,
lernte Messiaen in Paris bei seinem Eintritt in die
Orgelklasse Marcel Dupr& (1927) kennen. Der
heute weltberühmte Komponist schätzt in Litaize
einen seiner genuinsten Interpreten. Die hier vor-
gelegten Platten wurden in einer Nacht, zwischen
21 und 4 Uhr, eingespielt. Die Orgel der Kirche
Saint Francois-Xavier in Paris gehört in dieselbe
Gruppe wie Messiaens Instrument; ihre neuer-
dings durchsichtigeren Mixturen tragen nicht un-
wesentlich dazu bei, die polyphone Struktur im
Klangbild zu offenbaren. Carl de Nys
Weitere Orgelaufnahmen der
Reihe MUSICA SACRA:
AMS 1 Lebe&gue, Messe und Maonificat
AMS 2 Frescobaldi, Fiori musicali |.
AMS 3 Frescobaldi, Fiori musicali Il.
AMS24 Mozart auf der Orgel
AMS30 Alte französische Orgelmeister
AMS 44/45 Bach, Die Kunst der Fuge
AMS54 Höhepunkte der Orgelmusik
Bach - Buxtehude - Couperin -
de Grigny - d’Aquin
Yu
Klangarchiv für Kirchenmusik
L. Schwann, Düsseldorf
Leitung der Reihe:
Abbe Carl de Nys, Paris
Prof. Dr. K. G. Fellerer, Köln
Prof. Dr. Johannes Overath, Köln
Aufnahme: 26. Ill. 1963
Toningenieur: Andre Charlin
Künstlerische Leitung: Antoine Reboulot
Produktion: E. Ph. Euterpe
“Al AMmSs 40/41 | U Arm
——
MONO
Olivier Messiaen Orgelwerke
AMS 40 .
Seite A: 1. Die Himmelfahrt . 2:
1. Majestät Christi, der seine Glorie vom Vater verlangt 5
2. Alleluja einer Seele, die sich nach dem Himmel sehnt
3. Freudenausbruch der Seele vor der Herrlichkeit Christi, die ihre eigene ist
. Gebet Christi, der zu seinem Vater aufsteigt R
DD
Seite B: Il. Erscheinung der ewigenKirche Ill. Die Geburt des Herrn
1. Die Jungfrau und das Kind
. Die Hirten
3. Ewige Ratschlüsse
D
AMS 41
Seite A Die Geburt des Herrn
. Das Wort
. Die Gotteskinder
. Die Engel
. Jesus nimmt das Leiden an
Die Geburt des Herrn
Die Weisen
9. Gott in unserer Mitte
IV. Das himmlische Gastmahl
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Seite B
©
Gaston Litaize I
an der Orgel von Saint Francois-Xavier, Paris
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Klangarchiv für Kirchenmusik
AMS | L. Schwann Verlag ®
40 1 Düsseldorf 1964
DP 12 PAL 2259 ST stereo Made inW.-Germany 33 M auch mono abspielbar
OLIVIER MESSIAEN - ORGELWERKE
L’Ascension (Himmelfahrt) . Majeste du Christ demandant sa gloire a son Pere . Alleluias sereins d’une äme d6&sirant le ciel . Transports de joie d’une äme devant la gloire du Christ qui est la sienne
. Priere du Christ montant vers son Pöre
GASTON LITAIZE, an der Großen Orgel von Saint-Frangois-Xavier Paris
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Klangarchiv für Kirchenmusik
'L. Schwann AMS Verlag
ı 40 ’@ Düsseldorf 1964
rat 2260 ST ste reo Made inW.-Germany 33 M auch mono abspielbar
OLIVIER MESSIAEN - ORGELWERKE Apparition de l’Eglise Eternelle (Die Erscheinung der ewigen Kirche)
La Nativite du Seigneur (Die Geburt des Herrn) 1. La Vierge et l’Enfant 2. Les bergers 3. Desseins &ternels
GASTON LITAIZE, an der Großen Orgel von Saint-Frangois-Xavier Paris
III IESICH t3c IC 5 'c]
Klangarchiv für Kirchenmusik
AMS L. Schwann ®
41 1 = ala 104
Be stereo Made inW.-Germany 33 M auch mono abspielbar
OLIVIER MESSIAEN - ORGELWERKE
La Nativite du Seigneur (Die Geburt des Herrn)
4. La Verbe 5. Les enfants de Dieu 6. Les anges 7. Jesus accepte la souffrance
GASTON LITAIZE, an der Großen Orgel von Saint-Frangois-Xavier Paris
_ schwann
IT EICH u 3c IC 31 'c 1 Klangarchiv für Kirchenmusik
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41 2 2 Düsseldorf 1964
a stereo Made inW.-Germany 33 M auch mono abspielbar
OLIVIER MESSIAEN - ORGELWERKE
La Nativite du Seigneur (Die Geburt des Herrn)
8. Les mages 9. Dieu parmi nous
Le Banquet Celeste (Das himmlische Gastmahl)
GASTON LITAIZE, an der Großen Orgel
von Saint-Frangois-Xavier Paris
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