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AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen bei Isid. orig. 11,1,120 Isidor überliefert, in einer vom Griechischen etwas abwei- chenden Form, zwei griechische Pulsbezeichnungen. Sind sie als genuine Überlieferung beizubehalten oder zu korrigieren? In wel- cher Form sind sie sonst überliefert? Wie wurden diese beiden Pulsarten noch lateinisch bezeichnet, und was sagen unsere Lexika dazu? Wie erklären sich die dabei verwendeten Metaphern? 1. δορκαδζων und μυρμηκζων In zwanzig einzelnen Büchern hat Galen die Lehre vom Puls behandelt; 1 kein anderes diagnostisches Zeichen erfährt bei ihm ähnliche Aufmerksamkeit. Erst am Ende der Antike gewinnt die auf der Harnschau basierende Diagnostik vergleichbares Gewicht. Sie war scheinbar leichter handhabbar als die vom Puls ausgehende, die immer sehr viel praktische Erfahrung und Fingerspitzengefühl voraussetzte und sicher nicht zuletzt aus diesem Grunde schon seit über hundert Jahren bei uns keine Rolle mehr spielt. Für den anti- ken Menschen gehörten gewisse Kenntnisse auf dem Gebiet der Pulslehre zu einer guten Allgemeinbildung, wie uns nicht zuletzt die Erörterung bei Gellius 18,10 beweist, und schon Plinius (Plin. nat. 11,219) sprach vom arteriarum pulsus in cacumine maxime membrorum euidens index fere morborum. Galens subtile Unterscheidungen der Pulsarten verdanken, so die einhellige Ansicht der Forschung, viel seinem Vorgänger Archi- genes. 2 Um zwei bestimmte Arten des Pulses, die Isidor mit ihren 1) Zusammen gut 1000 Seiten in den Bänden 8 und 9 der zweisprachigen Ausgabe von K. G. Kühn, Lipsiae 1824–1825. 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ- που Απαμεύς. Ο βίος και τα έργα ενός έλληνα γιατρού στην αυτοκρατορική Ρώμη, Αθήναι 2000 (Πονήματα. Συμβολές στην έρευνα της Ελληνικής και Λατινικής γραμματείας 3). RhM 158 (2015) 44–64

AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

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Page 1: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

AMEISENKAPRIOLENZu den griechischen Pulsbezeichnungen

bei Isid orig 111120

Isidor uumlberliefert in einer vom Griechischen etwas abwei-chenden Form zwei griechische Pulsbezeichnungen Sind sie alsgenuine Uumlberlieferung beizubehalten oder zu korrigieren In wel-cher Form sind sie sonst uumlberliefert Wie wurden diese beidenPulsarten noch lateinisch bezeichnet und was sagen unsere Lexikadazu Wie erklaumlren sich die dabei verwendeten Metaphern

1 δορκαδζων und μυρμηκζων

In zwanzig einzelnen Buumlchern hat Galen die Lehre vom Pulsbehandelt1 kein anderes diagnostisches Zeichen erfaumlhrt bei ihmaumlhnliche Aufmerksamkeit Erst am Ende der Antike gewinnt dieauf der Harnschau basierende Diagnostik vergleichbares GewichtSie war scheinbar leichter handhabbar als die vom Puls ausgehendedie immer sehr viel praktische Erfahrung und Fingerspitzengefuumlhlvoraussetzte und sicher nicht zuletzt aus diesem Grunde schon seituumlber hundert Jahren bei uns keine Rolle mehr spielt Fuumlr den anti-ken Menschen gehoumlrten gewisse Kenntnisse auf dem Gebiet derPulslehre zu einer guten Allgemeinbildung wie uns nicht zuletztdie Eroumlrterung bei Gellius 1810 beweist und schon Plinius (Plinnat 11219) sprach vom arteriarum pulsus in cacumine maximemembrorum euidens index fere morborum

Galens subtile Unterscheidungen der Pulsarten verdanken sodie einhellige Ansicht der Forschung viel seinem Vorgaumlnger Archi-genes2 Um zwei bestimmte Arten des Pulses die Isidor mit ihren

1) Zusammen gut 1000 Seiten in den Baumlnden 8 und 9 der zweisprachigenAusgabe von K G Kuumlhn Lipsiae 1824ndash1825

2) Zu Archigenes vgl die neue Studie von ΑΔ Μαυρουδής Αρχιγένης Φιλίπ-που Απαμεύς Ο βίος και τα έργα ενός έλληνα γιατρού στην αυτοκρατορική ΡώμηΑθήναι 2000 (Πονήματα Συμβολές στην έρευνα της Ελληνικής και Λατινικήςγραμματείας 3)

RhM 158 (2015) 44ndash64

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griechischen Namen erwaumlhnt soll es hier gehen Hier der Text derneuesten von F Gasti besorgten Ausgabe3

Pulsus uocatus quod palpitet cuius indicio aut infirmitatem intellegi-mus aut salutem Huius duplex est motus aut simplex aut conpositussimplex qui ex uno saltu constat conpositus qui ex pluribus motibus in-ordinatus et inaequalis existit Qui motus certa habent spatia dactili-cum percussum quamdiu sine uitio sunt si quando uero citatiores suntut dorcadazontes aut leniores ut mirmizontes mortis signa suntIsid orig 1111204

Abgesehen von der Interpunktion unterscheidet sich Gasti von seinem Vorgaumlnger Lindsay (OCT Oxonii 1911) in der Schreibungdes Wortes dactilicum (dactyl- Lindsay mit K einer der aumlltestenHandschriften gegenwaumlrtig in die erste Haumllfte des 8 Jahrhundertsdatiert)5 und dadurch daszlig er die beiden griechischen Woumlrter jetztmit lateinischen Buchstaben schreibt6 Gasti weist darauf hin daszligC N Conomis7 dafuumlr plaumldiert hatte die regulaumlren griechischenFormen δορκαδζοντες und μυρμηκζοντες einzusetzen8 Bei derFrage ob diese Woumlrter urspruumlnglich mit griechischen Lettern ge-schrieben waren oder nicht9 lassen unsere Handschriften keine

3) Isidoro di Siviglia Etimologie Libro XI De homine et portentis Edizionetraduzione e commento a cura di F Gasti Paris 2010

4) Zitiert in dieser Form bei Vincentius Bellovacensis Speculum naturale2963 mit dorcadazontes und mirmirzontes

5) Es handelt sich um die beruumlhmte aus dem oberitalienischen Bobbio stam-mende Palimpsesthandschrift der Herzog August Bibliothek Wolfenbuumlttel Weis-senburg (Wissembourg im Elsaszlig) 64 bei Lindsay der Karolinus Wolfenbuettelanuss viii in (So erklaumlrt sich die sonst dunkel bleibende Sigle K) Bei Gasti (wie Anm 3)und in anderen Baumlnden der Pariser Isidoredition heiszligt diese Handschrift Guelfer-bytanus 4148 nach der Numerierung des inzwischen ersetzten Katalogs von O vonHeinemann Mit der Angabe Weissenburg 64 findet man zum Digitalisat und derdigitalen Edition

6) Nach welchen Kriterien Gasti sich fuumlr die griechische Schreibweise ent-scheidet ist mir nicht klar geworden Isid orig 111130 setzt er z B )ππλουν inden Text (ohne Angabe im Apparat) gleich darauf in Isid orig 111131 schreibter tilon () enteron fuumlr τυφλ+ν ντερον was mir nur gerechtfertigt erscheint wennwir sicher sein koumlnnen daszlig es so in Isidors Quelle stand

7) Greek in Isidorersquos Origines Glotta 51 1973 101ndash112 hier 105ndash1068) Zur Ableitung der Pulsbezeichnungen von Tiernamen Galen Synopsis

librorum suorum de pulsibus 22 (9506 Kuumlhn) mit Galeno Sinopsis de Galeno desu propia obra sobre pulsos Estudio introductorio bibliografiacutea traduccioacuten notase iacutendices de L M Pino Campos Madrid 2005 (Kapitel 29ndash34 der Schrift sind grie-chisch nicht erhalten)

9) Dazu Gasti (wie Anm 3) XXXV

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Entscheidung zu denn nur in seltenen Faumlllen reichen sie in eineZeit zuruumlck wo das Griechische auch fuumlr die Abschreiber nichtsExotisches an sich hatte Da ohnehin von Hand kopiert wurde waren die wenigen vom lateinischen Alphabet abweichendenBuchstaben keine unuumlberwindliche Huumlrde im vorliegenden Fallwaumlre allein das Delta unterschiedlich Auch was die Wortformenselbst angeht kommen wir um eine a-priori-Entscheidung nichtherum Waren die Woumlrter bereits in Isidors (hier unbekannter)Quelle entstellt oder traten die Abweichungen von den korrektengriechischen Formen erst im Laufe der Uumlberlieferung des Textesder Etymologien auf

Der Eintrag zu myrmecizon im Thesaurus linguae Latinaestammt vom damaligen Redaktor W Buchwald Auch hier wird dieIsidorstelle nicht behandelt weil sie bei Lindsay in griechischenLettern erscheint doch sagt Buchwald myrmizon sei die bdquoformavulgarisldquo (ThlL VIII 17457) Fuumlr diese bdquoforma vulgarisldquo sind dieangefuumlhrten Belege Cael Aur diaet pass 38 (einzige HandschriftAug CXX s 9 med wo myrmitonta steht nicht myrmiz- wie derThesaurus schreibt) sowie insgesamt drei Stellen aus den Chroni-schen Krankheiten und den Akuten Krankheiten desselben Schrift-stellers fuumlr diese kennen wir allerdings nur die beiden Erstdruckedes 16 Jahrhunderts

Die dem Griechischen entsprechende in etwa regulaumlre Formmirmicizon treffen wir allerdings dreimal an in PsSor pulsp 27911 Rose und p 2801 Rose sowie an der im Thesaurus uumlber-gangenen Stelle p 28010 Rose (wiederum nach dem Aug CXXdie Handschrift ist jetzt uumlber die Badische Landesbibliothek Karls -ruhe im Netz nachpruumlfbar) Dasselbe Werk bringt auch dreimaldorcadizon (p 2791517 und p 2807 Rose) Beide Termini findensich ferner in PsSor quaest med 183 und 185 (193L und 195Lmeiner geplanten Neuausgabe) An der ersten Stelle bietet die vonRose herangezogene Handschrift London British Library Cotto-nianus Galbae IV E dorcadion genauso die geringfuumlgig aumlltere Roseunbekannte Lincoln Cathedral and Chapter Library 220 Rose hatmit Recht dorcadizon hergestellt (spaumltantik -di- = -z- = da manhaumltte also statt dorcadizon auch dorcadidion schreiben bzw lesenkoumlnnen)

Das hilft uns die Uumlberlieferung bei Isidor etwas besser zu ver-stehen Fuumlr dorcadazontes fuumlhrt Gasti an -diozontes TUVWX -di-zontes amp -dexzontis D -diczontes Y δορκαδ0ζοντες edd er setzt

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also die griechisch inexistente Form als Konjektur in den Text oderhandelt es sich wenn sein Apparat negativ ist dabei um die Uumlber-lieferung der uumlbrigen sechs Handschriften Uumlberpruumlft habe ich Kdort lese ich dorcadiszontes dorgadazontes in G Aumlhnlich verfaumlhrtGasti bei mirmizontes -mihizontes TUV -micizontes Y -mizizon-tis D mircatizontes X μυρμζοντες edd und wir sehen erneut daszligdie spanischen Zeugen (Gastis Familia hispanica = TUVWamp) dervon Conomis angenommenen Form naumlher kommen als das wasGasti (Lindsay folgend) in den Text gesetzt hat10

Wegen der Varianten kehren wir nochmals zu PsSor pulszuruumlck Denn auch hier sind inzwischen drei neue Textzeugen be-kannt geworden Beim ersten handelt es sich erneut um eine Hand-schrift aus der Mitte des 12 Jahrhunderts Auxerre 240 fol 47rndash48v Der Erstherausgeber J A Pithis sah in diesem Text einen wei-teren Pulstraktat des Philaret11 In Wirklichkeit ist es der bereits erwaumlhnte pseudosoranische Traktat de pulsibus (peri sfigmon imAug CXX) und zwar dessen Hauptteil p 27621ndash28013 Rosebeginnend Pulsus diuiditur in duas partes id est diastolen et sistolenin geringfuumlgig uumlberarbeiteter Form (Incipit dieses Stuumlcks bei RosePulsus duabus partibus constat quas Graeci diastolen et systolen appellant) Ebenfalls der Mitte des 12 Jahrhunderts gehoumlrt die die-sen Text uumlberliefernde Handschrift Paris Bibliothegraveque nationalelat 16944 an die der Katalog als aus Deutschland (vielleicht ausBayern) stammend beschreibt dort fol 71randash72rb Bei der drittenhandelt es sich um den dritten Teil von Par lat 6882A fol 35r-v dervon Beccaria in das 12 von Wickersheimer (was mir wahrschein-licher duumlnkt) in das 13 Jahrhundert datiert wird

10) Paris BNF lat 12999 fol 100r hat dorcadiczantes aut leniores ut mirmi -zantes was ich erwaumlhne weil diese Varianten sonst nicht in den Apparaten stehenDiese Handschrift uumlberliefert fol 97vndash101r Isid orig 1111ndash147 (ohne Isidors Na-men deshalb bis jetzt wohl nicht identifiziert) Weitere Stuumlcke aus den Etymologienfolgen dort

11) J A Pithis Die Schriften Περ1 σφυγμ2ν des Philaretos Text ndash Uumlberset-zung ndash Kommentar Husum 1983 I Garofalo Il De pulsibus di Philaretus e il Περ1σφυγμ2ν di Philaretos (con in appendice lrsquoedizione del De pulsibus) in M T San-tamariacutea Hernaacutendez (Hrsg) Textos meacutedicos grecolatinos antiguos y medievalesestudios sobre composicioacuten y fuentes Cuenca 2012 55ndash94 zeigt daszlig es sich bei dergriechischen Pulsschrift um eine Fassung der pseudogalenischen Schrift De pulsibusad Antonium beeinfluszligt vom lateinischen Philaretus handelt Garofalo bietet eineNeuausgabe des lateinischen Textes mit eigener neuer Paragraphenzaumlhlung die derweiteren Arbeit zugrundegelegt werden muszlig

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Auxerre 240 bietet zorzadizon und zweimal zorcadizon12 so-wie dreimal mirmizon Par lat 16944 dorgidizon dorcadyzon unddorcaryzon und zweimal mirmichyzon einmal mirmychizon Parlat 6882A zweimal mirmichizon einmal mirmitizon einmal mir-mikizon und dreimal dorcadizon Damit erledigt sich meines Er-achtens Buchwalds Interpretation von myrmizon als bdquoforma vul -garisldquo es ist ein simpler Schreib- bzw Uumlberlieferungsfehler ohnereale Existenz im spaumltlateinischen Lexikon13 Vielmehr hat sich indiesem Fall die in etwa nachvollziehbare Umschrift griechischerWoumlrter bis in Handschriften des 12 Jahrhunderts erhalten

Daszlig griechische Woumlrter innerhalb lateinischer Handschriftenin griechischen Lettern uumlberliefert wurden ist ausreichend be-zeugt14 Daneben bediente man sich der Umschrift in das latei -nische Alphabet was vermutlich der haumlufigere Fall war Soll manalso die griechische Schreibung restitutieren und wenn ja wo ziehtman die Grenze Denn nicht alles was einmal aus dem Griechi-schen uumlbernommen worden war wurde spaumlter noch als fremdempfunden In den Faumlllen jedoch wo ein griechisches Wort in einem lateinischen medizinischen Text als fremdes Gut eingefuumlhrtwird wie es haumlufig bei Caelius Aurelianus der Fall ist aber auch beiScribonius Largus Celsus Cassius Felix vorkommt nehme ich andaszlig auch dort urspruumlnglich griechische Lettern verwendet wordenwaren (wie bei Cicero Seneca und weiteren Autoren)

Fuumlr die Pulslehre finden wir ein entsprechendes Beispiel indem noch ungedruckten Pulstraktat der Handschrift GlasgowHunterian Collection 96 (fruumlhere Signatur T413) die in einem wisigothischen Kontext vermutlich in Suumldfrankreich am Ende des8 oder Anfang des 9 Jahrhunderts geschrieben wurde auf fol 99rndash

12) Einmal ist das z eine rote Initiale Es gibt zwar im Griechischen die Va-riante ζορκ0ς fuumlr δορκ0ς ich halte es aber fuumlr unwahrscheinlich daszlig diese Formnur hier uumlberliefert sein soll und eine Nebenform mit ζ beim Verb ist in den Lexikanicht aufgefuumlhrt

13) Im Einsidlensis 186 p 183 finden wir zu PsAlex puls ur 123 (Naumlhereszu diesem Text unten) mirmizan korrigiert zu mirmicizan

14) Z B ΚΟΙΝΙΚ ΝΣΠΑΣΜ Ν bei Scrib Larg 101 im Sang 751 p 285 siehe S Sconocchia LrsquoAntidotos hiera di Scribonio Largo e i suoi rifacimenti attra-verso il tempo in D Langslow B Maire (Hrsg) Body Disease and Treatment ina Chang ing World Latin texts and contexts in ancient and medieval medicine Lau-sanne 2010 131ndash145 hier 138 D Vottero La grafia dei termini drsquoorigine greca nelleopere filosofiche di Seneca Atti della Accademia delle Scienze di Torino 2 Classedi Scienze morali storiche e filologiche 108 1974 311ndash339

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102r Auf fol 100v erscheinen die beiden uns hier beschaumlftigendenPulsarten im acc plur als ΑΟΡΚ ΑΙΖontΑϲ und ΝΥΝΙΚΙΖΟΝΤΑϲalso δορκαδζοντας und μυρμηκζοντας in den uns gelaumlufigerenMinuskeln Der oder die Schreiber waren mit der klassischen latei-nischen Orthographie nicht vertraut und schrieben das Lateinischemeistens so wie sie es houmlrten bzw fuumlr richtig hielten z B higiturabere essiam quaptuor ieme brebis (= igitur habere etiam quat-tuor hieme breuis) Das Griechisch ihrer Vorlage haben sie so gutes eben ging abgemalt ndash und es ging wie wir sehen nicht beson-ders gut

Die gerade erwaumlhnte Glasgower Handschrift uumlberliefertebenfalls einen Text De pulsibus et urinis der mitunter einem Alex-ander aber auch dem Galen in einer weiteren Handschrift (Cass69 p 551a) einem Dionysius zugeschrieben wird Bei Alexanderhatte man verstaumlndlicherweise sofort an den beruumlhmtesten aumlrzt -lichen Alexander des Mittelalters gedacht Alexander von Trallesdoch zu Unrecht den wahren Verfasser kennen wir nicht Vor vierzig Jahren wurde die Uumlberlieferung dieses aumluszligerst populaumlrenkurzen Traktats von M Stoffregen aufgearbeitet15 nach immerhinsechzehn Handschriften vom 8 bis zum 14 Jahrhundert Bei dieserAnzahl uumlberrascht es kaum daszlig angesichts der oft schlecht er-schlossenen Handschriftenbestaumlnde des Hoch- und Spaumltmittel -alters weitere Zeugen auftauchten16 Der fruumlheste unter ihnen istdie am Beginn des Textes verstuumlmmelte17 Glasgower HandschriftHunter 96 fol 95rndash96r Der Text erwaumlhnt auch den ameisenartigenPuls (Zeile 293 Stoffregen) Stoffregen schrieb mit der Mehrzahlder Handschriften mirmizon Eine seiner Handschriften der Vati-canus Barberinianus 160 s 11 (bei ihm B) uumlberliefert mirmizizon

15) M Stoffregen Eine fruumlhmittelalterliche Uumlbersetzung des byzantinischenPuls- und Urintraktats des Alexandros Text Uumlbersetzung und Kommentar DissBerlin 1977 Ich folge seiner Kapitelzaumlhlung unterteile die Kapitel aber weiter Ichzitiere ihn als PsAlex puls ur das Mittellateinische Woumlrterbuch als PsGalenpuls was in Anbetracht der vielen pseudogalenischen Schriften und der Uumlberliefe-rungslage meines Erachtens weniger guumlnstig ist

16) Die unten erwaumlhnte Handschrift Paris Bibliothegraveque nationale lat6882A bringt ihn fol 37vndash39v mit Abweichungen in der Kapitelfolge

17) Ausfall vermutlich einer Lage mit dem Ende des Esculapius und dem Be-ginn von De pulsibus et urinis Nach dem Inhaltsverzeichnis fol 21vbndash22ra folgte aufdas Ende des Esculapius (LVIIII de podagra) LX de febres LXI Incipit de hurinaund erst danach LXII de pulsis et urina

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und ich halte das fuumlr genuine Uumlberlieferung wuumlrde es also (selbst-verstaumlndlich griechisch geschrieben) in den Text setzen Stoffregenskritischer Apparat zeigt uns aber auch daszlig es ein lateinisches Wortdafuumlr gab Zwei Handschriften haben an dieser Stelle formicaliszwei weitere formicans Das nehme ich zum Anlaszlig ausfuumlhrlicherauf die lateinischen Entsprechungen von δορκαδζων und μυρ-μηκζων einzugehen Mit letzterem beginnen wir

2 Lateinische Aumlquivalente fuumlr μυρμηκζων

Der Thesaurus belegt das Wort formicabilis an vier18 Stellenaus Caelius Aurelianus an zweien davon ist tatsaumlchlich die Formformicabilis uumlberliefert (acut 227145 und 232167) die F Vollmerder Verfasser des Artikels und verantwortliche Redaktor auch dort

18) Cael Aur diaet pass 148 zaumlhle ich nicht mit da es im ThlL nicht mehrals Caelius Aurelianus zitiert wird Es handelt sich um die Uumlberlieferung innerhalbdes Werkes des Aesculapius (Es-) 431 in der kritischen Ausgabe von F ManzaneroCano (= Kapitel 44 des im Mittellateinischen Woumlrterbuch zitierten Druckes Argen-torati 1533) Ex quibus sciaticum adprehendis Primum ex paruo dolore ossi eo quodde ima descendens uertebra coxe sue conpaginem erigit id Greci isclthgtion uocaue -runt hoc est coxam adtestante formicabili torpore cum grauedine et difficultate mo-tus Manzanero Cano war sich nicht bewuszligt daszlig Rose als diaet pass eben denEsculapius von 1533 (mit eigenen nicht ausgewiesenen Verbesserungen) drucktund formicabili was er in den Text setzt (die Handschriften haben soweit vorhan-den formidabili ebenso der hier auf Esculapius beruhende Gariopontus = Passio-narius Galieni 41) nicht uumlberliefert sondern Roses Wiederherstellungsversuch istDas gilt auch fuumlr die Uumlberlieferung innerhalb des Liber glossarum p 751ndash13 Hei-berg (Manzanero Cano irrig bdquoHelmldquo) wo die beiden zugrundegelegten Hand-schriften ebenfalls formidabili lesen Die Manzanero Cano unbekannte HandschriftGlasgow Hunter 96 der aumllteste Zeuge bricht leider kurz zuvor bei Esculapius 4027ab Allerdings kenne ich keine Parallele die erhellen koumlnnte was mit formicabilistorpor gemeint sein koumlnnte torpor muumlszligte das sein was beim Anonymus Parisinus491 ν0ρκη heiszligt und sich sowohl auf Empfindungs- wie auf Bewegungslosigkeitbeziehen (Im Deutschen sagen wir umgangssprachlich z B bdquomein Bein ist einge-schlafenldquo wenn die sensorische und motorische Nervenleitung momentan gestoumlrtist und dazu paszligt ν0ρκη ganz gut Vgl Photius p 2875 Νάρκη μυρμηκίασις) CaelAur chron 512 spricht nun allerdings von cum leui torpore ac formicatione als Teilder Symptomatik Einen leuis torpor kann man aber nicht gut formidabilis nennenwie es in der Uumlberlieferung der diaet pass der Fall ist Zudem kommt formidabilisein relativ haumlufig belegtes Wort bei medizinischen Autoren also auch bei CaeliusAurelianus sonst nicht vor formicatio lesen wir an einer zweiten Stelle bei CaeliusAurelianus chron 5230 sequitur autem passione articulari tentatos (= temptatos)torpor atque formicatio eorum articulorum qui tanguntur

51Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

52 Klaus-Die t r i ch F i s cher

inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

53Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

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Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

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porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

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fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 2: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

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griechischen Namen erwaumlhnt soll es hier gehen Hier der Text derneuesten von F Gasti besorgten Ausgabe3

Pulsus uocatus quod palpitet cuius indicio aut infirmitatem intellegi-mus aut salutem Huius duplex est motus aut simplex aut conpositussimplex qui ex uno saltu constat conpositus qui ex pluribus motibus in-ordinatus et inaequalis existit Qui motus certa habent spatia dactili-cum percussum quamdiu sine uitio sunt si quando uero citatiores suntut dorcadazontes aut leniores ut mirmizontes mortis signa suntIsid orig 1111204

Abgesehen von der Interpunktion unterscheidet sich Gasti von seinem Vorgaumlnger Lindsay (OCT Oxonii 1911) in der Schreibungdes Wortes dactilicum (dactyl- Lindsay mit K einer der aumlltestenHandschriften gegenwaumlrtig in die erste Haumllfte des 8 Jahrhundertsdatiert)5 und dadurch daszlig er die beiden griechischen Woumlrter jetztmit lateinischen Buchstaben schreibt6 Gasti weist darauf hin daszligC N Conomis7 dafuumlr plaumldiert hatte die regulaumlren griechischenFormen δορκαδζοντες und μυρμηκζοντες einzusetzen8 Bei derFrage ob diese Woumlrter urspruumlnglich mit griechischen Lettern ge-schrieben waren oder nicht9 lassen unsere Handschriften keine

3) Isidoro di Siviglia Etimologie Libro XI De homine et portentis Edizionetraduzione e commento a cura di F Gasti Paris 2010

4) Zitiert in dieser Form bei Vincentius Bellovacensis Speculum naturale2963 mit dorcadazontes und mirmirzontes

5) Es handelt sich um die beruumlhmte aus dem oberitalienischen Bobbio stam-mende Palimpsesthandschrift der Herzog August Bibliothek Wolfenbuumlttel Weis-senburg (Wissembourg im Elsaszlig) 64 bei Lindsay der Karolinus Wolfenbuettelanuss viii in (So erklaumlrt sich die sonst dunkel bleibende Sigle K) Bei Gasti (wie Anm 3)und in anderen Baumlnden der Pariser Isidoredition heiszligt diese Handschrift Guelfer-bytanus 4148 nach der Numerierung des inzwischen ersetzten Katalogs von O vonHeinemann Mit der Angabe Weissenburg 64 findet man zum Digitalisat und derdigitalen Edition

6) Nach welchen Kriterien Gasti sich fuumlr die griechische Schreibweise ent-scheidet ist mir nicht klar geworden Isid orig 111130 setzt er z B )ππλουν inden Text (ohne Angabe im Apparat) gleich darauf in Isid orig 111131 schreibter tilon () enteron fuumlr τυφλ+ν ντερον was mir nur gerechtfertigt erscheint wennwir sicher sein koumlnnen daszlig es so in Isidors Quelle stand

7) Greek in Isidorersquos Origines Glotta 51 1973 101ndash112 hier 105ndash1068) Zur Ableitung der Pulsbezeichnungen von Tiernamen Galen Synopsis

librorum suorum de pulsibus 22 (9506 Kuumlhn) mit Galeno Sinopsis de Galeno desu propia obra sobre pulsos Estudio introductorio bibliografiacutea traduccioacuten notase iacutendices de L M Pino Campos Madrid 2005 (Kapitel 29ndash34 der Schrift sind grie-chisch nicht erhalten)

9) Dazu Gasti (wie Anm 3) XXXV

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Entscheidung zu denn nur in seltenen Faumlllen reichen sie in eineZeit zuruumlck wo das Griechische auch fuumlr die Abschreiber nichtsExotisches an sich hatte Da ohnehin von Hand kopiert wurde waren die wenigen vom lateinischen Alphabet abweichendenBuchstaben keine unuumlberwindliche Huumlrde im vorliegenden Fallwaumlre allein das Delta unterschiedlich Auch was die Wortformenselbst angeht kommen wir um eine a-priori-Entscheidung nichtherum Waren die Woumlrter bereits in Isidors (hier unbekannter)Quelle entstellt oder traten die Abweichungen von den korrektengriechischen Formen erst im Laufe der Uumlberlieferung des Textesder Etymologien auf

Der Eintrag zu myrmecizon im Thesaurus linguae Latinaestammt vom damaligen Redaktor W Buchwald Auch hier wird dieIsidorstelle nicht behandelt weil sie bei Lindsay in griechischenLettern erscheint doch sagt Buchwald myrmizon sei die bdquoformavulgarisldquo (ThlL VIII 17457) Fuumlr diese bdquoforma vulgarisldquo sind dieangefuumlhrten Belege Cael Aur diaet pass 38 (einzige HandschriftAug CXX s 9 med wo myrmitonta steht nicht myrmiz- wie derThesaurus schreibt) sowie insgesamt drei Stellen aus den Chroni-schen Krankheiten und den Akuten Krankheiten desselben Schrift-stellers fuumlr diese kennen wir allerdings nur die beiden Erstdruckedes 16 Jahrhunderts

Die dem Griechischen entsprechende in etwa regulaumlre Formmirmicizon treffen wir allerdings dreimal an in PsSor pulsp 27911 Rose und p 2801 Rose sowie an der im Thesaurus uumlber-gangenen Stelle p 28010 Rose (wiederum nach dem Aug CXXdie Handschrift ist jetzt uumlber die Badische Landesbibliothek Karls -ruhe im Netz nachpruumlfbar) Dasselbe Werk bringt auch dreimaldorcadizon (p 2791517 und p 2807 Rose) Beide Termini findensich ferner in PsSor quaest med 183 und 185 (193L und 195Lmeiner geplanten Neuausgabe) An der ersten Stelle bietet die vonRose herangezogene Handschrift London British Library Cotto-nianus Galbae IV E dorcadion genauso die geringfuumlgig aumlltere Roseunbekannte Lincoln Cathedral and Chapter Library 220 Rose hatmit Recht dorcadizon hergestellt (spaumltantik -di- = -z- = da manhaumltte also statt dorcadizon auch dorcadidion schreiben bzw lesenkoumlnnen)

Das hilft uns die Uumlberlieferung bei Isidor etwas besser zu ver-stehen Fuumlr dorcadazontes fuumlhrt Gasti an -diozontes TUVWX -di-zontes amp -dexzontis D -diczontes Y δορκαδ0ζοντες edd er setzt

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also die griechisch inexistente Form als Konjektur in den Text oderhandelt es sich wenn sein Apparat negativ ist dabei um die Uumlber-lieferung der uumlbrigen sechs Handschriften Uumlberpruumlft habe ich Kdort lese ich dorcadiszontes dorgadazontes in G Aumlhnlich verfaumlhrtGasti bei mirmizontes -mihizontes TUV -micizontes Y -mizizon-tis D mircatizontes X μυρμζοντες edd und wir sehen erneut daszligdie spanischen Zeugen (Gastis Familia hispanica = TUVWamp) dervon Conomis angenommenen Form naumlher kommen als das wasGasti (Lindsay folgend) in den Text gesetzt hat10

Wegen der Varianten kehren wir nochmals zu PsSor pulszuruumlck Denn auch hier sind inzwischen drei neue Textzeugen be-kannt geworden Beim ersten handelt es sich erneut um eine Hand-schrift aus der Mitte des 12 Jahrhunderts Auxerre 240 fol 47rndash48v Der Erstherausgeber J A Pithis sah in diesem Text einen wei-teren Pulstraktat des Philaret11 In Wirklichkeit ist es der bereits erwaumlhnte pseudosoranische Traktat de pulsibus (peri sfigmon imAug CXX) und zwar dessen Hauptteil p 27621ndash28013 Rosebeginnend Pulsus diuiditur in duas partes id est diastolen et sistolenin geringfuumlgig uumlberarbeiteter Form (Incipit dieses Stuumlcks bei RosePulsus duabus partibus constat quas Graeci diastolen et systolen appellant) Ebenfalls der Mitte des 12 Jahrhunderts gehoumlrt die die-sen Text uumlberliefernde Handschrift Paris Bibliothegraveque nationalelat 16944 an die der Katalog als aus Deutschland (vielleicht ausBayern) stammend beschreibt dort fol 71randash72rb Bei der drittenhandelt es sich um den dritten Teil von Par lat 6882A fol 35r-v dervon Beccaria in das 12 von Wickersheimer (was mir wahrschein-licher duumlnkt) in das 13 Jahrhundert datiert wird

10) Paris BNF lat 12999 fol 100r hat dorcadiczantes aut leniores ut mirmi -zantes was ich erwaumlhne weil diese Varianten sonst nicht in den Apparaten stehenDiese Handschrift uumlberliefert fol 97vndash101r Isid orig 1111ndash147 (ohne Isidors Na-men deshalb bis jetzt wohl nicht identifiziert) Weitere Stuumlcke aus den Etymologienfolgen dort

11) J A Pithis Die Schriften Περ1 σφυγμ2ν des Philaretos Text ndash Uumlberset-zung ndash Kommentar Husum 1983 I Garofalo Il De pulsibus di Philaretus e il Περ1σφυγμ2ν di Philaretos (con in appendice lrsquoedizione del De pulsibus) in M T San-tamariacutea Hernaacutendez (Hrsg) Textos meacutedicos grecolatinos antiguos y medievalesestudios sobre composicioacuten y fuentes Cuenca 2012 55ndash94 zeigt daszlig es sich bei dergriechischen Pulsschrift um eine Fassung der pseudogalenischen Schrift De pulsibusad Antonium beeinfluszligt vom lateinischen Philaretus handelt Garofalo bietet eineNeuausgabe des lateinischen Textes mit eigener neuer Paragraphenzaumlhlung die derweiteren Arbeit zugrundegelegt werden muszlig

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Auxerre 240 bietet zorzadizon und zweimal zorcadizon12 so-wie dreimal mirmizon Par lat 16944 dorgidizon dorcadyzon unddorcaryzon und zweimal mirmichyzon einmal mirmychizon Parlat 6882A zweimal mirmichizon einmal mirmitizon einmal mir-mikizon und dreimal dorcadizon Damit erledigt sich meines Er-achtens Buchwalds Interpretation von myrmizon als bdquoforma vul -garisldquo es ist ein simpler Schreib- bzw Uumlberlieferungsfehler ohnereale Existenz im spaumltlateinischen Lexikon13 Vielmehr hat sich indiesem Fall die in etwa nachvollziehbare Umschrift griechischerWoumlrter bis in Handschriften des 12 Jahrhunderts erhalten

Daszlig griechische Woumlrter innerhalb lateinischer Handschriftenin griechischen Lettern uumlberliefert wurden ist ausreichend be-zeugt14 Daneben bediente man sich der Umschrift in das latei -nische Alphabet was vermutlich der haumlufigere Fall war Soll manalso die griechische Schreibung restitutieren und wenn ja wo ziehtman die Grenze Denn nicht alles was einmal aus dem Griechi-schen uumlbernommen worden war wurde spaumlter noch als fremdempfunden In den Faumlllen jedoch wo ein griechisches Wort in einem lateinischen medizinischen Text als fremdes Gut eingefuumlhrtwird wie es haumlufig bei Caelius Aurelianus der Fall ist aber auch beiScribonius Largus Celsus Cassius Felix vorkommt nehme ich andaszlig auch dort urspruumlnglich griechische Lettern verwendet wordenwaren (wie bei Cicero Seneca und weiteren Autoren)

Fuumlr die Pulslehre finden wir ein entsprechendes Beispiel indem noch ungedruckten Pulstraktat der Handschrift GlasgowHunterian Collection 96 (fruumlhere Signatur T413) die in einem wisigothischen Kontext vermutlich in Suumldfrankreich am Ende des8 oder Anfang des 9 Jahrhunderts geschrieben wurde auf fol 99rndash

12) Einmal ist das z eine rote Initiale Es gibt zwar im Griechischen die Va-riante ζορκ0ς fuumlr δορκ0ς ich halte es aber fuumlr unwahrscheinlich daszlig diese Formnur hier uumlberliefert sein soll und eine Nebenform mit ζ beim Verb ist in den Lexikanicht aufgefuumlhrt

13) Im Einsidlensis 186 p 183 finden wir zu PsAlex puls ur 123 (Naumlhereszu diesem Text unten) mirmizan korrigiert zu mirmicizan

14) Z B ΚΟΙΝΙΚ ΝΣΠΑΣΜ Ν bei Scrib Larg 101 im Sang 751 p 285 siehe S Sconocchia LrsquoAntidotos hiera di Scribonio Largo e i suoi rifacimenti attra-verso il tempo in D Langslow B Maire (Hrsg) Body Disease and Treatment ina Chang ing World Latin texts and contexts in ancient and medieval medicine Lau-sanne 2010 131ndash145 hier 138 D Vottero La grafia dei termini drsquoorigine greca nelleopere filosofiche di Seneca Atti della Accademia delle Scienze di Torino 2 Classedi Scienze morali storiche e filologiche 108 1974 311ndash339

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102r Auf fol 100v erscheinen die beiden uns hier beschaumlftigendenPulsarten im acc plur als ΑΟΡΚ ΑΙΖontΑϲ und ΝΥΝΙΚΙΖΟΝΤΑϲalso δορκαδζοντας und μυρμηκζοντας in den uns gelaumlufigerenMinuskeln Der oder die Schreiber waren mit der klassischen latei-nischen Orthographie nicht vertraut und schrieben das Lateinischemeistens so wie sie es houmlrten bzw fuumlr richtig hielten z B higiturabere essiam quaptuor ieme brebis (= igitur habere etiam quat-tuor hieme breuis) Das Griechisch ihrer Vorlage haben sie so gutes eben ging abgemalt ndash und es ging wie wir sehen nicht beson-ders gut

Die gerade erwaumlhnte Glasgower Handschrift uumlberliefertebenfalls einen Text De pulsibus et urinis der mitunter einem Alex-ander aber auch dem Galen in einer weiteren Handschrift (Cass69 p 551a) einem Dionysius zugeschrieben wird Bei Alexanderhatte man verstaumlndlicherweise sofort an den beruumlhmtesten aumlrzt -lichen Alexander des Mittelalters gedacht Alexander von Trallesdoch zu Unrecht den wahren Verfasser kennen wir nicht Vor vierzig Jahren wurde die Uumlberlieferung dieses aumluszligerst populaumlrenkurzen Traktats von M Stoffregen aufgearbeitet15 nach immerhinsechzehn Handschriften vom 8 bis zum 14 Jahrhundert Bei dieserAnzahl uumlberrascht es kaum daszlig angesichts der oft schlecht er-schlossenen Handschriftenbestaumlnde des Hoch- und Spaumltmittel -alters weitere Zeugen auftauchten16 Der fruumlheste unter ihnen istdie am Beginn des Textes verstuumlmmelte17 Glasgower HandschriftHunter 96 fol 95rndash96r Der Text erwaumlhnt auch den ameisenartigenPuls (Zeile 293 Stoffregen) Stoffregen schrieb mit der Mehrzahlder Handschriften mirmizon Eine seiner Handschriften der Vati-canus Barberinianus 160 s 11 (bei ihm B) uumlberliefert mirmizizon

15) M Stoffregen Eine fruumlhmittelalterliche Uumlbersetzung des byzantinischenPuls- und Urintraktats des Alexandros Text Uumlbersetzung und Kommentar DissBerlin 1977 Ich folge seiner Kapitelzaumlhlung unterteile die Kapitel aber weiter Ichzitiere ihn als PsAlex puls ur das Mittellateinische Woumlrterbuch als PsGalenpuls was in Anbetracht der vielen pseudogalenischen Schriften und der Uumlberliefe-rungslage meines Erachtens weniger guumlnstig ist

16) Die unten erwaumlhnte Handschrift Paris Bibliothegraveque nationale lat6882A bringt ihn fol 37vndash39v mit Abweichungen in der Kapitelfolge

17) Ausfall vermutlich einer Lage mit dem Ende des Esculapius und dem Be-ginn von De pulsibus et urinis Nach dem Inhaltsverzeichnis fol 21vbndash22ra folgte aufdas Ende des Esculapius (LVIIII de podagra) LX de febres LXI Incipit de hurinaund erst danach LXII de pulsis et urina

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und ich halte das fuumlr genuine Uumlberlieferung wuumlrde es also (selbst-verstaumlndlich griechisch geschrieben) in den Text setzen Stoffregenskritischer Apparat zeigt uns aber auch daszlig es ein lateinisches Wortdafuumlr gab Zwei Handschriften haben an dieser Stelle formicaliszwei weitere formicans Das nehme ich zum Anlaszlig ausfuumlhrlicherauf die lateinischen Entsprechungen von δορκαδζων und μυρ-μηκζων einzugehen Mit letzterem beginnen wir

2 Lateinische Aumlquivalente fuumlr μυρμηκζων

Der Thesaurus belegt das Wort formicabilis an vier18 Stellenaus Caelius Aurelianus an zweien davon ist tatsaumlchlich die Formformicabilis uumlberliefert (acut 227145 und 232167) die F Vollmerder Verfasser des Artikels und verantwortliche Redaktor auch dort

18) Cael Aur diaet pass 148 zaumlhle ich nicht mit da es im ThlL nicht mehrals Caelius Aurelianus zitiert wird Es handelt sich um die Uumlberlieferung innerhalbdes Werkes des Aesculapius (Es-) 431 in der kritischen Ausgabe von F ManzaneroCano (= Kapitel 44 des im Mittellateinischen Woumlrterbuch zitierten Druckes Argen-torati 1533) Ex quibus sciaticum adprehendis Primum ex paruo dolore ossi eo quodde ima descendens uertebra coxe sue conpaginem erigit id Greci isclthgtion uocaue -runt hoc est coxam adtestante formicabili torpore cum grauedine et difficultate mo-tus Manzanero Cano war sich nicht bewuszligt daszlig Rose als diaet pass eben denEsculapius von 1533 (mit eigenen nicht ausgewiesenen Verbesserungen) drucktund formicabili was er in den Text setzt (die Handschriften haben soweit vorhan-den formidabili ebenso der hier auf Esculapius beruhende Gariopontus = Passio-narius Galieni 41) nicht uumlberliefert sondern Roses Wiederherstellungsversuch istDas gilt auch fuumlr die Uumlberlieferung innerhalb des Liber glossarum p 751ndash13 Hei-berg (Manzanero Cano irrig bdquoHelmldquo) wo die beiden zugrundegelegten Hand-schriften ebenfalls formidabili lesen Die Manzanero Cano unbekannte HandschriftGlasgow Hunter 96 der aumllteste Zeuge bricht leider kurz zuvor bei Esculapius 4027ab Allerdings kenne ich keine Parallele die erhellen koumlnnte was mit formicabilistorpor gemeint sein koumlnnte torpor muumlszligte das sein was beim Anonymus Parisinus491 ν0ρκη heiszligt und sich sowohl auf Empfindungs- wie auf Bewegungslosigkeitbeziehen (Im Deutschen sagen wir umgangssprachlich z B bdquomein Bein ist einge-schlafenldquo wenn die sensorische und motorische Nervenleitung momentan gestoumlrtist und dazu paszligt ν0ρκη ganz gut Vgl Photius p 2875 Νάρκη μυρμηκίασις) CaelAur chron 512 spricht nun allerdings von cum leui torpore ac formicatione als Teilder Symptomatik Einen leuis torpor kann man aber nicht gut formidabilis nennenwie es in der Uumlberlieferung der diaet pass der Fall ist Zudem kommt formidabilisein relativ haumlufig belegtes Wort bei medizinischen Autoren also auch bei CaeliusAurelianus sonst nicht vor formicatio lesen wir an einer zweiten Stelle bei CaeliusAurelianus chron 5230 sequitur autem passione articulari tentatos (= temptatos)torpor atque formicatio eorum articulorum qui tanguntur

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herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

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inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

53Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

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porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

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fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

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Page 3: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

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Entscheidung zu denn nur in seltenen Faumlllen reichen sie in eineZeit zuruumlck wo das Griechische auch fuumlr die Abschreiber nichtsExotisches an sich hatte Da ohnehin von Hand kopiert wurde waren die wenigen vom lateinischen Alphabet abweichendenBuchstaben keine unuumlberwindliche Huumlrde im vorliegenden Fallwaumlre allein das Delta unterschiedlich Auch was die Wortformenselbst angeht kommen wir um eine a-priori-Entscheidung nichtherum Waren die Woumlrter bereits in Isidors (hier unbekannter)Quelle entstellt oder traten die Abweichungen von den korrektengriechischen Formen erst im Laufe der Uumlberlieferung des Textesder Etymologien auf

Der Eintrag zu myrmecizon im Thesaurus linguae Latinaestammt vom damaligen Redaktor W Buchwald Auch hier wird dieIsidorstelle nicht behandelt weil sie bei Lindsay in griechischenLettern erscheint doch sagt Buchwald myrmizon sei die bdquoformavulgarisldquo (ThlL VIII 17457) Fuumlr diese bdquoforma vulgarisldquo sind dieangefuumlhrten Belege Cael Aur diaet pass 38 (einzige HandschriftAug CXX s 9 med wo myrmitonta steht nicht myrmiz- wie derThesaurus schreibt) sowie insgesamt drei Stellen aus den Chroni-schen Krankheiten und den Akuten Krankheiten desselben Schrift-stellers fuumlr diese kennen wir allerdings nur die beiden Erstdruckedes 16 Jahrhunderts

Die dem Griechischen entsprechende in etwa regulaumlre Formmirmicizon treffen wir allerdings dreimal an in PsSor pulsp 27911 Rose und p 2801 Rose sowie an der im Thesaurus uumlber-gangenen Stelle p 28010 Rose (wiederum nach dem Aug CXXdie Handschrift ist jetzt uumlber die Badische Landesbibliothek Karls -ruhe im Netz nachpruumlfbar) Dasselbe Werk bringt auch dreimaldorcadizon (p 2791517 und p 2807 Rose) Beide Termini findensich ferner in PsSor quaest med 183 und 185 (193L und 195Lmeiner geplanten Neuausgabe) An der ersten Stelle bietet die vonRose herangezogene Handschrift London British Library Cotto-nianus Galbae IV E dorcadion genauso die geringfuumlgig aumlltere Roseunbekannte Lincoln Cathedral and Chapter Library 220 Rose hatmit Recht dorcadizon hergestellt (spaumltantik -di- = -z- = da manhaumltte also statt dorcadizon auch dorcadidion schreiben bzw lesenkoumlnnen)

Das hilft uns die Uumlberlieferung bei Isidor etwas besser zu ver-stehen Fuumlr dorcadazontes fuumlhrt Gasti an -diozontes TUVWX -di-zontes amp -dexzontis D -diczontes Y δορκαδ0ζοντες edd er setzt

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also die griechisch inexistente Form als Konjektur in den Text oderhandelt es sich wenn sein Apparat negativ ist dabei um die Uumlber-lieferung der uumlbrigen sechs Handschriften Uumlberpruumlft habe ich Kdort lese ich dorcadiszontes dorgadazontes in G Aumlhnlich verfaumlhrtGasti bei mirmizontes -mihizontes TUV -micizontes Y -mizizon-tis D mircatizontes X μυρμζοντες edd und wir sehen erneut daszligdie spanischen Zeugen (Gastis Familia hispanica = TUVWamp) dervon Conomis angenommenen Form naumlher kommen als das wasGasti (Lindsay folgend) in den Text gesetzt hat10

Wegen der Varianten kehren wir nochmals zu PsSor pulszuruumlck Denn auch hier sind inzwischen drei neue Textzeugen be-kannt geworden Beim ersten handelt es sich erneut um eine Hand-schrift aus der Mitte des 12 Jahrhunderts Auxerre 240 fol 47rndash48v Der Erstherausgeber J A Pithis sah in diesem Text einen wei-teren Pulstraktat des Philaret11 In Wirklichkeit ist es der bereits erwaumlhnte pseudosoranische Traktat de pulsibus (peri sfigmon imAug CXX) und zwar dessen Hauptteil p 27621ndash28013 Rosebeginnend Pulsus diuiditur in duas partes id est diastolen et sistolenin geringfuumlgig uumlberarbeiteter Form (Incipit dieses Stuumlcks bei RosePulsus duabus partibus constat quas Graeci diastolen et systolen appellant) Ebenfalls der Mitte des 12 Jahrhunderts gehoumlrt die die-sen Text uumlberliefernde Handschrift Paris Bibliothegraveque nationalelat 16944 an die der Katalog als aus Deutschland (vielleicht ausBayern) stammend beschreibt dort fol 71randash72rb Bei der drittenhandelt es sich um den dritten Teil von Par lat 6882A fol 35r-v dervon Beccaria in das 12 von Wickersheimer (was mir wahrschein-licher duumlnkt) in das 13 Jahrhundert datiert wird

10) Paris BNF lat 12999 fol 100r hat dorcadiczantes aut leniores ut mirmi -zantes was ich erwaumlhne weil diese Varianten sonst nicht in den Apparaten stehenDiese Handschrift uumlberliefert fol 97vndash101r Isid orig 1111ndash147 (ohne Isidors Na-men deshalb bis jetzt wohl nicht identifiziert) Weitere Stuumlcke aus den Etymologienfolgen dort

11) J A Pithis Die Schriften Περ1 σφυγμ2ν des Philaretos Text ndash Uumlberset-zung ndash Kommentar Husum 1983 I Garofalo Il De pulsibus di Philaretus e il Περ1σφυγμ2ν di Philaretos (con in appendice lrsquoedizione del De pulsibus) in M T San-tamariacutea Hernaacutendez (Hrsg) Textos meacutedicos grecolatinos antiguos y medievalesestudios sobre composicioacuten y fuentes Cuenca 2012 55ndash94 zeigt daszlig es sich bei dergriechischen Pulsschrift um eine Fassung der pseudogalenischen Schrift De pulsibusad Antonium beeinfluszligt vom lateinischen Philaretus handelt Garofalo bietet eineNeuausgabe des lateinischen Textes mit eigener neuer Paragraphenzaumlhlung die derweiteren Arbeit zugrundegelegt werden muszlig

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Auxerre 240 bietet zorzadizon und zweimal zorcadizon12 so-wie dreimal mirmizon Par lat 16944 dorgidizon dorcadyzon unddorcaryzon und zweimal mirmichyzon einmal mirmychizon Parlat 6882A zweimal mirmichizon einmal mirmitizon einmal mir-mikizon und dreimal dorcadizon Damit erledigt sich meines Er-achtens Buchwalds Interpretation von myrmizon als bdquoforma vul -garisldquo es ist ein simpler Schreib- bzw Uumlberlieferungsfehler ohnereale Existenz im spaumltlateinischen Lexikon13 Vielmehr hat sich indiesem Fall die in etwa nachvollziehbare Umschrift griechischerWoumlrter bis in Handschriften des 12 Jahrhunderts erhalten

Daszlig griechische Woumlrter innerhalb lateinischer Handschriftenin griechischen Lettern uumlberliefert wurden ist ausreichend be-zeugt14 Daneben bediente man sich der Umschrift in das latei -nische Alphabet was vermutlich der haumlufigere Fall war Soll manalso die griechische Schreibung restitutieren und wenn ja wo ziehtman die Grenze Denn nicht alles was einmal aus dem Griechi-schen uumlbernommen worden war wurde spaumlter noch als fremdempfunden In den Faumlllen jedoch wo ein griechisches Wort in einem lateinischen medizinischen Text als fremdes Gut eingefuumlhrtwird wie es haumlufig bei Caelius Aurelianus der Fall ist aber auch beiScribonius Largus Celsus Cassius Felix vorkommt nehme ich andaszlig auch dort urspruumlnglich griechische Lettern verwendet wordenwaren (wie bei Cicero Seneca und weiteren Autoren)

Fuumlr die Pulslehre finden wir ein entsprechendes Beispiel indem noch ungedruckten Pulstraktat der Handschrift GlasgowHunterian Collection 96 (fruumlhere Signatur T413) die in einem wisigothischen Kontext vermutlich in Suumldfrankreich am Ende des8 oder Anfang des 9 Jahrhunderts geschrieben wurde auf fol 99rndash

12) Einmal ist das z eine rote Initiale Es gibt zwar im Griechischen die Va-riante ζορκ0ς fuumlr δορκ0ς ich halte es aber fuumlr unwahrscheinlich daszlig diese Formnur hier uumlberliefert sein soll und eine Nebenform mit ζ beim Verb ist in den Lexikanicht aufgefuumlhrt

13) Im Einsidlensis 186 p 183 finden wir zu PsAlex puls ur 123 (Naumlhereszu diesem Text unten) mirmizan korrigiert zu mirmicizan

14) Z B ΚΟΙΝΙΚ ΝΣΠΑΣΜ Ν bei Scrib Larg 101 im Sang 751 p 285 siehe S Sconocchia LrsquoAntidotos hiera di Scribonio Largo e i suoi rifacimenti attra-verso il tempo in D Langslow B Maire (Hrsg) Body Disease and Treatment ina Chang ing World Latin texts and contexts in ancient and medieval medicine Lau-sanne 2010 131ndash145 hier 138 D Vottero La grafia dei termini drsquoorigine greca nelleopere filosofiche di Seneca Atti della Accademia delle Scienze di Torino 2 Classedi Scienze morali storiche e filologiche 108 1974 311ndash339

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102r Auf fol 100v erscheinen die beiden uns hier beschaumlftigendenPulsarten im acc plur als ΑΟΡΚ ΑΙΖontΑϲ und ΝΥΝΙΚΙΖΟΝΤΑϲalso δορκαδζοντας und μυρμηκζοντας in den uns gelaumlufigerenMinuskeln Der oder die Schreiber waren mit der klassischen latei-nischen Orthographie nicht vertraut und schrieben das Lateinischemeistens so wie sie es houmlrten bzw fuumlr richtig hielten z B higiturabere essiam quaptuor ieme brebis (= igitur habere etiam quat-tuor hieme breuis) Das Griechisch ihrer Vorlage haben sie so gutes eben ging abgemalt ndash und es ging wie wir sehen nicht beson-ders gut

Die gerade erwaumlhnte Glasgower Handschrift uumlberliefertebenfalls einen Text De pulsibus et urinis der mitunter einem Alex-ander aber auch dem Galen in einer weiteren Handschrift (Cass69 p 551a) einem Dionysius zugeschrieben wird Bei Alexanderhatte man verstaumlndlicherweise sofort an den beruumlhmtesten aumlrzt -lichen Alexander des Mittelalters gedacht Alexander von Trallesdoch zu Unrecht den wahren Verfasser kennen wir nicht Vor vierzig Jahren wurde die Uumlberlieferung dieses aumluszligerst populaumlrenkurzen Traktats von M Stoffregen aufgearbeitet15 nach immerhinsechzehn Handschriften vom 8 bis zum 14 Jahrhundert Bei dieserAnzahl uumlberrascht es kaum daszlig angesichts der oft schlecht er-schlossenen Handschriftenbestaumlnde des Hoch- und Spaumltmittel -alters weitere Zeugen auftauchten16 Der fruumlheste unter ihnen istdie am Beginn des Textes verstuumlmmelte17 Glasgower HandschriftHunter 96 fol 95rndash96r Der Text erwaumlhnt auch den ameisenartigenPuls (Zeile 293 Stoffregen) Stoffregen schrieb mit der Mehrzahlder Handschriften mirmizon Eine seiner Handschriften der Vati-canus Barberinianus 160 s 11 (bei ihm B) uumlberliefert mirmizizon

15) M Stoffregen Eine fruumlhmittelalterliche Uumlbersetzung des byzantinischenPuls- und Urintraktats des Alexandros Text Uumlbersetzung und Kommentar DissBerlin 1977 Ich folge seiner Kapitelzaumlhlung unterteile die Kapitel aber weiter Ichzitiere ihn als PsAlex puls ur das Mittellateinische Woumlrterbuch als PsGalenpuls was in Anbetracht der vielen pseudogalenischen Schriften und der Uumlberliefe-rungslage meines Erachtens weniger guumlnstig ist

16) Die unten erwaumlhnte Handschrift Paris Bibliothegraveque nationale lat6882A bringt ihn fol 37vndash39v mit Abweichungen in der Kapitelfolge

17) Ausfall vermutlich einer Lage mit dem Ende des Esculapius und dem Be-ginn von De pulsibus et urinis Nach dem Inhaltsverzeichnis fol 21vbndash22ra folgte aufdas Ende des Esculapius (LVIIII de podagra) LX de febres LXI Incipit de hurinaund erst danach LXII de pulsis et urina

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und ich halte das fuumlr genuine Uumlberlieferung wuumlrde es also (selbst-verstaumlndlich griechisch geschrieben) in den Text setzen Stoffregenskritischer Apparat zeigt uns aber auch daszlig es ein lateinisches Wortdafuumlr gab Zwei Handschriften haben an dieser Stelle formicaliszwei weitere formicans Das nehme ich zum Anlaszlig ausfuumlhrlicherauf die lateinischen Entsprechungen von δορκαδζων und μυρ-μηκζων einzugehen Mit letzterem beginnen wir

2 Lateinische Aumlquivalente fuumlr μυρμηκζων

Der Thesaurus belegt das Wort formicabilis an vier18 Stellenaus Caelius Aurelianus an zweien davon ist tatsaumlchlich die Formformicabilis uumlberliefert (acut 227145 und 232167) die F Vollmerder Verfasser des Artikels und verantwortliche Redaktor auch dort

18) Cael Aur diaet pass 148 zaumlhle ich nicht mit da es im ThlL nicht mehrals Caelius Aurelianus zitiert wird Es handelt sich um die Uumlberlieferung innerhalbdes Werkes des Aesculapius (Es-) 431 in der kritischen Ausgabe von F ManzaneroCano (= Kapitel 44 des im Mittellateinischen Woumlrterbuch zitierten Druckes Argen-torati 1533) Ex quibus sciaticum adprehendis Primum ex paruo dolore ossi eo quodde ima descendens uertebra coxe sue conpaginem erigit id Greci isclthgtion uocaue -runt hoc est coxam adtestante formicabili torpore cum grauedine et difficultate mo-tus Manzanero Cano war sich nicht bewuszligt daszlig Rose als diaet pass eben denEsculapius von 1533 (mit eigenen nicht ausgewiesenen Verbesserungen) drucktund formicabili was er in den Text setzt (die Handschriften haben soweit vorhan-den formidabili ebenso der hier auf Esculapius beruhende Gariopontus = Passio-narius Galieni 41) nicht uumlberliefert sondern Roses Wiederherstellungsversuch istDas gilt auch fuumlr die Uumlberlieferung innerhalb des Liber glossarum p 751ndash13 Hei-berg (Manzanero Cano irrig bdquoHelmldquo) wo die beiden zugrundegelegten Hand-schriften ebenfalls formidabili lesen Die Manzanero Cano unbekannte HandschriftGlasgow Hunter 96 der aumllteste Zeuge bricht leider kurz zuvor bei Esculapius 4027ab Allerdings kenne ich keine Parallele die erhellen koumlnnte was mit formicabilistorpor gemeint sein koumlnnte torpor muumlszligte das sein was beim Anonymus Parisinus491 ν0ρκη heiszligt und sich sowohl auf Empfindungs- wie auf Bewegungslosigkeitbeziehen (Im Deutschen sagen wir umgangssprachlich z B bdquomein Bein ist einge-schlafenldquo wenn die sensorische und motorische Nervenleitung momentan gestoumlrtist und dazu paszligt ν0ρκη ganz gut Vgl Photius p 2875 Νάρκη μυρμηκίασις) CaelAur chron 512 spricht nun allerdings von cum leui torpore ac formicatione als Teilder Symptomatik Einen leuis torpor kann man aber nicht gut formidabilis nennenwie es in der Uumlberlieferung der diaet pass der Fall ist Zudem kommt formidabilisein relativ haumlufig belegtes Wort bei medizinischen Autoren also auch bei CaeliusAurelianus sonst nicht vor formicatio lesen wir an einer zweiten Stelle bei CaeliusAurelianus chron 5230 sequitur autem passione articulari tentatos (= temptatos)torpor atque formicatio eorum articulorum qui tanguntur

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herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

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inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

53Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

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porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

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fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 4: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

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also die griechisch inexistente Form als Konjektur in den Text oderhandelt es sich wenn sein Apparat negativ ist dabei um die Uumlber-lieferung der uumlbrigen sechs Handschriften Uumlberpruumlft habe ich Kdort lese ich dorcadiszontes dorgadazontes in G Aumlhnlich verfaumlhrtGasti bei mirmizontes -mihizontes TUV -micizontes Y -mizizon-tis D mircatizontes X μυρμζοντες edd und wir sehen erneut daszligdie spanischen Zeugen (Gastis Familia hispanica = TUVWamp) dervon Conomis angenommenen Form naumlher kommen als das wasGasti (Lindsay folgend) in den Text gesetzt hat10

Wegen der Varianten kehren wir nochmals zu PsSor pulszuruumlck Denn auch hier sind inzwischen drei neue Textzeugen be-kannt geworden Beim ersten handelt es sich erneut um eine Hand-schrift aus der Mitte des 12 Jahrhunderts Auxerre 240 fol 47rndash48v Der Erstherausgeber J A Pithis sah in diesem Text einen wei-teren Pulstraktat des Philaret11 In Wirklichkeit ist es der bereits erwaumlhnte pseudosoranische Traktat de pulsibus (peri sfigmon imAug CXX) und zwar dessen Hauptteil p 27621ndash28013 Rosebeginnend Pulsus diuiditur in duas partes id est diastolen et sistolenin geringfuumlgig uumlberarbeiteter Form (Incipit dieses Stuumlcks bei RosePulsus duabus partibus constat quas Graeci diastolen et systolen appellant) Ebenfalls der Mitte des 12 Jahrhunderts gehoumlrt die die-sen Text uumlberliefernde Handschrift Paris Bibliothegraveque nationalelat 16944 an die der Katalog als aus Deutschland (vielleicht ausBayern) stammend beschreibt dort fol 71randash72rb Bei der drittenhandelt es sich um den dritten Teil von Par lat 6882A fol 35r-v dervon Beccaria in das 12 von Wickersheimer (was mir wahrschein-licher duumlnkt) in das 13 Jahrhundert datiert wird

10) Paris BNF lat 12999 fol 100r hat dorcadiczantes aut leniores ut mirmi -zantes was ich erwaumlhne weil diese Varianten sonst nicht in den Apparaten stehenDiese Handschrift uumlberliefert fol 97vndash101r Isid orig 1111ndash147 (ohne Isidors Na-men deshalb bis jetzt wohl nicht identifiziert) Weitere Stuumlcke aus den Etymologienfolgen dort

11) J A Pithis Die Schriften Περ1 σφυγμ2ν des Philaretos Text ndash Uumlberset-zung ndash Kommentar Husum 1983 I Garofalo Il De pulsibus di Philaretus e il Περ1σφυγμ2ν di Philaretos (con in appendice lrsquoedizione del De pulsibus) in M T San-tamariacutea Hernaacutendez (Hrsg) Textos meacutedicos grecolatinos antiguos y medievalesestudios sobre composicioacuten y fuentes Cuenca 2012 55ndash94 zeigt daszlig es sich bei dergriechischen Pulsschrift um eine Fassung der pseudogalenischen Schrift De pulsibusad Antonium beeinfluszligt vom lateinischen Philaretus handelt Garofalo bietet eineNeuausgabe des lateinischen Textes mit eigener neuer Paragraphenzaumlhlung die derweiteren Arbeit zugrundegelegt werden muszlig

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Auxerre 240 bietet zorzadizon und zweimal zorcadizon12 so-wie dreimal mirmizon Par lat 16944 dorgidizon dorcadyzon unddorcaryzon und zweimal mirmichyzon einmal mirmychizon Parlat 6882A zweimal mirmichizon einmal mirmitizon einmal mir-mikizon und dreimal dorcadizon Damit erledigt sich meines Er-achtens Buchwalds Interpretation von myrmizon als bdquoforma vul -garisldquo es ist ein simpler Schreib- bzw Uumlberlieferungsfehler ohnereale Existenz im spaumltlateinischen Lexikon13 Vielmehr hat sich indiesem Fall die in etwa nachvollziehbare Umschrift griechischerWoumlrter bis in Handschriften des 12 Jahrhunderts erhalten

Daszlig griechische Woumlrter innerhalb lateinischer Handschriftenin griechischen Lettern uumlberliefert wurden ist ausreichend be-zeugt14 Daneben bediente man sich der Umschrift in das latei -nische Alphabet was vermutlich der haumlufigere Fall war Soll manalso die griechische Schreibung restitutieren und wenn ja wo ziehtman die Grenze Denn nicht alles was einmal aus dem Griechi-schen uumlbernommen worden war wurde spaumlter noch als fremdempfunden In den Faumlllen jedoch wo ein griechisches Wort in einem lateinischen medizinischen Text als fremdes Gut eingefuumlhrtwird wie es haumlufig bei Caelius Aurelianus der Fall ist aber auch beiScribonius Largus Celsus Cassius Felix vorkommt nehme ich andaszlig auch dort urspruumlnglich griechische Lettern verwendet wordenwaren (wie bei Cicero Seneca und weiteren Autoren)

Fuumlr die Pulslehre finden wir ein entsprechendes Beispiel indem noch ungedruckten Pulstraktat der Handschrift GlasgowHunterian Collection 96 (fruumlhere Signatur T413) die in einem wisigothischen Kontext vermutlich in Suumldfrankreich am Ende des8 oder Anfang des 9 Jahrhunderts geschrieben wurde auf fol 99rndash

12) Einmal ist das z eine rote Initiale Es gibt zwar im Griechischen die Va-riante ζορκ0ς fuumlr δορκ0ς ich halte es aber fuumlr unwahrscheinlich daszlig diese Formnur hier uumlberliefert sein soll und eine Nebenform mit ζ beim Verb ist in den Lexikanicht aufgefuumlhrt

13) Im Einsidlensis 186 p 183 finden wir zu PsAlex puls ur 123 (Naumlhereszu diesem Text unten) mirmizan korrigiert zu mirmicizan

14) Z B ΚΟΙΝΙΚ ΝΣΠΑΣΜ Ν bei Scrib Larg 101 im Sang 751 p 285 siehe S Sconocchia LrsquoAntidotos hiera di Scribonio Largo e i suoi rifacimenti attra-verso il tempo in D Langslow B Maire (Hrsg) Body Disease and Treatment ina Chang ing World Latin texts and contexts in ancient and medieval medicine Lau-sanne 2010 131ndash145 hier 138 D Vottero La grafia dei termini drsquoorigine greca nelleopere filosofiche di Seneca Atti della Accademia delle Scienze di Torino 2 Classedi Scienze morali storiche e filologiche 108 1974 311ndash339

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102r Auf fol 100v erscheinen die beiden uns hier beschaumlftigendenPulsarten im acc plur als ΑΟΡΚ ΑΙΖontΑϲ und ΝΥΝΙΚΙΖΟΝΤΑϲalso δορκαδζοντας und μυρμηκζοντας in den uns gelaumlufigerenMinuskeln Der oder die Schreiber waren mit der klassischen latei-nischen Orthographie nicht vertraut und schrieben das Lateinischemeistens so wie sie es houmlrten bzw fuumlr richtig hielten z B higiturabere essiam quaptuor ieme brebis (= igitur habere etiam quat-tuor hieme breuis) Das Griechisch ihrer Vorlage haben sie so gutes eben ging abgemalt ndash und es ging wie wir sehen nicht beson-ders gut

Die gerade erwaumlhnte Glasgower Handschrift uumlberliefertebenfalls einen Text De pulsibus et urinis der mitunter einem Alex-ander aber auch dem Galen in einer weiteren Handschrift (Cass69 p 551a) einem Dionysius zugeschrieben wird Bei Alexanderhatte man verstaumlndlicherweise sofort an den beruumlhmtesten aumlrzt -lichen Alexander des Mittelalters gedacht Alexander von Trallesdoch zu Unrecht den wahren Verfasser kennen wir nicht Vor vierzig Jahren wurde die Uumlberlieferung dieses aumluszligerst populaumlrenkurzen Traktats von M Stoffregen aufgearbeitet15 nach immerhinsechzehn Handschriften vom 8 bis zum 14 Jahrhundert Bei dieserAnzahl uumlberrascht es kaum daszlig angesichts der oft schlecht er-schlossenen Handschriftenbestaumlnde des Hoch- und Spaumltmittel -alters weitere Zeugen auftauchten16 Der fruumlheste unter ihnen istdie am Beginn des Textes verstuumlmmelte17 Glasgower HandschriftHunter 96 fol 95rndash96r Der Text erwaumlhnt auch den ameisenartigenPuls (Zeile 293 Stoffregen) Stoffregen schrieb mit der Mehrzahlder Handschriften mirmizon Eine seiner Handschriften der Vati-canus Barberinianus 160 s 11 (bei ihm B) uumlberliefert mirmizizon

15) M Stoffregen Eine fruumlhmittelalterliche Uumlbersetzung des byzantinischenPuls- und Urintraktats des Alexandros Text Uumlbersetzung und Kommentar DissBerlin 1977 Ich folge seiner Kapitelzaumlhlung unterteile die Kapitel aber weiter Ichzitiere ihn als PsAlex puls ur das Mittellateinische Woumlrterbuch als PsGalenpuls was in Anbetracht der vielen pseudogalenischen Schriften und der Uumlberliefe-rungslage meines Erachtens weniger guumlnstig ist

16) Die unten erwaumlhnte Handschrift Paris Bibliothegraveque nationale lat6882A bringt ihn fol 37vndash39v mit Abweichungen in der Kapitelfolge

17) Ausfall vermutlich einer Lage mit dem Ende des Esculapius und dem Be-ginn von De pulsibus et urinis Nach dem Inhaltsverzeichnis fol 21vbndash22ra folgte aufdas Ende des Esculapius (LVIIII de podagra) LX de febres LXI Incipit de hurinaund erst danach LXII de pulsis et urina

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und ich halte das fuumlr genuine Uumlberlieferung wuumlrde es also (selbst-verstaumlndlich griechisch geschrieben) in den Text setzen Stoffregenskritischer Apparat zeigt uns aber auch daszlig es ein lateinisches Wortdafuumlr gab Zwei Handschriften haben an dieser Stelle formicaliszwei weitere formicans Das nehme ich zum Anlaszlig ausfuumlhrlicherauf die lateinischen Entsprechungen von δορκαδζων und μυρ-μηκζων einzugehen Mit letzterem beginnen wir

2 Lateinische Aumlquivalente fuumlr μυρμηκζων

Der Thesaurus belegt das Wort formicabilis an vier18 Stellenaus Caelius Aurelianus an zweien davon ist tatsaumlchlich die Formformicabilis uumlberliefert (acut 227145 und 232167) die F Vollmerder Verfasser des Artikels und verantwortliche Redaktor auch dort

18) Cael Aur diaet pass 148 zaumlhle ich nicht mit da es im ThlL nicht mehrals Caelius Aurelianus zitiert wird Es handelt sich um die Uumlberlieferung innerhalbdes Werkes des Aesculapius (Es-) 431 in der kritischen Ausgabe von F ManzaneroCano (= Kapitel 44 des im Mittellateinischen Woumlrterbuch zitierten Druckes Argen-torati 1533) Ex quibus sciaticum adprehendis Primum ex paruo dolore ossi eo quodde ima descendens uertebra coxe sue conpaginem erigit id Greci isclthgtion uocaue -runt hoc est coxam adtestante formicabili torpore cum grauedine et difficultate mo-tus Manzanero Cano war sich nicht bewuszligt daszlig Rose als diaet pass eben denEsculapius von 1533 (mit eigenen nicht ausgewiesenen Verbesserungen) drucktund formicabili was er in den Text setzt (die Handschriften haben soweit vorhan-den formidabili ebenso der hier auf Esculapius beruhende Gariopontus = Passio-narius Galieni 41) nicht uumlberliefert sondern Roses Wiederherstellungsversuch istDas gilt auch fuumlr die Uumlberlieferung innerhalb des Liber glossarum p 751ndash13 Hei-berg (Manzanero Cano irrig bdquoHelmldquo) wo die beiden zugrundegelegten Hand-schriften ebenfalls formidabili lesen Die Manzanero Cano unbekannte HandschriftGlasgow Hunter 96 der aumllteste Zeuge bricht leider kurz zuvor bei Esculapius 4027ab Allerdings kenne ich keine Parallele die erhellen koumlnnte was mit formicabilistorpor gemeint sein koumlnnte torpor muumlszligte das sein was beim Anonymus Parisinus491 ν0ρκη heiszligt und sich sowohl auf Empfindungs- wie auf Bewegungslosigkeitbeziehen (Im Deutschen sagen wir umgangssprachlich z B bdquomein Bein ist einge-schlafenldquo wenn die sensorische und motorische Nervenleitung momentan gestoumlrtist und dazu paszligt ν0ρκη ganz gut Vgl Photius p 2875 Νάρκη μυρμηκίασις) CaelAur chron 512 spricht nun allerdings von cum leui torpore ac formicatione als Teilder Symptomatik Einen leuis torpor kann man aber nicht gut formidabilis nennenwie es in der Uumlberlieferung der diaet pass der Fall ist Zudem kommt formidabilisein relativ haumlufig belegtes Wort bei medizinischen Autoren also auch bei CaeliusAurelianus sonst nicht vor formicatio lesen wir an einer zweiten Stelle bei CaeliusAurelianus chron 5230 sequitur autem passione articulari tentatos (= temptatos)torpor atque formicatio eorum articulorum qui tanguntur

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herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

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inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

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molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

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Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 5: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

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Auxerre 240 bietet zorzadizon und zweimal zorcadizon12 so-wie dreimal mirmizon Par lat 16944 dorgidizon dorcadyzon unddorcaryzon und zweimal mirmichyzon einmal mirmychizon Parlat 6882A zweimal mirmichizon einmal mirmitizon einmal mir-mikizon und dreimal dorcadizon Damit erledigt sich meines Er-achtens Buchwalds Interpretation von myrmizon als bdquoforma vul -garisldquo es ist ein simpler Schreib- bzw Uumlberlieferungsfehler ohnereale Existenz im spaumltlateinischen Lexikon13 Vielmehr hat sich indiesem Fall die in etwa nachvollziehbare Umschrift griechischerWoumlrter bis in Handschriften des 12 Jahrhunderts erhalten

Daszlig griechische Woumlrter innerhalb lateinischer Handschriftenin griechischen Lettern uumlberliefert wurden ist ausreichend be-zeugt14 Daneben bediente man sich der Umschrift in das latei -nische Alphabet was vermutlich der haumlufigere Fall war Soll manalso die griechische Schreibung restitutieren und wenn ja wo ziehtman die Grenze Denn nicht alles was einmal aus dem Griechi-schen uumlbernommen worden war wurde spaumlter noch als fremdempfunden In den Faumlllen jedoch wo ein griechisches Wort in einem lateinischen medizinischen Text als fremdes Gut eingefuumlhrtwird wie es haumlufig bei Caelius Aurelianus der Fall ist aber auch beiScribonius Largus Celsus Cassius Felix vorkommt nehme ich andaszlig auch dort urspruumlnglich griechische Lettern verwendet wordenwaren (wie bei Cicero Seneca und weiteren Autoren)

Fuumlr die Pulslehre finden wir ein entsprechendes Beispiel indem noch ungedruckten Pulstraktat der Handschrift GlasgowHunterian Collection 96 (fruumlhere Signatur T413) die in einem wisigothischen Kontext vermutlich in Suumldfrankreich am Ende des8 oder Anfang des 9 Jahrhunderts geschrieben wurde auf fol 99rndash

12) Einmal ist das z eine rote Initiale Es gibt zwar im Griechischen die Va-riante ζορκ0ς fuumlr δορκ0ς ich halte es aber fuumlr unwahrscheinlich daszlig diese Formnur hier uumlberliefert sein soll und eine Nebenform mit ζ beim Verb ist in den Lexikanicht aufgefuumlhrt

13) Im Einsidlensis 186 p 183 finden wir zu PsAlex puls ur 123 (Naumlhereszu diesem Text unten) mirmizan korrigiert zu mirmicizan

14) Z B ΚΟΙΝΙΚ ΝΣΠΑΣΜ Ν bei Scrib Larg 101 im Sang 751 p 285 siehe S Sconocchia LrsquoAntidotos hiera di Scribonio Largo e i suoi rifacimenti attra-verso il tempo in D Langslow B Maire (Hrsg) Body Disease and Treatment ina Chang ing World Latin texts and contexts in ancient and medieval medicine Lau-sanne 2010 131ndash145 hier 138 D Vottero La grafia dei termini drsquoorigine greca nelleopere filosofiche di Seneca Atti della Accademia delle Scienze di Torino 2 Classedi Scienze morali storiche e filologiche 108 1974 311ndash339

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102r Auf fol 100v erscheinen die beiden uns hier beschaumlftigendenPulsarten im acc plur als ΑΟΡΚ ΑΙΖontΑϲ und ΝΥΝΙΚΙΖΟΝΤΑϲalso δορκαδζοντας und μυρμηκζοντας in den uns gelaumlufigerenMinuskeln Der oder die Schreiber waren mit der klassischen latei-nischen Orthographie nicht vertraut und schrieben das Lateinischemeistens so wie sie es houmlrten bzw fuumlr richtig hielten z B higiturabere essiam quaptuor ieme brebis (= igitur habere etiam quat-tuor hieme breuis) Das Griechisch ihrer Vorlage haben sie so gutes eben ging abgemalt ndash und es ging wie wir sehen nicht beson-ders gut

Die gerade erwaumlhnte Glasgower Handschrift uumlberliefertebenfalls einen Text De pulsibus et urinis der mitunter einem Alex-ander aber auch dem Galen in einer weiteren Handschrift (Cass69 p 551a) einem Dionysius zugeschrieben wird Bei Alexanderhatte man verstaumlndlicherweise sofort an den beruumlhmtesten aumlrzt -lichen Alexander des Mittelalters gedacht Alexander von Trallesdoch zu Unrecht den wahren Verfasser kennen wir nicht Vor vierzig Jahren wurde die Uumlberlieferung dieses aumluszligerst populaumlrenkurzen Traktats von M Stoffregen aufgearbeitet15 nach immerhinsechzehn Handschriften vom 8 bis zum 14 Jahrhundert Bei dieserAnzahl uumlberrascht es kaum daszlig angesichts der oft schlecht er-schlossenen Handschriftenbestaumlnde des Hoch- und Spaumltmittel -alters weitere Zeugen auftauchten16 Der fruumlheste unter ihnen istdie am Beginn des Textes verstuumlmmelte17 Glasgower HandschriftHunter 96 fol 95rndash96r Der Text erwaumlhnt auch den ameisenartigenPuls (Zeile 293 Stoffregen) Stoffregen schrieb mit der Mehrzahlder Handschriften mirmizon Eine seiner Handschriften der Vati-canus Barberinianus 160 s 11 (bei ihm B) uumlberliefert mirmizizon

15) M Stoffregen Eine fruumlhmittelalterliche Uumlbersetzung des byzantinischenPuls- und Urintraktats des Alexandros Text Uumlbersetzung und Kommentar DissBerlin 1977 Ich folge seiner Kapitelzaumlhlung unterteile die Kapitel aber weiter Ichzitiere ihn als PsAlex puls ur das Mittellateinische Woumlrterbuch als PsGalenpuls was in Anbetracht der vielen pseudogalenischen Schriften und der Uumlberliefe-rungslage meines Erachtens weniger guumlnstig ist

16) Die unten erwaumlhnte Handschrift Paris Bibliothegraveque nationale lat6882A bringt ihn fol 37vndash39v mit Abweichungen in der Kapitelfolge

17) Ausfall vermutlich einer Lage mit dem Ende des Esculapius und dem Be-ginn von De pulsibus et urinis Nach dem Inhaltsverzeichnis fol 21vbndash22ra folgte aufdas Ende des Esculapius (LVIIII de podagra) LX de febres LXI Incipit de hurinaund erst danach LXII de pulsis et urina

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und ich halte das fuumlr genuine Uumlberlieferung wuumlrde es also (selbst-verstaumlndlich griechisch geschrieben) in den Text setzen Stoffregenskritischer Apparat zeigt uns aber auch daszlig es ein lateinisches Wortdafuumlr gab Zwei Handschriften haben an dieser Stelle formicaliszwei weitere formicans Das nehme ich zum Anlaszlig ausfuumlhrlicherauf die lateinischen Entsprechungen von δορκαδζων und μυρ-μηκζων einzugehen Mit letzterem beginnen wir

2 Lateinische Aumlquivalente fuumlr μυρμηκζων

Der Thesaurus belegt das Wort formicabilis an vier18 Stellenaus Caelius Aurelianus an zweien davon ist tatsaumlchlich die Formformicabilis uumlberliefert (acut 227145 und 232167) die F Vollmerder Verfasser des Artikels und verantwortliche Redaktor auch dort

18) Cael Aur diaet pass 148 zaumlhle ich nicht mit da es im ThlL nicht mehrals Caelius Aurelianus zitiert wird Es handelt sich um die Uumlberlieferung innerhalbdes Werkes des Aesculapius (Es-) 431 in der kritischen Ausgabe von F ManzaneroCano (= Kapitel 44 des im Mittellateinischen Woumlrterbuch zitierten Druckes Argen-torati 1533) Ex quibus sciaticum adprehendis Primum ex paruo dolore ossi eo quodde ima descendens uertebra coxe sue conpaginem erigit id Greci isclthgtion uocaue -runt hoc est coxam adtestante formicabili torpore cum grauedine et difficultate mo-tus Manzanero Cano war sich nicht bewuszligt daszlig Rose als diaet pass eben denEsculapius von 1533 (mit eigenen nicht ausgewiesenen Verbesserungen) drucktund formicabili was er in den Text setzt (die Handschriften haben soweit vorhan-den formidabili ebenso der hier auf Esculapius beruhende Gariopontus = Passio-narius Galieni 41) nicht uumlberliefert sondern Roses Wiederherstellungsversuch istDas gilt auch fuumlr die Uumlberlieferung innerhalb des Liber glossarum p 751ndash13 Hei-berg (Manzanero Cano irrig bdquoHelmldquo) wo die beiden zugrundegelegten Hand-schriften ebenfalls formidabili lesen Die Manzanero Cano unbekannte HandschriftGlasgow Hunter 96 der aumllteste Zeuge bricht leider kurz zuvor bei Esculapius 4027ab Allerdings kenne ich keine Parallele die erhellen koumlnnte was mit formicabilistorpor gemeint sein koumlnnte torpor muumlszligte das sein was beim Anonymus Parisinus491 ν0ρκη heiszligt und sich sowohl auf Empfindungs- wie auf Bewegungslosigkeitbeziehen (Im Deutschen sagen wir umgangssprachlich z B bdquomein Bein ist einge-schlafenldquo wenn die sensorische und motorische Nervenleitung momentan gestoumlrtist und dazu paszligt ν0ρκη ganz gut Vgl Photius p 2875 Νάρκη μυρμηκίασις) CaelAur chron 512 spricht nun allerdings von cum leui torpore ac formicatione als Teilder Symptomatik Einen leuis torpor kann man aber nicht gut formidabilis nennenwie es in der Uumlberlieferung der diaet pass der Fall ist Zudem kommt formidabilisein relativ haumlufig belegtes Wort bei medizinischen Autoren also auch bei CaeliusAurelianus sonst nicht vor formicatio lesen wir an einer zweiten Stelle bei CaeliusAurelianus chron 5230 sequitur autem passione articulari tentatos (= temptatos)torpor atque formicatio eorum articulorum qui tanguntur

51Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

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inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

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molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

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Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

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porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 6: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

49Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

102r Auf fol 100v erscheinen die beiden uns hier beschaumlftigendenPulsarten im acc plur als ΑΟΡΚ ΑΙΖontΑϲ und ΝΥΝΙΚΙΖΟΝΤΑϲalso δορκαδζοντας und μυρμηκζοντας in den uns gelaumlufigerenMinuskeln Der oder die Schreiber waren mit der klassischen latei-nischen Orthographie nicht vertraut und schrieben das Lateinischemeistens so wie sie es houmlrten bzw fuumlr richtig hielten z B higiturabere essiam quaptuor ieme brebis (= igitur habere etiam quat-tuor hieme breuis) Das Griechisch ihrer Vorlage haben sie so gutes eben ging abgemalt ndash und es ging wie wir sehen nicht beson-ders gut

Die gerade erwaumlhnte Glasgower Handschrift uumlberliefertebenfalls einen Text De pulsibus et urinis der mitunter einem Alex-ander aber auch dem Galen in einer weiteren Handschrift (Cass69 p 551a) einem Dionysius zugeschrieben wird Bei Alexanderhatte man verstaumlndlicherweise sofort an den beruumlhmtesten aumlrzt -lichen Alexander des Mittelalters gedacht Alexander von Trallesdoch zu Unrecht den wahren Verfasser kennen wir nicht Vor vierzig Jahren wurde die Uumlberlieferung dieses aumluszligerst populaumlrenkurzen Traktats von M Stoffregen aufgearbeitet15 nach immerhinsechzehn Handschriften vom 8 bis zum 14 Jahrhundert Bei dieserAnzahl uumlberrascht es kaum daszlig angesichts der oft schlecht er-schlossenen Handschriftenbestaumlnde des Hoch- und Spaumltmittel -alters weitere Zeugen auftauchten16 Der fruumlheste unter ihnen istdie am Beginn des Textes verstuumlmmelte17 Glasgower HandschriftHunter 96 fol 95rndash96r Der Text erwaumlhnt auch den ameisenartigenPuls (Zeile 293 Stoffregen) Stoffregen schrieb mit der Mehrzahlder Handschriften mirmizon Eine seiner Handschriften der Vati-canus Barberinianus 160 s 11 (bei ihm B) uumlberliefert mirmizizon

15) M Stoffregen Eine fruumlhmittelalterliche Uumlbersetzung des byzantinischenPuls- und Urintraktats des Alexandros Text Uumlbersetzung und Kommentar DissBerlin 1977 Ich folge seiner Kapitelzaumlhlung unterteile die Kapitel aber weiter Ichzitiere ihn als PsAlex puls ur das Mittellateinische Woumlrterbuch als PsGalenpuls was in Anbetracht der vielen pseudogalenischen Schriften und der Uumlberliefe-rungslage meines Erachtens weniger guumlnstig ist

16) Die unten erwaumlhnte Handschrift Paris Bibliothegraveque nationale lat6882A bringt ihn fol 37vndash39v mit Abweichungen in der Kapitelfolge

17) Ausfall vermutlich einer Lage mit dem Ende des Esculapius und dem Be-ginn von De pulsibus et urinis Nach dem Inhaltsverzeichnis fol 21vbndash22ra folgte aufdas Ende des Esculapius (LVIIII de podagra) LX de febres LXI Incipit de hurinaund erst danach LXII de pulsis et urina

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und ich halte das fuumlr genuine Uumlberlieferung wuumlrde es also (selbst-verstaumlndlich griechisch geschrieben) in den Text setzen Stoffregenskritischer Apparat zeigt uns aber auch daszlig es ein lateinisches Wortdafuumlr gab Zwei Handschriften haben an dieser Stelle formicaliszwei weitere formicans Das nehme ich zum Anlaszlig ausfuumlhrlicherauf die lateinischen Entsprechungen von δορκαδζων und μυρ-μηκζων einzugehen Mit letzterem beginnen wir

2 Lateinische Aumlquivalente fuumlr μυρμηκζων

Der Thesaurus belegt das Wort formicabilis an vier18 Stellenaus Caelius Aurelianus an zweien davon ist tatsaumlchlich die Formformicabilis uumlberliefert (acut 227145 und 232167) die F Vollmerder Verfasser des Artikels und verantwortliche Redaktor auch dort

18) Cael Aur diaet pass 148 zaumlhle ich nicht mit da es im ThlL nicht mehrals Caelius Aurelianus zitiert wird Es handelt sich um die Uumlberlieferung innerhalbdes Werkes des Aesculapius (Es-) 431 in der kritischen Ausgabe von F ManzaneroCano (= Kapitel 44 des im Mittellateinischen Woumlrterbuch zitierten Druckes Argen-torati 1533) Ex quibus sciaticum adprehendis Primum ex paruo dolore ossi eo quodde ima descendens uertebra coxe sue conpaginem erigit id Greci isclthgtion uocaue -runt hoc est coxam adtestante formicabili torpore cum grauedine et difficultate mo-tus Manzanero Cano war sich nicht bewuszligt daszlig Rose als diaet pass eben denEsculapius von 1533 (mit eigenen nicht ausgewiesenen Verbesserungen) drucktund formicabili was er in den Text setzt (die Handschriften haben soweit vorhan-den formidabili ebenso der hier auf Esculapius beruhende Gariopontus = Passio-narius Galieni 41) nicht uumlberliefert sondern Roses Wiederherstellungsversuch istDas gilt auch fuumlr die Uumlberlieferung innerhalb des Liber glossarum p 751ndash13 Hei-berg (Manzanero Cano irrig bdquoHelmldquo) wo die beiden zugrundegelegten Hand-schriften ebenfalls formidabili lesen Die Manzanero Cano unbekannte HandschriftGlasgow Hunter 96 der aumllteste Zeuge bricht leider kurz zuvor bei Esculapius 4027ab Allerdings kenne ich keine Parallele die erhellen koumlnnte was mit formicabilistorpor gemeint sein koumlnnte torpor muumlszligte das sein was beim Anonymus Parisinus491 ν0ρκη heiszligt und sich sowohl auf Empfindungs- wie auf Bewegungslosigkeitbeziehen (Im Deutschen sagen wir umgangssprachlich z B bdquomein Bein ist einge-schlafenldquo wenn die sensorische und motorische Nervenleitung momentan gestoumlrtist und dazu paszligt ν0ρκη ganz gut Vgl Photius p 2875 Νάρκη μυρμηκίασις) CaelAur chron 512 spricht nun allerdings von cum leui torpore ac formicatione als Teilder Symptomatik Einen leuis torpor kann man aber nicht gut formidabilis nennenwie es in der Uumlberlieferung der diaet pass der Fall ist Zudem kommt formidabilisein relativ haumlufig belegtes Wort bei medizinischen Autoren also auch bei CaeliusAurelianus sonst nicht vor formicatio lesen wir an einer zweiten Stelle bei CaeliusAurelianus chron 5230 sequitur autem passione articulari tentatos (= temptatos)torpor atque formicatio eorum articulorum qui tanguntur

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herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

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inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

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molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

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Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

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einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

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ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

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` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

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Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

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Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

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porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

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fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 7: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

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und ich halte das fuumlr genuine Uumlberlieferung wuumlrde es also (selbst-verstaumlndlich griechisch geschrieben) in den Text setzen Stoffregenskritischer Apparat zeigt uns aber auch daszlig es ein lateinisches Wortdafuumlr gab Zwei Handschriften haben an dieser Stelle formicaliszwei weitere formicans Das nehme ich zum Anlaszlig ausfuumlhrlicherauf die lateinischen Entsprechungen von δορκαδζων und μυρ-μηκζων einzugehen Mit letzterem beginnen wir

2 Lateinische Aumlquivalente fuumlr μυρμηκζων

Der Thesaurus belegt das Wort formicabilis an vier18 Stellenaus Caelius Aurelianus an zweien davon ist tatsaumlchlich die Formformicabilis uumlberliefert (acut 227145 und 232167) die F Vollmerder Verfasser des Artikels und verantwortliche Redaktor auch dort

18) Cael Aur diaet pass 148 zaumlhle ich nicht mit da es im ThlL nicht mehrals Caelius Aurelianus zitiert wird Es handelt sich um die Uumlberlieferung innerhalbdes Werkes des Aesculapius (Es-) 431 in der kritischen Ausgabe von F ManzaneroCano (= Kapitel 44 des im Mittellateinischen Woumlrterbuch zitierten Druckes Argen-torati 1533) Ex quibus sciaticum adprehendis Primum ex paruo dolore ossi eo quodde ima descendens uertebra coxe sue conpaginem erigit id Greci isclthgtion uocaue -runt hoc est coxam adtestante formicabili torpore cum grauedine et difficultate mo-tus Manzanero Cano war sich nicht bewuszligt daszlig Rose als diaet pass eben denEsculapius von 1533 (mit eigenen nicht ausgewiesenen Verbesserungen) drucktund formicabili was er in den Text setzt (die Handschriften haben soweit vorhan-den formidabili ebenso der hier auf Esculapius beruhende Gariopontus = Passio-narius Galieni 41) nicht uumlberliefert sondern Roses Wiederherstellungsversuch istDas gilt auch fuumlr die Uumlberlieferung innerhalb des Liber glossarum p 751ndash13 Hei-berg (Manzanero Cano irrig bdquoHelmldquo) wo die beiden zugrundegelegten Hand-schriften ebenfalls formidabili lesen Die Manzanero Cano unbekannte HandschriftGlasgow Hunter 96 der aumllteste Zeuge bricht leider kurz zuvor bei Esculapius 4027ab Allerdings kenne ich keine Parallele die erhellen koumlnnte was mit formicabilistorpor gemeint sein koumlnnte torpor muumlszligte das sein was beim Anonymus Parisinus491 ν0ρκη heiszligt und sich sowohl auf Empfindungs- wie auf Bewegungslosigkeitbeziehen (Im Deutschen sagen wir umgangssprachlich z B bdquomein Bein ist einge-schlafenldquo wenn die sensorische und motorische Nervenleitung momentan gestoumlrtist und dazu paszligt ν0ρκη ganz gut Vgl Photius p 2875 Νάρκη μυρμηκίασις) CaelAur chron 512 spricht nun allerdings von cum leui torpore ac formicatione als Teilder Symptomatik Einen leuis torpor kann man aber nicht gut formidabilis nennenwie es in der Uumlberlieferung der diaet pass der Fall ist Zudem kommt formidabilisein relativ haumlufig belegtes Wort bei medizinischen Autoren also auch bei CaeliusAurelianus sonst nicht vor formicatio lesen wir an einer zweiten Stelle bei CaeliusAurelianus chron 5230 sequitur autem passione articulari tentatos (= temptatos)torpor atque formicatio eorum articulorum qui tanguntur

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herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

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inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

53Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 8: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

51Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

herstellen wollte wo nur formicalis steht19 Da sich spaumltlateinischoumlfters Doubletten von Adjektiven auf -alis und -bilis finden20 (diehaumlufigste ist rationalis und rationabilis) bleibt eine groszlige Unsi-cherheit welcher Form man den Vorzug geben soll Jedenfalls wuumlr-de auch ich annehmen daszlig ein sprachlich sehr bewuszligt agierenderAutor wie Caelius Aurelianus stets die gleiche Form benutzt hat

formicabilis leitet der Thesaurus von formicare sbquoprurirelsquo abbdquokribbelnldquo Diese Bedeutung paszligt selbstverstaumlndlich nicht fuumlr denPuls (der Thesaurus zitiert bei formico are Aurelius bei dem sicheine einzige Stelle findet p 706 Daremberg pulsus uenae eorum uelnon comparescent neque enim ad eos possumus aliquid Latine di-cere item ueluti formicant inhaltlich entsprechend Cael Aur acut227145) Der Text ist unverstaumlndlich Gariopontus 211 hat ihndeshalb auch geaumlndert fuumlr den uns beschaumlftigenden Teil schreibt eritem pulsus ueluti formicitans Diese Form naumlmlich formicitans hatder Vindob 2425 s 11ex12in fol 150v auch in PsAlex puls ur122 und 123 eingesetzt21 moumlglicherweise handelt es sich um einemittelalterliche Neubildung fuumlr die es sich lohnte weitere Belegezu sammeln Freilich finden wir schon bei Plin nat 7171 uenarum

19) Fuumlr formicabilis plaumldiert auch allerdings nicht mit letzter KonsequenzK Vietmeier Beobachtungen uumlber Caelius Aurelianus als Uumlbersetzer medizinischerFachausdruumlcke verlorener griechischer Schriften des methodischen Arztes Soranosvon Ephesos Diss Muumlnster i W Guumltersloh 1937 71 Dort 100ndash111 Lateinisch-griechisches und griechisch-lateinisches Woumlrterverzeichnis (Man beachte daszlig erCael Aur gyn weil es noch nicht veroumlffentlicht war nicht auswerten konnte)

20) Vgl G Bendz De adiectivorum in -bilis exeuntium usu quaestiones cri-ticae et semasiologicae Eranos 38 1960 36ndash50 mit den kritischen Anmerkungenvon A Oumlnnerfors Das medizinische Latein von Celsus bis Cassius Felix inW Haase H Temporini (Hrsg) Aufstieg und Niedergang der roumlmischen WeltTeil II 37 Berlin New York 1993 227ndash392 und Register dazu 924ndash937 hier 309ndash310 P Stotz Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters Band 2 Muumlnchen2000 Stotz VI 85 und VI 39 bringt Beispiele und Literatur auch fuumlr das Spaumltlateinspeziell zur Konkurrenz von -abilis und -alis VI 857 Aumlltere Literatur auch beiM Leumann Lateinische Laut- und Formenlehre (Lateinische Grammatik vonM Leumann J B Hofmann A Szantyr Erster Band = Handbuch der Altertums-wissenschaft 2 Abt 2 Teil 1 Band) Muumlnchen 1977 sect 312 Moumlglicherweise war esCicero der diese Bildungen in die philosophische Sprache (dazu kann man auch diemeisten hier behandelten Woumlrter rechnen) einfuumlhrte vgl ThlL sv accusabilis undopinabilis (z B Cic Tusc 475 und 476) und auch Caelius Aurelianus koumlnnte da-von beeinfluszligt sein

21) Bedauerlicherweise fehlt im Vindob 2425 der Text von PsAlex puls ur125 (Zeile 293 Stoffregen) mit μυρμηκζων

52 Klaus-Die t r i ch F i s cher

inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

53Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

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Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 9: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

52 Klaus-Die t r i ch F i s cher

inaequabili22 aut formicante percussu23 quaeque alia Hippocratiprincipi medicinae obseruata sunt unter den signa letalia den Zei-chen des herannahenden Todes24 Der Pulstraktat im Hunterianus96 spricht von formicati (sc pulsūs) Angesichts der Unzuverlaumlssig-keit dieser Handschrift moumlchte ich mich aber einstweilen nichtfestlegen ob das sonst unbekannte formicatus tatsaumlchlich gemeintwar oder ob es verderbt ist25 Das bei Constantinus Africanus be-legte formiculosus steht bereits freilich in anderem Sinne in der la-teinischen Uumlbersetzung von Hesychius In leuiticum 2222 (MignePG 93 1075A) Es dient der Wiedergabe von μυρμηκι2ντα26 dochdaszlig Constantinus sich hieran orientiert haben koumlnnte halte ich fuumlrunwahrscheinlich Im Canon des Avicenna rund einhundert Jahrespaumlter treffen wir wieder formicans27 waumlhrend der Uumlbersetzer vonAvicennas Cantica Armengaud Blasii (gest 1314) uermicularis be-vorzugt

Das Krankheitsbild um das es in den spaumltantiken Texten je-weils geht ist die περιπνευμονα und was Aurelius schreibt paszligtsehr gut zu dem unedierten Pulstraktat im Hunterianus 96 Peri-pleumonicorum uero [sc pulsus] grandis debilis et mollis [debiles et

22) Einziger Beleg bei Plin nat fuumlr inaequabilis (haumlufig bei ihm inaequalis)es koumlnnte ein technischer Gebrauch vorliegen

23) Zum Artikel pulsus im Thesaurus linguae Latinae X 2 1615 gibt es eineappendicula epithetorum notabiliorum wo formicans fehlt sicher weil es bei Pliniusmit percussus verbunden ist Auch percussio wird vom Pulsschlag gebraucht

24) Man wuumlrde diese Stelle im hippokratischen Prognostikon (oder allenfallsin De septimanis) suchen wo z B die beruumlhmte Beschreibung der facies Hippocra-tica zu lesen ist sie laumlszligt sich aber vermutlich nicht naumlher bestimmen vgl A Ana-stassiou D Irmer Testimonien zum Corpus Hippocraticum Teil I Nachleben derhippokratischen Schriften bis zum 3 Jahrhundert n Chr Goumlttingen 2006 XXXIII

25) Vorangeht uermiculati fuumlr σκωληκζοντες welches (freilich nicht vomPulse) gut bezeugt ist

26) Verfasser des Thesaurusartikels ist wiederum Vollmer bdquore vera conferen-dae formica morbus et formicatioldquo schreibt er was ihm leider weder Souter (bdquoof thenature of an antldquo) noch Blaise (bdquode fourmi comme les fourmis [qui ne songe qursquoagraveamasser]ldquo) abgenommen haben

27) Alfanus ed Capparoni 24 Formicans occurrit quasi motus formicae undepropter sui motus frequentiam et parvitatem vix potest discerni unde percussio abalia [ Fi] et hoc signum mortis certissimum est et vicinum Nota differentiam in-ter vermiculosum et formicantem cum motus virtutis significat defectum et spiritusvermiculosus tamen minorem defectum significet cum magis moveatur formicansvero minorem defectum significat cum motus eius sit minimus

53Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

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Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 10: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

53Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

molles trad] est quod si in peius uenerit28 aut sine pulsum erumt ()aut formicantem habebunt ebenso zu PsAlex puls ur 121 Peri-pleumonicis pulsus est ualidus et ltuelox etgt29 spissus qui cum ad periculum uenerit fit ei pulsus incertus et ueluti non comparens etueluti formicans30 Dort folgt dann auch diese Erklaumlrung des Wor-tes (125)31 μυρμηκζων pulsus est qui ex inbecillitate paruus atquehumilis ltsed ingt debilitate sui motus celer a formicarum motu no-minatur quarum gressus32 continuus ac sine pondere sentitur

Sehen wir uns auch die Erklaumlrung im Kommentar des Agnel-lus zu Galen De pulsibus ad tirones33 an 1321 Myrmecizon34 au-tem dicitur a similitudine formicarum ambulantium quia subtiles35

sunt et spissae 1322 Sic enim et in nobis est36 inueniri myrmecizonpulsus quem aliqui ecticon uocant pro eo quod in ectica febre inue -n iatur 1323 Non enim est hoc uerum sed quia ex debili uirtute istepulsus similis formicarum ambula[n]tibus37 est ex quo non est ali-quem posse euadere

28) Vermutlich herzustellen qui si uenerint29) Suppl Hunterianus 9630) PsSor puls p 27924 Rose peripleumonicorum ita uelocitate et spissitu-

dine conangustatur [coang- Rose ohne weitere Bemerkung] ut frequenter etiam nonappareat

31) Mein Versuch der Textherstellung32) gressus fehlt in drei der Handschriften bei Stoffregen (wie Anm 15)

ebenso wie PsSor puls p 27914 Rose Dort ist ltgressumgt spissum mit den Par lat6882A und 16944 herzustellen (grossum Pithis [wie Anm 11] nach Autissiodorensis240 der wohl auch sonst Fehler aufweist) Das laumlszligt es als moumlglich erscheinen daszliges eine engere Beziehung zwischen PsAlex puls ur und PsSor puls zumindestan dieser Stelle gibt

33) Agnellus de Ravenne Lectures galeacuteniques le laquoDe pulsibus ad tironesraquoIntroduction texte latin (adiuuante Ivan Garofalo) traduction et notes explicativespar N Palmieri Saint-Eacutetienne 2005 den dort nach der einzigen bekannten Hand-schrift gedruckten Text habe ich normalisiert

34) mermicizon die Handschrift an dieser und an der folgenden Stelle35) Ich verstehe sbquoleichtlsquo bdquopetitesldquo uumlbersetzt Palmieri36) Zu est + inf = licet J B Hofmann A Szantyr Lateinische Syntax und

Stilistik Muumlnchen 1972 sect 191 II B Zus α (S 349)37) Palmieri (wie Anm 33) 106 erklaumlrt formicarum ambulantibus als (spaumltla-

teinisches) Schwanken zwischen Genitiv und Dativ waumlhrend ich das seltene ambu-latus us sbquoGehenlsquo (vgl gressus PsAlex puls ur 125 und PsSor puls p 27914 Rosemit meiner Verbesserung) annehme (ein einziger bekannter Beleg Arnob nat 148Christus scitur ambulatum dedisse contractis) die interpretierende Uumlberset-zung bdquofaculteacute de marcherldquo (Blaise) bzw bdquopower of walkingldquo (Souter) ist m E nichtzwingend

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 11: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

54 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Am ausfuumlhrlichsten belehrt uns wohl Galen diff puls 126(9553 Kuumlhn)38

κltκληται δ= οgtτος μυρμηκζων π+ τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκαμοιDτητος Eς μltν τινltς φασι κατF σμικρDτητα Eς Gτεροι δ= διF τ+ντρDπον τAς κινHσεως IνJ μοως τB σκωληκζοντι κα1 δορκαδζοντι κα1οgtτος K κεκλημltνος )κεLνο τε γFρ μοιDτητι κινHσεως τAς πρ+ς τF ζBαMν τNν )πωνυμαν χουσιν )κλHθησαν οgtτDς τε αOτ+ς μυρμηκζωνοPτως τιν=ς δ= κα1 διJ Qμφω φασ1ν αOτ+ν οPτως Rνομ0ζεσθαι δι0 τετNν μικρDτητα κα1 τAς κινHσεως τ+ εSδος TμLν δ= περ1 μ=ν τοCτων οOφιλοτιμητltον οUος δJ )στ1ν μυρμηκζων λεκτltον στι δ= μικρ+ςQγαν οgt μικρDτερος Qλλος οOκ στιν EσαCτως δ= κα1 μυδρDτατοςπ0ντως κα1 πυκνDτατος οO μNν ταχCς γε Vς τισι δοκεL

Der ameisenartige Puls heiszligt so nach seiner Aumlhnlichkeit mit diesemTier und zwar behaupten einige nach seiner geringen Groumlszlige anderenach der Art seiner Fortbewegung sodaszlig seine Benennung wie beimwurm- und beim gazellenartigen Puls vorgenommen worden sei Diegenannten Pulsarten erhielten ihre Benennung naumlmlich wegen der Aumlhn -lichkeit der Bewegung die mit den erwaumlhnten Tieren besteht und ebenauch diese Pulsart der Ameisenpuls auf diese Weise Andere Leute be-haupten die Benennung gehe auf beides zuruumlck sowohl auf die Klein-heit wie auf die Art der Bewegung Fuumlr uns kommt es nicht darauf anin dieser Frage moumlglichst gut dazustehen sondern darzulegen was fuumlr

38) Weitere einschlaumlgige Galenstellen samt deutscher Uumlbersetzung bei Stoff-regen (wie Anm 15) 207ndash208 Ausfuumlhrlich zum μυρμηκζων auch Markellinos De pulsibus Die von H von Staden angekuumlndigte Neuausgabe dieses wichtigenTraktats ist noch nicht erschienen weil die Handschriftenbasis der Ausgabe vonH Schoumlne (1907) ungenuumlgend ist ist das ein dringendes Desiderat Ob Theophilosauf Galen beruht (oder allein auf Galen) moumlchte ich nicht entscheiden (Theophpuls p 47 Ermerins) Wσπερ δ= τ+ν κυματXδη σφυγμ+ν σκωληκζων διαδltχεταιμικρDτερος γινDμενος οPτως τ+ν σκωληκζοντα μυρμηκζων διαδltχεται Yτανπολλυμltνων τ2ν κινHσεων τ2ν πολλ2ν εZς μαν κα1 ταCτην παντελ2ς μικρFν τε-λευτHσ[ διF τοτο ο]τε νωμ0λως φανεται κατοι γε ^π0ρχων νXμαλος λλFδιF τNν σμικρDτητα λανθ0νει T νωμαλαmiddot κltκληται δ= μυρμηκζων σφυγμ+ς π+τAς πρ+ς τ+ ζBον τ+ν μCρμηκα μοιDτητοςmiddot οgtτος γFρ κα1 αOτ+ς κινεLται μοως τBσκωληκζοντι λλF σμικροτ0την κα1 μυδροτ0την κνησιν οIαν οOδε1ς Qλλος τ2νσφυγμ2ν κltκτηταιmiddot διF τοτο κα1 πρ+ς ποταγNν Gτοιμος Yτι )πανDρθωσιν πXποτεοOκ )νδltχεται δltξασθαι bdquoWie sich der wurmartige Puls an den wellenfoumlrmigenanschlieszligt genauso schlieszligt sich der ameisenartige Puls an den wurmartigen anwenn aus dem Ausbleiben vieler Bewegungen am Ende eine einzige in jeder Hin-sicht geringe wird Deshalb nimmt man ihn auch nicht als unregelmaumlszligig wahr ob-wohl er das ist weil durch seine geringe Groumlszlige die Unregelmaumlszligigkeit nicht auffaumllltDer ameisenartige Puls heiszligt so wegen seiner Aumlhnlichkeit mit der Ameise seine Be-wegung ist wie beim wurmartigen Puls jedoch ganz gering und undeutlich wie siekein anderer Puls aufweist Deshalb paszligt er auch zum gaumlnzlichen Aufhoumlren weil erniemals eine Ruumlckkehr zum Normalzustand erlaubtldquo

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 12: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

55Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

einer nun der ameisenartige Puls ist Er ist sehr klein einen anderennoch kleineren gibt es nicht und ebenso ist er absolut undeutlich undganz schnell hintereinander schlagend nicht jedoch beschleunigt wieeinige Aumlrzte meinen

Georges bietet eine ganz plausible Uumlbersetzung fuumlr formico anbdquogeschwind aber dabei schwach schlagenldquo besser als das OLD mitbdquoto be slight and irregularldquo weil dabei unklar bleibt worauf sichbdquoirregularldquo bezieht Forcellini handelt das unter formicans ab bdquofor-micarum modo currens ut Formicans pulsus exiguus debilis etfrequens omniumque maxime letalis ita dictus quod veluti formi-cas per arteriam discurrentes tactui repraesentetldquo (mit der Stelle ausPlin nat 7121)

3 Lateinische Aumlquivalente fuumlr δορκαδζων39

Beginnen wir mit PsSor quaest med 183 (193L meiner Neu-ausgabe) Quid est δορκαδζων pulsus Capreolinus qui ita arteriaesuperficiem pulsat ut non antea ad inferiorem partem συστολHνdeducat quam duplicem aut triplicem διαστολHν reddat Es istschwer zu sagen ob capreolinus hier nur ein Einfall des Uumlberset-zers war oder ob es tatsaumlchlich in der Antike vom Puls sonst nochgebraucht wurde Ausfuumlhrlicher doch ganz aumlhnlich heiszligt es beiPsSor puls p 27915ndash20 Rose dorcadizon est qu i i t a a r t e r iaesuper f i c i em pu l sa t u t non ante ad in fe r io rem par temsy s to l en deduca t p r iu squam dup l i c em aut t r i p l i c emdia s to l en r edd ider i t et hic quoque uocatur dorcadizon a ca-preolarum similitudine quae cum se [separare]40 saltu excusserintnon ante terram tangunt41 nisi in eodem saltu duos uel tres motus

39) Graphische Darstellung als Fig XIV bei O Schadewald Sphymologiaehistoria inde ab antiquissimis temporibus usque ad aetatem Paracelsi Dissertatio inauguralis medico-historica quam consensu et auctoritate gratiosi medicorum or-dinis in alma litterarum universitate Friderica Guilelma publice defendet Bero-lini 1866 (im Netz) Die dritte der bei dieser Gelegenheit verteidigten Thesen warMedico studium historiae medicinae magnam affert utilitatem einer der Opponen-ten war J Hirschberg Med et Chir Dr dessen historische Arbeiten zur Augenheil-kunde kaum etwas von ihrem Wert verloren haben

40) om Autissiodorensis 240 Par lat 6882A Par lat 16944 seclusi Vielleichtliegt eine Glosse wie capreae oder capreolae zugrunde

41) tangant Aug CXX corr Par lat 6882A et 16944 excusserintndasheodem saltu om Autissiodorensis 240

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 13: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

56 Klaus-Die t r i ch F i s cher

ac uelut emicantes facere uideantur Auf die Aumlhnlichkeit oder bes-ser teilweise Textgleichheit hatte bereits Rose im Apparat hinge-wiesen

Gorraeus verwendet bei seiner Erklaumlrung von δορκαδζων caprizans Der fruumlheste Beleg den ich dafuumlr derzeit kenne ist Aegidius Corboliensis (Gilles de Corbeil)42 im Canon medicinedes Avicenna steht gazellans was wohl keine Nachfolge gefundenhat43 Zumindest ist unstrittig daszlig das tertium comparationis dieBewegung genauer der Sprung des Tieres ist Aber um welchesTier handelt es sich hier Ist es eine Ziege ein Reh44 gar eine Ga-zelle eine Antilope Das Wort δορκ0ς laumlszligt keine eindeutige Ent-scheidung zu Deshalb spielt es eine Rolle in welcher Umgebungdas Wort auftaucht Von Galen aber auch von Markellinos wissenwir daszlig es Herophilos war der als erster δορκαδζων auf den Pulsanwandte (T 169 und T 170 von Staden)45 bdquoDann hatte er houmlchst-wahrscheinlich die haumlufige und beliebte Dorkasgazelle Gazelladorcas (Linnaeus 1758) im Sinn die im Niltal bis heute vorkommtIn Kapriolen laumlsst sich Dorkas nicht uumlbertreffenldquo beantworteteder Rostocker Zoologe Ragnar K Kinzelbach schnell und freund-lich meine Anfrage ohne seine Mithilfe waumlre es bei Mutmaszligungengeblieben

Da von Staden nur einen Teil der Stelle uumlber den δορκαδίζωνbei Markellinos in T 170 bringt und Markellinos nicht in jeder Bi-bliothek zu finden ist lasse ich Schoumlnes vollstaumlndigen Text folgen

42) Ein gutes Jahrhundert fruumlher ist Alfanus von Salerno mit seinem Tracta-tus de pulsibus (P Capparoni Il bdquoTractatus de pulsibusldquo di Alfano Ideg Arcivescovodie Salerno [Sec XI] Trascrizione del Codice 1024 della biblioteca dellrsquoArsenale diParigi Roma 1936) dort 22 caprizans Die Formulierung efficimus epithoma idest abreviatum de mega pulsuum Galieni et epithomate pulsuum eius et de summapulsuum Alphani archiepiscopi in greca et latina lingua expediti vel periti compen-diosissime compilata et lucide im Vorwort (14) zeigt daszlig die bei Capparoni gedruck-te Fassung nicht den Originaltext darstellt weshalb es unsicher bleibt ob man denTerminus fuumlr Alfanus in Anspruch nehmen darf Zum Problem der VerfasserschaftCapparoni 27ndash33

43) Dieses Wort auch nicht im Mittellateinischen Woumlrterbuch dort nur ga-zela In seiner Bearbeitung von Avicennas Canon erklaumlrt A Alpago ebenfalls gazel-lans mit caprizans

44) sbquoRehbocklsquo schreibt das Diccionario griego-espantildeol bei δορκαδζων bdquobound like an antelopeldquo LSJ bdquosaltare come capriolo (= Rehbock)ldquo das Vocabolariogreco-italiano von F Montanari

45) H von Staden Herophilus The Art of Medicine in Early AlexandriaCambridge 1989 samt den Bemerkungen dort

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 14: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

57Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

` δορκαδίζων σφυγμ+ς καλεLται κα1 διπλασιάζων aπλος δέ )στιν )νμιb διαστάσει δ1ς πλήσσων εSτα διαστελλόμενος διαστcσα γFρ Tρτηρία κα1 παρασχοσα φαντασίαν συστολAς τι μετέωρος τυγχά-νουσα πάλιν προσεπιδιίσταται κα1 τότε τNν Rφειλομένην πολαβοσασυστολήν μοίως )ξερltεθgtίζει τNν aφNν διπλAν )ν τd μιb διαστολdποιουμένη τNν ρμήνYθεν κα1 δορκαδίζων τοιοτος )κλήθη σφυγμ+ς οOκ τόπως VσπεργFρ αe δορκάδες )ν τοLς δρόμοις τF μ=ν πρ2τα μικρF διαβαίνουσινεSτα αZφνίδιον )π1 τ+ μεLζον )ξάλλονται κα1 πρ+ς τ+ν έρα μετεωρι-σθεLσαι πάλιν προσάλλονται πρ1ν )πιβAναι τAς γAς οPτω κα1 δορκα-δίζων σφυγμ+ς μικρFς κα1 μυδρFς ποιησάμενος τFς πρώτας δια-στολFς )π1 πλέον διαστέλλεται κα1 μένων )ν τd αOτd διαστολd πρ+ τοπεσεLν πάλιν προσεπιδιιστάμενος πλήσσει τNν aφήνfρόφιλος μ=ν οgν πρ2τος Rνομάσας δορκαδίζοντα σφυγμόν φησινhπαξ iωρακέναι )πί τινος εOνούχου TμLν δ= συνεχ2ς )π1 τ2ν ργων)πέπεσεν ν τε φρενητικαLς κα1 καρδιακαLς διαθέσεσι

Der gazellenartige Puls heiszligt auch Doppelpuls er ist freilich einfachwobei er in einer Ausdehnungsphase zweimal anschlaumlgt und sichanschlieszligend (weiter) ausdehnt Denn die Ausdehnung der Arterie erweckt den Eindruck einer Abnahme Waumlhrend sie sich noch oben befindet dehnt sie sich aufs neue aus und empfaumlngt zu diesem Zeit-punkt die zu erwartende Abnahme in gleicher Weise wirkt sie auf das Tastgefuumlhl indem sie bei einem einzigen Schlag doppelt AnlaufnimmtAus diesem Grunde bot es sich auch an einen derartigen Puls sbquoGazel-lenpulslsquo zu nennen Denn genauso wie die Gazellen bei ihrem Laufanfaumlnglich kurze Schritte machen und dann ploumltzlich houmlher springenund zusaumltzlich zu ihrem Schweben in der Luft noch einmal springenehe sie auf den Erdboden treffen so macht auch der Gazellenpulszunaumlchst seine ersten Schlaumlge klein und undeutlich und dehnt sichdann staumlrker aus und indem er in dieser Ausdehnung verweilt ehe erzuruumlckgeht dehnt er sich (nochmals) weiter aus und wirkt so auf denTastsinnHerophilos der diesen Gazellenpuls als erster so genannt hat erklaumlrter habe ihn nur ein einziges Mal bei einem namentlich nicht genanntenEunuchen angetroffen wir hingegen in unserer aumlrztlichen Praxis in einem fort bei den Zustaumlnden wo der Kranke im Delirium ist und beiHerzleiden

Jetzt faumlllt es leichter die wesentlich kuumlrzere Formulierung zu ver-stehen die sich bei PsGal def med 231 (19412 Kuumlhn) findet

Δορκαδζων )στ1 σφυγμ+ς Yταν T ρτηρα δDξασα διεστ0λθαι μN παν -τελ2ς διεσταλμltνη )φJ iτltραν )πεπHδησεν θροXτερον πρ1ν μφασινσυστολAς παρltχειν βιαιοτltρα δ= T δευτltρα γltνηται πληγH

Der Gazellenpuls ist derjenige bei dem die Arterie den Anschein er-weckt sie habe ihre (groumlszligte) Ausdehnung (schon) erreicht ohne daszligdas der Fall waumlre und ziemlich unvermutet einen weiteren zweiten

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

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fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 15: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

58 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Schlag tut ehe sie das Gefuumlhl der Abnahme46 vermittelt denn der zwei-te Schlag faumlllt heftiger aus (als der erste)

Ein wohl bisher unedierter Pulstraktat in der Muumlnchener Hand-schrift clm 22300 s 13 bringt fol 57rndashv folgende Definition (Inter-punktion von mir)

Caprisans pulsus in una dyastole duas facit differencias id est duas mo-ciones diuersas et inequales et dicitur caprisans quia sicut capra eleuanscaput saltans in aera facit duas mociones cum pedibus unam maioremalialtmgt et secundaltmgt duplicat ita et pulsus caprisans

Der Ziegenpuls erzeugt bei einer Ausdehnung zwei Verschiedenheitend h zwei verschiedene und ungleiche Bewegungen und heiszligt Ziegen-puls deshalb weil er wie ein Ziegenbock der seinen Kopf hochnimmtund in die Luft springt zwei Bewegungen mit den Beinen ausfuumlhrteine groumlszligere und eine weitere zweite zusaumltzliche so tut es auch der Zie-genpuls

4 formicatio und μυρμηκι0ω samt Ableitungen

formica bezeichnet nicht nur die Ameise sondern wie derThesaurus zutreffend schreibt ein bdquogenus verrucarumldquo Griechisch

46) Das heiszligt ja woumlrtlich sbquoZusammenziehunglsquo und wir duumlrfen uns hier nichtverwirren lassen denn fuumlr uns ist die Systole des Herzens der Ausloumlser des PulsesVgl R E Siegel Galenrsquos system of physiology and medicine An analysis of his doctrines and observations on bloodflow respiration humors and internal diseasesBasel New York 1968 bes 83ndash84 und 95 und die Definition bei Marcellinus puls6 l 178ndash186 Schoumlne Vgl wiederum Theoph puls p 49 Ermerins jΟ δορκαδζωνσφυγμDς )στι μ=ν κα1 αOτ+ς )κ τ2ν κατF μαν διαστολNν νωμ0λων γνεται δ=οgtτος Yταν T μετF τNν Tσυχαν δευτltρα κνησις kκυτltρα τε κα1 σφοδροτltρα τAςπροτltρας K τB γFρ τοιοCτl )πκειται τ+ mνομα κατF τNν πρ+ς τF ζBα τFς δορκ0δαςμοιDτηταmiddot κα1 γFρ )κεLνα τοτον φανεται πηδ2ντα τ+ν τρDπον οUον διπλAν τινακνησιν ποιοCμενα πρ+ς βραχn γFρ ^ψXσαντα iαυτF κα τινα δDκησιν Eς αOτοτNν κνησιν καταπαCσαντα παρασχDντα δευτltραν ρμNν κινHσεως ποιεLται πολnτAς πρDσθεν kκυτltραν οUον )πιπηδ2ντα iαυτοLς τατJ ρκεL κα1 περ1 το δορ-καδζοντος σφυγμο bdquoDer gazellenartige Puls gehoumlrt ebenfalls zu den unregelmaumlszligi-gen Pulsarten waumlhrend einer einzigen Ausdehnung (des Herzens) Er entstehtwenn nach einer Pause eine zweite schnellere und staumlrkere Bewegung als die ersteerfolgt Dieser Puls heiszligt so wegen der Aumlhnlichkeit mit den Gazellen Die Gazellenscheinen naumlmlich derart in die Houmlhe zu springen als fuumlhrten sie eine doppelte Be-wegung aus denn sie erheben sich ein wenig nach oben und scheinen dabei in derBewegung innezuhalten und vollfuumlhren dann eine zweite wesentlich schnellere Be-wegung als machten sie einen zweiten Sprung Das genuumlgt als Beschreibung des ga-zellenartigen Pulsesldquo

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

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Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 16: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

59Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

gibt es dafuumlr das Wort μυρμηκα47 (T) und auch μυρμHκια (τ0)48

Celsus 52814CDE49 Im Thesaurus linguae Latinae werden beideFormen in einem gemeinsamen Artikel behandelt (VIII 174466ndash84)50 Dieses bdquogenus verrucarumldquo kommt in der Human- wie in der Tiermedizin vor wo sie bei Chiron mit myrmeces konkurrieren(In griechischen Quellen scheint es dagegen μCρμηξ nicht in der Be-deutung sbquoWarzelsquo zu geben) Ausfuumlhrlich informiert Celsus 52814Cuumlber die Sache51 Myrmecia autem uocantur humiliora thymo[thymltigto Marx] durioraque quae radices altius exigunt maiorem-que dolorem mouent infra lata super autem tenuia minus sanguinismittunt [als die thymia] magnitudine uix umquam lupini modumexcedunt Nascuntur ea quoque aut in palmis aut inferioribus pe-dum partibus

47) Meines Erachtens unzutreffend das Vocabolario greco-italiano sv bdquofo-runculo irritazione della pelleldquo Zu den anderen Bedeutungen vgl LSJ Eine davonist sbquoAmeisennestlsquo (Arist hist anim 534b23) Da diese nicht unbedingt die Form eines Haufens haben (auch engl heiszligt es bdquoant-hillldquo) glaube ich nicht daszlig man dieWarze mit einem Ameisennest verglichen hat sondern schlage am Schluszlig der Arbeiteine andere Loumlsung vor

48) Im Vocabolario greco-italiano sv μυρμHκιον waumlre das nachzutragen49) Ebenfalls uumlberliefert in der Version Aa des lateinischen Oribasios bei syn

743 (p 184 Mol = 52814A p 185 Mol = 52814CDE p 182ndash183 Mol =52814B) F Skoda Meacutedecine ancienne et meacutetaphore Le vocabulaire de lrsquoanatomieet de la pathologie en grec ancien Paris 1988 220 (Abschnitt 732) zitiert bdquoCelse514ldquo was zu berichtigen ist μυρμηκζω erwaumlhnt sie seltsamerweise nicht μυρ-μHκια ordnet sie semantisch bei den bdquonoms de maladies constitueacutes drsquoapregraves une res-semblance avec un objet exteacuterieurldquo ein (186 Abschnitt 63 e das glaube ich auch)und stellt sich Folgendes vor bdquoμυρμHκιον 1 petite fourmi (qui pique) rarr 2 petiteverrue causant une sensation de piqucircreldquo (221) Fuumlr meine Sichtweise vgl weiter unten

50) Ein weiterer Beleg ist PsApul herb 109 l 30 (aus Diosc mat med41644 μυρμηκας = myrmecia [n pl]) Bei dieser interpolierten Fassung handelt essich um eine andere lateinische Uumlbersetzung als die von Stadler gedruckte (haumlufigDioscorides Langobardus genannt nach der Beneventana im clm 337) vgl p 773Stadler formicas corporis inpositus tollet clauos tollit et condilomata sernas inunctuspurgat terrigia oculis detergit carbunculos et fagedenica uulnera tollet cancros et fistulas sanat gegenuumlber Detrahit praeterea illitus myrmecia acrocordonas timosimpetigines pterygia fistulas excallat cangrenas carbunculos Zu diesen Interpola-tionen aus Dioskurides vgl die Ausfuumlhrungen von A Ferraces Rodriacuteguez Estudiossobre textos latinos de fitoterapia entre la antiguumledad tardiacutea y la alta edad media ACoruntildea 1999 341ndash356

51) Auch Anutius Foeumlsius Oeconomia Hippocratis sv Μυρμηκαι zitiertdiese Celsusstelle und gibt eine gute Uumlbersicht Auf ihm fuszligt offensichtlich Johan-nes Gorraeus Definitiones medicae sv Μυρμηκα

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 17: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

60 Klaus-Die t r i ch F i s cher

Waumlhrend das Lateinische als von formica abgeleitetes Verbnur formico are kennt gibt es im Griechischen deren zwei μυρ-μηκζω und μυρμηκι0ω das letztere bezieht sich auf die Warzenmit den davon abgeleiteten Substantiven μυρμηκασις und μυρμη-κιασμDς (einzige mir bekannte Stelle PsGal eup lib 3 1450115Kuumlhn) μυρμηκι0ω (μυρμηκι2ντα) lesen wir auch in der Septua -ginta lev 2222 wo es um koumlrperliche Eigenschaften geht die einPriester (oder Opfertier) nicht haben darf52 Die patrii sermonisegestas ist also dafuumlr verantwortlich daszlig formico are sich sowohlauf das Tier Ameise wie auf die Warze beziehen kann und for -micatio genauso Folglich ist an jeder Stelle zu unterscheiden ob esnur um ein Kribbeln (fourmillement engl tingle) geht oder umWarzen Beginnen wir mit Plin nat 30120 wo Mittel vorgestelltwerden die (modern gesprochen) Narbengewebe das im Farbtonabweicht in Gewebe verwandeln sollen das den gleichen Farbtonhat wie seine Umgebung (cicatrices ad colorem reducit) Eines dieser Mittel ist die Spanische Fliege (cantharides) 1 Teil Fliegenzerrieben mit 2 Teilen Rautenblaumlttern In sole donec formicet cutistolerandae sunt postea fouere oleoque perunguere necessarium iterumque inlinere idque pluribus diebus facere cauentes exulcera-tionem altam Dioskurides (mat med 2612 danach wohl Plinnat 2995) beschreibt die Wirkung der κανθαρδες als σηπτικHθερμαντικH iλκωτικH (zersetzend erhitzend Blasen oder Entzuumln-dung hervorrufend) und Spanische Fliege war auch ein Mittel aus

52) Deshalb ist die Uumlbersetzung die das Vocabolario greco-italiano fuumlr dieseStelle bietet abzulehnen (bdquoaver la pelle irritata soffrire di foruncolildquo genauso So-phocles bdquoto have the itchldquo dagegen bdquoafflicted with wartsldquo m E richtig LSJ) Beider dort zuvor zitierten Stelle Melamp palm (die Schrift handelt vom prognosti-schen Wert von Zuckungen παλμο) ist bei dem griechischen Wort die letzte Silbeweggefallen lies μυρμηκιασθ2σι Melamp palm 149 und 150 lesen wir also ein Pas-siv gleich darauf jedoch in 155 pνυχες ριστερο ποδός )Fν μυρμηκιάσωσι jedes-mal mit mνυξ bzw mνυχες als Subjekt Vermutlich ist in 149 und 150 die aktive Formherzustellen ndash wenn wir nicht etwas radikaler gleich Formen von μυρμηκζω einset-zen wollen da es bei Melampus nicht um Warzen gehen kann sondern nur um einKribbeln am bzw unter dem Nagel Zur Leviticusstelle vgl auch Philo Iudaeus despecialibus legibus 180 Νόμοι δ= eερέων εZσ1ν οIδε παντελA κα1 λόκληρον εSναιτ+ν eερέα προστέτακται μηδεμίαν )ν τB σώματι λώβην χοντα μήτε κατrsquo νδειαν)πιλείποντος q κρωτηριασθέντος μέρους μήτε κατF πλεονασμ+ν hμα τd γενέσειπεριττεύσαντος q Pστερον )κ νόσου προσφύντος μήτε τAς χρόας μεταβαλούσης εZςλέπραν q λειχAνας γρίους q μυρμηκίας r τινας Qλλας )ξανθημάτων )κφύσειςmiddot hμοι δοκεL πάντα σύμβολα τAς περ1 ψυχNν εSναι τελειότητος

61Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

K laus -Die t r i ch F i s cher64

Page 18: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

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dem sogenannte Zugpflaster hergestellt wurden die durch starkeIrritation der Haut die Krankheitsmaterie hervorziehen ableitennach auszligen befoumlrdern sollten Insofern ist W H S Jones (Loeb Li-brary 418) auf dem richtigen Wege wenn er uumlbersetzt bdquoThese[= cantharides] must be kept on in the sun until the skin is violentlyirritated ldquo und A Ernout (in der Collection des Universiteacutes deFrance) liegt falsch wenn er schreibt bdquoOn doit supporter ce re -megravede en plein soleil jusqursquoagrave ce que le peau ressente des fourmille-mentsldquo53 Es kribbelt nicht nur wenn man eine Paste aus Spani-scher Fliege und Rautenblaumlttern auftraumlgt sondern reizt die Hautgewaltig und Plinius fuumlgt ja auch extra hinzu cauentes exulceratio-nem altam Ich meine deshalb daszlig donec formicet cutis verstandenwerden muszlig als bdquobis sich auf der Haut Blasen zeigenldquo die Nach-behandlung besteht in fouere (Baumlhungen Umschlaumlge mit warmemWasser) und Einoumllen der Haut Bei der Behandlung ist darauf zuachten daszlig es zu keiner exulceratio alta kommt d h die Wirkungdie Grenze der Haut uumlberschreitet und dann darunterliegendesGewebe schaumldigt54 Damit fuumlhre ich notgedrungen eine weitereBedeutung fuumlr formicare formicatio ein sbquoBlasen werfenlsquo Die er-zeugten Blaumlschen wurden also nach meinem Verstaumlndnis mit denWarzen gleichgesetzt das tertium comparationis ist die Erhebungauf der Haut

An zwei weiteren Stellen benutzt Plinius formicatio In Plinnat 2871 ist verbranntes Frauenhaar gut fuumlr formicationes cor-

53) Genauso OLD bdquoto experience formicationldquo54) Vgl die folgenden Ausfuumlhrungen bdquoCantharides crsquoest le nom drsquoun in -

secte qursquoon trouve assez abondamment dans les pays meacuteridionaux de lrsquoEurope ampparticuliegraverement en Espagne amp en Italie Sa substance qursquoon reacuteduit en poudre pour lrsquousage est extrecircmement acirccre amp irritante appliqueacutee sur la peau elle enflamme drsquoabord amp en deacutetache ensuite lrsquoeacutepiderme qursquoelle eacutelegraveve en ampoules ou cloches pleines de seacuterositeacute effet qursquoelle produit drsquoune maniegravere plus complegravete qursquoaucun desrubeacutefians veacutegeacutetauxldquo in Encyclopeacutedie meacutethodique Chirurgie par M de la Rocheet M Petit-Radel vol 1 AndashKys Paris 1790 276ndash277 und bdquoCantharidinum Ac-tions and Uses Externally ndash Cantharidin when applied to the skin in 0middot1 per centsolution is a rubefacient and vesicant by irritating the sensory nerves and dilatingthe vessels of the area Its effects differ from those of Mustard in being much lessrapid but of a more severe degree The Emplastrum or the Liquor has to be appliedfor a few hours before a sense of smarting heat and burning is felt in the part smallvesicles then form and within eight to twelve hours have united into a single largebullaldquo in W J Dilling The pharmacology and therapeutics of the materia medicaLondon usw 181944 407

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

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Page 19: AMEISENKAPRIOLEN Zu den griechischen Pulsbezeichnungen … · 2015. 4. 1. · 2) Zu Archigenes vgl. die neue Studie von Α.Δ. Μαυρουδής, Αρχιγένης Φιλίπ-που

62 Klaus-Die t r i ch F i s cher

porum Ernout versteht darunter bdquofourmillementsldquo Jones bdquoirritat -ing rashes on the bodyldquo Wieder scheint mir Jones der Wahrheitnaumlher zu kommen als Ernout55 Fuumlr eine aumlhnliche Uumlbersetzung wie Ernout entscheiden sich allerdings auch Kollesch Nickel bei Marcell med 334356 bdquohaben eine einzigartige Wirkung bei allenSchmerzen und jedem Hautjuckenldquo (aduersum omnes dolores et formicationes singularem efficaciam praestant) Denn wirksamsind salsamenta exusta contritaque et cum melle ueretro inpositaSchmerz und formicatio muumlssen demnach am ueretrum lokalisiertsein und bei den formicae des maumlnnlichen Genitales duumlrfte es sicham ehesten um Kondylome handeln waumlhrend es in Plin nat 2871auch ganz allgemein Warzen im von Celsus definierten Sinne seinkoumlnnen57

5 Vermutungen zum Ursprung der Ameisenmetapher

Mit der Erklaumlrung von formica sbquoWarzelsquo und formicatio sbquoBefallmit Warzenlsquo hat man sich schon in der Antike abgemuumlht Beginnenwir mit Cassius Felix 121 Secundum Graecos tres differentias ha-bere uerrucae ostenduntur nam dicuntur acrochordones quae suntfundatae et immobiles uel callosae sine dolore aliae uero mobiles etradice debiles et modicum circa radicem haerentes in infantibus saepius nascuntur et aliquando sua sponte cadunt quae cum digito

55) Ich hatte die Moumlglichkeit erwogen corporum als uerendorum zu verste-hen und danke J N Adams fuumlr die prompte Beantwortung meiner dahingehendenAnfrage An dieser Stelle muszlig corporum aber nicht sbquoGenitalienlsquo bedeuten zumalPlinius sich sonst nicht so pruumlde ausdruumlckt wie z B an der folgenden Stelle Plinnat 3072 (= Plin med 2201 und Plin phys Flor-Prag 3411 bei Plin physBamb scheint diese Stelle nicht uumlbernommen worden zu sein) Aber Aet 16117Zervos (16109 Romano) bringt ein (wohl als aberglaumlubisch anzusehendes) Rezeptπρ+ς τFς )ν αZδοl μυρμηκας

56) Ich denke nicht (so die Ausgabe im CML V) daszlig Plin med 2203p 5410 Oumlnnerfors die Quelle des Marcellus ist Das wird wohl auch beim Vergleichmit Plin med Flor-Prag 3417 deutlich

57) Bei Aeumltios 16117 Zervos (16109 Romano) heiszligt es φ0ρμακα δ= aρμDδιακα1 τοCτοις )στ1 τF προρρηθltντα )π1 τ2ν )ν Yλl τB σXματι θCμων κα1 μυρμηκωνRomano verweist auf Aet 144 (gegenwaumlrtig nur in der lateinischen Uumlbersetzungvon Ianus Cornarius greifbar der uerrucae formicariae uumlbersetzt) Das legt nahedaszlig man eine andere und vermutlich weniger stringente Einteilung dieser patholo-gischen Exkreszenzen hatte als wir heute

63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

Mainz Klaus-Die t r i ch F i s cher

59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

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63Ameisenkapriolen Zu den Pulsbezeichnungen bei Isid orig 111120

fuerint impressae dolorem faciunt similem morsibus formicarumunde Graecum nomen myrmeciae acceperunt sunt aliae asperae etcrepulae [crispulae Rose]58 in similitudinem summitatis thymi undea Graecis θCμοι appellantur bdquoWenn man mit dem Finger daraufdruumlckt erzeugen sie einen Schmerz der Ameisenbissen aumlhneltldquoFoeumlsius erklaumlrte folgendermaszligen bdquosic dictae quod si eradanturconstringantur aut aliter attrectentur sensum veluti reptantiumaut mordentium formicarum inducere videnturldquo Forcellini (svformicatio) bdquo inter scalpendum mordentis formicae sensum praebetldquo Eine weitere Vermutung referiert Castelli (sv formica)bdquo in excisione dolores afferens morsiunculis formicae similli-mos a quo etiam nomen accepitldquo Wie beiszligt die Ameise Waren dieBisse so haumlufig daszlig der antike Patient spontan an beiszligende Amei-sen dachte

Ich moumlchte eine andere Loumlsung vorschlagen die vom griechi-schen μCρμηξ in der Bedeutung sbquoKlippelsquo ausgeht also einen zumTeil unter der Wasseroberflaumlche verborgenen Felsen bezeichnetden ein zur See fahrendes Volk wie die Griechen es waren nichtuumlbersehen durfte μCρμηξ ist deshalb im Singular und im Pluralauch als geographischer Name uumlberliefert und das tertium compa-rationis koumlnnte die nach unten breiter werdende Gestalt sein diegleichsam untertaucht so wie es auch die μυρμηκαι tun die zumTeil uumlber der Haut sichtbar sind aber ihre Wurzeln tief darunterhaben Das wuumlrde uns von den Gefuumlhlen wegfuumlhren (dem Krib-beln tingle fourmillement) Die Bedeutung sbquoKlippelsquo ist fuumlr for -mica soweit ich es uumlberblicken kann nicht belegt insofern muumlszligteder Krankheitsname einen calque darstellen selbstverstaumlndlich vonμυρμηκα Ein Wort fuumlr sbquojuckenlsquo (prurire) war im Lateinischen vor-handen und gebraumluchlich dafuumlr brauchte man dann formicare

58) Allerdings muszlig man hinzufuumlgen daszlig das die Lesart bei Simon Ianuensissv Acrocordines ist wie Rose im Apparat anmerkte Da Valentin Rose 1879 dieeditio princeps des Cassius Felix besorgte muszlig Simon es aus seiner (uns unbekann-ten) Handschrift des Cassius Felix haben Ein kuumlnftiger Herausgeber dieses Werkssollte das bedenken Beide Woumlrter sind mehrfach bezeugt allerdings gibt der The-saurus nur bei einer einzigen Stelle Chiron 664 die (hier kaum zu bezweifelnde)Bedeutung bdquoscissusldquo gesagt vom Hufe (ungula) zur spaumltlateinischen Bedeutungvon crepare sbquoberstenlsquo (vgl REW 2312ndash2314) Die von Fraisse Cassius Felix De lameacutedecine Texte eacutetabli traduit et annoteacute par Anne Fraisse Paris 2002 Anm 90(S 222) gemeinte Stelle ist genaugenommen Cels 52814B und Rose hat sich ebenauf den von Fraisse nicht erwaumlhnten Simon Ianuensis gestuumltzt

nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

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59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

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nicht und es kann nur verwundern wenn wir im OLD fuumlr die bei-den oben zitierten Pliniusstellen nat 2871 und 3072 als Uumlberset-zung bdquoa sensation as of ants crawling over the skin formicationldquolesen59

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59) Fuumlr die Durchsicht Anregungen und Kritik danke ich David Langslowund Matthias Witt sehr herzlich gleichfalls den Gutachtern dieser Zeitschrift DieArbeit gehoumlrt zu dem vom Ministerio Espantildeol de Economiacutea y Competividad gefoumlr-deten Projekt FFI2013-42904-P (Leitung Mariacutea Teresa Santamariacutea HernaacutendezUniversidad de Castilla-La Mancha in Albacete)

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