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Minireview

Interessenkonflikt Keiner.

DOI: 10.1111/ddg.12418

Palmoplantare Keratosen (PPK): erworbene und genetische Ursachen eines gar nicht so seltenen Krankheitsbildes Palmoplantar keratoderma (PPK): acquired and genetic causes of a not so rare disease

Zusammenfassung Als palmoplantare Keratosen (PPK) bezeichnet man eine Gruppe von Verhornungs-störungen, die sich durch Hyperkeratosen an den Handflächen und Fußsohlen als Leitsymptom auszeichnen. Palmoplantare Keratosen (PPK) können im Allgemeinen in sporadisch auftretende erworbene und genetisch bedingte PPK unterteilt werden. Um Patienten angemessen behandeln und vor allem beraten zu können, ist eine Abgrenzung zwischen genetisch bedingten und erworbenen PPK für den behan-delnden Arzt unabdingbar. Für die erworbenen Varianten finden sich mannigfaltige Auslöser als Ursache. Auch bei den genetisch bedingten PPK kommen Mutationen in einer Reihe von möglichen Genen als Ursache infrage. Gerade in den letzten Jahren werden immer neue Gene identifiziert, die sich als Auslöser verschiedener genetisch bedingter PPK herausstellen. Weil einzelne PPK in der Ausprägung ihrer Symptome und dem Umfang möglicher Begleitsymptome sehr heterogen sind und weil insbe-sondere die hereditären PPK – wie viele monogene Erkrankungen – eine niedrige Prävalenz aufweisen, lässt sich eine exakte Diagnose nicht immer leicht stellen und es bedarf oft der molekulargenetischen Abklärung. Kenntnisse über die insgesamt große, jedoch sehr heterogene Gruppe genetisch bedingter PPK sind auch wichtig, um den Prozess der palmoplantaren epidermalen Differenzierung besser auf mole-kularer Ebene zu verstehen, um so zukünftig zielgerichtete kausale Behandlungsop-tionen zu entwickeln.

Summary Palmoplantar keratodermas (PPKs) comprise a heterogeneous group of keratinization disorders with hyperkeratotic thickening of palms and soles. Sporadic, acquired forms of PPKs and genetic, hereditary forms can be discerned. For an adequate treatment and patient counseling, the differentiation between acquired and hereditary forms is mandatory for the caring physician. Acquired forms of PPKs can be caused by various irritative-toxic or contact-allergic substances or endogeneous diseases. Notwithstan-ding, a plethora of mutations in many genes can cause hereditary PPKs. In recent years several new genes have been identified which cause PPKs. Due to this, as single

Stina Schiller 1* , Christina Seebode 1* , Hans Christian Hennies 2 , Kathrin Giehl 3 , Steffen Emmert 1

(1) Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen (2) Zentrum für Dermatogenetik, Sek-tion für Humangenetik und Hautklinik der Medizinischen Universität Innsbruck und Cologne Center for Genomics der Universität zu Köln (3) Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Ludwig-Maximilians-Universität München, München

*Beide Autoren waren an der Erstellung der vorliegenden Arbeit in gleichem Maße beteiligt.

Eingereicht: 5.5.2014Angenommen: 12.6.2014 English online version on Wiley Online Library

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Klinische Problematik

Die Gruppe der palmoplantaren Keratosen (PPK) erweist sich, sowohl in der Ausprägung ihrer Symptome als auch, im Falle der genetisch bedingten Palmoplantarkeratosen, in der Art der Mutationen und betroffenen Gene, als sehr heterogen. Aufgrund der Heterogenität der PKK und der Seltenheit einzelner, insbesondere genetisch bedingter Va-rianten kann der Weg vom Auftreten der Symptome bis zur Erstellung einer exakten Diagnose und damit einer erfolg-versprechenden Therapie für den Patienten lang und belas-tend ausfallen. Bei diesem Prozess steht, trotz des verstärk-ten Einsatzes molekulargenetischer Analysemethoden, das klinische Erscheinungsbild bei der Diagnosefi ndung im Pra-xisalltag an erster Stelle [ 1 ] . Eine Übersicht über Diagnose und Therapie von palmoplantaren Keratosen fi ndet sich in Abbildung 1 .

Klinisches Erscheinungsbild der palmoplantaren Keratosen

Neben einer ersten Unterteilung in erworbene [ 2 ] und ge-netisch bedingte PKK [ 3 ] lässt sich diese Gruppe von Er-krankungen weiter klassifi zieren. Anhand der klinischen Morphologie unterscheidet man sie als diffus/fl ächig, fokal (herdförmig, striär/streifenförmig oder diskoid) oder punk-tiert mit kleinen, runden hyperkeratotischen Läsionen (Ab-bildung 2 ). Des Weiteren werden die Ausprägung/Schwere der Erkrankung, Ausbreitung auf Bereiche jenseits der Hand-fl ächen und Fußsohlen (Transgredienz) und das Auftreten weiterer Symptome, z. B. im Rahmen eines Syndroms, zur Erstellung einer Klassifi kation bzw. Diagnose herangezogen. Bei den genetisch bedingten PKK werden auch molekularge-netische Methoden zur Identifi kation der jeweils mutierten Gene und damit zur genauen genetischen Klassifi kation ge-nutzt. Es sind autosomal dominante, rezessive oder X-chro-mosomale Erbgänge beschrieben [ 3 ] .

Insbesondere bei bestehender Hyperhidrose kommt es zu einer Mazeration der Keratosen, begleitet von einem typi-schen Foetor. Assoziiert treten leicht bakterielle und mykoti-sche Superinfektionen auf, die einer adäquaten Behandlung, wenn nötig auch oral, bedürfen.

Diagnostik erworbener palmoplantarer Keratosen

Erworbene PKK weisen ein breites Spektrum im klinischen Er-scheinungsbild auf, wobei durchaus diffuse, fokale und punk-tierte Formen unterschieden werden können. Das histologisch auffälligste Merkmal einer erworbenen Palmoplantarkeratose stellt eine Hyperkeratose dar und kann in Verbindung mit Akanthose und/oder Parakeratose in unterschiedlichen Aus-prägungen, Hyperplasie des Stratum spinosum und granulo-sum und einer perivaskulären Infi ltration von Entzündungs-zellen auftreten. Das klinische Erscheinungsbild ist meist unspezifi sch, so dass die Hyperkeratose des Stratum corneum als sicherstes klinisches Merkmal dient. Typischerweise treten erworbene PKK meist erst später im Leben erstmalig auf, und es fi ndet sich keine positive Familienanamnese – dafür aber eventuell eine hinführende Ätiologie. Hilfreich zur Diagnose-stellung sind Fragen nach dem berufl ichen Tätigkeitsbereich, einer möglichen Besserung der Symptomatik im Urlaub und Hinweise auf Allergien oder Infektionen. Auch eine Beschrän-kung der Symptome nur auf die Fußsohlen oder Handfl ächen und/oder dort beschränkt auf einzelne Areale kann ein Hin-weis auf eine erworbene PPK darstellen. Die Ursachen einer erworbenen PPK können vielfältig sein, beispielsweise durch Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien (z. B. Arsen, chlorierte Kohlenwasserstoffe) [ 4, 5 ] , als Nebenwirkung ein-zelner Medikamente (z. B. Beta-Glucan, Lithium, Chemothe-rapeutika) oder durch metabolische Störungen (Gravidität, Klimakterium, Hypothyreose, Myxödems) [ 2 ] . Besonders häufi g sind kontaktallergisch oder irritativ-toxisch auftreten-de erworbene PKK oder PKK im Rahmen von Neurodermitis und Psoriasis [ 6 ] .

Diagnostik paraneoplastischer palmoplantarer Keratosen (erworben und/oder genetisch bedingt)

Findet sich bei einer neu entstandenen PPK kein Zusam-menhang mit einer entsprechenden Ätiologie, muss auch an eine eventuell zugrundeliegende maligne Erkrankung gedacht werden. Da in diesen Fällen eine PPK das erste

PPKs may be quite heterogeneous with respect to individual presentation and asso-ciated symptoms, and as single hereditary PPKs – as do many monogenic diseases – exhibit a very low prevalence, the making of the correct diagnosis is challenging and often requires a molecular genetic analysis. Knowledge about the not so rare in total, but quite heterogeneous group of hereditary PPKs is also important to dissect the molecular mechanism of epidermal differentiation on palms and soles, ultimately leading to causal, targeted therapies in the future.

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Abbildung 1 Anamnese, Diagnose und Therapie von palmoplantaren Keratosen.

Abbildung 2 Beispiele verschiedener Ausprägungsarten von Palmoplantarkeratosen (PPK). Fokale/filiforme PPK: stachelartige Keratosen (noch unklare Ätiologie, maligne Erkrankung als Ursache möglich) (a). Fokale/diskoide PPK: hyperkeratotische Papeln, in mechanisch stark beanspruchten Arealen konfluierend (punktierte PPK Typ1/Typ Buschke-Fischer-Brauer) (b). Fokale PPK, ausgeprägt in mechanisch belasteten Arealen, Nagelbeteiligung (Pachyonychia congenita) (c). Diffuse PPK: flächige gelbweißli-che Keratosen (Morbus Vörner-Unna-Thost) (d); Diffuse PPK (Papillon-Lefèvre Syndrom) (e).

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sichtbare Symptom darstellt, kann das Wissen des Arztes um diesen Zusammenhang für den Patienten entscheidend sein. Beispiele für paraneoplastische Palmoplantarkerato-sen sind das Sézary-, das Bazex- und das genetisch bedingte Howel-Evans-Syndrom [ 7–9 ] . Im Falle des Bazex- und des Sézary-Syndroms führt eine Behandlung der zugrundelie-genden malignen Erkrankung zur Verbesserung der kutanen Symptome. Im Rahmen des Howel-Evans-Syndroms treten häufi g Ösophaguskarzinome auf – das Wissen um diese As-soziation von Seiten des behandelnden Arztes kann zu einer schnelleren Tumordiagnose führen.

Diagnostik genetisch bedingter palmoplantarer Keratosen

In Hinblick auf eine erfolgversprechende kausale Therapie (Behandlung/Behebung der Ursache erworbener PKK), aber auch auf eine genetische Beratung bei Schwangeren oder Paa-ren mit Kinderwunsch, ist es wichtig, erworbene von gene-tisch bedingten PKK zu unterscheiden. Dabei lassen verschie-dene Verdachtsmomente auf eine genetisch bedingte PPK schließen: die Erstmanifestation der Erkrankung im frühen Kindesalter, eine positive Familienanamnese, ein dauerhaft vorhandenes klinisches Bild mit wenig Variationen in Aus-prägung und Stärke der Symptome und eine relative Thera-pieresistenz. Eine negative Familienanamnese oder Erstmani-festation im Erwachsenenalter schließt jedoch eine genetisch bedingte Palmoplantarkeratose nicht aus. Weitere Hinweise auf eine genetisch bedingte PPK können weitere Symptome im Rahmen von Syndromen wie beispielsweise Taubheit oder frühzeitiger Zahnverlust sein. Ebenso fi ndet sich bei gene-tisch bedingten PKK keine hinführende Ätiologie, Tests auf Allergien und Infektionen fallen negativ aus. Bei einem Ver-dacht auf eine genetisch bedingte PPK sollten zur Differen-zialdiagnostik die Vorstellung in einer Spezialambulanz und eine genetische Diagnostik veranlasst werden.

Klinische Diagnostik genetisch bedingter palmoplantarer Keratosen

Neben den oben genannten häufi gen Eigenschaften genetisch bedingter PKK kann auch die Morphologie der Hautverän-derungen wichtige Hinweise für eine erfolgreiche klinische Diagnostik liefern: Tritt die PPK isoliert, als Leitsymptom oder nur als Ne-

bensymptom (eines Syndroms) auf: Sind weitere Organe oder Organsysteme (ZNS, Gehör, Augen, Immunsys-tem, Nägel, Haare, Zähne) betroffen?

Sind die Keratosen diffus/fl ächig oder fokal/herdförmig (punktiert, striär, fi liform)?

Finden sich die Keratosen lediglich an Druckpunkten?

Findet sich eine Ausbreitung über die Handfl ächen und Fußsohlen hinaus (Transgredienz)?

Finden sich keine Schuppungen, Schuppungen ohne Hau-trötung (keine Epidermolyse) oder zusätzlich Rötungen, Entzündungskomponenten oder gar Blasenbildungen (Epidermolyse)?

Histologische Diagnostik

Neben dem meist unspezifi schen histologischen Haupt-charakteristikum der Palmoplantarkeratosen – der Hy-perkeratose – können weitere histologische Merkmale wie eine Epidermolyse hilfreich sein, um epidermolytische von nicht-epidermolytischen PKK zu unterscheiden. Sie können auch zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung einzelner Formen dienen.

Genetische Diagnostik

Neue molekulargenetische Untersuchungsmethoden ermögli-chen es, die genetisch bedingten PKK aufgrund ihrer ursäch-lichen Gendefekte zu klassifi zieren. Diese Formen der PKK sind zwar aus genetischer Sicht heterogen, meist sind jedoch Gene betroffen, die entweder für epidermale Strukturpro-teine kodieren oder für Proteine, die verschiedene Prozesse während der epidermalen Differenzierung steuern oder be-einfl ussen. In den letzten Jahren wurden eine Reihe verschie-dener Gene identifi ziert, deren Mutationen eine PPK auslösen können. So wurden beispielsweise im Jahr 2013 autosomal dominante Mutationen im Gen AQP5 (Chromosom 12q13), welches für Aquaporin 5 kodiert, als Auslöser für die aqua-gene, nicht epidermolytische PPK Typ Bothnien beschrieben [ 10 ] . Die Beschreibung von Loss-of-Function-Mutationen in SERPINB7 , dessen Genprodukt zur Familie der Serin-Pro-tease-Inhibitoren gehört, führte dazu, dass die PPK Typ Na-gashima auch durch ihre zugrundeliegenden Mutationen von der Mal de Meleda unterschieden werden kann [ 11 ] . Der Zu-sammenhang einer PPK mit Innenohrschwerhörigkeit konnte ebenfalls durch die Identifi zierung auslösender Mutationen in GJB2 , welches für Connexin 26 kodiert, erstellt werden. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Identifi kation der zu-grundeliegenden Mutationen für die korrekte Diagnose von enormer Bedeutung ist. Tabelle 1 fasst in diesem Zusammen-hang genetisch bedingte PKK, das klinische Bild, Gendefekte und die veränderten Genprodukte umfänglich zusammen.

Therapie erworbener und genetisch bedingter palmoplantarer Keratosen

Zum aktuellen Zeitpunkt ist eine Heilung genetisch beding-ter Palmoplantarkeratosen nicht möglich. Bei erworbenen

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Tabelle 1 Überblick über verschiedene hereditäre PKK, betroffene Gene, entsprechende veränderte Genprodukte und Erbgänge [ 3, 15 ] .

Erkrankung Vererbung Gen (Protein) Zeichen Assoziierte Symptome

Diffuse PKK

Morbus Vörner- Unna-Thost

AD KRT9 ( KRT1 ) (Keratin 9) (Keratin 1)

isolierte diffuse, nicht transgrediente PPK, histolo-gisch akanthokeratolytisch

Morbus Greither AD KRT1 (Keratin 1) isolierte diffuse, teilweise transgrediente PPK

Manifestation der Hyperkeratose im Säuglingsalter, Hyperhidrose, Rück-bildung im 4./5. Lebensjahrzehnt möglich

Mal de Meleda AR SLURP1 (SLURP1 (Ly6/uPAR Familie)

diffuse, massive transgrediente PPK, mutilierend, selten Schnürringe

Nagelveränderungen, Hyperhidrose, Mazeration der Keratose/unange-nehmer Foetor, Neigung zu bakteriellen Superinfektionen

Huriez- Syndrom AD unbekannt diffuse, transgrediente PPK Skleroatrophie der distalen Ext-remitäten, Nagelveränderungen, Wachstumsverzögerung der Hände, erhöhtes Risiko für Plattenepithel-karzinome

KID-Syndrom AD GJB2 ( GJB6 ) (Connexin 26 (Connexin 30)

diffuse PPK ichthyosiformes Erythroderm beim Neugeborenen, progrediente ver-ruziforme Hyperkeratosen (u. a. Kopfhaut, Gesicht, Handrücken und dorsale Seite der Füße, Gesäß) Na-geldystrophien, Alopezie Ichthyose, Hornhauttrübung, Innenohrschwer-hörigkeit, Neigung zu bakteriellen Superinfektionen, Risiko für Plat-tenepithelkarzinome

Bart-Pumphrey -Syndrom

AD GJB2 (Connexin 26)

diffuse PPK Innenohrschwerhörigkeit, Finger-knöchelpolster, Leukonychie

PPK Typ Bothnien

AD AQP5 (Aquaporin) diffuse PPK bei Wasserkontakt Aufquellen der Areale

PPK Typ Nagashima

AR SERPINB7 (Serin-Protease-Inhibitor)

milde diffuse PPK (abge-grenzte Hyperkeratose mit Rötung), nicht progressiv

diffuse mutilierende PKK

Vohwinkel-Syndrom

AD GJB2 (Connexin 26)

diffuse, ausgeprägte, gelbliche PPK, mutilierend

Innenohrschwerhörigkeit, Hyperhid-rose, Alopezie, Nageldystrophien, (Myopathie, spastische Paraplegie möglich)

Vohwinkel- Syndrom, ichthyo-siforme Variante (Camisa-Syndrom)

AD LOR, (Loricrin) PPK ähnlich dem klassischen Vohwinkel-Syndrom

leichte Ichthyose

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Erkrankung Vererbung Gen (Protein) Zeichen Assoziierte Symptome

Olmsted- Syndrom AD X-ch. TRPV3 ( MBTPS2 ) (TRPV3 (MBTPS2)

diffuse, mutilierende PPK periorale hyperkeratotische Plaques, diffuse Alopezie, Onychodystrophie, orale Leukokeratose, korneale Läsio-nen, Pseudoainhum

Klick-Syndrom AR POMP (POMP) diffuse, mutilierende PPK hyperkeratotischen Plaques, Ichthyose und Papeln in linearer Verteilung auf Armbeugen und Handgelenken

Fokale / punktierte PKK

Buschke- Fischer-Brauer

AD AAGAB (alpha- und gamma-Adaptin binden-des Protein)

punktierte PPK

Howel-Evans- Syndrom

AD RHBDF2 (RHBDF2 (Rhomboid-Protease-Familie)

diffuse schwielenartige PPK orale Leukoplakien, Keratosis pilaris, Ösophaguskarzinom

Striäre PPK

Keratosis pal-moplantaris striata (Brünau-er-Fuhs-Siemens)

AD DSG1 (Desmoglein)

striäre PPK

Keratosis palmo-plantaris striata

AD DSP (Desmoplakin)

striäre PPK

Keratosis palmo-plantaris striata

AD KRT1 (Keratin 1) striäre PPK an Handflächen, an Fußsohlen diffus

Ektodermale Dysplasien

Pachyonychia congenita

AD KRT6A / 6B / 16 / 17 (Keratin 6a / 6b / 16 / 17)

diffuse PPK Pachyonychie/Nagelveränderungen, Hyperhidrose, orale Leukokeratosen, Steatozystome

Naegeli-Franceschetti-Jadasohn-Syndrom

AD KRT14 (Keratin 14) diffuse PPK kein Papillenrelief, Nageldystrophien, Anhidrose, Zahndefekte, Hyper- und Hypopigmentierung

Papillon-Lefèvre-Syndrom

AR CTSC (Cathepsin C)

diffuse PPK Parodontitis, Zahnverlust

Haim-Munk-Syndrom

AR CTSC (Cathepsin C)

diffuse PPK entsprechend Papillon-Lefèvre, zusätzlich Arachnodaktylie, Akroosteolyse, Pes planus, Deformationen der Finger

Schöpf-Schulz-Passarge-Syndrom

AR WNT10A diffuse PPK Symptome entsprechen denen der OODD + Zysten der Augenlider, erhöhtes Risiko für Hauttumoren

Odontoonycho-dermale Dysplasie

AR WNT10A (Wnt-10a)

diffuse PPK Hyperhidrose, Hypodontie, Hypotrichose, dystrophe Nägel

Tabelle 1 Fortsetzung.

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PKK sollte zuerst oder begleitend die Ursache der Erkran-kung (Vergiftung, Infektion etc.) behoben, beziehungsweise behandelt werden. In beiden Fällen erlauben es optimierte Therapien, eine deutliche Linderung der Symptome zu erzie-len. Zur Therapie dieser Verhornungsstörungen steht ein gro-ßes Spektrum an Behandlungsoptionen zur Verfügung, die das Ziel verfolgen, die Hautbarriere zu stärken und Verhor-nungen zu entfernen. Die Behandlung kann lokal und/oder systemisch erfolgen [ 6 ] .

Eine regelmäßige Badetherapie sorgt für eine Reini-gung und Hydratisierung der verhornten Hautareale. Wie-derholte Hand- und Fußbäder sorgen für eine Keratolyse und ermöglichen anschließend, zum Beispiel im Rahmen einer medizinischen Fußpfl ege, eine leichtere mechanisch Entfernung der Hyperkeratosen. Eine solche mechanische Keratolyse sollte dem Befund entsprechend nach Bedarf durchgeführt werden. Nach einer Balneotherapie sollte um-gehend eine rückfettende Lokaltherapie erfolgen, um eine optimierte Hydratisierung der Hautareale zu erzielen. Eine topische Therapie mit harnstoffhaltigen Salben verbessert die Feuchtigkeitsaufnahme der Haut und ist keratolytisch wirksam, während der Harnstoff gut mit anderen Wirkstof-fen wie beispielsweise Milchsäure, Natriumchlorid und Vi-tamin-A-Säure kombiniert werden kann. Auch eine topische

Vitamin-D-Behandlung ist möglich. Grundsätzlich ist eine individuell verträgliche Therapiemöglichkeit auszuwählen, die durch eine topische antibakterielle und antimykotische Prophylaxe begleitet werden sollte. Die Primärtherapie kann weiterhin durch eine indifferente Basistherapie, zur Rehydrierung und Pfl ege der Haut, unterstützt werden. Bei schweren hereditären Fällen ist die medizinische Fußpfl ege jedoch indiziert (AWMF Leitlinie Nr. 013/043, http://www.ichthyose.de).

Eine systemische Behandlung mit Retinoiden (in der Regel Acitretin) kann, unter Berücksichtigung der Neben-wirkungen, zu einer deutlichen Verbesserung der palmoplan-taren Hyperkeratosen führen. Bei blasigen oder epidermoly-tischen PKK ist jedoch Zurückhaltung geboten, da es durch eine Retinoidtherapie zu einer großfl ächigen Ablösung und Erosion kommen kann. Auch die teratogene Wirkung der Re-tinoide ist zu bedenken, insbesondere vor dem Hintergrund der langfristigen Speicherung im Fettgewebe von bis zu 24 Monaten nach Absetzen der Medikation. Ungeachtet einer systemischen Behandlung ist eine intensive Lokaltherapie an-geraten [ 12 ] .

Vielversprechende Ansätze für kausale Therapien gibt es besonders bei dominanten Keratinopathien. Hier wird RNA-Interferenz genutzt, um dominant negative Allele

Erkrankung Vererbung Gen (Protein) Zeichen Assoziierte Symptome

Ektodermale Dysplasie mit Hautfragilität

AR PKP1 (Plakophilin 1)

wolliges Haar

Weitere syndroma-le PKK

Carvajal-Syndrom AR DSP (Desmoplakin)

striäre PPK Kardiomyopathie, wolliges Haar

Naxos-Syndrom AR JUP (Plakoglobin) diffuse PPK Kardiomyopathie, wolliges Haar

PPK als Nebensymptom

Cowden-Syndrom AD PTEN (Phosphata-se PTEN)

Hamartomentwicklung, maligne Entartung

Morbus Darier AD ATP2A2 (sarko/en-doplasmatische Kalzium-ATPase Isoform SERCA2)

palmoplantare Leistenunterbre-chungen im Papillenrelief, krustige Papeln in seborrhoischen Hautarea-len, Nagelveränderungen

Andere

filiforme Hyperkeratose

AD unbekannt stachelartige Hyperkeratosen

Tabelle 1 Fortsetzung.

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auszuschalten. Mutations-spezifi sche siRNA werden dazu mit verschiedenen Verfahren in die Zelle eingeschleust; die Expression des Wildtyp-Allels ist von der Maßnahme nicht betroffen und ausreichend für die Ausbildung intakter Kera-tin-Intermediärfi lamente [ 13, 14 ] . Solche Korrekturverfahren sind fortgeschritten bei Pachyonychia congenita, inzwischen aber auch auf andere Keratin-Erkrankungen ausgeweitet worden. Fragen zum nachhaltigen Transport interferieren-der RNA-Moleküle in die epidermalen Keratinozyten und zur Aktivitätsdauer der Moleküle sind gleichwohl noch nicht ausreichend gelöst worden.

Fazit für die Praxis

Für Diagnose und Therapie einer palmoplantaren Kerato-se ist es wichtig, zwischen erworbenen und genetisch be-dingten Formen zu unterscheiden. Bei erworbenen PKK oder auch bei paraneoplastischen Palmoplantarkeratosen führt die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung bzw. des Auslösers gemeinhin zu einer Verbesserung der PPK-Symptome. Genetisch bedingte PKK, die insgesamt gar nicht so selten sind, können zur Zeit lediglich richtig erkannt, genetisch diagnostiziert und nachfolgend sympto-matisch behandelt werden. Eine exakte Diagnosestellung ist allerdings für eine humangenetische Beratung der Patienten sowie deren Familien essentiell, um den Erkrankungsver-lauf und auch das Vererbungsrisiko einschätzen zu können (Küster 2006). Die Identifi zierung neuer PPK auslösender Mutationen verdeutlicht die Komplexität und das noch im-mer unvollständiges Bild der palmoplantaren epidermalen Differenzierung.

Über die Autoren

Christina Seebode und Stina Schiller sind als Doktorandin und Post-Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Steffen Em-mert tätig. Sie untersuchen aktuell die Rolle von SNAP29 bei der epidermalen Differenzierung und etablieren hierzu ge-eignete Mausmodelle. Eine SNAP29-Defi zienz löst das sel-tene CEDNIK ( ce rebral d ysgenesis, n europathy, i chthyosis, and k eratoderma)-Syndrom aus. Steffen Emmert ist Univer-sitätsprofessor und leitender Oberarzt mit dem Schwerpunkt Dermato-Onkologie an der Hautklinik der Universitäts-medizin Göttingen. Kathrin Giehl ist Privatdozentin an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergolo-gie an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Schwerpunkt seltene und genetische Hautkrankheiten. Hans Christian Hennies leitet das Zentrum für Dermato-genetik, das in der Sektion für Humangenetik und der Hautklinik der Medizinischen Universität Innsbruck und am Cologne Center for Genomics der Universität zu Köln angesiedelt ist.

Korrespondenzanschrift

Univ.-Prof. Dr. med. Steffen Emmert Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Universitätsmedizin Göttingen

Robert-Koch-Straße 40 37075 Göttingen

E-Mail: [email protected]

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