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24 HR Performance 4/2015 Collaboration Stephan Grabmeier

CoPers 3 2007 Umbruch - Stephan Grabmeier...der Transformation. Unter dem Begriff Enterprise 2.0 und digi-tale Transformation fassen wir nicht nur das Thema Technik. Viele bleiben

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24 HR Performance 4/2015

Collaboration

Stephan Grabmeier

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HRP: Dein Unternehmen heißt Innovation Evangelists GmbH.Du hast das Unternehmen 2013 gegründet und verlässt es zum1.8.2015 in Deiner neuen Rolle bei der Haufe-umantis AG. Wiebist Du zu dem Unternehmensnamen und Jobtitel gekom-men?Stephan Grabmeier: Ich bin 2009 zur Deutschen Telekom ge-kommen und in den HR-Bereich eingestiegen bei Thomas Sat-telberger. Dort habe ich das Thema Group Change und CultureManagement verantwortet. Nach dem Vorstandswechsel vonThomas Sattelberger zu Marion Schick habe ich den HR-Bereichsehr schnell verlassen und bin in den Innovations bereich ge-gangen. Mein Titel dort war ein Innovation Evangelist. Dieserwar für HR sehr ungewöhnlich. Jeder zweite HR-Kollege hatmich gefragt: Was macht denn ein Evangelist überhaupt? InTechnologieunternehmen ist der Titel gängig und eine Bezeich-nung für Personen, die neue innovative Themen früh aufspürenund ins Unternehmen einbringen. Da es meist um neue und oftdisruptive Themen geht und HR tendenziell innovationshem-mend ist, hat meine Aufgabe im positiven Sinne oft etwas „mis-sionarisches“.

Und dann dachte ich mir: Na ja, wenn die HR-Branche so vielnachfragt, dann mache ich die Bezeichnung zu meinem Fir-mennamen und gründe die Innovation Evangelist GmbH. Die-ser Einstellung bleibe ich auch zukünftig treu. Ich wechsle ab1.8.2015 zur Haufe-umantis AG und nehme dort die Rolle desChief Innovation Evangelist ein.

HRP: Wieso gehst Du wieder in eine Festanstellung? DeinUnternehmen ist doch extrem erfolgreich.Grabmeier: Darüber habe ich natürlich lange nachgedacht. Fürmich gibt es drei wichtige Gründe. 1) Die Digitale Transforma-tion und Arbeitswelt 4.0 benötigt viel kompetente Beratung. Ichhabe mit Haufe-umantis eine völlig andere Skalierung als vor-her, unsere Kunden innovativ und professionell zu unterstüt-zen. 2) Die Haufe-Gruppe hat den digitalen Wandel bereits sehrerfolgreich begonnen und in vielen Teilen schon gut gemeistert.Die Erfahrung, die darin liegt, ist unbezahlbar und 3) umantiszählt zu den führenden Talentmanagement-Software-Anbie-tern und ist eines der Vorzeigeunternehmen für ein demokrati-siertes Unternehmen – der CEO war der erste gewählte CEO inDeutschland. Es gibt wenig Firmen, die den eigenen Wandel,vorbildliche Umsetzung bei sich selbst und ein hochinnovativesProdukt- und Consultingangebot für Unternehmen haben. VieleUnternehmen suchen händeringend nach den Lösungen, diedort erfolgreich umgesetzt werden. Also, ich freue mich auf soein innovatives Umfeld, denn meine Expertise fehlt dort undwir bringen die beiden portofrei zusammen.

HRP: Danke für den Ausblick. Dann bleiben wir für dieses Inter-view aber noch bei Deiner aktuellen Rolle. Kannst Du bitte kurzDeine Unternehmenskultur und -ziele beschreiben?Grabmeier: Das, was wir anbieten, das leben wir auch. Wirpflegen eine sehr starke Kultur in Richtung Vernetzung und Di-gitalisierung und umschließen damit das ganze Thema der Of-fenheit und den Co-Creation und Open Innovation Ansatz. VieleMerkmale digitaler Strukturen und Formate haben wir verinner-licht. Unsere Design-Prinzipien beschreiben die Art und Weisewie wir arbeiten: Erstens agieren wir Human Centric, d.h. eineausschließlich kunden- und nutzerbasierte Ausgangsweise.Zweitens legen wir viel Wert auf Geschwindigkeit, weil wir glau-ben, dass vieles in den tradierten Unternehmen viel zu langsamumgesetzt wird. Dank agiler Methoden lässt sich vieles schnel-ler umsetzen. Drittens möchten wir mit dem, was wir tun, dieWelt immer ein Stückchen besser machen.

Wenn wir über das Thema Arbeitswelt 4.0 sprechen, geht esuns dabei weniger um die Technologie. Mit der Botschaft „Wirwollen die Welt ein bisschen besser machen“, wollen wir denMenschen mehr Stimme, mehr Anerkennung und letztendlichjedem einzelnen mehr Macht geben in einer vernetzen Struktur– verglichen mit einer rein hierarchischen, die machtbesessenauf einzelne wenige Köpfe verteilt ist. Das gilt auch in Hinsichtauf Werte. Denn je offener und transparenter du bist, destostärker muss dein Wertegerüst sein.

Dieses Wertegrüst darf nicht nur auf den Hochglanzbroschürenstehen, um sich alle paar Jahre mit dem nächsten Vorstands-wechsel wieder zu ändern. Vielmehr können die Mitarbeiter

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Ich glaube an die kollektive und vernetzte IntelligenzInterview mit Herrn Stephan Grabmeier, Gründer, Innovation Evangelists GmbH

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wirklich Werte schaffen. Dabei sollte man sich die Frage stellen,ob so Unternehmenswerte nicht auch viel stärker beeinflusstwerden können, als wir es heute zulassen.

Dazu fallen mir die Stichworte Gender, Diversität und Genera-tionenorientierung ein. Es muss sich noch viel ändern für dieVielfalt der Generationen, die wir in den Unternehmen haben.Diese war ja auch noch nie so vielfältig wie heute. Die Werkzeu-ge gibt es zu großen Teilen schon, aber die Kultur ist noch nichtda. Das typische Rollenmodell Mann, Frau, Kinder, bei dem dieFrau nicht oder nur in Teilzeit arbeitet, ist nicht mehr State ofthe Art. Da sprechen wir nicht nur von der Quote, sondern inder Breite unserer Gesellschaft und in vielen Führungsköpfenvon unconscious bias. Da müssen wir noch viele Blockaden imKopf aufbrechen.

HRP: Teil Deiner Aufgabe ist es, diese alten Mauern einzurei-ßen und Alternativen zu entwickeln?Grabmeier: Ja, auf jeden Fall. Ich brauche möglichst viele ver-schiedene – und jetzt nicht nur verschieden hinsichtlich des Ge-schlechts – Blickwinkel auf ein Thema, um wirklich nachhaltiginnovativ zu sein. Je diverser ein Unternehmen aufgebaut ist,desto erfolgreicher und nachhaltiger wird es sein. Dazu gehörtauch eine andere Familien- und Generationenpolitik als wir sieheute haben. Wichtig ist darüber hinaus die Einstellung gegen-über dem digitalen Wandel und den Innovationen. Da erlebenwir derzeit einen enormen Rückstand, besonders in HR. Das so-zialisierte Innovationshemmnis in HR wurde noch nie so starkzum Hindernis wie derzeit. Hier gilt es schnell aufzuholen, damitHR nicht noch mehr an Einfluss verliert.

HRP: Du wirkst als Berater direkt in den Unternehmen? Über-nimmst Du auch konkrete Aufgaben vor Ort?Grabmeier: Es gibt da zwei Dimensionen, das eine sind wirk-lich Beratungsaufträge, d.h. wir unterstützen Unternehmen inder Transformation. Unter dem Begriff Enterprise 2.0 und digi-tale Transformation fassen wir nicht nur das Thema Technik.Viele bleiben auf dieser Stufe stehen und meinen, wenn sie di-

gitale Kompetenzen entwickeln und Social Media beherrschen,ist es damit getan. Nein, damit fängt alles erst an.

Zu Enterprise 2.0 gehören die genannten Instrumente einerneuen Diversität wie eine Familienpolitik genauso dazu wieMethoden im agilen Management und Innovation. Auch dieGestaltung moderner Arbeitsplätze/-infrastrukturen fließt mitein. Die Frage dabei ist, ob wir noch im Büro von früher sitzen,das sich über Hierarchiestufen bezogen auf Größe und Fen-sterreihen darstellt? Oder sind es Räume, in denen vernetztesund agiles Arbeiten erst möglich ist? Wenn ich heute noch Vor-stände sehe, die an den alten Statussymbolen der Räume, Fens -terreihen, Vorstandszimmer und ihren alten BlackBerrys fest-halten, dann wissen Sie, dass sich das Unternehmen nurschwer digital und agil wandeln wird. Wir bleiben in jedem Fallaber in der Beraterrolle.

Die zweite Komponente ist, dass wir uns durch die Formateund die Art und Weise, wie wir Dinge machen, unterscheiden.Wir unterstützen Unternehmen in der digitalen Transformation.Wir stellen die Frage: Wie kannst du in vernetzten StrukturenInnovationen schaffen, Prozesse gestalten und Ideen generie-ren? Wie kannst du das wirklich für jeden Mitarbeiter erlebbarmachen? Wenn wir digital vernetzte Workshops oder digitaleGroßgruppenkonferenzen durchführen, geht es einerseits umdie Inhalte, die wir bearbeiten, andererseits um die Art undWeise, wie wir mit Menschen zusammenarbeiten. Es ist das Er-leben neuer Formate, um Themen wertschätzend und partizi-pativ umzusetzen.

HRP: Auf Deiner Website ist zu lesen, dass Du den Weg zumSocial Business durch mobiles Lernen, Gamification usw. er-lebbar machst. Wie setzt Du das um? Wie weit sind Unterneh-men in Deutschland auf diesem Weg und wie offen sind sie?Grabmeier: Ich glaube, es sind nur die wenigsten wirklichernsthaft unterwegs. Wie bei allen Bewegungen gibt es Vorrei-ter. Es gibt mittlerweile fast niemanden, der nicht drüber redet.Doch die Ernsthaftigkeit, sich zum Social Business zu entwi-ckeln, fehlt bei vielen. Mobiles Lernen, Gamification usw. sindBausteine für die Gestaltung dieses Wandels.

Ein schönes Beispiel für die Veränderung von Lernen und Ar-beiten ist adidas. Das ist zwar ein vielzitiertes Beispiel, aber adi-das hat seine ganze Arbeitsplatzkultur verändert und mit derGründung der Open Corporate University auf ein digitales undgamifiziertes Lernen gesetzt. Unternehmen wie Haufe umantisoder elbdudler zeigen, wie Mitarbeiter ihre Führungskräftewählen und in der Lage sind in neuen Betriebssystemen zu ar-beiten. Es gibt zahlreiche Unternehmen, die aufbrechen zu neu-en Ufern – es wird Zeit, dass tradierte Unternehmen sich auchauf den Weg machen. Es geht darum, die Überlebensfähigkeitzu sichern.

HRP: Was bedeutet Social Business Enabling? Und was ist da-bei wichtig für die Unternehmen?Grabmeier: Social Business Enabling heißt, dass Mitarbeiterauf dem Weg begleitet werden, mit den Fertigkeiten in einemdigital vernetzten Unternehmen umgehen zu können. Das ist

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wie bei jedem anderen Thema: Du hast neue Technologien, duhast neue Arbeitsweisen und du hast bedingt neue Verhaltens-weisen. Da musst du Menschen einfach begleiten und ihnendeine Unterstützung anbieten. 10 bis 20 Prozent der Mitarbeiterhaben hingegen schon viele Kenntnisse, vor allen Dingen ausdem privaten Gebrauch, und warten somit nur darauf, dasssich Unternehmen endlich schneller entwickeln. Das ThemaSocial Business funktioniert nicht auf Knopfdruck und nichtnur, wenn man eine Plattform einführt, sondern wenn manwirklich Menschen intensiv begleitet auf diesem Paradigmen-wechsel.

HRP: Wie bewegt man die Führungskräfte und wie die Mitar-beiter?Grabmeier: Das ist ein hochinteressantes Thema. Aktuelle Stu-dien (u.a. die Studie „Mut, anders zu denken: Digitalisierungs-strategien der deutschen Top500“ von Accenture und Die Welt:http://www.welt.de/wirtschaft/article140591870/Mitarbeiter-sind-ihren-Firmen-digital-ueberlegen.html) zeigen, dass diemeisten Mitarbeitern ihren Chefs meistens himmelweit über-legen sind. Die Chefs sind in den wenigsten Fällen die Treiber,das ist vielmehr die Basis der 10 bis 20 Prozent der Mitarbeiter,die darauf warten, dass sich endlich etwas tut. Auf die Frage,wie wichtig die Digitale Transformation ist, wird jeder sagen,dass sie umgesetzt werden muss. Derzeit happert der Transfervon der kognitiven auf die Handlungsebene.

HRP: Was sind für Dich interessante didaktische Weiterbil-dungskonzepte der Zukunft?Grabmeier: Ich glaube, dass wir mehr flexible modulareWeiterbildungsmöglichkeiten brauchen – in viel kürzeren Zeit -räumen. Das Lernen nach Katalog hat sicherlich nach wie voreine Berechtigung. Ich glaube jedoch, dass das schnelle Abru-fen von Wissen zu einem bestimmten Thema oder einem be-stimmten Projekt immer notwendiger wird. Auch die Lernfor-men werden sich dementsprechend ändern müssen. Lernen invernetzen Strukturen, was oftmals nicht als Lernen deklariertwird, hat eine ganz andere Wirkungsweise. Je mehr du dichvernetzt, je mehr du mit anderen Funktionen arbeitest, je mehrdu in sozialen Medien von anderen wahrnimmst und je mehrLösungsmöglichkeiten du so für dein Problem kennenlernst,desto mehr lernst du aus der Vernetzung heraus. Methodenwie MOOCs, Online Universities, Lernreisen, mobile Learningaber auch informelles Lernen via Social Collaboration sind heu-te State of the Art oder müssen es schnell werden, wenn Unter-nehmen wettbewerbs- und wandlungsfähig bleiben wollen.

HRP: Mit welchen digitalen Innovationsformaten beschäftigstDu Dich?Grabmeier: Wir folgen einer Philosophie, dass eine Innovationaus dem Kollektiv heraus die bessere Innovation ist. Untersu-chungen zeigen, dass 15 von 16 Entscheidungen, die vom Teamgetroffen werden, eine bessere Prognose-Fähigkeit haben alseinzelne Expertenmeinungen.

In Unternehmen werden Produkte oftmals nur in Abteilungenentwickelt und Verbesserungsvorschläge oft von Individuengemacht – somit ist die Betrachtung eher singulär. Wir wandeln

uns von einer Produktzentrierung in eine Kundenzentrierung,dann müssen wir auch die Entscheidungsprozesse anpassen.Das fehlt meist, ich hatte es bereits erwähnt, kognitiv verstan-den ja, in Handlung umgesetzt nein.

Wir glauben an die kollektive Intelligenz, deshalb bauen wirFormate und Formen, die die kollektive Intelligenz ermöglichen.Bei der Telekom habe ich beispielsweise die sogenannten „Te-lekom-Prognosemärkte“ eingeführt. Die Prognosemärkte sindein gamifizierter Ansatz, wie spielerisch Managemententschei-dungen unterstützt werden können. Ein Mitarbeiter oder einFachbereich braucht eine Entscheidung hinsichtlich einer Ab-satzprognose, einer Produktbewertung oder einem Preis.

Man kann die Frage im Portal einstellen und die Mitarbeiter imUnternehmen nach ihrer Meinung fragen. Und jeder Mitarbei-ter hat auf ein Thema eine andere Sichtweise. Beispielsweise –ich habe gerade einen Kugelschreiber in der Hand – wenn einUnternehmen fragt: Wird der Kugelschreiber unser nächstesGeschäftsmodell? Oder: Wie viele von den Kugelschreibern,die wir produzieren, setzen wir im zweiten Quartal ab? EinigeMitarbeiter sagen dann vielleicht: Unser Wettbewerber startetnächste Woche eine Marketing-Kampagne und er hat einen an-deren Preis als wir. Oder ein Mitarbeiter aus dem Einkauf sagt:Die Rohstoffe, die wir für das Produkt einkaufen, sind momen-tan ziemlich preis- und serviceanfällig.

Indem man aus seinen Silos herauskommt, schauen Menschenaus ganz verschiedenen Blickwinkeln auf die Frage bzw. Pro-blemstellung. So lässt sich eine viel stärkere Prognose-Vorher-

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sagekraft generieren, was wiederum auch die hohe Messbar-keit kollektiver Intelligenz zeigt.

Bei der Telekom beispielsweise haben wir eine Vorhersagekraftvon 83,4 Prozent erreicht. Das bedeutet eine 83,4-prozentigeGenauigkeit, dass die Themen auch so eintreffen, wie sie vor-hergesagt wurden. Und das ist ein Instrument, das dir keineMarktforschung bietet. Die durchschnittlichen Werte liegen beica. 67 Prozent. Darüber hinaus haben wir eine Wertschätzungfür die Mitarbeiter gezeigt, die es vorher nicht gab, da Managernicht in der Lage waren, schnell und evidenzbasiert über Hier-archien und Abteilungen Entscheidungen zu treffen. Das gehtheute alles, sie müssen es nur lernen und umsetzen. Einige In-fos zu Social Forecasting finden sich auch auf meinem Blog(http://stephangrabmeier.de/social-forecasting-kollektive-intel-ligenz-nutzen/448/).

HRP: Das heißt ja, dass die Mitarbeiter sehr agil sind und aufdie Fragestellungen schnell und zahlreich reagieren?Grabmeier: Genau, und das führt uns wieder zum ThemaEnabling bzw. Unternehmenskultur.

Nur weil es Plattformen, Social Collaboration, Prognosemärkteusw. gibt, ist eine Unternehmenskultur noch nicht geboren. DieMitarbeiter müssen überzeugt und über diese Ansätze moti-viert werden. Durch die Wertschätzung und die Anerkennung,die ihnen entgegengebracht wird, erkennen sie das Ergebnisals ihren Beitrag an. Natürich muss man auch Sanktionen an-wenden, wenn sich jemand nicht an die Werte und Prinzipienhält. Die notwendige Vernetzung kann dank digitaler Formateund Plattformen einfacher gelingen. Unsere Aufgabe ist es,diese Formate und Plattformen in den Businesskontext zu brin-gen immer vor der Frage, wie sie Unternehmen nutzen.

Wenn man 100 Mitarbeiter aus dem HR-Bereich fragt, ob Pro-gnosemärkte, Social Collaboration oder Human Centric DesignHR-Produkte sind, werden 97 von ihnen sagen: Was soll derQuatsch, das hat ja nichts mit HR zu tun!? Und diese Einstellungist überholt. Wir haben gemerkt, dass wir mit unseren digitalenFormaten zu anderen Möglichkeiten des Kommunizierens unddes Arbeitens gelangen. Wir haben durch die Formate die Mit-arbeiter enabelt, in einen anderen Arbeitsmodus zu kommen.Und die Arbeitswelt neu zu gestalten, ist eine originäre HR-Auf-gabe. Wenn man sich anschaut, welche Produkte in ein HR-Portfolio gehören, sind Social Networks, Prognosemärkte unddigitale Großgruppenkonferenzen, agile Methoden und Ar-beitsplätze in modernen und innovativen Unternehmen mit da-bei.

HRP: Du betreibst u.a. einen Blog. Die Frage ist: Twitter, Face-book & Co. Welcher Kanal eignet sich eigentlich für welchesUnternehmen?Grabmeier: Die erste Antwort, die vielleicht überrascht, ist: Nurweil es die ganzen sozialen Medien gibt, heißt es noch langenicht, dass man alle nutzen muss.

Denjenigen, die noch nicht so weit sind und die sich hineinbe-wegen in diese Welt, denen gebe ich immer die Empfehlung,

alles mal auszuprobieren und zu testen, was sinnvoll ist. Unddas kann man ja erst beurteilen, wenn man seine Erfahrungengemacht hat.

Jedes Unternehmen muss den Weg für sich finden.

Zudem benötigt man Ressourcen. Du musst mit den Kommu-nikationsmedien umgehen können, du musst in Interaktion tre-ten, du musst pfiffige Ideen haben. Und du musst deine Com-munity ja auch bei Laune halten … und das geht einfach überSkills, Mitarbeiter- und Zeitressourcen, von daher lässt sichnicht sagen, welcher Kanal sich am besten eignet.

In Consumer-Marken sind fotoaffine Plattformen und Videowichtiger, z.B. Instagram, Pinterest, YouTube & Co. Im B2B-Be-reich gibt es wieder ganz andere Möglichkeiten. Man muss sichdie verschiedenen Optionen und seine Kundenstruktur an-schauen: Über welche Kanäle erreiche ich die Kunden und wietrete ich auf?

Ich selbst habe lange Zeit nicht gebloggt, weil ich keine Zeit hat-te und damit keinen Mehrwert geliefert hätte. Ich organisierenun meinen Blog mit einer kleinen Agentur zusammen, weilich das zeitlich sonst nicht schaffe du kann mich viel mehr aufden Content und mein Netzwerk konzentrieren.

Facebook und Twitter sind meine Lieblingskanäle.

HRP: Du bist Vorstand der Personalerinitiative „Wege zurSelbst GmbH“. Brauchen wir auch weiterhin solche Initiativenund was macht die „Wege zur Selbst GmbH“ zukünftig?Grabmeier: Ja, auf jeden Fall. Der Markt hat sich in den letztendrei, vier Jahren zwar geändert, was die Verbandsstruktur be-trifft. Die Selbst-GmbH ist ein kleiner Verband mit rund 500 Mit-gliedern, der sich dem Thema „Innovationen im System Ar-beit“ verschrieben hat. Mit dieser Nischenpositionierung sind

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wir nach wie vor ein wichtiger Baustein für die HR-Welt undauch für die Organisation. Wir legen Wert darauf, dass sichHRler dort vereinigen können sowie schnell und unkompliziertInnovationen vorantreiben.

HRP: Du bist beim Thema Start-ups involviert. Welche Start-ups unterstützt Du?Grabmeier: Als Privatperson bin ich Business Angel bei demStart-up viasto, das Software für zeitversetzte Videointerviewsanbietet, und bei managerfragen.org; das ist eine Plattform füreinen Gesellschaftsdialog zwischen Managern und Bürgern.Der Gesellschaftsdialog verläuft sehr offen und transparent.Zudem habe ich einige Formate mitgeschaffen und unterstützt,wie den HR Innovation Slam, der vor ungefähr vier Jahren insLeben gerufen wurde. Dort haben wir Innovatoren im HR-Be-reich über eine virtuelle Plattform die Möglichkeit gegeben,sich und ihre Themen und Konzepte und Produkte zu positio-nieren. Zudem habe ich mit der DGFP gemeinsam eine Initiativegegründet, bei der wir Innovatoren und Start-ups im HR-Be-reich eine Plattform geben, um schneller an die Unternehmenund die HR-Entscheider heranzukommen.

HRP: Bist Du mit Deinen Initiativen führend im HR-Bereichoder gibt es noch weitere Initiativen?Grabmeier: Ich erlebe einige innovative Akteure in der HR-Sze-ne und das ist gut so. Es kann gar nicht genug geben, denn HRhat viel aufzuholen im Wandel von einem transaktionalenDienstleister in einen innovativen Treiber von Transformatio-nen. Ich sehe, dass die Start-up-Szene quirliger und professio-neller wird und sich einiges Tolles entwickelt. Es gibt neben dengroßen Platzhirschen mit überwiegend traditionellen Formatenviele kleine Initiativen, die mehr und mehr aufkommen. ZumBeispiel der HR Hackathon der in Berlin stattfindet oder das HRBarCamp und viele mehr.

Mit dem HR Innovation Slam habe ich als einer der ersten dasgrößte Online-Format für innovative HR Produkte ins Lebengerufen, bei dem Innovatoren ihre Ideen einfach und wirkungs-voll pitchen können … Solche Formate sind nicht immer alleinemeinen Ideen wie beim HR Innovation Slam oder der HR Safari.

Vielmehr finden sich einige Personen zusammen, die eine Ideehaben. Und ich glaube, dass ich dann oftmals derjenige bin,der eine Idee zum Fliegen bringen kann.

Bei der HR-Safari haben wir eine Vorreiterrolle eingenommen.Die HR-Safari läuft nun im zweiten Jahr. Das ist eine Innova-tion-Journey, bei der wir mit 20 HRlern zwei Tage lang durchBerlin ziehen, Unternehmen besuchen, uns Start-ups anschau-en und die innovativen Konzepte den HRlern näherbringen.Das Ziel ist, die Digitalisierung von HR hautnah zu erleben, rausaus den Firmengebäuden, raus aus Konferenzsälen und reindie freie Wildbahn. Der Erfolg gibt uns recht, wir sind für die Ju-ni Veranstaltung seit langem ausgebucht, für Oktober habenwir noch einige Plätze frei.

HRP: Gibt es ein Muster für potenziell erfolgreiche Start-ups?Grabmeier: Ein Großteil der Start-ups kommt aus der Techno-logie. Es gibt auch viele gute Dienstleistungs-Start-ups, die indem Hype jedoch etwas untergehen.

Ein wichtiges Muster ist, mit einer kleinen technologischen In-novation einen Prozess zu beschleunigen, zu verbessern undkostengünstiger zu machen.

Die viasto GmbH zum Beispiel bietet zeitversetzte Videointer-views im Recruiting an – eine der coolsten und nutzbringend-sten Innovationen der letzten Jahre. Die Gründer von viastokommen aus der Eignungsdiagnostik. Die Eignungsdiagnosti-ker haben sich Gedanken gemacht: Wie kann ich durch neueTechnologien, nämlich durch Videos, die Einstellungsprozessebesser und schneller machen? Und in solchen Mustern liegtder ganz große Faktor für die Unternehmen. Also erstens hilftes den Unternehmen? Da bin ich wieder bei meinem Syndrom,die Welt besser zu machen. Solche Dinge sind auch einfachcool, machen Spaß und haben enormen Mehrwert für Unter-nehmen.

Was ich aber auch feststelle, ist, dass die Start-ups zu häufignur technologisch denken. Das ganze Thema People Businessist komplexer als Software downzuloaden und SaaS zu nutzen.Zudem bieten die Start-ups oftmals zu wenig Beratungsleis-tung für die Umsetzung an. Wenn du Mitarbeiter und Unter-nehmen bei den neuen Arbeitsformen und Wegen nicht beglei-test, findet nicht immer die gewünschte Durchdringung stattund das Start-up kann seine Potenziale oft nicht ausreichendzur Geltung bringen.

HRP: Wie sieht die Führung in der Arbeitswelt 4.0 aus?Grabmeier: Da gibt es noch nicht die einzig wahre Antwort.Die Formen der Betriebssysteme ändern sich. Wir kommen inden letzten Jahrzehnten bzw. Jahrhunderten rein aus der in-dustrialisierten Unternehmensführung die auf Command andControl beruht, die zwischen Denkenden und Handelndenunterscheidet, die Verantwortung entmündigt, indem es Teil-prozesse gibt und die Wissen als Reproduktionsfaktor und nichtals Differenzierung nutzt. Diese Formen und die Geisteshaltungdazu herrschen heute noch in über 80 Prozent der Unterneh-men, vor allen Dingen in den großen Tanker vor – ich meine ein

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fahrlässiges Unterfangen. Haufe umantis beschreibt die neuenOrganisationsformen mit einem Quadranten mit der verschie-denen Betriebssystemen in Unternehmen. Weitere Infos gibtes unter http://vision.haufe.de/quadrant.html).

Ein Unternehmen schafft Hierarchien nicht ab, ganz im Gegen-teil, da Hierarchien für Entscheidungen notwendig sind. Wirbrauchen selbstverständlich auch weiterhin die Command &Control, Hierarchische Steuerung, Steuern nach Zahlen undsolche klassischen Elemente. Wir benötigen aber immer mehrdie Stimulation von Netzwerken, moderatives Führen, einenkooperativer Führungsstil und das beherrschen digitaler Ma-nagementmethoden. Die Herausforderung wird sein, sich inden verschiedenen Organisationsformen sicher zu bewegen.Auf diesen Weg müssen sich Unternehmen und Führungskräf-te machen – je eher desto besser.

HRP: Es heißt immer, dass die Generation Y gar keine Karrieremachen will. Wie können dann Unternehmen erfolgreich sein,wenn die Mitarbeiter diese Art des Erfolgs nicht wollen?Grabmeier: Indem sie die Welt ein bisschen besser machendurch Sinnhaftigkeit. Ich glaube, dass die Vertreter dieser Ge-neration genauso Karriere machen wollen, aber aus der Sinn-haftigkeit heraus. Sie wollen nicht mehr die Karrierestufen, diesich über die Anzahl der Fensterreihen im Büro ergeben. DerBegriff „Karriere“ muss anders definiert werden. Karriere, dienoch pyramidal argumentiert wird und immer nur nach obengiert, ist ein tradiertes Modell der Old Economy. Dennoch gibtes einen großen Anteil der Gen Y, deren Ruf moderner ist alsdie Realität und das ist die andere Seite der gehypten Wunder-kinder. Den überwiegenden Anteil der Gen Y zieht es in großeKonzerne oder gar in Behörden, da sie dort die vermeintlicheSicherheit suchen – die es nicht gibt, aber das wird jeder früheroder später und auch die Gen Y merken.

HRP: Wie sieht Deine Work-Life-Balance aus?Grabmeier: Das ist eine für mich grundsätzlich sehr persönli-che Definitionssache. Ich habe Spaß an meiner Arbeit und mei-nem Leben und ich unterscheide dazwischen nicht so sehr.Meine Arbeit verbinde ich stark mit Sinnhaftigkeit und Inspira-tion und davon zehre ich. Ich wäre nicht authentisch, würde ichmeine Werte und Prinzipien nach der Arbeit, wann immer dasist, ablegen. Das unterscheidet mich sicher von manchen Kon-zernabhängigen, die oft froh sind, wenn sie nicht mehr arbeitenmüssen, weil sie keine Selbsterfüllung in dem sehen, was sietun. Zudem habe ich Hobbies, verschiedene kulturelle Interes-sen und Spaß am Reisen. Ich lebe in einer Patchworkfamilie mitvier Kindern, zwei davon sind von mir. Sport ist eine meinerwichtigsten Säulen. Seit rund zwei Jahren mache ich keinenWettbewerbssport mehr, der mich 35 Jahre lange begleitet hat.Nun trainiere ich nur noch für mich. Aber ich bin sicher, in man-chen Disziplinen will ich es auch in Zukunft nochmal wissen.

HRP: Stephan, vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Infos:Blog: www.stephangrabmeier.deYouTube:

https://www.youtube.com/channel/UC6TMyLigwh5YRT1yrjeAY8Q

HR-Safari Video: https://www.youtube.com/watch?v=BAkCei6U4tUInfos: http://innovation-evangelists.com/fileadmin/Dateien/PDF/flyer_hrsafari_juni_2015.pdf

Facebook: https://www.facebook.com/innovationevangelists

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