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Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Deutschland
Mit einer Schiedsvereinbarung einigen sich Unternehmen, einen Konflikt nicht durch
staatliche Gerichte, sondern durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Die Parteien
können das Schiedsgericht und das Verfahren bestimmen. Häufig vereinbaren Unternehmen
die Regeln der International Chamber of Commerce mit Sitz in Paris. Am Ende des
Schiedsverfahrens steht ein Schiedsspruch. Dieser entscheidet über den Antrag, gibt also der
Schiedsklage ganz oder teilweise statt oder weist sie ab. Das Schiedsgericht entscheidet –
teilweise in einem separaten Schiedsspruch – auch über die Kosten des Verfahrens. Wenn der
Schiedsbeklagte nicht freiwillig leistet, etwa den geschuldeten Betrag nicht bezahlt, muss der
Schiedskläger den Schiedsspruch zwangsweise durchsetzen. Dies geschieht im Wege der
Vollstreckung. Nach der Zivilprozessordnung steht ein Schiedsspruch einem rechtskräftigen
gerichtlichen Urteil gleich. Mit dieser Gleichstellung sichert der Gesetzgeber den Status der
Schiedsgerichtsbarkeit als echte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit. Voraussetzung
für eine zwangsweise Durchsetzung des Schiedsspruchs ist, dass dieser zuvor für
vollstreckbar erklärt wurde.
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Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche ist das
Oberlandesgericht. Örtlich zuständig ist der Bezirk, in welchem die Partei, gegen die
vollstreckt werden soll („Antragsgegner“), ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Alternativ kann der Antragsteller das Oberlandesgericht anrufen, in dem sich Vermögen des
Antragsgegners – etwa ein Grundstück – befindet. Zuständig ist auch das Oberlandesgericht,
in dem sich der mit der Schiedsklage in Anspruch genommene oder von der Schiedsklage
betroffene Gegenstand befindet. Das ist etwa der Fall, wenn es im Schiedsverfahren um die
Herausgabe eines Gegenstandes geht. Sollte keine der genannten Voraussetzungen vorliegen,
ist das Kammergericht Berlin zuständig. Das betrifft etwa die Konstellation, wenn beide
Parteien im Ausland sitzen und kein Vermögen im Inland haben.
Voraussetzung für Vollstreckbarerklärung
Die Vollstreckbarerklärung richtet sich vorbehaltlich spezifischer Staatsverträge nach dem
UN-Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung
ausländischer Schiedssprüche (UNÜ). Voraussetzung ist demnach, dass es sich inhaltlich um
einen Schiedsspruch handelt, was unter anderem schriftliche Form und Unterschrift aller
Schiedsrichter voraussetzt. Ein Schiedsspruch muss auch das Datum seines Erlasses und den
Schiedsort angeben. Der Schiedsspruch muss zudem verbindlich sein. Dies setzt voraus, dass
er nach dem für das Schiedsverfahren maßgeblichen Recht nicht mehr anfechtbar ist. Um
einen ausländischen Schiedsspruch in diesem Sinne handelt es sich immer dann, wenn der Ort
des Schiedsverfahrens nicht in Deutschland liegt. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien die
Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben. Auch Schiedssprüche des Court of
Arbitration for Sport (CAS) mit Sitz in Lausanne sind demnach ausländische Schiedssprüche
im Sinne des UN-Übereinkommens.
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Antrag beim Oberlandesgericht Der Antragsteller, der aus einem Schiedsspruch vollstrecken will, muss beim
Oberlandesgericht einen schriftlichen Antrag stellen. Mit dem Antrag muss er die Urschrift
des Schiedsspruchs oder eine beglaubigte Abschrift vorlegen, zudem die Urschrift oder
beglaubigte Abschrift der zugrundeliegenden Schiedsvereinbarung. Sofern die
Schiedsvereinbarung oder der Schiedsspruch nicht in deutscher Sprache verfasst sind, muss
der Antragsteller jeweils eine beeidigte Übersetzung vorlegen.
Verbot der „révision au fond“ Das Schiedsverfahrensrecht ist international angelegt. Mit Hilfe von Schiedsgerichten sollen
grenzüberschreitende Streitigkeiten einer raschen und von beiden Seiten akzeptierten Lösung
zugeführt werden. Dieses System kann nur funktionieren, wenn die einzelnen Nationalstaaten
auch ausländische Schiedssprüche anerkennen. Es gilt daher der Grundsatz, dass ausländische
Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden, sofern nicht ein Anerkennungshindernis
vorliegt. Der Antragsteller muss also nicht zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, um seinen
Schiedsspruch für vollstreckbar erklären zu lassen. Vielmehr prüft das Gericht lediglich, ob
Anerkennungshindernisse bestehen („Negativprüfung“). Dagegen hat das Oberlandesgericht
nicht zu prüfen, ob der ausländische Schiedsspruch sachlich richtig ist. Man bezeichnet diese
Einschränkung als Verbot der révision au fond. Das Oberlandesgericht tritt nicht in eine
erneute Prüfung der Sach- und Rechtslage ein, wie dies etwa in einem zivilrechtlichen
Berufungsverfahren der Fall wäre.
Negativprüfung: Fehlen von Anerkennungshindernissen Fehlt ein Anerkennungshindernis, ist der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Solche
Anerkennungshindernisse sind etwa
- eine Unwirksamkeit der dem Schiedsspruch zugrundeliegenden Schiedsvereinbarung,
- die Verletzung rechtlichen Gehörs bei der Bestellung der Schiedsrichter oder im
schiedsrichterlichen Verfahren,
- die Überschreitung der durch die Schiedsvereinbarung gesetzten Grenzen der
Schiedsvereinbarung, wenn also das Schiedsgericht über einen Gegenstand entschieden hat,
der von der Schiedsvereinbarung nicht erfasst war,
- die Konstituierung des Schiedsgerichts oder die Durchführung des Verfahrens entgegen
gesetzlicher Bestimmungen am Schiedsort,
- die fehlende Verbindlichkeit des Schiedsspruchs oder die Aufhebung oder Hemmung nach
den Vorschriften am Schiedsort,
- fehlende Schiedsfähigkeit, wenn also der Gegenstand des Verfahrens nach deutschem Recht
nicht auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann (etwa arbeitsrechtliche
Streitigkeiten) oder
- die Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung („ordre public“)
widersprechen würde.
Unter „ordre public“ ist dabei nicht die gesamte öffentliche Ordnung zu verstehen. Ansonsten
würde letztlich doch jeder Verstoß gegen eine deutsche Rechtsnorm zur Versagung der
Anerkennung des Schiedsspruchs führen. Gemeint ist vielmehr, dass der Schiedsspruch nicht
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mit „wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen“ unvereinbar sein darf, also „die tragenden
Grundlagen des deutschen staatlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebens angreift“, so der
Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München Dr. Rainer Hüßtege im Kommentar
Thomas/Putzo. „Zur öffentlichen Ordnung zählt auch die Beachtung der Grundrechte“,
ergänzt der frühere Richter am Amtsgericht Lübeck Dr. Dr. Peter Hartmann in dem von ihm
herausgegeben Kommentar zur Zivilprozessordnung. Der Begriff des „ordre public“ ist indes
nicht abschließend konturiert. Im Sinne der Effektivität der Schiedsgerichtsbarkeit ist bei der
Bejahung eines Verstoßes gegen den ordre public Zurückhaltung geboten. Insbesondere soll
nicht durch die Hintertür doch wieder eine vollständige Sachprüfung des Schiedsspruchs
erfolgen. Die Partei eines Schiedsverfahrens kann also nicht darauf bauen, dass dem
Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung versagt wird.
Vielmehr sollte ein Betroffener Verstöße gegen grundlegende Rechtsprinzipien schon im
Schiedsverfahren rügen und dokumentieren und anschließend aktiv ein Verfahren zur
Aufhebung des Schiedsspruchs anstrengen.
Ablauf des Verfahrens Das Verfahren beginnt mit dem Antrag der Partei, die aus dem Schiedsspruch vollstrecken
will. Nach Eingang des schriftlichen Antrages auf Vollstreckbarerklärung gibt das
Oberlandesgericht zunächst dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme. Das
Oberlandesgericht kann dann durch Beschluss entscheiden. Beruft sich der Antragsgegner
aber auf einen grundlegenden Mangel des Schiedsspruchs, so führt das Oberlandesgericht
eine mündliche Verhandlung durch. Dies gilt namentlich, wenn der Antragsgegner einwendet,
- die Schiedsvereinbarung sei unwirksam,
- das rechtliche Gehör sei verletzt worden,
- der Gegenstand des Schiedsverfahrens sei nicht schiedsfähig,
- das Schiedsgericht habe die durch die Schiedsvereinbarung gesetzten Grenzen überschritten,
- bei Konstituierung des Schiedsgerichts oder bei Durchführung des Verfahrens sei gegen die
Schiedsvereinbarung verstoßen worden und dies habe sich auf die Entscheidung ausgewirkt
oder
- die Vollstreckbarerklärung verstieße gegen den „ordre public“.
Sicherungsvollstreckung Zwischen dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung und der Entscheidung des
Oberlandegerichts vergehen einige Woche oder Monate. Die Partei, die im Schiedsverfahren
obsiegt hat, kann auch für diesen Zeitraum ihre Rechte sichern: Sie kann zugleich mit dem
Antrag auf Vollstreckbarerklärung beantragen, dass das Gericht Maßnahmen zur Sicherung
des Anspruchs aus dem Schiedsspruch trifft. Solche Sicherungsmaßnahmen können etwa in
der Pfändung von Vermögensgegenständen des Schiedsbeklagten liegen. Mit der Pfändung ist
der Gegenstand gesichert. Eine Verwertung zugunsten des Antragstellers darf indes erst
erfolgen, wenn der ausländische Schiedsspruch tatsächlich für vollstreckbar erklärt wurde.
Über den Antrag auf Sicherungsmaßnahmen entscheidet der Vorsitzende des Zivilsenates des
zuständigen Oberlandesgerichts.
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Fazit Wer eine Schiedsgerichtsvereinbarung trifft, muss bedenken, dass er das Ergebnis des
Schiedsspruchs nicht ohne weiteres zwangsweise durchsetzen kann. Vielmehr muss er den
Schiedsspruch zunächst für vollstreckbar erklären lassen. Dies gilt für ausländische wie für
inländische Schiedssprüche. Durch das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung relativiert sich
unter Umständen der Vorteil der Beschleunigung des Schiedsverfahrens. Indes bedeutet das
Verfahren der Vollstreckbarerklärung im Falle ausländischer Entscheidungen keinen Nachteil
gegenüber staatlichen Gerichtsentscheidungen, da auch diese zunächst anerkannt werden
müssen, bevor aus ihnen in Deutschland vollstreckt werden kann.
Schlüsselwörter: Berufungsverfahren, CAS, Court of Arbitration for Sport, International
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