Schuldfrage oder Fehlerkultur ?
Critical
incident
reporting
Dr. Christian SchäferKlinik SonnenhaldeCH – 4125 Riehen
Geschichte
1818 starben bei einer Explosion des Sprengstoffherstellers Du Pont 40 Arbeiter
Unfallpyramide nach Du Pont Unfälle sind Folge von unsicheren Handlungen Signifikanter Zusammenhang zwischen
unsicheren Handlungen und Unfällen bzw. Todesfällen
Ziel: Reduktion der unsicheren Handlungen
Risk – Management in der Flugzeugindustrie
Systematische Untersuchung von Zwischenfällen (75% aller Unfälle hängen mit menschlichen Fehlverhalten zusammen)
Unfallverhütung heisst Vorfallverhütung Präsenzzeit als Arbeitszeit (Müdigkeit fördert
„human error“) Flache Hierarchien Anonyme Meldesysteme Zwischenfälle sind nicht Ursache sondern das
Ergebnis einer Reihe von Fehlern
Geschichte
1892 Paul Zweifel:“ die Verletzung der Ureteren ist ein Capitel, an dem sehr viele Veröffentlichungen über Uterusextirpationen vorbeihuschen,…“
1973: Anästhesie als Vorreiter 1996 Einführung von CI Reporting in der
Anästhesie in Basel 2000: BJM:
80% aller Zwischenfälle sind auf den Faktor Mensch zurückzuführen
In den USA sterben ca 100000 Menschen jährlich an vermeidbaren Zwischenfällen
Geschichte
2001 FMH Tagung: Risiken, Fehler Patientensicherheit 3-4% aller Patienten erleiden einen adverse event 7-12% dieser Zwischenfälle sind tödlich
2003: Gründung der Nationalen Stiftung für Patientensicherheit
Ab 2006: Einführung eines CI-Reporting schweizweit
Spital – und Arzthaftung
Ca. 40000 Haftpflichtfälle von 1995 – 2000 sowie 9000 Fälle bei Gutachtenkom-missionen in Dtl.Ein Schaden in der Geburtshilfe kostete 1990 bis ca. 150000€, jetzt bis ca. 2 Mio.€
Gründe
Medizinische Entwicklung Anspruchshaltung der Patienten und
Angehörigen Verändertes Prozessverhalten Wünsche Dritter (Anwälte) Ausschlachtung von Schadensfällen in den
Medien
Risk – Management- Grundannahmen -
Wo immer Menschen tätig sind entstehen Irrtümer, Nachlässigkeit, Fehleinschätzung, Unwissenheit und Selbstüberschätzung
Fehler entstehen durch Organisatorische Defizite Kommunikationsdefizite Dokumentationsdefizite Inkompetenz Behandlung eines Pat. in nicht geeigneter Einrichtung
Fehler werden beeinflusst durch Psychologische Faktoren: zwischenmenschliche Beziehungen, emotionale Zustände
(Wut, Angst, Furcht, Langeweile), Überarbeitung Physiologische Faktoren: Müdigkeit, Schlafverlust, Drogen, Krankheit
Fehler sind also nicht nur falscher Natur, in jedem Fehler steckt ein Lernpotential.Fehler oder Fehlhandlungen unterscheiden sich klar von vorsätzlichen oder fahrlässigen Handeln
Grundannahmen der Medizin zu Fehlern
Zwischenfälle sind Fehlhandlungen oder Versagen von einzelnen Personen
Eingeständnis eines Fehlers ist Eingeständnis von Inkompetenz
Nullfehlermentalität der Medizin („Halbgott in Weiss“)
Culture of blame Schuldzuweisungsstruktur Fehler werde schnell wieder vergessen Fehler, die sich vertuschen lassen werden vertuscht Fehler führen zu Kritik und Bestrafung
Paradigmawechsel
Fehlleistungen sind eine normale Erscheinung bei jeder Tätigkeit
Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Berufsgruppen
No – blame Struktur: das Spital ist interessiert was an Fehlern auftritt und nicht, wer sie gemacht hat
Wechsel von einer culture of blame zu einer culture of safety Gesprächskultur, die Diskussionen über Fehler zulässt Eingeständnis eines Fehlers bedeutet Gewinn für die
Institution CIRS ist Chefsache
Risk – Management- Methoden -
Qualitätszirkel Komplikationskonferenzen Morbiditäts – Mortalitätskonferenzen Auditkonzepte CI-Reporting
CIVersuch einer Definition
Unter einem kritischem Zwischenfall verstehen wir in der Medizin ein Ereignis, das ohne Prävention zu einem unerwünschten Ausgang, d.h. einer psychischen oder physischen Beeinträchtigung eines Patienten hätte führen können.
Sie sind deshalb kritisch, weil sie abweichend vom gewohnten und daher erwarteten Ablauf erfolgen können. Eine kritische Situation ist nicht grundsätzlich gefährlich, birgt aber ein Risikopotential
Unterscheidungsmöglichkeit:FehlerKritische SituationAussergewöhnlicher Vorfall
Unterschiedliche Definitionen und Ansätze
Fehler – CI - Vorfall
Klinik Wyss 2004
Methode
Einführung des CI – Reportings im Rahmen des Qualitätsmanagements seit 2/2004
Semistrukturierter Fragebogen Erfassung des CI durch Pflege oder Arzt Ein Projektverantwortlicher Halbjährliche Fehlerkonferenzen im
ärztlichen Dienst sowie auf den Abteilungen Anonyme Erfassung durch den
Projektverantwortlichen
MELDEFORMULAR CRITICAL INCIDENT
Patientenetikette
Unter dem Begriff "Critical Incidents" versteht man ausserordentliche Ereignisse im Klinikalltag, die möglicherweise Leib und Leben gefährden (oder sogar zum Tod führen, wie z.B. Suizid), und die eine Herausforderung für die reguläre Führung des medizinischen Betriebes darstellen. Aus diesem Grunde müssen ab sofort die folgenden Ereignisse gemeldet werden (bitte ankreuzen):
Vollendeter Suizid, Todesfall Suizidversuch Medikamentenfehler
falsche Dosis falsches Medikament fehlendes Medikament Medikamentenverwechslung durch Patient Andere
Aussergewöhnliche Medikamentennebenwirkung Fahndung Tätlichkeit gegenüber Mitarbeitenden Tätlichkeit gegenüber Mitpatienten Austritt gegen ärztlichen Rat Verlegung in eine andere psychiatrische Klinik Verlegung in ein somatisches Spital Unfälle mit Verletzungsfolge Andere
Diagnose nach ICD-10: ......................................................................................................................
Datum / Uhrzeit des Ereignisses: .....................................................................................................
Details des Vorgangs (*): ..................................................................................................................
..........................................................................................................................................................
..........................................................................................................................................................
..........................................................................................................................................................
..........................................................................................................................................................
Datum, Unterschrift: ......................................................................................................................... Bitte Formular innert max. 3 Tagen nach dem Ereignis ausgefüllt an den Projektleiter Dr. Christian Schäfer abgeben.
Ziele
Systematische Erfassung von kritischen Ereignissen
Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens Verbesserung der Kommunikation Verhinderung von Zwischenfällen Sanktionsfreiheit Suche der Fehler im System, nicht bei
Personen
Ziele des CI-Reportings
Schadensbegrenzung und Schadensverhütung
Auffinden von Fehlerquellen Auffinden von Fehlerquellen
Organisatorische Mängel Individuelle Mängel
Auffinden von Schwachstellen in der täglichen Routine
Critical Incident Reporting
Klinik Sonnenhalde
Ergebnisse 2006
CI-Reporting der Klinik Sonnenhalde
(n=90)
CI 1.06 -12.06
2627282930313233
M O C
Häuser
Anza
hl
CI-Reporting der Klinik Sonnenhalde Alle Items (n=90) im Jahr 2006
59
8 6 6 5 4 1 1 0 0 00
10203040506070
Me
dik
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A.
Su
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CI alle Häuser
An
zah
l
CI-Reporting der Klinik Sonnenhalde Medikamentenfehler (n=59)
20
1413
10
2
0
5
10
15
20
25
Andere FehlendesMedikament
Med.falsche Dosis Falsches Med. Medvw. durch P.
Medikamentenfehler
An
zah
l
Medikamentenfehlern = 59
24
14
21
0
5
10
15
20
25
30
M C O
Häuser
Anz
ahl
MedikamentenfehlerM – Haus (n = 24)
12
6
32
1
0
2
4
6
8
10
12
14
Andere FehlendesMedikament
Falsches Med. Med.falscheDosis
Medvw. durchP.
MedikamentenfehlerM – Haus n=24
Andere WE-Medis vergessen (4), Einnahme vergessen am We (3), verspätete Einnahme am WE
(2) Pat abgemeldet und nicht an Medik. gedacht Med. trotz stopp weitergegeben
MV durch Pat Morgen- mit Abendmedikation verwechselt
Fehlendes Medik. Pat. vergass Einnahme auf Abt. Med. war nicht gerichtet (4, zweimal WE) Wegen Belastungsversuch bis Montag keine Morgenmedikation
Falsches Med. Med. falsch abgelesen Med. für WE war falsch gerichtet Namensverwechslung
Falsche Dosis Med. wurde nicht gestoppt Med. falsch gerichtet
MedikamentenfehlerM – Haus n=24
Andere WE-Medis vergessen (4), Einnahme vergessen am We (3), verspätete Einnahme am WE
(2) Pat abgemeldet und nicht an Medik. gedacht Med. trotz stopp weitergegeben
MV durch Pat Morgen- mit Abendmedikation verwechselt
Fehlendes Medik. Pat. vergass Einnahme auf Abt. Med. war nicht gerichtet (4, zweimal WE) Wegen Belastungsversuch bis Montag keine Morgenmedikation
Falsches Med. Med. falsch abgelesen Med. für WE war falsch gerichtet Namensverwechslung
Falsche Dosis Med. wurde nicht gestoppt Med. falsch gerichtet
Unfall mit Verletzungsfolge- 2005 –
n = 12 O-Haus
Im Belastungsurlaub gestürzt (F33.2) Stolpersturz über Türschwelle (F33.2) Pat. stürzte als sie Mitpat. stützte (F32.1) Pat. stürzte über eigenen Koffer (F32.1) Im Belastungsurlaub gestürzt (F 33.2) Sturz in der Dusche (F33.2) Stolpern bei Liftaustritt (F33) Sturz bei WC-Gang Kopf gegen Eckkante des Gartenhäuschens
C–Haus Pat. verletzte sich mit Schere aus Pavillon
M–Haus Sturz auf dem Weg zur Klinik Sturz auf dem Hinterkopf (F33.2)
Unfall mit Verletzungsfolge- die einzelnen Items -
O-Haus Im Belastungsurlaub gestürzt (F33.2) Stolpersturz über Türschwelle (F33.2) Pat. stürzte als sie Mitpat. stützte (F32.1) Pat. stürzte über eigenen Koffer (F32.1) Im Belastungsurlaub gestürzt (F 33.2) Sturz in der Dusche (F33.2) Stolpern bei Liftaustritt (F33) Sturz bei WC-Gang Kopf gegen Eckkante des Gartenhäuschens
C–Haus Pat. verletzte sich mit Schere aus Pavillon
M–Haus Sturz auf dem Weg zur Klinik Sturz auf dem Hinterkopf (F33.2)
CI - Reporting
CI – Reporting als Chance für Seine eigenen Grenzen Aus Fehlern lernen Von der Last der Vollkommenheit frei sein Hilfe annehmen zu können Veränderung Weiterbildung Trauern zu dürfen Anderen helfen können Demütig zu werden Schutz vor burn out, Selbstzweifeln und Depression
Überlegungen
Wer füllt freiwillig ein Meldeformular aus, wenn er mit zivilrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat?
Forderung nach anonymer Meldung Meldesysteme dürfen nicht durch Richter
zweckentfremdet werden Kostenfrage Es gibt noch keine einheitlichen Meldesysteme
CIRS- Management in der Bibel
Und die Araber, Ammoniter und Aschdoditer…. schlossen sich zusammen… um gegen Jerusalem zu kämpfen. Und das Volk von Juda sagte: „Von allen Orten, wohin wir uns wenden…sind sie gegen uns. Die Kraft der Lastträger schwindet und es ist noch viel Schutt da.“ Und als ich ihre Furcht sah, sagte ich: “Fürchtet Euch nicht.“ Und es geschah von diesem Tag an: Die eine Hälfte meiner jungen Männer war am Werk beschäftigt und die andere Hälfte hielt die Speere, die Schilder und den Bogen. Und der ins Horn zu stossen hatte war neben mir.
Nehemia, Kapitel 4
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