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Grunbart

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  • Michael Grnbart

    Magisches aus Mnster Ein Siegel Salomons im Archologischen Museum

    der Westflischen Wilhelms-Universitt

    Auf einer Metallscheibe (Archologisches Museum der WWU Mnster, Inv. 211) kann zwischen zwei Kreuzen die grie-

    chische Inschrift Siegel Salomons hilf! gelesen werden, die dem Bereich des sptantiken Abwehrzaubers zugeordnet

    werden kann.

    SCHLAGWORTE

    Magie, Amulettwesen, Abwehrzauber, Siegel Salomons

    Fr die Ausstellung Gold und Blei. Byzantinische Kostbarkeiten aus dem Mnsterland im Iko-

    nen-Museum Recklinghausen konnten auch Objekte aus dem Archologischen Museum der West-

    flischen Wilhelms-Universitt Mnster ausgewhlt und einer wissenschaftlichen Bearbeitung

    zugefhrt werden1. Bei der Sichtung der Depotbestnde iel der Blick auf eine zunchst unschein-bar wirkende Metallscheibe (Taf. 39, 1 ac)2, die bei nherer Betrachtung eine Inschrift zeigte

    (Taf. 39, 1 b)3. Flach einfallendes Licht erleichtert die Entziferung der Legende, die folgenderma-en lautet: + C | C | C | C | | + (+ [= ] [] + Siegel Salomons, hilf!). Die Buchstaben sind zum Teil schwer zu lesen, deutlich wird aber die

    Technik des Schreibers bzw. Graveurs: Von Bohrungen oder dreieckigen Einschlgen aus wurden

    die Buchstabenlinien gebildet4. Die Kreuze am Beginn und Ende des Satzes stellen den einzigen

    Anhaltspunkt fr eine Datierung dar (4. Jh. oder spter). Die Schriftlche wird von einem gerif-felten Kranz und am Scheibenrand von Punkten eingefasst. Das Stck diente nicht als Stempel,

    1 Das Ausstellungsprojekt wurde zusammen mit Studierenden an der WWU Mnster in den Jahren 20102012 vorberei-tet und umgesetzt. Die Ergebnisse sind publiziert bei Grnbart 2012.

    2 Mnster, Archologisches Museum der WWU, Inv. 211; Dm 0,31 cm; Gew 10,41g.

    3 Groe Hilfe bei der Lesung brachten die fotograischen Aufnahmen von Robert Dylka, wofr ich ihm hier sehr herzlich danken mchte.

    4 s. auch Grnbart 2012, 139 f. Nr. 1.

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    da die Buchstaben zu wenig tief ausgeprgt sind, und es wurde nicht als Amulett um den Hals

    getragen (keine se oder Hngevorrichtung). Auf der Rckseite kann man in der Mitte Reste einer

    Halterung (eines Sporns?) entdecken, die mglicherweise zur Befestigung auf einem anderen Ge-

    genstand diente (Holz?).

    Eine identische Inschrift auch mit der oft auftretenden Form indet man auf einem run-den Bronzestck aus Smyrna: (= ) []5.Der Wortlaut weist in den Bereich des sptantiken Amulett- und Zauberwesens. Das Siegel Salo-

    mons galt in der frhchristlichen und sptantiken Zeit als ein weitverbreitetes Schutzobjekt gegen

    alle Arten von bel, vornehmlich Neid und bsem Blick. Salomon wurde auf den unterschied-

    lichsten Medien angerufen6. Im sogenannten Testament Salomons, einer Kompilation magischer

    Schriften hchstwahrscheinlich jdischen Ursprungs, die nicht spter als ins 3. Jh. n. Chr. zu da-

    tieren ist, liest man: Und es geschah als ich zum Gott des Himmels und der Erde betete, wurde

    mir vom Herrn Zabaot durch Michael den Erzengel ein Ring gegeben, der ein in wertvollen Stein

    geschnittenes Siegel aufwies. Und er sprach zu mir: Nimm Salomo, Sohn Davids, das Geschenk, das

    dir der Herr, der hchste Gott Zabaot schickte, und du wirst alles Dmonische, weiblich oder mnn-

    lich, einsperren und mit dessen Hilfe Jerusalem bauen dabei ist dieses Siegel Gottes zu tragen7.

    Danach setzte Salomon den Ring im Kampf gegen die Dmonen ein. Diese Auseinandersetzung

    wird auch bildlich umgesetzt, wie man es durch zahlreiche Objekte nachweisen kann8: Man sieht

    Salomon stehend ohne weitere Attribute oder auf einem Pferd reitend das Bse niederstechend10.

    Auch wenn die Inschrift des Mnsteraner Stckes sehr kurz ist, lsst sich die Intention ihres Her-

    stellers/Auftraggebers klar bestimmen. Gustave Schlumberger verfentlichte ein Fundstck aus Smyrna: (Siegel Salomons, vertreibe jedes bel von dem Trger [des Amuletts])11. Ein Exemplar mit einer hnlichen Inschrift beindet sich in einer Mnchener Privatsammlung: (sic) (Sie-gel Salomons, hilf dem Trger)12. James Russell stellte ein Exemplar aus Anemurium ( Kleinasien)

    5 Wulf 1909, 191 Nr. 889 Taf. 42; Wamser 2004, 340 Nr. 721: .6 Perdrizet 1903, 49 f.; generell RE Suppl. 8 (1956) 660704 s. v. Salomo (K. Preisendanz); Vikan 1984, 79 f.; Vikan 1991,

    87-91; Schienerl 1992; Giannobile 2002, 172176 (Tabelle von Inschriften mit dem Ring Salomons auf S. 175) (mit um-fangreicher Literatur).

    7 Merkelbach 1993, 6162; Busch 2006, 86 Kap. 1, 67 (Kommentar zum apotropischen Salomonsiegel auf S. 9193).

    8 Matantseva 1994.

    9 Spier 2007, 83 f. Nr. 472.

    10 z. B. auf einem Intaglio: Zalesskaja 2006, 87 Nr. 94 ( / ); 133 Nr. 250 ( [sic]); zur Figur des Reiters s. auch Bagatti 1971; Hamaneh 2004. Berittene Heilige wie Demetrios oder Georgios, die das Bse besiegen, spielen in der Orthodoxie eine groe Rolle, vgl. dazu Kretzenbacher 1983; Walter 2003.

    11 Schlumberger 1895.

    12 Wamser 2004, 283 Nr. 461 (6.7. Jh.); vgl. Stiegemann 2001, 289 f. Nr. 8; Wamser 2004, 316 Nr. 583. Stiegemann 2001, 289 f. Nr. 8; Wamser 2004, 316 Nr. 58.

    MICHAEL GRNBART

  • 171Magisches aus Mnster Ein Siegel Salomons im Archologischen Museum der Westflischen Wilhelms-Universitt

    13 Im Griechischen wurden dafr die Begrife , , , verwendet, s. Russell 1995, 37.

    14 Sir 14, 8: , (Schlimm ist ein Geizhals, / der sein Gesicht abwendet und die Hungernden verachtet).

    15 Russell 1995.

    16 Rakoczy 1996.

    17 Rahmani 1999; Vikan 2010, 42.

    18 Busch 2006, 89. Der Ursprung dieser Vorstellung mag bei 1 Kn 5, 13 liegen, dort heit es: Er redete ber die Bume, von der Zeder aus dem Libanon an bis zum Ysop.

    vor, das dem Trger helfen sollte, dem Bsen Blick zu widerstehen13: (Siegel Salomons, halte das bel/den Bsen Blick ab)14. Das Stck trgt kein Kreuz, hat allerdings auf der Aversseite ein dreimaliges Hagios (Heilig, heilig, heilig!), wodurch der

    Schutz noch bekrftigt werden sollte15. Der Bse Blick galt seit der Antike als eines der bel, welche

    man glaubte abwehren zu mssen16.

    Pilgerinnen und Pilger konnten sich aus dem Heiligen Land auch kleine Tonamulette mitnehmen,

    auf denen die Wurzel Salomons eingeprgt war. Ein Fundkomplex derartiger Pilgerandenken

    80 Exemplare in einer antiken Glasschale konnte vom British Museum in den 1970er Jahren an-

    gekauft werden17. Wie der Ring Salomons diente die Wurzel Salomons der Vertreibung des Bsen,

    wurde auch aktiv zum Exorzismus eingesetzt18.

    Die Mnsteraner Metallscheibe mit ihrer einfachen Inschrift ordnet sich in die Reihe unheilabweh-

    render Objekte ein und ist ein gutes Beispiel dafr, wie weitverbreitet derartige Schwurformeln im

    sptantiken Alltag waren.

    LITERATURVERZEICHNIS

    Bagatti 1971 B. Bagatti, Altre medaglie di Salomone cavaliere e loro origine, RACr 47, 1971, 331342.

    Bevilacqua 2010 G. Bevilacqua, Scrittura e magia. Un repertorio di oggetti iscritti della magia greco-romana, con con-

    tributi di G. Vallarino, M. Centrone, A. Viglione, Opvscvla epigraphica dellUniversit degli Studi di

    Roma La Sapienza, Dipartimento di Scienze Storiche Archeologiche Antropologiche dellAntichit 12

    (Rom 2010).

    Busch 2006 P. Busch, Das Testament Salomos. Die lteste christliche Dmonologie, kommentiert und in deutscher

    Erstbersetzung, Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 153 (Berlin

    New York 2006).

    Giannobile 2002 S. Giannobile, Medaglioni magico-devozionali della Sicilia tardoantica, JbAC 45, 2002, 170201.

    Grnbart 2012 M. Grnbart (Hrsg.), Gold und Blei. Byzantinische Kostbarkeiten aus dem Mnsterland. Ausstellung

    im Ikonen-Museum Recklinghausen, 23.06.21.10.2012 und im Archologischen Museum der Westf-

    lischen Wilhelms-Universitt Mnster, 07.09.201312.01.2014 (Wien 2012).

    Hamaneh 2004 B. Hamaneh, Un amuleto di Salomono cavaliere, StBiFranc 54, 2004, 429432.

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    Kretzenbacher

    1983 L. Kretzenbacher, Griechische Reiterheilige als Gefangenenretter. Bilder zu mittelalterlichen Legen-

    den um Georgios, Demetrios und Nikolaos, sterreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist.

    Kl., Sitzungsberichte 421 (Wien 1983).

    Matantseva 1994 M. Matantseva, Les amulettes byzantines contre le mauvaise il du Cabinet des Mdailles, JbAC 37,

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    Merkelbach 1993 R. Merkelbach, Astrologie, Mechanik, Alchimie und Magie im griechisch-rmischen gypten, in: Be-

    gegnung von Heidentum und Christentum im sptantiken gypten, Riggisberger Berichte 1 (Riggis-

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    Perdrizet 1903 P. Perdrizet, , REG 16, 1903, 4261. Rahmani 1999 L. Y. Rahmani, The Byzantine Solomon Eulogia Tokens in the British Museum, IEJ 49, 1999, 92104.

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    Vor- und Frhgeschichte, Mnchen vom 22.10.2004 bis 3.4.2005, Schriftenreihe der Archologischen

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