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Auswertung kommunalpolitikerbefragung gt

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Studie über ehemalige Kommunalpolitiker - ihre Gründe, warum sie Politik gemacht haben, warum sie aus der Kommunalpolitik ausgestiegen sind, ihre Bewertung der Kommunalpolitik rückwirkend

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Auswertung der Befragung ehemaliger Ratsfrauen und -herren sowie Sachkundiger Bürgerinnen und Bürger in der Zeit von 1984 bis 2009

in der Stadt Gütersloh

Verfasser: Dr. Anke Knopp und Jürgen Zimmermann

Gütersloh, 30. April 2009

Teil IA. Die Idee

Die Kommunalpolitik ist eine der wesentlichen Säulen unserer Demokratie. Getragen wird sie insbesondere von den zahlreichen ehrenamtlich engagierten Kommunalpo-litikerinnen und -politikern, die mit ihren Kenntnissen und ihrem konstruktiven Gestalten Weichen für die Zukunft einer Stadt oder Gemeinde stellen. Bereits in der Gemeinde wird darüber entschieden, welche Chancen Menschen für ihre Lebensplanung erhalten. Kommunalpolitik ist deshalb auch Gesellschaftspolitik. Die Politik einer Kommune kann dabei immer nur so gut sein, wie ihre Politikerinnen und Politiker. In diesem Superwahljahr 2009 stehen auch Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen an. Die Listen für die Besetzung der Wahlkreise sind festgelegt und damit politisches Personal für die Mandate zur Wahl aufgestellt. Der bundesweite Trend, dass sich zu wenige Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Kommunalpolitik ehrenamtlich engagieren, geht auch an Gütersloh nicht vorbei. Eine Frage ist, wie auch zukünftig politisch Aktive gewonnen und langfristig motiviert werden können. Der Blick auf den amtierenden Rat in Gütersloh beispielsweise deutet auf eine „Vergreisung“ der politischen Ratsarbeit hin - der Altersdurchschnitt der Gewählten liegt zur Zeit bei 54 Jahren. Im Kreis Gütersloh liegt dieser sogar bei 57 Jahren – Stadt und Kreis liegen damit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von knapp über 50 Jahren. Zudem ist das Ratsmandat in der Stadt Gütersloh deutlich männlich geprägt und zu 64% wird es von Akademikern ausgefüllt.

Beide Autoren waren selbst in der Kommunalpolitik aktiv. Aus diesem Erfahrungsspektrum ist in der Diskussion mit anderen Ehemaligen die Frage entstanden, welchen Erfahrungsschatz ausgestiegene Mandatsträger eigentlich an die nachfolgende Politikergeneration weitergeben könnten – wenn dieses Wissen abgefragt würde. Zudem stand die Frage im Raum, was genau dazu führt, ein kommunalpolitisches Mandat auch wieder aufzugeben und ob eine Chance besteht, dieses Potenzial an Kenntnis und Wissen für die Rats- und Ausschussarbeit zurückzugewinnen. Das war Anlass, die Befragung auf die ehemaligen Mandatsträger der Stadt Gütersloh zu fokussieren.

Die Bündelung der vorliegenden Erfahrungen und Rückblicke ist als ein Wissens-fundus für heutige oder auch zukünftig Aktive in der Gütersloher Kommunalpolitik zu verstehen.

B. Die Erhebung

Der Erhebungszeitraum der Befragung liegt im Januar 2009. Angeschrieben wurden überparteilich 162 Personen, die im Zeitraum von 1984 bis 2009 ein Ratsmandat inne

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hatten oder als Sachkundige Bürgerin oder Sachkundiger Bürger in den Ausschüssen des Rates in Gütersloh gewählt waren. Nicht angeschrieben wurden Personen, die verzogen sind oder lediglich in den Beiräten aktiv waren. Damit sind 25 Jahre Gremienerfahrungen Ehemaliger in der Stadt Gütersloh abgefragt worden. Ein noch längerer Rückgriff als auf die letzten 25 Jahre wäre nur bedingt möglich gewesen, da aus den vorausgehenden Jahrgängen bereits zahlreiche Aktive verstorben sind. Die angeschriebene Zielgruppe entspricht der repräsentativen Ratsgröße in Anlehnung an die Größe von Gütersloh als eine Stadt mit weniger als einhunderttausend Einwohnern. Der Befragung liegt ein Fragebogen mit 35 Fragen zugrunde. Diesen hat jeder Vierte Angeschriebene schriftlich beantwortet und zurückgesendet. Die Fragebögen wurden dabei anonym ausgefüllt.

C. Kurze Zusammenfassung

Im Kreis der von uns befragten, ehemaligen KommunalpolitikerInnen waren Gütersloher und Zugezogene gleichermaßen in der Gütersloher Kommunalpolitik aktiv. Als Einstiegsalter in die aktive Kommunalpolitik sind die Altersklassen der 15 bis 25-Jährigen und in einer zweiten Welle die 30 bis 40-Jährigen deutlich erkennbar. Menschen mit Migrationshintergrund waren bisher in den politischen Gremien der Stadt eindeutig unterrepräsentiert. Menschen mit Abitur waren dagegen in den politischen Gremien überproportional vertreten. Das gilt dementsprechend auch für akademische Berufe. Insbesondere Lehrer und Beamte, also staatliches Personal, finden sich in der befragten Zielgruppe. Für die Kommunalpolitik rekurriert wurde der Großteil der Aktiven aus den Parteien. In der Altersklasse der 30 bis 40-Jährigen ging in der Regel ein Engagement in einer Initiative für oder gegen einen Sachverhalt voraus.Die durchschnittliche Verweildauer als Mandatsträger in der Kommunalpolitik lag bei rund zwei Legislaturperioden. Dabei gilt, je später im Lebensalter der Eintritt erfolgte, desto länger blieben diese Aktiven im Amt und wurden schnell zu „kommunalpolitischen Fossilien“. Häufig vorzufinden war die Kopplung der kommunalpolitisch aktiven Arbeit mit dem eigenen Berufsinteresse und der Berufserfahrung. Die durchschnittliche Arbeitszeit eines Kommunalpolitikers für die Politik betrug in der Regel 4,5 Stunden pro Woche. Funktionsträger (Fraktionsvorsitzende oder Ausschussvorsitzende) lagen bei durchschnittlich 12 Wochenstunden.

Häufigste Gründe für den Ausstieg waren insbesondere die starre Parteiräson / Fraktionszwang fehlende Bürgerbeteiligung mangelnde Transparenz innerhalb politischer Entscheidungswege.

Neben systemischen und inhaltlichen Gründen werden ganz deutlich auch „weiche“ Faktoren genannt, wie

fehlende Menschlichkeit in der politischen Arbeit grobe politische Auseinandersetzungen zu viel Selbstdarstellung des politischen Personals.

Alle Langgedienten bleiben der Kommunalpolitik auch nach dem Ausstieg sehr verbunden. Alle Aktiven mit kürzerem Einsatz bewerten die Kommunalpolitik nach dem Ausscheiden bedeutend schlechter. Die Langgedienten nutzen auch weiterhin ihre Kontakte in die Verwaltung. Eine deutliche Mehrheit (59 %) glaubt aber, der Rat werde seiner wichtigsten Aufgabe, nämlich die Verwaltung zu kontrollieren oder zu führen,

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nicht gerecht. 74% aller Befragten informiert sich auch heute noch sehr häufig über das kommunalpolitische Geschehen in der Stadt. Häufigstes Informationsmedium ist mit deutlichem Vorsprung die Tageszeitung.

Nach der aktiven Phase in der Kommunalpolitik erfolgt zu 68% eine aktive Phase in einer anderen Form des Ehrenamtes. Die große Mehrheit der Befragten würde nach dem Ausscheiden aus der Politik nicht nocheinmal ein Mandat übernehmen. Nur wenige würden sich dazu nochmals bitten lassen. Das Ehrenamt in anderen Bereichen biete zudem mehr Wertschätzung, mehr Raum für die persönliche Freiheit und mehr konkrete Gestaltungsmöglichkeiten.

Zu einer größeren demokratischen Teilhabe führe nach Meinung der Mehrheit der Befragten (analog der Beweggründe zum Ausstieg) eine

verstärkte direkte Bürgerbeteiligung, mehr Transparenz in den Entscheidungswegen und interfraktionelles Arbeiten.

Die Wertschätzung für die geleistete Arbeit ist den Befragten wichtiger als eine höhere Aufwandsentschädigung. Wichtigste Eigenschaft eines Politikers ist die Entscheidungsfreudigkeit.

Als Empfehlung für heute politisch Aktive wird ins Stammbuch geschrieben: Mehr interfraktionelles Arbeiten und weniger Taktieren sowie besonders das Bewußtsein, in erster Linie dem Bürger verpflichtet zu sein und

nicht Partikularinteressen Einzelner oder der Wirtschaft Schuldenabbau Visionen für Gütersloh entwickeln

Eine stärkere Beteiligung junger Menschen werde in erster Linie durch das Ernstnehmen junger Menschen erreicht, hier soll das Jugendparlament durch effiziente Partizipation gestärkt werden. Zudem sollen die Sozialraum-Arbeitsgemeinschaften stärker eingebunden werden. Eine stärkere Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund sei nur durch bessere persönliche Kontaktpflege und Einbindung möglich. Das wichtigste kommunalpolitische Thema heute ist für die Mehrheit der Befragten die „Bildungspolitik“, gefolgt von „Haushalt/Schuldenabbau“ und „Stadtplanung“.

D. Das 5-Felder-Programm

Die Ergebnisse lassen sich in einem zukunftsorientierten 5-Felder-Programm bündeln:

Politische Kultur Aufwertung der Kommunalpolitik an sich Aufwertung des Ehrenamtes in der Kommunalpolitik durch persönliche

Wertschätzung Schärfung des Demokratiebewusstseins durch kommunale

„Demokratie-Paten“ schon in Kindergärten und Schulen einer Kommune

Bürger Mehr direkte Bürgerbeteiligung (wagen) Effiziente Beteiligung junger Menschen – besonders: Echte Partizipation des

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Jugendparlaments Effiziente Beteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte

(z.B. Politischer Wissenstransfer in Migrantenselbstorganisationen)

Rat und Verwaltung Weiterentwicklung des operativen Geschäfts der Ratsarbeit analog moderne

Anforderungen nach Teamarbeit, Sachkompetenz und Lösungsorientierung Modernisierung der kommunalpolitischen Arbeitsabläufe zwischen Rat und

Verwaltung, insbesondere der Kommunikation Etablierung öffentlich-strategischer Räume für sachorientiertes,

interfraktionelles Arbeiten Verminderung der Delegation von Entscheidungen auf Dritte Fachliche Fortbildung für Kommunalpolitiker und Verwaltung Ausbildung einer wertschätzenden Gremienkultur Vereinbarkeit von Politik und Familie Echte berufliche Freistellung

Parteien Stärkere Öffnung der Parteiarbeit für Nicht-Parteimitglieder Mitwirkungsmöglichkeiten für Parteilose im Rahmen eines Projektes Sachorientierung contra Fraktionszwang Fachliche und persönliche Qualifizierung des politischen Personals Lokales Mentoring, Einsatz von „Medizinmännern“ Vermeidung von erniedrigenden Aufstiegskämpfen Rückspiegelung von Erfahrungen bei Ausscheiden aus dem Mandat Junge Nachrücker auf vordere Listenplätze

Verfassung NRW Beschränkung der Legislaturperioden von Kommunalpolitikern und

Bürgermeistern auf zwei Perioden Verkürzung der Amtszeit von Dezernenten Änderung des Wahlsystems hin zu Kumulieren und Panaschieren Wegfall des Mandats nach Fraktionswechsel Sozialversicherungspflicht für Ratsmitglieder

E. Fazit

Eine funktionierende kommunale Selbstverwaltung wie sie mit der institutionellen Garantie des Artikels 28 Grundgesetz und des Artikels 78 der Landesverfassung NRW verankert ist, braucht das Engagement der Bürgerinnen und Bürger einer Stadt oder Gemeinde. Die vorliegende Erhebung belegt deutlich, wie reflektiert und qualifiziert sich die ehemaligen Mandatsträger in der Summe in den vergangenen 25 Jahren für die Stadt Gütersloh eingebracht haben.

Feststeht: Der Ausstieg aus der aktiven Kommunalpolitik ist zunächst ein urdemokratischer Vorgang - es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Gremien immer wieder erneuern. Allein der Wissenstransfer nach dem Ausscheiden vieler aktiver Kommunalpolitikerinnen und -politiker stellt sich als schwierig dar: Die gewonnen Kenntnisse werden in der Regel nicht in die Parteien zurückgespiegelt und dort an die nachrückende Generation weitergegeben. Viele mühsam errungene Erkenntnisse und Erfahrungen gehen damit ungenutzt verloren. So können aus Wissen

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und Fehlern (fachlich und persönlicher Art) in der Regel keine Lerneffekte und Effizienzsteigerungen für die zukünftige Ratsarbeit erzielt werden. Jede neue Ratsperiode, jeder neue Einstieg in die Ratsarbeit bedeutet daher für Gewählte einen Sprung ins kalte Wasser – mit unbestimmten (Er)-Folgen. Das gilt für alle Parteien, Fraktionen oder Wählergemeinschaften gleichermaßen.

Und alle Parteien, Fraktionen und Wählergemeinschaften stehen vor dem Problem, auch in Zukunft Aktive für ein Ehrenamt in der Kommunalpolitik gewinnen zu müssen. Ist das Image der Kommunalpolitik auch stark angekratzt und scheinbar nur noch Kürzungen zu vertreten oder der Mangel zu verwalten ist, so stehen die Zeichen für ein politisches Ehrenamt dennoch günstig: Zahlreiche Untersuchungen belegen die hohe Bereitschaft der Bevölkerung, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Deutlich ist auch das generelle Interesse der Bürgerinnen und Bürger an der Kommunalpolitik, da hier das direkte „Lebensumfeld“ gestaltbar ist. Kommunalpolitik ist Gegenstand der Tagesgespräche in einer Stadt - das zeigt sich in der vorliegenden Studie. Zudem wurde in der Befragung deutlich, dass es besonders der politische Zeitgeist war, der Menschen vom reinen Interesse zum aktiven politischen Handeln motiviert hat. Gerade Zeiten des Wandels wie diese der Wirtschafts-und Finanzkrise bieten dazu zahlreiche Themen. Es liegt nun am Politik- und Parteienbetrieb, aktiv zu werden und das Potenzial der Menschen für die politische Interessenvertretung (wieder) zu gewinnen.

Anliegend im Teil II findet sich eine ausführliche DarstellungIm Teil III findet sich der Fragebogen zur Erhebung

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TEIL IIDie Erhebungsergebnisse im Einzelnen:

A. Statistische Grundlagen

44 % der befragten Personen sind Gütersloher, 53 % der Befragten sind nach Gütersloh zugezogen.

Das Altersspektrum der Ehemaligen reicht von 41 bis 80 Jahre. Die weitaus größte Gruppe bildet die Altersgruppe der heute 51 bis 60-Jährigen mit 38%. 24% der Befragten sind in der Altersgruppe der heute 41 bis 50-Jährigen. In der Altersgruppe der heute 61 bis 70-Jährigen befinden sich 21 %, gefolgt von 15 % der heute 71 bis 80-Jährigen. Ohne Angaben blieb ein Person.

Die Mehrheit der Befragten ist deutsch. Einen Migrationshintergrund (eine Person, die aus dem Ausland zugezogen ist oder mindestens einen Elternteil hat, der im Ausland geboren ist) gibt nur ein Befragter an.

In Fragen des Bildungsabschlusses überwiegt eine Mehrheit mit dem Abschluss der Hochschulreife (Abitur) mit satten 56 % der Befragten. 26% der Ehemaligen verweist auf einen Realschulabschluss, 12% gaben den Abschluss Fachhochschule an und 6% der Befragten verfügen über einen Hauptschulabschluss Klasse 9.Die Berufsbilder sind daher überwiegend akademisch geprägt und reichen über eine große Bandbreite. Besonders zahlreich vertreten sind dabei Lehrer und Beamte im weitesten Sinne sowie Berufsbilder aus dem sozialen Bereich. Weniger vertreten sind Berufszweige aus dem Handwerk.

B. Einstellungen zu Gütersloh und Kommunalpolitik

Befragt wurden die ehemaligen Mandatsträger danach, auf welche Weise sie sich Gütersloh verbunden fühlen. Während die zugezogenen Personen mit 21% am häufigsten den Begriff „Heimat“ angeben und zu 15 % der Meinung sind, Gütersloh sei eine Stadt mit vielen gesellschaftspolitischen Initiativen und hoher Lebensqualiät, bewerten die „echten“ Gütersloher diese Einschätzung „viele Initiativen und hohe Lebensqualität“ mit 15% am höchsten und sprechen nur zu 12% von „Heimat“.

Die Wichtigkeit von politischen Entscheidungen in der Kommunalpolitik wird durch den größten Teil der Befragten ganz besonders unterstrichen: Auf einer Werteskala von „eins“ bis „sechs“, die dem Schulsystem gleicht und „eins“ mit „sehr wichtig“ und „sechs“ mit „nicht wichtig“ ausweist, vergeben insgesamt 67% der Befragten die Noten eins und zwei. Dabei bewerten die Zugezogenen dies nuanciert noch höher als die befragten Gütersloher.

C. Politische Aktivität

Besonderes Augenmerk verdient die Auswertung der Frage nach dem eigenen aktiven Eintritt in die Kommunalpolitik. Demnach ergeben sich deutlich zwei Alterskohorten, in denen das politische Interesse in aktives Handeln umschlägt. Die erste Aktivitätswelle liegt in der Altersklasse zwischen 15 und 25 Jahren. Eine zweite Welle des politisch aktiven Lebens findet dann offensichtlich verstärkt wieder statt im Alter

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zwischen 31 und 35 Jahren, mit Ausläufern bis Anfang 40 Jahre. Alle übrigen Alterskohorten liegen weit unter dem Trend und zeichnen sich sichtlich durch größere „Passivität“ aus, was die Übernahme politischer Verantwortung angeht.

Die Gründe für eine aktive Beteiligung differenzieren sich auch hier klar analog der oben genannten Alterskohorten: Die 15 bis 25-Jährigen geben überdurchschnittlich oft an, „etwas außerhalb von Wahlen bewegen/gestalten“ zu wollen. Besonders wichtig war dabei offensichtlich das politische Zeitgeschehen zur Zeit des eigenen aktiven Einmischens in die Politik. Gerade hier werden häufig auch politische Persönlichkeiten als Vorbilder genannt. Besonders heraus sticht dabei die Person Willy Brandt. Zudem sind der Wunsch nach mehr Demokratie sowie nach einem generellen Wertewechsel (herausragend: ökologische und soziale Sicherheit) besonders häufig als Antwort vertreten. Aber auch die Stichworte wie „Neugierde“ und „Lust auf Macht“ werden genannt.

Auch in der Altersklasse der 30 bis 40-Jährigen findet sich besonders häufig der Wille, „politisch etwas verändern zu wollen/den eigenen Lebensraum mitgestalten zu wollen“ sowie der Wunsch nach Beseitigung von Missständen. Ebenso wichtig scheint hier die Strahlkraft der Bundespolitik zu sein, die eine Entscheidung, selbst politisch aktiv zu werden, stark beeinflusst. In dieser Gruppe der Befragten sind die Antworten zudem gekoppelt an konkrete Politikfelder, in denen die Befragten zu Beginn ihrer politischen Laufbahn gerne aktiv werden wollten: Umweltgesichtspunkte standen hier deutlich im Mittelpunkt, gefolgt von der Einstellung, politisches Engagement sei auch eine staatsbürgerliche Pflicht.

Befragt nach dem eigenen politischen Werdegang zeigt sich für beide beschriebenen Alterscluster, also zwischen 15 und 25 Jahren sowie zwischen 30 und 40 Jahren ähnliches: Es sind vorrangig die Parteien, durch die der Kontakt zur aktiven Kommunalpolitik erfolgt. Während die 15 bis 25-Jährigen angaben, besonders durch Peergroups, Familie und ein politisches Umfeld für Politik zunächst „interessiert“ worden zu sein, gibt die Gruppe der 30 bis 40-Jährigen vorrangig an, durch Initiativen für oder gegen einen Sachverhalt ihren Weg in die Parteien und in die Kommunalpolitik gefunden zu haben.

Die jeweilige Verweildauer in den kommunalen Gremien ist zudem sehr eng an das Eintrittsalter gekoppelt. Feststellen lässt sich, dass je später Engagierte in ihrem Lebensalter in die Kommunalpolitk einsteigen, desto länger bleiben sie dort aktiv. Gerade diese „Spätberufenen“ sind es dann auch oft, die zu den sogenannten „Fossilien“ oder „Urgesteinen“ der Kommunalpolitik zählen und über die durchschnittliche Verweildauer von zwei Legislaturperioden weit hinaus in den Gremien aktiv bleiben. Der zeitliche Aufwand der in der Kommunalpolitik Aktiven ist gekoppelt an die ausgeübte Funktion in den Gremien: So sind aktive Rats- oder Ausschussmitglieder mit rund 12 Stunden Arbeitseinsatz in der Woche für die Kommunalpolitik engagiert. Die Arbeitsbelastung der übrigen, nicht in erster Reihe stehenden Aktiven, liegt bei durchschnittlich 4,5 Stunden in der Woche.

Das persönliche Ausstiegsalter aus der Kommunalpolitik lässt sich nicht durch eine bestimmte Häufung auf eine Altersstruktur festlegen, sondern variiert, wobei eine Tendenz zum Ausstieg im Alter von 46 bis 50 Jahren zu erkennen ist.Das aktive Ausscheiden aus der Kommunalpolitik ist zunächst einmal ein urdemokratischer Vorgang: Demokratie lebt u.a. vom Wechsel in den Reihen des

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politischen Personals und vom Wechsel der Regierungs- und Oppositionsparteien.Befragt nach den eigenen Gründen für einen Ausstieg zeigen sich in der vorliegenden Befragung in Gütersloh aber auch sehr kritische Stimmen. Die Beweggründe füllen dabei einen Katalog an Argumenten, der einerseits systemische und inhaltliche Ursachen benennt, aber auch „weiche“ Faktoren der zwischenmenschlichen Beziehungen beinhaltet. An erster Stelle steht für die Mehrheit eine zu starke Parteiräson und ein starrer Fraktionszwang sowie krampfhaftes Festhalten an Parteiprogrammen statt das sachorientierte Ausloten von Lösungen. Es folgen das Fehlen von echter Bürgerbeteiligung, mangelnde Transparenz der Entscheidungswege innerhalb der Politik sowie oftmals mangelnde Sachkenntnis. Besonders kritisch werden die allzu groben politischen Auseinandersetzungen ohne erkennbare Wertschätzung sowie fehlendes interfraktionelles Arbeiten zum Erreichen von Lösungen betrachtet. Fortgesetzt wird die Rangliste mit der Kritik am System an sich: Sitzungszeiten seien oftmals nicht berufskompatibel, es fiel Kritik am d`Hontschen Auszählverfahren, wonach kleine Fraktionen unberücksichtigt bleiben und der Rat unterliege der Vormachtstellung der Verwaltung. Besonders schwer wog in dieser Liste der Ausstiegsgründe das mangelnde Stimmrecht für das Jugendparlament und auch außerparlamentarische Gruppierungen.Die Rangliste der Gründe wird fortgesetzt: Zu viel Reden, zu wenig Handeln; symbolische Machtpolitik einzelner; man müsse Platz machen für Jüngere. Aber auch ganz urmenschliche Gründe wurden vorgebracht, wie etwa das erreichte (hohe) Alter und Umzug in eine andere Stadt oder auch die Verschiebung hin zu anderen Lebensprioritäten.

D. Politische Schwerpunkte

Auf die Frage nach den eigenen politischen Schwerpunkten in der aktiven Zeit ergibt sich eine deutliche Häufung in der Nennung der Berufsfelder „Schule, Umwelt, Jugend, Soziales und Stadtplanung“. Diese Themen werden dabei durch die in den Gremien am stärksten vertretenen Berufsgruppen der Beamten, Lehrer, Hochschullehrer und Juristen repräsentiert. An zweiter Stelle liegen die Berufsbilder aus dem Bereich der Dienstleistungen an sich sowie Berufsbilder sozialer Dienstleistungen. Hier stehen Schwerpunkte wie „Finanzen und Planung“ im Vordergrund, während sich die Berufsgruppe aus Kaufleuten und Verwaltung eher dem Thema „Umwelt“ verschrieben sehen. Fast schon naturgegeben lässt sich ferner feststellen, dass gerade die Mediziner sich den Themen zum Gesundheitswesen verbunden fühlen. Bei allen Nennungen schwingt immer auch das Argument „berufsbedingtes“ Interesse mit, was darauf schließen lässt, dass die jeweiligen Mandatsträger ein großes Maß an eigener Expertise aus dem jeweiligen beruflichen Kontext in die Arbeit der Gremien mit einbringen.

Die weitaus häufigste Nennung der Querschnittsthemen bei allen Befragten ist generell das Thema „Umwelt“, dicht gefolgt von den Schwerpunkten „Bildung, Jugend und Soziales“. Betrachtet man den Zeitpunkt des Einstiegs in die Kommunalpolitik, lässt sich demnach klar ablesen, dass es besonders auch die Zeitgeistthemen sind, die Menschen politisch aktiv werden lassen. Dies ist sicher ein Faktor, den es zu berücksichtigen gilt, wenn mehr Aktive für (Kommunal-)Politik gewonnen werden wollen. Im Übrigen gilt, dass die Vielfalt der Menschen in der kommunalpolitischen Gremienarbeit eine Vielfalt an Beweggründen für ihr jeweiliges Engagement in die Politik mitbringt.

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E. Politisches Leben nach dem Ausstieg

Auf die Frage, wie sehr die Befragten nach ihren Erfahrungen in der Kommunalpolitik und ihrem Ausstieg auch heute noch der Kommunalpolitik verbunden sind, wird diametral geantwortet: Die Langgedienten der Kommunalpolitik bleiben auch nach ihrem Ausstieg der Kommunalpolitik sehr verbunden. Die Bewertungen häufen sich hier in der Skala bei 1 bis 3 (analog der Schulnoten, also 1 gleich „sehr verbunden“ und 6 gleich „nicht verbunden“). Diejenigen, die nur eine kurze oder kürzere Zeit aktiv politisch tätig waren, bewerten ihre Verbundenheit heute eher negativ und rangieren bei den Werten 3,5 bis 6.

Fest steht allerdings, dass sich die deutliche Mehrheit der ehemals Aktiven auch heute noch über politische Entscheidungen auf kommunaler Ebene informiert: 74% der Ehemaligen geben an, sich sehr häufig bis überwiegend häufig zu informieren. Ausnahmslos alle Befragten gaben an, sich dabei durch die Tageszeitung zu informieren. 47% aller Befragten gaben als weitere Informationsquelle das persönliche Gespräch an. Kommunalpolitik scheint dabei also auch ein bedeutendes Thema der Tagesgespräche vom Freundeskreis bis zum Stammtisch innerhalb einer Stadt zu sein. An dritter Stelle folgt das Internet mit 29% der Ehemaligen, die dieses Medium als Informationsquelle über die Gütersloher Kommunalpolitik angeben. Sitzungsbesuche finden dagegen nur noch sehr selten statt.

Ob ehemalige Mandatsträger ihre Verbindungen zu Politik und Verwaltung auch heute noch nutzen, um sich hinter den Kulissen ab und zu in das aktuelle Politikgeschehen einzuklinken, beantworten diejenigen deutlich mit „eher häufig“, die auch besonders lange in der Kommunalpolitik aktiv waren. Dem stimmen rund 38% zu. Diejenigen, die sich selbst nicht mehr so sehr mit der Kommunalpolitik verbunden fühlen, nutzen zu 59% ihre Verbindungen dementsprechend kaum mehr bis gar nicht.

Darüber hinaus verneinen 59% aller Befragten, die Frage, ob gewählte Bürgervertreter die Verwaltung kontrollieren und führen können.

Nach dem Ausstieg aus der aktiven Teilnahme an der Kommunalpolitik ist allerdings nicht gleichzeitig auch das ehrenamtliche Wirken auf Eis gelegt. 68% aller Befragten gibt an, auch nach der kommunalpolitischen Arbeit ehrenamtlich aktiv zu sein. Die jeweiligen Einsatzorte sind dabei breit gefächert. Hauptsächlicher neuer Wirkungsort sind Vereine mit den unterschiedlichsten Ausrichtungen (Sportverein, Heimatverein Förderverein Theater, Solarförderverein, Soziale Vereine). Besonders häufig wird hier das Stichwort „Förderverein Schule“ genannt. Nur sehr wenige der ehemaligen Mandatsträger sind nach ihrem Ausscheiden aus den kommunalpolitischen Ämtern noch in der Partei aktiv. Einige wenige Befragte haben ihren Schwerpunkt auf außerparlamentarische Gruppierungen verlegt wie attac und Gewerkschaften.

Was genau den Unterschied ausmacht zwischen dem kommunalpolitischen Wirken und dem Engagement in anderen Formaten beschreiben die Befragten sehr deutlich: Betont wird hier von fast allen Befragten die größere persönliche Freiheit, die sich vor allem darin ausdrückt, dass ein selbstbestimmteres Arbeiten außerhalb der Politik möglich ist, ebenso wie das lediglich kurzfristige Engagement möglich ist, die Regelmäßigkeit wegfällt, das Formelle fehlt, weniger Zeitaufwand betrieben wird und mehr Zeit fürs Handeln bleibt ohne Projekte zu zerreden. Der Aspekt, in diesem Rahmen mehr Veränderung herbeizuführen als in der Politik, kommt zahlreich zum Ausdruck.

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Engagement in anderen Gruppen als der Politik zeichnet sich offensichtlich auch durch „weiche“ Faktoren aus, wie mehr Menschlichkeit, mehr Wertschätzung der eigenen Leistung, die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten, kein Ärger über Machtgehabe Einzelner, keine Verletzungen der Persönlichkeit, ein gesünderes Leben und größere Ungezwungenheit sowie konkretes Helfen.

Einigikeit herrschte zudem in der negativen Bewertung des politischen Alltags in der Kommunalpolitik, der oftmals durch persönliche Selbstdarstellung, persönliche Bereicherung Einzelner und lediglich symbolische Politik in Form von Reden ohne Handeln bis hin zu „öffentlichen Hinrichtungen“ gekennzeichnet sei. Politik sei ein Geschäft, in dem man viele Feinde habe, auch in der eigenen Partei, heißt es zudem.

Die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, nocheinmal ein Mandat in der Kommunalpolitik übernehmen zu wollen, beantworten dann auch deutliche 65% mit einem klaren „Nein“. Ein Drittel der Befragten gab allerdings an, nochmals aktiv werden zu wollen, allerdings nur unter der Maßgabe, dazu konkret gebeten zu werden und diesen Wunsch nach einem Wiedereinstieg nicht selbst signalisieren zu wollen.

F. Erfahrungen und Lerneffekte

„Was würden Sie in einer zweiten Runde anders machen?“ lautete eine der Anschlussfragen, die sehr differenziert beantwortet wurde. Hier unterscheiden sich wiederum die Ansätze in Form von konstruktiven Rückmeldungen an das „System“ Kommunalpolitik sowie „weiche“ Faktoren, die die eigene Sozialkompetenz ansprechen.Systemische Veränderungswünsche aus dem erworbenen Erfahrungsspektrum heraus wären demnach: mehr direkte Bürgerbeteiligung zulassen, künftig nur ein Aufgabengebiet übernehmen, enger mit der Verwaltung kooperieren, realisierbare Inhalte umsetzen, besseres Zeitmanagement betreiben, Entscheidungen und Entscheidungswege optimieren und überparteiliches also interfraktionelles Arbeiten etablieren. Die weicheren Faktoren setzen sichtbar oft an der eigenen Kompetenz an. So wurden häufig Dinge benannt, die das eigene Verhalten in der Gremienarbeit berühren, wie etwa: Selbstbewusster auftreten und auch unpopuläre Entscheidungen vertreten, die der Sache dienen; routinierter arbeiten und weniger emotional an Themen herangehen; nicht unversöhnlich reagieren; mehr vermitteln und konstruktiver sein; den Menschen mehr zuhören; gelassener auf Angriffe reagieren; mehr auf Freiräume pochen.

Welche Änderungen konkret zu einer größeren demokratischen Teilhabe in Parteien und Kommunalparlamenten führen könnten, beschreibt der größte Teil der Befragten darin, mehr direkte Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Diese Aussage steht unangefochten auf Platz eins. Gefolgt wird dieser Vorschlag von dem Wunsch nach einem veränderten Wahlrecht hin zum „Kumulieren und Panaschieren“, d.h.“Häufeln“ und „Mischen“ bei Personen-Mehrstimmenwahlsystemen in der Kommunalwahl zu ermöglichen. Ebenso wichtig scheint eine höhere Transparenz innerhalb der Kommunalpolitik zu sein sowie eine stärkere Möglichkeit der interfraktionellen Zusammenarbeit zur besseren Lösungskompetenz. Ganz generell wird an diesem Punkt verstärkt die Kritik am System der Kommunalpolitik fortgesetzt: Demnach sollte es eine deutliche Machtverschiebung hin zum Bürgermeisteramt geben, Bürgermeister allerdings nur für zwei Legislaturperioden gewählt werden können ebenso wie auch Ratsmitglieder nur für zwei Legislaturperioden gewählt werden können, Dezernenten

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alle fünf Jahre gewählt werden, bei Fraktionswechsel der Verlust des Mandats erfolgt, bestehender Fraktionszwang abgeschafft wird, verstärkt stadtteilbezogene Aktivitäten etabliert werden und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Politik gewährleistet wird, etwa durch andere Sitzungszeiten sowie nicht-öffentliche Sitzungen abgeschafft werden, um mehr Transparenz in Entscheidungen zu bringen. Kritik an der politischen Kultur an sich findet sich darin wieder, dass Politik nicht mehr versprechen dürfe als später haltbar sei und „Kuhhandel“ hinter den Kulissen geahndet werden müssten.Besonders augenfällig ist, dass in diesem Zusammenhang bereits auf ein höheres Maß an politischer Bildung und auch politischer Kultur hingewiesen wurde: Neben der Forderungen nach Schulungen für Bürger und Verwaltungen in Fragen von Demokratiewissen wurde auch das zeitlich frühere Einbindung von demokratischem Wissen bereits in der Schule angesprochen sowie eine verbesserte politische (Streit-) Kultur angemahnt, die sich u.a. auch in einer kritischen Presseberichterstattung ausdrücken soll.

Feststellen lässt sich zudem, dass Geld in Form von Aufwandsentschädigungen für das Ehrenamt in der Kommunalpolitik nich ausschlaggebend für eine aktive Teilnahme ist. Hier herrscht eine deutliche hohe Zufriedenheit mit dem bestehenden System. Gewünscht wird hier aber sehr deutlich eine stärkere öffentliche Anerkennung für die geleistete Arbeit sowie eine generelle Wertschätzung für das öffentliche Amt in der Kommunalpolitik.

Eine höhere Attraktivität für das politische Ehrenamt könnte demnach ferner sein, mehr direkte Bürgerbeteiligung zu gewährleisten, Stimmrecht auch für das Jugendparlament und andere außerparlamentarische Gruppierungen einzuflechten, den Zugang zum Ratsmandat auch ohne parteipolitische Bindung zu ermöglichen, eine stärkere Rückspiegelung der Arbeit durch die Bürgerschaft zu generieren, eine Sozialversicherungspflicht für Ratsmitglieder einzuführen. Auch hier wird wieder deutlich das interfraktionelle Arbeiten in Arbeitsgruppen angesprochen, fachbezogene Weiterbildungsangebote für Ratsleute sowie sachkundige BürgerInnen gewünscht sowie eine echte berufliche Freistellung für die Arbeit in der Kommunalpolitik und kleinere Ausschüsse. An die eher sachlichen Äußerungen knüpfen sich allerdings immer wieder auch menschliche Kompetenzen an, wie etwa mehr Ehrlichkeit, mehr Respekt vor dem Anderen und generell ein menschlicherer Umgang miteinander in den politischen Gremien.

Als die für einen (Kommunal-)Politiker wichtigste Eigenschaft steht die „Entscheidungsfreudigkeit“ an erster Stelle, gefolgt von den Eigenschaften „Ehrlichkeit“ und schließlich „Sachkunde“. Diese drei Eigenschaften führen die Rangliste der wichtigsten Eigenschaften von Kommunalpolitikern unangefochten an. Mit Abstand folgen Werte wie Unabhängigkeit, Eigenständigkeit und Bürgernähe. Aber auch Autentizität, Kreativität, Toleranz, Unbestechlichkeit, Teamgeist, Engagement und Kommunikationsfreudigkeit wurden darüber hinaus genannt.

G. Empfehlungen aus Erfahrungen

Aus den eigenen Erfahrungen in der Gütersloher Kommunalpolitik heraus ergibt sich eine Desideratenliste für die heute Aktiven in der Stadtpolitik. Ganz deutlich wird diese angeführt von dem Wunsch, verstärkt interfraktionelles Zusammenarbeiten zu etablieren und weniger kalkülpolitisch zu taktieren. An zweiter Stelle rangiert das Bedürfnis nach mehr direkter Bürgerbeteiligung und der Festigung des Bewußtseins,

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dass Kommunalpolitiker in erster Linie den Bürgern einer Stadt verpflichtet sind und nicht den Parteiprogrammen, Verwaltungsmeinungen oder gar Partikularinteressen aus der Wirtschaft. Ein mehr an Austausch mit den Bürgern und der Wunsch nach Rückspiegelung seitens der Bürger sind dabei Synonyme des gleichen Gedankens. An zweiter Stelle und gleich bewertet werden folgende Empfehlungen: Aktive Kommunalpolitiker sollen mutig und entscheidungsfreudig Lösungen umzusetzen, also weniger Stellvertreterentscheidungen durch Gutachten oder andere Sachverständige herbeiführen - und sie sollten weniger eitel agieren oder sich gar durch überzogene Selbstdarstellung oder der Profilierung Einzelner disqualifizieren. Höher im Kurs steht hier der Wunsch, mehr fachliche Kompetenz der Kommunalpolitiker zu generieren.Ganz besonders eindringlich sind auch die Punkte, in Zukunft keine weiteren Schulden anzuhäufen, sondern Schulden abzubauen sowie Visionen für die Stadt Gütersloh zu denken, wie sich die „Fast-100.000-Einwohner-Stadt“ in Zukunft entwickeln soll und welche Schwerpunkte dabei gesetzt werden.Auch ins Stammbuch geschrieben wurde der Wunsch nach einer höheren Fluktuation in den Reihen der Ratsleute mit dem Credo „nicht ewig am Sessel kleben zu bleiben“ und damit verbunden ist der Wunsch, die Frauenquote im Rat und den politischen Gremien deutlich zu erhöhen. Aber auch ein Stimmrecht insbesondere für das Jugendparlament der Stadt wurde hier geäußert.

Die Beteiligung jüngerer Menschen an der Kommunalpolitik ist dann auch vielen Ehemaligen ein besonderes Anliegen. Wie ein stärkeres Engagement jüngerer Nachwuchspolitiker zu verwirklichen sein könnte beantwortet die breite Mehrheit damit, junge Menschen in der Kommunalpolitik generell ernst zu nehmen, verstärkt positive Entscheidungen für jugendpolitische Themen zu fällen, das Jugendparlament aufzuwerten und jungen Menschen frühzeitig auch Verantwortung für „ihre“ Stadt zu übertragen. Hier schließt sich der Wunsch an, das Ansehen der Politik insgesamt zu verbessern, damit Kommunalpolitik aus Interessierten Engagierte gewinnen kann.Weiterhin spricht sich eine Mehrheit der Befragten dafür aus, Demokratieerziehung und damit auch Wissen über Kommunalpolitik bereits in den Kindergärten und Grundschulen anzubieten. Ein dritter Aspekt ist der des Vorlebens von Politik durch Vorbilder in unserer Gesellschaft und im politischen Alltag.

Praktische Hinweise finden sich zudem in den Ideen, junge Menschen bei Wahlen möglichst auf die vorderen Plätze der Parteien zu platzieren, junge Menschen für bestimmte zeitbegrenzte Projekte der Stadtpolitik zu gewinnen, Kinder und Jugendliche in den Rat und Ausschusssitzungen einzuladen oder auch in Bildungseinrichtungen zu tagen. Beklagt wird zudem, dass junge Menschen mit 16 Jahren an den Kommunalwahlen in NRW teilnehmen dürfen, die Politik nach den Wahlen diese Klientel aber oftmals unerhört und unbeteiligt belässt. Herausstechend ist dabei ein Gedanke, in der Stadt überhaupt einmal festzustellen, was ein gemeinsamer Nenner der Gütersloher Jugendlichen überhaupt sein könnte.

Auch die Möglichkeiten einer stärkeren Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an der Kommunalpolitik in Gütersloh wurde abgefragt. Ein deutliches Votum ergab sich darin, dass es einer höheren Akzeptanz zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bedarf und Integration insbesondere durch mehr zwischenmenschliche Kontakte realisiert wird. An zweiter Stelle steht die Überlegung, bestehende Migrantenorganisationen stärker über kommunalpolitische Abläufe und Rechte zu informieren und die Organisationen stärker einzubinden. Hier soll stärker mit Migranten gesprochen werden als über Migranten. Ferner wurde ein mehr an Integration gefordert, ebenso wie Sprachkurse zum Erlernen der deutschen

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Sprache, mehr interkulturelle Dialoge sowie eine stärkere Einbindung der Sozialraum-Arbeitsgemeinschaft der Stadt Gütersloh.

H. Ehemalige und ihre kommunalpolitischen „Highlights“ heute

Das umfassende Thema „Bildung“ ist klarer Favorit der kommunalpolitischen Themen der befragten Ehemaligen heute. Es untergliedert sich in Jugendpolitik, Schulpolitik, Hochschulpolitik für Gütersloh. An zweiter Stelle stehen gleichwertig die Haushaltspolitik der Stadt mit dem Fokus des Schuldenabbaus sowie die Gütersloher Stadtplanung mit dem Schwerpunkt der Innenstadtentwicklung. Position drei belegen mit gleicher Frequenz die soziale Zukunftsfähigkeit der Stadt sowie Umwelt und Natur. Auf die hinteren Plätze, aber mit mehrfacher Nennung, rangieren die Themen „Entwicklung der Stadtwerke Gütersloh“ sowie „Theater-und Kulturlandschaft Gütersloh“.

Folgend: Teil III (Fragebogen)