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Am Kampf gegen Doping scheiden sich die Geister: Die einen sehen darin eine Kern-aufgabe des Sports, die anderen rufen nach staatlichen Gesetzen. Die einen halten den Kampf für „verloren“ oder „scheinheilig“, die anderen glauben an einen langfristigen Erfolg. Welche Mittel aber stehen dem Sportrecht überhaupt zur Verfügung? Sind die Satzungen und Anti-Doping-Ordnungen der Verbände letztlich stumpfe Schwerter? Oder entwickelt sich im Kampf gegen Doping ein neues internationales Sportrecht, das als Vorbild auch für andere Bereiche des Sports dienen kann?
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„Verlorener Kampf“? – Greifen die
sportrechtlichen Instrumente gegen Doping? Doping stellt die Chancengleichheit und damit die Grundlage des Sports in Frage. Folgerichtig spielen im
Wettbewerb um Preis- und Werbegelder Anti-Doping-Vorschriften eine immer bedeutsamere Rolle. „Wer
Sport treibt, muss die Antidopingreglements kennen“, sagt der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker
aus der Kanzlei Wüterich Breucker. „Das gilt für den Profi wie für den Freizeitsportler“. Denn auch ein
unachtsam eingenommenes Medikament oder Nahrungsergänzungsmittel kann Doping sein und zur
Disqualifikation im Wettbewerb und einer anschließenden Sperre führen.
Breucker engagiert sich seit Jahren im Anti-Doping-Kampf, unter anderem als Anwalt der Welt Anti-Doping
Agentur. Aber ist der Kampf gegen Doping nicht schon verloren? Zu diesem Fazit kommt der Tübinger
Sportwissenschaftler Professor Dr. Helmut Digel in seinem Buch „Verlorener Kampf“. Die entscheidenden
Beteiligten seien an einer wirklichen Aufklärung und Bekämpfung nicht interessiert, schreibt Digel: „Es muss
deshalb von einem verlorenen Kampf gesprochen werden“. Auch der Heidelberger Molekularbiologe
Professor Dr. Werner Franke kritisiert den Anti-Doping-Kampf in Deutschland: Es fehle eine juristische
Herangehensweise an das Doping-Problem wie es die US-Anti-Doping-Agentur USADA etwa gegenüber
Lance Armstrong gezeigt habe, sagte Franke im ZDF-Morgenmagazin. Demgegenüber will IOC-Präsident Dr.
Thomas Bach den Anti-Doping-Kampf verschärfen: „Wir wollen die Kontrollen noch intelligenter gestalten“,
versprach Bach in einem Interview mit den Fränkischen Nachrichten. „Der Schwerpunkt muss sich weiter auf
die Zeiten außerhalb des Wettkampfes verschieben!“ forderte Bach. Welche juristischen Instrumente stehen
dem Sport für den Anti-Doping-Kampf überhaupt zur Verfügung? An welchen rechtlichen Stellschrauben kann
und muss gedreht werden, um den Kampf gegen die „Hydra“ Doping zu führen?
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„Grundgesetz“: Welt Anti-Doping Code
Die 1999 von Sportorganisationen und staatlichen Regierungen gegründete Welt Anti-Doping Organisation
(WADA) verfasste und beschloss den Welt Anti-Doping Code (WADC). Dieses „Weltgrundgesetz des
Dopings“ trat 2004 in Kraft und regelt die Grundlagen des Anti-Dopingkampfes. Es definiert „Doping“ nicht nur
als Einnahme verbotener Medikamente oder Anwendung verbotener Methoden, sondern etwa auch als
Umgehung eines Tests oder als Manipulation des Dopingkontrollsystems. Auf eine konkrete
Leistungssteigerung kommt es dabei nicht an. Der Code regelt, wer den Dopingverstoß beweisen muss, wie
eine Dopingprobe zu nehmen und zu analysieren ist und welche Sanktionsverfahren und Rechtsmittel sich
daran anschließen. Zugleich setzt er die wesentlichen technischen und medizinischen Standards für die oft
komplexen Verfahren.
„Bedenkt man, wie schwer sich internationale Organisationen oft mit verbindlichen Verträgen tun, ist der in
kurzer Zeit geschaffenen Welt Anti—Doping Code ein fast schon sensationeller Erfolg!“ so Anwalt Marius
Breucker zuletzt auf dem Deutschen Richter- und Staatsanwaltstag in Weimar. Dick Pound, langjähriger
Präsident der WADA, sieht im Welt Anti-Doping Code trotz aller Schwierigkeiten ein wirkungsvolles
Instrument: Die spektakulären Entdeckungen und Verurteilungen der letzten Jahre, etwa der Fall des US-
Radsportlers Lance Armstrong, hätten gezeigt, was eine gute und seriöse Anti-Doping Agentur erreichen
könne. „Das ist eine Bestätigung des Systems“, so Pound gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
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Transformation in Anti-Doping-Ordnungen
Wie aber wirkt der Welt Anti-Doping Code? Die nationalen und internationalen Sportverbände sind
verpflichtet, die Vorgaben des WADC in ihre eigenen Verbandsordnungen umzusetzen. Auf diese Weise
werden die Regelungen des Welt Anti-Doping Codes in die einzelne Sportart transformiert und erlangen
Verbindlichkeit gegenüber jedem einzelnen Sportler: „Der Mechanismus ähnelt der Umsetzung einer EU-
Richtlinie“, erläutert Anwalt Marius Breucker. Die Verbände müssen die Vorgaben des WADC aber nicht nur in
ihre Anti-Doping-Ordnungen schreiben; sie müssen auch dafür Sorge tragen, dass der einzelne Athlet an
diese Ordnung rechtswirksam gebunden ist. Die Verbände schließen hierzu regelmäßig Lizenz- oder
Athletenvereinbarungen mit den Sportlern. Die WADA überwacht die Einhaltung der Vorgaben des Welt Anti-
Doping Codes und rügt säumige Verbände. Zugleich ist sie Kompetenzzentrum für medizinische und
organisatorische Fragen und unterstützt in dieser Funktion die Verbände, die nationalen Anti-Doping-
Organisationen und die von ihr weltweit akkreditierten biochemischen Labore. Auch den einzelnen Athleten
steht sie als Ansprechpartner zur Verfügung. So nahmen die Rechtsanwälte Marius Breucker, Christoph
Wüterich und Matthias Breucker in ihrer Stuttgarter Kanzlei im Auftrag der WADA die Aussagen zahlreicher
„Doping-Kronzeugen“ entgegen.
Nationaler Anti-Doping Code
Als weltumspannende Organisation kann die WADA nur die Basis schaffen und Koordinationsarbeit leisten. In
den einzelnen Ländern organisieren die nationalen Anti-Doping Agenturen („NADAs“) den Anti-Doping-Kampf.
Sie agieren rechtlich und organisatorisch selbständig, sind also keine „Filialen“ der WADA. In Deutschland
erlässt die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) den Nationalen Anti-Doping Code (NADC). Dieser ist
wiederum von den deutschen Sportverbänden umzusetzen. Schon bei ihrer Gründung im Jahr 2002 hob der
Sportrechtler Professor Dr. Ulrich Haas die Bedeutung der NADA für den gesamten Sport hervor:
„Sportpolitisch ist die NADA das größte und interessanteste Projekt seit langer Zeit“. Nach anfänglichen
Schwierigkeiten aufgrund unzureichender materieller und personeller Ausstattung, fasste die NADA nach und
nach Tritt. „Die Rolle der NADA hat sich in den letzten Jahren gewandelt“, erläutert Marius Breucker:
Ursprünglich hatte sie die Aufgabe, die Vorgaben des Welt Anti-Doping Codes in Deutschland umzusetzen,
den nationalen Anti-Dopingkampf zu koordinieren und Verbände und Sportler zu beraten. In den letzten
Jahren übernahm die NADA darüber hinaus operative Aufgaben: Sie führt für viele Sportverbände Trainings-
und Wettkampfkontrollen und das „Ergebnismanagement“ durch. Das heißt, sie ermittelt bei aufgetretenen
Verdachtsfällen und führt im Falle eines Dopingverstoßes ähnlich einer „Anklagebehörde“ das gesamte
Disziplinarverfahren durch. Die Auslagerung der Kontrollen auf die NADA wird überwiegend begrüßt.
Gleichwohl konnten etwa im Jahr 2013 in 8.106 Trainingsproben nur 50 Mal verbotene Substanzen gefunden
werden. Bei einer solchen Quote von 0,04 % stellt sich die Frage, ob das System greift. Andererseits heben
Anti-Dopingkämpfer auch die abschreckende Wirkung der Kontrollen hervor.
Die Aktivitäten und Mahnungen der NADA werden den Sportlern bisweilen auch zu viel: So kritisierte 800-
Meter-Olympiasieger Nils Schumann die Fokussierung auf den Anti-Doping-Kampf. Er befürchtet dadurch
eine schwindende Attraktivität etwa der Leichtathletik für die Jugend: „Ich habe manchmal den Eindruck, dass
Themen wie der Anti-Doping-Kampf einen viel höheren Stellenwert haben als die Nachwuchsförderung“,
sagte Schumann in einem Interview mit dem Internet-Portal „www.trainingsworld.de“. Schumann stellt die
Stoßrichtung seiner Aussage klar: „Natürlich spielt der Kampf gegen Doping eine wichtige Rolle, aber ich habe
das Gefühl, die Relationen gehen verloren.“ Andererseits belegen die spektakulären Dopingfälle und die
Geständnisse mehrerer „professioneller“ Doper die Bedeutung des Problems für den Sport und die
Notwendigkeit seiner effektiven Bekämpfung.
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Anti-Doping-Verfahren
Sollte sich ein Dopingverdacht erhärten, folgt ein Dopingsanktionsverfahren. Dieses kann zu einer Sperre des
Sportlers führen, ist aber rechtstechnisch kein „Strafverfahren“: Da die NADA eine privatrechtliche Stiftung ist,
richtet sich ihr Rechtsverhältnis zum einzelnen Athleten nach dem Zivilrecht. Das sportgerichtliche Anti-
Doping-Verfahren unterscheidet sich aber in vielerlei Hinsicht von einem „normalen“ Zivilprozess: Regelmäßig
verhandelt über einen Dopingfall zunächst ein verbandsinternes Disziplinarorgan („Disziplinarkommission“
oder „Verbandssportgericht“). Gegen dessen Entscheidung kann der Unterlegene Rechtsmittel einlegen.
Denkbar ist der Weg vor ein staatliches Zivilgericht. In der Regel schließen der Verband und der Sportler aber
die staatliche Gerichtsbarkeit in einer Schiedsvereinbarung aus und einigen sich auf die Zuständigkeit eines
Schiedsgerichts. Der Unterlegene kann dann etwa das Deutsche Sportschiedsgericht bei der Deutschen
Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) anrufen. Es wurde 2008 gegründet und ist ein echtes
Schiedsgericht im Sinne der Zivilprozessordnung. Das Sportschiedsgericht trifft auf nationaler Ebene die
abschließende Entscheidung. In Dopingverfahren schreiben der Welt Anti-Doping Code und der Nationale
Anti-Doping Code als letzte Rechtsmittelinstanz zwingend den Internationalen Sportschiedsgerichtshof –
Court of Arbitration for Sport (CAS) – in Lausanne vor. Die Athleten müssen also bis zu einer endgültigen
Entscheidung unter Umständen drei Instanzen durchlaufen. Dies kann zu langwierigen Verfahren führen. Der
oft betonte Vorteil der Sportschiedsgerichtsbarkeit, schnell zu einer Entscheidung zu gelangen, wird so nicht
immer eingelöst.
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„Auslagerung“ der Verfahren
Viele Sportverbände sparen sich mittlerweile ein verbandsinternes Verfahren und sind dazu übergegangen,
bereits die erstinstanzliche Zuständigkeit auf das Deutsche Sportschiedsgericht zu übertragen. „Dies hat für
die Verbände mehrere Vorteile“, erläutert Marius Breucker: „Zum einen entlasten sie sich organisatorisch,
wenn die oft aufwendigen Verfahren nicht mehr von eigenen Verbandsorganen geführt werden müssen.
Zudem reduzieren sie ihr Haftungsrisiko.“ Die Causa Pechstein hat gezeigt, dass sich ein Verband im Falle
einer Dopingsperre Schadensersatzklagen beeindruckenden Ausmaßes ausgesetzt sehen kann. Das
Haftungsrisiko wird reduziert, wenn der Verband die Ermittlungen auf die NADA und das anschließende
Verfahren auf das Deutsche Sportschiedsgericht auslagert. Gerade in medizinisch und juristisch komplizierten
Dopingfällen können die Verbände die Expertise der NADA und der DIS nutzen. „Die Arbeitsteilung ist
Ausdruck der zunehmenden Professionalisierung der sportrechtlichen Verfahren“, sagt Breucker, der selbst
als Schiedsrichter am Deutschen Sportschiedsgericht tätig ist.
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Anhaltende Herausforderung für den Sport
Der Sport muss sich dem Anti-Doping-Kampf stellen, ob er will oder nicht. Zunehmend treten staatliche
Akteure auf den Plan, um dem Dopingproblem mit Gesetzen und hoheitlichen Befugnissen zu begegnen. Da
der Sport manches weder leisten kann noch leisten will, wird er dieser Unterstützung auch bedürfen. Die
Frage ist, ob er dauerhaft eine eigene Kompetenz in der Dopingbekämpfung bewahren kann. Im Kampf gegen
Doping verteidigt der Sport nicht nur seine Werte, sondern auch seine Autonomie. Die rechtlichen Instrumente
– so umstritten sie im Detail sind – liegen mit dem Welt Anti-Doping Code, dem Nationalen Anti-Doping Code
und den entsprechenden Verbandsregelwerken und Schiedsordnungen vor. Entscheidend kommt es auf
deren Umsetzung an. Inhaltlich sind für den Ausgang der sportrechtlichen Ermittlungen nicht zuletzt
intelligente Testverfahren und wissenschaftliche valide Nachweismethoden maßgeblich. Daran wird sich der
Sport messen lassen müssen. Denn die professionellen Doper sind immer auf dem neuesten Stand von
Wissenschaft und Technik. Eine Chance liegt in den indirekten Nachweismethoden, namentlich den
individuellen Blutprofilen. Anwalt Christoph Wüterich sieht darin einen entscheidenden Ansatz. Denn damit
können individuelle Abweichungen vom „normalen“ Blutbild eines einzelnen Athleten ermittelt und auf
Dopingrelevanz überprüft werden. Gerade beim indirekten Nachweis müssen aber „strenge rechtsstaatliche
Standards gewahrt werden“, mahnt Marius Breucker, will man nicht die Legitimation des Anti-Dopingkampfes
in Frage stellen. Mediziner und Juristen bleiben gefordert.
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Anwalt Marius Breucker: “Sport muss auch im Kampf gegen Doping rechtsstaatliche Standards wahren”
Dieser Beitrag wurde unter Artikel abgelegt und mit Anti-Doping, Anti-Doping-Kampf, Anti-
Doping-Vorschriften,Doping, Dopingprobe, Dopingverstoß, Dr. Marius Breucker, Kanzlei Wüterich
Breucker, Medikament,Nahrungsergänzungsmittel, Rechtsanwalt Dr. Marius
Breucker, Sport verschlagwortet.
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