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2015 feiert die Jugendburg Ludwigstein mit ihrem 600-jährigen Bestehen ein bedeutendes Jubiläum. 1415 gab der hessische Landgraf Ludwig I. den Bau der Feste zum Schutz der Grenze in Auftrag, seitdem liegt eine bewegte Geschichte hinter der Wappenburg des Werra-Meißner--Kreises. Die HNA veröffentlicht in loser Reihenfolge eine Serie zu bedeutenden Ereignissen der vergangenen sechs Jahrhunderte rund um die Burg. 1515: Ein Hansteiner als Amtmann auf dem „Gegenhanstein“ Das Machtgefüge in der Region verschiebt sich Von Nicole Demmer und Dr. Susanne Rappe-Weber Zur Zeit ihrer Gründung galt die Burg Ludwigstein wegen ihrer besonderen Lage als Grenzfestung gegen „Mainz“ und gegen die Burg Hanstein. Während die Hansteiner die Interessen der mainzischen Kurfürsten in der Region vertraten, sollten die Amtleute auf Burg Ludwigstein hier die Ansprüche der Kasseler Landgrafen behaupten. Allerdings ging es den Niederadligen vorrangig darum, ihre eigenen Machtoptionen zu behalten. Die Hansteiner legten sich darum lange Zeit nicht eindeutig fest: So engagierte sich Werner von Hanstein in Auseinandersetzungen im Eichsfeld, bekleidete aber auch ein Amt als Marschall am hessischen Landgrafenhof (1471). Auch sein Sohn, Christian von Hanstein, begann seine Laufbahn in mainzisch-kurfürstlichen Diensten, orientierte sich dann aber komplett neu. Er erwarb Burg und Amt Ludwigstein, wurde später landgräflicher Statthalter in Kassel und begleitete den jungen Landgraf Philipp. Von 1515 bis 1532 bildete der gut dotierte Besitz auf Burg Ludwigstein den Ausgangspunkt für Christian von Hansteins hessische Karriere. Aus dieser Zeit sind hier erhebliche bauliche Verbesserungen belegt, etwa die Fenster über dem heutigen Rittersaal und der Kamin im Musikzimmer. Die Einführung der Refomation seit 1525 vertiefte das neue Verhältnis der Hansteiner zu Hessen und damit zur Burg Ludwigstein. Während das Erzbistum Mainz und seine Untertanen bei der alten Lehre blieben, also „katholisch“ wurden, führte Landgraf Philipp von Hessen in seinem Territorium die neue Glaubenslehre ein. Damit wurden seine hessischen Untertanen „lutherisch“. Für die Adelsfamilien der Region galten diese Festlegungen allerdings nicht – sie entschieden in dieser Frage selbstständig. Für die von Hanstein tat sich mit der Reformation die Möglichkeit auf, in ihren Dörfern die Prediger selbst zu bestimmen. Zunehmend schlug sich der ganze Adelsverband auf die Seite der neuen Lehre und nahm schließlich 1579 den Protestantismus als Familienbekenntnis an. In ihren hansteinschen Dörfern richteten sie protestantische Kirchen ein, in Gerbershausen benannten sie 1592 gar einen Superintendenten. Die Orientierung „gen Hessen“, nicht gegen Hessen, verfestigte sich. Auch die Burg Ludwigstein hatte intensiven Anteil an den reformatorischen Umbrüchen, wurde hier doch der Kammerdiener Landgraf Philipps, Christoph Hülsing, 1540 samt seiner Ehefrau Barbara von der Saale als Amtmann eingesetzt. Barbaras Schwester, Margarethe, war die Zweitfrau des Landgrafen, eine Ehe die nach Zögern sogar von den großen Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchton und Martin Bucer gebilligt wurde; und das, obwohl Bigamie nach Kirchenrecht verboten war und sogar unter Todesstrafe stand. Barbara führte auf der Burg das Amt, solange Christoph Hülsing verhindert war, und erwirkte später als Witwe eine stattliche Abfindung für sich und ihre Töchter. Eine der baulichen Veränderungen während der Reformationszeit war der Kamin im heutigen Musikzimmer.

1515: Ein Hansteiner als Amtmann auf dem „Gegenhanstein“ · 2015 feiert die Jugendburg Ludwigstein mit ihrem 600-jährigen Bestehen ein bedeutendes Jubiläum. 1415 gab der hessische

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2015 feiert die Jugendburg Ludwigstein mit ihrem 600-jährigen Bestehen ein bedeutendes Jubiläum. 1415 gab der hessische Landgraf Ludwig I. den Bau der Feste zum Schutz der Grenze in Auftrag, seitdem liegt eine bewegte Geschichte hinter der Wappenburg des Werra-Meißner--Kreises. Die HNA veröffentlicht in loser Reihenfolge eine Serie zu bedeutenden Ereignissen der vergangenen sechs Jahrhunderte rund um die Burg.

1515: Ein Hansteiner als Amtmann auf dem „Gegenhanstein“

Das Machtgefüge in der Region verschiebt sich

Von Nicole Demmer und Dr. Susanne Rappe-Weber

Zur Zeit ihrer Gründung galt die Burg Ludwigstein wegen ihrer besonderen Lage als Grenzfestung gegen „Mainz“ und gegen die Burg Hanstein. Während die Hansteiner die Interessen der mainzischen Kurfürsten in der Region vertraten, sollten die Amtleute auf Burg Ludwigstein hier die Ansprüche der Kasseler Landgrafen behaupten. Allerdings ging es den Niederadligen vorrangig darum, ihre eigenen Machtoptionen zu behalten. Die Hansteiner legten sich darum lange Zeit nicht eindeutig fest: So engagierte sich Werner von Hanstein in Auseinandersetzungen im Eichsfeld, bekleidete aber auch ein Amt als Marschall am hessischen Landgrafenhof (1471). Auch

sein Sohn, Christian von Hanstein, begann seine Laufbahn in mainzisch-kurfürstlichen Diensten, orientierte sich dann aber komplett neu. Er erwarb Burg und Amt Ludwigstein, wurde später landgräflicher Statthalter in Kassel und begleitete den jungen Landgraf Philipp. Von 1515 bis 1532 bildete der gut dotierte Besitz auf Burg Ludwigstein den Ausgangspunkt für Christian von Hansteins hessische Karriere. Aus dieser Zeit sind hier erhebliche bauliche Verbesserungen belegt, etwa die Fenster über dem heutigen Rittersaal und der Kamin im Musikzimmer.

Die Einführung der Refomation seit 1525 vertiefte das neue Verhältnis der Hansteiner zu Hessen und damit zur Burg Ludwigstein. Während das Erzbistum Mainz und seine Untertanen bei der alten Lehre blieben, also „katholisch“ wurden, führte Landgraf Philipp von Hessen in seinem Territorium die neue Glaubenslehre ein. Damit wurden seine hessischen Untertanen „lutherisch“. Für die Adelsfamilien der Region galten diese Festlegungen allerdings nicht – sie entschieden in dieser Frage selbstständig. Für die von Hanstein tat sich mit der Reformation die Möglichkeit auf, in ihren Dörfern die Prediger selbst zu bestimmen. Zunehmend schlug sich der ganze Adelsverband auf die Seite der neuen Lehre und nahm schließlich 1579 den Protestantismus als Familienbekenntnis an. In ihren hansteinschen Dörfern richteten sie protestantische Kirchen ein, in Gerbershausen benannten sie 1592 gar einen Superintendenten. Die Orientierung „gen Hessen“, nicht gegen Hessen, verfestigte sich.

Auch die Burg Ludwigstein hatte intensiven Anteil an den reformatorischen Umbrüchen, wurde hier doch der Kammerdiener Landgraf Philipps, Christoph Hülsing, 1540 samt seiner Ehefrau Barbara von der Saale als Amtmann eingesetzt. Barbaras Schwester, Margarethe, war die Zweitfrau des Landgrafen, eine Ehe die nach Zögern sogar von den großen Reformatoren Martin Luther, Philipp Melanchton und Martin Bucer gebilligt wurde; und das, obwohl Bigamie nach Kirchenrecht verboten war und sogar unter Todesstrafe stand. Barbara führte auf der Burg das Amt, solange Christoph Hülsing verhindert war, und erwirkte später als Witwe eine stattliche Abfindung für sich und ihre Töchter.

Eine der baulichen Veränderungen während der Reformationszeit war der Kamin im heutigen Musikzimmer.

Zanner und Blecker - Karikaturen des Mittelalters

Es sind ein „großen Monstrosischen abscheulichen Kopff, und seltzames Gesichte, in Stein gehauen, welches des geschwinden Baumeisters Ebenbild sein soll“, schreibt der Illustrator Matthäus Merian in seiner „Topographia Hassiae“ von 1646. Gemeint sind damit die beiden steinernen Gesichter an der Südostecke der Burg Ludwigstein. Der Legende nach sollte der so genannte „Rufer“ landgräfliche Hilfe durch Schutzzauber bei Angriffen gegen die Burg herbeiholen. Vom „gegen Burg Hanstein“ gerichteten „Neidkopf“ sagt man, dass er zur Verspottung der

feindlichen Burg diente. Sicher ist hingegen: beim „Rufer“ handelt es sich – kunsthistorisch betrachtetet – um einen „Blecker“ und beim „Neidkopf“ um einen „Zanner“, die beide vornehmlich die Aufgabe hatten, den Betrachter auf ironisch-witzige Weise zum Lachen zu reizen – quasi als Vorformen der heutigen Karikaturen.

Übrigens: Jahrzehntelang hielt sich wechselseitig zwischen Burg Hanstein und Burg Ludwigstein das Gerücht, dass nicht ein „Neidkopf“ die andere Burg verspottet, sondern – viel schlimmer – ein in Stein gemeißeltes Hinterteil. Vom Gegenteil überzeugen konnte sich wegen der innerdeutschen Teilung kaum jemand. Erst 1989, mit dem Fall der Mauer, löste sich die Legende nahezu in Wohlgefallen auf. Wobei auch heute noch ab und an Burgbesucher nach einem steinernen Po Ausschau halten ...

Burkard Waldis – Vom Bettelmönch zum evangelischen Priester

Nicht wenige katholische Geistliche wechselten im Zuge der Reformation ihren Glauben. Einer von ihnen war Burkard Waldis, der um 1490 im nahe der Burg Ludwigstein gelegenen Allendorf als Bürgersohn zur Welt kam. 1522 wurde er im lettischen Riga Mitglied des Franziskaner-Ordens und damit Bettelmönch. Bereits zwei Jahre später geriet er in Haft und konvertierte im Gefängnis zum neuen Bekenntnis. Nach Heirat und einer Karriere als Zinngießer unternahm er ausgedehnte Reisen. Zudem verfasste er 1527 seine erste von zahlreichen Fabeln, die ihn zu einem berühmten Dramatiker machen sollten. 1536 geriet Burkard Waldis erneut wegen ketzerischer Umtriebe für vier Jahre in Haft. Gezeichnet durch Gefängnis und Folter kehrte er nach Nordhessen zurück. 1541 begann er ein Theologiestudium in Wittenberg und bekleidete von 1544 bis zu seinem Tod 1556 die Pfarrstelle und Probstei in Abterode am Meißner. Hier entstand 1548 sein wichtigstes Werk, die Fabelsammlung „Esopus. Ganz neugemacht und in Reime gefasst“.

Neidkopf alias „Zanner“ (links) und Rufer alias „Blecker“ sollten die Besucher zum Lachen anregen.