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Silicat- und Oxidkeramik
Skript zur Vorlesung
Prof. Christian Rüssel
Otto-Schott-Institut
Universität Jena
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Inhalt
1. Einführung -4-
1.1. Einteilung Nichtmetallische Anorganische Werkstoffe -4-
1.2. Einteilung Keramik -6-
1.2.1. Einteilung nach chemischen Kriterien -6-
1.2.2. Einteilung nach Verwendungszweck -7-
1.3. Allgemeine Herstellungsverfahren für Keramik -8-
2. Allgemeine Eigenschaften von Keramiken -9-
3. Silicatische Rohstoffe zur Keramikherstellung -14-
3.1. Zusammensetzung der Erdkruste -14-
3.2. Natürliche silicatische Rohstoffe -15-
3.2.1. Inselsilicate -15-
3.2.2. Gruppensilicate -15-
3.2.3. Ketten- und Bändersilicate -16-
3.2.4. Blattsilicate -16-
3.2.5. Gerüstsilicate -18-
4. Formgebungsverfahren -24-
4.1. Aufbereitung -24-
4.2. Allgemeines zur Formgebung -25-
4.3. Schlickergießen -26-
4.4. Pressen -26-
4.5. weitere Verfahren -27-
5. Herstellung von Porzellan -27-
5.1. Keramische Masse -27-
5.2. Trocknen -28-
5.3. Brennen -32-
5.3.1. Sintern von kristallinen Phasen -33-
5.3.2. Sintern einer nichtkristallinen Phase -34-
5.3.3. Sintern unter Auftreten fester und flüssiger Phasen -35-
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5.4. Abwandlungen beim Werkstoff Porzellan -36-
6. Elektrokeramik -38-
6.1. Isolationskeramik -38-
6.1.1. Isolatoren aus Silicatkeramik -38-
6.1.2. Aluminiumoxid als Isolationskeramik -41-
6.1.3 weitere Substratmaterialien -45-
6.2. Kondensatorkeramik -49-
6.2.1. Allgemeines über Kondensatoren -49-
6.2.2. Polarisationsmechanismen -51-
6.2.3. Ferroelektrizität -52-
6.2.4. Typ I – Kondensatoren -57-
6.2.5. Typ II – Kondensatoren -58-
6.2.6. Typ III – Kondensatoren -61-
6.3. Piezokeramik -63-
6.3.1. Der Piezoeffekt -63-
6.3.2. Piezoelektrische Werkstoffe -66-
6.3.3. Bleizirkonattitanat -67-
6.3.4. Herstellung von Bleizirkonattitanatkeramik -69-
6.3.5. weitere Piezokeramiken -73-
6.3.6. Anwendungen von Piezokeramiken -75-
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1. Einführung
1.1. Einteilung Nichtmetallische Anorganische Werkstoffe
Nichtmetallisch Anorganische Werkstoffe werden aufgrund ihrer Kristallinität
unterschieden
1. Einkristalline Werkstoffe
2. Polykristalline Werkstoffe
3. Amorphe Werkstoffe
Einkristalline Werkstoffe sind von stark wachsender Bedeutung.
1. Halbleiter: Si, Ga, As, InP, SiC etc.
2. Diamant, kubisches Bornitrid
3. Oxide : Al2O3, ZrO2, LiNbO3
4. Chalcogenide: ZnSe etc.
5. Halogenide : NaCl, CaF2
Halbleiter werden vorwiegend in der Elektrotechnik verwendet. Neben Silicium sind
auch Galliumarsenid und SiC (aufgrund der hohen Temperaturstabilität) von
wachsender Bedeutung. Diamant und kubisches Bornitrid werden u. a. als Schleif-
und Poliermittel, ZnSe für Infrarot-Optiken, CaF2 für UV-Optiken verwendet.
Amorphe Nichtmetallische Anorganische Werkstoffe sind neben oxidischen und
nichtoxidischen Gläsern auch amorphe Halbleiter.
Polykristalline Werkstoffe werden aufgrund ihres Herstellungsprozesses
unterschieden:
1. Keramiken
2. Glaskeramiken
3. Bindemittel
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Bei der Herstellung von Glaskeramik wird zunächst ein Glas erschmolzen und dieses
durch nachträgliche Temperung kristallisiert.
Bei der Herstellung von Bindemitteln (Gips, Mörtel, Beton etc.) erfolgt zunächst eine
Temperaturbehandlung (z. B. Brennen von Kalk: CaCO3 g CO2 + CaO),
anschließend die Zugabe von Wasser und dann die Formgebung. Die Zugabe von
Wasser führt zum Abbinden, was mit Verfestigung verbunden ist. Die
Temperaturbehandlung erfolgt somit vor der Formgebung.
Keramik wird meist über einen Sinterprozess hergestellt, die Formgebung erfolgt
nach der Temperaturbehandlung.
Zur Keramik gehören alle nichtmetallisch anorganischen, weitgehend
wasserbeständigen, zum großen Teil (wenigstens 30 %) oder ganz kristallisierten
Stoffe oder Stoffgemische, wenn diese auf entsprechend hoher Temperatur erhitzt
wurden oder bei Gebrauch erhitzt werden.
Keramische Werkstoffe enthalten neben kristallinen Phasen oft auch Glasphase. Der
Anteil der kristallinen Phase (≥ 30 %) stellt eine Abgrenzung zu den Emails dar.
Der englische Begriff „Ceramics“ ist mit Keramik nicht deckungsgleich, sondern
umfassender. Unter „Ceramics“ wird auch Glas, Glaskeramik und Emails verstanden.
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1.2. Einteilung Keramik
1.2.1. Einteilung nach chemischen Kriterien
Alle Keramiken, die SiO2 enthalten werden als Silicatkeramiken bezeichnet.
Alle Keramiken, die kein SiO2 enthalten und ausschließlich oxidisch sind, werden als
Oxidkeramiken bezeichnet.
Enthalten Keramiken als elektronegativen Bestandteil nicht nur Sauerstoff, sondern
auch beispielsweise Kohlenstoff oder Stickstoff, werden sie als Nichtoxidkeramiken
bezeichnet.
Zu den Silicatkeramiken gehören beispielsweise:
Porzellan, Steinzeug, Steatit, Mullit, Cordierit
sowie die meisten Feuerfestmaterialien
Zu den Oxidkeramiken gehören u. a.:
Aluminiumoxid, Zirkonoxid, Bariumtitanat, Bleizirkona ttitanat, Ferrite, Zinkoxid
Zu den Nichtoxidkeramiken gehören:
Siliciumcarbid, Siliciumnitrid, Aluminiumnitrid, Bornitrid, Titanborid
und Molybdänsilicid
Hartstoffe, wie TiC, TiN oder Wolframcarbid werden auch Hartmetalle genannt und
bilden eine gewisse Grauzone zu den Metallen.
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1.2.2. Einteilung nach Verwendungszweck
Bei der Einteilung nach Verwendungszweck sind völlige andere Kriterien
maßgeblich, beispielsweise ist hier Aluminiumoxid bei der Elektrokeramik,
Biokeramik, Chemokeramik, Thermo- und Mechanokeramik zu nennen.
1. Geschirr- und Zierkeramik Porzellan
2. Baukeramik Ziegel, Bodenplatten, Steinzeugrohre
3. Elektrokeramik
Isolatoren Porzellan, Steatit, Al2O3, AlN, BeO
Kondensatoren Steatit, TiO2, BaTiO3
Piezokeramik Bleizirkonattitanat, LiNbO3
keram. Widerstände BaTiO3, TiO2
Ionenleiter ZrO2, ß-Al2O3, Nasicon
Varistoren ZnO
4. Magnetokeramik Ferrite
5. Biokeramik Al2O3, ZrO2, Phosphate
6. Chemokeramik Porzellan, Al2O3, SiC, Si3N4
7. Thermokeramik Feuerfestmaterialien (Silicate bis SiC)
8. Mechanokeramik Al2O3, SiC, Si3N4
9. Optokeramik -
Silicatkeramik kann beispielsweise als Geschirr- und Zierkeramik, Baukeramik,
Elektrokeramik, Biokeramik, Chemokeramik und Thermokeramik verwendet werden.
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1.3. Allgemeine Herstellungsverfahren für Keramik
Die meisten keramischen Produkte werden an Pulvern hergestellt. Aus den Pulvern
wird eine formbare Masse (z. B. knetbar oder gießbar) erzeugt. Hierzu wird der
gewünschte Körper geformt, dessen Rohfestigkeit so hoch ist, dass er gehandhabt
werden kann. Seine endgültige Festigkeit erhält er dann in einem nachfolgenden
Brennprozess.
Rohstoff (Pulver
i
Masseaufbereitung
i
Formgebung
i
Sintern
i
Endbearbeitung
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2. Allgemeine Eigenschaften von Keramiken
Keramiken unterscheiden sich von Polymeren und Metallen primär durch die Art der
chemischen Bindung.
Organische Polymere besitzen primär Kettenstrukturen, die u. a. aus C – C –
Bindungen aufgebaut sind; die Ketten sind meist nur wenig miteinander vernetzt.
Keramiken bestehen aus oxidischen oder nichtoxidischen Phasen, die Bindungen
sind kovalent, besitzen aber insbesondere im Fall der Silicatkeramiken erheblichen
Ionenbindungsanteil. Allerdings sind auch bei Silicatkeramiken die gebildeten
Strukturen hochvernetzt.
Hieraus sind allgemeine Eigenschaften von Keramiken im Vergleich zu Metallen im
wesentlichen ableitbar:
- hohe Härte
- hohe Festigkeit
- hohe Hochtemperaturfestigkeit
- hohe Korrosionsbeständigkeit
- hohe Verschleißfestigkeit
- niedrige Dichte
- niedriger thermischer Ausdehnungskoeffizient
- niedrige Wärmeleitfähigkeit
- niedrige elektrische Leitfähigkeit
Die hohe Korrosionsbeständigkeit ist primär darauf zurückzuführen, dass in ihnen
Metalle bereits in hohen Oxidationsstufen vorliegen. Die Aufstellung gibt nur eine
allgemeine Tendenz wider, die von speziellen Keramiken durchbrochen wird. Als
Beispiele seien keramische Supraleiter (höchste elektrische Leitfähigkeit), die
Wärmeleitfähigkeit von Berylliumoxid (mit 360 W / (m . K) höher als von Aluminium
oder die hohe Dichte von Zirkonoxidkeramik (≈ 6 g / cm3) genannt.
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Abbildung 2.1. zeigt die Biegefestigkeit heißgepresster Siliciumnitrid- (HP – Si3N4)
und Siliciumcarbidkeramiken als Funktion der Temperatur im Vergleich zu
Superlegierungen höchster Festigkeit. Während bei letzteren die
Raumtemperaturfestigkeit mit Werten > 1 GPa wesentlich höher liegt als bei den
Keramiken, sinkt sie mit steigender Temperatur rasch ab, bis ab etwa 800 – 900 °C
die Festigkeit der Keramiken weit höher liegt. Bis über 1000 °C fällt die Festigkeit
dieser beiden Keramiken kaum ab.
Abb. 2.1. Biegefestigkeit einer Superlegierung im Vergleich zu heißgepressten
Siliciumnitrid und Siliciumcarbid.
Abb. 2.2. zeigt die Härte einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen. Borcarbid, die
härteste aller Keramiken (nach Diamant und kubischem Bornitrid der härteste Stoff)
besitzt die etwa 30fache Härte von austenitischen Stahl. Auch Siliciumcarbid und
Aluminiumoxid liegt noch wesentlich über Hartmetallen und oberflächenvergüteten
Stählen.
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Abb. 2.2. Härte einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen
Die Dichte einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen ist in Abb. 2.3. gezeigt.
Siliciumnitridkeramiken (RBSN und HPSN), sowie Siliciumcarbidkeramiken liegen mit
Dichten < 4 g / cm³ um mehr als den Faktor zwei unterhalb von Stahl und erreichen
nur ein Viertel des Wertes von Hartmetallen.
Abb. 2.3. Dichte von Keramiken im Vergleich zu Metallen.
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Abb. 2.4. zeigt lineare Ausdehnungskoeffizienten verschiedener Keramiken.
Während der Ausdehnungskoeffizient von Al2TiO5 bei etwa 2 . 10-6 K-1 liegt, haben
andere Keramiken wie Si3N4 oder SiC Ausdehnungskoeffizienten um 4 . 10-6 K-1.
Typische Werte für Metalle liegen zwischen 10 und 15 . 10-6 K-1.
Abb. 2.4. Thermische Ausdehnungskoeffizienten einiger Keramiken in Vergleich
zu Metallen.
Abb. 2.5. zeigt Wärmeleitfähigkeiten einiger Keramiken im Vergleich zu Metallen.
Während der Wärmeleitfähigkeiten von ZrO2-Keramik bei etwa 3 W / (m . K) liegt,
erreichen SiC-Keramiken Werte > 100 W / (m . K). Es sein angemerkt, dass
Aluminiumnitridkeramiken (theoretisch: 320 W / (m . K)) und Beryllliumoxid ( 360 W /
(m . K)) nahezu ebenso hohe Wärmeleitfähigkeiten besitzen wir Kupfer (400 W / (m .
K)).
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Abb. 2.5. Wärmeleitfähigkeiten einiger Keramiken im Vergleich mit Metallen.
Die Eigenschaften von Keramiken hängen ganz wesentlich von ihrem Gefügeaufbau
und somit von der Herstellungstechnologie ab. Dies sei in Abb. 2.6. anhand von drei
verschiedenen Siliciumnitridkeramiken gezeigt (HPSN: heißgepresstes Siliciumnitrid,
SSN: gesintertes Siliciumnitrid, RBSN: reaktionsgebundenes Siliciumnitrid).
Abb. 2.6. Festigkeiten einiger Siliciumnitridkeramiken
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3. Silicatische Rohstoffe zur Keramikherstellung
3.1. Zusammensetzung der Erdkruste
Tab. 3.1. Zusammensetzung der Erdkruste im Vergleich zu Tonmineralien
Erdkruste in Ma % Tonmineralien in Ma %
SiO2 59,1 58,9
Al2O3 15,2 16,7
Fe2O3 3,1 2,8
FeO 3,7 3,7
MgO 3,45 2,6
CaO 5,10 2,2
Na2O 3,71 1,6
K2O 3,11 3,6
H2O 1,30 5,0
TiO2 1,03 0,7
Tabelle 3.1. zeigt die mittlere Zusammensetzung der Erdkruste im Vergleich zu einer
typischen Zusammensetzung eines Tonminerals. Wie man sieht, ist die
Zusammensetzung weitgehend identisch (± 2 %), der prozentual höchste Anteil
entfällt auf SiO2, gefolgt von Al2O3.
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3.2. Natürliche silicatische Rohstoffe
Silicatische Mineralien sind aus SiO4 – Tetraedern aufgebaut. Die Si – O Bindung
besitzt einen Ionenbindungsanteil von ca. 50 %. Die Si – O Bindungslänge beträgt
0,163 ± 0,003 nm. Die Strukturen von silicatischen Mineralien werden aufgrund ihrer
Verknüpfungen miteinander unterschieden. Die Verknüpfungen erfolgen fast
ausschließlich über die Ecken (nicht über Kanten oder Flächen).
3.2.1. Inselsilicate
Die 44SiO − - Tetraeder sind isoliert voneinander, d. h. sind nicht miteinander verknüpft,
sondern über Kationen miteinander verbunden.
Beispiele: Zirkon ZrSiO4
Forsterit Mg2SiO4 – Oliin (Mg,Fe)2SiO4 – Fayalit Fe2SiO4
3.2.2. Gruppensilicate
Die SiO4 – Tetraeder sind über eine Ecke miteinander ([Si2O7]6-) oder aber über zwei
Ecken zu Ringen miteinander verbunden.
Beispiel: Berryll Al2Be3[Si6O18].
Abb. 3.1.: Insel- und Gruppensilicate
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3.2.3. Ketten- und Bändersilicate
Bei Kettensilicaten ist jeder SiO4 – Tetraeder über zwei Ecken mit weiteren SiO4 –
Tetraedern verbunden, ohne jedoch Ringstrukturen auszubilden. Beispiele hierfür
sind Enstatit Mg2[Si2O6] und Ferrosilit Fe2[Si2O6] sowie Mischkristalle hiervon. Diese
Mineralien gehören beide zu den Pyroxenen. Weitere Beispiele sind Diopsit
CaMg[Si2O6] und Wollastonit Ca2[Si2O6].
Bei Bändersilicaten ist im Mittel jeder SiO4 – Tetraeder mit 2.5 weiteren verbunden.
Hierdurch bilden sich Ringstrukturen aus 6 SiO4 – Tetraedern aus. Die Bandstruktur
entspricht zwei parallelen miteinander verbundenen Kettenstrukturen. Beispiele für
Bändersilicate sind Amphibole z. B. Tremolit Ca2Mg3[Si4O11].
Abb. 3.2. links: Kettensilicat; rechts: Bändersilicat.
3.2.4. Blattsilicate
Bei Blattsilicaten ist jeder SiO4 – Tetraeder mit drei weiteren verbunden. Diese
Struktur entspricht der von miteinander verbundenen Ketten, die so eine
zweidimensional unendliche Struktur ausbilden.
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Ein Beispiel hierfür ist Talk Mg(OH)3[Si4O10]. Daneben besitzen zahlreiche
Alumosilicate Blattstruktur, wie beispielsweise Kaolinit Al2O3 . 2 SiO2 . 2 H2O oder
Glimmer. Hierbei sind die SiO4 – Tetraeder zum Teil durch AlO4 – Tetraeder ersetzt.
Abb. 3.3. Zweidimensional unendliche Struktur der Blattsilicate
Bei den Tonmineralien wird zwischen Zweischicht- und Dreischichtmineralien
unterschieden. Zweischichtmineralien bestehen aus zweidimensional unendlichen
Tetraederschichten, deren Spitze alle in dieselbe Richtung weisen (in Abb. 3.4. nach
unten). Die Sauerstoffatome der Spitzen sind in eine darunter liegenden
Oktaederschicht mit einbezogen. Bei den Dreischichtmineralien ist unterhalb der
Oktaederschicht eine weitere Tetraederschicht angeordnet, die mit der Spitze nach
oben zeigt.
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Abb. 3.4. links: Struktur eines Zweischichtminerals; rechts: Struktur eines
Dreischichtminerals
Beispiele für Dreischichtmineralien sind Montmorillonit Al2O3 . 4 SiO2 . H2O. Im
Gegensatz zu Kaolinit kann dieser nahezu beliebige Mengen Wasser zwischen den
Schichten einlagern. Glimmer wie Muskovit K2O . 3 Al2O3 . 6 SiO2 . H2O oder Biotit
K2O . 6 MgO . Al2O3 . 6 SiO2 . 2 H2O sind ebenfalls Dreischichtmineralien. Zwischen
den Schichtpaketen werden Alkalien eingebaut.
3.2.5. Gerüstsilicate
Bei Gerüstsilicaten ist jeder SiO4 – Tetraeder mit vier weiteren verbunden und bildet
somit eine dreidimensionale Struktur aus. Die hierbei gebildeten Strukturen
entsprechen denen der SiO2 – Modifikationen Quarz, Tridymit und Cristobalit, die
jeweils in einer Hoch- und einer Tieftemperaturmodifikation auftreten.
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Abb. 3.5. Hochquarz – Struktur (hexagonal)
Abb. 3.6. Hochtridymit – Struktur (hexagonal)
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Abb. 3.7. Hochcristobalit – Struktur (kubisch)
Die Phasenumwandlung von den jeweiligen Tief- in die Hochtemperatur-
modifikationen erfolgt sehr rasch, da nur geringe displazive Umwandlungen
notwendig sind. Dies ist in Abb. 3.8. exemplarisch für Hoch- und Tiefquarz (trigonal)
gezeigt.
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Abb. 3.8. links: Hochquarz (β – Quarz); rechts: Tiefquarz (α - Quarz)
Die Umwandlung von Quarz in Tridymit und Cristobalit ist mit einer tiefgreifenden
Strukturänderung verbunden. Hierzu ist die Trennung von chemischen Bindungen
und die Knüpfung neuer Bindungen notwendig. Oftmals treten die
Phasenumwandlungen beim Aufheizen stark verzögert und beim Abkühlen gar nicht
auf. Quarz wird fast nie durch Umwandlung von Cristobalit oder Tridymit erhalten.
Abb. 3.9. zeigt ein Phasendiagramm (P – T – Diagramm) von SiO2 mit den
thermodynamisch stabilen Modifikationen. Es sei darauf hingewiesen, dass bei
hohem Druck weitere Modifikationen, Keatit, Coesit und Stishovit stabil sind.
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Abb. 3.9. P – T – Diagramm von SiO2
In Abb. 3.10. sind die Umwandlungstemperaturen der SiO2 – Modifikationen gezeigt.
Die Umwandlungen von β - Quarz in Tridymit erfolgt bei reinem SiO2 nicht.
Stattdessen wandelt sich β - Quarz bei höheren Temperaturen direkt in Cristobalit
um. Beim raschen Abkühlen der Schmelze erfolgt keine Kristallisation und es wird
Kieselglas gebildet.
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Abb. 3.10. SiO2 – Modifikationen unter Normaldruck
Die displaziven Umwandlungen der jeweiligen Hochtemperatur- in die
Tieftemperaturmodifikation ist mit erheblichen Volumenänderungen verbunden. Bei
Quarz beträgt diese 0.8 % (bei 573 °C). Dies wird als „Quarzsprung“ bezeichnet und
führt oftmals zu ausgepräten Gefügeverspannungen. Bei Cristobalit ist dieser
Volumensprung mit 2.8 % noch weit größer. Wird SiO2 durch Kristallisation in β -
Cristobalit überführt, tritt beim Abkühlen bei 270 °C die Umwandlung in α - Cristobalit
ein. Die hohe Volumenänderung führt zu großen inneren Spannungen und zur
Zerstörung des Werkstückes.
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Abb. 3.11. Volumen der SiO2 – Modifikationen als Funktion der Temperatur
Auch bei den Gerüstsilicaten können SiO4 – durch AlO4 – Tetraeder ersetzt werden.
Hierbei trägt der AlO4 – Tetraeder eine negative Ladung, die durch Anwesenheit
eines Kations kompensiert werden muss. Beispiele hierfür sind Feldspäte NaAlSi3O8
(Albit), KAlSi3O8 und CaAl2Si2O8 (Anorthit).
4. Formgebungsverfahren
4.1. Aufbereitung
Keramische Rohstoffe müssen aufbereitet werden um eine keramische Masse
herzustellen, die für den späteren Formgebungsprozess optimal geeignet ist.
Die Hauptforderung ist hierbei zunächst die Homogenität. Hierunter ist zu verstehen:
- homogene Verteilung der Versatzkomponenten
- homogene Verteilung der Korngrößen
- homogene Verteilung der Feuchtigkeit und/oder Additiven.
Zur Aufbereitung von Rohstoffen gehört grobes Zerkleinern, Trocken- oder
Feuchtmahlen. Oftmals schließt sich hierbei eine Klassierung beispielsweise durch
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Windsichten an. Plastische Rohstoffe wie Kaolin werden meist in feuchtem Zustand
verarbeitet.
Bei der ausschließlichen Verwendung nicht plastischer (auch synthetischer)
Rohstoffe werden vielfach organische Additive verwendet, die gewährleisten sollen,
dass die geformte Masse handhabbar ist.
4.2. Allgemeines zur Formgebung
Hierbei soll die keramische Masse in eine Form gebracht werden, die dem späteren
Bauteil bzw. Produkt entspricht. Hierbei ist die Schwindung beim ansschließenden
Trocknen und Sintern zu berücksichtigen. Entsprechend der Geometrie der
herzustellenden Form wird das Formgebungsverfahren gewählt. Eine Übersicht über
verschiedene Formgebungsverfahren ist in Tab. 4.1. gegeben.
Tab. 4.1. Übersicht über gängige Formgebungsverfahren
Typisches Produkt Verfahren
Hohlkörper mit gleichmäßiger
Wandstärke
Kaffeekannen Hohlguss
Körper beliebig komplizierter
Geometrie
Sanitärkeramik Vollguss
kleine Teile aus Oxidkeramik Fadenführer Spritzguss
Rotationssymmetrische Vollkörper Langstabisolatoren Abdrehen
Rotationssymmetrische Körper
geringer Wandstärke
Tassen, Teller Ein- und Überdrehen
plattenförmiger Körper Fliesen, Teller Trockenpressen
Teile gleichmäßigen Querschnitts Mauerziegel, Rohre,
Stäbe
Strangpressen
komplizierte Körper auf
Bohrungen, Gewinden etc.
Formteile für die
Elektrotechnik
Feuchtpressen
kleine Teile hoher Homogenität isostatisches
Pressen
große geometrisch einfache Teile Feuerfeste Steine Einstampfen
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4.3. Schlickergießen
Beim Schlickergießen wird eine gießbare wässrige Suspension (Schlicker) in eine
Gipsform gegossen. Durch die Porosität der Gipsform wird dem Schlickern Wasser
entzogen. Dieser verfestigt sich und setzt sich auf der Gipsform ab. Die Schichtdicke
des „Scherbens“ wächst mit der Zeit.
Da dieser Vorgang diffusionskontrolliert ist (geschwindigkeitsbestimmend ist die
Diffusion von Wasser durch den wachsenden „Scherben“) wächst die Dicke des
Scherbens mit der Wurzel aus der Zeit.
Beim Hohlguss wird der nach Erreichen der gewünschten Wandstärke der Schlicker
wieder ausgegossen. Beim Antrocknen schwindet der Scherben von der Form ab
und löst sich. Beim Vollguss wird laufend Schlicker nachgegossen damit schließlich
ein massives Werkstück erhalten werden kann.
Beim traditionellen Schlickerguss zur Herstellung von Silicatkeramik (meist
Porzellan) wird ein wässriger Schlicker mit ca. 25 % Wasserzusatz verwendet. Beim
Schlickerguss zur Herstellung von Oxid- oder Nichtoxidkeramiken werden zahlreiche
organische Additive verwendet. Ein Spezialverfahren wird hier bei der Herstellung
von Substraten für die Elektrotechnik (doktor – blade – Verfahren) angewandt.
4.4. Pressen
Pressen ist ein Formgebungsverfahren, bei dem Pulver unter Druck verdichtet wird.
Man unterscheidet hier zwischen Nasspressen (8 – 15 % Wasser) und
Trockenpressen (0 – 4 % Wasser). Zur Verminderung der Reibung am
Presswerkzeug wird der Masse oftmals etwas Mineralöl zugegeben. Eine
gleichmäßige Druckverteilung ist hier Voraussetzung für eine gleichmäßige
Verdichtung. Beim isostatischen Pressen wird das Pulver in eine Kautschukform
gefüllt und anschließend in einen mit Öl gefüllten Druckbehälter eingebracht.
Hierdurch wird ein von allen Seiten gleichmäßiger Pressdruck erzeugt.
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Beim Strangpressen verwendet man einen Extruder, der die keramische Masse
durch ein Formstück drückt. Auf diese Weise werden Mauerziegel, Rohre und
Stangen hergestellt. Bei der Verwendung nichtplastischer Rohstoffe sind größere
Mengen an organischen Additiven erforderlich.
Noch höhere Konzentrationen an organischen Additiven (Thermoplasten) werden
beim Spritzguss verwendet. Hier wird die keramische Masse unter hohem Druck in
eine Stahlform gespritzt. Der Rohling muss anschließend sorgfältig getrocknet und
von organischen Bestandteilen befreit werden.
4.5. weitere Verfahren
Zur Herstellung von Langstabisolatoren wird ein dicker zylinderförmiger Körper
(Hubel) durch Strangpressen hergestellt. Nach dem Antrocknen wird ein lederharter
Zustand erreicht. Dann wird der Hubel auf einer Drehbank ähnlichen Maschine quasi
spanabhebend bearbeitet und ein rotationssymmetrischer Rohling hergestellt. Dieses
Verfahren nennt man Abdrehen.
Heißpressen und Heißisostatisches Pressen sind keine Formgebungsverfahren im
engeren Sinne, da sie bei Temperaturen durchgeführt werden, bei denen
Verdichtung durch Sinterprozesse erfolgt.
5. Herstellung von Porzellan
5.1. Keramische Masse
Bei der Herstellung von Porzellan wie auch bei allen anderen Silicatkeramiken geht
man von natürlichen Rohstoffen aus.
Bei Hartporzellan sind dies:
25 % Quarz (Sand), 25 % Feldspat, 50 % Kaolin.
Die Rohstoffe werden aufbereitet und mit der für das jeweilige
Formgebungsverfahren erforderlichen Menge Wasser angerührt. Der strukturelle
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Aufbau des Kaolinits verleiht diesem plastische Eigenschaften. Nach der
Formgebung erfolgt die Trocknung.
5.2. Trocknen
Wasser liegt in keramischen Massen in verschiedener, unterschiedlich stark
gebundener Form vor.
1. Hüllenwasser
Die einzelnen Kaolinitplättchen werden von einer Wasserhülle
umgeben.
2. Porenwasser
Dieses befindet sich zwischen den Kaolinitplättchen bzw. in den Poren
zwischen den Pulverpartikeln.
3. Adsorptionswasser
Dies ist das unmittelbar an der Oberfläche der Teilchen adsorbierte
Wasser.
4. Zwischenschichtwasser
Tritt nur bei Dreischichtmineralien auf (siehe Kap. 3.2.4.)
5. Kristallwasser
Die Kristallstruktur von Tonmineralien (beispielsweise Kaolinit) enthält
Wasser in gebundener Form als OH- - Gruppen.
Abb. 5.1. zeigt thermogravimetrische Analysen verschiedener Schichtmineralien.
29
Abb. 5.1. 1: Montmorillonit, 2: Halloysit, 3: Illit, 4: Fire Clay, 5: Kaolinit, 6: Illit,
7: Muskovit.
Bei allen Tonmineralien ist eine Gewichtsabnahme bei ca. 100 °C zu verzeichnen,
dies entspricht dem Entweichen von Hüllen- und Porenwasser. Weiterhin ist eine
Gewichtsabnahme bei hoher Temperatur zu verzeichnen (400 – 900 °C), die stark
abhängig vom jeweiligen Tonmineral ist. Muskovit ist kein Tonmineral sondern ein
Glimmer.
Bei Montmorillonit als Dreischichtmineral ist der Gewichtsverlust bei 100 °C
besonders ausgeprägt, da zusätzlich zum Hüllen- und Porenwasser auch das
Zwischenschichtwasser entweicht.
Abb. 5.2. zeigt Differenzthermoanalysen einiger Schichtmineralien. Bei ca. 100 °C ist
ein starker endothermer Peak zu verzeichnen, der dem Entweichen von Hüllen-,
Poren-, und Zwischenschichtwasser entspricht. Weitere endotherme Vorgänge, die
mit dem Entweichen von Wasser verbunden sind, finden bei höherer Temperatur
statt. Bei einigen Mineralien treten bei noch höherer Temperatur exotherme Peaks
auf, die der Umwandlung von thermodynamisch instabilen Phasen entsprechen
30
(Phasenumwandlungen bei währendem Gleichgewicht sind beim Aufheizen immer
endotherm !)
Abb. 5.2. Differenzthermoanalysen einiger Schichtmineralien
Beim in der keramischen Technologie angewandten Trocknungsprozess werden
Hüllen-, Poren- und Zwischenschichtwasser entfernt, nicht jedoch das
Adsorptionswasser, (nötige Temperaturen > 300 °C) und das Kristallwasser. Von
besonderer Bedeutung ist die Entfernung des Hüllenwassers, da dies zu einer
Volumenkontraktion des Wasserfilms zwischen den Tonmineralteilchen führt und
diese stärker zusammenrücken können.
Abb. 5.3. zeigt ein sogenanntes Bourry – Diagramm für die Trocknung von
Tonmineralien. Es lassen sich drei Abschnitte erkennen. In Abschnitt I wird
ausschließlich Hüllenwasser abgegeben. Die Volumenabnahme entspricht der
abgegebenen Wassermenge. In Abschnitt II, verläuft die Schwindung nicht mehr
proportional zur Wasserabgabe, es bilden sich somit bereits Poren. In Abschnitt III ist
das Hüllenwasser bereits vollständig abgegeben, es tritt keine weitere Schwindung
ein, aber es entweichen noch größere Mengen an Porenwasser.
31
Abb. 5.3. Bourry – Diagramm
Die kritischen Phasen der Trocknung sind nur die Abschnitte I und II, da nur diese
mit Schwindung verbunden sind. Ungleichmäßige Trocknung führt zu
ungleichmäßiger Schwindung, dem Auftreten von Spannungen und schließlich zur
Bildung von Rissen. Der Trocknungsprozess muss daher so geführt werden, dass
die Wasserabgabe und die Schwindung im ganzen Volumen gleichmäßig erfolgt. Um
dies zu Erreichen, können die Trocknungsparameter Temperatur und Luftfeuchtigkeit
wie folgt gesteuert werden: eine höhere Temperatur beschleunigt sowohl die
Diffusion des Wassers im Trockengut als auch die Abdampfrate von Wasser von der
Oberfläche. Durch eine Erhöhung der Luftfeuchtigkeit kann die Abdampfrate
vermindert werden.
Optimale Bedingungen zu Beginn des Trocknens sind hohe Luftfeuchtigkeit und
hohe Temperatur (aber < 100 °C), am Ende des Trocknungsprozesses hohe
Temperaturen und niedrige Luftfeuchtigkeit.
In der keramischen Industrie wird heute im allgemeinen in Gegenstromtrockenöfen
getrocknet. Hierbei wird auf der einen Seite heiße trockene Luft (aus dem Brennofen)
in den Trockentunnel eingeleitet. Das Trockengut wird in Gegenrichtung durch den
32
Trockentunnel gefahren. Die Luft nimmt zunehmend Luftfeuchtigkeit auf und kühlt
sich dabei ab. Zu Beginn des Trocknungsprozess umstreicht daher feuchte warme
Luft das Trockengut.
5.3. Brennen
Nach dem Trocknen hat der Formkörper eine ausreichende Festigkeit um ihn
handhaben zu können. Die endgültige Verfestigung erfolgt beim Brennen. Die
Temperatur muss hierbei ausreichend hoch sein um eine Verfestigung
herbeizuführen, darf aber nicht so hoch sein, dass eine Deformation des
Formkörpers eintritt. Diesen Prozess nennt man Sintern. Es tritt hierbei eine
Abnahme der Porosität, eine Erhöhung der Dichte sowie eine (Sinter-) Schwindung
ein. Für das Sintern sind je nach den verwendeten Rohstoffen unterschiedliche
Mechanismen maßgeblich.
Man unterscheidet zwischen
1. Sintern von kristallinen Phasen
ohne Auftreten von Flüssigphasen
2. Sintern einer einheitlichen nichtkristallinen Phase
(Bsp.: Sintern von Glaspulver)
3. Sintern unter Auftreten einer festen und einer flüssigen Phase
(meist mit chemischen Reaktionen zwischen den Phasen)
Für das Brennen von Porzellan ist der Mechanismus III maßgeblich. Trotzdem sollen
die anderen Mechanismen an dieser Stelle beschrieben werden, da sie zum
grundsätzlichen Verständnis von Sinterprozessen erforderlich sind.
33
5.3.1. Sintern von kristallinen Phasen
Die Triebkraft für Sinterprozesse ist stets die Verringerung der Oberflächen- bzw.
Grenzflächenenergie. Der Sinterprozess von kristallinen Phasen wird in drei Bereiche
geteilt:
- Frühbereich
- Hauptbereich
- Spätbereich
Frühbereich
Die vom Formgebungs- und Trocknungsprozess vorhandenen Spannungen werden
abgebaut. Die Pulverteilchen bilden an den Berührungsstellen Brücken aus.
Hierdurch kann die Oberflächenenergie effektiv vermindert werden. Der hierzu
notwendige Stofftransport wird durch Diffusion im Volumen oder an der Oberfläche
ermöglicht.
Hauptbereich
Die Materialbrücken werden größer, es tritt gleichzeitig Verdichtung ein. Zunächst
entsteht eine offene Porosität, die im Laufe des Sinterprozesses geschlossen wird
(die Poren sind nicht mehr miteinander verbunden). Schließlich werden die
geschlossenen Poren immer kleiner. Hierzu ist auch die Diffusion des Blaseninhalts
nach außen erforderlich (das geschieht bevorzugt entlang der Korngrenzen, da hier
die Diffusionsgeschwindigkeit größer ist. Gleichzeitig findet Kristallwachstum statt.
Für die Kristallitwachstumsgeschwindigkeit gilt:
( )r0
dr 1 1cdt rr t
= − (5.1.)
mit c = Radius der Teilchen (Kugel), r0 = mittlerer Teilchenradius, cr = Konstante
(T – abhängig).
34
Für die Porenschwindung gilt:
2p
ds c /sdt
= − (5.2.)
mit s = Porenradius, cp = Konstante (T – abhängig)
Spätbereich
Es sind nur noch geschlossene Poren vorhanden, die entweder auf Kosten kleinerer
wachsen (Diffusion des Poreninhalts von den kleinen in die großen Poren) oder ganz
verschwinden (Diffusion nach außen). Die meisten Poren befinden sich innerhalb der
Körner, was eine beschleunigte Diffusion des Poreninhalts entlang der Korngrenzen
verhindert. Das Kristallwachstum schreitet fort. Mitunter tritt Riesenkornwachstum
ein, was sich meist negativ auf Werkstoffeigenschaften auswirkt.
Üblicherweise tritt während des Sintervorgangs eine Verdichtung auf 95 – 100 % der
theoretischen Dichte ein.
5.3.2. Sintern einer nichtkristallinen Phase
Im Prinzip können auch hier die drei in 5.3.1. beschriebenen Bereiche unterschieden
werden. Naturgemäß spielt Kristallwachstum hier keine Rolle, da nur eine amorphe
Phase vorliegt. Solange Poren groß sind und eingeschlossene Gase keine Rolle
spielen, erfolgt die Verdichtung durch viskoses Fließen. Der Porenradius nimmt
gemäß Gleichung 5.3. ab.
ds 3dt 10
σ= −η
(5.3.)
mit η = Zähigkeit, σ = Oberflächenspannung.
Die kleinen Poren mit eingeschlossenen Gasen ist auch hier die Ausdiffusion der
Gase geschwindigkeitsbestimmend.
35
5.3.3. Sintern unter Auftreten fester und flüssiger Phasen
Zwischen den Teilchen befindet sich eine Flüssigphase. Ist die Benetzung gut, dringt
diese in die Hohlräume ein und umhüllt die Teilchen auch wenn sie in nur geringen
Mengen vorhanden ist. Der Transport geschieht durch Lösungs- und
Ausscheidungsvorgänge, durch viskoses Fließen sowie durch
Festkörpersintervorgänge.
Beim Sintern von Silicatkeramiken treten oft große Mengen an Flüssigphasen auf,
die den Sinterprozess ganz wesentlich beeinflussen. Das Sintern von Porzellan
verläuft wie folgend:
- zunächst wandelt sich bei ca. 650 °C Kaolinit in Metakaolinit um
650 C2 3 2 2 2 3 2 2Al O 2SiO 2H O Al O 2SiO 2H O°→⋅ ⋅ ⋅ +
Kaolinit Metakaolinit
Hierbei wird die plättchenförmige Morphologie des Kaolinits beibehalten
- bei ca. 950 °C wandelt sich das Metakaolinit in Mullit und amorphes SiO2 um
( ) 9 5 0 C2 3 2 2 3 2 23 Al O 2SiO 3Al O 2SiO 4SiO°⋅ → ⋅ +
Metakaolinit Mullit amorph
Gleichzeitig schmilzt der Feldspat auf. Die Schmelze löst etwas amorphes
SiO2 auf. Hierdurch erhöht sich der SiO2 – Gehalt der Schmelze und hierdurch
auch deren Viskosität. Die gebildeten Mullitkristalle besitzen im Wesentlichen
die gleiche Morphologie wie die Kaolinitplättchen, aus denen sie entstanden
sind.
- bei weiterer Erhöhung der Temperatur wird zunächst das amorphe SiO2
aufgelöst. Später wird auch der Sand und wesentliche Teile des Mullits
aufgelöst. Bei 1400 °C, der maximalen Brenntemperatur liegen 90 – 95 % als
Schmelze vor. Durch die kontinuierliche Konzentrationszunahme an SiO2 und
36
Al2O3 in der Schmelzphase erhöht sich ihre Viskosität der Schmelze stark und
die Form des Werkstücks bleibt erhalten.
Beim Abkühlen der Schmelze treten Kristallisationsprozesse auf. Hierbei wird
nadelförmiger Mullit erhalten (Nadel- oder Sekundärmullit). Bei Zimmertemperatur
sind etwa 40 % kristalline Phase (Sekundärmullit, Schuppen- (oder Primär-) Mullit
sowie Quarz festzustellen. Der Rest bildet eine Glasphase.
5.4. Abwandlungen beim Werkstoff Porzellan
Abbildung 5.4. zeigt ein (Pseudo-) Dreistoffsystem Quarz, Feldspat, Tonmineral. Je
nach Variation der keramischen Masse, werden Steinzeug, Steingut, Hart- oder
Weichporzellan erhalten. Dentalkeramik enthält hauptsächlich Feldspat, Porzellan für
chemisch-technische Anwendungen enthält in der keramischen Masse wesentlich
höher Anteil an Tonmineralien.
weitere Abwandlungen:
- Tonerdeporzellan:
Hier ist ein Teil des Quarzes durch Al2O3 ersetzt. Hierdurch werden erhöhte
Festigkeiten erhalten, allerdings geht die Transluzenz verloren.
- Knochenporzellan:
Hier wird ein hoher Anteil an Knochenasche als Rohstoff verwendet. Der
anorganische Bestandteil des Knochens ist in erster Näherung Hydroxylapatit
Ca5(PO4)3(OH). Knochenporzellan ist hoch transluzent und wird als Geschirr-
und Zierkeramik verwendet (Bone China).
37
Abb. 5.4. Pseudo-Dreistoffsystem Quarz, Feldspat und Tonmineral.
38
6. Elektrokeramik
Elektrokeramik ist ein sehr weites Gebiet. Hierzu gehören:
- Isolationskeramik
- Kondensatorkeramik
- Piezokeramik
- elektronenleitende Keramik
- ionenleitende Keramik
- keramische Supraleiter
- Varistoren
Die Einteilung geschieht zumeist nach den Hauptanforderungen, die für die
betreffende Keramik bestehen. Daneben gibt es aber noch weitere Anforderungen.
Beispielsweise sind für die Isolationskeramiken neben dem Isolationswiderstand
auch die relative Dielektrizitätskonstante sowie die Festigkeit von Bedeutung.
6.1. Isolationskeramik
Das Hauptkriterium für den Einsatz verschiedener Isolationskeramiken ist die
anliegende Spannung.
Hierbei wird unterschieden:
Hochspannung > 1 kV - Höchstspannung: 220, 380 kV
- Hochspannung: 110 kV
- Mittelspannung: 10, 20 kV
Niederspannung - Drehstrom 380 V
- Wechselstrom 220 V
- Gleichstrom 12 / 24 V
Das öffentliche Netz wird in Deutschland mit 50 s-1, bei der Bahn mit 16 2/3 s-1
(15 kV) betrieben.
39
Stromtransport über weitere Strecken führt in Deutschland außerhalb von
Ortschaften üblicherweise durch Freileitungen statt.
Hierbei werden die Leitungen mit den Hochspannungsmasten durch
Langstabisolatoren verbunden. Üblicherweise hängt eine Leitung an mehr als einem
Isolator. Hierbei treten verschiedene Verluste auf:
1. Gleichstromverluste
der Widerstand ist nicht unendlich hoch, eine gewisse Ionenleitfähigkeit
ist in der Keramik vorhanden
2. Dielektrische Verluste
verursacht durch nicht unendlich kleine Kapazität der
Langstabisolatoren
3. Oberflächenkriechströme
diese sollen durch Bauform vermieden werden und durch die Glasur auf
einen gewissen Wert eingestellt werden
Bei Erdverlegung von Hochspannungsleitungen treten hohe kapazitive Verluste auf.
6.1.1. Isolatoren aus Silicatkeramik
Herstellung von Langstabisolatoren
1. keramische Masse: Tonerdeporzellan
2. Formgebung: Extrudieren, anschließendes Abdrehen der Hubel
3. Trocknen
4. Tauchglasieren
5. hängend brennen
6. Anzementieren der Armaturen
40
Die Glasur ist halbleitend und hat folgende Zusammensetzung:
5 % CaO, 1.5 % MgO, 2 % K2O, 1.2 % Na2O, 8 % Al2O3, 72 % SiO2,
10 % Farboxide (Cr2O3, Fe2O3, MuO2)
Die nach oben gewölbten Rippen der Langstabisolatoren sollen verhindern, dass
sich durchgehende Feuchtigkeitsfilme (auch in Verbindung mit Pflanzenbewuchs)
bilden können. Die halbleitende Glasur soll bewirken, dass ein gewisser Stromfluss
über der Oberfläche stattfindet, der ein Abtauen eventueller Eisschichten ermöglicht.
Die keramische Masse setzt sich wie folgt zusammen:
Tonmineral 40 – 60 %, Feldspat 18 – 28 %, Quarz 10 – 20 %, Al2O3 10 – 30 %
Langstabisolatoren erfüllen die Norm KER 118 und werden bei 1420 °C gebrannt, als
kristalline Phasen treten auf: Mullit, Korund, Quarz sowie Glasphase.
Tonerdeporzellan ist wesentlich fester als Hartporzellan (Biegefähigkeit: 190 MPa,
gegenüber 60 MPa bei Hartporzellan). Dies ist wesentlich für den Einsatz als
Langstabisolatoren, da die mechanische Belastung zuweilen (z. B. Eisregen,
Windlast) beträchtlich ist.
Für den Niederspannungsbereich wird üblicherweise kein Tonerdeporzellan
verwendet, hier ist Steatit neben Polymeren (PVC) gebräuchlich. Typische Bauteile
aus Steatit sind Steckersätze, Heizleiterträger, Schutzrohre, auch für den Einsatz bei
mäßig hohen Temperaturen ≤ 600 °C. Steatit wird hergestellt aus Speckstein
2 23MgO 4SiO H O⋅ ⋅ unter Zugabe von 10 % Ton und 8 % BaCO3 (KER 220, KER
225). Die Masse ist gut formbar und erlaubt feine Strukturen durch Feuchtpressen
herzustellen. Die Brenntemperatur beträgt 1350 – 1370 °C. Die Keramik enthält
keine Poren, etwa 70 – 80 % Enstatit (MgO . SiO2) als kristalline Phase, daneben 20
– 30 % Glasphase.
41
6.1.2. Aluminiumoxid als Isolationskeramik
Auch für den Niederspannungsbereich, aber auch für den Einsatz bei hohen
Temperaturen (bis 1600 °C) wird Al2O3-Keramik verwendet. Dies weist neben hoher
Festigkeit und höher Wärmeleitfähigkeit einen sehr hohen spezifischen Widerstand
auf. Tab. 6.1. zeigt einige Materialkenngrößen der Isolationskeramiken
Tonerdeporzellan, Steatit und Aluminiumoxid.
Tab. 6.1. Einige Materialkenngrößen von Isolationskeramiken
Porzellan Steatit Aluminiumoxid
Biegefestigkeit in MPa 190 150 400
Zähigkeit MN . m-3/2 1.5 – 2 1.5 – 2 2 – 5
Spez. Elektr. Widerstand Ω cm 1011 5 . 1011 1012
Wärmeleitfähigkeit W/(m . K) 2.8 – 4.6 2 – 4 25 – 35
Al2O3-Keramik ist wesentlich aufwendiger herzustellen als Tonerdeporzellan oder
Steatit und ist entsprechend teurer. Außer für Hochtemperaturanwendungen wird es
heute hauptsächlich für Substrate und Gehäuse in der Mikroelektronik verwendet.
Gehäuse sind schützende Einbettungen für Chips aus Silicium-Einkristallen. Sie
haben außer der schützenden Wirkung die Aufgabe zu isolieren, und auch die an
den Chips anfallende Wärme abzutransportieren. Die allgemeinen Anforderungen an
Substratmaterialien sind:
1. hoher Widerstand
2. niedrige relative Dielektrizitätskonstante
3. niedriger Verlustfaktor
4. hohe mechanische Festigkeit
5. hohe Wärmeleitfähigkeit
6. hohe Temperaturwechselbeständigkeit
7. keine strahlenden Komponenten
40 K ist γ - Strahler (natürliche Häufigkeit 0.012 %)
daher Kalium freie Rohstoffe
42
8. gute Metallisierbarkeit
9. hohe Maßhaltigkeit
All diese Anforderungen werden von Aluminiumoxidkeramik gut erfüllt. In einigen
Punkten, insbesondere der Wärmeleitfähigkeit gibt es jedoch andere Keramiken
(Aluminiumnitrid, Berylliumoxid) die Aluminiumoxidkeramik weit überlegen sind.
Die Eigenschaften von Aluminiumoxidkeramiken hängen aber stark von der in der
vorhandenen Glasphase ab. Während hochreines Al2O3 höchste Festigkeit (~ 450
MPa), niedrigste relative Dielektrizitätskonstante und höchste Wärmeleitfähigkeit (~
35 W / (m . K) aufweist, werden die Eigenschaften mit zunehmenden
Glasphasenanteil zunehmend schlechter.
Für die Herstellung von Substraten und Gehäusen werden meist Keramiken mit ca.
94 % Al2O3 verwendet; die restlichen 6 % sind Glasphase.
Herstellung von Substraten
Typische Substrate für die Mikroelektronik haben Abmessungen von 5.08 cm x 5.08
cm und sind 0.63 mm dick. Zu ihrer Herstellung wird zunächst ein Gießschlicker
hergestellt. Eine typische Zusammensetzung hierfür ist:
1. keramisches Pulver (ca. 50 %)
2. Lösemittel: Ethanol und Propanol
3. Plastifizierer: Octylphtalat
4. Binder: Hydroxypropylcellulose
5. Entflockungsmittel: Triton X oder Brij etc.
6. Netzmittel: Polyglycole
7. Fischöl (Menhadenöl)
Heute werden auch in zunehmendem Maße wässrige Schlicker verwendet, die
allerdings wesentlich aufwendiger zu optimieren sind. Eine typische
Zusammensetzung eines wässrigen Schlickers ist:
43
1. keramisches Pulver (ca. 50 %)
2. Lösemittel: Wasser
3. Plastifizierer: Glycerin, Glycol
4. Binder: Acryl-Polymere
5. Entflockungsmittel: Na – Cl Arylsulfonsäure
6. Netzmittel: Octylphenoxyethanol
Die genaue Zusammensetzung von Schlickern muss auf das jeweils verwendete
Pulver genau abgestimmt sein. Hier spielt die Korngröße, Korngrößenverteilung und
auch die Oberflächenchemie der Pulver eine entscheidende Rolle. Im Allgemeinen
gilt hier: je feiner das Pulver, umso höher muss der Anteil an Netzmitteln und
Entflockungsmitteln sein.
Folien ziehen
Der hergestellte Schlicker ist gießfähig. Er wird nach dem sog. Doktor-Blade-
Verfahren zu einer keramischen Folie verarbeitet. Hierbei wird der Schlicker (siehe
Abb.) mit Hilf einer Doppelschneiden-Ziehvorrichtung auf ein Stahlband aufgetragen.
Anschließend durchläuft das Band eine Trockenstrecke, innerhalb derer ein Grossteil
der Lösemittel entweicht.
Abb. 6.1. Doktor-Blade-Verfahren zur Herstellung von keramischen Folien
44
Nach erfolgter Trocknung wird die keramische Folie vom Stahlband abgelöst. Es
befindet sich dann in einem elastischen und handhabbaren Zustand. Anschließend
wird die Folie geschnitten und mit Löchern versehen, was heute größtenteils unter
Verwendung von CO2 - Lasern geschieht. Anschließend wird die Folie oft unter
Wasserstoff bei ca. 1600 °C gebrannt. Die weitere Bauteilfertigung schließt sich dann
an.
Werden Gehäuse gefertigt, schließt sich an das Schneiden und Lochen der Folien
zunächst ein Metallisierungsschnitt an. Bei ihm werden mit Hilfe von
Siebdrucktechniken sog. Pasten aufgedruckt. Diese Pasten bestehen aus
Refraktärmetallpulver (W oder Mo / Mn) und Siebdrucköl von druckbarer Konsistenz.
Nach dem Bedrucken werden die Folien laminiert. Hierbei werden bis zu 48 Folien
aufeinandergelegt und passgenau bei 150 bis 200 °C verpresst. Hierbei wird der
Binder weich und die Folien werden somit über die organische (thermoplastische)
Phase miteinander verbunden. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf
Durchführungen zu legen. Hierbei verläuft eine Leiterbahn von der Oberfläche durch
sie hindurch und kontaktiert die Leiterbahn auf der darunter liegenden Folie.
Hierdurch können dreidimensionale Zuführungen aufgebaut werden.
Herstellung von Gehäusen
1. Herstellung des Gießschlickers 2. Herstellung der keramischen Folie durch das Doktor-Blade-Verfahren 3. Ablösen der Folie vom Stahlband 4. Schneiden und Lochen der Folie mit Hilfe von CO2 – Lasern 5. Bedrucken der Folien mit Hilfe mit Pasten
(die Pasten bestehen aus ca. 90 % Metallpulver + 10 % Glaspulver) 6. Laminieren der Folien 7. Brennen der Folien unter Wasserstoff 8. weitere Bauteilfertigung
45
Das Brennen von mit Refraktärmetallen bedruckten Folien muss stets zur
Vermeidung von Oxidation unter Wasserstoff erfolgen.
Die weitere Bauteilfertigung beinhaltet die Montage der Silicium-Chips, das Bonden
(Gold-Draht) des Substrates mit dem Chip, das Aufbringen und Verfügen des
Deckels, das Anbringen der Füßchen sowie das Kapseln in Polymeren.
6.1.3. Weitere Substratmaterialien
Durch die zunehmende Komplexität von Halbleiterbauelementen nimmt die Dicke der
Leiterbahnen ab und ihre Gesamtlänge auf dem Chip zu. Hierdurch steigt die
Wärmeproduktion im Halbleiterbauelement. Zunächst muss die Bildung von „Hot –
Spots“ im Halbleiter unterbunden werden, indem die Wärme auf das Substrat
übertragen und von diesem abgeführt wird. Weiterhin soll auch die gesamte
Wärmeproduktion auf das Substrat übertragen und abgeführt werden. Für manche
Anwendungen ist die Wärmeleitfähigkeit von Aluminiumoxid hierfür nicht
ausreichend. Weitere Anforderungen an ein ideales Substratmaterial sind hierbei:
- möglichst hohe Wärmeleitfähigkeit
- Ausdehnungskoeffizient ähnlich dem von elementarem Silicium.
Als Keramiken mit hoher Wärmleitfähigkeit kommen vor allem Berylliumoxid und
Aluminiumnitrid in Frage. Die an sich idealen Werkstoffe, Diamant und kubisches
Bornitrid sind thermodynamisch bei Normaldruck nicht stabil, entsprechend
aufwendig herzustellen und somit teuer. Die theoretische Wärmeleitfähigkeit von
Diamant (1000 W / (m . K), höchste Wärmleitfähigkeit überhaupt), Berylliumoxid (360
W / (m . K), Aluminiumnitrid (320 W / (m . K) sind entscheidend höher als die von
Aluminiumoxidheramik (17 – 35 W / (m . K)).
46
Wärmeleitfähigkeit von Werkstoffen, man unterscheidet:
- Wärmetransport durch Elektronen
(Wärmetransport proportional zur elektrischen Leitfähigkeit)
Bsp.: Silber: 480 W / (m . K)
- Wärmetransport durch Phononen (Gitterschwingungen)
ideal: feste kovalente Bindungen
kleine leichte Atome
einfacher Bindungstyp
- Wärmetransport durch Strahlung
(nur bei höheren Temperaturen maßgeblich)
- Wärmetransport durch Konvektion
(spielt zuweilen bei porösen Werkstoffen eine gewisse Rolle)
Substratwerkstoff Aluminiumnitrid
Herstellung und Bearbeitung von Berylliumoxidkeramik sind mit enormen
gesundheitlichen Risiken bzw. enormen Sicherheitsauflagen verbunden.
Berylliumoxid wird daher in Europa heute nicht mehr hergestellt.
Bei Aluminiumnitridkeramik ist ein allgemeines Problem, dass diese bei weitem nicht
die theoretisch berechnete Wärmeleitfähigkeit von 320 W / (m . K) aufweist. Dies ist
auf „Phononenstreuung“ zurückzuführen. Im Prinzip kann die phononische
Wärmeleitfähigkeit eines Festkörpers durch folgende Effekte gegenüber der
theoretisch berechneten vermindert sein:
- Auftreten von Fremdphasen niedriger Wärmeleitfähigkeit
- Korngrenzen
- Liniendefekten (Versetzungen)
- Punktdefekten
47
Nichtoxidkeramiken enthalten mehr oder weniger hohe Mengen an oxidischen
Verunreinigungen, die im Prinzip als Fremdphasen, Linien- oder Punktdefekte
eingebaut sein können, oder an den Korngrenzen konzentriert auftreten können.
Wird in ein Aluminiumnitridgitter Sauerstoff eingebaut, so geschieht dies, auf
Stickstoffplätzen. Dies bedeutet, dass für ein dreifach negativ geladenes Anion (N3-),
ein doppelt negativ geladenes Anion (O2-) eingebaut wird. Da die
Elektronenneutralität erfüllt sein muss, werden gleichzeitig Kationenleerstellen
geschaffen, für drei eingebaute O2- entsteht eine Kationenleerstelle. Das Fehlen
einzelner Kationen im Wurzitgitter des Aluminiumnitrids führt zu einer drastischen
Abnahme der Wärmeleitfähigkeit, da die Gitterschwingungen hier effektiv gestreut
werden. Andere Defekte haben bei geringen Mengen an eingebautem Sauerstoff
vergleichsweise geringen Einfluss auf die Wärmeleitfähigkeit.
Herstellung von Aluminiumnitridkeramik
Die chemischen Bindungen in Aluminiumnitrid sind stark und kovalent. Entsprechend
niedrig ist – wie bei allen Nichtoxidkeramiken – die Beweglichkeit. Entsprechend
schwierig gestaltet sich der Sintervorgang. Aluminiumnitrid kann – wie alle Nichtoxide
– ohne Additive oder Anwendung von Druck – aus konventionellen Pulvern nicht
dicht gesintert werden.
48
Eigenschaften und Herstellung von Nichtoxidkeramiken
wichtige Nichtoxidkeramiken sind: SiC, Si3N4, AlN, BN und B4C
Bindungstyp: stark und kovalent
Thermisches Verhalten: kein Schmelzpunkt (bei Normaldruck)
Sublimieren
Thermodynamisch an Luft nicht stabil
Sintern: schwierig ohne Additive und Druck aus konventionellen
Pulvern
- Verwendungen von Additiven
- Heißpressen
- Verwendung hochaktiver Pulver
Pulver: müssen synthetisch hergestellt werden
Carbothermische Verfahren:
x x / 2MO xC xCO MC+ → +
Direktsynthesen
x / 2
2 2x /3
M x/2C MCM x/3N MN
+ →+ →
Eigenschaften (bis auf BN): - hohe Härte
- hohe Festigkeit
(auch bei hohen Temperaturen)
- hohe Abriebbeständigkeit
Bei der Herstellung von Aluminiuminitridkeramik wird folgende Strategie verfolgt: es
werden Oxide zwei- oder dreiwertiger Metalle zugegeben (CaO, MgO, Y2O3 oder
La2O3). Diese bilden mit den oxidischen Verunreinigungen (formal: Al2O3)
Flüssigphasen, in denen in begrenztem Umfang auch Aluminiumnitrid löslich ist. Das
49
Auftreten von Flüssigphasen, beispielsweise der Zusammensetzungen CaO . x Al2O3
oder Y2O3 . x Al2O3 ermöglicht eine effektive Sinterung über Lösungs- und
Abscheidungsvorgänge und somit eine schnelle Verdichtung. Gleichzeitig reichern
sich die Sauerstoffverunreinigungen in der Flüssigphase an und werden somit aus
dem Inneren der Körner entfernt, was zu einer Abnahme der Punktdefekt–
Konzentration führt. Nach dem Abkühlen der Keramik werden die entstandenen
oxidischen Phasen an den Korngrenzen oder in den Zwickeln
(Yttriumaluminiumgranat, Calciumaluminate) konzentriert. Die auf diese Weise
erzielbaren Wärmeleitfähigkeiten liegen bei bis zu 200 W / (m . K)
Eigenschaften und Herstellung von Aluminiumnitridkeramik
Wärmeleitfähigkeit: 100 – 200 W / (m . K)
Spezifischer Widerstand: 1013 Ω cm
Biegefestigkeit: 350 – 450 MPa
Sauerstoffgehalt: 1 – 2 Ma %
Sinteradditive (CaO, Y2O3) 1 – 4 Ma %
Sintertemperatur : 1800 – 1850 °C
Der Sinterprozess von AlN – Keramik wird üblicherweise in Graphitöfen bei 1800 –
1850 °C unter Stickstoffatmosphäre durchgeführt. Durch Anwesenheit von Graphit
als „Sauerstoffgitter“ wird der Sauerstoffpartialdruck der Sinteratmosphäre drastisch
herabgesetzt. Zu Vermeidung der Absublimation von AlN werden die Rohlinge in AlN
– Pulver eingebettet.
6.2. Kondensatorkeramik
6.2.1. Allgemeines über Kondensatoren
Die Kapazität eines Plattenkondensators C hängt von der relativen
Dielektrizitätskonstante εr, der Größe der Platten A und deren Abstand d ab.
50
r 0
AC
d= ε ⋅ ε ⋅
Die Temperaturabhängigkeit von εr wird durch ihren Temperaturkoeffizienten TKε
gekennzeichnet. TKε ist oftmals nicht im gesamten interessierenden
Temperaturbereich konstant.
r
r
1 dTK
dTε
ε = ⋅ε
Bei einem idealen Kondensator tritt zwischen Strom und Spannung eine
Phasenverschiebung von 90 ° auf. Bei einem realen Kondensator ist die beobachtete
Phasenverschiebung (90° - δ). Hierbei ist δ der Verlustwinkel, der zumeist als tan δ
angegeben wird. Bei Einführung einer komplexen Dielektrizitätskonstante i′ ′′ε = ε + ε
ist tan δ = /′′ ′ε ε . Der Verlustwinkel δ (bzw. tan δ) ist eine wichtige Kenngröße für
Dielektrika.
Typen von Kondensatoren
- Verstellbare: - Drehkondensatoren Metall
- Trimmerkondensatoren Keramik
- Festkondensatoren - Massekondensatoren Keramik
- Vielschichtkondensatoren Keramik
- Wickelkondensatoren oxidierte Al – Folie
„Elco“
Die relativen Dielektrizitätskonstanten der meisten Keramiken liegen zwischen 4 und
10, bei TiO2 bei ca. 110, bei BaTiO3 > 1000.
51
6.2.2. Polarisationsmechanismen
Befindet sich zwischen den Platten eines Kondensators Wasser, so werden sich die
Dipolmoleküle (der Sauerstoff trägt eine negative, der Wasserstoff eine positive
Partialladung) im elektrischen Feld ausrichten. Wir die Polarisationsrichtung
geändert, so drehen sich die Wassermoleküle und orientieren sich neu. Wird die
Frequenz der an den Platten anliegenden Spannung erhöht, wird die Reorientierung
der Wassermoleküle ab einer bestimmten Frequenz aufgrund ihrer Trägheit nicht
mehr möglich sein. Der Mechanismus der „Molekülpolarisation“ wird daher oberhalb
einer bestimmten Frequenz keinen Beitrag zur Dielektrizitätskonstante mehr liefern.
Abb. 6.1. zeigt die relative Dielektrizitätskonstante und tan δ eines Kondensators als
Funktion der Frequenz. Die relative Dielektrizitätskonstante sinkt mit steigender
Frequenz. Zunächst fällt die Orientierungspolarisation (Molekülpolarisation oder
Bereichspolarisation) aus, dann (im Bereich der Infrarotfrequenzen) die
Ionenpolarisation und schließlich bei Frequenzen, die UV-Licht entsprechen, auch
die Elektronenpolarisation (hier wird εr < 1 !).
Abb. 6.1. Relative Dielektrizitätskonstante und tan δ als Funktion der Frequenz
52
Ändert sich die relative Dielektrizitätskonstante, nimmt gleichzeitig tan δ zu.
Polarisationsmechanismen
Elektronenpolarisation Deformation der Elektronenhülle
Ionenpolarisation Verschiebung von Ionen
Orientierungspolarisation
Molekülpolarisation Dipolmoleküle richten sich aus
Bereichspolarisation „Domänen“ im Gefüge richten sich aus
Nicht alle Stoffe zeigen alle Polarisationsmechanismen, beispielsweise zeigt
molekularer Wassersto ff (H2) ausschließlich Elektronenpolarisation, Kochsalz Ionen-
und Elektronenpolarisation, Molekülpolarisation wird nur bei Dipolmolekülen
beobachtet, Bereichspolarisation nur bei Ferroelektrika (siehe 6.2.3.).
Temperaturabhängigkeit
Elektronenpolarisation: εr sinkt mit steigender Temperatur TKε < 0
(weniger Elektronen pro Volumenanteil)
Ionenpolarisation
Im Allgemeinen wächst εr mit steigender Temperatur TKε > 0
Bei TiO2: TKε < 0
(bei Mischungen mit TiO2 kann TKε ≈ 0 erreicht werden).
6.2.3. Ferroelektrizität
Ferro- oder ferrimagnetische Festkörper zeigen eine ausgeprägte Hysterese
zwischen angelegtem magnetischem Feld und magnetischer Induktion (siehe Abb.
6.2 a). Bei ferroelektrischen Festkörpern tritt eine ganz analoge Hysterese zwischen
dem elektrischen Feld und der Verschiebungsdichte ein.
53
Abb. 6.2 a: Hystereseschleife bei Ferromagnetica und b: bei Ferroelektrika
Die in Abschnitt 6.2.2. beschriebene Bereichspolarisation tritt aber bei
ferroelektrischen Phasen auf. Notwendige Voraussetzung für ferroelektrisches
Verhalten ist das Vorliegen mindestens einer polaren Achse, d. h. das Fehlen eines
Inversionszentrums in der Kristallstruktur. Es sei darauf hingewiesen, dass dies keine
hinreichende Bedingung ist; beispielsweise hat Quarz eine polare Struktur, ist aber
keineswegs ferroelektrisch, da die Struktur nicht leicht hinsichtlich ihrer Polarität zu
ändern ist und bei Anliegen eines elektrischen Feldes nicht „umklappt“.
Die strukturellen Vorraussetzungen für ferroelektrisches Verhalten ist im folgenden
am Beispiel BaTiO3 erläutert. Bariumtitanat hat eine Perovskit-ähnliche Struktur. Die
Perovskitstruktur (CaTiO3) ist in Abb. 6.3. gezeigt. Im Zentrum der kubischen
Elementarzelle sitzt ein Titanatom, das oktaedrisch von Sauerstoffatomen umgeben
ist. Diese sitzen somit in der Mitte der Flächen eines Würfels. Die Ecken des Würfels
werden von Calciumionen besetzt. Da diese Struktur wie beschrieben kubisch ist,
kann sie nicht polar und somit auch nicht ferroelektrisch sein.
54
Abb. 6.3. Perovskitstruktur: im Zentrum: Ti4-, in der Mitte der Flächen: O2-, an den
Ecken: Ca2+.
Bei BaTiO3 liegt eine Perovskitstruktur nur oberhalb der Curietemperatur vor,
unterhalb dieser Temperatur ist BaTiO3 tetragonal. Abb. zeigt links drei
übereinanderliegende Elementarzellen der Perovskitstruktur (Erdalkaliionen sind
weggelassen) und rechts ebenfalls drei übereinanderliegende Elementarzellen der
tetragonalen Struktur. Während bei der kubischen Struktur das Titanatom in der
durch die vier Sauerstoffatome aufgespannten Ebene liegt, ist es bei der
tetragonalen Struktur in eine Richtung ausgelegt. Die Richtung der Auslenkung ist in
übereinanderliegenden (und auch weiteren benachbarten) Elementarzellen die
gleiche. Bereiche, in denen diese Auslenkung gleich ist, werden Domänen genannt.
55
Abb. 6.4. links: drei übereinanderliegende Elementarzellen der Perovskitstrukur,
rechts: tetragonale Struktur von BaTiO3 unterhalb der Curietemperatur.
Abb. 6.5. zeigt schematisch eine Domänenstruktur eines nicht polarisierten und eines
polarisierten Ferroelektrikums. Innerhalb eines Kristallits befinden sich mehrere
Domänen. Diese haben in der nicht polarisierten Keramik statistische Orientierung.
Wird ein elektrisches Feld angelegt, d. h. polarisiert, dann tritt Vorzugsorientierung
ein, die Domänen sind dann entsprechend der Richtung des elektrischen Feldes
ausgerichtet.
56
Abb. 6.5. Gefüge und Domänenstruktur einer nicht polarisierten (links) und einer
polarisierten (rechts) ferroelektrischen Keramik
Abb. 6.6. zeigt die Temperaturabhängigkeit der relativen Dielektrizitätskonstante von
Bariumtitanat. Die relativen Dielektrizitätskonstanten bei Temperaturen < 130 °C, der
Curie-Temperatur sind richtungsabhängig. Unterhalb von – 90 °C liegt BaTiO3 in
rhomboedrischer Kristallstruktur vor. Diese wandelt sich bei höherer Temperatur in
eine orthorhombische Struktur um. Im Bereich von ca. 90 °C bis 0 °C sinkt εr in
Richtung der kristallographischen a- und b-Achse leicht ab, während sie in c-
Richtung ansteigt. Bei ca. 0 °C tritt eine Phasenumwandlung in die tetragonale
Modifikation ein. Dies ist mit einem starken Ansteigen von εr in a, b-Richtung und
einem Absinken von εr in c-Richtung verbunden. Bei weiterer Temperaturerhöhung
sinkt εr in a, b-Richtung wieder ab und steigt in c-Richtung an. Bei Erreichen der
Curie-Temperatur von 130 °C tritt Umwandlung in die kubische Struktur ein, vorher
ist ein starkes Ansteigen von εr zu beobachten, nach Erreichen der Curie-Temperatur
ein rascher Abfall.
57
Abb. 6.6. Temperaturabhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten in a, b- sowie in
c-Richtung.
6.2.4. Typ I – Kondensatoren
Typ I – Kondensatoren basieren nicht auf ferroelektrischen Keramiken. Diese
Keramiken werden auch NDK – Keramiken (niedrige Dielektrizitätskonstante), εr ist
kleiner 1000, meist < 100.
Bariumsteatit
εr = 6 – 8, tan δ < 6 . 10-4, TKε ≈ 130 . 10-6 K-1
wird verwendet für kleine Kapazitäten wenn niedrige Temperaturkoeffizienten und
Verlustwinkel dringend erforderlich sind
Bariumsteatit (siehe Abschnitt 6.1.1.) besitzt vorzügliche Formgebungs- und auch
Bearbeitungseigenschaften.
58
Titanoxid
besitzt ein anisotropes Rutil – Gitter
εr (c – Achse) = 173, εr (a, b – Achse) = 89
hieraus resultiert für statistische Orientierung: ε = 117
Der Temperaturkoeffizient ist mit – 1000 . 10-6 / K negativ, der Absolutwert deutlich
über dem vom Steatit aber deutlich niedriger als der von Typ II – Kondensatoren.
Calcium- und Strontiumtitanat
Calciumtitanat εr = 169, TKε = - 1600 . 10-6 K-1
Strontiumtitanat εr = 210, TKε = - 3700 . 10-6 K-1
Hier ist die Änderung von εr mit der Temperatur bereits deutlich stärker.
Mischdielektrika
verschiedenste Arten:
TiO2 / BaTiO3 / ZnO / BeO / Ca2O3
Eigenschaften sehr variabel.
6.2.5. Typ II – Kondensatoren
Werden auch HDK – Keramiken (hohe Dielektrizitätskonstante) genannt. Die
basieren auf ferroelektrischen Keramiken. Sie besitzen den Vorteil hoher Kapazitäten
und gleichzeitig hohem Isolationswiderstand (Unterschied zu Typ III)
Dem stehen eine Reihe von Nachteilen gegenüber:
1. nichtlineare T-Abhängigkeit von εr
2. ( )r f Eε = % εr steigt mit der Wechselfeldstärke an
3. ( )r f Eε = εr sinkt mit steigender Gleichfeldstärke ab
(permanente Dipole orientieren sich in Richtung des
Gleichfelds)
4. ( )r fε = υ bei relativ hohen Frequenzen sinkt εr mit steigender
Frequenz ab (Umorientierung der Domänen nicht mehr
möglich)
59
5. Alterung langsame temperaturinduzierte Wanderung der
Domänenwände
εr = konst. . log t + konst.´
6. tan δ ist hoch 30 – 300 . 10-4
tan δ ist Funktion von E,E, υ% und T
Gefahr des Wärmedurchschlages und der Änderung der
Eigenschaftswerte
BaTiO3: εr ≈ 1000 – 5000, Curietemperatur: 120 – 130 °C
BaTiO3 Mischkristalle:
Barium wird teilweise gegen Ca, Sr, Pb substituiert
Titan wird teilweise gegen Zr, Sn substituiert
(aber Anteil BaTiO3 > 70 %)
Auswirkungen: - Verschiebung von TC
- Veränderte Temperaturabhängigkeit
Abb. 6.7. zeigt die Verschiebung der Curie-Temperaturen bei Substitution von Ba2+
oder Ti4+. Während bei Einbau von Pb2+, z. T. auch von Ca2+ ein Ansteigen der
Curietemperatur zu beobachten ist, sinkt TC bei Einbau von Sr2+, Zr4+ und Sn4+ ab.
Abb. 6.7. Einfluss der Substitution von Ba2+ bzw. Ti4+ auf die Curie-Temperatur.
60
Weitere Kondensatorkeramiken
Niobate und Tantalate haben oftmals sehr hohe Curietemperaturen (LiNbO3: 1210
°C). Es sind oftmals sehr hohe Feldstärken erforderlich um Bereichspolarisation
herbeizuführen.
Oftmals weisen Mischkristalle bessere Eigenschaften auf.
- (Li, Na, K) (Nb, Ta)O3 Perovskit-ähnliche Strukturen
(LiNbO3: rhomboedrisch)
- (Ca, Sr, Ba, Pb) (Nb, Ta)2O6 Perovskit-ähnliche Strukturen
- (Cd, Pb)2 (Nb, Ta)2O7 Pyrochlorstruktur
Herstellung von BaTiO3 – Keramik
Es werden fast ausschließlich teilweise substituierte Keramiken hergestellt.
1. Rohstoffe: BaCO3, SrCO3, TiO2, ZrO2 etc.
2. Reaktionsbrand: 1100 C3 2 3 2BaCO TiO BaTiO CO°+ → +
3. Mahlen (beim Reaktionsbrand entstehen viel zu grobe Partikel)
4. Plastifizieren (zahlreiche organische Additive)
5. Formgebung - Pressen ⇒ Scheibchenkondensatoren
- Schlickerguss, Eindrehen ⇒ Topfkondensatoren
- Extrudieren ⇒ Röhrchenkondensatoren
- Folienguss ⇒ Vielschichtkondensatoren
6. Sintern 1350 – 1450 °C
7. mechanische Nachbearbeitung
61
Vielschichtkondensatoren
Enthalten eine alternierende Folge von Schichten aus Keramik und Metall
Herstellung: Herstellung von BaTiO3 – Folien (Doktor – Blade – Verfahren)
Metallisieren der Folien mit Pd / Ag – Pasten
Laminieren der Folien
Gemeinsamer Brand
(gelingt es die Sintertemperatur zu senken, kann der Pd – Anteil
der Paste vermindert werden (Kostenvorteil)).
6.2.6. Typ III – Kondensatoren
Typ III – Kondensatoren weisen bezogen auf die Baugröße die weitaus höchsten
effektiven relativen Dielektrizitätskonstanten auf (bis > 100 000).
Die Erdalkalien in BaTiO3 und SrTiO3 können Ba2+ und Sr2+ durch dreiwertige Ionen
(z . B. La3+), das Titan durch 5-wertige Ionen (Nb5+, Ta5+, Sb5+) substituiert werden.
Reduzierende Atmosphäre während oder nach dem Sintern führt zu hoch
elektronenleitenden Keramiken. Der Aufbau von Typ III – Kondensatorkeramik ist
schematisch in Abb. 6.8. gezeigt.
62
Abb. 6.8. Schematischer Gefügeaufbau von Typ III – Kondensatorkeramik
Die Kondensatorkeramik besteht aus elektronisch leitfähigen Körnern, die
Korngrenzen (und eine dünne Schicht um die Korngrenzen) ist isolierend. Hierdurch
vermindert sich die effektive Dichte des Kondensators auf die der isolierenden
Korngrenzen.
Herstellung von Typ III – Kondensatoren
- Dotieren mit z. B. 1 % Nb2O5
- Reaktionsbrand
- Mahlen
- Formgebung
- Ausbrennen des Binders
- Sintern bei 1300 – 1400 °C
- reduzieren bei 1000 – 1300 °C
63
- Anlegen einer oxidierenden Atmosphäre
hierbei diffundiert Sauerstoff entlang der Korngrenzen ein und oxidiert
diese, ebenso wie eine dünne Schicht um die Korngrenzen. Die
Diffusion von Sauerstoff entlang der Korngrenzen ist um
Größenordnungen schneller.
Die effektiven relativen Dielektrizitätskonstanten, berechnet aus den Abmessungen
des Bauteils betragen ca. 100 000. Typ III – Kondensatoren sind schwierig zu
fertigen, besonders hinsichtlich reproduzierbarer εeff – Werte. Sie haben niedrige
Spannungsfestigkeit (< 30 V) und hohen tan δ.
Etwas leichter ist die Produktion wie folgt:
- Das Ausgangspulver aus SrTiO3 + Nb2O5
wird bei 1300 – 1400 °C gesintert.
- reduzieren bei 1300 – 1400 °C
- Eindiffusion von Bi2O3 – B2O3 – Glas bei 1000 – 1200 °C.
Das Bi2O3 – B2O3 diffundiert entlang der Korngrenzen ein und bildet die Sperrschicht
aus. Die effektiven Dielektrizitätskonstanten liegen ebenfalls bei ca. 100 000, obwohl
die Ausgangskeramik (SrTiO3) nicht ferroelektrisch ist.
6.3. Piezokeramik
6.3.1. Der Piezoeffekt
Unter Piezoeffekt versteht man die Eigenschaft bestimmter Kristalle oder auch
polykristalliner Festkörper unter Einwirkung mechanischer Kraft eine elektrische
Spannung an den Enden aufzubauen. Man kennt auch den umgekehrten Effekt, den
Aufbau mechanischer Spannungen bzw. Deformationen bei Anlegen eines
elektrischen Feldes.
64
Piezoeffekt und inverser Piezoeffekt
Piezoeffekt: mechanische Kraft ⇒ elektrische Spannung
Inverser Piezoeffekt: elektrische Spannung ⇒ mechanische Kraft
Der Piezoeffekt wurde erstmals 1880 von den Geschwistern Curie an natürlichen
Einkristallen (Turmalin) beobachtet. Quarz ist heute der bekannteste piezoelektrische
Einkristall, der als mechanischer Schwinger weit verbreitet ist (Quarz – Uhr !)
Voraussetzung für das Auftreten von Piezoelektrizität ist das Vorliegen mindestens
einer polaren Achse.
Piezokeramiken
Werden heute sehr vielseitig für eine breite Palette von Anwendungen eingesetzt:
- Druck und Kraftsensoren (Reifendruck, Antiklopfsensoren)
- Funkengeber (Piezofeuerzeuge)
- Schall- und Ultraschallerzeuger
- Aktoren, Stellglieder
- Piezomotoren
- „smarte Keramik“
S s T d E= ⋅ + ⋅
S = mechanischer Dehnungstensor, E
SsT
∂=∂
: Elastizitätskoeffizient
T = mechanischer Spannungstensor, T
SdE
∂=∂
= Piezomodul, E = elektrischer
Feldstärkevektor.
65
D d T E= ⋅ + ε⋅
D = elektrischer Verschiebungsvektor, ε = Dielektrizitätskonstante.
Bei kleinen Änderungen sind s, d und ε konstant.
Der Kopplungsfaktor k ist ein Maß für den Wirkungsgrad
2 mech. elektr.
elektr. mech.
W Wk bzw.
W W=
2dks
=ε⋅
Je nach elektrischer Anregung und mechanischer Verformung unterscheidet man
fünf verschiedene Moden mit fünf verschiedenen Kopplungsfaktoren und
Frequenzkonstanten
kp planare Grundschwingung
k31 Grundschwingung eines transversal
angeregten langen Stabes
k33 Grundschwingung eines longitudinal
angeregten langen Stabes
k51 Dickenscherschwingung
kt Dickenschwingung einer dünnen Platte
Den fünf Kopplungsfaktoren sind fünf Frequenzkonstanten zugeordnet:
i i iN f r= ⋅
mit Ni = Frequenzkonstante, fi = Eigenfrequenz der jeweiligen Schwingung, ri =
Ausdehnung (z. B. Nt = ft . Dicke der Platte).
66
6.3.2. Piezoelektrische Werkstoffe
Bei einem piezoelektrischen Bauteil muss die polare Achse der Kristalle bzw. des
Kristalls ausgerichtet sein. Bei Einkristallen ist dies durch entsprechendes Schneiden
möglich (z. B. bei Quarz). Bei Keramiken ist nach dem Sinterprozess zunächst keine
Vorzugsorientierung der Kristallite in Bezug auf ihre polare Achse vorhanden. Die
Vorzugsorientierung der polaren Achse muss daher nach dem Sinterprozess
herbeigeführt werden. Dies geschieht durch Einwirkung eines elektrischen Feldes.
Da, wie in Abschnitt 6.2. beschrieben, die meisten polaren Kristallstrukturen ihre
Orientierung in polykristallinen Materialien nicht mit dem elektrischen Feld ändern, ist
man hier auf ferroelektrische Materialien angewiesen.
Ursprünglich wurde auch für Piezokeramiken hauptsächlich der Werkstoff
Bariumtitanat verwendet. Heute ist BaTiO3 fast vollständig von Bleizirkonattitanat
(PZT) verdrängt. Die bei PZT beobachtete Trennung der Ladungsschwerpunkte ist
ca. um den Faktor 10 höher als bei BaTiO3.
Abb. 6.9. a zeigt die bekannte Polarisationskurve eines ferroelektrischen
Werkstoffes, daneben ist die sog. Schmetterlingskurve (Abb. 6.9. b) gezeigt, die die
mit der Polarisation verbundene Dimensionsänderung der Keramik beschreibt.
Abb. 6.9. a: Polarisationskurve einer ferroelektrischen Keramik
b: „Schmetterlingskurve“, sie beschreibt die mit der Polarisation
verbundenen Dimensionsänderungen
67
Nach dem Sintern besitzen die Kristallite keinerlei Vorzugsorientierung (Punkt 0).
Wird nun ein elektrisches Feld wachsender Stärke angelegt, orientieren sich die
Domänen, bis schließlich am Punkt A eine Sättigung eintritt. Dies bedeutet, dass alle
Domänen ausgerichtet sind. Dies bedeutet aber auch, dass sich die
makroskopischen Dimensionen der Keramik ändern, in Richtung des angelegten
Feldes wird die Keramik länger. Wird das elektrische Feld weggenommen (Punkt B),
bleibt ein großer Teil der Polarisation erhalten, die meisten Domänen sind nach wie
vor ausgerichtet und die makroskopischen Dimensionen der Keramik ändern sich nur
wenig. Wird nun ein Feld in entgegengesetzter Richtung angelegt, wird mit
wachsender Feldstärke ein Punkt erreicht (Punkt C) bei dem die Polarisation wieder
aufgehoben ist. Die Domänen weisen keine Vorzugsorientierung mehr auf und die
makroskopischen Dimensionen sind die gleichen wie nach dem Sintern, d. h. im
unpolarisierten Zustand. Bei weiterer Erhöhung des elektrischen Feldes (Punkt D)
wird wieder eine Sättigung erreicht, die Domänen sind alle entsprechend dem Feld
ausgerichtet und die makroskopische Dehnung ist wieder maximal, d. h. besitzt den
gleichen Wert wie bei Punkt A. Bei Wegnehmen des Feldes (Punkt E) bleibt die
Polarisierung weitgehend erhalten, auch die Dehnung verkleinert sich nur wenig.
Wird wieder ein Feld in die Gegenrichtung angelegt, wird zunächst die Polarisation
aufgehoben (Punkt F) und schließlich die Sättigung erreicht (Punkt A).
Polarisierte Piezokeramiken können depolarisiert werden durch:
1. hohe Gegenfelder
2. hohe mechanische Belastungen
3. Temperaturen höher als die Curie – Temperatur
6.3.3. Bleizirkonattitanat
Bleititanat und Bleizirkonat bilden Mischkristalle, die bei einem hohen Ti / Zr –
Verhältnis (> 1 : 1) tetragonal, bei niedrigerem Ti / Zr – Verhältnis orthorhombisch
sind. Beide Phasen sind ferroelektrisch. Die Curie – Temperatur steigt kontinuierlich
mit steigender Titankonzentration von ca. 270 auf ca. 480 °C (siehe Abb. 6.10.).
68
Abb. 6.10. die Kopplungskonstante kp, sowie die relative Dielektrizitätskonstante εr
als Funktion des Ti / Zr - Verhältnisses
PZT – Keramiken hängen in ihren Eigenschaften stark von Dotierungen ab. Diese
liegen zur Verbesserung der Eigenschaften in den meisten PZT – Keramiken in
Konzentrationen zwischen 0.05 bis 5 % vor.
Im einzelnen sind folgende Dotierungen möglich:
Ti4+, Zr4+ Donordotierungen: Nb5+, Ta5+, Sb5+
Akzeptordotierungen: Co3+, Fe3+, Sc3+, Ga3+, Cr3+, Mn3+/2+, Cu2+,
Mg2+
Pb2+ Donordotierungen: Ca3+, Bi3+, Nd3+
Akzeptordotierungen: K+, Rb+
69
Akzeptordotierungen führen zu Sauerstoffleerstellen. Sauerstoffionen formen ein
kontinuierliches Gitter, die Ionen können sich daher leicht auf benachbarte
Leerstellen begeben und sind daher mobil.
Donordotierungen führen zu Bleileerstellen. Diese sind getrennt durch
Sauerstoffionen und daher weit stabiler, d. h. können sich weniger gut bewegen.
Akzeptordotierung:
03Ti2Fe , V••+′
Fe3+ nimmt Ti4+-Plätze ein und ist daher gegenüber dem ungestörten Gitter einfach
negativ geladen. Für zwei eingebaute Fe3+ - Ionen bildet sich eine
Sauerstoffleerstelle; diese ist gegenüber dem ungestörten Gitter zweifach positiv
geladen.
Donordotierung:
Pb3Pb2La , V•+ ′′
La3+ nimmt Pb2+-Plätze ein und ist daher gegenüber dem ungestörten Gitter einfach
positiv geladen. Für zwei eingebaute La3+-Ionen bildet sich eine Bleileerstelle; diese
ist gegenüber dem ungestörten Gitter zweifach negativ geladen.
Sowohl bei Akzeptor als auch bei Donordotierung bilden sich Dipole aus. Da
Bleileerstellen beweglicher sind als Sauerstoffleerstellen sind die gebildeten Dipole
bei Donordotierung stabiler. Stabile Dipole stabilisieren die Domänenstruktur; dies
führt zu einer Abnahme von dielektrischen und mechanischen Verlusten und zu
einem steigenden Kopplungsfaktor (Wirkungsgrad).
70
6.3.4. Herstellung von Bleizirkonattitanatkeramik
Die Herstellung von Bleizirkonattitanatkeramik erfolgt zunächst analog zu der von
BaTiO3. Zu beachten ist hierbei stets, dass Bleiverbindungen relativ niedrigen
Dampfdruck haben, d. h. zur Verflüchtigung neigen und weiterhin leicht zum Metall
reduziert werden.
1. Reaktionsbrand (auch inkl. Dotierung)
PbO, Pb3O4, PbO2, PbCO3 + ZrO2 + TiO2 900 C°→ Pb(Zr, Ti)O3
2. Mahlen
3. plastifizieren (organisch)
4. Formgebung
5. Ausbrennen des Plastifizierers
6. Sintern bei 1150 – 1300 °C
7. Metallisierung: Aufdrucken von Silberpaste oder Sputtern (Ni, Ni / Cu oder
Au)
8. Polarisieren: 1 – 4 MV / m bei 100 – 150 °C in Öl, dann bei
angelegtem Feld abkühlen.
Bereits bei dem Reaktionsbrand spielt die Bleiverdampfung eine erhebliche Rolle.
O0.012 3 3 0.97 0.02 3V0.01La O Pb(Zr,Ti)O (Pb La )(Ti,Zr)O 0.03PbO′′+ → +
Der PbO Überschuss von 0.03 wird dabei durch die Bleiverdampfung kompensiert.
Traditionell geht man beim Sintern folgendermaßen vor:
Ein großer kompakter, isostatisch gepresster PZT Grünling mit einem PbO-
Überschuss von 2 – 3 % wird in PZT-Pulver eingebettet und bei 1300 °C zu
einer Dichte > 95 % gesintert. Hierbei erhält man Kristallitgrössen von 5 – 20
µm. Die kompakte Keramik wird mit einer Innenlochsäge zerteilt.
Heute kann durch Verwendung sinteraktiver Pulver die Sintertemperatur auf 1150 °C
abgesenkt werden. Hierdurch wird die Bleiverdampfung minimiert (siehe Abb. 6.11.).
Dies ermöglicht auch die Herstellung von PZT – Folien.
71
Abb. 6.11. Dampfdruck von PbO. A: reines PbO, B: PbZrO3, C: Pb(Zr, Ti)O3, D:
PbTiO3.
72
Sinteraktive PZT – Pulver
Können im Prinzip mit einer Vielzahl von chemischen Verfahren hergestellt werden
1. TiO2 aus Flammpyrolyse
(großtechnische Herstellung von Pigmenten kleinster Partikelgröße (20 nm)
ZrO2 aus Präzipitation
(ZrCl4 2H O2HCl−→ ZrOCl2 2H O
2HCl−→ Zr(OH)4 → ZrO2
2. Kopräzipitation
Lösung aus Bleiacetat, Zirkonylacetat, Titanylsulfat
Kopräzipitation mit Oxalsäure (gemeinsame Füllung)
3. Sol-Gel-Verfahren
Alkoholische Lösung aus Bleiacetat, Titan- und Zirkonalkoholaten,
dann Hydrolyse und Polykondensation
Herstellung von Multilayer Piezokeramik
- Herstellung sinteraktiven Pulvers
- Foliengießen (Doktor-Blade-Verfahren)
- Siebdruck von Elektroden mit Silber / Palladium – Pasten
- Laminieren der Folien
- Ausbrennen des Binders
- Sintern bei Temperaturen ≤ 1150 °C
Der Preis von Silber / Palladium Pasten steigt sehr stark mit steigendem
Palladiumgehalt (1 g Pd: 10 EURO, 1 g Ag: 0.1 EURO). Gleichzeitig steigt der
Schmelzpunkt linear mit dem Pd – Gehalt (Tm (Ag): Pd, Tm(Pd): Pd). Da deutlich
unterhalb des Schmelzpunktes der Legierung gesintert werden muss, kann durch
Absenkung der Sintertemperatur, eine Legierung mit niedrigerem Pd-Gehalt
verwendet werden, was erhebliche Kostenvorteile bringt. Gleichzeitig ist dann mehr
Aufwand bei der Pulversynthese nötig.
73
Die tetragonale Verzerrung des Gitters ist bei PZT viel größer als bei BaTiO3
(c-Achse länger als a, b-Achse). Typische Werte für elektrische Eigenschaften sind:
PZT: εr: 730, TC: 386 °C, kD = 0.53
Pb0.94 Sr0.06 Zr0.53 Ti0.47: εr = 1300, TC = 328 °C, kD = 0.58
Eisendotierungen führen zu kleineren Verlusten und verbessern das
Hochfrequenzverhalten, Chromdotierungen das Alterungsverhalten (Wanderung der
Domänenwände). Beste Eigenschaften zeigt Nd-dotiertes PZT.
6.3.5. Weitere Piezokeramiken
Es gibt zahlreiche weitere Piezokeramiken, die gegenüber dem weit verbreiteten und
gut optimierten PZT-System vor allem den Vorteil weit höherer Curie-Temperaturen
haben.
Bleiniobat
Bleiniobat hat Wolframbronzenstruktur, eine Curie-Temperatur von 560 °C ist aber
thermodynamisch nicht stabil. Durch Zugabe von 2 % ZrTiO4 und schnelles Abkühlen
kann es dennoch nahezu phasenrein erhalten werden.
LiNbO3, LiTaO3
LiNbO3 hat eine Curie-Temperatur von 1210 °C, LiTaO3 von 665 °C. Beide haben
Ilmenitstruktur.
LiNbO3 hat als einkristalliner Werkstoff Bedeutung und wird nach dem Czochralski-
Verfahren aus der Schmelze gezogen, was Probleme bereitet, da LiNbO3
inkongruent schmilzt. Es muss in Iridiumtiegeln bei T > 1600 °C unter Schutzgas
(sonst oxidiert Iridium) gearbeitet werden. Hierbei entsteht elektronenleitendes
LiNbO3, welches später bei 1400 °C an Luft getempert wird und wieder Sauerstoff
aufnimmt. Einkristallines LiNbO3 wird vor allem für die Optoelektronik hergestellt.
Bleimagnesiumniobat PMN
Ist eigentlich nicht piezoelektrisch, sondern elektrostriktiv. Es ist ein Mischkristall aus
Pb (Mg1/3Nb2/3)O3 und PbTiO3. ( )1/3 2/3 3 30.9Pb(Mg Nb O 0.1PbTiO ).⋅ Elektrostriktion,
74
d. h. die Veränderung der makroskopischen Dimensionen bei Anlegen eines
elektrischen Feldes ist eine allgemeine Eigenschaft vieler Festkörper und hat mit
Piezoelektrizität nichts zu tun. Bei PMN ist diese Eigenschaft besonders ausgeprägt
(es sind eine Längenänderung von ca. 10 % der von PZT möglich).
Abbildung 6.12. zeigt Längenänderungen als Funktion des angelegten elektrischen
Feldes bei PZT und PMN.
Abb. 6.12. Längenänderungen als Funktion des angelegten elektrischen Feldes
bei PZT und PMN.
Bei PMN tritt keine Hysterese auf, da keine permanente Polarisierung und kein
Umklappen von Domänen erfolgt.
75
6.3.6. Anwendungen von Piezokeramiken
Es sollen im Folgenden einige Anwendungen von Piezokeramiken kurz besprochen
werden:
1. Wandler mechanisch → elektrisch
Durch Aufbringen einer mechanischen Kraft wird eine mechanische Spannung
erzeugt, die zu einer elektrischen Spannung führt. Hierbei wird entweder ein
Impuls (Funke: Zünder, Feuerzeug) oder ein periodisches Signal
(Tonabnehmer, Klopfdetektor, Mikrophon) erhalten.
In Abb. 6.13. ist ein Wandler schematisch dargestellt. Er besteht aus zwei
entgegengesetzt polarisierten Piezokeramiken, die übereinander angeordnet
und durch eine Metallisierungsschicht getrennt sind. Es werden Spannungen
von ca. 10 kV erzeugt, die zur Funkenentladung führen.
Abb. 6.13. Mechanisch / elektrischer Wandler zur Erzeugung von Funken
76
Bewegungs- und Beschleunigungssensoren
Hier treten vergleichsweise kleine Kräfte auf, die aufgrund der Konstruktion des
Sensors, größere elektrische Signale liefern sollen. Diese Sensoren sind oftmals
bipolar aufgebaut.
Abb. 6.14. Beschleunigungs- und Bewegungssensoren
77
2. Wandler elektrisch → mechanisch
Diese haben primär die Aufgabe kleine Bewegungen exakt auszuführen. Sie
werden beispielsweise eingesetzt für:
- Rastertunnelmikroskop
- hochpräzise Positionier- und Bearbeitungsmaschinen
- Ink – Jet Drucker
- Teleskopspiegel
Oftmals wird hierbei ein Vielschichtaufbau eingesetzt (geringere Spannungen nötig)
3. Piezoelektrische Umformer
werden als kleinste Transformatoren eingesetzt
Abb. 6.14. Piezoelektrischer Umformer
78
4. Lautsprecher
Piezolautsprecher haben bisher vergleichsweise niedrige Tonqualität. In
Ultraschallbereich in Resonanz (Ultraschallgeber) sind sie aber anderen
Bauprinzipien überlegen)
Abb. 6.15. Piezoelektrischer Lautsprecher
79
5. Hydrophone
Hydrophone detektieren niederfrequente Druckänderungen in Flüssigkeiten
oder aber sie werden für die Ultraschalldiagnostik eingesetzt.
Abb. 6.16. Piezoelektrisches Hydrophon (Mooney)
Daneben gibt es auch zahlreiche andere Konstruktionen, beispielsweise solche aus
periodisch angeordneten (parallelen) piezoelektrischen Fasern, die in elastische
Polymere eingebettet sind.
80
6. Stoßdämpfer
Piezoelektrische Stoßdämpfer sind aus einem Sensor und einem Aktor
aufgebaut. Meldet der Sensor Druck, wird der Aktor angesteuert. Dieser wirkt
dem Druck entweder entgegen (harte Dämpfung) oder er gibt ihm nach
(weiche Dämpfung). Zwischen diesen beiden Varianten kann je nach
Anforderung gewählt werden.
Abb. 6.17. Piezoelektrischer Stoßdämpfer mit variablen Eigenschaften
81
7. Piezomotor
Das Prinzip eines Piezomotors ist in Abb. 6.18. gezeigt. Es basiert auf einer
akustischen Oberflächenwelle (SAW), die den Rotor antreibt.
Abb. 6.18. Prinzip des Piezomotors
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