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Die Palästinensische Autonomiebehörde: Rechtsreform und Staatswerdung unter Besatzung Jamil Salem Institute of Law, Birtzeit University

Die palästinensische Autonomiebehörde - Rechtsreform und Staatswerdung unter Besatzung

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Die Palästinensische Autonomiebehörde: Rechtsreform und Staatswerdung unter BesatzungSeminar: Rechtsgeschichte und Rechtstatsachenforschung

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Page 1: Die palästinensische Autonomiebehörde - Rechtsreform und Staatswerdung unter Besatzung

Die Palästinensische Autonomiebehörde: Rechtsreform und

Staatswerdung unter Besatzung

Jamil SalemInstitute of Law, Birtzeit University

Page 2: Die palästinensische Autonomiebehörde - Rechtsreform und Staatswerdung unter Besatzung

I. Friedensprozess: Entstehung der PA (1994-)II. Reform und StaatswerdungIII. RechtsreformIV. Das GrundgesetzV. FrauenrechteVI. Das JustizwesenVII. WirtschaftsverfassungVIII. HerausforderungenIX. ChancenX. Rechtsdatenbank (Al-Muqtafi)

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I. Friedensprozess: Entstehung der PA (1994 – )(Osloer Verträge - Land für Frieden) Beschränkte Territoriale, Personale und Funktionale

ZuständigkeitAufteilung des Westjordanlandes in 3 Zonen:a.Die A-Zone umfaßt die wichtigsten Städte (ca. 3%) Unter Zuständigkeit der PA.b.Die B-Zone umfaßt die Dörfer und Flüchtlingslager (ca. 24%) Geteilte Zuständigkeit (PA: Zivile Angelegenheiten, Israel:

Sicherheitsfragen).c.Die C-Zone umfaßt den Rest des Westjordanlandes (ca. 73%) Unter alleiniger israelischer Hoheit.d. Israelische Truppen ziehen aus dem GS ab (2005), seitdem

wurde der GS zu einem „Freiluft-Gefängnis“.o Die Interimsperiode hätte im Jahr 1999 enden sollen.o Wiederholt neue Zeitpläne für die Beendigung des

Konfliktso 44 Jahre vergangen seit der israelischen Besatzung!

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3 Phasen:1: Entstehung der PA - Ausbruch der 2. Intifada. (1994-2000)- Erste Freie Legislativrats- und Präsidentschaftswahlen Arafat “der starke Mann” mit Unterstützung der internationalen

Gemeinschaft gegen die Stimmen der Zivilgesellschaft (Autoritäre Führung)

2. Ausbruch der 2. Intifada - Tod Arafat (2000-2004)- Ende der Interimsphase, Sharon gewinnt die Wahlen in Israel,

Arafat isoliert, Bau der Trennungsmauer.- Wichtige Gesetze erlassen (Das Grundgesetz, Judicial Authority Law,

etc.)

3. Machkampf zwischen Fatah und Hamas (2004- ?)- Präsidentschafts- und Legislativratswahlen (2005 und 2006)- Internationaler Boykott gegen die Hamas Regierung.- Machtübernahme der Hamas im GS, Ausruf des Notstands im WB.

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Rechtspluralismus

Rechtspluralismus innerhalb des

offiziellen “staatlichen” Rechts

Rechtspluralismus im Sinne der Koexistenz nicht-

staatlichen „Rechts“ mit staatlichem Recht

•Religionsgerichtsbarkeit vs. ordentliche Gerichtsbarkeit• Israelisches Recht – PA Recht• 2 Rechtssysteme (GS – WB)

• Inforemelle Streitbeilegungsmechanismen außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Mischung aus Gewohnheiten, Bräuche und „Adat“ (Sitten, Traditionen).

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Ziele der Rechtsreform Vereinheitlichung, Harmonisierung und Modernisierung der unterschiedlichen Rechtssysteme (WB&GS)

Bedeutende Errungenschaften Wahlen Ausarbeitung einer vorläufigen Verfassung (Das Grundgesetz) Verfassungsorgane (Legislativrat, Regierung, Präsident) Langsamer Wiederaufbau der Gerichtsbarkeit Ca. 125 Gesetze erlassen.Aber: Noch keine Einigung über wichtige Gesetzesentwürfe (Zivil-,

Straf- und Handelsgesetze und Verwaltungsverfahren) Plan für die Gesetzgebung nicht vorhanden (Budgetäre Probleme) Der Ursprung vieler Gesetze nicht erkennbar (versch. Akteure)

Das Rechtssystem ist aufgrund des Scheiterns der Friedensverhandlungen komplexer geworden.

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IV. Das Grundgesetz (Basic Law)

• Das Volk ist die Quelle der Macht/Gewalt (“Power”) (Art. 2)• Wahlrecht (allgemein, gleich, und geheim)• Das Prinzip der Gewaltentrennung (Art. 2)• Herrschaft des Rechts (Rule of Law) (Art. 6)• Kapitel 2 enthält einen Katalog von Grundrechten (Art. 9 - Art.

33)• Gleichheitssatz (Art. 9)Aber: Der Islam wird als offizielle Religion erhoben unter

Respektierung anderer Religionen (Art. 4 Abs. 1) Die „Prinzipien der Scharia“ bilden eine Quelle für die

Gesetzgebung Widerspruch zu Art. 9 (Gleichheitssatz)

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Gleichheitssatz (Art. 9 GG) Arbeitsgesetz aus dem Jahr 2000 (Diskriminierungsverbot):Art 2: Work is a right for each citizen who is capable thereof. The National Authority shall provide it on the

basis of equal opportunities and without any kind of discrimination whatsoever.

Art 100: In pursuance of the provisions of this Law and the regulations issued forth in accordance with it, discrimination between men and women shall be prohibited.

Entwurf einer Frauenrechtscharta Frauenministerium und seit 2008 Genderabteilung im

Justizministerium Frauenanzahl im Legislativrat (13%) Gemeindeebene Anteil höher (bis zu 30%) Ramallah (Jeanette Michael Bürgermeisterin seit Dez. 2005 Ungleichbehandlung:Strafrecht (Ehrendelikte - Ehebruch) – Ursprung franz.

Strafrechtskodex 1810

Aufgrund der Zweiteilung des Rechtssystems (Familien und Erbrecht)

Beispiele im Obsorgerecht und Erbrecht

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VI.1. GerichtsbarkeitDualismus

Ordentliche GerichtsbarkeitReligionsgerichte

Zivil- und StrafgerichtsbarkeitVerwaltungsgerichtsbarkeit

(Verwaltungsgerichte noch im Aufbau)

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Gesetzliche Grundlage: (Grundgesetz, Gerichtsorganisationsgesetz und Zivilverfahrensgesetz)

Oberstes Gericht (fungiert auch als Verfassungs- und Verwaltungsgericht)

2 Instanzgerichte (fungieren als Berufungsgericht gegenüber den Bezirksgerichten)

12 Bezirksgerichte (Erstinstanzgericht und Berufungsgericht für Magistratsgerichte)

20 Magistratsgerichte (zuständig für bestimmte zivilrechtliche Streitigkeiten, die einen bestimmten Wert nicht übersteigen und strafrechtliche Vergehen)

Religionsgerichte: Zuständig für Familien- und Erbrecht (Zweiteilung des

Gerichtssystems stammt aus der osmanischen Periode) Es gilt das Recht der jeweiligen Religion (Scharia, kanonisches

Recht, etc.)

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VIII.3. Herausforderung für die Gerichtsbarkeit

Richter: (ca. 150), überlastet Schwache Infrastruktur (viele Gerichte zerstört) Schwache Ausbildungsprogramme für Richter (Mehrheit der Richter im

Ausland studiert, juristische Fakultäten erst jüngst entstanden, Lehrmaterialien aus benachbarten Staaten, etc.)

Reformprozess noch nicht abgeschlossen, Einmischung der Exekutive in die richterliche Gewalt, vor allem in

„Sicherheitsfragen“ Urteile können oft nicht vollzogen werden aufgrund der beschränkten

Zuständigkeit der PA Streitbeilegungsmechanismen außerhalb der Gerichte („Familientribunale“)Jüngste Reformbemühungen: Koalition der Zivilgesellschaft für die Unterstützung der Unabhängigkeit des

Justizwesen (seit 2008) Ausführliches Reformdokument vorbereitet (behandelt Gerichtsbarkeit,

Staatsanwaltschaft, Justizministerium, Anwaltskammer, Juristische Fakultäten und bestimmte NGOs).

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Illusion und WirklichkeitAus Gaza soll Singapur werden!!!

◦ Paris Protokoll (1994): Zollunion zw. PA und Israel, keine eigene Währung.

◦ Das Wirtschaftssystem der PA basiert auf die freie Marktwirtschaft. (Art. 21 GG)

◦ Das Gesetz zur Förderung von Investitionen◦ Starke Abhängigkeit (israelische Wirtschaft und

internationale Geberstaaten)◦ Internationale Förderungen um PA zu erhalten, keine

echte Entwicklungspolitik

Wirtschaftliche Lage verschlechtert sich.

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Israelische Besatzung, weiterer Siedlungsbau, Einschränkung der Bewegungsfreiheit

Hälfte der Legislativratsabgeordnete im israelischen Gefängnis

Interner Machtkampf zwischen Fatah und Hamas Unterschiedliche Visionen Staatswerdung - Widerstand Staat basierend auf Scharia - weltliche

demokratische Grundlagen Rechtsunsicherheit

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Link: http://muqtafi2.birzeit.edu/en/ Frei zugänglich (Registrierung erforderlich,

kostenlos) Enthält die meisten Gesetze seit der

Osmanischen Herrschaft (ca. 20% in Englisch)

Vorbereitung einer konsolidierten Fassung der PA Gesetze

23000 Gerichtsentscheidungen (seit 1994)

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

Jamil SalemInstitute of Law, Birzeit University

P.O. Box 14, Birzeit, West BankPalestine

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