Upload
others
View
72
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Beste FreundeGerade kleine und mittlere Unternehmen sollten sich zusammentun,
denn Kooperationen können Größennachteile ausgleichen und Wachstum schaffen. Doch wie funktioniert so etwas optimal? results zeigt Erfolgsbeispiele
Management_Kooperation10 Deutsche Bank_r e s u l t s
Es gibt nicht viele Menschen, die unser
heutiges Weltverständnis so geprägt ha-
ben wie er: Charles Darwin, Evolutions-
forscher im 19. Jahrhundert. Er entwarf den Be-
griff des „survival of the fittest“, entdeckte die
Bedeutung von Mutation und Selektion. Sein Bild
vom Leben als ewigem Kampf steckt in unseren
Köpfen, es ist Teil unseres Lebens. Doch eine we-
sentliche Komponente hatte Darwin übersehen:
die Kraft von Kooperationen und Netzwerken.
„Ohne Zusammenarbeit“, sagt der Evolutions-
forscher und Harvard-Professor Martin Nowak,
„entstehen keine komplexen Strukturen.“
Herbert Weber, Geschäftsführer beim ost-
westfälsich-lippischen Technologienetzwerk it’s
OWL, ist eigentlich Marketingmann durch und
durch. Doch das Thema Kooperationen sieht er
nicht viel anders als der Biomathematiker No-
wak. „Ohne die intensive Zusammenarbeit zwi-
schen Mittelstand und Forschung“, sagt er, „wäre
unsere Region heute weniger erfolgreich.“ Ein re-
gelrechter Ruck sei seit dem Start des Netzwerks
durch die ganze Region gegangen, berichtet We-
ber, entstanden sind Jobs, Unternehmen, neue
Forschungsinstitute. it’s OWL funktioniert wie
eine Non-Profit-Organisation, mit 100-Millionen-
Euro-Etat, Büros, Mitarbeitern und Beiräten. FO
TO: M
AU
RIT
IUS
IM
AG
ES
/ALA
MY
/CA
SP
AR
BE
NS
ON
ThesenZusammenarbeit: Immer
mehr Unternehmen schließen sich
zusammen und steigern so ihre
Wettbewerbsfähigkeit. Vier von fünf
Firmenchefs wollen in Zukunft
stärker auf Kooperation setzen.
Strategie: Kooperationen scheitern
oft an typischen Fehlern, etwa
mangelnder Offenheit und falscher
Auswahl der Partner. Werden
sie richtig umgesetzt, können sie
aber erhebliche Wirkung zeigen –
das beweisen zahlreiche mittelstän-
dische Zusammenschlüsse.
Deutsche Bank_r e s u l t s
FO
TOS
: OW
L G
MB
H/I
T’S
OW
L
it’s OWL: Die NetzwerkerAm Thema Industrie 4.0 arbeiteten die Mitglieder von it’s OWL schon, als der Begriff
noch nicht in aller Munde war. Das ostwestfälische Hightech-Netzwerk ver bindet
Mittelstand und Forschung. Erklärtes Ziel: einen besseren Technologie transfer schaffen
zwischen Unternehmen, Hochschulen und Start-ups. Rund 200 Partner sind in dem
F&E-Cluster aktiv, Familienunternehmen wie Miele oder Claas genauso wie zahlreiche
KMUs. Geschäftsführer Herbert Weber verspricht: „Bei uns fi ndet jedes Mitglied
einen Partner.“
Der aus einem bundesweiten Forschungs-
wettbewerb entstandene Technologie-Cluster
vernetzt rund 200 Unternehmen und Hochschu-
len in Ostwestfalen-Lippe (OWL). Erklärtes Ziel
aller Teilnehmer: Maschinen und Fertigungspro-
zesse aus der Region „intelligent“ zu machen,
gängiges Stichwort: Industrie 4.0 oder Smart
Factory. Das Versprechen: „Es gibt hier keinen
Mittelständler“, sagt Netzwerkchef Weber, „der
an unseren Hochschulen nicht den passenden
F&E-Partner fi ndet.“
Carsten Hentrich, Experte für digitale Trans-
formation bei der Unternehmensberatung PwC,
sieht Netzwerke wie it’s OWL „eindeutig als Vor-
bild“. Mehr noch: als zwingendes Vorbild. Das
hohe Tempo der Digitalisierung und der damit
einhergehende Innovationsdruck brächten im-
mer mehr mittelständische Unternehmen an ihre
Grenzen. Jahrzehntelang eingespielte Geschäfts-
modelle stehen plötzlich unter dem Druck bran-
chenfremder Newcomer aus der Onlinewelt. Und
auf einmal stimmt nicht mehr, was scheinbar
immer stimmte: Der Starke ist am mächtigsten
allein. Hentrich: „Die Epoche der Einzelkämpfer
im Mittelstand endet bald.“
Start-ups helfen Mittelstand
Wie extrem sich unsere Wirtschaftswelt im Zuge
der Digitalisierung gerade dreht, das haben die
Ostwestfalen unlängst selbst zu hören bekom-
men. So ergab eine Umfrage unter den Mittel-
ständlern der Region, dass rund ein Drittel der
Unternehmen mit massiven Marktveränderun-
gen rechnet. Ein weiteres Drittel glaubt nicht an
das Überleben des bisherigen Geschäftsmodells.
Für Rüdiger Kabst, Professor und Vizepräsident
der Universität Paderborn, ist dies denn auch eine
zentrale Motivation, aus Einzelkämpfern Team-
player zu machen. Kabst will den Mittelstand,
im Zusammenspiel mit Start-ups, zu disruptiven
Innovationen befähigen. Rund 200 Unternehmen
haben sich inzwischen aus der Universität Pader-
born heraus gegründet. In der neuen Garage 33,
kühl ausgerüstet mit Containerteilen, Garagen-
toren und Arena, sollen Familienunternehmen
mit Gründern zusammenfi nden. Und in einem
speziellen „Disrupt Workshop“ entwickeln „jun-
ge Wilde“, wie Kabst sie nennt, gemeinsam mit
Mittelständlern eine innovative Geschäftsidee
bis zum Prototyp. Es sind „Beschleunigungs-
formate mit Durchsetzungsstärke“ oder metho-
disch passender „Lean-Start-up-Formate“, und
das klingt mitten in Ostwestfalen ein wenig so,
dass man irgendwann doch fragen möchte: Was,
bitte, war noch mal das Silicon Valley?
Scheinbar zu Recht. Denn so wie in Ostwest-
falen gibt es bundesweit viele Initiativen, die die
Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und
Praxis, zwischen Start-ups und Mittelstand för-
dern. Nur reicht das nicht: „Gesamthaft passiert
immer noch zu wenig“, sagt etwa Nils Keil vom
Mittelstandsberater Ebner Stolz. Noch immer, so
Fast zwei Drittel haben ErfolgManager von Unternehmen,
die Allianzen eingegangen sind,
bewerten ihre Erfahrungen
damit zum großen Teil positiv.
Dabei zeigt sich: Allianzen sind
besonders in drei Bereichen
erfolgreich – im Einkauf, bei der
Erschließung neuer Märkte
und bei der Suche nach neuen
Geschäftsfeldern jenseits des
Kerngeschäfts.
QUELLE: EBNER STOLZ 2015
65 %
31 %
4 %
neutral negativ
positiv
Management_Kooperation12 Deutsche Bank_r e s u l t s
der Autor einer Studie zum Thema (siehe „Weitere
Informationen“ auf Seite 16), gebe es „massive
Umsetzungsprobleme“. So sei der deutsche Mit-
telstand viel zu sehr geprägt durch Ingenieur-
kultur und Einzelkämpfer-Denke. Ähnliches hatte
schon vor Jahren eine vom Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt in Auftrag gegebene
Studie festgestellt. Gerade im Bereich von F&E
würden Mittelständler Kooperationen mit For-
schungseinrichtungen zu wenig nutzen: „Das
Wissen in der Forschung ist vorhanden, wird aber
von Unternehmen zu wenig abgerufen.“ Und das
ist schade. Denn zugleich konnte die Studie nach-
weisen, dass Kooperationen zwischen Mittel-
stand und Forschung wesentlich beitragen zum
Innovationserfolg von Unternehmen.
Und deshalb wird in Ostwestfalen erfunden
und entwickelt, was nur geht: ein Wäschetrock-
ner, der erst startet, wenn der Strom im Tages-
verlauf besonders günstig ist, eine Erntemaschi-
ne, die mit anderen Maschinen vernetzt ist und
Bodenqualität und Reifegrad berücksichtigt.
Oder ein Knethaken mit Sensoren, der seine
Arbeitsweise automatisch dem Zustand des
Teigs anpasst. Eine Werkzeugmaschine, die sich
selbstständig zur Wartung meldet. Eine Groß-
wäscherei, deren Arbeitsschritte wie am Fließ-
band vollautomatisch verbunden werden.
„Mittelstandskartelle“ sind gefragt
Nachmachen ist dabei ausdrücklich erwünscht:
etwa, wenn sich beim Landmaschinenhersteller
Claas Ideen holen lassen für die maschinelle Be-
füllung von Sandsäcken für den Deichbau. Wie
wichtig Kooperationen im Mittelstand sind,
das ist auch in der Politik inzwischen Konsens.
So erlaubt das deutsche Kartellrecht ausdrück-
lich sogenannte Mittelstandskartelle, wenn
sie die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten
Unternehmen verbessern. Es ist eine legale
Ausnahmeregelung für kleine und mittelgroße
Unternehmen. Doch so breit der Konsens ist
über Sinn und Zweck derartiger Kooperationen,
so schmal ist doch das Wissen darum, was es
letztlich braucht, um Gemeinsames zum Erfolg
zu führen. „Kooperationen können krachend
scheitern“, warnt PWC-Berater Hentrich. Fast
immer sind es die gleichen Fehler, die gemacht
werden: völlig verschiedene Unternehmenskul-
turen, keine Bereitschaft zu gegenseitiger Offen-
heit, dominante Partner, zu wenig Fingerspitzen-
gefühl, schwammige Ziele.
Von einer „Kooperationsethik“ mit klaren
Regeln und Verantwortlichkeiten spricht etwa
die VWL-Professorin Theresia Theurl aus Müns-
ter. „Die Partner müssen komplementär sein“,
rät Ebner-Stolz-Berater Keil, „nicht kongruent.“
Wie eine Kooperation mittelständischer Unter-
nehmen am besten konstruiert ist, das lässt sich
beispielhaft lernen bei Olaf Müller, Geschäfts-
führer des Spezial maschinen bauers Fette
„Wissen wird nicht abgerufen“
FO
TOS
: LM
T G
RO
UP
Fette Compacting: Service globalDer Maschinenbauer Fette Compacting ist ein echter Hidden Champion. Jede
zweite Tablette weltweit wird auf einer Fette-Maschine gepresst. Doch der Markt
fordert auch von einem deutschen Mittelständler weltweite Beratung und
Services. Fette-Compacting-Geschäftsführer Olaf Müller suchte sich vier vergleich-
bar starke Partner aus der Branche. Unter dem Markennamen Excellence United
kooperieren die fünf nun global bei Messen, Vertrieb und Service. Das Erfolgsrezept:
„Wir sind keine Konkurrenten, wir ergänzen uns.“
Management_Kooperation 13Deutsche Bank_r e s u l t s
12 %
88 %
nein
ja
Ende 2009 übernahm Müller die Geschäftsfüh-
rung des Weltmarktführers von Tablettenpres-
sen. Die Idee zu einer Kooperation ruhte, leicht
angestaubt, als Konzeptpapier sprichwörtlich
in der Schublade. Müller blies den Staub weg,
rief seine Mannschaft zusammen und legte los
– Chefsache eben. Zwei Jahre später, auf der
Fachmesse Interpack, konnten Müller und die
vier anderen Chefs die Gründung von Excellence
United verkünden. Es sind durch die Bank inha-
bergeführte Familienunternehmen, die sich, so
Müller, „perfekt ergänzen“.
Gemeinsam mehr Messepräsenz
Auf den großen Messen stellen die Partner ge-
meinsam aus unter einem Dach, das Ziel: Excel-
lence United soll wahrgenommen werden wie
eine Marke. Gemeinsam können sie an jedem Ort
der Welt eine ganze Arzneimittelfertigung auf die
Beine stellen, vom Mischen der Inhaltsstoffe bis
zur Verpackung. An über 40 Standorten weltweit
ist die Allianz mit mindestens einem Partner vor
Ort. Spezielle Service-Hubs bieten den Kunden
aller Partner schnelle Hilfe aus einer Hand. „Die-
se globale Präsenz“, sagt Müller, „könnte keiner
von uns alleine stemmen.“
Excellence United garantiert seinen fünf Part-
nern weltweite Präsenz, it’s OWL verbindet die
Wissenschaft mit dem Mittelstand. Doch Koope-
rationen, klug aufgesetzt, sind letztlich in jedem
Bereich und jeder Branche möglich. So tun sich
einzelne Handwerksbetriebe zusammen, um für
größere Aufträge bieten zu können. Kleine Ma-
schinenbauunternehmen tauschen Erfahrungen
aus, legen Produktionsstandards fest und kaufen
gebündelt Vorprodukte. Freischaffende Künst-
ler arbeiten zusammen, um gemeinsam Krea-
tiv-Events als Gesamtpaket für Unternehmen
oder Stadtfeste anzubieten. Tourismusbetriebe
bündeln die Stärken einer Region, Obstbauern
vermarkten ihre Produkte grenzüberschrei-
tend. Es gibt Einkaufskooperationen, Vertriebs-
kooperationen, Produktionsnetzwerke, F&E-
Compacting aus Schwarzenbek bei Ham-
burg. Seit sechs Jahren arbeitet Fette Com-
pacting mit vier anderen Unternehmen der
Branche in der Kooperation Excellence United
zusammen: Bausch + Ströbel, Glatt, Harro Höfli-
ger und Uhlmann. Es sind fünf deutsche Hidden
Champions aus dem Maschinenbau, gemeinsam
betreuen die Unternehmen ihre weltweiten Kun-
den aus der Pharmaindustrie.
Müller weiß, was es braucht, um eine Ko-
operation zum Erfolg zu führen: Freiwilligkeit,
Kompromissbereitschaft, gleiches Qualitätsver-
ständnis, gleiche führende Stellung im Markt.
Regelmäßig treffen sich die Chefs der fünf Part-
ner in einem eigenen Management-Board. Re-
geln und Ziele der Zusammenarbeit haben die
Chefs in einer eigens entwickelten Leitlinie ver-
schriftlicht. „Kooperation ist Chefsache“, sagt
Müller, „wer das wegdelegiert, wird scheitern.“
Große PläneBeabsichtigt Ihr Unternehmen,
in den nächsten drei Jahren
Allianzvorhaben umzusetzen?
Die Mehrheit der Manager
antwortet mit Ja.
„Kooperation muss Chefsache sein, sonst scheitert sie“
QUELLE: EBNER STOLZ 2015
FO
TOS
: WA
S G
MB
H, F
OTO
LIA
WAS: Bauer und BrokerMit Warentermingeschäften haben Landwirte meistens wenig zu tun. Dabei trifft
sie das Auf und Ab der Agrarpreise mitunter sogar in ihrer Existenz. Deshalb
haben rund 1000 Bauern im hessischen Wölfersheim gemeinsam ein Unternehmen
gegründet, das solche Deals in ihrem Namen übernimmt. Seitdem können die
Erzeuger ihren Raps und ihr Getreide bis zu zwei Jahre vor der Ernte verkaufen. Und das
sogar per Smartphone-App. „Wir spekulieren nicht“, sagt WAS-Geschäftsführer
Georg Dierschke, „wir sichern die Preise.“
Management_Kooperation14 Deutsche Bank_r e s u l t s
FO
TOS
: DE
UTS
CH
E B
AN
K, S
AB
INE
GR
OTH
UE
S
Ein Labor für die digitale Zukunft der BankNeue Ideen durch Kooperation:
Wie sieht die Zukunft der Banken aus?
Wie verbessern wir Produkte und
Prozesse? Welche übergeordneten Trends gibt es
in der Gesellschaft? Darauf die richtigen Antwor-
ten zu finden ist Aufgabe der Deutsche Bank Labs.
Die vier Labore sitzen mitten in den führenden
Start-up-Regionen: in Berlin, London, im Silicon Val-
ley und seit März auch in New York. Sie sollen der
Bank helfen, gemeinsam mit jungen Erfindern und
Entrepreneuren neue Technologien, Produkte
und Services zu entwickeln. Erklärtes Ziel: neue
Start-up-Ideen weltweit zu testen, auf ihre Praxis-
tauglichkeit für die Deutsche Bank der Zukunft.
Bis zu eine Milliarde Euro will die Bank bis zum Jahr
2020 in digitale Initiativen investieren. Die Deutsche
Bank Labs gehören zum digitalen Ökosystem der
Bank ebenso wie beispielsweise die Digitalfabrik im
Frankfurter Stadtteil Sossenheim. Hinzu kommen
Kooperationen mit Partnern wie Axel Springer,
Microsoft und dem MIT. Die Frage, die alle umtreibt:
Wo und wie können wir noch besser und schneller
werden? Luc Mériochaud vom Berliner Lab:
„Wir evaluieren innovative Technologien aus der
ganzen Welt. Dabei ist uns besonders auch der
Blick in andere Branchen wichtig, über den eigenen
Tellerrand hinaus.“ Mitten im Trubel der Stadt,
in den Hackeschen Höfen, arbeiten die Berliner
Kollegen. Gründer und Start-ups treffen
auf etablierte Unternehmen, frische Ideen auf ge-
wachsene Erfahrung. Mit regelmäßigen Tests
werden Ideen auf ihre Umsetzbarkeit überprüft.
Raum für Gedankenaustausch: Im Berliner Innovation Lab treffen Gründer auf etablierte Unternehmen
Technik im Blick: Luc Mériochaud
„Die Innovationslabore ziehen als Quelle für Inspiration und Dynamik innovative Menschen an. Indem wir unsere Erfahrung einbringen, können wir gemeinsam mit ihnen neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln.“John Cryan,
Vorstandsvorsitzender der
Deutsche Bank AG
Management_Kooperation 15Deutsche Bank_r e s u l t s
WEITERE INFORMATIONEN
Die Studie „Globale Vernetzung, Kooperation
und Wertschöpfung im Mittelstand“ des Instituts
für Mittelstandsforschung ist kostenlos
downloadbar unter www.ifm-bonn.org
Die Studie „Strategische Allianzen“ der
Beratung Ebner Stolz ist kostenlos downloadbar
unter www.ebnerstolz.de
weil im Winter oft Leerlauf herrscht, haben die
voll digitalisierten Wetterauer Bauern zusätz-
liche Geschäftsfelder gefunden: Schneeräumen
und Landschaftspflege. Denn Traktoren sind
mächtige Schneepflüge, Saatgutstreuer gute
Salzverteiler. Über die „Winterdienst Auftrags-
App“ bekommt der Landwirt seinen Auftrag,
dann geht es raus zum verschneiten Großpark-
platz des Supermarkts, Arbeitsprotokoll und
Fahrtennachweis gehen per GPS und Smart-
phone direkt zum WAS-Server. Bauernleben 2017.
Die WAS als Modell? „Unbedingt“, sagt Diersch-
ke. Denn der einzelne Landwirt muss mitunter
an mächtige Oligopole verkaufen, und das zu
schwankenden Preisen. Dierschke rät: „Koope-
riert, schließt euch zusammen, baut eure Erzeu-
gergemeinschaften zu echten Unternehmen um!“
Auch Olaf Müller kann nur werben für die Kraft des
Gemeinsamen: Allein durch Kooperationen könne
der deutsche Mittelstand bei der Globalisierung
mithalten, sagt der Geschäftsführer von Fette
Compacting. So erwartet fast jeder Kunde welt-
weit einen schnell erreichbaren Ansprechpartner
in seiner Region. Konzerne schaffen das mit links,
Einzelkämpfer in der Nische eher nicht. Dem Har-
vard-Professor Martin Nowak ist Müller noch nie
begegnet. Auch sein Interesse für Evolutionstheo-
rie ist eher überschaubar. Doch wofür der Mann
aus Harvard ganze Bücher und Studien schreiben
musste, das hat Müller einfach im unternehmeri-
schen Alltag eines Spezialmaschinenbauers ge-
lernt: Gemeinsam überlebt man leichter.
S T EPH A N S C H L O T E
Kooperationen, Servicekooperationen – und
mehr, bis zum globalen Produktionsnetzwerk.
„Eine No-go-Area für Kooperationen gibt es
nicht“, sagt Berater Keil, „die gehören einfach
in jeden unternehmerischen Werkzeugkasten.“
Sich zusammenzuschließen ist kein ganz neu-
er Gedanke, die Mitglieder ländlicher Genossen-
schaften wissen das schon seit Jahrhunderten.
Es sind Selbsthilfeorganisationen, und sie hel-
fen beim gemeinsamen Einkauf oder Verkauf.
Deshalb zählt diese Form der Kooperation seit
November 2016 sogar zum immateriellen Welt-
kulturerbe der UNESCO. Auch der hessische Ma-
schinenring Wetterau, der rund 1000 Landwirten
der Region gehört, ist eine derartige gemeinnüt-
zige Selbsthilfeeinrichtung.
Allianzen helfen bei Globalisierung
Das wäre noch nichts Besonderes, hätte der
Maschinenring nicht eine Tochter, die wie ein
Unternehmen und zum Teil sogar wie ein Händ-
ler für Warentermingeschäfte funktioniert: den
Wetterauer Agrar Service (WAS) in Wölfersheim.
Der WAS kauft und verkauft Raps und Getreide
auf Termin. Bis zu zwei Jahre im Voraus kann sich
so jeder Landwirt seine Preise sichern oder aber
einfach warten, bis es passt. Die Digitalisierung
macht’s möglich: Über eine spezielle Smart-
phone-App erhält jeder Landwirt eine tägliche
Marktinfo zur Lage an der Pariser Terminbörse;
erfährt, dass Ägypten gerade eine weitere Aus-
schreibung für Weizen gestartet oder Saudi-
Arabien 750 000 Tonnen erworben hat. Ist der
zuvor gesetzte Preisalarm aktiv, kann der Bauer
die Ernte sogar vom Acker aus verkaufen.
Risikomanagement für Landwirte: Festpreis-,
Poolpreis- oder Optionskontrakte sind über den
WAS zu haben, Vergleichbares hat bislang noch
niemand, der mit dem Trecker zur Arbeit fährt.
Agrarpreise schwanken mitunter heftig, wer da
nicht mitmachen will, sichert sich ab: „Wir wol-
len kein Risiko“, sagt WAS-Geschäftsführer Georg
Dierschke, „wir wollen keine Spekulation.“ Und
Die Zukunft der AllianzenIn welchen Bereichen planen
Unternehmen Kooperationen?
Einkauf und Vertrieb stehen
ganz oben auf der Agenda.
QUELLE: EBNER STOLZ 2015
2 %
55 %
18 %
53 %
16 %
47 %
14 %
45 %
12 %
„Kooperationen gehören in jeden unternehmerischen Werkzeugkasten“
Einkauf
Vertrieb international/Export
Produktion
Produktentwicklung/F&E
Logistik
Vertrieb national
IT
Administration/zentrale Services
Marketing
Management_Kooperation16 Deutsche Bank_r e s u l t s