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Kleine Mitteilungen und Kasuistik. Io Kreiskrankenhaus Osehersleben-Bode. Arthropathie bei Syringomyelie. Von Dr. Esau. _~{it 1 Abbildung. Eingegangen: 27. 5. 27. Die Gelenkver/inderungen bei Syringomyelie haben in dieser Zeitsehrift vor einer Reihe yon Jahren Bearbeiter in Borehard und seinem Sehiiler Lgders sowie in Zesas gefunden; besonders Borehard und Liiders konnten mit einer stattliehen Zahl yon Erkrankungs,fSllen aufwarten. Borchards Ar- beit sehlol3 sieh unmittelbar an das Bueh Sehlesingers l) an; zusammenfas- send behandelte dann Oehlecker noehmals die Frage der neuropathisehen Gelenkerkrankungen, vor allem ihre Behandlung'. Eine kieine Reihe wei- terer VerSffentliehungen befMSt sieh vorwiegend mit der Mitteilung yon Einzelbeobaehtungen; Curschma~m verbreitet sigh tiber differentialdiagno- stisehe Momente, Cramer riiekt das Bild der kindliehen Kyphoskoliose bei Syringomyelie in den Vordergrund, und Mobitz weist darauf bin, da6, wie sieh mehrende Beobachtungen zeigen, die Syringomyelie sieh auf dem Boden yon Entwieklungsanomaiien des hinteren zentralen Riiekenmarksanteils ent- wiekelt (Henneberg-Brauer). Niehst der Tabes bringt die Syri~gomyelte die b ekannten sehweren Verinderungen an Knoehen und Gelenken hervor; von- einander sind sic leieht zu seheiden dureh die B egleitsymptome der auslSsenden Ursaehe. Es gibt aber aueh seltene Beobaehtungen, in denen die Diagnose nur mit einiger Wahrseheinliehkeit gesiehert wird. Ein Fall, der einige Sehwierigkeiten in der Diagnose be- reitete, tier sehr sehwere Ver~nderungen im Bereieh des mit am seltensten betroffenen Handgelenkes aufwies, soll in Ktirze be- richter werden. Der jetzt 29j. Mann hatte als Kind Lungenentztindung gehabt, war aber sonsI; nie krank gewesen. Vor 10 J. bemerkte er eine Ansehwellung im 1) Die Syringomyelie, 1902.

Arthropathie bei Syringomyelie

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Page 1: Arthropathie bei Syringomyelie

Kleine Mitteilungen und Kasuistik.

Io

Kreiskrankenhaus Osehersleben-Bode.

Arthropathie bei Syringomyelie. Von

Dr. Esau.

_~{it 1 Abbildung.

Eingegangen: 27. 5. 27.

Die Gelenkver/inderungen bei Syringomyelie haben in dieser Zeitsehrift vor einer Reihe yon Jahren Bearbeiter in Borehard und seinem Sehiiler Lgders sowie in Zesas gefunden; besonders Borehard und Liiders konnten mit einer stattliehen Zahl yon Erkrankungs,fSllen aufwarten. Borchards Ar- beit sehlol3 sieh unmittelbar an das Bueh Sehlesingers l) an; zusammenfas- send behandelte dann Oehlecker noehmals die Frage der neuropathisehen Gelenkerkrankungen, vor allem ihre Behandlung'. Eine kieine Reihe wei- terer VerSffentliehungen befMSt sieh vorwiegend mit der Mitteilung yon Einzelbeobaehtungen; Curschma~m verbreitet sigh tiber differentialdiagno- stisehe Momente, Cramer riiekt das Bild der kindliehen Kyphoskoliose bei Syringomyelie in den Vordergrund, und Mobitz weist darauf bin, da6, wie sieh mehrende Beobachtungen zeigen, die Syringomyelie sieh auf dem Boden yon Entwieklungsanomaiien des hinteren zentralen Riiekenmarksanteils ent- wiekelt (Henneberg-Brauer).

N i e h s t de r Tabes b r i n g t d ie S y r i ~ g o m y e l t e die b e k a n n t e n sehweren V e r i n d e r u n g e n an K n o e h e n und G e l e n k e n he rvo r ; von- e i n a n d e r s ind sic l e i eh t zu sehe iden du reh die B e g l e i t s y m p t o m e de r aus lSsenden Ursaehe . Es g ib t abe r aueh se l tene Beobaeh tungen , in denen die D iagnose n u r m i t e i n i g e r W a h r s e h e i n l i e h k e i t ge s i ehe r t w i r d . E i n F a l l , de r e in ige S e h w i e r i g k e i t e n in de r D iagnose be- r e i t e t e , t ier s eh r sehwere V e r ~ n d e r u n g e n im Bere i eh des m i t a m

se l t ens t en b e t r o f f e n e n H a n d g e l e n k e s au fwies , soll in K t i r z e be- r i c h t e r werden .

Der jetzt 29j. Mann hatte als Kind Lungenentztindung gehabt, war aber sonsI; nie krank gewesen. Vor 10 J. bemerkte er eine Ansehwellung im

1) Die Syringomyelie, 1902.

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Arthropathie bei Syringomyelie 317

Bereich des 1. Handgelenks, die ihm aber durchaus keine Beschwerden machte, so dal~ er weiter arbeiten konnte und dem Arzt nur gelegentlich d~e Hand zeigte. Im Verlaufe eines halben Jahres etwa entwickelte sich die Ver/~nde- rung angeblich zu dem jetzigen Zustand. Die Hand war immer voll leistungs- f/ihig. Nie wurden auch nur die geringsten Schmerzen verspiJrt. CTber einen Unfall wei6 er nichts zu berichten. Irgendwelche St6rungen ira Gefiihl hat er nicht bemerkt und hat sich auch nie Wunden an irgendeiner Stelle des KSrpers unbemerkt zugezogen. Jetzt kommt er wegen einer leichten Ischias r. in das Krankenhaus.

Die wiederholten Untersuchungen des kr~ftigen Mannes ergaben keine nerv6sen StSrungen im Bereich der Haut, vor allem keinen Schwund des Temperatursinnes. Alle Reflexe sind z. T. lebhaft vorhanden. Nut die Aus- 16sung der Bauchdeckenreflexe ge/ingt nicht. Es findet sich eine Kypho- skoliose der Hals-BrustwirbeIshule nach r.

Ganz auffallend ist die VerSnderung im 1. Handgelenk; diese Gegend ist unf6rmig verdickt. Grol~e und kleine buckelige VorwSlbungen machen das Gebiet uneben. Der Umfang betr~gt 28, gegen r. 18 cm. Dabei ist das Gelenk in jeder Beziehung vol[ frei beweglich. Eine abnorme Beweglich- keit ist kaum vorhanden. Die g~obe Kraft ist der der r. Hand kaum nach- stehend. Irgendwelcher Schwund der Daumen-, Kleinfinger- und Zwischen- knochenmuskeln fehlt. Sie sind alle gut und gleichmSl~ig vorhanden. Narben oder gar Verstfimmelungen an der Hand sind ebensowenig vorhanden wie Ver~nderungen in der Blutversorgung und an der Haut.

R 6 n t g e n b i 1 d : Nicht nut die Handwurzelknochen zeigen hochgradige VerSnderungen. Auch die Unterarm- und Mittelhandknochen sind erhebtich in Mitleidenschaft gezogen. Der Griffel~ortsatz der Speiche ist abgeschlif- fen. Der Knochenvorsprung, we]cher die Incisura ulnaris bildet, fehlt. Die Inzisur selbst ist verbreitert. Zwischen ihr und tier Elle liegen Knochen- neubildungen mit fingerfSrmigen Forts~ttzen nach dem Zwischenknochen- raum hin. Die Gelenkfl~che tier Elle verlhuft flach. Der Griffelf,ortsatz ~st nur an seiner Basis erhatten. An den peripheren Enden von F~lle und Speiche sieht man Aufhellungsherde, besonders ira utnaren Tell der letzteren.

Die Handwurzelknochen weisen a[le eine scharfe Randkontur auf. Die Gelenkspalten zwischen ihnen und den benachbarten Knochen sind gut er- halten. Alle Knochen zeichnen sich durch ausgedehnte Fleckung infolge zahlreicher aufgehellter Tefie aus. Das Kahnbein ist bis auf einen ulnar gelegenen Tei[ der Form n~ch gu~ erhalten. Das M ondbein fehlt ganz. Das Dreieckbein ist in eine schar[ abgegrenzte Leiste umgewandelt. Das Erbsenbein ist als solches nicht mehr abzugrenzen. An seiner Stelle und na~h der Ulna hin bemerkt man zahlreiche form[ose Knochenschatten. In der zweiten Reihe erscheinen grol~es und kLeines V~elecksbein verschmolzen, Kopf- und Hakenbein ziemlich gut erhalten, abgesehen yon dem Feh!en ihrer charakteristischen Einzelheiten und tier bereits erwShnten Fleckung.

Die K6pfchen des 2. bis 5. Mittelhandknochens weisen ebenfalls Auf- hellungsbezirke, der Schaft des 4. radial gelegene periostale Auflagerungen auf, die auch am K6pfchen des 5. Mittelhandknochens vorhanden sind. Weitab yon den Knochen liegen an beiden Se~ten d~s Gelenks noch einige kleinere Knochenschatten (Verkalkungen in den Weichteilen?).

K u r z z u s a m m e n g e s en twicke l t e sich bei e[nem 1 9 j .

ganz gesunden M a n n in verh~ltnism~tl3ig k u r z e r Zei t e ine Schwel-

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318 Esau:

lung des 1. Handgelenks, die vollkommen ohne Beschwerden und ohne jede BeeinLr/~chtigung des Arbeitsf~Lhigkei~ verlief und die his heute ohne dem Tr~ger siehtbare Xnderung geblieben ist. Die Hand ist vol[ arbeitsfS~hig geblieben. An anderen KSrperst~ellen haben sieh krankhaft.e Erseheinungen nieht gezeigt.

Bei dem Mann waren alle Momente, die sonst so hoehgradige KnoeheI~- und Gelenkver~nderungen sehaffen, dutch Anamnese and klinisehea Befund auszusehalten. Es blieb yon Ursaehen nur die Syringomyelie und die Tabes ttbrig, l~ttr die letztere waxen gar kein.e Anhaltspunkte vorhanden. Die Tabes scheidet um so

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Arthropathie bei Syringomyelie. 319

eher aus, als sie fast ausnahmslos die unteren Extr.emitgten zu be- fallen pflegt. F a r Syrirtg.omyelie spraeh zungehst aueh nur w.enig. Die Kardinalsymptoine, motorisehe Sehw~tehe und Muskelatrophie, fehlten. Es war ein seh_r krgftig.er Mann und Muskelsehwund aueh niehf ~ndeutungsweise vorhanden. B.ei der langen Dau.er der Oe- leakvergnderungen hgtten oigentlieh Atrophien eins.etzen mtiss.en. Aber aueh s.olehe, die man als Folgon heral~gesetzter Brauchbarkeit ans.ehen m~il~to, fehlten ganz und gar. Des wei,teren wurde jede StSrung in der Innervation der Haut vermil~t. 8ehinerz- und Tem- p.eratursinn waren ungestSrt. Aueh vas.om.otorisehe und sekr.e- torisehe Beeintrgehtigungen f.ehlten, aueh in Inselform.

Dal3 .es sieh bet den Oel.enkvergnd.erungen um trophisehe han- deln mul~te, kann man mit Sieherheit annehmen; die Bev.orzugung des mgnnliehen Oesehleehts im friihen MannesaRer, d.er ob.eren Extremitgt, allerdia~gs ~iberwieg.end des 8ehulter- und Ell.enbogen- gelenks, in nur etwa 10--15 Proz. des Handg.elenks, lassen am ehesten auf die Syri,ngoinyelie zuriiekgreifen. Da tier Mann zum erstenmal bezaglieh s.ei.nes Handgelenks untersueht wurde, fehlon K.ontrolluntersuehungen au~ der verfloss.enen Zeit. V~elleieht ze~gen sieh ~m weiteren Verlauf noeh )~nderungen, d~e wir verfolgen wolle'n.

Aul3erdem ist es von anclerer Seite kliniseh festgestell{, das ein Gelenklei,den ein Frtthsymptom, naeh Schlesinger sogar das allererste Zeiehen des Riiekenmarksleidens sein kann. Aueh der plStzliehe Begknn und rasehe Verlauf ist nieht so ganz aul3er- gewShnlich. Es sollen s~eh iin Verla,ufe von wenigen Stunden ira- posante Gelenkvergnderungen, vorwiegond zungehst dureh einen m~tehtigen Ergul3, entwi,ekeln kSnnen. Weiterhin hat man anstatt der verminderten oder amfgehobenen Geftthlsquali.tgt fiir Wgrine eine {]berwgrmeempfindliehkeit festgestellt. Auch kSnnen Ha, ut- analgesie und Muskelatrophi.e fehlen. Es gibt demnach eine fru- strane Form, bei d e r n u r ein Toil der iibliehen SymptoIne vor- handen ist. Dazu gehSrt aueh di,o vorstehend mitgeteilte Be obach- tung. Naehgewiesen wurde die schwere Gelenkvergnderung, die ra.sch und schmerzlos sich ausbHdete, eine langsam entstehende Kyphoskoliose, lebhafte Reflexe der unteren Extreini.tgten. Wir werden den Fall also der Gruppe der Syringomyeli~e mit vor- wiegend trophl,schen StSrungen, und zwar der osteo-arthritisehen Form naeh Schlesinger eh~reihen.

Bemerkenswert bleibg bei alledem der nun seit langen Jahren station~tre Gelenkzustand, ferner das Ausbleibon yon Muskelatro- phien und SensibilitgtstSrungen, die boi genaues{er Untersuehung

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320 Esau: Arthropathie bei Syringomyelie. - - Wolfgang Latten:

nirgends angetroffen wurden. Bei der relativen Seltenheit 1) der atypischen Syringomyelie de.r beschrs Form wird man wei- tere ~hnliche Beobachtungext und vor allem den weii~eren Verlauf der Erkrankung be[ d[esem Maan.~ abwarten miissen.

Borchard, Dtsch. Zeitschr. f. Chirurg. 72 u. 83. - - Thomann, Dtsch. Zeit- schr. f. Chirurg. 79. - - Zesas, Dtsch. Zeitschr. f. Chirurg. 80. - - Oehlecker, Bruns' Beitr. z. klin. Chirurg. 65. - - Ewald, Miinch. meal. Wochenschr. 1911, Nr. 21. - - Curschmann, Mfinch. m~d. Wochenschr. 1923, Nr. 13. - - Cramer, Arch. f. Orthop. Mech~noth. Unfall-Chirurg. 13. - - Mobitz, Klin. Wochenschr. 1927, Nr. 16. - - Wendel, Mfinch. reed. Wochenschr. 1913, Nr. 32. -- Fiirnrohr, Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 47 u. 48. - - Krecke, Mfinch. reed. Wochenschr. 1913, Nr. 37. - - Luce, Mfinch. reed. Wochenschr. 1912, Nr. 47. - - Joachimsthal, Berlin. klia. Wochenschr. 1912, Nr. 33. - - Jaksch, Prager reed. Wochenschr. 1913, Nr. 47. - - Schmitt, Mfinch. med. Wochen- schr. 1921, Nr. 30. - - Fuchs, Milnch. reed. Wochenschr. 1921, Nr. 5. - - Magnus-Alsleben, Miinch. reed. Wochenschr. 1922, Nr. 8. - - Levin, Mfinch. med. Wochenschr. 1925, Nr. 2. - - Ernst, Mfinch. meal. W0chenschr. 1922, Nr. 20. - - Freund, Klin. Wochenschr. 1923, Nr. 9. - - Kohlmann, Fortschr. a. d. Gebiete d. RSntgenstr. 22. - - Schwab, Klin. Wochenschr. 1926, Nr. 40.

II.

Chir. Universit~tsklinik K61n-Lindenburg (Geheimrat Prof. Dr. Tilmann).

Histologische Beziehungen zwischen Os tibiale und Kahn- bein nach Untersuchungen an einem operiertcn Falle.

Von

Dr. Wolfgang Latten.

Mit 2 Abbildungem

Eingegangen: 18. 6. 27.

Die praktische Bedetltung des Os tibiale externum ( = O s rib. ext.) beruht zun~tchst in der MSglichkeit, dasselbe im RSntgenbilde mit einer Navikularfraktur zu verwechseln.

Daft eine solche Verwechslung auch gewissenhaften Untersuchern unter- laufen kann, beweisen die in der Lit. zu einer gewissen Berfihmtheit ge- langten Haglundschen F/~lle, gegen die Lilienfeld seinerzeit zu Felde zog.

A n d e r s e i t s k a n n d a s V o r h a n d e n s e i n des g e n a n n t e n K n o c h e n s

ztt e i n e r R e i h e y o n B e s c h w e r d e n f i i h r e n , d ie so groI~ s i n d , d a b i h r e

1) A. Borchard sah ~thnliche Fttlle 6frets (briefliche Mitteilung).