2005-06-0179

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German Language in Austria

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  • Rudolf Muhr - Vervielfltigung und Nachdruck nur mit Genehmigung des Autors

    Das sterreichische Deutsch im berblick

    1. Merkmale des sterreichischen Deutsch im berblick

    Sprache:

    Eigenmerkmale der Aussprache auf der Basis der bairischen Mundarten.. Unterschiede in der Betonung (besonders bei zweisilbigen Wrtern). Relativ starker Einflu aus den heimischen Mundarten.

    Zahlreiche lexikalische Entlehnungen aus den umliegenden Nachbarsprachen. Weniger Eindeutschungen und strkere Verwendung von sog. "Fremdwrtern" -

    besonders aus den klassischen Sprachen (Latein, Griechisch). Nichteindeutschung der Aussprache von Lehnwrtern aus anderen Sprachen. Unterschiede in der bernahme neuerer Entlehnungen.

    Vorliebe fr Verkleinerungsformen. Zahlreiche Unterschiede bei der Verwendung von Prpositionen. Zahlreiche Unterschiede bei der Verwendung von Adverbien. Erheblich geringere Verwendung von Modalpartikeln. Unterschiede im phraseologischen Bereich. Funktional beschrnkte und generell stark reduzierte Verwendung des Prteritums und

    Plusquamperfekts. Strkere Verwendung konjunktivischer Formen. Zahlreiche Unterschiede im semantischen Bereich (ber- bzw. Unterdifferenzierung)

    Sprachverhalten:

    Generelle innersprachliche Mehrsprachigkeit: Die Sprecher beherrschen in der Regelmehrere Varianten des sterreichischen bzw. Deutschen.

    Genereller Wechsel zwischen den Sprachvarianten in Abhngigkeit von Hrer, Situation,Intention, Rolle etc. - mit regionalen Unterschieden in Ost-Westrichtung. D. h. de factoZweisprachigkeit und funktional angepate Verwendung.

    Generelle Nichtverwendung der kodifizierten Standardsprache im Alltag - stattdessenStandard nach Innen - Varianten oder regionale Varianten.

    Starke Betonung der regionalen Zugehrigkeit zu einem Bundesland (trotz teilweisegeringer sprachlicher Unterschiede).

    Starke Beachtung von Rang und Hierarchie des Gesprchspartners Differenzierte Wahl der Gru- und Anredeformen. Starke Verwendung von Titel und Rangkennzeichen. Grere Indirektheit im ffentlichen Bereich und grere Direktheit im privaten. Ambivalentes Verhalten in Konfliktsituationen. (Jein-Sager). Betonung von Kompromifindung und Konfliktvermeidung als oberste

    Handlungsmaximen.

  • -2- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Identitt:

    Relativ starke Bindung der Identitt an regionale Zugehrigkeit. Staatsnationale Identitt mit starkem Zugehrigkeitsgefhl bei gleichzeitiger starker innerer

    Gruppendifferenzierung. Korporatistische Sozialstrukturen. Josefinische Einstellungen zu Politik und eigenem politischem Handeln. Zahlreiche Monopole in Politik und Wirtschaft. Starke Betonung der Geschichte und Stellung als "alte" Kulturnation.

    1. Lexikalische Unterschiede zum Deutschlndischen Deutsch(nach Sachbereichen geordnet):

    1. Zahlreiche lexikalische Unterschiede zum Bundesdeutschen (nach Sachbereichengeordnet):

    1. Haus und Umgebung des Wohnortes

    Aufzug, der / Lift, der Fahrstuhl, derBassena, die (heute Schimpfwort) Wasserleitung auf dem Gang von

    Stockhusern (veralt.)Einfahrt, die / Hauseinfahrt Hausflur, derGang, der / Hausgang, der Hausflur, derGemeindebau, der / Gemeindewohnung,die

    Wohnhaus im Besitz der Stadtgemeinde

    Grtzel, das Huserblock / Gruppe von Husern oderMenschen

    Stiege, die / Stiegengelnder, das /Stiegenhaus, das

    Treppe, die / Treppengelnder, das /Treppenhaus, das

    Vorhaus, das Hausflur, derKamin, der (in der Wohnung) Kamin, derRauchfang, der / Kamin, der Kamin, der / Schornstein, derFensterstock, der Fenstereinfassung, der / Fensterstock

    2. Wohnung

    Eiskasten, der / Khlschrank, der Khlschrank, derFauteuil, das Polstersessel, derFleckerlteppich, der Flickenteppich, derHausbesorger, der / Hausmeister, der Hauswart, der / HausmeisterHausbesorgerposten, der ~ posten, derHausherr, der / Hausfrau, die Hauswirt, der / Zimmerwirt, derKastel, das Kstchen, dasKasten, der Schrank, derluten, an der Glocke, / anluten klingeln / schellenNachtkstchen, das Nachttisch, derPlafond, der Zimmerdecke, die

  • -3- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Speis, die / Speisekammer, die Speisekammer, dieSpeisezimmer, das Ezimmer, das (Wohnung) /

    Speisezimmer (Gasthaus)Stellage die Regal, dasStockerl, das Hocker, derStuhl, der / Sessel, der Stuhl, derTuchent, die Federbett, dieTrglocke, die Trklingel, dieTrschnalle, die / Fenserschnalle, die Trklinke, die / Fensterdreher, derVorzimmer, das Korridor, der / Flur, der / Diele, dieZins, der / Mietzins, der(Gesetzessprache)

    Miete, die

    Zinshaus, das / Mietshaus, das Mietshaus, das

    3. Geschirr, Kche - Haushaltsgegenstnde

    Abwasch, die Sple, dieabwaschen splenBartwisch, der Kehrbesen, der / Handbesen, derFetzen, der / Reibtuch, das /Aufwischfetzen

    Putzlappen, der / Scheuertuch, das

    Hfen, der Topf, derHferl, das Becher, derKaffeelffel, der Teelffel, derpracken geruschvoll schlagen / hauenPracker, der / Fliegen~ Teppichklopfer, der / Fliegenklatsche, dieRein, die Schmortopf, der / TopfReindel, das kleiner -Schmortopf / TopfRohr, das / Ofenrohr, das / Backrohr, das Rhre, die / Ofenrhre, dieSchale, die Tasse, dieStamperl, das Schnapsglschen, das / Likrglas, dasStoppel, der Flaschen~ / Korken, der Korken, derTasse, die Untertasse, die / Kaffeetasse, die

    4. Lebensmittel - Speisen - Zubereitung

    Dotter, der Eigelb, dasEiklar, der / das Eiwei, dasGerm, die / Germteig, der / Germkndel,der

    Hefe, die / Hefeteig, der

    Panier, die / panieren Hlle von Schnitzeln, Schnitzel zubereitenSauerrahm, der saure Sahne / saurer RahmSaure Milch, die / Sauermilch, die Dickmilch, dieSchlagobers Schlagsahne, dieSchlagobers, der / Schlag, der / Obers,das

    Sahne, die

    Semmelbrsel, die geriebene Semmel / SemmelmehlStaubzucker, der Puderzucker, derTopfen, der / Topfenstrudel, der Quark, der / Quarkstrudel, derTopfenkuchen, der Ksekuchen, der

    Fleischsorten

  • -4- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Bauchfleisch, das LappenstckBeinfleisch, das Spannrippe, die / Querrippe, dieBeiried, das Roastbeef, das / Rumpfstck, dasBeuschel, das LungenhascheeDebreziner, die stark gewrztes WrstchenExtrawurst, die Schlackwurst, die / Ausnahme, diefaschieren (ital./franz. farcire) durch den Fleischwolf drehenFaschiertes Hackfleisch, dasGeselchtes, das Rauchfleisch, dasGrammeln, die Grieben, dieHendel, das / Brathendel / Backhendel Hhnchen, das / BrathhnchenKalbskarree NierenbratenstckKalbsstelze KlabshaxeKarree, das / Schweinskarree /Selchkarree

    Kotelett, Rippespeer

    Lungenbraten, der Filetbraten, der / Lendenbraten, derSchlegel, der / Lamm~ Keule, die / Lamm~Schopfbraten, der KammSchweinsbraten / Rindsbraten Schweinebraten, der / Rinderbraten, derselchen ruchernStelze, die Eisbein, dasSulz, das Slze, dieSurfleisch, das Pckelfleisch, dasTafelspitz, der Blume, Rose

    Obst und Gemse

    Champignons, die (weie) Pilze, dieEierschwammer, die Pfifferlinge, dieGrapefruit, die Pampelmuse, dieHuptelsalat, der Kopfsalat, derKohlrabi, der Kohlrbe,dieKraut, das (Wei~ / Rot~) Kohl, der / Wei~ / Rot~Kren, der Meerrettich, derMarille, die Aprikose, dieMelanzani, die Aubergine, dieOrange, die Orange, die / Apfelsine, dieParadeiser, das / Tomate, die Tomate, dieRibisel, die Johannisbeere, die / schwarze / rote ~Ringlotte, die Rene-Claude, dieRosenkohl, der Sprossenkohl, der / KohlsprossenSalathuptel, das Salatkopf, dasSchwammerl, die Pilze, dieSchwarzbeere, die Heidelbeere, dieWeichsel, die Sauerkirsche, dieZwetschke, die Pflaume, die / Zwetschge, die

    Speisen

    Backerbsensuppe, die Mehlerbsensuppe, dieEierspeise, die Rhrei, das

  • -5- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Einbrenn, die Mehlschwitze, dieEinbrennsuppe, die Einmachsuppe, dieFrankfurter Wrstel Wiener Wrstel, dieFrittatensuppe, die Fldlesuppe, dieKndel, der Klo, der / Kndel, derKoch, das Brei, der / Mus, dasPrre, das / Erdpfel~ Brei, der / Kartoffel~Rindssuppe, die Fleischbrhe, die / Kraftbrhe, die

    BouillonSuppe, die Suppe, die / Brhe, dieWrstelstand, der Kiosk

    Sspeisen

    Golatsche, die Backware mit Topfen geflltPalatschinke, die Pfannkuchen, derSchmarren, der / Kaiser~ ser zerstoener PfannkuchenSchmarrn, der wertloses Zeug

    Brotsorten

    Brtchen, das belegtes SandwichbrtchenScherzel, das Brotkanten, der / Brotanschnitt, derSemmel, die / der Brtchen, dasStriezel, der Stollen, derWecken weier, der weier BrotlaibWeckerl kleines lngliches Brot

    Mahlzeiten

    Jause, die / jausnen Zwischenmahlzeit am Vormittag undNachmittag

    Nachtmahl, das / Abendessen, das Abendessen, das

    Schule

    Beistrich, der Komma, daseinsagen vorsagenFederpennal, das / Federschachtel, die Federbchse, dieFerialkurs, der Ferienkurs, derFllfeder, die Fller, derGegenstand, der / Pflicht~, Frei~ Schulfach, dashartes "b"/ weiches "b" Ausdrcke fr [b] und [p]Klassenvorstand, der Klassenlehrer, derMatura, die Abitur, dasMittelschule, die Gymnsium, das / Gesamtschule, dieMittelschullehrer, der GymnasiallehrerMittelschulprofessor, der Studienrat, der / Oberstudienrat, derMaturant, der Abiturient, derRepetent, der Klassenwiederholerscharfes "s" eszetSchularbeit, die Klassenarbeit, die

  • -6- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Strichpunkt, der Semikolon, dersupplieren Eine Stunde fr einen anderen Lehrer

    unterrichtenSupplierstunde, die Ersatzstunde fr einen ausgefallenen

    LehrerTaferklasse, die erste KlasseTaferlklassler / Erstklassler Schulanfnger 1. Kl. GrundschuleVolksschule, die Grundschule, die

    Unterschiedlicher Lehn- und FremdwortgebrauchEinflu der Nachbarsprachen / der ehemaligen Sprache des Hofes:

    1. bernahmen aus dem Italienischen:

    1. Assekuranz(en) Versicherung(en)2. Bassena Brunnen, Wasserholstelle am Gang.3. Biskotten Sgebck4. da capo nocheinmal5. Fritatte Suppeneinlage aus geschnittenen

    Pfannkuchen6. Gschpusi Liebelei7. Karfiol Blumenkohl8. Krampus Krampus9. Lamento Klagen, Jammern10. Marende (Tirol) Jause11. Mezzanin (Wien) Halbstock12. Mischkulanz Durcheinander13. petschiert blamiert, benachnachteiligt14. Salettl Gartenhuschen15. Spomernadeln Umstndlichkeiten16. strawanzen herumlaufen17. Tschik Zigarette, Zigarettenstummel

    2. Einflsse aus dem Franzsischen

    1. Bagasche Schimpfwort: "Gesindel"2. Blamage / blamieren sich / jm. blostellen3. degutant ekelhaft4. fad sein langweilig5. Falott Gauner6. Filu kleiner Gauner7. Gusto Lust auf etw. / Geschmack,8. gutieren gefallen, schmecken9. Karree Fleischstck vom Schwein10. Kavalier Kavalier11. Kurasch Mut, bermtigkeit12. kuschen ruhig sein13. Maleur Unglck14. Plafond Zimmerdecke15. Rayon Polzeidistrikt16. Rechaud (nicht mehr gebr.) Gaskocher17. tour und retour (Bahn) einfach / hin und zurck

  • -7- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    18. Trottoir Gehsteig / Brgersteig19. ungustis abstoend20. Ungustl unangenehmer Mensch21. touchieren berhren

    3. Einflsse aus dem Tschechischen / Slowakischen

    1. Buchteln Mehlspeise (Hefegebck)2. Dalken Mehlspeise3. Golatsche Mehlspeise4. Kaluppe altes Haus/Htte5. Kren Meerrettich6. lepschi gehen auf Liebesabenteuer gehen7. Liwanzen Mehlspeise8. Palawatsche Bretterbhne9. pomali langsam10. Powidl Marmelade11. Schpsernes Lammfleisch12. Tuchent Federbett

    4. Einflsse aus dem Ungarischen

    1. Batschi Onkel, Proteg2. Gulasch, das Gulasch, Szegediner~3. Maschekseite Hinterseite4. Palatschinke, die Pfannkuchen5. Schinakl, das kleines Boot6. Teschek, der der Dumme / Blamierte

    5. Einflsse aus dem Lateinischen

    1. Advokat, der Rechtsanwalt2. expedieren rauswerfen, wegschicken3. Gaude Spa4. genieren schmen5. herumkommandieren jm. herumschicken6. justament um jeden Preis7. karniffeln peinigen8. Konzipient Rechtsanwaltsgehilfe9. maltrtieren schlecht behandeln10. Ordinariat, das Lehrstuhl11. Ordination Arztpraxis12. Pennal, das; Feder~ Federschachtel, die13. Primar Chefarzt14. rabiat grob, wild15. riskieren wagen. trauen16. Schnitzel panieren Schnitzel mit Brsel zubereiten17. sekkieren jm. qulen, plagen18. Spezi Busenfreund19. stantapede auf der Stelle20. verspekulieren verrechnen

  • -8- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Unterschiede aufgrund spezifischer Wortbildungen undunerschiedlicher Verwendungen

    1. er-Suffix bei Substantiven

    Finanzer, der Finanzbeamter, derGreiler, der Lebensmittelhndler /-geschftHaberer, der BusenfreundMaronibrater, der Kastanienverkufer, derPostler, der Postbeamter, derRaunzer, der mimutiger MenschStreberer, der Streber, der

    2. er-Suffix bei Nominalzahlen (mit unterschiedlichem Artikel)

    der Einser, der Zweier, der Dreier, ... derZwlfer usw.

    die Eins, die Zwei, die Drei, ... die Zwlferusw.

    In der Schule habe ich einen Einserbekommen.

    In der Schule habe ich eine Einsbekommen.

    3. Morpheme zum Ausdruck fr Bruchzahlen sind -tel und entel

    drei / drittel drittelsieben / siebentel siebtel

    4. Diminuitiva auf -el / -erl (teilw. lexikalisiert)

    1. Binkerl, Herz~ Goldkind,2. bisserl bichen3. Brettel, das Brettchen, das4. Busserl, das Kchen, das5. Christkindl, das Christkind, das6. Fleckerl, das Fleckchen, das7. Hascherl, das armes Wesen8. Hendl, das Hhnchen, das9. Kammerl, das Kammer, die10. Kipferl, das Hrnchen, das11. Krgel, das (Bier) Ma, die12. Laberl, das Laibchen, Weichling13. Nockerl, das Nocke, die / Klo, der14. Reindl, das Rein, die / Topf, der15. Salzstangerl, das Salzstange, die16. Schwammerl, das Pilz, der17. Stamperl, das Schnapsglas, das18. Stberl, das Stbchen, das / Stube, die19. Tratscherl, das Plauderei, die20. Wrstel, das Wurst, die / Wrstchen, das21. Zuckerl, das Bonbon, das

    5. Die Ableitungen mit -eln bei Verben

  • -9- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    1. abkrageln kaltmachen, erledigen2. anbandeln sich mit jm. einlassen3. durchwursteln durchschlagen4. fratscheln jm. ausfragen5. kraxeln klettern6. packeln paktieren7. zndeln mit dem Feuer spielen

    6. Die Ableitungen mit -ieren bei Verben

    1. delogieren zum Ausziehen zwingen / rauswerfen2. eruieren herausfinden, ausfindig machen3. exekutieren Auftrag ausfhren4. konkurrenzieren / konkurrieren konkurrieren5. novellieren Gesetz neufassen6. pragmatisieren fest anstellen7. refundieren ersetzen8. sekkieren belstigen, qulen9. strichlieren stricheln10. tranferieren versetzen11. verklausulieren verklauseln12. vidieren beglaubigen

    7. Unterschiedliche Kombinationen von Prfixen und Verben

    beheben (Geld, Post) abheben, abholenverkstigen bekstigenbeklagen / Beklagte, der anklagen / Angeklagte, dereinbekennen eingestehen : bekennen

    8. Unterschiede bei Adverbien: Bdeutung und Wortbildung

    1. allseits; ~ vertretene Meinung allerseits, berall2. ansonst / ansonsten sonst, andernfalls,3. auen / drauen drauen4. da hier5. dahier hier6. dort da7. durchwegs durchweg8. ehestens mglichst bald9. herauen hier drauen / drauen10. herinnen hier innen / drinnen11. heroben hier oben / oben12. herum umher13. heuer dieses Jahr14. hie und da hier und da15. hiefr hierfr16. im nachhinein hinterher17. im vorhinein im voraus18. im vornhinein im voraus19. jngst; die ~ erstellte Liste neulich, krzlich20. ober oberhalb21. fters fter

  • -10- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    22. rckwrts hinten23. untertags tagsber24. weiters weiterhin25. weiters weiterhin, auerdem, sonst

    9. Unterschiede bei Adjektiven: Bedeutung und Bildung

    1. allfllig; fallweise, etwaig2. Allflliges (auf der Tagesordnung) Verschiedenes3. benutzen/bentzen benutzen4. bld blde5. brenzlich / brenzlig brenzlig6. desolat heruntergekommen7. deziert entschieden8. ehebaldig so bals als mglich9. eminent herausragend10. fallweise etwaig, von Fall zu Fall vorkommend11. frbig; zwei~, mehr~ farbig12. grauslich grausig13. hinterhltig hinterhaltig14. konziliant entgegenkommend15. neuerlich erneut, wiederholt16. sterlich osterlich17. quasi gewissermaen18. rapid rapide19. renitent widersetzend20. schwulstig schwlstig21. seinerzeitig; der ~ Antrag damalige, frhere22. solid solide23. stichhltig stichhaltig

    10. Pronomina

    jedweder jeder, jeglicher11. Zusammensetzungen aus Prposition + Lokaladverb / Verb / Nomenmit

    teilw. starker Bedeutungsvernderung

    1. anstehen auf jm.; nicht auf seine Hilfe~

    angewiesen sein;

    2. aufdrehen (Licht) andrehen, einschalten3. aufliegen (Listen) ausliegen4. aufscheinen erscheinen5. aufscheinen auftauchen, erscheinen6. aufzahlen (auch sdt.) zuzahlen, daraufzahlen7. auschnaufen verschnaufen8. ausfolgen verabfolgen, aushndigen, ausstellen

    (Dokument)9. ausheben (Briefkasten) ausnehmen, herausnehmen, leeren10. auskommen entkommen, entwischen11. auskommen mit jm. sich gut verstehen12. auslangen ausreichen, langen13. auslassen (auch sdt.) 1. nachlassen, 2. loslassen, freilassen

  • -11- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    14. ausreden sich herausreden, Ausrede gebrauchen15. ausreden sich aussprechen, Herz ausschtten16. ausrinnen (auch sdt.) herausrinnen17. ausspotten verspotten18. ausstndig ausstehend, fehlend19. ausstecken; "es ist ausgesteckt" herausstecken, (Heurigen Wein

    ankndigen)20. inbegriffen einbegriffen21. inliegend einliegend, anbei22. niederlegen sich schlafen legen23. niedersetzen sich sich setzen24. niederstoen umwerfen, umstoen25. berkhlen kurz/leicht abkhlen26. bertragen abgetragen27. bertrocknen kurz/leicht abtrocknen28. unterkommen vorkommen, geschehen

    I. Syntaktische Unterschiede

    A. Artikel und Genus von Substantiven

    1. Artikelgebrauch bei Eigennamen: In Dt. immer mit Artikel

    Der Franz hat... Franz hat... Der Mller hat ... / Der Herr Mller...

    Herr Mller hat...

    2. Artikelgebrauch bei den Lndernamen "Iran" und "USA": im DDt. ohne Artikel

    Der Iran hat bekanntgegeben, da Iran hat bekanntgegeben, da USA haben bekanntgegeben, da

    3. Genusunterschiede bei Kurzformen von Substantiven gegenber der Langform

    Eck, das / Ecke, die Ecke, die Akt, der Akte, die Spalt, der Spalte, die Ritz, der Ritze, die Schnitzel, das (Wiener ~) Schnitz, der (Apfelstck)

    1. Genusunterschiede bei Substantiven (Auswahl)(A ) (D) (A ) (A )

    Absze, das der Absze Raster, das der / das Raster

    Akt, der (Gerichts~ die Akte Schnitzel, das das/der Papier~

    Cola, das die Cola Schranken, der die Schranke

  • -12- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Einser, der die Eins Service, das der Service

    Gehalt, der/das das Gehalt Sulz, das die Slze

    Gulasch, das der/der Gulasch Virus, der das/der Virus

    Gummi, der das / der Gummi Zubehr, das der/das Zubehr

    Prospekt, das der Prospekt usw.

    A. Morphologie allgemein

    In der Morphologie gehen die meisten der (bekannten) Unterschiede auf einige wenige Quellenzurck.

    1. Umlautung von umlautfhigen Vokalen im Dt. vs. Fehlen des Umlauts

    Dazu gehren die sog. Umlautvermeidung des Oberdeutschen bzw. auch Umlautung vonumlautfhigen Vokalen. Letzteres ist besonders dann der Fall, wenn umlautfhige Vokale inder Position vor [r] / [l] + [Plosiv] , , , , stehen. Sie sind im Dt. (fastimmer) umgelautet, im DDt. in der Regel nicht umgelautet:

    frbig, einfrbig farbig, einfarbig; einzllig einzollig; fetthltig fett-haltig; backt bckt; bratet brt; ausstndig ausstehend;

    Bgen, die Bogen, die; Erlsse, die die Erlasse; Generle, die dieGenerale; Mgen, die Magen, die; KrneKrane/Krne, die; Ksten, die(auch: Kasten) Ksten, die usw.

    1. Umlautung von umlautfhigen Vokalen im Dt. vs. Fehlen des Umlauts

    Sulz, das Slze, die; nutzen ntzen; geblumt geblmt; raten - ratest -ratet raten - rtst - rt; stoen - stot - stot stoen - stt - stt; saufen- saufst - sauft saufen - sufst - suft usw.

    1. Eine Reihe von Morphemen, die in Form von Prfixen, Suffixen und einfachenWortbildungmorphemen zu neuen Ableitungen und Wortneubildungen fhren

    3.1 Das -er Suffix: der Einser, der Zweier, der Dreier, ... der Zwlfer die Eins,die Zwei, die Drei, ... die Zwlf usw.

    3.2 er/-erer/ -ler Suffix bei Substantiven, das sehr produktiv ist: Raunzer, der(mimutiger Mensch); Finanzer, der (Finanzbeamter); Streberer, der (Streber,der); Greiler, der (Lebensmittelhndler /-geschft); Haberer, der (Busenfreund)usw.

    3.3 Diminuitiva auf -el / -erl / -eln / -ern / -erln (teilw. lexikalisiert)

    -el Ableitungen: Brettel, das Brettchen, das; Hendl, das Hhnchen, das;Wrstel, das Wrstchen, das/Wurst, die; Krgel, das/Krgerl, das Ma, die;Reindl, das/Rein, die Topf, der

    -erl Ableitungen: bisserl bichen; Busserl, das Kchen, das; Salzstangerl,das Salzstange, die; Schwammerl, das Pilz, der; Tratscherl, das Plauderei,

  • -13- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    die; Pickerl, das Klebeetikette, die; Zuckerl, das Bonbon, das; Kipferl, das Hrnchen, das

    -erln Ableitungen: uerln (den Hund auf die Strae fhren); fensterln (nachtsdurchs Fenster zur Geliebten gehen)

    -eln Ableitungen: brandeln (etw. anznden); packeln (etw. hinterrcks aus-machen); zndeln (anznden); fratscheln; ausfratscheln (ausfragen)

    -ert Suffix in der gespr. Sprache: patschert (unbeholfen); schlampert (schlampig);teppert (blde); hatschert (hinkend); wacklert (wacklig) usw.;

    3.4 Fugenmorpheme -s - -e

    -s Morphem: Aufnahmsprfung/Aufnahmeprfung; Fabriksbesitzer; -sarbeiter; -sdirektor; Zug-sverkehr; -sverbindung; -sunglck Zugverkehr; -verbindung; -unglck; berfallskommando/berfallkommando; Gelenksentzndung/ Gelenkent-zndung usw.;

    - Morphem: Mausfalle Mausefalle; Taglohn Tagelohn; Taglhner Tage-lhner.

    3.5 Die Ableitungen mit -ieren bei Verben

    delogieren rauswerfen; exekutieren Auftrag ausfhren; pragmatisieren festanstellen; tranferieren versetzen; refundieren ersetzen; vidieren beglaubigen;strichlieren stricheln; eruieren herausfinden

    3.6. Verschiedene Suffixe bei Adjektiven und Adverbien mit teilweisen Bedeutungs-unterschieden

    grauslich grausig; brenzlich brenzlig; durchwegs durchweg

    3.7 Lateinisches Genitiv-i der II. Deklination bei Feiertagsnamen und Kirchenbautenvs. -s Morphem.

    Stefanitag Stephanstag Stephansturm

    Martinigans Martinsgans Jakobskirche Jakobikirche

    Josefitag Josefstag Nikolauskirche Nikolaikirche

    1. Wortbildungsunterschiede durch unterschiedliche Kombinationen vonPrpositionen mit Verben

    Die Unterschiede in diesem Bereich sind zahlreich und fhren in der Regel zu relativ starkenUnterschieden, da diese teilweise tief ins Sprachsystem eingreifen. Dabei sind drei Kategorienvon Unterschieden festzustellen:

  • -14- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    4.1 Ein Basisverb wird mit unterschiedlichen Suffixen oder Prfixen (meistens Prpo-sitionen) kombiniert. Die jeweiligen Wrter haben dieselbe Basisbedeutung unddrcken prinzipiell denselben Inhalt aus

    aufdrehen (Licht) andrehen, einschalten; ausstecken; "es istausgesteckt"

    herausstecken

    aufliegen (Listen) ausliegen ausspotten verspotten

    aufscheinen erscheinen, auf-tauchen,

    absammeln einsammeln

    aufzahlen (auch sdt.) zuzahlen, darauf-zahlen

    beheben (Geld,Post)

    abheben, abholen

    ausfolgen verabfolgen, aus-stellen;aushndigen;

    auflassen offen lassen

    ausfolgen aushndigen; beistellen bereitstellen

    ausschnaufen / ver-schnaufen

    verschnaufen beiziehen zu Rate ziehen

    auskommen entkommen, entwi-schen

    entfallen ausfallen

    auslassen (auch sdt.) loslassen, freilassen daherbringen herbeibringen

    ausreden sich herausreden drauskommen aus der Fassung kommen

    ausreden sich aussprechen, berkhlen (kurz) abkhlen

    ausrinnen (auch sdt.) herausrinnen bertrocknen (kurz/leicht) abtrocknen

    inbegriffen einbegriffen bertragen abgetragen

    inliegend einliegend, anbei unterkommen vorkommen, geschehen

    niederstoen umstoen, umwerfen verkstigen bekstigen

    allseits/allerseits allerseits Draufgabe Zugabe

    4.2 Eine Prposition oder ein Adverb wird mit unterschiedlichen Verben kombiniert.Die jeweiligen Wrter haben dieselbe Basisbedeutung und drcken prinzipielldenselben Inhalt aus

    absperren (Tr) abschlieen ausstndig ausstehend, fehlend

    anstehen auf jm./Hilfe bentigen

    angewiesen sein; beflegeln beschimpfen

    ausheben (Brief-kasten)

    ausnehmen, leeren, beischlieen beilegen

    auslangen ausreichen, langen einbekennen eingestehen: bekennen

    ausrasten sich ausruhen sich einlangen eintreffen

  • -15- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    4.3 Zwei Prfixverben haben annhernd dieselbe Bedeutung, sie unterscheiden sichjedoch sowohl hinsichtlich des Basisverbs, als auch hinsichtlich des Prfixes.

    aufnehmen (Arbeiter) anstellen; einstellen niedersetzen sich sich setzen

    auskommen mit jm. sich gut verstehen zurcklegen niederlegen, aufgeben

    niederlegen sich schlafen legen beistellen bereitstellen

    4.4 Im Dt. gibt es eine Reihe von Prfixverben und Neubildungen, die im DDt. keinedirekte Entsprechung haben

    aufsitzen jm. schikanieren/benachteiligen

    einringeln (Text) anstreichen

    auflassen stillegen bertauchen Krankheit durchstehen

    erstrecken verlngern neuerlich Erneut/ wiederholt

    allfllig eventuell jedweder jeder / jeglicher

    ehebaldigst baldmglichst dazukommen Gelegenheit haben

    jngst neulich weiters weiterhin

    nachhinein hinterher fallweise gelegentlich

    vorhinein im voraus

    4.5 Eine Reihe von Prfixverben sind in manchen Haupt- und Nebenbedeutungen insterreich nicht in derselben Bedeutung in Verwendung bzw. berhaupt nicht be-kannt.

    4.5.1 Der Gegensatz von ab mit Richtungsbedeutung vs. weg

    D

    Etwas entfernen von einer Oberflche, das flachist

    = weg = ab

    Etwas entfernen von einer Oberflche, das aufder Oberflche aufrecht steht und einerumliche Ausdehnung hat

    = ab(von oben her-

    ab)

    weg (von derOberflche

    wegnehmen)

    1. Bringst du den Fleck nicht vom Tischtuch ab? 38 11 2

    2. Bringst du den Fleck nicht vom Tischtuch weg? 0 4 47

    3. Die Htte ist weggebrannt 36 15 0

    4. Die Htte ist abgebrannt. 0 0 51

  • -16- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    4.5.2 Der Gegensatz von an und "auf" beim Befestigen auf einer Oberflche

    DEtwas auf einer Oberflche flach befestigen = auf = anEtwas in bertragener Bedeutung an einer Person oderInstitution befestigen

    = an/unter auf

    7. Er bringt Farbe auf die Wnde auf. 26 20 5

    8. Er streicht Farbe an die Wnde. 2 24 25

    9. Er streicht Farbe auf die Wnde. 1 8 42

    4.5.3 Im sterreichischen Deutsch hat die Prposition vor keineRichtungsbedeutung und kann daher erst nicht mit dem Richtungsverb bringenverbunden werden. Stattdessen steht nach vorne/in das ...Das gilt auch frdie Kombination mit anderen Richtungsverben wie z.B. fahren. Der Gegensatzvon an und "auf" beim Befestigen auf einer Oberflche

    10. Sie haben Nachschub vorgebracht. 24 19 8

    11. Sie haben Nachschub nach vorn(e) gebracht. 3 3 45

    12. Er bringt die Ware von hinten vor. 19 24 8

    13. Er bringt die Ware nach vorne. 1 5 46

    14. Er bringt die Waren in den Laden vor. 29 15 7

    15. Er bringt die Waren ins Geschft nach vorn(e). 3 19 29

    16. Er bringt die Waren vom Lager ins Geschft. 0 4 49

    17. Er ist schon vorgefahren, die anderen kommen spter nach. 2 19 30

    18. Er ist schon vorausgefahren, die anderen kommen spternach.

    0 2 49

    19. Sie hat eine Schrze vorgebunden. 25 21 5

    20. Sie hat eine Schrze umgebunden. 0 0 51

    21. Er wollte ihr beim Abwasch helfen und band sich deshalb eineSchrze vor.

    27 20 4

    22. Er wollte ihr beim Abwaschen helfen und hat sich deshalb eineSchrze umgebunden.

    0 51

  • -17- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    4.5.4 Im sterreichischen Deutsch hat das Adverb hoch keineRichtungsbedeutung, sondern lediglich eine Ausdehnungs- bzw. lokalePositionsbedeutung. Es kann daher nicht mit Bewegungsverben, kombiniertwerden. Stattdessen stehen Adverbien.

    23. Bring bitte die Sachen hoch (d.h. in den 1. Stock) 23 21 724. Bring bitte die Sachen nach oben. 0 5 4725. Bring bitte die Sachen hinauf. 0 1 48

    26. Er fhrt das Gepck auf den Berg hoch. 23 21 727. Er fhrt mit dem Gepck auf den Berg. 1 7 4328. Er bringt das Gepck auf den Berg. 0 0 51

    29. Er fuhr mit dem Fahrstuhl in den ersten Stock hoch. 17 27 730. Er fuhr mit dem Lift in den ersten Stock. 0 2 49

    31. Sie fhrt morgen nach Hamburg hoch. 29 20 232. Sie fhrt morgen nach Hamburg hinauf. 2 13 3533. Sie fhrt morgen nach Hamburg. 1 1 49

    A. Tempusgebrauch

    1. Das sterreichische Deutsch bevorzugt das Perfekt als Vergangenheitstempus. DasPrteritum kommt lediglich in der geschriebenen Sprache vor und ist einestilistische Variante.

    Das Perfekt ist in das universelle Vergangenheitstempus, das alle unmittelbar vor demSprecherzeitpunkt liegenden, entweder abgeschlossenen oder nicht abgeschlossenenEreignisse darstellt. Es ist der Ersatz fr das Prteritum und teilweise auch fr dasPlusquamperfekt.

    34. Wo waren wir stehengeblieben? (z.B. im Unterricht) 2 24 25

    35. Wo sind wir stehengeblieben? 0 1 50

    36. Das Herz war ihm vor Schreck fast stehengeblieben. 10 24 17

    37. Das Herz blieb ihm vor Schreck fast stehen. 3 13 35

    38. Das Herz ist ihm vor Schreck fast stehengeblieben. 1 1 49

    1. Die Bildung des Perfekts mit haben oder sein

    Das Perfekt wird im Deutschen mit dem Partizip II und den entsprechenden finiten Verbformenvon 'haben' oder 'sein' gebildet. Gut bekannt ist, da das Perfekt der Verben "liegen", "sitzen"und "stehen" im Dt. im Vergleich zum DDt. mit "sein" und nicht mit "haben" gebildet wird. Das

  • -18- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    gilt auch fr das SWDt. und auch fr das Sddeutsche. Bei letzterem ist die Perfektbildung derdrei Verben mit "sein" jedoch berwiegend auf den mndlichen Gebrauch beschrnkt.

    Tatschlich ist die Zahl der Verben, die das Perfekt mit "sein" statt mit "haben" bilden, wesentlichgrer und umfat sowohl unregelmige, als auch regelmige Verben. Man kann davonausgehen, da es etwa 450 unregelmige und ca. 100 regelmige Verben gibt, die dasPerfekt im Dt. (und wahrscheinlich auch im SWDt.) in der einen oder anderenBedeutungsvariante mit "sein" und nicht mit "haben" bilden. Diese groe Zahl kommt durch dieKombination der Basisverben mit verschiedenen (ca. 90) adverbiellen, adjektivischen undprpositionalen Prfixen zustande, die selbst wieder verschiedene Bedeutungsvariantenumfassen. Nicht alle der so gebildeten Prfixverben und nicht jede ihrer Bedeutungsvariantenverlangt im Dt. auch ein Perfekt mit "sein". Tatschlich ist die Verwendung von "sein" statt"haben" von komplexen semantischen Bedingungen abhngig, die hier nicht errtert werdenknnen, da sie den Rahmen eines didaktisch orientierten berblicks weit berschreiten wrden.

    Die folgende Liste gibt einen berblick, der sich jedoch wiederum auf jene Verben beschrnkt,die im Kontext der Grund- und Mittelstufe relevant sind:1 In der linken Spalte werden dieBasisverben angefhrt, in den beiden rechten die wichtigsten adverbialen und prpositionalenPrfixe und Prfixoide.

    2.1. Verben, die das Perfekt im Dt./SWDt. mit "sein", im DDt. mit "haben" bilden

    Basisverben, diedas Perfekt im Dt.im Gegensatz zumDDt. berwiegendmit "sein" bilden2

    Adverbiale, adjektivische und prpositionale Prfixe, die mit denBasisverben kombiniert vorkommen und Prfixverben bilden, die

    ebenfalls das Perfekt berwiegend mit "sein" und nicht mit"haben" bilden

    Trennbare Untrennbare1. eilen2. fahren (CH)3. frieren4. gehen (CH)5. hngen (CH)6. hocken (CH)7. knien (CH)8. laufen (CH)9. liegen (CH)10. lehnen11. schweben12. schwimmen13. sitzen14. springen15. stecken16. stehen17. wogen

    ab-, an-, aneinander-, auf-, aufeinander -, aus-,bei-, beieinander-, bereit-, blo-, da(r)nieder-, da-, dabei-, dafr-, dahinter-daneben-, darber-, da-runter-, davon-, davor-, dazwischen-, dran-,drauf-, drin-, durch-, ein-, entgegen-, entlang-,fern-, fest-, fort-, frei-, gegenber-, gerade-,gleich-, heim-, hei-, her-, herab-, heran-, herauf-,heraus-, herbei-, herein-, herber-, herum-,herunter-, hervor-, hierher-, hin und her-, hin-,hinab-, hinauf-, hinaus-, hindurch-, hinein-,hintan-, hinter-, hinterher-, hinber-, hinunter-,hinzu-, hoch-, kaputt-, kopf-, lang-, mit-, nach-,nahe-, nieder-, offen-, quer-, ran-, raus-, schief-,still-, stramm-, ber-, um-, unter-, vor-, vorbei-,vorber- wach-, warm-, weg-, weiter-, wund-, zu-, zurck-, zusammen-,

    er, ge, um,ver, zer,

    1 Die folgenden Daten basieren auf eigenen Forschungen, die hier nur soweit wiedergegeben werden, als sie

    von didaktischer Relevanz sind.2 Die Krzel (CH) markiert in dieser Tabelle, da diese Verben in der Schweiz das Perfekt mit "sein" statt

    mit "haben" bilden.

  • -19- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    2.1. Basisverben, die im Dt. das Perfekt in allen Bedeutungen ausschlielich mit"sein" bilden:

    fahren, frieren, hocken, laufen, schweben, sitzen, schwimmen, springen

    Diese acht Verben sind fr den DaF-Unterricht von unmittelbarer Relevanz.

    2.1. Basisverben, die durch einen deutlichen semantischen Unterschied gekenn-zeichnet sind:

    fahren, laufen, schwimmen, springen

    a. fahren: Im Dt. und im SWDt. hat dieses Verb nur die Bedeutung "sich mit einemFahrzeug bewegen", nicht aber (wie im DDt.) die instrumentale Bedeutung: "jemanden miteinem Fahrzeug transportieren".

    Es ist daher nicht mglich im Dt./ SWDt. zu sagen: "Er fhrt ihn nach Hause / Er hatihn nachhause gefahren". Diese Bedeutung verlangt im DDt. das "haben-Perfekt". Stattdessen steht im Dt. die Formulierung "Er hat ihn nachhause gebracht." Dies gilt auch frdie mit "fahren" gebildeten Prfixverben: hochfahren, hinfahren, herfahren, herumfahrenusw.

    b. laufen, schwimmen, springen: Diese drei Bewegungsverben bilden im DDt. das Perfektsowohl mit "haben", als auch mit "sein", im Dt. nur mit "sein", im SWDt. bildet lediglich"springen" das Perfekt mit "sein" und "haben". Auerdem haben diese Verben nicht wie imDDt. die Bedeutung "ein instrumentales Ziel erreichen", was die Bildung mit "haben"erfordert. Statt dessen steht in diesem Zusammenhang im Dt. ebenfalls das Perfekt mit"sein". Beispiel:

    DDt. Er hat einen neuen Rekord gelaufen/geschwommen/gesprungen.

    Dt./SWDt. Er ist einen neuen Rekord gelaufen/geschwommen/gesprungen.

    1. Vermeiden des Plusquamperfekts in der gesprochenen Sprache

    Es wird in der gesprochenen Sprache (auer im formalen Diskurs und im hchsten Register)faktisch nicht verwendet und kommt sowohl mit "hatte", als auch mit "war" nur in dergeschriebenen Sprache vor, dort allerdings den kodifizierten schriftsprachlichen Normen gem.

    3. Vermeiden des Plusquamperfekts mit "sein", das besonders in Norddeutschlandblich ist und die Gleichzeitigkeit zweier vergangener Handlungen ausdrckt.

    Dazu einige Belege aus dem Mannheimer Korpus:

    1. Zpfner kannte fast jedermann in der Stadt, vor allem wegen seines Vaters, den die Nazisrausgeschmissen hatten; er war Studienrat gewesen und hatte es abgelehnt, nach demKriege als Oberstudiendirektor an dieselbe Schule zu gehen. (Bll: Ansichten einesClowns:48) (Mannheimer Korpus)

    2. Rothe hie eigentlich anders, er war 1905 bei der ersten finnischen Revolution kurze ZeitMinister gewesen, dann von den Russen interniert worden, (Grzimek, Serengeti darf nichtsterben:56) (Mannheimer Korpus)

  • -20- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    3. ein Drittel war vor der Geburt Rntgenstrahlen ausgesetzt gewesen, 31 dieser Kinderentwickelte bis zum Alter von 15 Jahren Krebs. (Handbuchkorpus: Mannheimer Korpus)

    1. Doppeltes Perfekt und Doppeltes Plusquamperfekt als Ersatzformen fr fehlendesPlusquamperfekt

    Da es aber unbedingt notwendig ist, vergangene Ereignisse kenntlich zu machen, die bereits voreinem anderen vergangenen Ereignis liegen, hat das D eine Ersatzform entwickelt: das sog."Doppelte Perfekt" oder "Pass surcompos", das in der gesprochenen und geschriebenenSprache vorkommt. Es besteht aus der finiten Verbform von haben/sein + Part. II eines Vollverbs+ Part. II von haben. Dazu einige weitere Belege aus der sterreichischen Literatursprache, diezeigen, da diese Struktur mit dem englischen "Past Perfekt continous" semantisch sehr vielgemeinsam hat.

    1. eine Versicherung habe der Nachbar nicht abgeschlossen gehabt, so da er alles habeallein bezahlen mssen. (G. Roth:Stille Ozean 107:15)

    2. dann war noch, als sie die beiden ersten Kinder schon "herausgewurstelt" gehabt hatte undbald vielleicht sogar ein wenig Zeit fr sich gehabt htte, das dritte Kind ...(Wolfgruber:Herrenjahre 214:15)

    3. die Joana auf einem Dachbalken ber dem Vorhauseingang befestigt gehabt hat. DieLandrzte sind nicht zimperlich, dachte ich. (Bernh:Holzfllen 59:6)

    4. dieser Preis ein sehr hoher Preis ist, da ich aber auch einen viel hheren Preis htte zubezahlen gehabt unter Umstnden, ... (Bernhard:Holzfllen 12:11)

    5. geleistet, und eine Versicherung habe der Nachbar nicht abgeschlossen gehabt, so da eralles habe allein bezahlen mssen. (Roth:Stille Ozean 107:16)

    6. Unverschmtheit, die mich an ihnen schon immer abgestoen gehabt hat. Fast alle zu demNachtmahl Gekommenen hatten ... (Bernhard:Holzfllen 32:26)

    8. Allein das Wort lungenkrank hatte mich immer entsetzt gehabt. Jetzt hatte ich es denganzen Tag so oft zu hren bekommen, da es ... (Bernhard:Atem 105:25)

    A. Unterschiede bei der Bildung und Verwendung des Partizips II der Modalverben

    Im Dt. wird die Bildung und Verwendung des Partizips II der Modalverben (gedrft/gekonnt/gemut/gesollt/gewollt) vermieden. Statt dessen wird eine Infinitivkonstruktionverwendet. Beispiele:

    Dt. Sie hat schon frher wollen. // DDt. Sie hat schon frher gewollt. Dt. Er hat das nicht drfen. // DDt. Er hat das nicht gedurft/drfen.

    A. Unterschiede in der Reihenfolge der verbalen Elemente im sog. Schlufeld desSatzes3

    In der erweiterten Verbgruppe am Schlufeld des (Neben-)Satzes gibt es Unterschiede in derReihenfolge der verbalen Elemente, wenn ein Modalverb im Infinitiv, ein Vollverb im Infinitiv und

    3 Vgl. dazu ausfhrlich Stubkjr:1993

  • -21- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    eine finite Form des Verbs "haben" beisammenstehen. Der Unterschied besteht in der Positionvon "haben", das im Dt. in der Zweitposition, im DDt. in der Erstposition steht.

    Dt. 1) Vollverb im Infinitiv 2) finite Form von "haben 3) Modalverb im Infinitiv

    die zur VerurteilungWorms

    1) fhren 2) htte 3) knnen

    weil er die Geschfte 1) auffliegen 2) hatte 3) lassen

    DDt. 1) finite Form von "haben 2) Vollverb im Infinitiv 3) Modalverb im Infinitiv

    die zur VerurteilungWorms

    2) htte 1) fhren 3) knnen

    weil er die Geschfte 2) hatte 1) auffliegen 3) lassen

    Dieser Unterschied in der Reihenfolge ist blich, jedoch nicht kanonisch, d.h., da die alternative(bundesdeutsche) Reihenfolge ebenso mglich ist und nicht als vllig unblich empfunden wird.

    Der Unterschied zwischen dem Dt. und dem Bundesdeutschen besteht darin, da beimAufeinandertreffen von drei Verbformen im Schlufeld von Nebenstzen in sterreich zuerst derInfinitiv des Vollverbs und erst dann das finite Verb steht, whrend es sich im bundesdeutschenStandard genau umgekehrt verhlt. Stubkjr (1993:48) weist darauf hin, da in dersterreichischen Variante "erreicht wird, da das Hauptverb in nchstem Kontakt zu seinennominalen Gliedern steht" und es sich damit um keine Verletzung der Reihenfolgennorm handelt,sondern um eine alternative Anordnung, in der "die mitzuteilende, grundlegende Prposition, d.h.das Hauptverb mit seinen nominalen Ergnzungen und Angaben, zuerst innerhalb desSatzbogens zu Ende gefhrt wird."

    A. Unterschiedliche Bedeutungen, Rektionen und Verwendungen vonPrpositionen

    1. am = auf ~ an tschech. Einflu (na)am Land auf dem Landam Tisch auf dem Tischam schwarzen Brett auf dem schwarzen Brett

    2. Starke Verwendung von "bei"Bei einem Haus vorbeigehen. (auch an) An einem Haus vorbeigehen.Geht bei der Tr herein. Geht zur Tr herein.Beim Fenster hinausschauen. Zum Fenster hinausschauen.

    3. Starke Verwendung von "bis"Die Strae wird bis Ende 1994 fertig. Die Strae wird Ende 1994 fertig.Ich werde es bis morgen wissen. Ich werde es morgen wissen.

    4. Unterschiedliche Verwendung von "durch" (temp.)Er war durch einen lngeren Zeitraumverschwunden.

    Er war einen lngeren Zeitraum hindurchverschollen.

    5. Unterschiedliche Verwendung von "mit" (temp.)Die Frist beginnt mit 10. Jnner. Die Frist beginnt ab dem 10. Januar.

    6. Unterschiedliche Verwendung von "ber" (instr.).

  • -22- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Die Rumung erfolgte ber/auf Anweisungder Polizei

    Die Rumung erfolgte auf Anweisung derPolizei

    7. Die Wahl der Prpositionen in Prpositionalgruppen in der Funktion vonLokalbestimmungen der Unterkategorie "Punktuelle Lokalitt mit Kontakt

    sterreich Deutschland

    auf : an

    Auf dem Baum sind noch pfel.

    Sie sind/studieren auf der Uni.

    Auf der Uni/auf der Polizei warviel los.

    An dem Baum sind ...

    an der Uni sein/studieren.

    An der Uni/bei der Polizei lossein.

    auf : am

    Alles liegt auf dem Boden.

    Aber: Er ist nervlich am Boden.

    Wir leben auf dem Land.

    .. am Boden liegen.

    ... am Boden sein.

    ... am Land leben.

    auf : an

    Zornig sprang er auf/an dieZimmerdecke.

    Sie starrten auf die Zimmerdecke.

    an die Zimmerdecke springen.

    an die Zimmerdecke starren.

    bei(m) :am/an

    Der Bus fhrt beim (am) Bahnhofvorbei.

    Ich gehe bei der Bibliothek vorbei.

    Sei mssen bei der Kreuzungrechts abbiegen.

    am Bahnhof vorbeifahren.

    an der Bibliothek vorbeigehen.

    an der Kreuzung abbiegen.

    beim : am Der Tisch steht beim Fenster. am Fenster stehen.

    von ... ab:ab

    fhrt heute von Bahnsteig 10 ab. fhrt Bahnsteig 10 ab.

    von ...an :ab

    fhrt vom Signal 3 an schneller. fhrt ab Signal 3 schneller.

    auf:zur

    in:zur

    Er geht auf die Meisterschule.

    Er geht in die Schule.

    zur Meisterschule gehen.

    zur Schule gehen.

    zum : an

    Inf. : zu

    zum :an/zu

    Wir setzen uns zum Tisch.

    Wir gehen essen.

    Wir rcken den Stuhl zum Fenster.

    Wir gehen zum Rhein.

    an den Tisch setzen.

    gehen zu Tisch.

    ans Fenster rcken.

    an den Rhein gehen.

    Alle Belege haben eine semantische Gemeinsamkeit: Die ausgedrckte Lokalitt gehrt zurUnterkategorie "Kontakt mit einer (horizontalen oder vertikalen) Flche". Hier zeigen sichdieselben Unterschiede wie schon weiter oben bei den Prfixverben. D.h., da dieseUnterschiede in der Wahl der Prpositionen nicht zufllige bzw. willkrliche Abweichungen vonder sog. "Standardnorm" sind, sondern auf systematische Unterschiede in der semantischenBasis zurckgefhrt werden mssen. Der systematische Charakter dieser Unterschiede wirdnoch dadurch unterstrichen, da dieselben Unterschiede bei temporalen Adverbialen auftreten,wenn diese zeitliche Punktualitt ausdrcken, wie die Beispiele und Belege unter Pkt. 5.2 zeigen.Zu den Lokalbestimmungen noch einige Belege aus der bundesdeutschen Mediensprache.

  • -23- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    8. Unterschiede in der Wahl der Prposition bei Prpositionalgruppen mit der Funk-tion "Temporale Adverbialbestimmung" der Unterkategorie Zeitpunktan-gaben/punktuelle Sachverhalte

    sterreich Deutschlandam:zum am Ende vorigen Jahres.

    am Wochenende.am 25. Jahrestag der Grndung

    zum Ende vorigen Jahres.zum Wochenendezum 25. Jahrestag.

    von/vom:zum

    Es passierte in der Nacht vomSonntag. (= die Nacht von Samstagauf Sonntag).

    in der Nacht zum Sonntag.

    auf:zum Ich war in der Nacht auf Montagdort.

    zum Montag

    8. Belege zu den Temporalbestimmungen aus der bundesdeutschenMediensprache

    1. Die Witterungsbestndigkeit nimmt in der Nacht zum Sonntag ab. (SDR Nachrichten15.5.91). st.: nimmt in der Nacht auf Sonntag ab.

    2. Die sind zu Tausenden nach Italien gereist, nachdem man zu Anfang keinen Heller auf diejunge Mannschaft setzte. (SWF1, Bericht ber WM-Fans, 30.6.90). st.: nachdem man amAnfang keinen Heller auf die junge Mannschaft setzte.

    3. Spitzenvertreter der Regierung kommen am Mittag mit der SPD zusammen. (HR1 29.5.)st.: kommen zu Mittag/in der Mittagszeit zusammen. In sterreich ist "am" nurkombinierbar mit Substantiven, die das semantische Merkmal "+ lokal" tragen.

    4. Es ist spt am Tag. (SWF, 22.5.90, Morgenmagazin). st.: Es ist bereits spt/oderZeitpunktnennung.

    1. Meine Mutter ist schon fast in die 60. (HR3 19.6.90) st.: ist schon fast 60 (Jahre alt). In "in" + Zeitpunktangabe nicht mglich, sondern hat primr nur lokale Bedeutung.

    9. Unterschiede in der Wahl der Prposition bei Prpositionalgruppen mit der Funk-tion Modalbestimmungen bzw. Prdikative

    In diesem Bereich kommen vor allem Prpositionalgruppen vor, die in Form und Bedeutung insterreich ungebruchlich und in der Regel als phraseologische Einheiten aufzufassen sind.Die Belege zeigen auch hier, da sich der Gebrauch der Prpositionen zwischen dem Nordenund dem Sden des deutschen Sprachraums in einer Reihe von Punkten unterscheidet.

    sterreich Deutschland1. Man mu alles hndisch machen.Adjektiv vs. Prpositionalgruppe

    1. Man mu alles von Hand machen. (ARD-Fernsehshow 22.5. 21'55)

    2. Er wohnt als Untermieter schwarz.(Abstrakt/ apersonal vs. personal)

    2. Er wohnt schwarz zur Untermiete. (HR1,Aktuell 28.5.90)

    3. blich: Wir liegen mit der Zeit ganz gut. Wirliegen ganz gut in der Zeit. (Mglich aber nichtsehr blich.)

    3. Wir sind ganz gut in der Zeit. (ZDF,Sportbertragung 19.6.90)

    4. Da ist einer schwer beim Arbeiten.("Bei" gegenber "am" in Verbindung mitVerbalabstrakta, die aus Ttigkeitsverbengebildet wurden.)

    4. Da ist einer am Schaffen dran. (Mannheim,Aussage eines Mitarbeiters ber einenArbeitskollegen)

  • -24- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    10. Unterschiede in der Wahl der Prposition bei Prpositionalgruppen mit der Funk-tion Modalbestimmungen bzw. Prdikative

    1. vergessen auf etw. (tschech./slow.Einflu)

    vergessen etw.

    2. erinnern an/auf erinnern an

    3. mit jm. sprechen / reden Jm. sprechen (= jm. kontaktieren)

    4. etw. kommt jm. unter etw. passiert

    5. sich eine anrauchen/anznden (Zigarette) eine anznden

    6. jm. nachhause fhren/nachhause bringen Jm. nachhause fahren

    9. Die verstrkte Verwendung des Reflexivpronomens "sich"

    Diese Erscheinung geht vermutlich auf tschechisch/slowakischen Einflu zurck.

    sterreich + sich Bundesdeutsch -sich

    Es lohnt sich nicht. Es lohnt nicht.

    Das geht sich nicht aus. Das reicht nicht. / ist zu wenig.

    Das Buch liest sich angenehm. Das Buch ist angenehm zu lesen.

    Er soll sich nicht zuviel erwarten. Er soll nicht zuviel erwarten.

    Da hrt sich doch alles auf. Das ist zuviel. / Jetzt reichts.

    Da lt sich nichts machen. Da kann man nichts machen.

    Er soll sich nicht spielen. Er soll aufpassen. (Warnung)

    Er soll sich niederknien. Er soll niederknien.

    Es spiet sich. Es gibt Probleme. / Es stockt.

  • -25- R. Muhr

    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    I. Pragmatische Unterschiede

    1. Das Anredeverhalten (Unterschiede bei Anredeformen und in der Verwendung vonTiteln)

    Der bekannteste Unterschied ist der in sterreich hufige Gebrauch akademischer Titel (Dr.,Magister, Professor) und Funktionsbezeichnungen (Minister, Prsident etc.). Der (akademische)Titel ist gesetzlich als Bestandteil des Namens verankert und ersetzt diesen nicht selten beidirekter Anrede: "Lieber Herr Doktor". Der starke Gebrauch von Berufstiteln konzentriert sich vorallem auf Titeln aus dem akademischen Bereich (Magister, Doktor, Ingenieur, Diplomingenieur,Professor, Dozent) sowie auf Titeln, die hohe Positionen in der staatlichen Brokratie kennzeich-nen (Sektionschef, Ministerialrat, Hofrat). Hufig ist auch die Verwendung von Titeln, die Rngein Interessensorganisationen (Kommerzialrat) oder politische Funktionen bezeichnen (Minister,Abgeordneter, Kammerrat etc.). Darber hinaus ist die Titulierung von hohen Funktionstrgern inVereinen und sonstigen Organisationen (Herr Prsident, Obmann/Obfrau etc.) blich. Dahintersteht eine strkere Markierung hierarchischer sozialer Beziehungen, die in der BRD nicht sodeutlich bzw. auf andere Weise ausgeprgt ist. Die Verwendung der Titel ist Nichtsterreichernallerdings nur dann zu empfehlen, wenn man sich ihres Gebrauchs sicher ist, da sonst eherpeinliche Situationen entstehen knnen.

    Unterschiede gibt es auch bei den Gru- und Verabschiedungsformeln, die allerdings auchinnerhalb sterreichs regional variieren. In ganz sterreich ist der auch in Bayern gebruchlicheWillkommensgru Gr Gott verbreitet. Einzige Ausnahme ist Wien, wo diese Gruformvermieden und allgemein durch Guten Tag oder die Kurzformel Tag ersetzt wurde. Hier wirktnoch die starke antiklerikale Einstellung der Sozialdemokratie in der Zwischenkriegszeit nach. Impersnlichen Verkehr stehen allgemein die Begrungsformeln Servus und Gr Dich (dial.Grias di) in Verwendung, die auch als Verabschiedungsformeln eingesetzt werden. Danebenstehen noch das ital. Chiao, das bdt. Tschss und das dialektale Pfiat di in Gebrauch. DieNeuschpfung Baba [ba'ba:] wurde bereits erwhnt. Bei formelleren Beziehungen werden AufWiederschaun bzw. Auf Wiedersehen als Verabschiedungsformeln gebraucht, nicht jedochGuten Tag, das nur als Willkommensgru eingesetzt werden kann.

    2. Sprechaktrealisierungsverhalten

    Fr das Verhalten in Kommunikationssituationen lassen sich bereits auf derGesprchsvorannahmen Unterschiede feststellen. In sterreich sind die FaktorenPersonalisierung, Hierarchisierung, Harmonieerhaltung, Gesichtsbewahrung, Situationshandeln,Normenambivalenz, Wirklichkeitsmanipulation und Humor wichtige gesprchssteuerndeElemente. Dem stehen in Deutschland Sachbezogenheit, persnliche Leistung, Prinzipien-handeln, Normentreue, Konstanz, Wirklichkeitsberhhung und Ernsthaftigkeit alshandlungsleitende Vorannahmen gegenber. Auf einer noch tieferliegenden Ebene lassen sichfr sterreich Alterorientierung und Personenorientierung als zentrale Handlungskategorienannehmen, d.h. da Ausgehen von/Einbeziehen der Wnsche(n) des anderen, bei gleichzeitigerZurckhaltung mit eigenen Forderungen und Schtzen des Gesichts des Anderen wichtigeKulturstandards darstellen. Bei (west-)deutschen Sprechern kann demgegenber archetypischdie Egoorientierung und Sachorientierung als zentrale Handlungskategorie vermutet werden,d.h., da dort das Ausgehen von den eigenen Wnschen, die direkte uerung von Forderungenund Wnschen sowie Selbstprsentation und Schtzen des eigenen Gesichts grundlegendeHandlungskategorien darstellen. Auf sterreichischer Seite ergibt sich daraus das zentrale Zielder Konfliktvermeidung, Harmonieerhaltung sowie nur verdecktes uern von Kritik undindirektes (ironisches) Abwertungsverhalten. Besonders westdeutsche Sprecher neigendagegen viel eher zu offener Konfliktaustragung, Norm- und Zielerhaltung, zu offen geuerter,direkter Kritik und zu direktem Abwertungsverhalten. Die Grnde fr diese Unterschiede sind wiesoziologische und politologische Untersuchungen zeigen, im viel strkeren Individualismus und

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    der damit verbundenen starken Leistungsorientiertheit in der BRD (West) zu suchen4, dem eineausgeprgte Gruppenorientierung (Hierarchisierung) und ein kollektivistischer Individualismus aufder Basis eines "hierarchischen Kollektivismus"5 in sterreich gegenbersteht. DieseGrundhaltungen lassen sich auch der sehr abstrakten makropragmatischen Ebene staatlich-politischen Handelns feststellen, wenn man an die sterreichische Sozialpartnerschaft denkt. Imeinzelnen sei auf Muhr 1993, 1995c verwiesen.

    3. Entschuldigungsverhalten :

    sterreichische Sprecher zeigen in Entschuldigungs-Situationen eine signifikant grereBereitschaft zur expliziten Hrerzuwendung, als dies bei deutschen Sprechern der Fall ist.Das uert sich vor allem in der verstrkten Verwendung von

    a) Anredeformeln,b) Exklamativen undc) gesprchserffnenden Partikeln sowie ind) Heischeformeln (Hren Sie ; Wie Sie ja wissen ).

    Weiters stellte sich heraus, da die sterreichischen Gewhrspersonen signifikant

    e) mehr Entschuldigungen, insbesondere aber mehr "externe" (Es tut mir sehr leid.),f) mehr verstrkte und mehr explizit performative Entschuldigungsformeln (leider, es tut mir

    (sehr) leid etc.) verwenden.

    Weiters tendieren die sterreichischen Sprecher dazu,

    g) deutlich mehr gesichtsbewahrende Explikationen fr entschuldigungstrchtige Verste zuverwenden, die aber die direkte Nennung des Problems vermeiden.

    Die deutschen Sprecher des untersuchten Korpus neigen demgegenber hochsignifikant dazu,sog.

    gesichtsbedrohende Explikationen oder garkeine zu verwenden.

    Das deutet auf direktere Interaktionsformen in Deutschland und auf indirektere in sterreich hin.Zu betonen ist jedoch, da die deutschen Sprecher deshalb nicht "unhflicher" sind, sondernlediglich innerhalb ihrer Kultur andere Kuturstandards und darauf basierende Gesprchsregelnbefolgen.

    4. Bitten- und Aufforderungsverhalten

    Gem den weiter oben dargestellten Unterschieden in den Kulturstandards, ist zu erwarten,da in den potentiell gesichtsbedrohenden Aufforderungs- und Bittensituationen Unterschiedeauftreten werden. Dies ist auch der Fall, wie ich in Muhr (1993) anhand eines kleines Ausschnittsaus einem groen Belegkorpus zu zeigen versucht habe.. Die uerungen der untersuchtensterreichischen Gewhrspersonen sind demzufolge durch strkere Explikation/Begrndung derAufforderung, grere lexikalische Ausgestaltung und einen greren Drang nach Absicherunggekennzeichnet, whrend bei den deutschen Gewhrspersonen all diese Kategorien signifikantgering ausgeprgt sind. sterreichischerseits will man bei Konflikten "sicher gehen" und bautmglichen Einwnden bereits vor bzw. sieht es als ein Gebot der Hflichkeit an, trotz desoffensichtlichen Regelverstoes auf der Hrerseite, die Grnde fr seine Forderungen jedenfallsanzugeben. Fr viele Deutsche wirken Verlangen und Aufforderungen von sterreichern daherumstndlich und sogar unklar, da diese gewohnt sind, geradeheraus ihre Wnsche zu uern

    4 Nach Plasser/Ulram (1993:43) wird diese Haltung von der Sozialforschung als "competitiver

    Individualismus" bezeichnet.5 Plasser/Ulram (1993:43)

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    und erwarten, da der Gesprchspartner ebenfalls offen sagt, was er davon hlt.Demgegenber wollen sterreicher ihrem Gesprchspartner "nicht nahe treten" undentschuldigen sich bereits im Voraus lang und breit fr ihr Verlangen, um erst dann zur Sachezu kommen, whrend es bei deutschen Sprechern genau umgekehrt ist. Man kann daher voneiner Gegenlufigkeit der Gesprchsstrategien sprechen, die auf der einen Seite den Eindruckvon Aufdringlichkeit und Arroganz und auf der anderen Seite den Eindruck von Inkompetenz,Umstndlichkeit, ja sogar der Hinterhltigkeit hinterlassen. Ein wesentlicher Unterschied imKommunikationsverhalten zwischen sterreich und Deutschland ist, zusammenfassendgesagt, der Grad der ausgedrckten Direktheit. Dabei gilt die folgende Grundregel:sterreichische Sprecher sind im Vergleich zu deutschen in der ffentlichen Kommunikationeher indirekter, im privaten Kontext aber wesentlich direkter. Insgesamt bevorzugensterreichische Sprecher aber eher indirektere Formen der Kommunikation.

    5. Sprechhandlungsunterschiede - Auffordern in konkreten Situationen

    1. In einer Studentenwohnung:Hans, der mit Helmut eine Wohnung gemeinsam bewohnt, hat am Vortag eine Geburtspartygehabt und die Kche in einem chaotischen Zustand hinterlassen.Helmut: Hans! Die Marianne und der Walter kommen heute abend zum Essen, und ich mubald mit dem Kochen anfangen_____________________________________________________________________.Helmut: Ok., ich mach's gleich.

    1. Imperativische Aufforderungen - Imperativische Aufforderungsbitten1. Mach die Kche sauber!2. Mach mal klar Shipp!3. Putz bitte sofort die Kche, sie sieht frchterlich aus!4. Rume bitte die Kche auf.5. Bitte geh dann die Kche putzen!6. Bis dahin mu es hier ordentlich aussehen!7. Du solltest mal endlich die Kche subern!

    2. Fragen: Vollverb- und Modalverbfragen8. Rumste mal kurz auf?9. Hast du Zeit die Kche noch sauber zu machen, oder sollen wir es zusammen machen?10. Wann beseitigst Du endlich dieses Chaos? (Zeitpunktfrage)11. Wrdest Du die Wohnung aufrumen?12. Kannst Du da ein bichen zusammenrumen.13. Kannst du die Kche nicht eben noch aufrumen?14. Mchtest du nicht endlich die Kche aufrumen?15. Bitte kannst du die Kche jetzt aufrumen?

    3. Rhetorische Fragen/Deklarative

    16. Wre ganz witzig, wenn du aufrumtest.17. Wie wr's, wenn Du inzwischen mal hier sauber machst?18. Ich hoffe, Du bringst die Wohnung vorher in Ordnung.

    4. Negative Deklarative

    19. Die Kche sieht aber noch chaotisch aus.20. Mein Lieber, es liegt an Dir, das Chaos zu beseitigen.21. Ich habe nichts dagegen, wenn Du Deinen Geburtstag feierst,

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    22. Ich mchte nicht in diesem "Saustall" zu kochen anfangen.

    6. Unterschiede in der Verwendung von sog. "illokutionsmodifizierenden" Elementenwie Modalpartikeln etc.

    Im Deutschen kann mit Hilfe von Ausdrcken wie "einmal", "mal", "ja", "doch", "eben" etc. undKombinationen aus Modalpartikeln, Adverbien und anderen modalen Elementen dieSprecherabsicht modifiziert oder vllig verndert werden. In sterreich unterscheidet sich derGebrauch dieser Elemente sehr stark, d.h., da viele dieser Elemente nicht dieselbe Wirkungerzielen wie in Deutschland und in der Regel gerade nicht dazu verwendet werden knnen, dieuerung freundlicher zu machen.

    sterreichische Sprecher verwenden im Vergleich zu deutschen Sprechern demnach

    a) insgesamt deutlich weniger illokutionsmodifizierende Elemente,b) weniger Modalpartikel,c) andere Modalpartikel undd) d) andere Kombinationen zwischen modifizierenden Elementen.

    etwa:

    So wird die MP "etwa" zum Ausdruck des Erstaunens bzw. der gegenteiligen Erwartungpraktisch nur in der geschriebenen Sprache und Kombinationen wie "denn etwa" oder"etwa immer noch nicht" als unhflich vermieden. Stattdessen stehen "denn" oder"vielleicht".

    mal

    Geradezu gegenlufig ist der Gebrauch der Partikel "mal" und Kombinationen davon inAufforderungen. Whrend sie von deutschen Sprechern als Hflichkeitssignal eingesetztwerden, wirkt die Partikel fr sterreichische Gesprchspartner insistierend und teilweisesogar autoritr. Das gilt besonders fr Kombinationen wie "eben mal" "doch mal", gerademal", "nicht schon mal", "doch schon mal", die alle als "forsch" und "fordernd" empfundenwerden. hnliches gilt fr die MP-Kombinationen "schon ruhig" und "gleich eben". Nichtgebruchlich sind in sterreich auch die MP-Kombination "eben mal", "nun mal" zumAusdruck von Einschrnkung. Stattdessen steht "halt", das sich zwischenzeitlich auch inDeutschland ausgebreitet hat.

    In der Situation "Unaufgerumte Kche" verwendete Modalpartikeln undKombinaitonen von ModalpartikelnVorkommende Adverbien:allmhlich, bald, baldmglichst, ehzeit, endlich, erst, geflligst, gleich, inzwischen, jetzt,schleunigst, schnell, sofort, vorher.Vorkommende Modalpartikel:doch, eben, einmal, mal, schon, vielleicht, noch, wohl.

    STERREICHISCHE SPRECHER: DEUTSCHE SPRECHER:erst einmal erst einmaldann einmal schon einmalnicht einmal nicht schon einmal

    endlich einmal, mal endlichinzwischen einmal, mal schnell

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    vielleichtdann

    einmal mal hier

    noch einmal jetzt malgleich malschnell malschon malvielleichtendlich

    mal

    doch endlich noch schnellvielleicht gleich vorher nochvielleicht vorher geflligst noch

    wohl allmhlichwohl baldwohl baldmg

    lichstwohl gleichwohl vorher

    doch endlichdoch gleichdoch jetztdoch sofortdoch inzwischen

    eben schnellnicht eben

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    6. Kulturstandards: Interkulturelle Unterschiede im deutschsprachigen Raum

    Kulturstandards in den deutschsprachigen Lndern Kommunikation und Sprache -Kommunikationsverhalten

    sterreich Deutschland

    1. Antizipation der Gegenposition, d.h.Hineinversetzen in die Mglichkeiten undHandlungsbedingungen des Gesprchs-und Verhandlungspartners;

    Antizipatorische Vorwegnahme"Zuvorkommend sein"

    Zurckhaltung und Schtzen des Gesichtsdes Anderen

    1. Prsentation der eigenen Position inder Erwartung, da der Gesprchs-partner seine Gegenposition darstellenwird.

    Konfrontative Gegenberstellung:"Sagen, worauf es ankommt".

    Selbstprsentation und Schtzen deseigenen Gesichts.

    1. Gesprchsvorausgehendes Akzeptierender Handlungsbedingungen des Ge-genbers und konstruktives Operieren mitdiesen. ("Schmerzgrenze" wird nichtberschritten.)

    "Alterorientierung und Personen-orientierung"

    1. Orientierung an den eigenen Inter-essen und Ausgehen von diesen.

    "Egoorientierung - und Sach-orientierung"

    1. Vermeiden von extremen Ausgangspo-sitionen, die aufgrund der antizipatorischenVorwegnahme als "unrealistisch" erkanntwurden - im allgemeinen und in derGesprchserffnung im besonderen. Zuerstwerden die Erklrungen, Entschuldigungenund Begrndungen, dann das Anliegen.

    Indirektheit

    1. Eigene Ausgangsposition wirdoffengelegt Die jeweils eigene Aus-gangsposition wird als gegebenangenommen und fr diese argumentiert.Positionen und Anliegen werden gleichzu Gesprchsbeginn prsentiert,Erklrungen und Begrndungen erstspter nachgeliefert.

    Direktheit

    1. Kompromifindung als Handlungs- undGesprchsziel und Vermeiden von zustarken Gegenstzen und Konflikten.Pragmatisches Abwgen der Vor- undNachteile:

    Situationshandeln und Normenambivalenz.

    1. Gesprchsziel ist ein maximalesErreichen der eigenen Ziele:Handlungs- und Gesprchsziel sind dasErreichen der gesetzten Ziele unterBefolgung von als gltig angesehenenPrinzipien

    Prinzipienhandeln

    1. Kompromifindung und Harmonie-erhaltung sind wichtiger alsAufrechterhalten von Prinzipien um denPreis von offenen Konflikten. Regeln sindnicht absolut, sondern werden flexibelgehandhabt und im Zweifelsfall pragmatischumgangen.

    Harmonieerhaltung

    1. Prinzipien und Normen sind alles:Prinzipienhandeln und Normentreue umden Preis offener Konflikte sind wichtigerals das Erreichen von Zielen um denPreis zu groer Kompromisse.

    Normerhaltung

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Tab. 3 Kulturstandards in den deutschsprachigen LndernDas Verhltnis von Brger und Staat - Verschrnkung von Staat und Gesellschaft

    sterreich Deutschland Schweiz1.1 Regionalismus und Lan-desidentitt, die konservativist. Starke Vorwrfe gegenWien, das als "zentralistisch"angesehen wird. Stadt-LandGegensatz, der auchparteipolitisch besetzt ist:konservativ vs. sozial-demokratisch.Die Folge: Regionale Identittgeht vor staatliche.

    1.2 Regionalismus und Lan-desidentitt, die noch strkerausgeprgt sind, als insterreich. Die Lnder habenwesentlich mehr Rechte undverfgen ber ein echtesParlament (Bundesrat).Grere Verteilung wichtigerInstitutionen ber das Land.Staatliche Identitt geht vorregionale.

    1.3 Sehr starker Regionalis-mus. so gut wie alle wichtigenRechte liegen bei denKantonen. DirekteDemokratie: WichtigeGesetze mssen oft trotzVerabschiedung durch dasParlament durch Volks-abstimmungen besttigtwerden. Regionale Identittgeht vor staatliche. StarkerAntizentralismus.

    2.1 Eine starke Skepsisgegenber den Institutionenund dem Staat selbst, der alsbevormundend empfundenwird, zugleich aber Zielpunktgroer Erwartungen ist. HoheErwartungen in die staatlicheIntervention.

    2.2. Starke Identifikation mitdem demokratischen Systemund der Verfassung.Staatliche Intervention wirderwartet.

    2.3 Sehr starke Identifikationmit dem demokratischenSystem, der Regierung undden staatlichen Institutionen.

    3.1 Josephinische Grund-einstellungen, d.h. starkeErwartungen in dieVersorgungsrolle des Staatesbei gleichzeitiger berlassungder Konfliktregelung "vonoben".

    3.2 Keine zu starken Erwar-tungen in die Versorgungsrolledes Staates und eine starkepersnliche Aktivierungs-bereitschaft bei Konflikten.

    3.3 Keine zu hohenErwartungen in die Rolle desStaates, vielmehr begreift sichder Brger als Souvern, derin genossenschaftlichen Geistversucht, seine Angelegen-heiten selbst zu regeln.

    4.1 Eine berragende Rolleder Mitgliedschaft inpolitischen Parteien bei derErlangung von hohenPositionen und Funktionen inWirtschaft und Gesellschaft.Dabei mageblichesKriterium: Gruppen-orientierung.

    4.2 Eine geringe Rolle derMitgliedschaft in Parteien beider Erlangung von hohenPositionen und Funktionen inWirtschaft und Gesellschaft: ftund Gesellschaft. Dabeimagebliches Kriterium:berwiegende Leistungs-orientierung.

    4.3 Die Mitgliedschaft inParteien spielt fr dasErlangen hoher Positioneneine untergeordnete Rolle, vielwichtiger ist z.B. die Positionin Armee und das Herkunftaus einflureicher Familien.Dabei mageblichesKriterium: berwiegendeLeistungsorientierung

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    Literatur:

    Aktuelle Informationen zum sterreichischen Deutsch sind im Internet verfgbar.Adresse: http://gewi.kfunigraz.ac.at/~muhr/oedt/

    A. Monographien zum Deutschen als plurizentrische Sprache und zu den plurizentrischen Sprachen in der Welt1. AMMON, Ulrich (1995): Die deutsche Sprache in Deutschland, sterreich und der Schweiz.

    Das Problem der nationalen Varietten. Berlin: de Gruyter.2. CLYNE, Michael (1984): Language and Society in the German-Speaking Countries.

    Cambridge: Cambridge University Press. 203 S.3. CLYNE, Michael (1995): The German Language in a changing Europe. Cambridge Univ.

    Press. 264 S.4. CLYNE, Michael (1992): Pluricentric Languages. Different Norms in different Nations.

    (Contributions to the Sociology of Language 62). Mouton de Gruyter. Berlin/New York.5. CLYNE, Michael (1992): German as a pluricentric language. In: Clyne, Michael: Pluricentric

    Languages. Differing Norms in Different Nations. Berlin / New York: de Gruyter. (5. 117-147).

    6. KLOSS, Heinz (1978): Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. 2.Aufl. Dsseldorf. (Sprache der Gegenwart 37).

    7. EICHHOFF, Jrgen (1977ff): Wortatlas der deutschen Umgangssprachen. 4 Bnde).Bern/Mnchen: Francke/Saur.

    B. Wrterbcher zum sterreichischen Deutsch

    1. sterreichisches Wrterbuch: Hrsg. Von: BACK, Otto/BENEDIKT, Erich/ HORNUNG,Maria/PACOLT, Ernst et. al. (1997): 38. vermehrte und berarbeitete Auflage. Wien.sterreichischer Bundesverlag.

    2. EBNER, Jakob (1980): Wie sagt man in sterreich? Wrterbuch der sterreichischenBesonderheiten (2., vollst. berarb. Aufl. (Duden-Taschenbcher, Bd. 8). Mannheim:Bibliographisches Institut. (teilweise veraltet).

    3. MALYGIN, Viktor T. (1996): sterreichische Redewendungen und Redensarten. Wien: BVPdagogischer Verlag.

    4. WB (1963-): Wrterbuch der bairischen Mundarten in sterreich. (Bayerisch-sterreichisches Wrterbuch - 1. sterreich). Wien: sterreichische Akademie derWissenschaften. [Bisher erschienen: 1. Lieferung (1963) - 30. Lieferung (1992; = 8. Lief. des4. Bandes).]

    C. Schulwrterbcher1. FREUND, Josef/JAROLIM, Franz/PACOLT, Ernst (1992): Kleines sterreichisches

    Wrterbuch. Wien. BV.2. WORTPROFI (1997): Schulwrterbuch. Linz. Veritas Verlag.

    C. Gesamtdarstellungen und wichtige Einzelarbeiten zum sterreichischen Deutsch

    1. EBNER, Jakob (1988): Wrter und Wendungen des sterreichischen Deutsch. In:Wiesinger, Peter (Hrsg.): Das sterreichische Deutsch. (Schriften zur deutschen Sprache insterreich, Band 12). Wien: Bhlau. (S.99-187).

    2. GLAUNINGER, Manfred (1997): Untersuchungen zum Wortschatz des sterreichischenDeutsch. Diplomarbeit an der Geisteswissenschaftlichen Fakultt der Karl-Franzens-Universitt Graz.

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    3. GRZEGA, Joachim (1997): sterreichisch, Bairisch, Bayrisch, Deutschlndisch -Beobachtungen zu Lexik und Idiomatik. In: Muhr, Rudolf/Schrodt, Richard/Wiesinger,Peter (Hrsg.): sterreichisches Deutsch. Linguistische, sozialpsychologische undsprachpolitische Aspekte einer nationalen Variante des Deutschen. Wien: Hlder-PichlerTempsky. S. 147-172.

    4. MUHR, Rudolf (1987): Regionale Unterschiede im Gebrauch von Beziehungsindikatorenzwischen der Bundesrepublik Deutschland und sterreich und ihre Auswirkungen auf denUnterricht in Deutsch als Fremdsprache - dargestellt am Beispiel der Modalpartikel. In:Gtze, Lutz (Hrsg.): Deutsch als Fremdsprache - Situation eines Faches. Bonn - BadGodesberg: Drr. (5. 144-155).

    5. MUHR, Rudolf (1993): Pragmatische Unterschiede in der deutschsprachigenKommunikation - sterreich Deutschland. In: Muhr, Rudolf (Hrsg.): InternationaleArbeiten zum sterreichischen Deutsch und seinen nachbarsprachlichen Bezgen.(Materialien und Handbcher zum sterreichischen Deutsch und zu Deutsch alsFremdsprache, Band 1). Wien: Hlder-PichlerTempsky. (5 26-38).

    6. MUHR, Rudolf (1995b): Grammatische und pragmatische Merkmale des sterreichischenDeutsch. In: Muhr, R./Schrodt, R./Wiesinger, P. (Hrsg.) (1995): Wien: Hlder-Pichler-Tempsky. S. 208-235. () (E).

    7. MUHR, Rudolf (1996d): Das sterreichische Deutsch in Linguistik und Sprachunterrichtseit 1945 - Ein Bericht. In: Der Gingko-Baum. Germanistisches Jahrbuch fr Nordeuropa.14. Folge. Herausgegeben am Germanistischen Institut der Universitt Helsinki. S. 220-238.

    8. MUHR, Rudolf (1996e): Kulturstandards in sterreich und Deutschland im Vergleich. In:Wierlacher, Alois / Stoetzel, Georg (Hg.): "Blickwinkel". Kulturelle Optik undinterkulturelle Gegenstandskonstitution. Akten des III. Internationalen Kongresses derGesellschaft fr Interkulturelle Germanistik Dsseldorf 1994 (=Publikationen derGesellschaft fr Interkulturelle Germanistik 5), S. 743-757. ISBN3-89129-039-X

    9. MUHR, Rudolf (1997c): Die sterreichische Literatursprache - Wie entstehen die Normeneiner plurizentrischen Standardsprache? Ergebnisse einer AutorInnenbefragung. In: RudolfMuhr/Richard Schrodt (Hrsg.): Wien. S. 88-116.

    10. MUHR, Rudolf (Hrsg.) (1993): Internationale Arbeiten zum sterreichischen Deutsch undseinen nachbarsprachlichen Bezgen. (Materialien und Handbcher zum sterreichischenDeutsch und zu Deutsch als Fremdsprache, Band 1). Wien: Hlder-Pichler-Tempsky.

    11. MUHR, Rudolf/SCHRODT, Richard (Hrsg.) (1997): sterreichisches Deutsch und andereVarietten plurizentrischer Sprachen in Europa. Wien. Verlag Hlder Pichler Temspky.(Materialien und Handbcher zum sterreichischen Deutsch und zu Deutsch alsFremdsprache, Band 2).

    12. MUHR, Rudolf/SCHRODT, Richard/WIESINGER, Peter (Hrsg.) (1995): (Materialien undHandbcher zum sterreichischen Deutsch und zu Deutsch als Fremdsprache, Band 2).Wien: Hlder-Pichler-Tempsky.

    13. POLLAK, Wolfgang (1992): Was halten die sterreicher von ihrem Deutsch? Wien.14. RIZZO-BAUR, Hildegard (1962): Die Besonderheiten der deutschen Schriftsprache in

    sterreich und in Sdtirol. (Duden-Beitrge, Heft 5). Mannheim: Bibliographisches Institut.(veraltet)

    15. STUBKJAER, Flemming Talbo (1993): Zur Reihenfolge der Verbformen des Schlufeldesim sterreichischen Deutsch. In: Muhr, Rudolf (Hrsg.) (1993): (Materialien undHandbcher zum sterreichischen Deutsch und zu Deutsch als Fremdsprache, Band 1).Wien: Hlder-PichlerTempsky. (S.39-52).

    16. STUBKJAER, Flemming Talbo: Das Prsensparadigma der starken Verben imsterreichischen Deutsch. In: Muhr, Rudolf/Schrdot, Richard (Hrsg.) (1997): Wien. S.199-211.

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    R. Muhr: sterreichisches Deutsch

    17. TAKAHASHI, Hideaki (1996): Die richtige Aussprache des Deutschen in Deutschland,sterreich und der Schweiz, nach Magabe der kodifizierten Normen. Frankfurt am Mainetc: Verlag Peter Lang. (Duisburger Arbeiten zur Sprach- und Kulturwissenschaft, Bd. 27).

    18. TATZREITER, Herbert (1988): Besonderheiten der Morphologie in der deutschen Sprachein sterreich. In: Wiesinger, Peter (Hg.) (1988): S. 71-99. ()

    19. WIESINGER, Peter (Hrsg.) (1988): Das sterreichische Deutsch. (Schriften zur deutschenSprache in sterreich, Band 12). Wien: Bhlau. (vergriffen)

    E. Einflsse aus / auf andere(n) Sprachen1. DOBRENOV-MAJOR, Maria (1997): Stirbt die Donaumonarchie erst jetzt endgltig? Das

    Verschwinden der Austriazismen in der Sprache der Vojvodinaer Serben durch Migrationund Emigration. In: Muhr, Rudolf/Schrodt, Richard (Hrsg.) (1997): Hlder-PichlerTempsky. S. 350 - 372.

    2. GLOVACKI-BERNARDI, Zrinjka (1993): sterreichische und sddeutsche Elemente inder Agramer Mundart. In: Muhr, Rudolf (Hrsg.) (1993): S. 76-78.

    3. GRZEGA, Joachim (1997): sterreichisch, Bairisch, Bayrisch, Deutschlndisch -Beobachtungen zu Lexik und Idiomatik. In: Muhr, Rudolf/Schrodt, Richard (Hrsg.) (1997):Wien. Verlag Hlder Pichler Temspky. S. 147-172.

    4. KOZMOV, Ruzena (1993): sterreichisches Deutsch in der slowakischen Alltagssprache.In: Rudolf Muhr (Hrsg.) (1993): S. 94-98.

    5. NAGY, Anna (1990/1993): Nationale Varianten der deutschen Standardsprache und ihreBehandlung im Deutschunterricht des Auslandes. In: Muhr, Rudolf (Hrsg.) (1993): Wien. S.67-75. [Nachdruck aus GRADaF 1/1990, 2. verb. Aufl.]

    6. PAPSONOV, Mria (1995): Zum gegenseitigen Einflu des sterreichischen Deutsch unddes Slowakischen. In: Muhr, R./Schrodt, R./Wiesinger, P. (Hrsg.) (1995): (Materialien undHandbcher zum sterreichischen Deutsch und zu Deutsch als Fremdsprache, Band 2).Wien: S. 313-326.

    7. ROWLEY, Anthony R. (1995): Bavarismen. Das Bayerische Deutsch. In: Muhr, R./Schrodt,R./Wiesinger, P. (Hrsg.) (1995): Wien: Hlder-PichlerTempsky. S. 305 - 313

    8. RUDOLF, Rainer (1991): Die deutschen Lehn- und Fremdwrter in der slowakischenSprache. Wien.

    9. SIMON, Hans J. (1977): Italienisch-sterreichisches und Franzsisch-Deutsches. In:Klagenfurter Beitrge zur Sprachwissenschaft, Jg. 3 (1977), Heft 1/2. (5. 69-79).

    10. SPCILOV, Libue (1995): Der gegenseitige Einflu des Tschechischen und dessterreichischen Deutsch in der nheren Geschichte und Gegenwart. In: Muhr, R./Schrodt,R./Wiesinger, P. (Hrsg.) (1995): (Materialien und Handbcher zum sterreichischenDeutsch und zu Deutsch als Fremdsprache, Band 2). Wien: S. 326 - 354.

    11. STEINHAUSER, Walter (1978): Slawisches im Wienerischen. 1. Aufl. Wien:Verlag desNotringes. 2. Aufl. Wien, 1978.

    12. WILD, Katharina (1997): Die Einstellung der deutschprachigen Bevlkerung in Sdungarnzum sterreichischen Deutsch in der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum ZweitenWeltkrieg. In: Muhr, Rudolf/Schrodt, Richard/Wiesinger, Peter (Hrsg.): sterreichischesDeutsch. Linguistische, sozialpsychologische und sprachpolitische Aspekte einer nationalenVariante des Deutschen. Wien: Hlder-PichlerTempsky. S. 340-350.

    13. ZEHETNER, Ludwig (1997): Lexikon der deutschen Sprache in Altbayern. Wrterbuch derregionalen Besonderheiten der Hoch- und Schrifisprache sowie der dialektnahenVerkehrssprache in Oberbayern, Niederbayern, der Oberpfalz und angrenzenden Gebieten.

    14. ZEPIC , Stanko(1995): Das sterreichische Deutsch in Zagreb und Osijek - Zur Geschichteder deutschen Sprache in Kroatien. In: Muhr, R./Schrodt, R./Wiesinger, P. (Hrsg.) (1995):sterreichisches Deutsch. ... S. 354 - 374.