38 März-April 3-4/2013 · www.connection.de

BEWUSSTSEINSERHEITERUNG

ährend meiner Liebesaffäre mitder weiblichen Spiritualität hatteich die Ehre, in sehr alte Symbole

des erwachenden Weiblichen eingeführt zuwerden: Eine fabelhafte Galerie von himm -lischen Göttinnen spiritueller Traditionenaus der ganzen Welt.Diesen wilden und farbenprächtigen Aus-drucksformen des Göttlichen zu begegnen,hat sich für mich angefühlt wie in einen Spie-gel zu schauen und mich in diesen herrlichenRegenbogen weiblicher Ausdrucksformen inmir selbst zu verlieben – hatte ich doch frühergelernt, viele davon abzulehnen und als»nicht heilig« zu bewerten.VON CHAMELI ARDAGH

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Es gibt für alleseine Göttin

Aspekte des Weiblichen

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Unsere Februar-Ausgabe 2012 enthielt ein Interview mit Chameli über dasErwachen des Weiblichen, in dem sie darüber sprach, was an Frauen, die sichauf die spirituelle Reise begeben, anders ist als bei Männern. Hier spricht sienun über die Aspekte des Weiblichen, welche von verschiedenen Kulturen derWelt in Form einer Göttin verehrt wurden. Mit ein bisschen Humor kannst du

so auch die scheinbar schrecklichen Anteile von dir nicht nur annehmen,sondern sogar verehren und damit ihrer Wandlung Raum geben

www.connection.de · März-April 3-4/2013 39

BEWUSSTSEINSERHEITERUNG

Baubo

Baubo ist die Göttin des Lachens aus demBauch heraus, bringt Fruchtbarkeit auf dieErde, indem sie ihren Körper als ein wirk-sames Werkzeug nutzt, Herzen zu öffnen undLachen anzuregen. Als Demeter, die Göttinder Fruchtbarkeit, die Verschleppung ihrerTochter Persephone in die Unterwelt be-weinte, entblößte Baubo ihren Bauch und ih-re Vulva auf solch eine obszöne und humor-volle Weise, dass Demeter nicht anders konn-te, als in ein Lachen tief aus dem Bauch he -raus auszubrechen. Durch dieses entfessel-te Lachen konnte sich Demeter wieder mitihrer weiblichen Stärke verbinden, und siefand die Kraft, die Suche nach ihrer gelieb-ten Tochter weiterzuführen. Fruchtbarkeitkehrte auf die Erde zurück, und so wurde dieWelt vom tiefen Lachen aus dem Bauch undmit schmutzigen Witzen gerettet.

Baba Yaga

Diese slawische Göttin ist die wilde alte Tan-te, die Hüterin des Wassers des Lebens unddes Todes. Sie ist die Göttin, die man mit demHerbst verbindet, sie ist die Zerstörung, diebenötigt wird, um Raum für Neues zu schaf-fen. Sie ist die wilde, tiefe und irrationale Weis -heit, die viele Frauen wahrnehmen, wenn siealt werden. Sie ist die rohe und unmaskier-te Kompostierung, die in der tiefen Dunkel-heit stattfindet.

Saraswati

Sie ist eine Göttin der Künste und des Ler-nens. Sie bewegt sich mit Zuversicht undGra zie im Königreich der Gedanken. Wir al-le wissen, dass sich Gedanken wie ein Ge-fängnis anfühlen können, wenn wir imDschungel unseres eigenen Verstandes ver-loren gehen. Ein Gedanke jagt den nächsten,doch Saraswati erinnert uns, dass dermensch liche Verstand sich in ein brillantesWerkzeug für Kreativität und Schönheit ver-wandelt, wenn wir wahrnehmen, dass wirnicht unsere Gedanken sind; sie sind nichteinmal so persönlich, wie wir gerne glaubenwürden.

Lakshmi

Die indische Göttin Laksmi befreit uns vonunseren Projektionen auf Begierden undGeld; sie hat keine Angst davor, sich die Hän -de schmutzig zu machen. Indem sie sich demKönigreich von Form und Materie komplettim Hier verpflichtet hat, heilt sie die künst-liche Trennung zwischen Seele und Materie.Sie zeigt uns, dass Begierden selbst nur En-ergien sind, das, was das Universum erschafft,und sie lädt uns ein, uns diese herrliche Kraft,die Shakti genannt wird, zunutze zu machen.

Man hatte mir Selbst-Ablehnung beige-bracht, zuerst in der Kultur, in der ich auf-gewachsen bin und dann in meiner frühenspirituellen Konditionierung, bis diese Göt-tinnen-Mythen endlich eine tiefe Akzeptanzmeiner Inkarnation als Frau hervorgerufenhaben. Es gibt dort keine festgelegte Formel,wie wir als Frau sein oder uns benehmen sol-len, stattdessen wird uns eine Serie ver-schiedener weiblicher Archetypen darge-boten, von denen jeder einzelne einenAspekt des Weiblichen in seiner erwachtes -ten und freiesten Ausdrucksform verkörpert.Die Enthüllung dieser Symbole des er-leuchteten Weiblichen gipfelte in einer ra-dikalen Transformation meiner Wahrneh-mung von dem, was es heißt, erwacht zu sein,spirituell zu sein und schließlich: Was esheißt, eine Frau zu sein.

Integration von Seele und Materie

Das tiefgründigste Geschenk, das die Göt-tinnen uns anbieten, ist die Integration vonSeele und Materie, hin zu einer unbezwei-felbaren Erfahrung von Ganzheit. Sie ach-ten darauf, uns keine Gelegenheit zu gebenzu sagen: »Dies, aber nicht jenes, dies ist gött-lich, das nicht«. In dem Moment, in dem dudas tust, sorgt die Göttin dafür, die Gestaltals das anzunehmen, was du am meisten ab-lehnst, nur um zu zeigen, dass sie alles ist. Daist nichts außerhalb des Einsseins.Wenn du das nächste Mal einen Aspekt dei-ner selbst wahrnimmst, den du meinst über-winden, heilen oder reparieren zu müssen,bevor du glücklich/frei/erleuchtet sein kannst,ruhe dich aus und sei sicher, dass es da höchst -wahrscheinlich eine Göttin gibt, die eine Ver-körperung von genau dem ist, dem du ammeisten Widerstand leistest. Und sie wirddieses am meisten Abgelehnte gnadenlos miteiner furiosen Jubelfeier zum Ausdruck brin-gen, nur um dir zu zeigen, dass da nichtsaußerhalb ihres heiligen Körpers existiert.Solltest du dich also einmal nicht gut/hei-lig/schlank/richtig/klug (diese Kette könnenwir endlos weiterführen, oder?) genug füh -len, tauche in die Welt der Göttinnen ein, dienicht auf Anhieb unserem klassischen Göt-tinnenbild entsprechen – manche verfügengar über solch einen deftigen Humor, dasser für dich schockierend sein mag, und den -noch ist er von einer göttlichen Kraft und Hei -ligkeit geprägt.Hier einige meiner liebsten »Grandes Dames«:

Akhilandeshvari

»Die niemals-nicht gebrochene Göttin«schöpft ihre Kraft aus dem Gebrochensein.Sie erinnert uns, dass genau dann, wenn Din-ge auseinanderbrechen, ein Riss in der an-sonsten limitierten Identität unserer Selbst-wahrnehmung entsteht. Jeder Einzelne von

uns wird Zeiten erleben, in denen Dinge aus-einanderbrechen, Zeiten, wenn wir einen ge-liebten Menschen, eine Beziehung, einen Joboder sogar ein Zuhause verlieren. Währenddieser Zeiten sind wir gezwungen, die Dinge,wie wir sie kennen, loszulassen. Es ist ein Teilunserer Identität bloßgelegt worden. Daskann sich furchteinflößend oder unfair an-fühlen, trotzdem können uns diese Momen-te, in denen unsere Selbstidentität wenigerstabil ist, eine kraftvolle Einführung in eine

größere Wahrnehmung von Freiheit schen-ken. Die Zerlegung von Identität wirft uns inunbekanntes Territorium und in einen Wan -del. Nur wenn Dinge auseinanderbrechen,triffst du den Einen, der dich hält. Wirklich.

Meng Po

Sie ist die chinesische Göttin der Vergess-lichkeit. Ihr Name bedeutet »Lady Traum«.Sie ist eine Lieblingsgöttin meiner Schwesternin der Menopause, die frustriert umherwan-dert und versucht, mit ihrem hormonell ver-nebelten Verstand normal zu handeln. MengPo erinnert uns an das Geschenk des Ver-gessens; uns in die Lage zu versetzen, jedemMoment frisch zu begegnen.

Dumavati

Sie ist eine Göttin mit der Kraft, sich zu ver-stecken. Ihr Name bedeutet Rauch, ihre Su-perkräfte vernebeln die Dinge und machensie unklar. Und manchmal kann es das lie-bevollste Geschenk sein, nicht immer allesjederzeit zu sehen. Wenn das so wäre, wür-den wir wahrscheinlich durchdrehen. Wenndu ein Räucherstäbchen anzündest oder so-gar Tabak, nimmt Dumavati Form an. Wenndu also rauchen musst, rauche ihr zu Ehren.

Wenn du das nächste

Mal einen Aspekt von dir

selbst meinst überwinden

oder heilen zu müssen,

bevor du glücklich/frei/

erleuchtet sein darfst:

Vermutlich gibt es dafür

eine Göttin, die eine

Verkörperung von

genau dem ist!

40 März-April 3-4/2013 · www.connection.de

BEWUSSTSEINSERHEITERUNG

Aphrodite

Die griechische Göttin Aphrodite ist eineGöttin der Liebe, aber nicht die universellehimmlische Liebe, sondern die heiße, kleb-rige, intime Liebe. Sie liebt das Drama, dieAnziehungskraft und die Eifersucht sexuel-ler Begierde. Sie liebt es, in ihrem Körper zusein, sinnlich zu sein. Erwacht mit all ihrenSinnen verkörpert sie das heilige Spiel derSexualität und der Lust.

Inanna

Die frühe sumerische Göttin Innana liefertmit ihrer Reise hinunter in die Unterwelteine kraftvolle Lektion über Krisen – überdie Zeit im Leben, wenn Dinge so schmerz-voll sind, dass wir meinen, sie nicht aushal-

ten zu können. Unsere westliche Kultur hatwenig Geduld für solche Zeiten von Wandelund Transformation. Wir rennen umher, mitunseren straffen, geschäftigen Terminplänen,behaupten, dass wir keine Zeit für Trauer,Verlust oder eine Krise haben. Wir sind un-geduldig; wir denken, dass irgendetwas falschläuft und dass wir einfach darüber hinweg-kommen und so schnell wie möglich zurückzur »Normalität« kommen müssen. In unse-ren Bestrebungen um Effizienz versäumenwir die Weisheit und das Wachstum, die sichdurch einen Trauer- und Transformations-prozess finden lassen.

Bagalamukhi

Ihr Name bedeutet übersetzt »die Kranich-halsige«. Beängstigt es dich, öffentlich zuspre chen, findest du dann keine Worte mehr?Fürchtest du diese Momente, wenn dein Kopfplötzlich leer ist und du denkst, du solltestjetzt irgendetwas sagen, nur um die Stille zufüllen? Bagalamukhi ist die Verkörperungder Pause zwischen den Worten. Sie erin-nert uns, dass wir uns diesen Moment neh-men sollten, damit unser Herz im Einklangmit unseren Worten ist. Es liegt eine Stärkein der Pause – oft ist Kommunika tion, die auseiner Stille entsteht, die wertvollste. Nimmdir also Zeit, warte und lausche nach innen;wenn Worte kommen, kommen sie. Oder siekommen nicht. Beides ist gut.

Sri Klinna

Und ja, für die Tänzer/innen, Yoginis und Lie-benden haben wir die Göttin des Schweißes.Sri Klinna (»Immer nass«) sitzt inmitten ei-nes Lotos’ und fordert uns auf, den Nektarunseres heiligen Körpers ohne Scham fließenzu lassen.Ich hoffe, dass du ab jetzt die Vorstellung hin-terfragst, dass Erleuchtung oder das Heiligeauf eine bestimmte Weise aussehen müssen.Buddha und Jesus waren radikal und aufwunderschöne Weise sie selbst, jeder vonihnen verkörperte einzigartige Aspekte vonerleuchteter Bewusstheit.Deine Aufgabe ist es, du selbst zu sein. Vollund ganz!

Buddha und Jesus

waren radikal und auf

wunderschöne Weise

sie selbst – und als solche

sehr verschieden.

Auch deine Aufgabe ist es,

du selbst zu sein,

voll und ganz!

CHAMELI ARDAGH ist eine derführenden Pionierinnen zeit-gemäßer weiblicher Spiri tua -lität. Sie wird ganz beson-ders für ihre leidenschaft -liche Liebe zur Mythologieund zum Geschichtenerzählengeschätzt, die sie als Unter -

richtsmethode einsetzt, um die versteckten Stär -ken und die Schönheit der Weiblichkeit wiederzum Strahlen zu bringen.www.awakeningwomen.de

[Tara