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DAS KUNSTMAGAZIN C 1084 E NR . S/ M A I i9EINZELPREI S 14 ,00 r.' OSTERREI CH öS .. SCH WEIZ . Konrad Klapheck: Maschinen mit Seele Grafik Horst Janssen und das Grundgesetz Archäologie Die Jqguarstadt der Oliileken •• Os'errelch Künstler, die in Schlössern hausen

Art Magazin - Artikel: "New York - Im Untergrund ist`s bunt" 05.1981

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Art Magazin - Das Kunstmagazin. "New York - Im Untergrund ist`s bunt", 05.1981

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Page 1: Art Magazin - Artikel: "New York - Im Untergrund ist`s bunt" 05.1981

DAS KUNSTMAGAZIN

C 1084 E NR. S/ MAI i 95·

EINZELPREIS 14,00 r.' OSTERREICH öS .. ~

SCHWEIZ s ~ , . ~

Konrad Klapheck: Maschinen mit Seele Grafik Horst Janssen und das Grundgesetz

Archäologie Die Jqguarstadt der Oliileken

•• • Os'errelch Künstler, die in Schlössern hausen

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Fünf Meister und ihre Skizzenbücher

" Graffiti 1990" heißt die Arbeit , die von einem Mann mit dem Decknamen " Lee" auf einer Tenn iswand aufgetragen wurde

" Lovin Z" nennt sich dieser Schwarze aus New Yorks Stadtteil Harlem. Seine Skizze trägt den Phantasienamen " Shamel "

Slave tarnt sich mit dem Pseudonym " Kenny" . Er ist Mitglied einer Graffiti -Gruppe die sich " Die glorreichen Fünf" nennt

62 ort 5 · 1981

Der 19 Jahre alte Graffiti-Schreiber Dondi zeigt zwei Ent­würfe, die er nachts auf einen U-Bahn-Wagen sprühen will

In dem wilden und farbenreichen Gewirr seines Entwurfs hat , Mister Jay" seinen Namenszug vor dem Betrachter versteckt

Hinter der mysteriösen Bezeichnung " GLI 167." steht Greg, der sein Signet in immer neuen Variationen auf die Züge sprüht

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Ne,.York: Im Untergrund ist's bunt Auch wenn sie immer noch als Vandalen gelten und die Stadt inzwischen über sechs Millionen Dollar ausgibt, um ihre Werke auf den U-Bahnzügen zu entfernen: Die Bilder der New Yorker Graffiti-Künstler sind schöner und phantasievoller denn je

Noch hat D ondi keine Lu t als U -Bahn-Sprüher in Pen. ion zu gehen. E in nächtlicher D epot-Besuch im ti efsten

Brook lyn macht deutlich warum. Der 19jährige und sein Freund Lovin füh­ren uns auf verzweigten Wegen Zll . i ­nem Loch im Zaun. Wir z\ ängen uns durch stolpern über leere Sprühdosen, krabl ein einen litschigen Abhang hoch und st hen bald mit ten zwi. chen den endlosen R eihen von Z ügen 1111-

ge noch mit ratternd en Motoren. Flink ziehen di beiden ihre Nach-

chlüssel aus d r Tasche. Sie wiss n ge­nau " elche Klappen sie an den Wagen aufschließen mii '. en, um da Licht an­zumachen oder die Türen zu öffnen.

Ein Bericht von Gabriele von Arnim mit Fotos von Martha Cooper

Mit ei nigen Männ rn der Reinigungs­kolonnen haben sie ein still schweigen­des Abkommen. Man läßt sich gegen­seitig bei der Arbeit in Ruhe. A ber wenn ein Wachbeamter kommt. sind die Graffiti-Brothers dran. Dann ren­nen sie um ihr Leb n sagen sie - und ie wissen, wovon sie sprechen. Oft ge­

nug sind sie verprüg ·1t und mißhandelt worden. Fast noch mehr fürcht n si allerdings, daß in r der Z üge unver­mutet losfülut. Vor Jahren wurde ein 15jähriger dabei zu Tode geq uetscht.

Graffiti-Schr ibcr haben A ngst. Doch dies Gefühl oehört von A nfang an zu ihrer nd "roround-Kun t dazu. Denn angefeindet und verfo lnt wird die Nachtarbeit s ' it jeh r.

Als die F ilzsti ftkalligrafie E nde d · l' 'echziger Jahre in ew Yorks Unter­grundbahnen auftauchte wurde sie gleich als Vandalismus verschrien. Da­bei war die farben frohe Wandmaler i zunächst eher die sportlich verstanden ­Identitäts:uche deklassierter Schwar-

zer und Puertoricaner - mit möglichst großer Breitenwirkung. , D a. ist chon toll" , verriet einer , " du wartest in einer U-Bahn-Station, und plötzlich fährt ein Zug herein, auf dem dei n Name steht." ~

A nfang der siebziger Jahr hatten einige der G raffiti-Künstler die inzwi­schen zur Sprühtechnik übergegangen waren . b reit. ihre erste A u . teilung in SoHo und wurden von der Avantgar­de-Choreographin Twyla Tharp einge­laden die Bühnenbilder für ihr neues Ballett jeden Abend neu zu sprüh en. Aus der Schmiererei wurd Kun. t.

So entstanden Gruppen wie die Fab F ive, deren schönstem Z ug o ft applau­diert wurde, wenn er in die tationen ratterte. Die Passagiere waren über­zeugt , daß die bizarre Zier ein von der Stadt genehmigtes A uft rag 'werk war. Die Transportgesellschaft antwortete mit wütender Rache. D.ie schönsten Züge \' urden al er te ger inigr, und zwar in einer inzwischen eigen einge­richteten Waschanlage. Aber damit", behauptet einer der Graffiti-Veteranen, " hat die Stadt ich keinen Gefa llen ge­tan.' Danach sahen die kaum vö lli g~zu säubernden Z üge nicht nur schäbig aus, sondern Tausende von achah­mem - im raffiti-Jar gon ,.toy. " ge­nannt - gingen daran die ehemaligen Meisterwerke zu überspriihen. D as war vorher undenkbar, denn unter den echten G raffiti-Schreibern oa lten die Bilder von Kollegen als tabu.

D och nun geriet die Sz ne aus den F ugen . Neben echten Graffiti-Künst­Icrn schmieren heute zahllose t:ulin­ge. U nd cw York steht naeh einem Jahrzehnt Z ug-Malerei vor ein m grö­ßeren Dilemma als zu Beginn. B ürger­meister Edward Koch \ ürd am lieb­sten Wölfe statt Hunde au f die losge­lassenen Wilden hetzen und di Stadt, die verzweifelt Geld braucht, um ihre

6424 U-Bahnwagen und 458 Statio­nen aufzumöbeln, gibt unterdes über sechs Millionen DolI<1r im Jahr aus um Graffiti zu entfernen. Weitere f ünf Millionen gehen angeblich verloren, weil durch Graffiti verschreckte Passa­giere wegbleiben. , Wenn die in einem beschmierten Wagen itzen, haben sie Angst, demnächst vergewaltigt oder ermordet zu werden' kommentiert ein Polizist.

Angesichts solcher Sorgen sind viele N ew Yorker nicht bereit, die primiti­ven K rakeleien der ,toys" von j enen gesprühten Phantasien zu unterschei­den. mit denen die Schreiber ihre Züge in rollende Kunst" verwandeln und , Fauvi mus auf Rädern" produzieren. Statt dessen nimmt man der KUllstwelt ihre Sympathie für die Graffiti-Schrei­ber übel. Gerade wurde die zweite Ge­neration der Schreiber in ei ner umfas­senden A usstellung vorgestellt.

Waren die Veteranen schon zufrie­den wenn sie ihren amen, das Anti­Atom-Symbol oder Parolen wie ,Peace Now • schwungvoll an die Wän­de b kamen, so versprühen ihre Nach­folger anspruchsvollere M otive und ve rwandeln gelegentlich ganze Z üge nach einem einheitlichen Konzept. Zweiter U nterschied zur Gründerge­nerati on : Im Gefolg von " Punk and F unk Art", der zon~igen R evolte jün­gerer Künstler gegen etablierte For­men und veraltete Definitionen, grei­fe n auch immer mehr Jugendliche der weißen Mittelklasse zur Dose.

Über die Integration in die Kunst­szene sind freilich nicht alle glücklich . Dondi hat jahrelang nur Z üge bearbei­tet. J tzt itzt er - in D esigner-Jeans und teurem Batisthemd - in einem G raffiti-Studio auf Manhattans U pper West. ide und besprüht Plastikqua­drate. lie spät r zu einem Buch gebunden werden sollen. "Wir haben so lange umsonst oesprüht, warum so llen wir es nicht mal für Geld tun?", fragt einer, und Dondi würde auch ei n Reklameschild für Coca-Cola aus seinen Dosen zaubern . Aber zugleich fürchtet er seinen Ruf als Graffiti­Schreiber zu verlieren. E r muß U -Bah­nen besprühen, wenn er glaubwür­dig bleiben w ill . Denn er fühlt sich , der Bewegung gegenüber veranwort­lich" .

Sollte die Stadt sich j emals auf raf­fen , Graffiti zu Icgali 'ieren wäre ie die Plage, die sie jetzt bekämpft, wohl ziemlich schnell los. " Dann wäre es j a langwei lig" . gibt Dondi zu. A ußerdem kämcn .. ich die Graffiti-Schreiber wi e Verräter vor: Die Stadt ist ihr Gegner, und dabei soll es bleiben. Die Recht­fertigung für ihr Tun ho len sie sich ohnehin von höher r In ·tanz: ,Wenn Kunst ein Verbrechen ist .. sprühte ei­ner, "wird Gott mir vergeben."

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Eine Skizze (oben) des Graffiti-Schreibers Dondi rollt wenige Tage später als vollendetes Werk (unten) durch den Stadtteil Bronx

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Vom Entwurf zum fahrenden Kunstwerk 211 /-1(/11 'e {JI/I Z eichentisch hat Dondi Seill ' 11 1lf1V1II! mit Farb- lind Fil- tif­U!II sorgfiiltig ,'orbereitet, Um seine

orlage -/I realisieren , schleicht er sich in ein ZII -Depot der eil Yorker

-Balln , Bi zu_ O Farb priilldosen be­nötigt r fiir einen Wagen. ~ eil tändig . pm ,- Bellii/ter gestohlen wurden. stei­len die /-liindl ' I' lIeuerdillgs A((rappen ill di Re ale. I ährelld sie die vollen Do. 'ell lIimer d ' l1l Ladel1fisch hCllten.

Vor der Arbeit schüttelt Dondl die Dosen Das Skizzenbuch wird ständig konsultiert Der Rn/lm - wi 'chen den Zügell i t eng. Dondi lVird erst nll1 Iliichsten Tag. wenn der 21/ 1\ ieder dllr h die i\llillionen­stl/dt rol/t . f esfSlellen könnell ob die I ropu,.,i nell 'till7l17en , Aber Hal/pt,WI­eh hHbl, daß die f ertige Arbeit m ög­liehst, ie! Plal -. einnil/lmt. Dell/1 je rö­ß ' I' da,\' Werk. de,~10 höher steigt das An­sehen d ' r rheber in der Graffili­ZI/nji. IViihr 'lid eillige Künsller alleill arbeilell, I,ringen (lndere olei h I/I ehrere

ssi 'Ielltell lIIil, rli ihllell die Far/)­dosen reichen IIl/d nelle! Diisen al/f ­schroll/) ' 11 . IlJn deli trah! breiter oder schl/laler -11 machen . \I er spriilll. ml/ß "or alIeIl Din en schnell arbeiten. denn di ' Poli::.ei iSI ständig mit Wachhl/lldell III/1el'll' '8-. UIII die Grnffi ti- cl/reiber

Wegen der Enge gibt es kaum überblick Vom Trittbrett sprüht Dondi den Oberteil allf Ji'iscll 'J' Tat -11 erwischen

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Die finanziell ange-schlagene Metropo-le New York gibt zur Zeit jährlich 6,5 Mil-lionen Dollar für die Entfärbung der Graf-fiti-Waggons aus. Inzwischen hat die Industrie einen neu-en, auf einem Poly-urethan-Gemisch basierenden An-strich entwickelt. Er soll ein problemlo-ses Abwaschen der

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Farbwerke ermögli-chen. Bis zum Auf-t ragen dieser Schutzschicht wer-den aber zur Reini-gung weiterhin star-ke chemische Lö-sungen (oben und rechts) verwendet, die zum Entsetzen der Umweltschützer in die Erde versik-kern und das Grundwasser ge-fä hrden. Graffiti-

Riesen-Summen für saubere Züge

Liebhaber behaup-ten überdies, die Chemikalien ver-minderten die Bremskraft der Züge und seien zudem schuld daran, daß sich die Türen der U-Bahn oft nur noch halb öffneten und das Licht fast stän-dig ausfalle