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Auf der Suche nach Erklärungen für das medizinisch Unerklärte: Modelle und Mechanismen chronischer somatischer Beschwerden
Michael Witthöft
Abteilung Klinische Psychologie, Psychotherapieund Experimentelle Psychopathologie
Kontakt: witthoef@uni-mainz.de
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
• 60 jähriger Patient• Lange Historie medizinisch unerklärter und potentiell
stressbedingter körperlicher Beschwerden in nahezu allen Organsystemen (Beginn ca. mit dem 30. Lebensjahr)
• Trockene entzündete Augen, gastrointestinale u. urogenitale Schmerzen und Missempfindungen, multiple u. schwankende Nahrungsmittel-unverträglichkeiten, Atemwegsbeschwerden, Schmerzen im Bewegungsapparat, etc.
Ein Fallbericht - Herr B.
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
• Permanente Arztbesuchen, die jedoch bislang keine eindeutige organische Ursache liefern konnten
• Abhängig von der jeweiligen Fachrichtung des behandelnden Arztes wurden dem Patienten bislang unterschiedlichste Diagnosen genannt:
• Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS)
• Reizdarmsyndrom (RDS)
• Candida-Syndrom
Ein Fallbericht - Herr B.
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Herr. B: Ausgehend von kürzlichen Konsultationen umweltmedizinischer Fachärzte und eigenen Recherchen im Internet ist der Patienten zu der Überzeugung gelangt, unter Multipler Chemischer Sensitivität (MCS) zu leiden.
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum) (De Ridder et al., 2014, NBR)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Kategorien medizinisch unerklärter Körperbeschwerden
MU(P)S
Symptom. Somatoforme
Störungen (ICD, DSM)
Funktionelle somatische Syndrome
Pathologische Krankheitsängste
Körperliche Beschwerden bei Psych. Störungen
• Fibromyalgie• Reizdarmsyndrom• Chronisch Erschöpf.• EHS• MCS
z.B.• Depression• GAS• Panikstörung
• Somatische Belastungsstörung
• Funktionelle neurologische Störung
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie viel Prozent körperlicher Beschwerden in der ärztliche Primärversorgung sind medizinisch unerklärt (Körber et al., 2011)?
• Einschätzung von 3 Hausärzten
• Ratings jedes einzelnen geschilderten Symptoms bei 308 Personen, ob es sich um ein medizinisch erklärbares oder medizinisch unerklärtes Symptom handelt
76 %
0 % 50 % 100 %
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Prävalenz chronischer körperlicher Beschwerden
(Wittchen et al., European Neuropsychopharmacology, 2011)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wirksamkeit von KVT bei Depression, Angststörung und somatoformen Störungen
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1
1,2Ef
fekt
stär
ke
(Cuijpers et al., 2016; World Psychiatry; Kleinstäuber et al., 2012)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Anzahl von Artikeln (Pubmed 10/2016)
0
50000
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200000
Anz
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el
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie „funktionieren“ chronische Körperbeschwerden und wie können sie effektiv(er) behandelt werden?
1. Strukturüberlegungen (differentielle Perspektive)
2. Mechanismen/Prozesse (experimentelle Perspektive)
3. Veränderungsmöglichkeiten (therapeutische Perspektive)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie stark fühlten Sie sich im Verlauf der letzten 4 Wochen durch die folgenden Beschwerden beeinträchtigt?
Nicht beeinträchtigt
Wenig beeinträchtigt
Stark beeinträchtigt
a. Bauchschmerzen
b. Rückenschmerzen
c. Schmerzen in Armen, Beinen oder Gelenken (Knie, Hüften, usw.
d. Menstruationsschmerzen oder andere Probleme mit der Menstruation
e. Schmerzen oder Probleme beim Geschlechtsverkehr
f. Kopfschmerzen
g. Schmerzen im Brustbereich
h. Schwindel
i. Ohnmachtsanfällt
j. Herzklopfen oder Herzrasen
k. Kurzatmigkeit
l. Verstopfung, nervöser Darm oder Durchfall
m. Übelkeit, Blähungen oder Verdauungsbeschwerden
Der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie stark fühlten Sie sich im Verlauf der letzten 4 Wochen durch die folgenden Beschwerden beeinträchtigt?
a. Bauchschmerzen
b. Rückenschmerzen
c. Schmerzen in Armen, Beinen oder Gelenken (Knie, Hüften, usw.
d. Menstruationsschmerzen oder andere Probleme mit der Menstruation
e. Schmerzen oder Probleme beim Geschlechtsverkehr
f. Kopfschmerzen
g. Schmerzen im Brustbereich
h. Schwindel
i. Ohnmachtsanfällt
j. Herzklopfen oder Herzrasen
k. Kurzatmigkeit
l. Verstopfung, nervöser Darm oder Durchfall
m. Übelkeit, Blähungen oder Verdauungsbeschwerden
Der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D)
1) Generalfaktormodell
G-Soma
Bauchs.
Rückens.
Arme etc.
Menstru.
Geschlv.
Kopfsch.
Brustsch.
Schwind.
Ohnma.
Herzras.
Kurzatm
Verstopf.
Übelkeit
Schlaf
Müdigk.
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D)
2) Mehrfaktorenmodell
Schmerz
Gastro
Kardio
Erschöpf.
Bauchs.
Rückens.
Arme etc.
Menstru.
Geschlv.
Kopfsch.
Brustsch.
Schwind.
Ohnma.
Herzras.
Kurzatm
Verstopf.
Übelkeit
Schlaf
Müdigk.
Wie stark fühlten Sie sich im Verlauf der letzten 4 Wochen durch die folgenden Beschwerden beeinträchtigt?
a. Bauchschmerzen
b. Rückenschmerzen
c. Schmerzen in Armen, Beinen oder Gelenken (Knie, Hüften, usw.
d. Menstruationsschmerzen oder andere Probleme mit der Menstruation
e. Schmerzen oder Probleme beim Geschlechtsverkehr
f. Kopfschmerzen
g. Schmerzen im Brustbereich
h. Schwindel
i. Ohnmachtsanfällt
j. Herzklopfen oder Herzrasen
k. Kurzatmigkeit
l. Verstopfung, nervöser Darm oder Durchfall
m. Übelkeit, Blähungen oder Verdauungsbeschwerden
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D)
4) Bi-Faktormodell
G-Soma
Bauchs.
Rückens.
Arme etc.
Menstru.
Geschlv.
Kopfsch.
Brustsch.
Schwind.
Ohnma.
Herzras.
Kurzatm
Verstopf.
Übelkeit
Schlaf
Müdigk.
Schmerz
Gastro
Kardio
Erschöpf.
Wie stark fühlten Sie sich im Verlauf der letzten 4 Wochen durch die folgenden Beschwerden beeinträchtigt?
a. Bauchschmerzen
b. Rückenschmerzen
c. Schmerzen in Armen, Beinen oder Gelenken (Knie, Hüften, usw.
d. Menstruationsschmerzen oder andere Probleme mit der Menstruation
e. Schmerzen oder Probleme beim Geschlechtsverkehr
f. Kopfschmerzen
g. Schmerzen im Brustbereich
h. Schwindel
i. Ohnmachtsanfällt
j. Herzklopfen oder Herzrasen
k. Kurzatmigkeit
l. Verstopfung, nervöser Darm oder Durchfall
m. Übelkeit, Blähungen oder Verdauungsbeschwerden
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Bi-Faktor-Modell (SOMS-7; N=2548) G-SOMA
(SOMS-7)
Chi² (df): 3707.78 (900); p (Chi²): <.001CFI: .955; TLI: .951; RMSEA: .035; 90% CI RMSEA: .034 - .036
Pseudo-neurol.(SOMS-7)
Gastrointestinal(SOMS-7)
Kardio-respirat.(SOMS-7)
Schmerz(SOMS-7)
SOMS05
SOMS06
SOMS15
SOMS16
SOMS25
SOMS26
SOMS35
SOMS36
SOMS41
SOMS42
SOMS43
SOMS44
SOMS45
SOMS09
SOMS10
SOMS19
SOMS20
SOMS29
SOMS30
SOMS39
SOMS40
SOMS07
SOMS08
SOMS17
SOMS18
SOMS27
SOMS28
SOMS37
SOMS38
SOMS01
SOMS02
SOMS03
SOMS04
SOMS11
SOMS12
SOMS13
SOMS14
SOMS21
SOMS22
SOMS23
SOMS24
SOMS31
SOMS32
SOMS33
SOMS34
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Bi-Faktor-Modell für Interview-Daten (N=257 Hausarzt-Patienten)
G-SOMA(Interview)
Chi² (df): 327.08 (297); p (Chi²): .11CFI: .975; TLI: .970; RMSEA: .020; 90% CI RMSEA: .000 - .032
Pseudo-neurol.(Interview)
Gastrointestinal(Interview)
Kardio-respirat.(Interview)
Schmerz(Interview)
SOMS05
SOMS06
SOMS09
SOMS07
SOMS08
SOMS01
SOMS02
SOMS03
SOMS04
SOMS14
SOMS15
SOMS18
SOMS16
SOMS17
SOMS10
SOMS11
SOMS12
SOMS13
SOMS23
SOMS24
SOMS27
SOMS25
SOMS26
SOMS19
SOMS20
SOMS21
SOMS22
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Was bedeutet die bi-faktorielle Struktur des körperlichen Beschwerdeerlebens?
(De Ridder et al., 2014)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
PHQ-15 und Reizdarmsyndrom (Hausarztpatienten N=308; Witthöft et al., 2013, Int. J. Behav. Med.)
G-SOMA
Bauchschmerzen
Rückenschmer.
Schmerzen Arm
Schmerz Geschl.
Kopfschmerzen
Brustschmerzen
Schwindel
Herzrasen
Kurzatmigkeit
Verstopfung
Übelkeit
Schlafprobleme
Müdigkeit
Gastroenterolog.Symptome
Schmerz
Kardio-pulmon.Symptome
Fatigue-Symptome
Reizdarm-Syndrom
(dichotom)
.38*
.05
.65*
.14
-.03
R² = .59
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Funktionelle Dyspepsie („Reizmagen“)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Funktionelle Syndrome(Barsky & Borus, 1999; Wesseley, Nimnuan, & Sharpe, 1999)
• Multiple Chemical Sensitivity (MCS/IEI)
• Elektromagnetische Hypersensitivität (EHS/IEI-EMF)
• Golfkriegssyndrom (GWS)
• Reizdarmsyndrom (RDS/ IBS)
• Chronic Fatigue Syndrome (CFS)
• Fibromyalgie (FMS)
• Sick Building Syndrome (SBS)
• …
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
„Splitter“-Perspektive
MCS
CFS
RDS
FMS
EHS
PMSGWS
SBS
TMS
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
MCS
CFS
RDS
FMS
EHSPMS
GWS
SBS
TMS
„Lumper“-Perspektive (z.B. Wessely)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Gemeinsame Faktoren
Hybrides Modell
MCS
CFS
RDS
FMS
EHS
PMS
GWS
SBS
TMS
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie „funktionieren“ chronische Körperbeschwerden und wie können sie effektiv(er) behandelt werden?
1. Strukturüberlegungen (differentielle Perspektive)
2. Mechanismen/Prozesse (experimentelle Perspektive)
3. Veränderungsmöglichkeiten (therapeutische Perspektive)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie „funktionieren“ chronische Körperbeschwerden und wie können sie effektiv(er) behandelt werden?
1. Strukturüberlegungen (differentielle Perspektive)
2. Mechanismen/Prozesse (experimentelle Perspektive)
3. Veränderungsmöglichkeiten (therapeutische Perspektive)
Lernen/Konditionierung(klassisch u. operant)
Interozeption
Erwartung u. Attribution(Nocebo-Effekt)
Negativer Affekt
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
UR(Symptom
z.B. Atemnot)
US(Giftstoff)
US(Stress)
US(Hyperventilation)
CS(Geruch)
Modell der klassischen Konditionierung
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
UR(Symptom
z.B. Atemnot)
CS(Geruch)
Modell der klassischen Konditionierung
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum) (Van den Bergh et al., 2002)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Beispiel 2: Lernprozesse (klassisch und operant)
[ab Minute 14; funktionelle neurologische Störung (Konversionsstörung)]
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Fig. 2. Average pattern of heart rate and linear heart rate variability indices which demonstrated significant changes before, during, and after PNES episodes. The blue line represents the average HR/HRV characteristic, with 95% confidence intervals in gray. E...Sylvie J.M. van der Kruijs, Kristl E.J. Vonck, Geert R. Langereis, Loe M.G. Feijs, Nynke M.G. Bodde, Richard H.C. Lazeron, Evelien Carrette, Paul A.J.M. Boon, Walter H. Backes, Jacobus F.A. Jansen, Albert P. Aldenkamp, Pierre J.M. Cluitmans
Autonomic nervous system functioning associated with psychogenic nonepileptic seizures: Analysis of heart rate variability Epilepsy & Behavior, Volume 54, 2016, 14–19
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Fig. 1. Peri-ictal heart rates (HR) normalized to baseline in complex partial (CPS) and psychogenic nonepileptic (PNES) seizures. *P < 0.05. **P < 0.01.
Claus Reinsberger, David L. Perez, Melissa M. Murphy, Barbara A. Dworetzky
Pre- and postictal, not ictal, heart rate distinguishes complex partial and psychogenic nonepileptic seizures
Epilepsy & Behavior, Volume 23, Issue 1, 2012, 68–70
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Fazit: Lernprozesse bei chronischen körperlichen Beschwerden
• Umweltreize (z.B. Gerüche) können über klassische Konditionierung zu Beschwerdeauslösern werden
• Operante Mechanismen (z.B. negative Verstärkung) tragen zur Chronifizierung bei
• Mechanismen bei chronischem Schmerz gut untersucht, jedoch nicht bei MU(P)S allgemein
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie „funktionieren“ chronische Körperbeschwerden und wie können sie effektiv(er) behandelt werden?
1. Strukturüberlegungen (differentielle Perspektive)
2. Mechanismen/Prozesse (experimentelle Perspektive)
3. Veränderungsmöglichkeiten (therapeutische Perspektive)
Lernen/Konditionierung(klassisch u. operant)
Interozeption
Erwartung u. Attribution(Nocebo-Effekt)
Negativer Affekt
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Negativer Affekt und körperliche Beschwerden
(N=1054; Walentynowicz et al., under review)
NA = Negativer Affekt (z.B. PANAS)
(Shackman et al., Psych. Bull. 2016)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Negativer Affekt und körperliche Beschwerden
KörperlicheBeschwerden
Negative Affektivität
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Negativer Affekt und körperliche Beschwerden
KörperlicheBeschwerden
Negative Affektivität
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Negativer Affekt und körperliche Beschwerden
• Bilder aus dem International-Affective-Picture-System (IAPS)
• 20 neutral• 20 positiv• 20 negativ• 20 Symptom-bezogen• Präsentationszeit jeweils 8 s
2 Gruppen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern:
• 24 Personen mit vielen Beschwerden
• 24 Personen mit wenigen Beschwerden
(Bogaerts et al., 2009, Psych. Health)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Negativer Affekt und körperliche Beschwerden
(Bogaerts et al., 2009, Psych. Health)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Negativer Affekt und körperliche Beschwerden
Geringere Schmerzschwellen u. Schmerztoleranz nach Induktion von Ärger und Traurigkeit bei Patientinnen mit Fibromyalgie (im Vergleich zu gesunden Personen)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Fazit: Negativer Affekt und körperliche Beschwerden
KörperlicheBeschwerden
Negative Affektivität
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie „funktionieren“ chronische Körperbeschwerden und wie können sie effektiv(er) behandelt werden?
1. Strukturüberlegungen (differentielle Perspektive)
2. Mechanismen/Prozesse (experimentelle Perspektive)
3. Veränderungsmöglichkeiten (therapeutische Perspektive)
Lernen/Konditionierung(klassisch u. operant)
Interozeption
Erwartung u. Attribution(Nocebo-Effekt)
Negativer Affekt
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Interozeption: Hypervigilanz-Hypothese
Patientinnen und Patienten mit chronischen körperlichen Beschwerden (z.B. somatoforme Störung) besitzen eine verbesserte Fähigkeit, körperinterne Reize wahrzunehmen.
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Kognitives Modell der Panikstörung (Clark, 1986)
Source: Clark, D.M. (1986). A cognitive approach to panic. Behaviour Research and Therapy, Volume 24, Issue 4, 1986, Pages 461-470.
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Filtermodell somatoformer Beschwerden (Rief & Barsky, 2005)
Faktoren, die physische Signale verstärken:-Übererregung-Distress/neg. Affekt-Chronische Stimulation der HHN-Achse-Sensitiziation-Dekond.-etc.
Körpersignale Filtersystem Kortikale Perzeption
Faktoren, die Filteraktivität vermindern:-Selektive Aufmerksamkeit-Infektionen-Krankheitsangst-Depressivität-Mangel an Ablenkung (sensorische Depr.)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Filtermodell somatoformer Beschwerden (Rief & Barsky, 2005)
Körpersignale Filtersystem Kortikale Perzeption
(Ceunen, Vlaeyen & Van Diest, 2016)
(Craig, 2002, N
ature Rev. N
euros.)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Filtermodell somatoformer Beschwerden (Rief & Barsky, 2005)
Körpersignale Filtersystem Kortikale Perzeption
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Erfassung von Interozeptionsfähigkeit bei somatoformen Störungen (Schaefer,…, Witthöft, 2012, J. Abn. Psych)
Paradigma zur Herzratenwahrnehmung nach Schandry
Tonsignal(Start)
a) 25 Sekunden
Tonsignal(Ende)
Bericht: Anzahl?
b) 35 Sekundenc) 45 Sekunden
htatsächliceHerzschlägAnzahlgezählteHerzschlägAnzahlhtatsächliceHerzschlägAnzahl
ahrnehmungHerzratenw
,,,,,,
1*3/1
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Stichprobe
• 23 Patienten mit Somatoformer Störung (DSM-IV)(Somatisierungsstörung, Schmerzstörung, undifferenzierte SFS diagnostiziert nach SKID-I; mind. 3 medizinisch nicht erklärte Symptome für mind. 6 Monate)
• 27 gesunde Kontrollpersonen (ohne psychische Störung nach DSM-IV)
• Keine Gruppenunterschiede bzgl. Alter, Geschlecht, BMI, Herzrate und Blutdruck
(Schaefer, Egloff & Witthöft, 2012, J. Abn. Psych.)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Ergebnisse: Interozeption (Schandry-Aufgabe)
00,10,20,30,40,50,60,70,80,9
Inte
roze
ptio
n Sc
hand
ry-A
ufga
be
Kontrollgruppe SFS-Gruppe
t(48) ≤ .01, p > .99, d ≤ .01
n=27 n=23
(Schaefer, Egloff & Witthöft, 2012, J. Abn. Psych.)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Ergebnisse: Interozeption(Herzraten-Signalentdeckungsaufgabe)
00,20,40,60,8
11,21,41,6
Sens
itivi
ty d
'
Kontrollgruppe SFS-Gruppe
t(48) = .15, p = .88, d = .05
n=27 n=23
(Schaefer, Egloff & Witthöft, 2012, J. Abn. Psych.)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Beschwerdeerleben und Interozeption
Ergebnis:
Korrelation zwischen Anzahl somatoformerSymptome und Herzraten-detektionsfähigkeit(r = -.45)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Auswirkung eines Interozeptionstrainings auf somatoforme Beschwerden(Schaefer, Egloff, Gerlach & Witthöft, 2014, Biolog. Psychol.)
• 29 Patienten mit somatoformer Störung nach DSM-IV
• Training der Fähigkeit den eigenen Herzschlag wahrzunehmen (ca. 20 Minuten)
Herzraten-wahrnehmung
(t1)
Training der Herzraten-
wahrnehmung
Herzraten-wahrnehmung
(t2)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
00,10,20,30,40,50,60,70,80,9
1
Wartegruppe Trainingsgruppe
Inte
roze
ptio
n Sc
hand
ry-A
ufga
be prä post
Ergebnisse: Interozeptionstraining
t(22)= -1.80, p=.09, d=0.22 t(28)= -4.85, p≤.01, d=0.55
(Schaefer, Egloff, Gerlach & Witthöft, 2014, Biol. Psychol.)
*
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Ergebnisse: Aktuelles Befinden
(Schaefer, Egloff, Gerlach & Witthöft, 2014, Biolog. Psychol.)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Fazit: Interozeption bei chronischen körperlichen Beschwerden
• Nicht akkurater
• Tendenziell eher ungenauer und verzerrter
• Training interozeptiverGenauigkeit könnte das Beschwerdeerleben senken
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Wie „funktionieren“ chronische Körperbeschwerden und wie können sie effektiv(er) behandelt werden?
1. Strukturüberlegungen (differentielle Perspektive)
2. Mechanismen/Prozesse (experimentelle Perspektive)
3. Veränderungsmöglichkeiten (therapeutische Perspektive)
Lernen/Konditionierung(klassisch u. operant)
Interozeption
Erwartung u. Attribution(Nocebo-Effekt)
Negativer Affekt
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
http://www.dailymail.co.uk/news/article-3339511/Schoolgirl-15-hanged-developing-allergic-reaction-WiFi-school.html
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Übersicht zu Provokationsstudien im Bereich der Elektromagnetischen Hypersensitivitität(IEI-EMF)• 45 Blind- bzw. Doppelt-Blind-
Studien
• N=1175 Personen mit IEI-EMF Fragestellung: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Exposition mit EMF und dem Symptomerleben bei Personen mit IEI-EMF?
• Keine Evidenz für einen biologischen Zusammenhang zwischen EMF-Exposition und Symptomerleben
• Studienergebnisse sind gut mit Erklärung über einen „Nocebo-Effekt“ vereinbar
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Medienberichterstattung zu IEI-EMF
0
10
20
30
40
50
60
70
80
Electromagnetic Non-electromagnetic No information
Proz
ent d
er B
eric
hte
Art der Ursache
UK Norway
Qualitative content analyses of newspaper articles(2006-2010/2011)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Randomisierte Zuweisung von 147 Personen (Allgemeinbevölkerung)
WiFi-Gefährdungsfilmn = 76
(BBC Panorama)
Kontroll-Filmn = 71
(BBC News report)
T2: Erfassung von Gesundheitssorgen und körperlichen Beschwerden (CSD)
Schein-Exposition mit starkem neuen WiFi-Signal (15 minutes)
T2: Erfassung von Gesundheitssorgen und körperlichen Beschwerden (CSD)
Einfluss von Medienberichten auf das Symptomerleben bei EHS (Witthöft & Rubin, 2013, JPSR)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Film über die Gefahren von WiFi-Strahlung (BBC Panorama; 4,6 Mio. Zuschauer)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
WiFi-Scheinexposition (Dauer 15 Minuten)
(Witthöft & Rubin, 2013, J. Psychos. Res.)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
44,9 42,5
8,7 3,90
102030405060708090
100
Überhauptnicht
Etwas Ziemlich Stark
Proz
ent
Bitte geben Sie an, wie stark Sie Ihre Symptome und Empfindungen auf das elektromagnetische Feld
zurückführen.
Symptomattribution während der Scheinexposition
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Beschwerdeanstieg nach WiFi-Scheinexposition
Fazit: Bedrohliche Informationen in Kombination mit einer ängstlichen Erwartungshaltung begünstigen die Entstehung von Symptomen(Nocbo-Effekt)
1
1,1
1,2
1,3
1,4
1,5
1,6
1,7
1,8
Totalscore
Anxiety/Gastro.
Head/Concentrat.
Tingling
Symptom types (CSD)
CSD
sym
ptom
scor
e (ln
)
T2 (before shamexposure)
T3 (after shamexpsosure)
ß (interaction term) = .22P = .008
ß (Interaktion) = .22p = .008
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Prinzip aktiver Inferenz
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Ursprungsmodell der Symptomwahrnehmung bei MU(P)S
Somatischer Input (körperliche
Veränderung)
Kognitive Verarbeitung
(Wahrnehmung, Fehlinterpretation)
Entstehung einer Symptom-
wahrnehmung
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Predictive-Coding-Modell der Symptomwahrnehmung
“Prior”
(Vorhersage/Erwartung
hinsichtlich eines Symptoms)
Vergleich des sensorischen Inputs
mit der Erwartung (Prior)
(Generierung eines Vorhersage-Fehlers)
(Van den Bergh, Witthöft, Petersen & Brown, submitted)
Weniger detaillierte Verarbeitung sensorischer Information(d.h. stärker verzerrt und weniger akkurat)
Fehlerminimierung und Generierung einer Symptom-wahrnehmung
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Zusammenfassung
• Hinweise auf Trennung zwischen affektiv-motivationaler und sensorische Komponente der Symptomwahrnehmung
• Entstehung und Aufrechterhaltung von körperlichen Symptomen durch Prozesse der klassischen und operanten Konditionierung gut belegt
• Starke Zusammenhänge zwischen chronischen körperlichen Beschwerden und negativem Affekt
• Weniger akkurate Interozeption erscheint mit einem höheren Beschwerdebericht assoziiert
• Negative Erwartungshaltung kann Symptome erzeugen bzw. verstärken (Nocebo)
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Interozeptions-Training
Interozeptive ExpositionAbbau von Sicherheit- und Vermeidungsverhalten; systemat. Desensibilis.
Psychoedukation; Verhaltensexperimente; Reattribution; Abbau von Sicherheitsverhalten
Stressreduktion; Maßnahmen zur Förderung von PA
12. Jahreskongress Psychotherapie (22./23.10.2016, Bochum)
Danke!
University of Cologne:Alexander Gerlach
University of Marburg:Urs NaterRicarda MewesMaria Kleinstäuber
University of Mainz:
Wolfgang HillerBoris EgloffFabian Jasper
Steffi Körber, Dirk Frieser,Natalie Steinbrecher, Noelle Loch, Susann Krautwurst, Maribel Kölpin,Manuela Schäfer, KatrinRiebel
Central Institute of Mental Health, Mannheim:Josef Bailer
University of Münster:
Fred Rist
King’s College, London:James RubinSimon Wessely
KU LeuvenOmer van den Bergh
University of ManchesterRichard Brown
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