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Sitzung am 26.10.2009

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Nachbereitung der vergangenen Sitzung

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WISSENSCHAFTSGESCHICHTEDie Geschichte des Grammatik-Begriffs und

der Wandel von Grammatik-Modellen

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Wissenschaftsgeschichte

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Der moderne linguistische Grammatik-BegriffUnter Grammatik versteht man in der

Linguistik jede Form einer systematischen Sprachbeschreibung. Im engeren Sinne besteht die Grammatik ausals Formenlehre von Wörtern (Morphologie)

und Sätzen (Syntax).

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Grammatik – ein historischer ÜberblickDie Etymologie des Grammatikbegriffs:

Gr. τέχνη γραμματική, technē grammatikē „Kunst des Lesens und Schreibens“, von γράμμα, gramma, „Geschriebenes, Buchstabe“;

Grammatik = Schriftsprache Die Schrift konserviert sprachliche Äußerungen aus

früheren Zeiten, die ab einem gewissen Zeitpunkt einer philologischen Interpretation bedürfen Sprache kann beobachtet werden Entstehung einer Norm

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen

Grammatik = Interpretation von Texten = Kenntnisse, die hierzu

notwendig sind

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen DIONYSIOS THRAX (2. Jh. v.

Chr.) [it. Dionisio Trace] Die Grammatik im Sinne von

Philologie Die Aufgaben des Grammatikers

Lesen eines Textes in der richtigen Aussprache

Erklärung von rhetorischen Figuren

Bedeutungsanalyse schwieriger Wörter und Redewendungen

Etymologische Worterklärungen Formenlehre Echtheitskritik und literarische

Wertung

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen Die kulturelle Einordnung der

Grammatik von Dionysios Thrax Thrax war Schüler von

Aristarchos von Samothrake (dessen Schriften nicht erhalten sind)

Aristarchos war Direktor der Bibliothek von Alexandria

Aristarchs Hauptbeschäftigung galt der Grammatik und insbesondere der Literatur- und Textkritik.

Er leitete die Richtlinien seiner Textkritik aus den Texten Homers ab, den ältesten überlieferten Texten der griechischen Literatur.

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen

Alexandrinische Textkritik (= Grammatik oder Philologie) Niedergang der

alexandrinischen Poesie Aufstieg der

alexandrinischen Grammatik Aristarchos von

Samothrake bemühte sich um die Rekonstruktion des Sprachgebrauchs Homers

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EXKURSGriechische Grammatikographie im 2. Jh. V.Chr.

Italienische Grammatikographie um 1500

AristarchosOrientierung an der

alten Dichtersprache

Vorbild HOMER

Pietro BemboOrientierung an der

Dichtersprache des 14. Jhs.

Vorbilder BOCCACIO, PETRARCA

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Der Grammatik-Begriff bei den GriechenIm Umfeld der Bibliothex von Alexandria

verfasste Dionysios Thrax seine Elementargrammatik, in der auch eine Definition des Grammatikbegriffs enthalten ist„Grammatik ist das praktische

Studium der Sprache, wie sie gewöhnlich von Poeten und Schriftstellern verwendet wird“

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen Dionysios Thrax unterscheidet insgesamt

acht Wortarten Nomen (einschl. Adjektiv) [ónoma] Verb [rhema] Partizip [metoché] Artikel [árthron] Pronomen [antonymia] Präposition [próthesis] Adverb [epírhema] Konjunktion [syndesmos]

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FlektierbareWortarten

Nicht flektierbareWortarten

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Der Grammatik-Begriff bei den GriechenSchwachstelle der Grammatike

TechneKeine Behandlung der Syntaxg

Diese Lücke wurde von Apollonios Dyskolos (it. Apollonio Discolo) gefülltEr lebte im 2. Jahrhundert n. Chr. in

Alexandria und verfasste als erster ein Werk über Syntax, das die Techne grammatike des Dionysios Thrax ergänzte.

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Der Grammatik-Begriff bei den GriechenVier erhaltene Bücher

Περὶ συντάξεως τοῦ λόγου μερῶν (La

costruzione del discorso), Περὶ ἀντωνομίας (I pronomi);Περὶ συνδέσμων (Le congiunzioni);Περὶ ἐπιρρημάτων (Gli avverbi).

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen Kontroverse zwischen Analogisten

und Anomalisten (bis zum 1. Jh. v.Chr.) Krates von Mallos vs. Aristarchos von

Samothrake

Die Analogisten (insbes. in Alexandria) In der Sprache gibt es Harmonie, Symmetrie und

Logik wie in der Natur Der Reichtum sprachlicher Formen lässt sich auf

Normen und Systeme zurückführen Analogieprinzip als Rechtfertigung

sprachnormierender Eingriffe in die Sprache Beseitigung abweichender Formen im

Flexionssystem

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen Kontroverse zwischen Analogisten

und Anomalisten (bis zum 1. Jh. v.Chr.) Die Anomalisten

In der Sprache gibt es keine durchgehende Ratio

In der Sprache gibt es keine geschlossenen Systemordnungen

Besonderheiten und und Zufälligkeiten gehören zur Sprache

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen Die Kontroverse zwischen Anomalisten

und Analogisten hat sich als fruchtbar für die Erforschung der Grammatik erwiesen Anhäufung eines umfassenden

grammatischen Wissens Die Analogisten mussten lernen, dass die

grammatische Ordnung der Sprache ein historisch gewachsenes Gebilde ist, in dem Systemordnungen unterschiedlichen Typs und unterschiedlicher Zeiten ineinander verwachsen sind.

Alle Versuche, diese Ordnung als ein logisch kohärentes System darzustellen, mussten daher scheitern.

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Der Grammatik-Begriff bei den Griechen

Ergebnis der KontroverseDie Anomalisten mussten erkennen, dass

die grammatische Ordnung einer Sprache dennoch kein Konglomerat zufälliger Konventionen ist, sondern ein Strukturgebilde, das einenm immanenten Zwang zur Systematisierung ausgesetzt ist, weil es sonst nicht mehr durchschaubar ist.

Viele grammatische Widersprüchlichkeiten lösen sich auf, wenn man die Entwicklung der grammatischen Systemordnungen in seine Betrachtungen einbezieht.

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Wissenschaftsgeschichte

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Von der griechischen zur lateinischen Grammatikographie

Die kulturhistorische Einordnung des Analogie-Anomalie-StreitsStreit über die korrekte

SpracheWelches Kriterium

entscheidet über die Richtigkeit der Sprache?

Norm- (Analogisten) vs. Usus-Orientierung (Anomalisten)

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Die lateinische Grammatikographie

Die von Dionysios Thrax für das Griechische festgelegten Kategorien wurden von den römischen Sprachgelehrten auf das Lateinische übertragen.

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Die lateinische Grammatikographie Terentius Varro, De lingua Latina

(ein Höhepunkt antiker lateinischer Sprachtheorie) bestand aus drei Hauptteilen Etymologie Morphologie Syntax

Der Syntaxteil ist verloren gegangen, aber aus einem erhalten gebliebenen Fragment ist erkennbar, dass Syntax für Varro offenbar das gleiche bedeutete wie für die Stoiker, nämlich Aussagenlogik.

Es sind jedoch nur die Bücher über etymologische Praxis und morphologische Theorie erhalten

24Vgl. http://www.thelatinlibrary.com/varro.html

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Die lateinische Grammatikographie Erhaltene Teile von De lingua

latina (6 „Bücher“ von insgesamt 25) Liber V [Etymologie] Liber VI [Etym.] Liber VII [Etym./Dichtersprache:

„Difficilia sunt explicatu poetarum vocabula.“] Liber VIII [Declinatio =

Morphologie: „Quae Dicantur Cur Non Sit Analogia”]

Liber IX [Decl.] Liber X [Decl.] Fragmenta

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http://www.thelatinlibrary.com/varro.html

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Die lateinische GrammatikographieDie rekonstruierte Struktur von De lingua

latina Buch I: *Einleitung

1. Hexade Buch II-IV : [*theoretische Erörterung der Etymologie] Buch V-VII: historisch-exemplarische Erörterung der

Etymologie 2. Hexade

Buch VIII-X: theoretische Erörterung der „Declinatio“ Buch XI-XIII : [*historisch-exemplarische Erörterung

der „Declinatio“]

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Die lateinische GrammatikographieDie rekonstruierte Struktur von De lingua

latina 3. Hexade

Buch XIV-XVI : [*theoretische Erörterung der Syntax]

Buch XVII-XIX: *[historisch-exemplarische Erörterung der Syntax]

4. Hexade Buch XX-XXII: *[historisch-exemplarische

Erörterung der Syntax] Buch XI-XIII : [*historisch-exemplarische

Erörterung der Syntax]

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Die lateinische GrammatikographieTerentius Varro (116-27

v.Chr.)De lingua latina (ein

Höhepunkt antiker lateinischer Sprachtheorie)Orientierung an der

MathematikDer zentrale Begriff (10.

Buch) lautet DECLINATIO (jedoch nicht im heute üblichen Sinne von Deklination, sondern in Bezug auf jede morphologische Variation von Wörtern)

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Die lateinische GrammatikographieTerentius Varro, De lingua latina

Systematisierung von Wortbildungsprozessen

Unterscheidung zwischen declinatio voluntaria (= Derivation) und declinatio naturalis (= Flexion)Die Declinatio voluntaria: verläuft meist anormalDie Declinatio naturalis: folgt der Analogie

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Die lateinische Grammatikographie Es gibt – wie gesagt – zwei Arten

von morphologischer Variation (declinatio) Wörter ändern ihre Form durch die

arbiträre voluntas des Sprechers, oder die systematische natura der Sprache

Die Declinatio voluntaria entspricht der heutigen Derivationsmorphologie

Die Declinatio naturalis entspricht der heutigen Flexionsmorphologie

Varro ist der erste Grammatiker, der eine solche Unterscheidung vornimmt

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Die lateinische Grammatikographie Für Varro gibt es auf der Ebene der

declinatio naturalis nur zwei Kriterien zur Bestimmung der linguistischen Ähnlichkeit oder similitudo:

figura oder vox, d.h. die phonologische Form (Laut oder Schrift)

materia oder res, d.h. die grammatische Substanz, z.B. Kasus, Tempus etc.

Damit Wörter legitimerweise verglichen und klassifiziert werden können, müssen sie eine Analogie (analogia) aufweisen, die "zweifach und vollendet" ist, (duplex et perfecta)

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Die lateinische Grammatikographie Varro als Vermittler von

analogistischer und anomalistischer Lehre Gemäßigte Position des

Analogismus Die Flexion wird als

naturgegebene, analogische Beugung von morphologisch veränderbaren Wörtern dargestellt

Unregelmäßige Flexion wird von Varro bekämpft

Einsatz einer radikal morphologischen Systematik bei den Wortarten (partes orationis) unter Umgehung semantischer oder funktionaler Bestimmungen

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Die lateinische Grammatikographie DE LINGUA LATINA LIBER X

„ In verborum declinationibus disciplina loquendi dissimilitudinem an similitudinem sequi deberet, multi quaesierunt. Cum ab his ratio quae ab similitudine oriretur vocaretur analogia, reliqua pars appellaretur anomalia…“

33http://www.thelatinlibrary.com/varro.ll10.html

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Die lateinische Grammatikographie Varro

Verbum (Wort) genus sterile (unveränderlich) genus fecundum (veränderlich) Verteilung von flektierten

Wörtern auf vier Klassen, wobei nur 2 Kriterien ausschlaggebend sind:

Tempus und Kasus Wörter mit Kasus- und

Zeitmarkierung (Partizipien) Wörter ohne Kasus- und

Zeitmarkierung (Adverbien) Nur zeitmarkierte Wörter (Verben) Nur kasusmarkierte Wörter

(Substantive und Adjektive)

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Die lateinische Grammatikographie Zur Erklärung seiner Konzeption

von grammatischer Analogie verwendet Varro eine Reihe arithmetischer Proportionen.

Gleich deklinierte Nomina gleichen einer disjunkten Proportion – rex:regis :: lex:legis (wie 1:2 :: 10:20)

Gleich konjugierte Verben entsprechen einer konjunkten Proportion – legebam:lego::lego:legam (1:2::2:4), denn Präteritum verhält sich zu Präsens wie Präsens zu Futur

Varro ist der einzige antike Sprachforscher, der abstrakte Modelle formuliert hat. 35

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Die lateinische Grammatikographie (II)

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Die lateinische Grammatikographie

In der Spätantike verengte sich der Grammatikbegriff dann zunehmend auf die Beschreibung und normative Festschreibung des klassischen lateinischen Sprachsystems, insbesondere durch Aelius Donatus und Priscianus Caesariensis

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Die lateinische Grammatikographie Aelius Donatus (4. Jh. n.Chr.)

war der einflussreichste römische Grammatiker des 4. Jahrhunderts.

Er schrieb zwei Grammatiken Die Ars minor, die nur die

Wortarten behandelt und als Dialog abgefasst ist zwischen dem Lehrer, der Fragen stellt und dem Schüler, der sie beantwortet

Die Ars maior, die auch eine kurze Phonologie enthält und Aspekte des korrekten und unkorrekten Lateins behandelt.

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Die lateinische GrammatikographieBeispiel 

De NomineNomen quid est? Pars

orationis cum casu corpus aut rem proprie communiterve significans Nomini quot accidunt? Sex. Quae? Qualitas conparatio genus numerus figura casus[…].

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Die lateinische Grammatikographie Priscian (6. Jh. n.Chr.) stellt

gleichzeitig den Höhepunkt und das Ende der Römischen Grammatikographie dar Er sammelte und systematisierte

die Ergebnisse jahrhundertelanger grammatischer Forschung in der römischen Welt

Priscian wurde einer der einflussreichsten Grammatiker überhaupt und ein Großteil der Grammatikographie des Mittelalters basierte auf seinen Arbeiten.

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Die lateinische Grammatikographie Priscians Hauptwerk, die

Institutiones grammaticae (in 18 Büchern), geht weit über das hinaus, was andere römische Grammatiker je erstrebt oder erreicht hatten. Der syntaktische Teil dieses

Werkes ist von den Arbeiten des führenden Alexandrinischen Grammatikers Apollonius Dyscolus beeinflusst, dem einzigen griechischen Grammatiker, der über Syntax geschrieben hatte.

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Die lateinische Grammatikographie Priscians Behandlung der lateinischen

Morphologie gehört zu den gründlichsten und bestdokumentierten morphologischen Beschreibungen überhaupt

Seine Regeln zur Ableitung von Wortformen innerhalb eines Flexions-Paradigmas sind auch heute noch von theoretischem Interesse

Priscian arbeitet mit einem System von Regelketten, wobei er mit einer Grundform beginnt (z.B. Nominativ), daraus eine andere ableitet (z.B. Genitiv), die ihrerseits die Basis für eine weitere bildet (z.B. Dativ), usw.

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Die lateinische Grammatikographie Priscians letzte beiden Bücher

(Priscianus Minor) behandeln die Syntax.

Sie bilden die Grundlage für spätere syntaktische Untersuchungen im Mittelalter.

Kein anderes erhalten gebliebenes Werk eines römischen Sprachforschers ist der Syntax gewidmet.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Kapitel einiger Grammatiken über syntaktische Fehler (soloecismus) viele interessante Beobachtungen über die Syntax enthalten.

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Die lateinische Grammatikographie

Die Institutiones grammaticae bestimmten die Grammatikographie über Jahrhunderte hinweg. Es wurden acht grammatische Kategorien

unterschieden, und zwar Nomen, Pronomen, Verb, Adverb, Partizip, Koniunktion, Präposition und Interjektion:

Ziel war die Anleitung zur korrekten Anwendung der Sprache.

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Die Rolle der lateinischen Grammatikographie nach der Ausgliederung der romanischen Sprachen

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Von der Antike zum Mittelalter: vom Lateinischen zum Romanischen

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Von der Antike zum Mittelalter: vom Lateinischen zum Romanischen

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Von der Antike zum Mittelalter: vom Lateinischen zum Romanischen

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter Drei große Grammatik-

Epochen Vorscholastische

Grammatikkonzeption Donatus (4. Jh.) Priscianus (6. Jh.)

Scholastische Grammatikkonzeption Einfluss der Aristoteles-

Rezeption Nominalistische

Grammatikkonzeption Einfluss psychologischer

Kategorien

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Antike Tradition im Mittelalter

Die karolingische Renaissance Als karolingische Renaissance

bezeichnet man den kulturellen Aufschwung zur Zeit der frühen Karolinger, ausgehend vom kaiserlichen Hof Karls des Großen.

Anmerkung: Der Begriff der Renaissance ist dabei

umstritten, weil er das Gewicht zu stark auf das Wiederaufleben der Antike und die Säkularisierung des Denkens legt.

Man spricht daher auch treffender von der Bildungsreform Karls des Großen oder der karolingischen Erneuerung (lat. renovatio).

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Antike Tradition im Mittelalter Lateinische Tradition im Mittelalter

Alcuin von York De grammatica Rückbesinnng auf die sieben freien

Künste, deren Struktur auf Martianus Capella (aus Carthago) im 5. Jh.n.Chr. zurückgehen. Sein Hauptwerk wurde wie folgt gegliedert: Bücher III-V : das (sprachliche) Trivium Grammatik, Rhetorik, Logik Bücher VI-IX : das (mathematische)

Quadrivium Arithmetik, Geometrie, Musiktheorie,

Astronomie In der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts

wurde diese Schrift durch Abschriften und Kommentare in Europa weit verbreitet.

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Der Grammatik-Begriff in der MittelalterDie lateinische

Grammatik als elementarer Bestandteil der 7 freien Künste

Trivium Grammatik Rhetorik Dialektik

Quadrivium Arithmetik Geometrie Astronomie Musik

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Der Grammatik-Begriff in der Mittelalter

Weitere karolingische GrammatikerPetrus von Pisa (Ars

grammatica)Paulus Diaconus (Ars minor)Clemens Scotus (Ars

grammatica)Smaragdus von St.-Mihiel

(Liber in partibus Donati)

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter Die Rolle der Grammatik im

mittelalterlichen Bildungssystem Grammatik war der zentrale

Studieninhalt der „Artistenfakultät“, die alle Studenten durchlaufen mussten, bevor sie zum Studium der Spezialwissenschaften (Theologie, Philosophie, Jurisprudenz, Medizin) zugelassen wurden.

Grammatik als Schlüssel zum Textverständnis

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter Das Grammatikkonzept

der vorscholastischen Epoche (empirisch und deskriptiv) Studium der deskriptiven

Grammatiken von Donatus und Priscianus

Lesen und Verstehen überlieferter Texte

Herstellen adäquater Texte

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Der Grammatik-Begriff im MittelalterScholastik (lat. Adjektiv scholasticus) ist die wissenschaftliche Denkweise und Methode der Beweisführung, die in der Gelehrtenwelt des Mittelalters entwickelt wurde.

Scholastische Grammatikkonzeption Die Kategorienlehre des

Aristoteles sollte auf die Sprachbetrachtung angewandt werden

Philosophische Grammatik (Grammatik als Logik bzw. Sprachphilosophie)

Grammatica speculativa

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Der Grammatik-Begriff im MittelalterDie Grammatica speculativa

SuppositionslehreUntersuchung und

Klassifizierung des Sachbezugs (Suppositio) sprachlicher Zeichen

Unterscheidung zwischenwörtlicher ironischermetaphorischersprachbezogener

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Bedeutung

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter Die modistische Tradition ist in gewissem

Sinn eine Synthese der philologisch orientierten griechisch-römischen, auf Dionysios Thrax zurückgehenden Tradition mit zunächst unabhängigen philosophischen Strömungen des Mittelalters.

Ein Wegbereiter des Modismus ist Petrus Helias, der im Jahr 1150 einen Prisciankommentar (Summa super Priscianum) verfasst hat, in dem er versucht, Priscians Analyse zu den lateinischen Wortarten auf die Basis der aristotelischen Organon-Schriften ( Όργανον „Werkzeug“, „Methode) Kategorien und De Interpretatione (Περὶ ἑρμηνείας) zu stellen.

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter MODISTEN

Ziel: Entwicklung einer Universalgrammatik

Thomas von Erfurt Tractatus de modis significandi (=

Grammatica speculativa) Lehre von den modi significandi (= Lehre

von den Bedeutungsweisen und Bedeutungsformen sprachlicher Formen)

Wahrnehmungsformen (modi intellegendi) Seinsformen (modi essendi)

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter

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Grammatik als Wissenschaft

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Der Grammatik-Begriff im Mittelalter

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Der Grammatik-Begriff bei DanteNé per tanto di men parlando vommi

con ser Brunetto, e dimando chi sonoli suoi compagni più noti e più sommi. 102  

Ed elli a me: "Saper d'alcuno è buono;de li altri fia laudabile tacerci,ché 'l tempo saria corto a tanto suono. 105  

In somma sappi che tutti fur chercie litterati grandi e di gran fama,d'un peccato medesmo al mondo lerci. 108  

Priscian sen va con quella turba grama,e Francesco d'Accorso anche; e vedervi,s'avessi avuto di tal tigna brama, 111  

colui potei che dal servo de' servifu trasmutato d'Arno in Bacchiglione,dove lasciò li mal protesi nervi.

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Commedia, Cantica I, Canto xv

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Der Grammatik-Begriff bei DanteContra questi cotali grida Tulio nel principio

d'un suo libro che si chiama Libro di Fine de' Beni, però che al suo tempo biasimavano lo latino romano e commendavano la gramatica greca, per simiglianti cagioni che questi fanno vile lo parlare italico e prezioso quello di Proenza.

65Convivio Trattato I Capitolo xi

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Der Grammatik-Begriff bei DanteE avegna che duro mi fosse nella prima

entrare nella loro sentenza, finalmente v'entrai tanto entro, quanto l'arte di gramatica ch'io avea e un poco di mio ingegno potea fare; per lo quale ingegno molte cose, quasi come sognando, già vedea, sì come nella Vita Nova si può vedere.

66Convivio Trattato II Capitolo xii

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Der Grammatik-Begriff bei DanteAlli sette primi rispondono le sette scienze

del Trivio e del Quadruvio, cioè gramatica, Dialetica, Rettorica, Arismetrica, Musica, Geometria e Astrologia. All'ottava spera, cioè alla stellata, risponde la scienza naturale, che Fisica si chiama, e la prima scienza, che si chiama Metafisica; alla nona spera risponde la Scienza morale; ed al cielo quieto risponde la scienza divina, che è Teologia appellata. E [la] ragione per che ciò sia, brievemente è da vedere.

67Convivio Trattato II Capitolo xiii

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Der Grammatik-Begriff bei DanteDico che 'l cielo della Luna colla gramatica si

somiglia, perché ad esso si può comparare [per due propietadi]. Ché se la Luna si guarda bene, due cose si veggiono in essa propie, che non si veggiono nell'altre stelle. L'una si è l'ombra che è in essa, la quale non è altro che raritade del suo corpo, alla quale non possono terminare li raggi del sole e ripercuotersi così come nell'altre parti; l'altra si è la variazione della sua luminositade, ché ora luce da uno lato e ora luce da un altro, secondo che lo sole la vede.

68Convivio Trattato III Capitolo ii

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Der Grammatik-Begriff bei DanteÈ dunque da sapere che "autoritade" non è altro

che "atto d'autore". Questo vocabulo, cioè "autore", sanza quella terza lettera C, può discendere da due principii: l'uno si è uno verbo molto lasciato dall'uso in gramatica, che significa tanto quanto "legare parole", cioè "auieo". E chi ben guarda lui, nella sua prima voce apertamente vedrà che elli stesso lo dimostra, ché solo di legame di parole è fatto, cioè di sole cinque vocali, che sono anima e legame d'ogni parole, e composto d'esse per modo volubile, a figurare imagine di legame.

69Convivio Trattato IV Capitolo vi

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Der Grammatik-Begriff bei DanteHinc moti sunt inventores gramatice

facultatis; que quidem gramatica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis idemptitas diversis temporibus atque locis.

70De vulgari eloquentia Liber I Capitulum ix

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Der Grammatik-Begriff bei DantePosset adhuc inveniri plurium sillabarum

vocabulum, sive verbum; sed quia capacitatem nostrorum omnium carminum superexcedit, rationi presenti non videtur obnoxium, sicut est illud honorificabilitudinitate, quod duodena perficitur sillaba in vulgari et in gramatica tredena perficitur in duobus obliquis.

71De vulgari eloquentia Liber II Capitulum vii

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Der Grammatik-Begriff in der italienischen Renaissance (15. Jahrhundert)

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Der kulturhistorische Kontextumanesimo volgare vs.

umanesimo latino

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Der kulturhistorische KontextDas Zeitalter des Humanismus

Hinwendung zur AntikeIntensives Studium antiker

QuellenRekonstruktion der klassischen

lateinischen SpracheFrage nach der Beschaffenheit

des Lateinischen in der AntikeFrage nach der Dekanenz des

Lateinischen während der Völkerwanderung

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Die italienischen Humanisten und die Frage nach der Beschaffenheit des Lateinischen im Altertum

„Sprachhistorische Reflexion“ im Humanismus

Das Hauptziel des frühen Humanismus war – wie bereits erwähnt – eine Wiederbelebung der geistigen Errungenschaften der klassischen Antike.

Das philologische Interesse der Humanisten des späten 14. sowie des frühen 15. Jahrhunderts beschränkte sich auf die Suche nach verschollenen lateinischen Schriften in den europäischen Bibliotheken.

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Die italienischen Humanisten und die Frage nach der Beschaffenheit des Lateinischen im Altertum

Poggio Bracciolini (1380-1459) entdeckte z.B. Institutio oratoria von Quintilian, De rerum natura von Lukrez, Silvae von Statius, De re architectura von Vitruv, Punica von Silius Italicus, Argonautica von Valerius Flaccus sowie zehn Reden Ciceros.

Das philologische Interesse der Humanisten des späten 14. sowie des frühen 15. Jahrhunderts beschränkte sich auf die Suche nach verschollenen lateinischen Schriften in den europäischen Bibliotheken.

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Die italienischen Humanisten und die Frage nach der Beschaffenheit des Lateinischen im Altertum

Im Mittelpunkt sprachplanerischer Bemühungen stand die Wiederherstellung des klassischen Lateins.

In diesem geistigen Klima sind Werke wie Lorenzo Vallas Elegantiarum Latinae Lingue libri sex (1435-1444) entstanden. In sprachgeschichtstheoretischer Hinsicht

interessierten sich die Gelehrten vor allem für die Beschaffenheit und Entwicklung des Lateinischen, während die Geschichte der italoromanischen Volkssprachen allenfalls indirekt im Zusammenhang mit der lateinischen Sprachgeschichte behandelt wurde.

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Die italienischen Humanisten und die Frage nach der Beschaffenheit des Lateinischen im Altertum

Im März 1435 diskutierten Leonardo Bruni und Flavio Biondo im Vorzimmer des Papstes Eugen IV. über die Beschaffenheit der lateinischen Sprache in der Antike und Spätantike. Flavio Biondo richtete seine Streitschrift De

verbis romanae locutionis an Leonardo Bruni.

Ausgangspunkt war die in Brunis Schrift An vulgus et literati eodem modo per Terentii Tullique tempora Romae locuti sint vertretene Auffassung, dass bereits in der Antike von den Ungebildeten ein volgare gesprochen wurde, das dem des Quattrocento nicht unähnlich war.

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Die sprachhistorische Auffassung von Leonardo Bruni Apud veteres: bei den Alten, d.h. in

der Antike unum (…) sermonem omnium: nur

eine einzige Sprache, d.h. das Lateinische

nec alium vulgarem, alium litterarium: keine Vulgärsprache, nur die Gelehrtensprache (= klass. Latein)

Ego autem (…) distinctam fuisse vulgarem linguam a litterata existimo: Ich bin der Auffassung, dass die Vulgärsprache von der Gelehrtensprache verschieden war

79http://www.bibliotecaitaliana.it/repository/bibit/bibit000097/bibit000097.xml

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Die sprachhistorische Auffassung von Leonardo BruniHinweis auf die

Unterschiede morphosyntaktischen, semantischen und phonetischen Unterschiede zwischen der „latina lingua“ und der „[lingua] vulgaris“

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An dem Disput war auch Leon Battista Alberti beteiligt und fertigte nach dem Vorbild von

Donatus und Priscianus eine Grammatik des

volgare an…

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Die Entdeckung der Muttersprache als Objekt der Grammatikographie

Vorwort Albertis Grammatichetta (um 1435) Que' che affermano la lingua latina non essere

stata comune a tutti e' populi latini, ma solo propria di certi dotti scolastici, come oggi la vediamo in pochi, credo deporranno quello errore vedendo questo nostro opuscolo, in quale io raccolsi l'uso della lingua nostra in brevissime annotazioni. Qual cosa simile fecero gl'ingegni grandi e studiosi presso a' Greci prima e po' presso de e' Latini, e chiamorno queste simili ammonizioni, atte a scrivere e favellare senza corruttela, suo nome, grammatica. Questa arte, quale ella sia in la lingua nostra, leggetemi e intenderetela.

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Bibliographische Hinweise zur VertiefungZur Geschichte der Grammatikographie

Jungen, Oliver / Lohnstein, Horst: Geschichte der Grammatiktheorie, München 2007.

Zur „Grammatica speculativa“http://www.uni-erfurt.de/sprachwissenschaft/p

ersonal/lehmann/CL_Publ/Thomas_von_Erfurt.pdf

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