44
Nr. 11 – August 2015 | 5 € cursorLatein4EU ZEITSCHRIFT FÜR FREUNDE DER LATEINISCHEN SPRACHE UND EUROPÄISCHEN KULTUR AEC Linz: Abenteuer Antike Seite 3 Textbook European Symbols Seite 4 Sedmak: Lehrerbildung Seite 20 Innsbruck: Dialog mit der Antike Seite 23 Miglbauer: Ovilava Seite 32 Bundesolympiade Latein & Grichisch 2015 Seite 35

cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash August 2015 | 5 euro

cursorLatein4EUZEITSCHRIFT FUumlR FREUNDE DER LATEINISCHEN SPRACHE UND EUROPAumlISCHEN KULTUR

AEC Linz Abenteuer Antike Seite 3

Textbook European Symbols Seite 4

Sedmak LehrerbildungSeite 20

Innsbruck Dialog mit der Antike Seite 23

Miglbauer Ovilava Seite 32

Bundesolympiade Latein amp Grichisch 2015 Seite 35

2

cursor Latein4EU

Editorial

CARISSIMI LECTORES

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo Diese bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Anekdote (vgl S 36) zeigt Bildung hat ihren Preis und ndash Bildung hat mit Freiheit zu tun Wer ungebildet ist ist letztlich ein bdquoSklaveldquo und sitzt womoumlglich ndash dies in einer anderen Anekdote ndash im bdquoTheater wie ein Stein auf dem anderenldquo Wir bieten Ihnen in diesem Cursor einen fulminanten Bogen von Beitraumlgen rund um das Thema bdquoBildungldquo Das Themenwochen-ende bdquoAbenteuer Antikeldquo im Ars Electro-nica Center im Oktober 2015 wird von den AMICI LINGUAE LATINAE mitveran-staltet und wartet u a mit spektakulaumlren Praumlsentationen im weltweit einzigartigen Deep Space 8K auf Ein weiteres topaktuel-les Projekt der AMICI bdquoEuropean Symbols A textbook for European Studentsldquo Dieses Schulbuch fuumlr den Einsatz in Schulen in ganz Europa duumlrfte das erste seiner Art sein ndash informieren Sie sich im englischsprachi-gen Beitrag uumlber dieses hoch innovative Projekt Tibor Navracsics EU-Kommissar fuumlr Erziehung Kultur Jugend und Sport schreibt im Vorwort ldquoThe study of Latin and ancient Greek of the works of Latin and Greek writers and poets is a way of better understanding our past and better charting our future hellip Latin and Greek provide us with a better grasp of why we are what we are This schoolbook devoted to European symbols traces this wonder-ful legacy in a journey leading us among dozens of masterpieces of individual and collective human endeavour inspired by the great examples of ancient times What a great vantage point for building a better worldrdquo

Abenteuer Antike European Symbols ein umfangreicher Luxus-Cursor die AMICI LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv dass fuumlr die Publikation des Cursors keine Zeit war allerdings blieb der Einsatz pro rebus classicis auf allen Ebenen ungebrochen Zur Leistungsbeurteilung NEU finden Sie ebenfalls einen Beitrag inkl einiger Mus-terbeispiele Wenn Sie Ihre Lateinkenntnis-se testen wollen decken Sie die Loumlsungen einfach ab Besonders weise ich auf die Rubrik bdquoLectum pro vobisrdquo hin Konrad P Liessmann geht in seinem neuen Buch sehr scharf mit der bdquoKompetenzorientie-rungrdquo ins Gericht ndash hier ein paar Passagen aus einem sehr lesenswerten Buch das jedenfalls zur Diskussion anregen sollte AMICUS Christoph Gruber neu in der Redaktion des Cursors sei somit herzlich begruumlszligt Er hat fuumlr Sie die wesentlichen Inhalte der Bildungsrede Wolfgang Illauers zusammengefasstClemens Sedmak seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am Kingrsquos College London hat uns einen beeindruckenden Aufsatz zum hochaktuellen Thema bdquoLehrerinnen bilden (sich selbst)rdquo geschenkt ndash mit bemerkens-werten Verweisen auf die antike Literatur Beeindruckende Berichte aus dem Bereich der Archaumlologie in Innsbruck und Wels ein kurzer franzoumlsischer Beitrag uumlber bilingu-alen Unterricht in Frankreich sowie einige Informationen zum Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische Studien runden das bunte Panorama ab Nicht zu vergessen die Nachlese auf die 27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 2015 Renate Glas verfuumlhrt Sie schlieszliglich in die Welt des Weines In vino veritas ndash in vino feritas Somit wuumlnschen wir uns dass Sie unseren AMICI-Neustart wohlwollend begleiten und auch den beigelegten Zahlschein wid-mungsgemaumlszlig verwenden ndash Ihnen jedenfalls eine aumluszligerst anregende Lektuumlre verbunden mit zwei EinladungenBesuchen Sie uns im AEC Linz vom 8-11102015 Das ldquoAbenteuer Antikerdquo wird jedenfalls halten was es versprichtBestellen Sie die AMICI-Publikation ldquo Eu-ropean Symbolsrdquo (144 S faumlrbig hardcover) bis zum 31122015 zum Subskriptionspreis von lediglich 14 euro

Cordialiter vos saluto

Peter Glatz

INHALT

Ars Electronica Center Abenteuer Antike 3Peter Glatz Andreas Thiel

European Symbols 4Peter Glatz Andreas Thiel

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und Griechisch 9Peter Glatz

Lectum pro vobis Liessmann Geis-terstunde 16

Was ist Bildung 17Wolfgang Illauer

In vino veritas ndash in vino feritas 19Renate Glas

Lehrerinnen bilden (sich selbst) 20Clemens Sedmak

Amicus Gruber 22

Im Dialog mit der Antike 23Helmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer

Raumltsel Sententiae Latinae 25

Enseigner le bilinguisme Latin - Grec 29Anne-Marie Chazal

Gefluumlgelte Worte aus der Antike 30Klaus Bartels

Wels ndash Ovilava autonome Stadt 32Renate Miglbauer

Jahrtausendworte ndash 27 Bundes-olympiade Latein amp Griechisch 2015 Kremsmuumlnster 35Peter Glatz Klaus Bartls

Neulatein und das moderne Europa ndash Ludwig Boltzmann Institut 38Stefan Tilg

Amicus Schatzl 40

Amicus Schlager-Weidinger 41

Buch- amp Medientipps 42

Scrabble in lingua Latina 43

Linktipps 43

Nr 11 ndash AUGUST 2015 3

cursor Latein4EU

Die Uumlberzeugung von der Wichtig-keit des Blicks in die Vergangenheit fuumlr die Gegenwart von der enormen Bedeutsamkeit der humanistischen Tradition Europas fuumlr das Leben heute im gemeinsamen Europa schlicht das Bewusstsein dass Gegenwart und Vergangenheit untrennbar miteinander verbunden sind lieszlig die gemeinsame Projektidee der fuumlnf Projektpartner

bull Ars Electronica AECbull Landesmuseum OOumlbull Arge Latein OOuml am LSR OOumlbull Centrum Latinitatis Europae CLEbull AMICI LINGUAE LATINAE ALL

schnell Gestalt annehmen Im Zeitalter der digitalen Revolution ist der Blick in die Vergangenheit noumltig fuumlr die Ent-wicklung neuer Gesellschaftsmodelle eines neuen Menschenbildes Waren die letzten Jahrzehnte gepraumlgt vom Imperativ bdquoZuruumlck zur Naturldquo so heiszligt der aktuelle Imperativ bdquoZuruumlck zum Menschenldquo So gibt es z B seit 2009 im Ars Electronica Center Linz eine Ausstellung zum Thema bdquoNeue Bilder vom Menschenldquo fuumlr Schulen wird das PhiloLab sozusagen ein bdquogeisteswissen-schaftliches Laborldquo angebotenSomit ist klar die Beschaumlftigung mit der Vergangenheit dient dem Leben der Gegenwart Sei es der Besuch eines archaumlologischen Museums der Besuch einer Pinakothek ein historischer Vor-trag oder sei es eine Unterrichtsstunde in Latein Griechisch oder Geschichte immer geht es um das Verstehen der Gegenwart um die Erkenntnis der Ge-nese eines Sachverhalts um das Wissen der Antwort auf das bdquoWoherldquo und somit um die Befaumlhigung zum Leben des bdquoJetztldquo

bdquoAbenteuer AntikeldquoThemenwochenende am 8ndash11102015Peter Glatz Andreas Thiel

Abenteuer Antike ndash unter diesem Motto steht das Themenwochenende das erstmals in Kooperation von fuumlnf Projektpartnern durchgefuumlhrt wird Ein aumluszligerst spannender und kurzweiliger Veranstaltungsreigen spannt den Bogen von antiker Archaumlologie und Mythologie bis zur Identitaumlt Europas in der Gegenwart Dies mit Unterstuumlt-zung von weltweit einzigartiger Technik im AEC Linz ndash der Deep Space 8K wurde am 782015 eroumlffnet Da sollte fuumlr jeden etwas dabei sein

Donnerstag 8102015 Ort

900-1700

Seminar bdquoAbenteuer Antikeldquo an der PH der Dioumlzese Linz im Rahmen der Lehrerinnen-FortbildungThemenschwerpunkte antike Astronomie ndash der Mechanismus von Antikythera techneacute ndash was Kunst und Technologie verbindet Faszination Archaumlologie ndash der Pergamon-Altar und andere archaumlo-logische Sehenswuumlrdigkeiten im Deep Space Fuumlhrung im AEC

AEC

2000

Eroumlffnung im neuen Deep Space 8K Kulturelles Erbe ndash Tabula PeutingerianaDr Andreas Fingernagel Oumlsterreichische NationalbibliothekDr Stefan Traxler Landesmuseum Oberoumlsterreich

AECDeep Space

Freitag 9102015

1900

Vortrag bdquoDie klassischen Sagen des Altertumsldquo Autor Michael KoumlhlmeierPodiumsdiskussion zum Thema bdquoGegenwart der AntikeldquoTeilnehmerinnenMichael Koumlhlmeier Martin Hochleitner Gerfried Stocker Stefan Traxler Peter Glatz Rainer Weiszligengruber

AEC Skyloft

Samstag 10102015

1100-1200

Vortrag bdquoDie erste Gesamtgenealogie zur griechisch-me-diterranen Mythologieldquo Dr Dieter Macek

AECDeep Space

1300-1530

Philo-Lab 15-20 TN AEC

1300-1400

Fuumlhrung durch die Ausstellung bdquoArchaumlologieldquo im Linzer Schloss

Schloss-museum

1430-1530

Vortrag bdquoArchaumlologie in Oberoumlsterreich 2015ldquoDr Jutta Leskovar Dr Stefan Traxler

AEC Deep Space

1630-1730

Vortrag bdquoWo die Antike lebt Von Architektur bis Zeit-rechnungldquo BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

AEC Deep Space

Sonntag 11102015

1100-1145

Vortrag bdquoEuropean Symbols ndash wie die Antike Europa ver-bindetldquo Mag Peter Glatz Dr Andreas Thiel

AEC Deep Space

1145-1230

Vortrag bdquoAquileia als Bindeglied zwischen Nord und SuumldldquoDr Rainer Weiszligengruber

AEC Deep Space

1300-1530

Philo-Lab15-20 TN AEC

1300-1400

Fuumlhrung durch die Ausstellung bdquoArchaumlologieldquo im Linzer Schloss

Schloss-museum

1430-1530

Vortrag bdquoUnsichtbares Rom Eine Entdeckungsreise in 3-Dldquo Dr Stefan Traxler

AEC Deep Space

1630-1730

Vortrag bdquoGoogle Art Project Der PergamonaltarldquoUniv-Prof Dr Martin Hochleitner

AEC Deep Space

4

cursor Latein4EU

The idea of the project ldquoEuropean Sym-bolsrdquo was created by the Austrian teachers of Latin Peter Glatz and Andreas Thiel in 2008 promotors of the AMICI LINGUAE LATINAE The project itself was approved by the general assembly of Euroclassica in Ohrid in 2009 In the following years all European nations were invited to join in Each contribution should be written by a member of the state where the described national symbols was from The cooperati-on of teachers all over Europe should create a book used by students and teachers all over Europe By reading this book the readers will be able to keep a national context while at the same time opening up their personal view to a wider ndash European ndash context The aim of being tought Latin with this book is that pupils get an idea of what Europe is ndash based on main ideas coming from Roman and of course Greek antiquity Our pupils should be aware they are European citizens

The fascinating idea of the European Union is represented in this common schoolbook for all European students of the classical languages showing the common cultural roots of EuropeEach didactic article shows the reception of classical culture and thinking in politics social norms art literature philosophy law etc corresponding to the chosen genuine national symbol a truly relevant popular text or person of national interest and popularity The population of the coun-try should be ready to identify on a broad national consensus with the choice All texts are introduced commented and sup-plied with suitable illustrations or pictures Special effort was taken in finding sufficient well-considered questions of interpretation to go with the texts

There is no reference to either national curricula or any national books Trans-lations teacher handbooks and further online materials will be offered on wwweuroclassicaeu As English is taught as the first foreign language in most countries of Europe the language of the schoolbook is English thus catering for optional bilingual

ldquoEuropean Symbolsrdquo ndash a school-book for European studentsAn educational project with a European focus supported by EUROCLASSICA and AMICI LINGUAE LATINAEPeter Glatz Andreas Thiel

ISBN 978-3-200-04203-2

EuropEanSymbolSUnited in Diversity

Peter Glatz ndash Andreas Thiel

Nr 11 ndash AUGUST 2015 5

cursor Latein4EU

teaching in each European country but of course also allowing traditional treatment of the central European texts in the mother tongue

In the first edition of European Symbols there are contributions of 20 countries of Europe1 Austria 11 Lithuania2 Belgium 12 Malta3 Croatia 13 Macedonia (Fyrom) 4 Czechia 14 The Netherlands5 Denmark 15 Portugal6 France 16 Romania7 Germany 17 Russia8 Great Britain 18 Spain9 Greece 19 Sweden10 Italy 20 Switzerland

As follows you can find the Austrian part of the European schoolbook presenting the Karlskirche of Vienna as a beautiful example of Habsburg architecture based on the concept of the ldquotranslatio imperiirdquo the Belgian part on Erasmusrsquo Panegyric for a Prince as a joyous entry into political culture the Croatian contribution on the father of Croatian literature the Croatian Dante Marcus Marulus Czechiarsquos part on ancient heroes in Baroque Olomouc Denmarkrsquos contribution on Holbergrsquos Nicolai Klimii Iter Subterraneum Francersquos part on famous waterroutes and bridges in Roman Gaul Germanyrsquos contribution on Melanchtonrsquos impact Great Britainrsquos part on the Magna Carta the Greek contributi-on on C P Cavafyrsquos mythological-didactic poem Ithaca (Greek) the Italian part on the Loggia dei Lanzi and Dante Alighieri the Lithuanian contribution on the cathe-dral of Vilnius the Lithuanian Parthenon Maltarsquos part on Thrinax of the Maltese the contributions of Macedonia (Greek and La-tin) on Grigor Prlichev and his Greek epic on the freedom fighter Skanderbei which

bears clear allusions to Homerrsquos Iliad and on Tauresium the birthplace of Justinian I the Dutch part on Desiderius Erasmusrsquo Praise of Folly which reflects his lasting impression on European thoughts and views the Portuguese contribution on the University of Coimbra the Romanian part on Dimitrie Cantemirrsquos Descriptio Molda-viae the Russian contribution on Sigis-mund von Herbersteinrsquos Rerum Moscovi-ticarum Commentarii which report on his experiences in Russia in the 16th century the Spanish part on the theatre of Merida the Swedish contribution on the Wasa war-ship whose hull and beak are full of figures from Greek myths and Roman emperors and the Swiss contribution on the freedom fighter Wilhelm Tell

This publication of the first edition of Euro-pean Symbols was generously supported by the Vice Chancellor of the Republic of Aust-ria Dr Reinhold Mitterlehner especially by the member of the provincial government of Upper Austria Mag Doris Hummer by several companies the Austrian the Dutch and the German Associations of Classical teachers the Euroclassica and last but not least by the AMICI LINGUAE LATINAE

The first edition of European Symbols will be presented at the Congres of Euroclassica held in ValettaMalta August 28 to August 30 2015Of course all countries which have not joined in are invited to send their contribu-tions be implemented in the next edition of European Symbols

Ordering European Symbols please con-sider the payment terms

In the following youll find three pages of the textbook European Symbols

Payment Terms

bull until December 31 2015 14euro (subscription price)bull from January 1 2016 16eurobull attractive bulk pricing (without postage)

number of copies price

1-4 16euro

5-10 13euro

11-30 10euro

gt31 by arrangement Postage Prices (Europe 2015)

number of copies

letter parcel

1 720euro x

2-3 990euro x

4-6 x 1509euro

7-15 x 1909euro

16-32 x 2906euro

33-50 x 3916euro

packaging and toll

166euro 316euro

Postage prices are subject to change

Payments in Euro should be made to the following bank accountBeneficiary Peter GlatzIBAN AT76 1860 0002 1126 5949BIC VKBLAT2LPayment reference Symbols name invoice number

Contact peterglatzeduhiat and athieleduhiat

That which ties a citizen to his country should not be disregarded However more attention should be given to the impressive legacy that makes that citizen also a citizen of Europe One identity does not exclude the other They actually complement each otherThis schoolbook is particularly well suited to the task of showing the complementarity between these identities but also concretely portraying the shared culture which unites us It allows the reader to keep a national

context while at the same time opening up that personrsquos views to a wider context This is the type of innovation in educational textbooks which should be wholeheartedly supportedI am certain that European Symbols will prove to be a very useful guide and also an important contribution to the movement which believes that our European identity should be better integrated into education programmes

Martin SchulzPresident of the European Parliament

6

cursor Latein4EU

13

Dear students

In a European motto contest held in the year 2000 students

from the then 15 EU member states submitted their ideas

These are the mottoes that made it onto the shortlist

ldquoPeace freedom solidarityrdquo

ldquoOur diversity is our strengthrdquo

ldquoUniied for peace and

democracyrdquo

ldquoUnited in freedomrdquo

ldquoOld continent ndash new hoperdquo

ldquoAll diferent all Europeansrdquo

ldquoUnited in diversityrdquo

Eventually the winning entry ndash the last suggestion above

slightly modiied ndash was submitted for oicial approval United in

diversity The motto was accepted by Nicole Fontaine the then

President of the European Parliament and was subsequently

included in the treaty establishing a Constitution for Europe

which has still not been ratiied

What is striking is the close similarity between the European

motto and the motto of the USA E pluribus unum1

Even from the small number of mottoes listed above it becomes

apparent that Europe is irst and foremost a community of

shared values and that ultimately it is humans and their

harmonious life side by side that are at the centre of all political

and societal activities

It is the task of politics at a general European level and also at

the national levels of the individual member states to enhance

and irmly embed this European idea in the consciousness

of all European citizens Its declared aim is to advance a kind

of political reasoning that is aware of its roots going back

to ancient Rome viewing democracy and the welfare state

ndash which many young people of today erroneously tend to

perceive as given since time immemorial ndash as the fruits of a

historic process evolved out of conlicts and if need be worth

being defended and fought for

Since classical antiquity there have been numerous examples

of people overcoming a purely nation-centred outlook

According to Diogenes Laertios the philosopher Diogenes of

Sinope when asked where he was from replied that he was a

citizen of the world This statement is also quoted in Erasmus

of Rotterdamrsquos Apophthegmes a collection of sayings that

Erasmus referred to as ldquoEgregia dictardquo Their intended purpose

was to advise people in a variety of situations

Interrogatus a quopiam cuias esset Diogenes respondit

κοσμοπολίτης id est civis mundi signiicans philosophum

ubicumque locorum agat in sua patria vivere (Apophtegmata

III Diogenes 171 )

quispiam quidpiam (n) somebody cuias -atis m citizen of which state

When Alexander the Great was engaged in his campaign of

conquest (334-324 BC) it was something of a irst globalisation

of the Greek world The Pax Augusta of the late 1st century

BC was yet another instance of globalisation ndash of the Roman

sphere of inluence

Emperor Marcus Aurelius (161-180 AD) the lsquophilosopher kingrsquo

though a Roman citizen from birth regarded himself at the

same time as a citizen of the world ndash presumably in the sense of

the open-minded Stoic school of philosophy in which he was

brought up

He resolved the apparent dichotomy between his Roman

citizenship and his world citizenship as derived from Greek

philosophy with these words

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ

ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι

ἀγαθά (M Aurelius ad se ipsum 6 44 a)

For me as Marcus Aurelius Antoninus Rome is my poacutelis (my polity)

and my patriacutes (my native country) for me as a human being

however it is the world ndash koacutesmos And I consider everything that

is simultaneously propitious to both these polities to be goodrdquo (M

Aurelius ad se ipsum 644 a)2

Living today we might ind it hard fully to grasp the

revolutionary potential of the term lsquocitizen of the worldrsquo at

that time This statement was bound to be perceived as

momentous in a world lacking the modern media and means

of transport which have turned our world into the proverbial

global village And yet even today we are more than ever in

need of a spirit of global citizenship ndash the awareness of global

interconnectedness and of the shared responsibility of humans

for one another all over the globe

In the context of this publication the notion of transcending

national borders and of global mutual responsibility means

We are European citizens

Though grounded in diferent regional traditions we are

Europeans united in diversity

This thought makes us conident you will enjoy these intriguing

European texts

Peter Glatz and Andreas Thiel August 29 2015

1 See httpdewikipediaorgwikiEuropamotto (accessed June 9 2015)2 See Bartels Klaus Jahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochen DarmstadtMainz Zabern 2011 p 79

Further information on the topic ibid Chapter 5 ldquoGlobal Villagerdquo

european symbols

europeansymbold_Final_3indd 13 07072015 161625

Nr 11 ndash AUGUST 2015 7

cursor Latein4EU

74italy

italyan open-air sculpture Gallery of Classics he loggia dei lanzi Florence serena Ferrando

The Loggia dei Lanzi which is also known as the Loggia della Signoria is a

very famous building on a corner of Piazza della Signoria in Florence near the

Uizi Gallery This very beautiful loggia was built between 1376 and 1382 in

order to contain the public assemblies of the people of Florence and to hold the im-

portant ceremonies of that time In fact we can consider this loggia as a wonder-

ful open-air sculpture gallery of ancient and Renaissance art because there are a lot

of beautiful sculptures of these periods It got its name during the reign of Grand

Duke Cosimo I when it was used by his military army of Landsknechts (in Italian Lan-

zichenecchi corrupted to Lanzi) When the palace of Uizi was built the loggia was

modiied the roof becoming a beautiful terrace from which the Medici could watch

important public ceremonies

In the loggia we can admire Menelaus supporting the body of Patroclus a much-re-

stored Roman sculpture from the Flavian era copied from a Hellenistic original This

beautiful and pathetic group recalls the cycle of Troy because the two heroes are two

of the most important heroes of the Trojan war

The bronze statue of Perseus by Benvenuto Cellini is perhaps the most famous in this

Loggia This mythical young Greek hero has an enigmatic look in this fatal moment

he is holding his sword in his right hand in front of the spectator and holding up Me-

dusas head in his left while the blood gushes from it

Figure 47 The Loggia dei Lanzi

Figure 48 Menelaus and Patroclus

Figure 49 Perseus

Europeansymbold_Final_3indd 74 07072015 161651

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 2: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

2

cursor Latein4EU

Editorial

CARISSIMI LECTORES

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo Diese bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Anekdote (vgl S 36) zeigt Bildung hat ihren Preis und ndash Bildung hat mit Freiheit zu tun Wer ungebildet ist ist letztlich ein bdquoSklaveldquo und sitzt womoumlglich ndash dies in einer anderen Anekdote ndash im bdquoTheater wie ein Stein auf dem anderenldquo Wir bieten Ihnen in diesem Cursor einen fulminanten Bogen von Beitraumlgen rund um das Thema bdquoBildungldquo Das Themenwochen-ende bdquoAbenteuer Antikeldquo im Ars Electro-nica Center im Oktober 2015 wird von den AMICI LINGUAE LATINAE mitveran-staltet und wartet u a mit spektakulaumlren Praumlsentationen im weltweit einzigartigen Deep Space 8K auf Ein weiteres topaktuel-les Projekt der AMICI bdquoEuropean Symbols A textbook for European Studentsldquo Dieses Schulbuch fuumlr den Einsatz in Schulen in ganz Europa duumlrfte das erste seiner Art sein ndash informieren Sie sich im englischsprachi-gen Beitrag uumlber dieses hoch innovative Projekt Tibor Navracsics EU-Kommissar fuumlr Erziehung Kultur Jugend und Sport schreibt im Vorwort ldquoThe study of Latin and ancient Greek of the works of Latin and Greek writers and poets is a way of better understanding our past and better charting our future hellip Latin and Greek provide us with a better grasp of why we are what we are This schoolbook devoted to European symbols traces this wonder-ful legacy in a journey leading us among dozens of masterpieces of individual and collective human endeavour inspired by the great examples of ancient times What a great vantage point for building a better worldrdquo

Abenteuer Antike European Symbols ein umfangreicher Luxus-Cursor die AMICI LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv dass fuumlr die Publikation des Cursors keine Zeit war allerdings blieb der Einsatz pro rebus classicis auf allen Ebenen ungebrochen Zur Leistungsbeurteilung NEU finden Sie ebenfalls einen Beitrag inkl einiger Mus-terbeispiele Wenn Sie Ihre Lateinkenntnis-se testen wollen decken Sie die Loumlsungen einfach ab Besonders weise ich auf die Rubrik bdquoLectum pro vobisrdquo hin Konrad P Liessmann geht in seinem neuen Buch sehr scharf mit der bdquoKompetenzorientie-rungrdquo ins Gericht ndash hier ein paar Passagen aus einem sehr lesenswerten Buch das jedenfalls zur Diskussion anregen sollte AMICUS Christoph Gruber neu in der Redaktion des Cursors sei somit herzlich begruumlszligt Er hat fuumlr Sie die wesentlichen Inhalte der Bildungsrede Wolfgang Illauers zusammengefasstClemens Sedmak seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am Kingrsquos College London hat uns einen beeindruckenden Aufsatz zum hochaktuellen Thema bdquoLehrerinnen bilden (sich selbst)rdquo geschenkt ndash mit bemerkens-werten Verweisen auf die antike Literatur Beeindruckende Berichte aus dem Bereich der Archaumlologie in Innsbruck und Wels ein kurzer franzoumlsischer Beitrag uumlber bilingu-alen Unterricht in Frankreich sowie einige Informationen zum Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische Studien runden das bunte Panorama ab Nicht zu vergessen die Nachlese auf die 27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 2015 Renate Glas verfuumlhrt Sie schlieszliglich in die Welt des Weines In vino veritas ndash in vino feritas Somit wuumlnschen wir uns dass Sie unseren AMICI-Neustart wohlwollend begleiten und auch den beigelegten Zahlschein wid-mungsgemaumlszlig verwenden ndash Ihnen jedenfalls eine aumluszligerst anregende Lektuumlre verbunden mit zwei EinladungenBesuchen Sie uns im AEC Linz vom 8-11102015 Das ldquoAbenteuer Antikerdquo wird jedenfalls halten was es versprichtBestellen Sie die AMICI-Publikation ldquo Eu-ropean Symbolsrdquo (144 S faumlrbig hardcover) bis zum 31122015 zum Subskriptionspreis von lediglich 14 euro

Cordialiter vos saluto

Peter Glatz

INHALT

Ars Electronica Center Abenteuer Antike 3Peter Glatz Andreas Thiel

European Symbols 4Peter Glatz Andreas Thiel

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und Griechisch 9Peter Glatz

Lectum pro vobis Liessmann Geis-terstunde 16

Was ist Bildung 17Wolfgang Illauer

In vino veritas ndash in vino feritas 19Renate Glas

Lehrerinnen bilden (sich selbst) 20Clemens Sedmak

Amicus Gruber 22

Im Dialog mit der Antike 23Helmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer

Raumltsel Sententiae Latinae 25

Enseigner le bilinguisme Latin - Grec 29Anne-Marie Chazal

Gefluumlgelte Worte aus der Antike 30Klaus Bartels

Wels ndash Ovilava autonome Stadt 32Renate Miglbauer

Jahrtausendworte ndash 27 Bundes-olympiade Latein amp Griechisch 2015 Kremsmuumlnster 35Peter Glatz Klaus Bartls

Neulatein und das moderne Europa ndash Ludwig Boltzmann Institut 38Stefan Tilg

Amicus Schatzl 40

Amicus Schlager-Weidinger 41

Buch- amp Medientipps 42

Scrabble in lingua Latina 43

Linktipps 43

Nr 11 ndash AUGUST 2015 3

cursor Latein4EU

Die Uumlberzeugung von der Wichtig-keit des Blicks in die Vergangenheit fuumlr die Gegenwart von der enormen Bedeutsamkeit der humanistischen Tradition Europas fuumlr das Leben heute im gemeinsamen Europa schlicht das Bewusstsein dass Gegenwart und Vergangenheit untrennbar miteinander verbunden sind lieszlig die gemeinsame Projektidee der fuumlnf Projektpartner

bull Ars Electronica AECbull Landesmuseum OOumlbull Arge Latein OOuml am LSR OOumlbull Centrum Latinitatis Europae CLEbull AMICI LINGUAE LATINAE ALL

schnell Gestalt annehmen Im Zeitalter der digitalen Revolution ist der Blick in die Vergangenheit noumltig fuumlr die Ent-wicklung neuer Gesellschaftsmodelle eines neuen Menschenbildes Waren die letzten Jahrzehnte gepraumlgt vom Imperativ bdquoZuruumlck zur Naturldquo so heiszligt der aktuelle Imperativ bdquoZuruumlck zum Menschenldquo So gibt es z B seit 2009 im Ars Electronica Center Linz eine Ausstellung zum Thema bdquoNeue Bilder vom Menschenldquo fuumlr Schulen wird das PhiloLab sozusagen ein bdquogeisteswissen-schaftliches Laborldquo angebotenSomit ist klar die Beschaumlftigung mit der Vergangenheit dient dem Leben der Gegenwart Sei es der Besuch eines archaumlologischen Museums der Besuch einer Pinakothek ein historischer Vor-trag oder sei es eine Unterrichtsstunde in Latein Griechisch oder Geschichte immer geht es um das Verstehen der Gegenwart um die Erkenntnis der Ge-nese eines Sachverhalts um das Wissen der Antwort auf das bdquoWoherldquo und somit um die Befaumlhigung zum Leben des bdquoJetztldquo

bdquoAbenteuer AntikeldquoThemenwochenende am 8ndash11102015Peter Glatz Andreas Thiel

Abenteuer Antike ndash unter diesem Motto steht das Themenwochenende das erstmals in Kooperation von fuumlnf Projektpartnern durchgefuumlhrt wird Ein aumluszligerst spannender und kurzweiliger Veranstaltungsreigen spannt den Bogen von antiker Archaumlologie und Mythologie bis zur Identitaumlt Europas in der Gegenwart Dies mit Unterstuumlt-zung von weltweit einzigartiger Technik im AEC Linz ndash der Deep Space 8K wurde am 782015 eroumlffnet Da sollte fuumlr jeden etwas dabei sein

Donnerstag 8102015 Ort

900-1700

Seminar bdquoAbenteuer Antikeldquo an der PH der Dioumlzese Linz im Rahmen der Lehrerinnen-FortbildungThemenschwerpunkte antike Astronomie ndash der Mechanismus von Antikythera techneacute ndash was Kunst und Technologie verbindet Faszination Archaumlologie ndash der Pergamon-Altar und andere archaumlo-logische Sehenswuumlrdigkeiten im Deep Space Fuumlhrung im AEC

AEC

2000

Eroumlffnung im neuen Deep Space 8K Kulturelles Erbe ndash Tabula PeutingerianaDr Andreas Fingernagel Oumlsterreichische NationalbibliothekDr Stefan Traxler Landesmuseum Oberoumlsterreich

AECDeep Space

Freitag 9102015

1900

Vortrag bdquoDie klassischen Sagen des Altertumsldquo Autor Michael KoumlhlmeierPodiumsdiskussion zum Thema bdquoGegenwart der AntikeldquoTeilnehmerinnenMichael Koumlhlmeier Martin Hochleitner Gerfried Stocker Stefan Traxler Peter Glatz Rainer Weiszligengruber

AEC Skyloft

Samstag 10102015

1100-1200

Vortrag bdquoDie erste Gesamtgenealogie zur griechisch-me-diterranen Mythologieldquo Dr Dieter Macek

AECDeep Space

1300-1530

Philo-Lab 15-20 TN AEC

1300-1400

Fuumlhrung durch die Ausstellung bdquoArchaumlologieldquo im Linzer Schloss

Schloss-museum

1430-1530

Vortrag bdquoArchaumlologie in Oberoumlsterreich 2015ldquoDr Jutta Leskovar Dr Stefan Traxler

AEC Deep Space

1630-1730

Vortrag bdquoWo die Antike lebt Von Architektur bis Zeit-rechnungldquo BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

AEC Deep Space

Sonntag 11102015

1100-1145

Vortrag bdquoEuropean Symbols ndash wie die Antike Europa ver-bindetldquo Mag Peter Glatz Dr Andreas Thiel

AEC Deep Space

1145-1230

Vortrag bdquoAquileia als Bindeglied zwischen Nord und SuumldldquoDr Rainer Weiszligengruber

AEC Deep Space

1300-1530

Philo-Lab15-20 TN AEC

1300-1400

Fuumlhrung durch die Ausstellung bdquoArchaumlologieldquo im Linzer Schloss

Schloss-museum

1430-1530

Vortrag bdquoUnsichtbares Rom Eine Entdeckungsreise in 3-Dldquo Dr Stefan Traxler

AEC Deep Space

1630-1730

Vortrag bdquoGoogle Art Project Der PergamonaltarldquoUniv-Prof Dr Martin Hochleitner

AEC Deep Space

4

cursor Latein4EU

The idea of the project ldquoEuropean Sym-bolsrdquo was created by the Austrian teachers of Latin Peter Glatz and Andreas Thiel in 2008 promotors of the AMICI LINGUAE LATINAE The project itself was approved by the general assembly of Euroclassica in Ohrid in 2009 In the following years all European nations were invited to join in Each contribution should be written by a member of the state where the described national symbols was from The cooperati-on of teachers all over Europe should create a book used by students and teachers all over Europe By reading this book the readers will be able to keep a national context while at the same time opening up their personal view to a wider ndash European ndash context The aim of being tought Latin with this book is that pupils get an idea of what Europe is ndash based on main ideas coming from Roman and of course Greek antiquity Our pupils should be aware they are European citizens

The fascinating idea of the European Union is represented in this common schoolbook for all European students of the classical languages showing the common cultural roots of EuropeEach didactic article shows the reception of classical culture and thinking in politics social norms art literature philosophy law etc corresponding to the chosen genuine national symbol a truly relevant popular text or person of national interest and popularity The population of the coun-try should be ready to identify on a broad national consensus with the choice All texts are introduced commented and sup-plied with suitable illustrations or pictures Special effort was taken in finding sufficient well-considered questions of interpretation to go with the texts

There is no reference to either national curricula or any national books Trans-lations teacher handbooks and further online materials will be offered on wwweuroclassicaeu As English is taught as the first foreign language in most countries of Europe the language of the schoolbook is English thus catering for optional bilingual

ldquoEuropean Symbolsrdquo ndash a school-book for European studentsAn educational project with a European focus supported by EUROCLASSICA and AMICI LINGUAE LATINAEPeter Glatz Andreas Thiel

ISBN 978-3-200-04203-2

EuropEanSymbolSUnited in Diversity

Peter Glatz ndash Andreas Thiel

Nr 11 ndash AUGUST 2015 5

cursor Latein4EU

teaching in each European country but of course also allowing traditional treatment of the central European texts in the mother tongue

In the first edition of European Symbols there are contributions of 20 countries of Europe1 Austria 11 Lithuania2 Belgium 12 Malta3 Croatia 13 Macedonia (Fyrom) 4 Czechia 14 The Netherlands5 Denmark 15 Portugal6 France 16 Romania7 Germany 17 Russia8 Great Britain 18 Spain9 Greece 19 Sweden10 Italy 20 Switzerland

As follows you can find the Austrian part of the European schoolbook presenting the Karlskirche of Vienna as a beautiful example of Habsburg architecture based on the concept of the ldquotranslatio imperiirdquo the Belgian part on Erasmusrsquo Panegyric for a Prince as a joyous entry into political culture the Croatian contribution on the father of Croatian literature the Croatian Dante Marcus Marulus Czechiarsquos part on ancient heroes in Baroque Olomouc Denmarkrsquos contribution on Holbergrsquos Nicolai Klimii Iter Subterraneum Francersquos part on famous waterroutes and bridges in Roman Gaul Germanyrsquos contribution on Melanchtonrsquos impact Great Britainrsquos part on the Magna Carta the Greek contributi-on on C P Cavafyrsquos mythological-didactic poem Ithaca (Greek) the Italian part on the Loggia dei Lanzi and Dante Alighieri the Lithuanian contribution on the cathe-dral of Vilnius the Lithuanian Parthenon Maltarsquos part on Thrinax of the Maltese the contributions of Macedonia (Greek and La-tin) on Grigor Prlichev and his Greek epic on the freedom fighter Skanderbei which

bears clear allusions to Homerrsquos Iliad and on Tauresium the birthplace of Justinian I the Dutch part on Desiderius Erasmusrsquo Praise of Folly which reflects his lasting impression on European thoughts and views the Portuguese contribution on the University of Coimbra the Romanian part on Dimitrie Cantemirrsquos Descriptio Molda-viae the Russian contribution on Sigis-mund von Herbersteinrsquos Rerum Moscovi-ticarum Commentarii which report on his experiences in Russia in the 16th century the Spanish part on the theatre of Merida the Swedish contribution on the Wasa war-ship whose hull and beak are full of figures from Greek myths and Roman emperors and the Swiss contribution on the freedom fighter Wilhelm Tell

This publication of the first edition of Euro-pean Symbols was generously supported by the Vice Chancellor of the Republic of Aust-ria Dr Reinhold Mitterlehner especially by the member of the provincial government of Upper Austria Mag Doris Hummer by several companies the Austrian the Dutch and the German Associations of Classical teachers the Euroclassica and last but not least by the AMICI LINGUAE LATINAE

The first edition of European Symbols will be presented at the Congres of Euroclassica held in ValettaMalta August 28 to August 30 2015Of course all countries which have not joined in are invited to send their contribu-tions be implemented in the next edition of European Symbols

Ordering European Symbols please con-sider the payment terms

In the following youll find three pages of the textbook European Symbols

Payment Terms

bull until December 31 2015 14euro (subscription price)bull from January 1 2016 16eurobull attractive bulk pricing (without postage)

number of copies price

1-4 16euro

5-10 13euro

11-30 10euro

gt31 by arrangement Postage Prices (Europe 2015)

number of copies

letter parcel

1 720euro x

2-3 990euro x

4-6 x 1509euro

7-15 x 1909euro

16-32 x 2906euro

33-50 x 3916euro

packaging and toll

166euro 316euro

Postage prices are subject to change

Payments in Euro should be made to the following bank accountBeneficiary Peter GlatzIBAN AT76 1860 0002 1126 5949BIC VKBLAT2LPayment reference Symbols name invoice number

Contact peterglatzeduhiat and athieleduhiat

That which ties a citizen to his country should not be disregarded However more attention should be given to the impressive legacy that makes that citizen also a citizen of Europe One identity does not exclude the other They actually complement each otherThis schoolbook is particularly well suited to the task of showing the complementarity between these identities but also concretely portraying the shared culture which unites us It allows the reader to keep a national

context while at the same time opening up that personrsquos views to a wider context This is the type of innovation in educational textbooks which should be wholeheartedly supportedI am certain that European Symbols will prove to be a very useful guide and also an important contribution to the movement which believes that our European identity should be better integrated into education programmes

Martin SchulzPresident of the European Parliament

6

cursor Latein4EU

13

Dear students

In a European motto contest held in the year 2000 students

from the then 15 EU member states submitted their ideas

These are the mottoes that made it onto the shortlist

ldquoPeace freedom solidarityrdquo

ldquoOur diversity is our strengthrdquo

ldquoUniied for peace and

democracyrdquo

ldquoUnited in freedomrdquo

ldquoOld continent ndash new hoperdquo

ldquoAll diferent all Europeansrdquo

ldquoUnited in diversityrdquo

Eventually the winning entry ndash the last suggestion above

slightly modiied ndash was submitted for oicial approval United in

diversity The motto was accepted by Nicole Fontaine the then

President of the European Parliament and was subsequently

included in the treaty establishing a Constitution for Europe

which has still not been ratiied

What is striking is the close similarity between the European

motto and the motto of the USA E pluribus unum1

Even from the small number of mottoes listed above it becomes

apparent that Europe is irst and foremost a community of

shared values and that ultimately it is humans and their

harmonious life side by side that are at the centre of all political

and societal activities

It is the task of politics at a general European level and also at

the national levels of the individual member states to enhance

and irmly embed this European idea in the consciousness

of all European citizens Its declared aim is to advance a kind

of political reasoning that is aware of its roots going back

to ancient Rome viewing democracy and the welfare state

ndash which many young people of today erroneously tend to

perceive as given since time immemorial ndash as the fruits of a

historic process evolved out of conlicts and if need be worth

being defended and fought for

Since classical antiquity there have been numerous examples

of people overcoming a purely nation-centred outlook

According to Diogenes Laertios the philosopher Diogenes of

Sinope when asked where he was from replied that he was a

citizen of the world This statement is also quoted in Erasmus

of Rotterdamrsquos Apophthegmes a collection of sayings that

Erasmus referred to as ldquoEgregia dictardquo Their intended purpose

was to advise people in a variety of situations

Interrogatus a quopiam cuias esset Diogenes respondit

κοσμοπολίτης id est civis mundi signiicans philosophum

ubicumque locorum agat in sua patria vivere (Apophtegmata

III Diogenes 171 )

quispiam quidpiam (n) somebody cuias -atis m citizen of which state

When Alexander the Great was engaged in his campaign of

conquest (334-324 BC) it was something of a irst globalisation

of the Greek world The Pax Augusta of the late 1st century

BC was yet another instance of globalisation ndash of the Roman

sphere of inluence

Emperor Marcus Aurelius (161-180 AD) the lsquophilosopher kingrsquo

though a Roman citizen from birth regarded himself at the

same time as a citizen of the world ndash presumably in the sense of

the open-minded Stoic school of philosophy in which he was

brought up

He resolved the apparent dichotomy between his Roman

citizenship and his world citizenship as derived from Greek

philosophy with these words

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ

ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι

ἀγαθά (M Aurelius ad se ipsum 6 44 a)

For me as Marcus Aurelius Antoninus Rome is my poacutelis (my polity)

and my patriacutes (my native country) for me as a human being

however it is the world ndash koacutesmos And I consider everything that

is simultaneously propitious to both these polities to be goodrdquo (M

Aurelius ad se ipsum 644 a)2

Living today we might ind it hard fully to grasp the

revolutionary potential of the term lsquocitizen of the worldrsquo at

that time This statement was bound to be perceived as

momentous in a world lacking the modern media and means

of transport which have turned our world into the proverbial

global village And yet even today we are more than ever in

need of a spirit of global citizenship ndash the awareness of global

interconnectedness and of the shared responsibility of humans

for one another all over the globe

In the context of this publication the notion of transcending

national borders and of global mutual responsibility means

We are European citizens

Though grounded in diferent regional traditions we are

Europeans united in diversity

This thought makes us conident you will enjoy these intriguing

European texts

Peter Glatz and Andreas Thiel August 29 2015

1 See httpdewikipediaorgwikiEuropamotto (accessed June 9 2015)2 See Bartels Klaus Jahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochen DarmstadtMainz Zabern 2011 p 79

Further information on the topic ibid Chapter 5 ldquoGlobal Villagerdquo

european symbols

europeansymbold_Final_3indd 13 07072015 161625

Nr 11 ndash AUGUST 2015 7

cursor Latein4EU

74italy

italyan open-air sculpture Gallery of Classics he loggia dei lanzi Florence serena Ferrando

The Loggia dei Lanzi which is also known as the Loggia della Signoria is a

very famous building on a corner of Piazza della Signoria in Florence near the

Uizi Gallery This very beautiful loggia was built between 1376 and 1382 in

order to contain the public assemblies of the people of Florence and to hold the im-

portant ceremonies of that time In fact we can consider this loggia as a wonder-

ful open-air sculpture gallery of ancient and Renaissance art because there are a lot

of beautiful sculptures of these periods It got its name during the reign of Grand

Duke Cosimo I when it was used by his military army of Landsknechts (in Italian Lan-

zichenecchi corrupted to Lanzi) When the palace of Uizi was built the loggia was

modiied the roof becoming a beautiful terrace from which the Medici could watch

important public ceremonies

In the loggia we can admire Menelaus supporting the body of Patroclus a much-re-

stored Roman sculpture from the Flavian era copied from a Hellenistic original This

beautiful and pathetic group recalls the cycle of Troy because the two heroes are two

of the most important heroes of the Trojan war

The bronze statue of Perseus by Benvenuto Cellini is perhaps the most famous in this

Loggia This mythical young Greek hero has an enigmatic look in this fatal moment

he is holding his sword in his right hand in front of the spectator and holding up Me-

dusas head in his left while the blood gushes from it

Figure 47 The Loggia dei Lanzi

Figure 48 Menelaus and Patroclus

Figure 49 Perseus

Europeansymbold_Final_3indd 74 07072015 161651

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 3: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 3

cursor Latein4EU

Die Uumlberzeugung von der Wichtig-keit des Blicks in die Vergangenheit fuumlr die Gegenwart von der enormen Bedeutsamkeit der humanistischen Tradition Europas fuumlr das Leben heute im gemeinsamen Europa schlicht das Bewusstsein dass Gegenwart und Vergangenheit untrennbar miteinander verbunden sind lieszlig die gemeinsame Projektidee der fuumlnf Projektpartner

bull Ars Electronica AECbull Landesmuseum OOumlbull Arge Latein OOuml am LSR OOumlbull Centrum Latinitatis Europae CLEbull AMICI LINGUAE LATINAE ALL

schnell Gestalt annehmen Im Zeitalter der digitalen Revolution ist der Blick in die Vergangenheit noumltig fuumlr die Ent-wicklung neuer Gesellschaftsmodelle eines neuen Menschenbildes Waren die letzten Jahrzehnte gepraumlgt vom Imperativ bdquoZuruumlck zur Naturldquo so heiszligt der aktuelle Imperativ bdquoZuruumlck zum Menschenldquo So gibt es z B seit 2009 im Ars Electronica Center Linz eine Ausstellung zum Thema bdquoNeue Bilder vom Menschenldquo fuumlr Schulen wird das PhiloLab sozusagen ein bdquogeisteswissen-schaftliches Laborldquo angebotenSomit ist klar die Beschaumlftigung mit der Vergangenheit dient dem Leben der Gegenwart Sei es der Besuch eines archaumlologischen Museums der Besuch einer Pinakothek ein historischer Vor-trag oder sei es eine Unterrichtsstunde in Latein Griechisch oder Geschichte immer geht es um das Verstehen der Gegenwart um die Erkenntnis der Ge-nese eines Sachverhalts um das Wissen der Antwort auf das bdquoWoherldquo und somit um die Befaumlhigung zum Leben des bdquoJetztldquo

bdquoAbenteuer AntikeldquoThemenwochenende am 8ndash11102015Peter Glatz Andreas Thiel

Abenteuer Antike ndash unter diesem Motto steht das Themenwochenende das erstmals in Kooperation von fuumlnf Projektpartnern durchgefuumlhrt wird Ein aumluszligerst spannender und kurzweiliger Veranstaltungsreigen spannt den Bogen von antiker Archaumlologie und Mythologie bis zur Identitaumlt Europas in der Gegenwart Dies mit Unterstuumlt-zung von weltweit einzigartiger Technik im AEC Linz ndash der Deep Space 8K wurde am 782015 eroumlffnet Da sollte fuumlr jeden etwas dabei sein

Donnerstag 8102015 Ort

900-1700

Seminar bdquoAbenteuer Antikeldquo an der PH der Dioumlzese Linz im Rahmen der Lehrerinnen-FortbildungThemenschwerpunkte antike Astronomie ndash der Mechanismus von Antikythera techneacute ndash was Kunst und Technologie verbindet Faszination Archaumlologie ndash der Pergamon-Altar und andere archaumlo-logische Sehenswuumlrdigkeiten im Deep Space Fuumlhrung im AEC

AEC

2000

Eroumlffnung im neuen Deep Space 8K Kulturelles Erbe ndash Tabula PeutingerianaDr Andreas Fingernagel Oumlsterreichische NationalbibliothekDr Stefan Traxler Landesmuseum Oberoumlsterreich

AECDeep Space

Freitag 9102015

1900

Vortrag bdquoDie klassischen Sagen des Altertumsldquo Autor Michael KoumlhlmeierPodiumsdiskussion zum Thema bdquoGegenwart der AntikeldquoTeilnehmerinnenMichael Koumlhlmeier Martin Hochleitner Gerfried Stocker Stefan Traxler Peter Glatz Rainer Weiszligengruber

AEC Skyloft

Samstag 10102015

1100-1200

Vortrag bdquoDie erste Gesamtgenealogie zur griechisch-me-diterranen Mythologieldquo Dr Dieter Macek

AECDeep Space

1300-1530

Philo-Lab 15-20 TN AEC

1300-1400

Fuumlhrung durch die Ausstellung bdquoArchaumlologieldquo im Linzer Schloss

Schloss-museum

1430-1530

Vortrag bdquoArchaumlologie in Oberoumlsterreich 2015ldquoDr Jutta Leskovar Dr Stefan Traxler

AEC Deep Space

1630-1730

Vortrag bdquoWo die Antike lebt Von Architektur bis Zeit-rechnungldquo BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

AEC Deep Space

Sonntag 11102015

1100-1145

Vortrag bdquoEuropean Symbols ndash wie die Antike Europa ver-bindetldquo Mag Peter Glatz Dr Andreas Thiel

AEC Deep Space

1145-1230

Vortrag bdquoAquileia als Bindeglied zwischen Nord und SuumldldquoDr Rainer Weiszligengruber

AEC Deep Space

1300-1530

Philo-Lab15-20 TN AEC

1300-1400

Fuumlhrung durch die Ausstellung bdquoArchaumlologieldquo im Linzer Schloss

Schloss-museum

1430-1530

Vortrag bdquoUnsichtbares Rom Eine Entdeckungsreise in 3-Dldquo Dr Stefan Traxler

AEC Deep Space

1630-1730

Vortrag bdquoGoogle Art Project Der PergamonaltarldquoUniv-Prof Dr Martin Hochleitner

AEC Deep Space

4

cursor Latein4EU

The idea of the project ldquoEuropean Sym-bolsrdquo was created by the Austrian teachers of Latin Peter Glatz and Andreas Thiel in 2008 promotors of the AMICI LINGUAE LATINAE The project itself was approved by the general assembly of Euroclassica in Ohrid in 2009 In the following years all European nations were invited to join in Each contribution should be written by a member of the state where the described national symbols was from The cooperati-on of teachers all over Europe should create a book used by students and teachers all over Europe By reading this book the readers will be able to keep a national context while at the same time opening up their personal view to a wider ndash European ndash context The aim of being tought Latin with this book is that pupils get an idea of what Europe is ndash based on main ideas coming from Roman and of course Greek antiquity Our pupils should be aware they are European citizens

The fascinating idea of the European Union is represented in this common schoolbook for all European students of the classical languages showing the common cultural roots of EuropeEach didactic article shows the reception of classical culture and thinking in politics social norms art literature philosophy law etc corresponding to the chosen genuine national symbol a truly relevant popular text or person of national interest and popularity The population of the coun-try should be ready to identify on a broad national consensus with the choice All texts are introduced commented and sup-plied with suitable illustrations or pictures Special effort was taken in finding sufficient well-considered questions of interpretation to go with the texts

There is no reference to either national curricula or any national books Trans-lations teacher handbooks and further online materials will be offered on wwweuroclassicaeu As English is taught as the first foreign language in most countries of Europe the language of the schoolbook is English thus catering for optional bilingual

ldquoEuropean Symbolsrdquo ndash a school-book for European studentsAn educational project with a European focus supported by EUROCLASSICA and AMICI LINGUAE LATINAEPeter Glatz Andreas Thiel

ISBN 978-3-200-04203-2

EuropEanSymbolSUnited in Diversity

Peter Glatz ndash Andreas Thiel

Nr 11 ndash AUGUST 2015 5

cursor Latein4EU

teaching in each European country but of course also allowing traditional treatment of the central European texts in the mother tongue

In the first edition of European Symbols there are contributions of 20 countries of Europe1 Austria 11 Lithuania2 Belgium 12 Malta3 Croatia 13 Macedonia (Fyrom) 4 Czechia 14 The Netherlands5 Denmark 15 Portugal6 France 16 Romania7 Germany 17 Russia8 Great Britain 18 Spain9 Greece 19 Sweden10 Italy 20 Switzerland

As follows you can find the Austrian part of the European schoolbook presenting the Karlskirche of Vienna as a beautiful example of Habsburg architecture based on the concept of the ldquotranslatio imperiirdquo the Belgian part on Erasmusrsquo Panegyric for a Prince as a joyous entry into political culture the Croatian contribution on the father of Croatian literature the Croatian Dante Marcus Marulus Czechiarsquos part on ancient heroes in Baroque Olomouc Denmarkrsquos contribution on Holbergrsquos Nicolai Klimii Iter Subterraneum Francersquos part on famous waterroutes and bridges in Roman Gaul Germanyrsquos contribution on Melanchtonrsquos impact Great Britainrsquos part on the Magna Carta the Greek contributi-on on C P Cavafyrsquos mythological-didactic poem Ithaca (Greek) the Italian part on the Loggia dei Lanzi and Dante Alighieri the Lithuanian contribution on the cathe-dral of Vilnius the Lithuanian Parthenon Maltarsquos part on Thrinax of the Maltese the contributions of Macedonia (Greek and La-tin) on Grigor Prlichev and his Greek epic on the freedom fighter Skanderbei which

bears clear allusions to Homerrsquos Iliad and on Tauresium the birthplace of Justinian I the Dutch part on Desiderius Erasmusrsquo Praise of Folly which reflects his lasting impression on European thoughts and views the Portuguese contribution on the University of Coimbra the Romanian part on Dimitrie Cantemirrsquos Descriptio Molda-viae the Russian contribution on Sigis-mund von Herbersteinrsquos Rerum Moscovi-ticarum Commentarii which report on his experiences in Russia in the 16th century the Spanish part on the theatre of Merida the Swedish contribution on the Wasa war-ship whose hull and beak are full of figures from Greek myths and Roman emperors and the Swiss contribution on the freedom fighter Wilhelm Tell

This publication of the first edition of Euro-pean Symbols was generously supported by the Vice Chancellor of the Republic of Aust-ria Dr Reinhold Mitterlehner especially by the member of the provincial government of Upper Austria Mag Doris Hummer by several companies the Austrian the Dutch and the German Associations of Classical teachers the Euroclassica and last but not least by the AMICI LINGUAE LATINAE

The first edition of European Symbols will be presented at the Congres of Euroclassica held in ValettaMalta August 28 to August 30 2015Of course all countries which have not joined in are invited to send their contribu-tions be implemented in the next edition of European Symbols

Ordering European Symbols please con-sider the payment terms

In the following youll find three pages of the textbook European Symbols

Payment Terms

bull until December 31 2015 14euro (subscription price)bull from January 1 2016 16eurobull attractive bulk pricing (without postage)

number of copies price

1-4 16euro

5-10 13euro

11-30 10euro

gt31 by arrangement Postage Prices (Europe 2015)

number of copies

letter parcel

1 720euro x

2-3 990euro x

4-6 x 1509euro

7-15 x 1909euro

16-32 x 2906euro

33-50 x 3916euro

packaging and toll

166euro 316euro

Postage prices are subject to change

Payments in Euro should be made to the following bank accountBeneficiary Peter GlatzIBAN AT76 1860 0002 1126 5949BIC VKBLAT2LPayment reference Symbols name invoice number

Contact peterglatzeduhiat and athieleduhiat

That which ties a citizen to his country should not be disregarded However more attention should be given to the impressive legacy that makes that citizen also a citizen of Europe One identity does not exclude the other They actually complement each otherThis schoolbook is particularly well suited to the task of showing the complementarity between these identities but also concretely portraying the shared culture which unites us It allows the reader to keep a national

context while at the same time opening up that personrsquos views to a wider context This is the type of innovation in educational textbooks which should be wholeheartedly supportedI am certain that European Symbols will prove to be a very useful guide and also an important contribution to the movement which believes that our European identity should be better integrated into education programmes

Martin SchulzPresident of the European Parliament

6

cursor Latein4EU

13

Dear students

In a European motto contest held in the year 2000 students

from the then 15 EU member states submitted their ideas

These are the mottoes that made it onto the shortlist

ldquoPeace freedom solidarityrdquo

ldquoOur diversity is our strengthrdquo

ldquoUniied for peace and

democracyrdquo

ldquoUnited in freedomrdquo

ldquoOld continent ndash new hoperdquo

ldquoAll diferent all Europeansrdquo

ldquoUnited in diversityrdquo

Eventually the winning entry ndash the last suggestion above

slightly modiied ndash was submitted for oicial approval United in

diversity The motto was accepted by Nicole Fontaine the then

President of the European Parliament and was subsequently

included in the treaty establishing a Constitution for Europe

which has still not been ratiied

What is striking is the close similarity between the European

motto and the motto of the USA E pluribus unum1

Even from the small number of mottoes listed above it becomes

apparent that Europe is irst and foremost a community of

shared values and that ultimately it is humans and their

harmonious life side by side that are at the centre of all political

and societal activities

It is the task of politics at a general European level and also at

the national levels of the individual member states to enhance

and irmly embed this European idea in the consciousness

of all European citizens Its declared aim is to advance a kind

of political reasoning that is aware of its roots going back

to ancient Rome viewing democracy and the welfare state

ndash which many young people of today erroneously tend to

perceive as given since time immemorial ndash as the fruits of a

historic process evolved out of conlicts and if need be worth

being defended and fought for

Since classical antiquity there have been numerous examples

of people overcoming a purely nation-centred outlook

According to Diogenes Laertios the philosopher Diogenes of

Sinope when asked where he was from replied that he was a

citizen of the world This statement is also quoted in Erasmus

of Rotterdamrsquos Apophthegmes a collection of sayings that

Erasmus referred to as ldquoEgregia dictardquo Their intended purpose

was to advise people in a variety of situations

Interrogatus a quopiam cuias esset Diogenes respondit

κοσμοπολίτης id est civis mundi signiicans philosophum

ubicumque locorum agat in sua patria vivere (Apophtegmata

III Diogenes 171 )

quispiam quidpiam (n) somebody cuias -atis m citizen of which state

When Alexander the Great was engaged in his campaign of

conquest (334-324 BC) it was something of a irst globalisation

of the Greek world The Pax Augusta of the late 1st century

BC was yet another instance of globalisation ndash of the Roman

sphere of inluence

Emperor Marcus Aurelius (161-180 AD) the lsquophilosopher kingrsquo

though a Roman citizen from birth regarded himself at the

same time as a citizen of the world ndash presumably in the sense of

the open-minded Stoic school of philosophy in which he was

brought up

He resolved the apparent dichotomy between his Roman

citizenship and his world citizenship as derived from Greek

philosophy with these words

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ

ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι

ἀγαθά (M Aurelius ad se ipsum 6 44 a)

For me as Marcus Aurelius Antoninus Rome is my poacutelis (my polity)

and my patriacutes (my native country) for me as a human being

however it is the world ndash koacutesmos And I consider everything that

is simultaneously propitious to both these polities to be goodrdquo (M

Aurelius ad se ipsum 644 a)2

Living today we might ind it hard fully to grasp the

revolutionary potential of the term lsquocitizen of the worldrsquo at

that time This statement was bound to be perceived as

momentous in a world lacking the modern media and means

of transport which have turned our world into the proverbial

global village And yet even today we are more than ever in

need of a spirit of global citizenship ndash the awareness of global

interconnectedness and of the shared responsibility of humans

for one another all over the globe

In the context of this publication the notion of transcending

national borders and of global mutual responsibility means

We are European citizens

Though grounded in diferent regional traditions we are

Europeans united in diversity

This thought makes us conident you will enjoy these intriguing

European texts

Peter Glatz and Andreas Thiel August 29 2015

1 See httpdewikipediaorgwikiEuropamotto (accessed June 9 2015)2 See Bartels Klaus Jahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochen DarmstadtMainz Zabern 2011 p 79

Further information on the topic ibid Chapter 5 ldquoGlobal Villagerdquo

european symbols

europeansymbold_Final_3indd 13 07072015 161625

Nr 11 ndash AUGUST 2015 7

cursor Latein4EU

74italy

italyan open-air sculpture Gallery of Classics he loggia dei lanzi Florence serena Ferrando

The Loggia dei Lanzi which is also known as the Loggia della Signoria is a

very famous building on a corner of Piazza della Signoria in Florence near the

Uizi Gallery This very beautiful loggia was built between 1376 and 1382 in

order to contain the public assemblies of the people of Florence and to hold the im-

portant ceremonies of that time In fact we can consider this loggia as a wonder-

ful open-air sculpture gallery of ancient and Renaissance art because there are a lot

of beautiful sculptures of these periods It got its name during the reign of Grand

Duke Cosimo I when it was used by his military army of Landsknechts (in Italian Lan-

zichenecchi corrupted to Lanzi) When the palace of Uizi was built the loggia was

modiied the roof becoming a beautiful terrace from which the Medici could watch

important public ceremonies

In the loggia we can admire Menelaus supporting the body of Patroclus a much-re-

stored Roman sculpture from the Flavian era copied from a Hellenistic original This

beautiful and pathetic group recalls the cycle of Troy because the two heroes are two

of the most important heroes of the Trojan war

The bronze statue of Perseus by Benvenuto Cellini is perhaps the most famous in this

Loggia This mythical young Greek hero has an enigmatic look in this fatal moment

he is holding his sword in his right hand in front of the spectator and holding up Me-

dusas head in his left while the blood gushes from it

Figure 47 The Loggia dei Lanzi

Figure 48 Menelaus and Patroclus

Figure 49 Perseus

Europeansymbold_Final_3indd 74 07072015 161651

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 4: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

4

cursor Latein4EU

The idea of the project ldquoEuropean Sym-bolsrdquo was created by the Austrian teachers of Latin Peter Glatz and Andreas Thiel in 2008 promotors of the AMICI LINGUAE LATINAE The project itself was approved by the general assembly of Euroclassica in Ohrid in 2009 In the following years all European nations were invited to join in Each contribution should be written by a member of the state where the described national symbols was from The cooperati-on of teachers all over Europe should create a book used by students and teachers all over Europe By reading this book the readers will be able to keep a national context while at the same time opening up their personal view to a wider ndash European ndash context The aim of being tought Latin with this book is that pupils get an idea of what Europe is ndash based on main ideas coming from Roman and of course Greek antiquity Our pupils should be aware they are European citizens

The fascinating idea of the European Union is represented in this common schoolbook for all European students of the classical languages showing the common cultural roots of EuropeEach didactic article shows the reception of classical culture and thinking in politics social norms art literature philosophy law etc corresponding to the chosen genuine national symbol a truly relevant popular text or person of national interest and popularity The population of the coun-try should be ready to identify on a broad national consensus with the choice All texts are introduced commented and sup-plied with suitable illustrations or pictures Special effort was taken in finding sufficient well-considered questions of interpretation to go with the texts

There is no reference to either national curricula or any national books Trans-lations teacher handbooks and further online materials will be offered on wwweuroclassicaeu As English is taught as the first foreign language in most countries of Europe the language of the schoolbook is English thus catering for optional bilingual

ldquoEuropean Symbolsrdquo ndash a school-book for European studentsAn educational project with a European focus supported by EUROCLASSICA and AMICI LINGUAE LATINAEPeter Glatz Andreas Thiel

ISBN 978-3-200-04203-2

EuropEanSymbolSUnited in Diversity

Peter Glatz ndash Andreas Thiel

Nr 11 ndash AUGUST 2015 5

cursor Latein4EU

teaching in each European country but of course also allowing traditional treatment of the central European texts in the mother tongue

In the first edition of European Symbols there are contributions of 20 countries of Europe1 Austria 11 Lithuania2 Belgium 12 Malta3 Croatia 13 Macedonia (Fyrom) 4 Czechia 14 The Netherlands5 Denmark 15 Portugal6 France 16 Romania7 Germany 17 Russia8 Great Britain 18 Spain9 Greece 19 Sweden10 Italy 20 Switzerland

As follows you can find the Austrian part of the European schoolbook presenting the Karlskirche of Vienna as a beautiful example of Habsburg architecture based on the concept of the ldquotranslatio imperiirdquo the Belgian part on Erasmusrsquo Panegyric for a Prince as a joyous entry into political culture the Croatian contribution on the father of Croatian literature the Croatian Dante Marcus Marulus Czechiarsquos part on ancient heroes in Baroque Olomouc Denmarkrsquos contribution on Holbergrsquos Nicolai Klimii Iter Subterraneum Francersquos part on famous waterroutes and bridges in Roman Gaul Germanyrsquos contribution on Melanchtonrsquos impact Great Britainrsquos part on the Magna Carta the Greek contributi-on on C P Cavafyrsquos mythological-didactic poem Ithaca (Greek) the Italian part on the Loggia dei Lanzi and Dante Alighieri the Lithuanian contribution on the cathe-dral of Vilnius the Lithuanian Parthenon Maltarsquos part on Thrinax of the Maltese the contributions of Macedonia (Greek and La-tin) on Grigor Prlichev and his Greek epic on the freedom fighter Skanderbei which

bears clear allusions to Homerrsquos Iliad and on Tauresium the birthplace of Justinian I the Dutch part on Desiderius Erasmusrsquo Praise of Folly which reflects his lasting impression on European thoughts and views the Portuguese contribution on the University of Coimbra the Romanian part on Dimitrie Cantemirrsquos Descriptio Molda-viae the Russian contribution on Sigis-mund von Herbersteinrsquos Rerum Moscovi-ticarum Commentarii which report on his experiences in Russia in the 16th century the Spanish part on the theatre of Merida the Swedish contribution on the Wasa war-ship whose hull and beak are full of figures from Greek myths and Roman emperors and the Swiss contribution on the freedom fighter Wilhelm Tell

This publication of the first edition of Euro-pean Symbols was generously supported by the Vice Chancellor of the Republic of Aust-ria Dr Reinhold Mitterlehner especially by the member of the provincial government of Upper Austria Mag Doris Hummer by several companies the Austrian the Dutch and the German Associations of Classical teachers the Euroclassica and last but not least by the AMICI LINGUAE LATINAE

The first edition of European Symbols will be presented at the Congres of Euroclassica held in ValettaMalta August 28 to August 30 2015Of course all countries which have not joined in are invited to send their contribu-tions be implemented in the next edition of European Symbols

Ordering European Symbols please con-sider the payment terms

In the following youll find three pages of the textbook European Symbols

Payment Terms

bull until December 31 2015 14euro (subscription price)bull from January 1 2016 16eurobull attractive bulk pricing (without postage)

number of copies price

1-4 16euro

5-10 13euro

11-30 10euro

gt31 by arrangement Postage Prices (Europe 2015)

number of copies

letter parcel

1 720euro x

2-3 990euro x

4-6 x 1509euro

7-15 x 1909euro

16-32 x 2906euro

33-50 x 3916euro

packaging and toll

166euro 316euro

Postage prices are subject to change

Payments in Euro should be made to the following bank accountBeneficiary Peter GlatzIBAN AT76 1860 0002 1126 5949BIC VKBLAT2LPayment reference Symbols name invoice number

Contact peterglatzeduhiat and athieleduhiat

That which ties a citizen to his country should not be disregarded However more attention should be given to the impressive legacy that makes that citizen also a citizen of Europe One identity does not exclude the other They actually complement each otherThis schoolbook is particularly well suited to the task of showing the complementarity between these identities but also concretely portraying the shared culture which unites us It allows the reader to keep a national

context while at the same time opening up that personrsquos views to a wider context This is the type of innovation in educational textbooks which should be wholeheartedly supportedI am certain that European Symbols will prove to be a very useful guide and also an important contribution to the movement which believes that our European identity should be better integrated into education programmes

Martin SchulzPresident of the European Parliament

6

cursor Latein4EU

13

Dear students

In a European motto contest held in the year 2000 students

from the then 15 EU member states submitted their ideas

These are the mottoes that made it onto the shortlist

ldquoPeace freedom solidarityrdquo

ldquoOur diversity is our strengthrdquo

ldquoUniied for peace and

democracyrdquo

ldquoUnited in freedomrdquo

ldquoOld continent ndash new hoperdquo

ldquoAll diferent all Europeansrdquo

ldquoUnited in diversityrdquo

Eventually the winning entry ndash the last suggestion above

slightly modiied ndash was submitted for oicial approval United in

diversity The motto was accepted by Nicole Fontaine the then

President of the European Parliament and was subsequently

included in the treaty establishing a Constitution for Europe

which has still not been ratiied

What is striking is the close similarity between the European

motto and the motto of the USA E pluribus unum1

Even from the small number of mottoes listed above it becomes

apparent that Europe is irst and foremost a community of

shared values and that ultimately it is humans and their

harmonious life side by side that are at the centre of all political

and societal activities

It is the task of politics at a general European level and also at

the national levels of the individual member states to enhance

and irmly embed this European idea in the consciousness

of all European citizens Its declared aim is to advance a kind

of political reasoning that is aware of its roots going back

to ancient Rome viewing democracy and the welfare state

ndash which many young people of today erroneously tend to

perceive as given since time immemorial ndash as the fruits of a

historic process evolved out of conlicts and if need be worth

being defended and fought for

Since classical antiquity there have been numerous examples

of people overcoming a purely nation-centred outlook

According to Diogenes Laertios the philosopher Diogenes of

Sinope when asked where he was from replied that he was a

citizen of the world This statement is also quoted in Erasmus

of Rotterdamrsquos Apophthegmes a collection of sayings that

Erasmus referred to as ldquoEgregia dictardquo Their intended purpose

was to advise people in a variety of situations

Interrogatus a quopiam cuias esset Diogenes respondit

κοσμοπολίτης id est civis mundi signiicans philosophum

ubicumque locorum agat in sua patria vivere (Apophtegmata

III Diogenes 171 )

quispiam quidpiam (n) somebody cuias -atis m citizen of which state

When Alexander the Great was engaged in his campaign of

conquest (334-324 BC) it was something of a irst globalisation

of the Greek world The Pax Augusta of the late 1st century

BC was yet another instance of globalisation ndash of the Roman

sphere of inluence

Emperor Marcus Aurelius (161-180 AD) the lsquophilosopher kingrsquo

though a Roman citizen from birth regarded himself at the

same time as a citizen of the world ndash presumably in the sense of

the open-minded Stoic school of philosophy in which he was

brought up

He resolved the apparent dichotomy between his Roman

citizenship and his world citizenship as derived from Greek

philosophy with these words

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ

ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι

ἀγαθά (M Aurelius ad se ipsum 6 44 a)

For me as Marcus Aurelius Antoninus Rome is my poacutelis (my polity)

and my patriacutes (my native country) for me as a human being

however it is the world ndash koacutesmos And I consider everything that

is simultaneously propitious to both these polities to be goodrdquo (M

Aurelius ad se ipsum 644 a)2

Living today we might ind it hard fully to grasp the

revolutionary potential of the term lsquocitizen of the worldrsquo at

that time This statement was bound to be perceived as

momentous in a world lacking the modern media and means

of transport which have turned our world into the proverbial

global village And yet even today we are more than ever in

need of a spirit of global citizenship ndash the awareness of global

interconnectedness and of the shared responsibility of humans

for one another all over the globe

In the context of this publication the notion of transcending

national borders and of global mutual responsibility means

We are European citizens

Though grounded in diferent regional traditions we are

Europeans united in diversity

This thought makes us conident you will enjoy these intriguing

European texts

Peter Glatz and Andreas Thiel August 29 2015

1 See httpdewikipediaorgwikiEuropamotto (accessed June 9 2015)2 See Bartels Klaus Jahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochen DarmstadtMainz Zabern 2011 p 79

Further information on the topic ibid Chapter 5 ldquoGlobal Villagerdquo

european symbols

europeansymbold_Final_3indd 13 07072015 161625

Nr 11 ndash AUGUST 2015 7

cursor Latein4EU

74italy

italyan open-air sculpture Gallery of Classics he loggia dei lanzi Florence serena Ferrando

The Loggia dei Lanzi which is also known as the Loggia della Signoria is a

very famous building on a corner of Piazza della Signoria in Florence near the

Uizi Gallery This very beautiful loggia was built between 1376 and 1382 in

order to contain the public assemblies of the people of Florence and to hold the im-

portant ceremonies of that time In fact we can consider this loggia as a wonder-

ful open-air sculpture gallery of ancient and Renaissance art because there are a lot

of beautiful sculptures of these periods It got its name during the reign of Grand

Duke Cosimo I when it was used by his military army of Landsknechts (in Italian Lan-

zichenecchi corrupted to Lanzi) When the palace of Uizi was built the loggia was

modiied the roof becoming a beautiful terrace from which the Medici could watch

important public ceremonies

In the loggia we can admire Menelaus supporting the body of Patroclus a much-re-

stored Roman sculpture from the Flavian era copied from a Hellenistic original This

beautiful and pathetic group recalls the cycle of Troy because the two heroes are two

of the most important heroes of the Trojan war

The bronze statue of Perseus by Benvenuto Cellini is perhaps the most famous in this

Loggia This mythical young Greek hero has an enigmatic look in this fatal moment

he is holding his sword in his right hand in front of the spectator and holding up Me-

dusas head in his left while the blood gushes from it

Figure 47 The Loggia dei Lanzi

Figure 48 Menelaus and Patroclus

Figure 49 Perseus

Europeansymbold_Final_3indd 74 07072015 161651

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 5: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 5

cursor Latein4EU

teaching in each European country but of course also allowing traditional treatment of the central European texts in the mother tongue

In the first edition of European Symbols there are contributions of 20 countries of Europe1 Austria 11 Lithuania2 Belgium 12 Malta3 Croatia 13 Macedonia (Fyrom) 4 Czechia 14 The Netherlands5 Denmark 15 Portugal6 France 16 Romania7 Germany 17 Russia8 Great Britain 18 Spain9 Greece 19 Sweden10 Italy 20 Switzerland

As follows you can find the Austrian part of the European schoolbook presenting the Karlskirche of Vienna as a beautiful example of Habsburg architecture based on the concept of the ldquotranslatio imperiirdquo the Belgian part on Erasmusrsquo Panegyric for a Prince as a joyous entry into political culture the Croatian contribution on the father of Croatian literature the Croatian Dante Marcus Marulus Czechiarsquos part on ancient heroes in Baroque Olomouc Denmarkrsquos contribution on Holbergrsquos Nicolai Klimii Iter Subterraneum Francersquos part on famous waterroutes and bridges in Roman Gaul Germanyrsquos contribution on Melanchtonrsquos impact Great Britainrsquos part on the Magna Carta the Greek contributi-on on C P Cavafyrsquos mythological-didactic poem Ithaca (Greek) the Italian part on the Loggia dei Lanzi and Dante Alighieri the Lithuanian contribution on the cathe-dral of Vilnius the Lithuanian Parthenon Maltarsquos part on Thrinax of the Maltese the contributions of Macedonia (Greek and La-tin) on Grigor Prlichev and his Greek epic on the freedom fighter Skanderbei which

bears clear allusions to Homerrsquos Iliad and on Tauresium the birthplace of Justinian I the Dutch part on Desiderius Erasmusrsquo Praise of Folly which reflects his lasting impression on European thoughts and views the Portuguese contribution on the University of Coimbra the Romanian part on Dimitrie Cantemirrsquos Descriptio Molda-viae the Russian contribution on Sigis-mund von Herbersteinrsquos Rerum Moscovi-ticarum Commentarii which report on his experiences in Russia in the 16th century the Spanish part on the theatre of Merida the Swedish contribution on the Wasa war-ship whose hull and beak are full of figures from Greek myths and Roman emperors and the Swiss contribution on the freedom fighter Wilhelm Tell

This publication of the first edition of Euro-pean Symbols was generously supported by the Vice Chancellor of the Republic of Aust-ria Dr Reinhold Mitterlehner especially by the member of the provincial government of Upper Austria Mag Doris Hummer by several companies the Austrian the Dutch and the German Associations of Classical teachers the Euroclassica and last but not least by the AMICI LINGUAE LATINAE

The first edition of European Symbols will be presented at the Congres of Euroclassica held in ValettaMalta August 28 to August 30 2015Of course all countries which have not joined in are invited to send their contribu-tions be implemented in the next edition of European Symbols

Ordering European Symbols please con-sider the payment terms

In the following youll find three pages of the textbook European Symbols

Payment Terms

bull until December 31 2015 14euro (subscription price)bull from January 1 2016 16eurobull attractive bulk pricing (without postage)

number of copies price

1-4 16euro

5-10 13euro

11-30 10euro

gt31 by arrangement Postage Prices (Europe 2015)

number of copies

letter parcel

1 720euro x

2-3 990euro x

4-6 x 1509euro

7-15 x 1909euro

16-32 x 2906euro

33-50 x 3916euro

packaging and toll

166euro 316euro

Postage prices are subject to change

Payments in Euro should be made to the following bank accountBeneficiary Peter GlatzIBAN AT76 1860 0002 1126 5949BIC VKBLAT2LPayment reference Symbols name invoice number

Contact peterglatzeduhiat and athieleduhiat

That which ties a citizen to his country should not be disregarded However more attention should be given to the impressive legacy that makes that citizen also a citizen of Europe One identity does not exclude the other They actually complement each otherThis schoolbook is particularly well suited to the task of showing the complementarity between these identities but also concretely portraying the shared culture which unites us It allows the reader to keep a national

context while at the same time opening up that personrsquos views to a wider context This is the type of innovation in educational textbooks which should be wholeheartedly supportedI am certain that European Symbols will prove to be a very useful guide and also an important contribution to the movement which believes that our European identity should be better integrated into education programmes

Martin SchulzPresident of the European Parliament

6

cursor Latein4EU

13

Dear students

In a European motto contest held in the year 2000 students

from the then 15 EU member states submitted their ideas

These are the mottoes that made it onto the shortlist

ldquoPeace freedom solidarityrdquo

ldquoOur diversity is our strengthrdquo

ldquoUniied for peace and

democracyrdquo

ldquoUnited in freedomrdquo

ldquoOld continent ndash new hoperdquo

ldquoAll diferent all Europeansrdquo

ldquoUnited in diversityrdquo

Eventually the winning entry ndash the last suggestion above

slightly modiied ndash was submitted for oicial approval United in

diversity The motto was accepted by Nicole Fontaine the then

President of the European Parliament and was subsequently

included in the treaty establishing a Constitution for Europe

which has still not been ratiied

What is striking is the close similarity between the European

motto and the motto of the USA E pluribus unum1

Even from the small number of mottoes listed above it becomes

apparent that Europe is irst and foremost a community of

shared values and that ultimately it is humans and their

harmonious life side by side that are at the centre of all political

and societal activities

It is the task of politics at a general European level and also at

the national levels of the individual member states to enhance

and irmly embed this European idea in the consciousness

of all European citizens Its declared aim is to advance a kind

of political reasoning that is aware of its roots going back

to ancient Rome viewing democracy and the welfare state

ndash which many young people of today erroneously tend to

perceive as given since time immemorial ndash as the fruits of a

historic process evolved out of conlicts and if need be worth

being defended and fought for

Since classical antiquity there have been numerous examples

of people overcoming a purely nation-centred outlook

According to Diogenes Laertios the philosopher Diogenes of

Sinope when asked where he was from replied that he was a

citizen of the world This statement is also quoted in Erasmus

of Rotterdamrsquos Apophthegmes a collection of sayings that

Erasmus referred to as ldquoEgregia dictardquo Their intended purpose

was to advise people in a variety of situations

Interrogatus a quopiam cuias esset Diogenes respondit

κοσμοπολίτης id est civis mundi signiicans philosophum

ubicumque locorum agat in sua patria vivere (Apophtegmata

III Diogenes 171 )

quispiam quidpiam (n) somebody cuias -atis m citizen of which state

When Alexander the Great was engaged in his campaign of

conquest (334-324 BC) it was something of a irst globalisation

of the Greek world The Pax Augusta of the late 1st century

BC was yet another instance of globalisation ndash of the Roman

sphere of inluence

Emperor Marcus Aurelius (161-180 AD) the lsquophilosopher kingrsquo

though a Roman citizen from birth regarded himself at the

same time as a citizen of the world ndash presumably in the sense of

the open-minded Stoic school of philosophy in which he was

brought up

He resolved the apparent dichotomy between his Roman

citizenship and his world citizenship as derived from Greek

philosophy with these words

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ

ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι

ἀγαθά (M Aurelius ad se ipsum 6 44 a)

For me as Marcus Aurelius Antoninus Rome is my poacutelis (my polity)

and my patriacutes (my native country) for me as a human being

however it is the world ndash koacutesmos And I consider everything that

is simultaneously propitious to both these polities to be goodrdquo (M

Aurelius ad se ipsum 644 a)2

Living today we might ind it hard fully to grasp the

revolutionary potential of the term lsquocitizen of the worldrsquo at

that time This statement was bound to be perceived as

momentous in a world lacking the modern media and means

of transport which have turned our world into the proverbial

global village And yet even today we are more than ever in

need of a spirit of global citizenship ndash the awareness of global

interconnectedness and of the shared responsibility of humans

for one another all over the globe

In the context of this publication the notion of transcending

national borders and of global mutual responsibility means

We are European citizens

Though grounded in diferent regional traditions we are

Europeans united in diversity

This thought makes us conident you will enjoy these intriguing

European texts

Peter Glatz and Andreas Thiel August 29 2015

1 See httpdewikipediaorgwikiEuropamotto (accessed June 9 2015)2 See Bartels Klaus Jahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochen DarmstadtMainz Zabern 2011 p 79

Further information on the topic ibid Chapter 5 ldquoGlobal Villagerdquo

european symbols

europeansymbold_Final_3indd 13 07072015 161625

Nr 11 ndash AUGUST 2015 7

cursor Latein4EU

74italy

italyan open-air sculpture Gallery of Classics he loggia dei lanzi Florence serena Ferrando

The Loggia dei Lanzi which is also known as the Loggia della Signoria is a

very famous building on a corner of Piazza della Signoria in Florence near the

Uizi Gallery This very beautiful loggia was built between 1376 and 1382 in

order to contain the public assemblies of the people of Florence and to hold the im-

portant ceremonies of that time In fact we can consider this loggia as a wonder-

ful open-air sculpture gallery of ancient and Renaissance art because there are a lot

of beautiful sculptures of these periods It got its name during the reign of Grand

Duke Cosimo I when it was used by his military army of Landsknechts (in Italian Lan-

zichenecchi corrupted to Lanzi) When the palace of Uizi was built the loggia was

modiied the roof becoming a beautiful terrace from which the Medici could watch

important public ceremonies

In the loggia we can admire Menelaus supporting the body of Patroclus a much-re-

stored Roman sculpture from the Flavian era copied from a Hellenistic original This

beautiful and pathetic group recalls the cycle of Troy because the two heroes are two

of the most important heroes of the Trojan war

The bronze statue of Perseus by Benvenuto Cellini is perhaps the most famous in this

Loggia This mythical young Greek hero has an enigmatic look in this fatal moment

he is holding his sword in his right hand in front of the spectator and holding up Me-

dusas head in his left while the blood gushes from it

Figure 47 The Loggia dei Lanzi

Figure 48 Menelaus and Patroclus

Figure 49 Perseus

Europeansymbold_Final_3indd 74 07072015 161651

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 6: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

6

cursor Latein4EU

13

Dear students

In a European motto contest held in the year 2000 students

from the then 15 EU member states submitted their ideas

These are the mottoes that made it onto the shortlist

ldquoPeace freedom solidarityrdquo

ldquoOur diversity is our strengthrdquo

ldquoUniied for peace and

democracyrdquo

ldquoUnited in freedomrdquo

ldquoOld continent ndash new hoperdquo

ldquoAll diferent all Europeansrdquo

ldquoUnited in diversityrdquo

Eventually the winning entry ndash the last suggestion above

slightly modiied ndash was submitted for oicial approval United in

diversity The motto was accepted by Nicole Fontaine the then

President of the European Parliament and was subsequently

included in the treaty establishing a Constitution for Europe

which has still not been ratiied

What is striking is the close similarity between the European

motto and the motto of the USA E pluribus unum1

Even from the small number of mottoes listed above it becomes

apparent that Europe is irst and foremost a community of

shared values and that ultimately it is humans and their

harmonious life side by side that are at the centre of all political

and societal activities

It is the task of politics at a general European level and also at

the national levels of the individual member states to enhance

and irmly embed this European idea in the consciousness

of all European citizens Its declared aim is to advance a kind

of political reasoning that is aware of its roots going back

to ancient Rome viewing democracy and the welfare state

ndash which many young people of today erroneously tend to

perceive as given since time immemorial ndash as the fruits of a

historic process evolved out of conlicts and if need be worth

being defended and fought for

Since classical antiquity there have been numerous examples

of people overcoming a purely nation-centred outlook

According to Diogenes Laertios the philosopher Diogenes of

Sinope when asked where he was from replied that he was a

citizen of the world This statement is also quoted in Erasmus

of Rotterdamrsquos Apophthegmes a collection of sayings that

Erasmus referred to as ldquoEgregia dictardquo Their intended purpose

was to advise people in a variety of situations

Interrogatus a quopiam cuias esset Diogenes respondit

κοσμοπολίτης id est civis mundi signiicans philosophum

ubicumque locorum agat in sua patria vivere (Apophtegmata

III Diogenes 171 )

quispiam quidpiam (n) somebody cuias -atis m citizen of which state

When Alexander the Great was engaged in his campaign of

conquest (334-324 BC) it was something of a irst globalisation

of the Greek world The Pax Augusta of the late 1st century

BC was yet another instance of globalisation ndash of the Roman

sphere of inluence

Emperor Marcus Aurelius (161-180 AD) the lsquophilosopher kingrsquo

though a Roman citizen from birth regarded himself at the

same time as a citizen of the world ndash presumably in the sense of

the open-minded Stoic school of philosophy in which he was

brought up

He resolved the apparent dichotomy between his Roman

citizenship and his world citizenship as derived from Greek

philosophy with these words

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ

ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι

ἀγαθά (M Aurelius ad se ipsum 6 44 a)

For me as Marcus Aurelius Antoninus Rome is my poacutelis (my polity)

and my patriacutes (my native country) for me as a human being

however it is the world ndash koacutesmos And I consider everything that

is simultaneously propitious to both these polities to be goodrdquo (M

Aurelius ad se ipsum 644 a)2

Living today we might ind it hard fully to grasp the

revolutionary potential of the term lsquocitizen of the worldrsquo at

that time This statement was bound to be perceived as

momentous in a world lacking the modern media and means

of transport which have turned our world into the proverbial

global village And yet even today we are more than ever in

need of a spirit of global citizenship ndash the awareness of global

interconnectedness and of the shared responsibility of humans

for one another all over the globe

In the context of this publication the notion of transcending

national borders and of global mutual responsibility means

We are European citizens

Though grounded in diferent regional traditions we are

Europeans united in diversity

This thought makes us conident you will enjoy these intriguing

European texts

Peter Glatz and Andreas Thiel August 29 2015

1 See httpdewikipediaorgwikiEuropamotto (accessed June 9 2015)2 See Bartels Klaus Jahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochen DarmstadtMainz Zabern 2011 p 79

Further information on the topic ibid Chapter 5 ldquoGlobal Villagerdquo

european symbols

europeansymbold_Final_3indd 13 07072015 161625

Nr 11 ndash AUGUST 2015 7

cursor Latein4EU

74italy

italyan open-air sculpture Gallery of Classics he loggia dei lanzi Florence serena Ferrando

The Loggia dei Lanzi which is also known as the Loggia della Signoria is a

very famous building on a corner of Piazza della Signoria in Florence near the

Uizi Gallery This very beautiful loggia was built between 1376 and 1382 in

order to contain the public assemblies of the people of Florence and to hold the im-

portant ceremonies of that time In fact we can consider this loggia as a wonder-

ful open-air sculpture gallery of ancient and Renaissance art because there are a lot

of beautiful sculptures of these periods It got its name during the reign of Grand

Duke Cosimo I when it was used by his military army of Landsknechts (in Italian Lan-

zichenecchi corrupted to Lanzi) When the palace of Uizi was built the loggia was

modiied the roof becoming a beautiful terrace from which the Medici could watch

important public ceremonies

In the loggia we can admire Menelaus supporting the body of Patroclus a much-re-

stored Roman sculpture from the Flavian era copied from a Hellenistic original This

beautiful and pathetic group recalls the cycle of Troy because the two heroes are two

of the most important heroes of the Trojan war

The bronze statue of Perseus by Benvenuto Cellini is perhaps the most famous in this

Loggia This mythical young Greek hero has an enigmatic look in this fatal moment

he is holding his sword in his right hand in front of the spectator and holding up Me-

dusas head in his left while the blood gushes from it

Figure 47 The Loggia dei Lanzi

Figure 48 Menelaus and Patroclus

Figure 49 Perseus

Europeansymbold_Final_3indd 74 07072015 161651

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 7: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 7

cursor Latein4EU

74italy

italyan open-air sculpture Gallery of Classics he loggia dei lanzi Florence serena Ferrando

The Loggia dei Lanzi which is also known as the Loggia della Signoria is a

very famous building on a corner of Piazza della Signoria in Florence near the

Uizi Gallery This very beautiful loggia was built between 1376 and 1382 in

order to contain the public assemblies of the people of Florence and to hold the im-

portant ceremonies of that time In fact we can consider this loggia as a wonder-

ful open-air sculpture gallery of ancient and Renaissance art because there are a lot

of beautiful sculptures of these periods It got its name during the reign of Grand

Duke Cosimo I when it was used by his military army of Landsknechts (in Italian Lan-

zichenecchi corrupted to Lanzi) When the palace of Uizi was built the loggia was

modiied the roof becoming a beautiful terrace from which the Medici could watch

important public ceremonies

In the loggia we can admire Menelaus supporting the body of Patroclus a much-re-

stored Roman sculpture from the Flavian era copied from a Hellenistic original This

beautiful and pathetic group recalls the cycle of Troy because the two heroes are two

of the most important heroes of the Trojan war

The bronze statue of Perseus by Benvenuto Cellini is perhaps the most famous in this

Loggia This mythical young Greek hero has an enigmatic look in this fatal moment

he is holding his sword in his right hand in front of the spectator and holding up Me-

dusas head in his left while the blood gushes from it

Figure 47 The Loggia dei Lanzi

Figure 48 Menelaus and Patroclus

Figure 49 Perseus

Europeansymbold_Final_3indd 74 07072015 161651

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 8: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

8

cursor Latein4EU

80litHuania

litHuaniamysteries of the lithuanian parthenon barbora petronytė titas Vilkaitis onutė baumilienė and mintautas Čiurinskas

Just as the Greek Parthenon is one of the greatest cultural mon-

uments of the world the Cathedral of Vilnius is one of the most

wonderful pearls of Lithuanian culture The history of both these

temples is similar The buildings have been damaged and rebuilt on

more than one occasion and are closely related to their regions histo-

ry The old Greek Parthenon was dedicated to the goddess Athena and

the Lithuanian Parthenon to two saints St Stanislovas and St Vladis-

lovas In reality the Cathedral of Vilnius honours many famous names

and many well-known historical igures and therefore this cultural

monument is a symbol of the spirit of the Lithuanian nation

The beginning of the history of the Lithuanian Parthenon ndash the Cathe-

dral of Vilnius ndash dates back to the 13th century It is thought that the

building was originally King Mindaugasrsquo Cathedral and then became a

pagan temple after Mindaugasrsquo death Later in 1419 the old cathedral

burnt down and in its place Grand Duke Vytautas built a new larger

aisled Gothic cathedral The building caught ire many times ndash once

in 1530 and again in 1610 After each ire the temple was rebuilt in

accordance with speciic canons of that epoch but the holy place re-

mained the same The last reconstruction of the Lithuanian Parthenon

was carried out in the 18th century following the project of the archi-

tect Laurynas Gucevičius commissioned by the bishop of Vilnius I J

Masalskis L Gucevičius rebuilt the cathedral in a new classical style

imitating architectural forms of the Antiquity The cathedral was re-

built keeping in mind both past traditions and antique architecture

This is represented well in the plan of the cathedral which resembles

both the Greek Parthenon and the traditional layout of Lithuanian

churches from the Baroque and Gothic periods although with some

diferences Instead of towers the architect planned grand chapels to

be put in the corners He put twelve Doric columns under the pipe organ gallery

and decorated the grand altar with a Doric portico of four columns The pediment is

adorned with three monumental sculptures St Stanislovas St Elena and St Kazimi-

eras The cathedral represents L Gucevičius architectural philosophy the harmonic

and moderate approach to art during the antique period was the ideal that L Guce-

vičius followed

The Cathedral of Vilnius has seen many great rulers In 1529 the Lithuanian Duke1

Žygimantas Augustas was crowned in the Cathedral and since 1993 the presidents of

our country have been inaugurated here Just like the Greek Parthenon the building

has also served as a necropolis2 for famous people of Lithuania ndash the temple holds the

remains of Vytautas the Great and his wife his brother Žygimantas Kęstutaitis Švitri-

gaila Žygimantas Kęstutaitis son Mykolas St Kazimieras and his brother Alexander

the ruler of Lithuania and Poland and an urn with the heart of Duke Vladislovas IV

Vaza the bishops and members of the chapter of Vilnius and the two wives of Žygim-

antas Augustas Elisabeth of Austria and Barbora Radvilaitė The latter is related to

one of the most romantic love stories of Europe

Figure 55 The Cathedral of Vilnius

Figure 56 The Parthenon from the west

1 Grand Duchy of Lithuania ndash Feudal Lithuanian country that existed between the 13th and 18th centu-ries largest country in Europe during the 15th century

2 Necropolis (from the Greek νεκρόπολις) ndash historic burial ground or cemetery

EuropeanSymbold_Final_3indd 80 07072015 161656

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 9: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 9

cursor Latein4EU

Im Sinne der Kompetenzentrennung werden in der Leistungsbeurteilung NEU bei Schularbeiten und schriftlicher Matura zwei Texte vorgelegt Der Uumlbersetzungstext (UumlT) muss uumlbersetzt der Interpretations-text (IT) bearbeitet nicht aber uumlbersetzt werden Eine allfaumlllige Uumlbersetzung des IT wird nicht bewertet Verhindert werden soll damit dass das Fehlen einer Kompetenz (z B des Uumlbersetzens) den Nachweis einer anderen Kompetenz (z B der Textinterpre-tation) beeinflusst bzw verhindert In der Lektuumlrephase muumlssen beide Kompetenzen ndash Uumlbersetzung und Interpretation ndash jeweils positiv sein (Vetofunktion) Im Grundkurs gilt diese Vetoregel nicht Eine Elemen-tarschularbeit im Grundkurs besteht aus einem UumlT und Arbeitsaufgaben zur Festi-gung der Grammatik und der Kulturkunde In den Arbeitsaufgaben darf keine Uumlberset-zung von ganzen Saumltzen verlangt werdenDas neue Modell versucht die Kompeten-zen so weit als moumlglich zu trennen Beim UumlT gelingt das einwandfrei beim IT lassen sich die Kompetenzen nicht voumlllig trennen da die Arbeit mit dem Text letztlich ein Textverstaumlndnis voraussetzt Hinsichtlich dieser Problematik bedeutet das neue Mo-dell jedoch jedenfalls einen Fortschritt im Vergleich zur fruumlheren Situation in der nur ein Text fuumlr Uumlbersetzung und Textinterpre-tation geboten wurde Wer den Text nicht richtig zu uumlbersetzen vermochte konnte wenn die Interpretationsfragen sinnvoll gestellt waren diese nicht beantwortenAd Korrekturblatt Fuumlr den UumlT werden uumlblicherweise 36 Punkte fuumlr den IT 24 Punkte vergeben Bei der Elementarschul-arbeit gibt es auch die Moumlglichkeit folgen-der Verteilung UumlT IT = 42 18Der Text wird in 12 Sinneinheiten aufge-

teilt fuumlr die man jeweils einen Punkt errei-chen kann Zudem werden Lexik (Vokabel-kenntnisse) Morphologie (Kenntnisse der Formenlehre) und Syntax (Kenntnisse des Satzbaues) mit je 6 sogenannten bdquoCheck-pointsldquo stichprobenartig uumlberpruumlft Daraus folgte zum Einen dass eine effiziente Auswahl der Checkpoints einige Routine erfordert zum Anderen dass dadurch der Schwierigkeitsgrad einer Schularbeit we-sentlich beeinflusst werden kann Manche Fehler bleiben unberuumlcksichtigt manche werden sowohl bei den Sinneinheiten als auch bei den Checkpoints gezaumlhlt schlagen also doppelt zu Buche Schlieszliglich werden fuumlr die sprachliche Qualitaumlt der Uumlberset-zung in die Zielsprache 6 Punkte vergeben Die Gesamtzahl (UumlT + IT) der erlaubten lateinischen Woumlrter in der Aufgabenstel-lung ist genau geregelt

Auf wwwlateinforumat finden Sie unter bdquoLeistungsbeurteilungldquo alle wichtigen Dokumente zur aktuellen Leistungsbeur-teilung Hervorgehoben seien hier zwei Dokumentebull Rechtsgrundlagen und Leitlinien zur kompetenzorientierten Leistungsfeststel-lung und Leistungsbeurteilung in den klas-sischen Sprachen Latein und Griechisch Stand September 2014bull BAUSTEINE Latein (vierjaumlhrig oder sechsjaumlhrig) fuumlr die standardisierte schriftliche Reifepruumlfung (UumlT + IT) Stand September 2014

Im Folgenden finden Sie zwei Beispiele zur neuen Leistungsbeurteilung1 Elementarschularbeit zu Medias in res Lektion 9 Uumlbersetzungstext (Teil A) Ar-beitsauftraumlge Korrekturblatt (Teil B)

2 Schriftliche Matura Kurzform Interpre-tationstext und Arbeitsaufgaben (Teil B)

Die Loumlsungen fuumlr die Arbeitsaufgaben zum IT sind in der Aufgabenstellung eingetra-gen

Im Folgenden die deutsche Version der Uumlbersetzungstexte

1 Obwohl Romulus viele Jahre in der neuen Stadt regiert haben die roumlmischen Maumlnner keine Frauen Daher beschlieszligen sie heimlich Boten zum Volk der Sabiner zu schicken und diese zu schoumlnen Spielen einzuladen Die Sabiner kommen ohne Sol-daten gerne ins Lager der Roumlmer Waumlhrend sie mit groszligem Laumlrm die Spiele ansehen rauben die Roumlmer die Toumlchter der Sabiner und eilen in der dritten Stunde nach Hause Die Frauen fuumlrchten sich sehr und rufen die Namen ihrer Familien Die Sabiner sagen bdquoWenn wir unsere Toumlchter nicht wieder er-halten leisten wir Widerstand und fuumlhren sofort Krieg mit den Roumlmern

2 Als der Dichter Ibykus einst unter die Raumluber gefallen war beschwor er im Ster-ben zufaumlllig vorbeifliegende Kraniche Spauml-ter einmal als dieselben Raumluber auf dem Hauptplatz zu Korinth saszligen und wieder Kraniche vorbeiflogen fluumlsterten sie sich gegenseitig im Scherz ins Ohr bdquoDa sind die Kraniche des Ibykusldquo Dieses Gespraumlch belauschte jemand und schoumlpfte Verdacht besonders da Ibykus schon dringend erwartet wurde Gefragt welchen Sinn ihre Rede habe antworteten sie zoumlgerlich und unschluumlssig Unter Folter gestanden sie ihre Untat Und so buumlszligten sie wie gesagt wird gleichsam durch den Hinweis der Kraniche eher als sie durch den Hinweis den sie selbst gegeben hatten zugrunde gingen Ausonius erinnerte an den folgen-den Merkvers bdquoAls Ibykus zugrunde ging war ein hoch auffliegender Kranich der Raumlcherldquo

Schriftliche Leistungsbeurteilung NEU in Latein und GriechischPeter Glatz

Sogar im Happel-Stadion gibt es harte Latein-Fans ndash aus dem Stiftsgymnasium Wilhering -)

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 10: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

10

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 11: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 11

cursor Latein4EU

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 12: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

12

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 13: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 13

cursor Latein4EU

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 14: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

14

cursor Latein4EU

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 15: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 15

cursor Latein4EU

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 16: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

16

cursor Latein4EU

Kein Philosophielehrer verstieszlige gegen die Idee der Kompetenzorientierung und den Buchstaben des Gesetzes der ein Jahr lang Philosophie unterrichtete ohne dass der Name eines Philosophen fiele ein philoso-phisches Buch zitiert wuumlrde eine philoso-phische Theorie oder ein philosophisches Argument Erwaumlhnung faumlnde und natuumlrlich muumlsste auch kein philosophischer Text gelesen werden (52)Blickt man genauer hin muss man erken-nen dass sich unter dem Deckmantel der Kompetenzorientierung eine Grundkon-stellation des Erkennens und damit der Bildung glatt in ihr Gegenteil verwandelt hat In dem Maszlige in dem Kompetenzen als formale Fertigkeiten verstanden wer-den die an beliebigen Inhalten erworben werden koumlnnen konterkariert man die Idee jedes durch Neugier motivierten Erkenntnis- und damit Bildungsprozesses bdquoNoch nie hat sich ein Mensch in einem wirklichen Bildungsprozess etwa fuumlr eine bestimmte philosophische Lebensauffas-sung interessiert bloszlig um daran seine Ar-gumentationskompetenz zu uumlben sondern es laumluft immer umgekehrt Ein bestimmter Inhalt fasziniert laumlsst nicht mehr los und erhaumllt dadurch eine Verbindlichkeit auf die der verstehenwollende Mensch gleichsam genoumltigt ist durch die Ausbildung be-stimmter Kompetenzen zu antworten um dem Anspruch der Sache gerecht werden zu koumlnnenldquo Genau um diese Faszination die von einer Sache einem Thema einem Gegenstand einem Namen einem Buch-titel einer Frage ausgehen kann werden kompetenzorientiert unterwiesene Kinder und Jugendliche gebracht sie werden da-mit um die Chance betrogen uumlberhaupt ein substantielles Interesse an der Welt und an sich selbst entwickeln zu koumlnnen Gera-de die vielgeruumlhmte bdquoSelbstkompetenzldquo erweist sich als ungeheuerliches Betrugs-manoumlver an dessen Ende die Phraseologie des Selbst jede Form der Selbsterkenntnis sabotiert (53f)Wer nur gelernt hat mit Wissen umzuge-hen weiszlig so paradox das klingt letztlich nicht wie er mit Wissen umgehen soll Denn dazu muumlsste er etwas wissen Die Einsicht dass es eine grundlegende Diffe-renz zwischen dem Abrufen von Informati-

onen und dem Verstehen einer Sache gibt ist deshalb auch verloren gegangen Es gab Zeiten ndash diese Reminiszenz sei an dieser Stelle erlaubt ndash da dachte man anders daruumlber In der Rede zum Schulab-schluszligjahr am 29 September 1809 hielt G W F Hegel damals Rektor des Nuumlrn-berger Gymnasiums fest bdquo so muszlig der Stoff an dem sich der Verstand und das Vermoumlgen der Seele uumlberhaupt entwickelt und uumlbt zugleich eine Nahrung sein Nicht jener sogenannte nuumltzliche Stoff jene sinn-liche Materiatur wie sie unmittelbar in die Vorstellungsweise des Kindes faumlllt nur der geistige Inhalt welcher Wert und Interesse in und fuumlr sich selbst hat staumlrkt die Seele und verschafft diesen unabhaumlngigen Halt diese substantielle Innerlichkeit welche die Mutter von Fassung von Besonnenheit von Gegenwart und Wachen des Geistes ist er erzeugt die an ihm groszliggezogene Seele zu einem Kern von selbstaumlndigem Werte von absolutem Zwecke der erst die Grund-lage von Brauchbarkeit zu Allem ausmacht und den es wichtig ist in allen Staumlnden zu pflanzenldquo Der menschliche Geist entwi-ckelt sich nicht in der Auseinandersetzung mit beliebigen Inhalten er entwickelt sich auch nicht wenn man immer nur dort beginnt wo man schon ist Er entwickelt sich wenn er mit den Inhalten konfrontiert wird die ihre Bedeutung in sich tragen und die es gilt sich verstehend zu erschlieszligen Uns fehlt mittlerweile jede Vorstellung davon dass es geistige Inhalte geben koumlnnte die Wert und Interesse in und fuumlr sich selber haben und deshalb der entschei-dende Stoff die entscheidende Nahrung fuumlr die Entwicklung eines jungen Menschen sein muumlssen Wissen ist heute ergebnis-orientiert und anlassbezogen es soll sich entweder an den Beduumlrfnissen der jungen Menschen an den Wuumlnschen der Arbeit-geber oder an den Herausforderungen der Zukunft die niemand kennt orientieren Auch dort wo noch alte Sprachen oder die musischen Faumlcher gelehrt werden ge-schieht dies regelmaumlszligig mit dem Hinweis dass dadurch bestimmte kognitive Faumlhig-keiten geschult wuumlrden die fuumlr das Beste-hen im Wettbewerb wichtig seienMan koumlnnte es drastischer formulieren Wir sind zu feige geworden um uns noch

zu geistigen Inhalten zu bekennen die einen Wert an sich darstellen und deren Kenntnis und Verstaumlndnis jenseits aller aktuellen Beduumlrfnisse eine Befriedigung zu geben vermag (55-57)Zukuumlnftige Bildungsforscher werden in der Umstellung auf die Kompetenzorientie-rung vielleicht den didaktischen Suumlnden-fall unserer Epoche sehen die Praxis der Unbildung schlechthin und womoumlglich zur Einsicht kommen dass Kompetenz genau das bedeutet was der Philosoph Odo Marquard schon vor Jahren manchen bdquokompetentenldquo Vertretern seiner eigenen Zunft unterstellt hatte Sie seien fuumlr nichts zustaumlndig zu manchem faumlhig und zu allem bereit Aber vielleicht ist es genau das was intendiert ist In der Kompetenzorientie-rung zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer hypertrophen Gestalt (58f)Dabei waumlre alles ganz einfach Alle die an Bildung interessiert sind muumlssten sich da-ruumlber verstaumlndigen was Heranwachsende koumlnnen und wissen sollten um diese Welt und ihre Situation in dieser zu verstehen Warum soll es so schwer sein Lehr- und Studienplaumlne zu entwickeln die ein aus-gewogenes Verhaumlltnis von notwendigem Wissen und erstrebenswerten Kompeten-zen anstreben Die sinnlose Kompetenz-vermehrung muumlsste sofort beendet werden und ohne offene Debatte uumlber den einen oder anderen Kanon ohne Begeisterung fuumlr das eine oder andere bdquoOrchideenfachldquo ohne Lust an einer zweckfreien Betaumltigung des Geistes wird die Frage nach einem gleichermaszligen notwendigen wie befrei-enden Wissen nicht zu beantworten sein Aber die Vertreter der Kompetenzorientie-rung koumlnnten in jedem Fall beruhigt sein Wer in jungen Jahren herausfinden will was unter bdquoplatonischer Liebeldquo zu verste-hen sei und sich deshalb ndash vielleicht sogar unter Anleitung eines fachlich versierten Lehrers ndash Platons Symposion vornimmt wird dabei nicht nur die notwendige Text-kompetenz entwickeln sondern vielleicht auch mehr an Selbst- Orientierungs- und Sozialkompetenz als es so manchem seiner Facebook-Freunde lieb sein mag Und was die Anwendung betrifft Dafuumlr hat der junge Mensch ja noch ein ganzes Leben vor sich (59f)

Lectum pro vobis ndash Konrad P Liessmann Geisterstunde Praxis der UnbildungLiessmann nimmt sich kein Blatt vor den Mund ndash eine Streitschrift eben Nach seiner Theorie der Unbildung ndash in Anknuumlpfung an Wilhelm von Humboldts Theorie der Bildung des Menschen und Theodor W Adornos Theo-rie der Halbbildung ndash legt er nun die bdquoPraxisldquo der Unbildung vorIm 3 Kapitel beleuchtet Liessmann kritisch den Begriff der bdquoKompetenzorientierungldquo Der bdquoCursorldquo hat fuumlr Sie einige Passagen ausgewaumlhlt

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 17: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 17

cursor Latein4EU

Als Hinfuumlhrung zum Thema stellt er eine politische Mainstream-Rede an den Be-ginn in der alle Schlagworte der modernen Bildungsdebatte ndash sei es die bdquojede Chancen-gleichheit im Keim erstickende Selektion und Aussortierung nach der 4 Klasseldquo sei es die Bildung als bdquounser wichtigstes Investitionsgutldquo oder sei es bdquodie effiziente Nutzung unseres Humankapitalsldquo ndash enthal-ten sind Darin wird der Bildungsbegriff auf ein Minimum reduziert wobei die Kern-aussage die ist dass bdquogebildet ist wer als Fachkraft im Auftrag der Wirtschaft und des Staates Leistungen zu erbringen ver-mag die Deutschland im internationalen Wettbewerb einen Spitzenplatz sichernldquo Diese Reduzierung fuumlhrt nun zum Thema des Vortrages dem bdquoWesen der Bildungldquo Vor die Definition des Begriffes bdquoBildungldquo stellt Illauer noch drei einleitende Bemer-kungen bdquoErstens Das Praumldikat bdquogebildeter Menschldquo darf nicht beschraumlnkt werden auf die Akademiker Es gibt auch unter den sogenannten einfachen Leuten immer wie-der Menschen die man im besten Sinn des Wortes gebildet nennen muss und unter den Akademikern finden sich immer wie-der Leute denen man Bildung ganz und gar nicht attestieren kannldquo Im zweiten Punkt geht er auf die Konkurrenten der Lehrer und Eltern bei ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgabe ein von denen Jugend-liche in ihrer Umwelt beeinflusst werden Dazu zaumlhlen Schwachsinnigkeiten aller Art Ferner haumllt er fest bdquoDrittens Ich komme auf meine Politikerrede zuruumlck auf das Aumlrgernis der Reduzierung des Bildungsbe-griffs Bitte verstehen Sie mich nicht falsch Ich bestreite keineswegs dass unser Land hochqualifizierte Arbeitnehmer Unterneh-mer und Manager braucht (welch letzte-ren bisweilen ein guter Religions- oder Ethikunterricht nicht schaden koumlnnte) ich bestreite keineswegs dass zur Schulbildung selbstverstaumlndlich auch die Vorbereitung auf solche Aufgaben gehoumlrt aber ndash sowenig ich das Wesen des Haushundes reduzie-ren darf auf das Wachehalten und Bellen (zweifellos wichtig) sowenig ich das Wesen der Katze reduzieren darf auf die Arbeit des Maumlusefangens (zweifellos wichtig in maumlusegeplagten Haushalten) sowenig ich den vollkommenen Fuszligballspieler reduzie-

ren darf auf den Spieler mit hervorragen-der Kondition (Kondition ist sehr wichtig doch der Fuszligballspieler braucht mehr hellip Fuszligballfreund Edmund Stoiber wuumlrde mir begeistert zustimmen) sowenig ich Hunde Katzen und Fuszligballspieler reduzieren darf auf eine wichtige Teilfunktion sowe-nig darf man den Menschen als Ganzes (Fuszligballfreund Edmund Stoiber haumltte jetzt vielleicht gewisse Verstaumlndnisschwierigkei-ten) reduzieren auf seine Rolle im Wirt-schaftsleben und seinen Kampfeinsatz im internationalen WettbewerbldquoNun die humanistische Kurzdefinition bdquoBildung ist die Formung zum Menschenldquo Das heiszligt bdquoerstens die Entfaltung all derje-nigen Faumlhigkeiten die Entwicklung all der-jenigen Tugenden die fuumlr den Menschen im positiven Sinne charakteristisch sindldquo und bdquozweitens all diejenigen Eigenschaften die zwar im Dienst des Boumlsen stehen koumln-nen die aber auch fuumlr die Verwirklichung edler Ziele unverzichtbar sindldquo Dies steht im Gegensatz zur Entfaltung der vielen schlechten Eigenschaften des Menschen Bildung wird oft mit Ausbildung verwech-selt weshalb Illauer hier folgende essenti-elle Unterscheidung trifft bdquoWer ausgebildet wird geht in eine Lehre wird geschult wird vorbereitet auf eine ganz spezielle berufliche Taumltigkeit Computerfachmann Verkaumlufer Baumlcker Saumlnger Journalist Schauspieler Lehrer Jeder Mensch braucht natuumlrlich beides Ausbildung und Bildung Ausbildung gibt es tausenderlei Bildung gibt es nur eine naumlmlich Formung zum Menschen Menschwerdungldquo Den zweiten Punkt des Hauptteiles bildet die Widerlegung des ethischen Relativismus der menschliches Denken und Handeln stets in Beziehung zu zeitlichen Gegeben-heiten setzt ndash somit gaumlbe es denkt man den Relativismus konsequent durch weder allzeit und uumlberall guumlltige Moralvorstellun-gen noch einen derartigen Bildungsbegriff Uumlberall guumlltige Moralvorstellungen gibt es jedoch denn Unmenschlichkeiten jeglicher Art ndash seien es die Unterdruumlckung der Frau in manchen Kulturregionen die Verbre-chen in Auschwitz oder die Graumlueltaten im Amphitheater des alten Rom ndash waren und sind zur jeweiligen Zeit wenngleich sie von den privilegierten Mitgliedern der

Gesellschaft ausgeuumlbt wurden oder werden moralisch keineswegs vertretbar Folglich ist der konsequente Relativismus letztlich nicht haltbar und somit gibt es auch einen ubiquitaumlren Bildungsbegriff der eben zur allzeit gleichen Menschwerdung fuumlhrtNach Abhandlung dieser Grundvorausset-zungen kommt der Kernteil das Ziel der Erziehung und Bildung und die Aufgabe der Schule dabei Denn wenn nun Bildung Menschwerdung bedeutet so stellt der Autor die Frage bdquoWas ist die Aufgabe eines Menschen insofern er Mensch ist () Welches uumlber die beruflichen Kenntnisse hinausgehende Wissen welche Faumlhigkeiten und Eigenschaften braucht er um die Bezeichnung Mensch zu verdienenldquo Und zur Aufgabe der Schule bdquoDie Aufgabe der Schule besteht nicht nur darin bei den Schuumllern grundlegende Voraussetzungen zu schaffen dass sie spaumlter gute Aumlrzte oder Juristen oder Handwerker oder Wirt-schaftsfuumlhrer werden koumlnnen () ndash sie besteht vor allem darin die Schuumller so zu erziehen dass sie spaumlter ihre Aufgabe als Menschen insofern sie Menschen sind ausuumlben koumlnnenldquo Nach den unerlaumlsslichen Vorreden werden nun die Bildungsinhalte eroumlrtert Illauer teilt sie in fuumlnf aufsteigen-de Terrassen ein deren erste der Koumlrper bildet Zeichen eines gebildeten Menschen ist es auf seinen Koumlrper zu achten auf ihn zu achten und nicht durch uumlbermaumlszligigen Suchtmittelkonsum systematisch zu schaumldigen bdquoEin gesunder und leistungsfauml-higer Koumlrper ist eine so wichtige Vorausset-zung fuumlr alles andere im Leben dass man ihn pflegen und hegen muss wie ein uumlberaus wertvolles Kleinod Wer seinen Koumlrper leichtfertig schwaumlcht und beschauml-digt handelt wie einer der eine lange Schiffsreise machen will und den Rumpf seines Schiffes waumlhrend der Fahrt systema-tisch und konsequent anbohrt Unser Koumlrper ist das Fahrzeug unserer Lebensrei-se () Dieses Fahrzeug mutwillig und systematisch Tag fuumlr Tag zu beschaumldigen und immer schwerfaumllliger langsamer und sinkbarer zu machen ist Wahnsinn und widerspricht jeder Vernunft Aber Vernunft erwarten wir gerade von einem gebildeten Menschenldquo Die naumlchsten drei Terrassen haben mit Geist Seele und Charakter des

Was ist BildungZusammenfassung der Rede von Wolfgang IllauerChristoph Gruber

In seinem Vortrag bdquoWas ist Bildungldquo nimmt sich Wolfgang Illauer kein Blatt vor den Mund Er macht ndash manch-mal mit bissigem Humor ndash auf die Unzulaumlnglichkeiten der modernen Bildungsdiskussion aufmerksam Illauer unterrichtete als Studiendirektor am Gymnasium Deutsch Latein Griechisch und Ethik

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 18: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

18

cursor Latein4EU

Menschen zu tun so bildet die zweite Ebene bdquoBerufstauglichkeit und Lebenstuumlch-tigkeitldquo Dazu zaumlhlen Faumlhigkeiten wie Lesen Schreiben Rechnen Computer- und Sprachkenntnisse Eigenschaften wie Puumlnktlichkeit und Fleiszlig uvm Dies alles reicht jedoch nicht aus um als gebildet gelten zu duumlrfen da diese Eigenschaften auch boumlse Menschen besitzen koumlnnen was zur naumlchsten Terrasse fuumlhrt dem recht-schaffenen Charakter bdquoDas Handeln des rechtschaffenen Menschen orientiert sich am moralisch Gutenldquo Da der Relativismus bereits widerlegt wurde kann man auch davon ausgehen dass es das bdquomoralisch Guteldquo auch gibt Doch wie handelt ein Mensch von rechtschaffenem Charakter bdquoOb Intellektueller Kuumlnstler Wissenschaft-ler Journalist Handwerker oder Arzt ndash an jeder Stelle wird der rechtschaffene Mensch sein Bestes tun um der menschlichen Gemeinschaft wertvolle Dienste zu leisten um Schaden von ihr abzuwendenldquo Doch um das uneingeschraumlnkte Praumldikat bdquogebildetldquo zu erhalten braucht man auch die vierte Bildungsebene naumlmlich das eigenstaumlndige Denken und ein vernuumlnftiges Urteil bdquoDer gebildete Mensch muss befaumlhigt sein zu einem selbststaumlndigen Urteil in allen wichtigen allgemeinen Dingen der Welt und des Lebensldquo Das heiszligt sich nicht von gerade gaumlngigem Modedenken beeinflussen zu lassen oder sich seine Meinung von irgendwelchen Prominenten diktieren zu lassen Dieser Terrasse allerdings widerstrebt eine Krankheit die bdquoideologische Verblendungldquo bzw bdquoWirklichkeitsverweigerungldquo Diese aumluszligert sich im bdquoKNK-Effektldquo sowie im bdquoPPM-Syndromldquo bdquoKNK-Effekt ist eine Abkuumlrzung fuumlr Kaisers-Neue-Kleider-Ef-fekt bdquoSchaut welch wunderbare Kleider der Kaiser anhatldquo schreit die Menge der Meinungsmacher und all derer die sich fuumlr fortschrittlich halten Und wir Einzelnen schreien brav mit obwohl wir mit eigenen Augen sehen dass der Kaiser nackt ist Und warum schreien wir mit Weil wir Angst haben als ungebildet ruumlckstaumlndig und dumm zu gelten () PPM ist eine Abkuumlr-zung fuumlr Peter-Pluumlsch-Morbus also Peter-Pluumlsch-Krankheit Peter Pluumlsch ist ein Maulwurf der Held einer Fabel () Peter Pluumlschs Philosophie lautet so Ich kenne nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und deshalb existiert nur das Reich meiner unterirdischen Gaumlnge Und in dieser Unterwelt habe ich zu wuumlhlen Eine Oberwelt mit Gras Baumlumen und Himmel gibt es nicht Leute die am PPM-Syndrom leiden haben ein ganz bestimmtes (einsei-tiges und falsches) Welt- und Menschen-bild und alles was nicht mit ihrem Welt- und Menschenbild uumlbereinstimmt leugnen

sie weg auch wenn es noch so offenkundig vor ihren Augen liegtldquo Ein gebildeter Mensch muss also diese Symptome bekaumlmpfen auch wenn dies auch oft schwieriger ist als man denkt Und schlieszliglich gelangt Illauer zur houmlchsten Bildungsebene bdquoDie Veranlagung sich fuumlr etwas begeistern zu koumlnnen Schoumlnheit zu erleben und hinter der Schoumlnheit von Einzeldingen eine wunderbare sozusagen jenseitige Schoumlnheit zu ahnen () Der Mensch ist so geartet dass er sich fuumlr bestimmte Dinge begeistern kann die ihren Wert in sich selber haben die nicht dem bloszligen Uumlberleben dienen keinem materiellen Gewinn keinem selbstsuumlchti-gen Zweck () Der Mensch ist faumlhig zu Erlebnissen und Erfahrungen die ihn hinausfuumlhren uumlber ihn selber die ihn sein beschraumlnktes Alltagsleben uumlbersteigen lassen Wissenschaft um ihrer selbst willen Kunst Musik Philosophie Religion und das Erlebnis der Schoumlnheit spielen dabei eine entscheidende Rolle bdquoUumlbersteigenldquo heiszligt auf lateinisch bdquotranscendereldquo Der Mensch ist faumlhig zur Transzendenzldquo Und dies ist die houmlchste Bildungsstufe Den Vortrag beendet der Platon-Fan Illauer ganz in Manier des groszligen Philosophen mit einem Mythos dem Enten-Mythos inspiriert von einer Stelle Saint-Exuperys uumlber den Flug der Wildenten und dessen Wirkung auf die zahmen Hausenten bdquoWir normalen Sterblichen mit unserem engen Alltagshorizont gleichen den Hausenten Erreicht uns der Ruf der Wildente dann spuumlren wir eine Sehnsucht in uns nach Ferne Weite Uumlberblick Erkenntnis () Die Menschen lassen sich einteilen in drei Entensorten Da sind zunaumlchst wie gesagt die Hausenten Ihr Horizont ist beschraumlnkt auf den Heimattuumlmpel und ein kleines Fleckchen Himmel In ihren harten Koumlpfen gibt es nur praktische Gedanken und alles Wissen das sie haben dient fast aus-schlieszliglich praktischen Zwecken Die Vorstellung dass Wissen auch Selbstzweck sein koumlnnte ist ihnen fremd Sie entwickeln kaum Individualitaumlt stattdessen eine bemerkenswerte Nachahmungsenergie Wenn sie (und das ist haumlufig der Fall) Langeweile verspuumlren geschieht folgendes Bestimmte einzelne Enten produzieren auf einer Wiese mit besonders prominenten Enten ein end- und sinnloses Dauergequa-ke oder mehrere Enten tollen wie verruumlckt in einem Tuumlmpel herum und schlagen die absonderlichsten Kapriolen Die Masse der Enten den Teich dicht umhockend houmlrt und schaut ganz gebannt zu Die Enten nennen das Enter-tainment Manchmal geraten sie in geradezu edle Begeisterung () Allerdings Die Hausenten tragen Wildentenerbe in sich Dieses Erbe

schlummert tief in ihrem Genpool Und es kann geweckt werden Da sind zweitens die Houmlhlenenten Sie sind verwandt mit Peter Pluumlsch Man koumlnnte sie deshalb auch Maulwurfshoumlhlenenten nennen Diese Maulwurfshoumlhlenenten (anas talpina spelaea) hausen wie der Name sagt in Houmlhlen tief unten Sie sind blind Ihr dunkles enges Houmlhlenrevier halten sie fuumlr die einzige und ganze Wirklichkeit Den Ruf der Wildente koumlnnen sie nicht mehr vernehmen In ihrer Houmlhlenwelt entfalten sie eine furchterregende Betriebsamkeit Verbissene Rangordnungskaumlmpfe gieriges Sammeln von Statussymbolen (beliebt sind Knochen von Houmlhlenbaumlren und Faustkei-le) Lustbarkeiten auf unterstem Tropf-steinniveau In der Weltliteratur spielen die Houmlhlenenten eine bedeutsame Rolle z B in den Erzaumlhlungen und Romanen eines Nicolai Gogol es sind selbstverliebte profilierungssuumlchtige zwar ausgebildete aber gaumlnzlich ungebildete und zugleich eingebildete Hohlkoumlpfe ohne jeden Horizont voller Egoismus Hinterhaumlltig-keit Tyrannei und Besitzgier Liebe kennen sie nicht nur wuumlste Sexorgien Sie sind unfaumlhig jene houmlheren Guumlter auch nur zu ahnen die Augustinus bdquobona beatificaldquo genannt hat Und da sind drittens die Wildenten Zu allen Zeiten gibt es und gab es nur wenige Platon war eine Wildente Augustinus war eine Wildente Mozart war eine Wildente Michelangelo war eine Wildente Shakespeare war eine Wildente Einstein war eine Wildente und lehrte uns das Staunen Die Wildenten zeigen uns eine houmlhere Wirklichkeit die unseren Hausen-tenhorizont uumlberragt wie ein fernes geheimnisvolles Gebirge Woran erkennt man den Ruf der Wildente Man erkennt ihn an einem eigentuumlmlichen mit einem Schauer verbundenen Kribbeln in uns Wenn wir Hausenten dieses Kribbeln verspuumlren etwa bei Mozarts Requiem oder bei den spaumlten Streichquartetten eines Beethoven oder Schubert dann haben wir den Ruf der Wildente gehoumlrtldquoIllauers Text regt durch seine unverbluumlmte Offenheit gepaart mit Witz zum Nachden-ken uumlber die zunehmende Oumlkonomisierung der Bildung an Schulen und Universitaumlten an wobei er oft auf Texte klassischer Auto-ren rekurriert Also bdquoTolle legeldquo

Die gesamte sehr lesenswerte Rede (20 DIN A4-Seiten) finden Sie auf wwwedu-groupatpraxisportalelateinaktuellesdetailbildungsrede-von-wolfgang-illauerhtml

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 19: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 19

cursor Latein4EU

Die folgende Auswahl an Zitaten rund um den Wein belegt einerseits die hohe Bedeu-tung die der Wein bereits bei den Roumlmern hatte andererseits bietet sie so manche bisweilen augenzwinkernde Lebensweis-heit In allen Gesellschaftsschichten Roms war der Wein beinahe ein Grundnahrungs-mittel auf das auch Sklaven Anspruch hatten So wie heute gab es auch damals schon Qualitaumlts- und Spitzenweine die von weither geliefert wurden um die oberen 10000 beim Gelage zu erfreuen Neben den positiven Seiten des Weines waren in der Antike aber auch die negativen Folgen des Alkoholismus bereits ein Thema wie Plinius Seneca Martial Sueton und andere berichten Das Finden des richtigen Maszliges ist fuumlr den Menschen aller Zeiten eine groszlige Herausforderung hellipErfreuen Sie sich an den folgenden poin-tierten Gedanken Fuumlr weiterfuumlhrende Beschaumlftigung mit dem kulturhistorisch

bedeutsamen Thema bdquoWeinrdquo sei auf das nach wie vor hervorragende Buch bdquoDie Weinkultur der Roumlmerrdquo von Karl-Wilhelm Weeber verwiesen dem auch die folgende Auswahl entnommen ist und das eine pro-funde Darstellung des Themas bietet Nach der Einfuumlhrung folgt ein lexikalischer Teil mit Eintraumlgen vom bdquoAnbaugebietrdquo bis zum bdquoZungenloumlserrdquo daran anschlieszligend das Kapitel bdquoOhne Bacchus friert Venus ndash Wein und Liebe in der roumlmischen Literaturrdquo Den Abschluss bildet eine Zitatensammlung

In vino veritas ndash in vino feritasRenate Glas

BALNEA VINA VENUS CORRUMPUNT CORPORA NOSTRA SED VITAM FACIUNT BALNEA VINA VENUS(Grabinschrift Corpus Inscriptionum Latinorum VI 15258)Die Baumlder die Weine die Liebe sie richten unseren Koumlrper zu-grundeaber sie machen das Leben aus Die Baumlder die Weine die Liebe

CURA FUGIT MULTO DILUITURQUE MERO(Ovid ars amatoria I 238)Die Sorge flieht und loumlst in reichlich Wein sich auf

ABSENTEM LAEDIT CUM EBRIO QUI LITIGAT(Publilius Syrus)Einen Abwesenden verletzt wer mit einem Betrunkenen hadert

FECUNDI CALICES QUEM NON FECERE DISERTUM(Horaz epistulae I 5 19)Wen haumltten volle Becher nicht beredt gemacht

NUNC VINO PELLITE CURAS(Horaz carmen IV 8 33)Nun vertreibt die Sorgen durch Wein

QUANDO BIBO VINUM LOQUITUR MEA LINGUA LATINUM(Neulateinischer Vers 17 Jh)Wenn ich Wein trinke spricht meine Zunge Latein

SAPIENTIAM VINO OBUMBARI(Plinius naturalis historia XXIII 41)Die Weisheit mit Wein umnebeln

VINUM SAEPE FACIT QUOD HOMO NEQUE BU NEQUE BA SCIT(Mittelalter)Wein bewirkt oft dass der Mensch nicht mehr bdquobuldquo noch bdquobaldquo weiszlig

VINA PARANT ANIMOS(Ovid ars amatoria I 237)Wein macht das Herz bereit hellip

SOLET CIBUS CUM SUMITUR TACITOS EFFICERE POTUS LOQUACES(Macrobius Satiren VII 1)Speise pflegt die Menschen waumlhrend sie essen schweigsam zu machen Trank dagegen redselig

VINA DABANT ANIMOS(Ovid Metamorphosen XII 242)Mut gab ihnen der Wein

INTER POCULA LAETI(Vergil Georgica II 383)Inmitten von Bechern froumlhlich

ET VENUS IN VINIS IGNIS IN IGNE FUIT(Ovid ars amatoria I 244)Und Venus im Wein wirkte wie Feuer im Feuer

PRIMA CRETERRA AD SITIM PERTINETSECUNDA AD HILARITATEMTERTIA AD VOLUPTATEMQUARTA AD INSANIAM(Apuleius Florida 20 2)Der erste Becher ist fuumlr den Durstder zweite fuumlr die Froumlhlichkeitder dritte fuumlr den Genuss undder vierte fuumlr die Tollheit

SINE CERERE ET LIBERO FRIGET VENUS(Terenz Eunuchus 732)Ohne Ceres und Bacchus friert Venus

Weeber Karl-Wilhelm Die Weinkultur der RoumlmerISBN 978-3760812113

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 20: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

20

cursor Latein4EU

Eine der wuumlrdigsten menschlichen Taumltig-keiten ist das Unterrichten Thomas von Aquin nennt das Unterrichten etwas Goumlttli-ches Diesen Eindruck bekommt man auch von der beruumlhmten Schrift bdquoPaidagogosldquo von Clemens von Alexandrien Nur einer ist unser Erzieher Jesus Christus Diese schlichten Einsichten koumlnnten Menschen im Lehrberuf daran erinnern dass sie einer unverzichtbaren den Menschen zum Men-schen machenden Aufgabe nachgehen und dass auch die Lehrerin und der Lehrer auf Lehrende angewiesen ist George Steiner hat in seinen Charles Eliot Norton Lectu-res in Harvard den Lehrer als bdquoHoumlrer des Wortenldquo und als bdquoBotenldquo beschrieben nicht von ungefaumlhr hat sich der Lehrberuf aus der Priesterberufung entwickelt Lehren ist ein Akt des Schenkens und ein Akt der Selbstenthuumlllung Die Lehrenden geben sich also selbst Gerade deswegen ist nicht nur das bdquoWasldquo des Inhalts und das bdquoWieldquo des Lehrens sondern auch das bdquoWerldquo der Lehrperson und das bdquoWarumldquo des Tuns entscheidend

Lehren heiszligt Menschen darauf vorzuberei-ten und darin zu begleiten ein ernsthaftes und anspruchsvolles Leben im Rahmen einer Gemeinschafts- und Gedankenord-nung zu fuumlhren Wir fuumlhren ein ernsthaftes Leben wenn wir uns die Grundfragen des Lebens (Woher Wohin Warum) stellen wenn wir offen sind fuumlr praumlgende Erfah-rungen (bdquoDurchbrechungenldquo) wenn wir Zugang zu innerer Unausschoumlpfbarkeit und Tiefe haben Ein oberflaumlchlicher Mensch ist ein Mensch der es nicht gelernt hat uumlber sich und sein Verhaumlltnis zur Welt nachzudenken sich grundsaumltzliche(n) Fragen zu stellen oder auch sich in Frage zu stellen Bildung ist ein Kampf gegen die Oberflaumlchlichkeit Die Suche nach einem ernsthaften und anspruchsvollen Leben findet im Rahmen einer Gemeinschaft und im Rahmen einer bestimmten Orientierung statt Die Lehrerin und der Lehrer treten als Reisebegleiterinnen und Reisebegleiter auf etwa im Sinne der Unterstuumltzung die der junge Tobias durch den Engel Rafael im Alten Testament im Buch Tobit erfaumlhrt Rafael zeichnet sich dadurch aus dass er das Wohl des Tobias will (uumlber den Wert der bdquoGenerativitaumltldquo verfuumlgt) und den Weg kennt den sie gemeinsam zuruumlcklegen Das Buch Tobit kann uns auch lehren dass es im Lehren wesentlich darum geht ande-re Menschen im Wachstum zu begleiten und in ihrem Wachstum anzuleiten Dazu

bedarf es auf Seiten der Lehrperson etwas was Robert Musil seinerzeit den bdquoMoumlglich-keitssinnldquo genannt hat die Faumlhigkeit Moumlg-lichkeiten im anderen zu entdecken Nicht von ungefaumlhr hat der Dirigent Benjamin Zander der auch Musikklassen unterrich-tet hat sein gemeinsam mit seiner Frau Rosamund geschriebenes Buch uumlber Fuumlh-rungsethik bdquoThe Art of Possibilityldquo genannt Es gehe im Fuumlhren von Menschen darum deren Moumlglichkeiten zu erkennen Der Philosoph Peter Bieri hat dieses Gespuumlr fuumlr Kontingenz mit der Idee von Bildung verbunden

Lehrerinnen auszubilden ist Arbeit an der Zukunft weil sie den groumlszligten Schatz zu bearbeiten hilft den ein Land hat die Fauml-higkeiten seiner Bewohnerinnen Es war Cicero der in seinem Buch uumlber die Pflich-ten formuliert hat Die Reichtuumlmer eines Staates sind die Vermoumlgen der Menschen Singulorum enim facultates et copiae divi-tiae sunt civitatis (de off 3 63)Denn die Leistungsfaumlhigkeit und der Wohl-stand der einzelnen Menschen sind der Reichtum des Staates

Die Frage ist nun wie diese Faumlhigkeiten gefoumlrdert werden koumlnnen Dazu mag ein Blick auf einen klassischen christlichen Text uumlber die Erziehung hilfreich sein In seiner kleinen Schrift uumlber den ersten katechetischen Unterricht (bdquoDe catechizan-dis rudibusldquo) die etwa um das Jahr 400 entstanden ist schreibt Augustinus auf Bitten seines Freundes des Diakons Deo-gratias von Karthago Grundlegendes uumlber die rechte Erziehung Augustinus erinnert an das Gesetz bdquodass man uns um so lieber zuhoumlrt je mehr wir selber Freude an dem behandelten Gegenstand habenldquo (I 2) ndash auch im Geistigen gelte der Satz dass Gott einen froumlhlichen Geber schaumltzt

Et re quidem vera multo gratius audimur cum et nos eodem opere delectamur (cat rud I 2)Und in der Tat houmlrt man uns freilich viel lieber zu wenn auch wir uns an ebendie-sem Gegenstand erfreuen

Fuumlr den Lehrberuf bedeutet dies wohl vor allem die Herausforderung mit innerem Engagement an die Vermittlung heranzu-gehen und den langen Atem fuumlr die Freude daran zu haben Das hat natuumlrlich mit Ein-sichten in Entstehung und Vermeidung von

Lehrerinnen bilden (sich selbst)Clemens Sedmak

DDDr Clemens Sedmak 1971 in Bad Ischl geboren ist seit 2005 Professor fuumlr Sozialethik am FD Maurice Chair am Kingacutes College London Er studierte Theo-logie Philosophie und Soziologie in Inns-bruck Linz New York und an der ETH Zuumlrich Im Alter von 25 Jahren konnte er bereits drei Doktortitel aufweisen (Dr phil fac theol sub auspiciis Praesidentis rei publicae Dr phil und Dr theol) Im Rahmen des Auslandszivildienstes 1996 managte er Finanzen und Buchhaltung eines Forstprojektes in Bhutan wo er eine soziale Studie uumlber lokale Veraumlnderun-gen durchfuumlhrte Nach seiner Ruumlckkehr habilitierte er sich 1999 in Theologie an der Katholisch-Theologischen Privat-universitaumlt Linz ein Jahr spaumlter folgte die Habilitation fuumlr Philosophie an der Uni-versitaumlt Innsbruck Zahlreiche Aufenthalte als Gastprofessor (ua in Nairobi Dublin Indiana Louvain Linz Salzburg und auf den Philippinen) ergaumlnzen seine Vita Die Forschungsinteressen des mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen dekorierten Wissenschafters sind Armutsforschung Sozialethik Erkenntnis- und Wirtschafts-theorie Religionsphilosophie und -wis-senschaft Seit 2008 engagiert er sich in der Fuumlhrungsethik und hat einen eigenen internationalen Lehrgang fuumlr Fuumlhrungs-kraumlfte entwickelt Sedmak ist verheiratet und Vater von drei Kindern

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 21: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 21

cursor Latein4EU

Erschoumlpfungszustaumlnden zu tun (Monotonie durchbrechen sich selbst immer wieder uumlberraschen Neues dazu lernen Uumlber-ehrgeiz vermeiden) Augustinus erinnert weiters daran dass es um die Liebe als Endzweck gehe und dass der Liebe nichts mehr zuwider sei als der Neid (I 4) Hoc autem ideo quia finis praecepti et plenitudo legis caritas est ut et nos invi-cem diligamus (hellip) Quia ergo caritati nihil adversius quam invidentia (cat rud I 4)Dies aber deshalb weil der Endzweck des Gebotes und die Erfuumlllung des Gesetzes die Liebe ist damit auch wir einander lieben (hellip) Deshalb ist also der Liebe nichts entge-gengesetzter als der Neid

Die Lehrenden sollten deswegen mit Maszlig und Demut auftreten und klar vermitteln dass es ihnen um das Wohl der Schuumllerin-nen und Schuumller gehe und nicht um die ei-gene Ehre (I 11) oder den eigenen Komfort

delectabitque nos etiam ipsa perpessio molestiarum pro misericordi opere si non in eo nostram gloriam requiramus (cat rud I 11)Auch wird uns das Erdulden von Unan-nehmlichkeiten selbst fuumlr ein Werk der Barmherzigkeit erfreuen wenn wir dabei nicht nach unserem eigenen Ruhm streben

Die Bedeutung der Liebe zu den Schuumllerin-nen und Schuumllern kann wohl nur durch die Liebe als bdquostarke Sorgeldquo fuumlr die Studieren-den vermittelt werden Mir hat einmal bei einer Lehrerinnen-Fortbildung eine Kol-legin gesagt bdquoMan muss die Schuumller gern haben und man muss etwas wissen das sind die beiden Grundsaumlulenldquo Das ist ein weises Wort Drittens Es ist entscheidend Begruumlndungen fuumlr Behauptungen zu liefern (I 6) gerade auch fuumlr Aussagen

ita ut singularum rerum atque gesto-rum quae narramus causae rationesque reddantur quibus ea referamus ad illum finem dilectionis unde neque agentis ali-quid neque loquentis oculus avertendus est (cat rud I 6)hellip so dass die Hintergruumlnde und der tiefere Sinn der einzelnen Dinge und Handlun-gen die wir erzaumlhlen angegeben werden wodurch wir sie auf jenes Endziel der Liebe ausrichten wovon wir weder in Tat noch in Wort unser Auge abwenden duumlrfen

die Widerspruch erregen und ein Aumlrgernis darstellen (I 11) Man muss sich dabei auf die besonderen Umstaumlnde einstellen (I 15) Tatsaumlchlich ist es eine Form des Respekts wenn Geltungsanspruumlche begruumlndet wer-den In der Ausbildung zum Lehrberuf ist

diese Faumlhigkeit Begruumlndungen abzugeben und mit Einwaumlnden umzugehen von ent-scheidender Bedeutung Viertens spricht Augustinus die Herausforderung abfallen-der Aufmerksamkeit an Man koumlnne die Aufmerksamkeit dadurch fesseln dass man etwas Staunenswertes oder etwas Bekla-genswertes erzaumlhle oder etwas das direkt mit der Person des Angesprochenen zu tun habe (I 13)

Quod ubi senserimus aut renovare oportet eius animum dicendo aliquid honesta hilaritate conditum et aptum rei quae agitur vel aliquid valde mirandum et stupendum vel etiam dolendum atque plangendum (cat rud I 13)Sobald wir dies (ie dass jemand nicht mehr zuhoumlrt) bemerken muumlssen wir seine Aufmerksamkeit wieder wecken indem wir eine mit Humor gewuumlrzte und zum behandelten Thema passende Bemerkung einflechten oder indem wir entweder etwas Staunenerregendes und Verbluumlffendes oder etwas Schmerzliches und Klageerre-gendes einwerfen Auch dies entspricht meiner Unterrichts-erfahrung ndash Menschen werden durch das gefesselt was sie selbst angeht was mit ih-nen zu tun hat Oder anders gesagt Guter Unterricht ist solcher in dem die Schuumllerinnen und Studierenden vorkommen Schlieszliglich Es kommt auch darauf an den Menschen im Unterricht einen Sinn fuumlr Heiliges einen Sinn fuumlr das Mysterium einen Sinn fuumlr Unsichtbares zu vermitteln (vgl II 26)

Wie koumlnnen diese Ziele erreicht werden Ich moumlchte drei Schluumlsselfaumlhigkeiten nen-nen die bei der Ausbildung von Menschen zum Lehrberuf eine entscheidende Rolle spielen sollten anders gesagt Es handelt sich um entscheidende Faumlhigkeiten uumlber die Lehrende verfuumlgen sollten (i) Erstens die Faumlhigkeit wichtige Gesprauml-che zu fuumlhren Wir alle kennen wichtige Gespraumlche (bdquocrucial conversationsldquo) Mein Bruder hat mit meinem Vater ein solches wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als er von zuhause ausziehen wollte meine Mutter hat mit mir ein wichtiges Gespraumlch gefuumlhrt als es um die Frage nach der medizinischen Weiterbehandlung meines nicht mehr ansprechbaren Vaters ging ein Freund hat ein wichtiges Gespraumlch mit mir gefuumlhrt als er mir mitteilte dass er sich von seiner Frau trennen werde Wichtige Gespraumlche sind selten Sie haben mit Entscheidungs-situationen zu tun oder sollen dazu dienen eine Entscheidung herbeizufuumlhren Sie sind stets besondere und bestimmte Gesprauml-che die die besonderen Umstaumlnde in den

Blick nehmen Sie verlangen nach den Schluumlsselfaumlhigkeiten des Zuhoumlrens und des (Mit-)Teilens und nach ehrlichem Res-pekt und einer wachen Vorstellungskraft Sie verlangen ein tiefes Engagement des Intellekts eine Form der Verstandesbetaumlti-gung die die ganze Person einschlieszligt Ein ausgezeichnetes Beispiel fuumlr ein wichtiges Gespraumlch findet sich im dritten Kapitel des Buches Exodus Gott spricht zu Mose aus dem brennenden Dornbusch Hier haben wir es mit einer goumlttlichen bdquoart of holding crucial conversationsldquo zu tun Wie geht Gott bei diesem wichtigen Gespraumlch das er mit Mose fuumlhrt vor Er uumlberrascht den viehhuumltenden Mose und erregt seine Auf-merksamkeit er nennt Mose beim Namen und gibt ihm zu verstehen dass er weiszlig mit wem er es zu tun hat und dass es ihm um eben diese Person geht er schafft zwi-schen sich und Mose Distanz (bdquokomm nicht naumlher heranldquo bdquoleg deine Schuhe abldquo) und verleiht der Situation damit Gewicht und Bedeutung stellt einen Rahmen der Ernst-haftigkeit her Gott erzaumlhlt Mose dann vom Zustand und auch der Geschichte seines Volkes ndash damit gibt Gott sein Mitgehen und sein Wissen um die Lage der Israeliten kund (bdquoIch habe das Elend meines Volkes gesehenldquo) Gott formuliert klare Erwar-tungen an Mose (bdquoUnd jetzt geh Ich sende dich zum Pharao Fuumlhre mein Volk aus Aumlgypten herausldquo) Gott offenbart etwas von sich selbst Wir finden in Ex 3 14 die Of-fenbarung des Gottesnamens das scheint ein entscheidender Punkt in wichtigen Gespraumlchen zu sein ndash es geht auch um ein Moment der Selbstenthuumlllung Menschen im Lehrberuf sind auf diese Grundfaumlhigkeit angewiesen auf die Faumlhigkeit je besonde-ren Menschen in wichtigen Gespraumlchen zu begegnen (ii) Zweitens sollten Lehrende uumlber die Fauml-higkeit verfuumlgen Geschichten zu erzaumlhlen Geschichten vermitteln Orientierung sie halten eine Gemeinschaft zusammen und motivieren zum Handeln Geschichten schenken eine dichte und frische Beschrei-bung von Geschehnissen bauen eine innere Landschaft auf entfalten ein Drama das die Zuhoumlrenden fesselt und druumlcken persoumlnliches Wissen aus Wissen das mit dem Erzaumlhler oder der Erzaumlhlerin eins geworden ist Die Kunst besteht vor allem darin bdquostory momentsldquo zu identifizieren die rechten Momente zum Erzaumlhlen einer Geschichte Die Kunst des Geschichtener-zaumlhlens ist fuumlr religioumlse Traditionen deren Bestaumlndigkeit wesentlich mit dem Erzaumlhlen von Geschichten zusammenhaumlngt von besonderer Bedeutung Liturgie (Schrift-stellen Predigt Einsetzungsbericht) arbeiten mit narrativen Elementen Aber auch der taumlgliche Unterricht wird reicher

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 22: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

22

cursor Latein4EU

und tiefer durch Geschichten Unser Ge-daumlchtnis funktioniert auch so dass wir uns Geschichten leichter merken als Theori-engehalte dass wir uns von Geschichten tiefer beruumlhren lassen als von satzhaften Einsichten Geschichten sind auch ein wesentlicher Motor im Umgang mit Fragen nach Sinn und Bedeutung sowie eine Quel-le von Glaubwuumlrdigkeit Die Geschichte von einem senegalesischen Maumldchen das in den 1990er Jahren von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft wurde sagt vielleicht mehr uumlber heutige Sklaverei als ein dickes Buch (iii) Drittens duumlrfte eine in der Lehrerin-nen-Bildung zu vermittelnde Schluumlsselfauml-higkeit die Faumlhigkeit zur Selbstsorge sein

Damit meine ich einerseits die Faumlhigkeit sich nicht zu uumlberfordern die eigenen Grenzen zu erkennen andererseits aber auch die Bereitschaft an sich zu arbeiten nicht stehen zu bleiben selbst immer weiter zu wachsen Gut mit sich selbst umgehen zu koumlnnen hat vor allem auch damit zu tun einen wohlwollenden und sorgsamen Blick auf sich selbst zu haben Dazu kann ein Tagebuch dienen wie wir es eindrucksvoll bei Angelo Roncalli sehen dem spaumlteren Papst Johannes XXIII der von 1895 bis 1962 Beobachtungen uumlber sich selbst und sein Leben notiert hat Die Selbstsorge laumlsst das Leben als eine Einheit sehen als ruhiges Ringen um WachstumLehrerinnen auszubilden heiszligt schlieszliglich

auch Die Gabe des Zuhoumlrens vermitteln so wie wir sie im Emmausevangelium bei Je-sus dem Erzieher sehen und Menschen auf schwierige Situationen vorzubereiten Das kann mit einem abschlieszligenden Zitat deutlich gemacht werden In einem Brief vom 23 Januar 1944 an das Ehepaar Beth-ge notiert Dietrich Bonhoeffer uumlber sein Bildungsverstaumlndnis bdquoKlar ist mir hellip nur daszlig eine sbquoBildunglsquo die in der Gefahr ver-sagt keine ist Bildung muszlig der Gefahr und dem Tod gegenuumlbertreten koumlnnenldquo Auch wenn Unterrichten nicht lebensgefaumlhrlich sein sollte gilt dieser Satz Bildung soll auf schwierige Situationen vorbereiten

AmicusChristoph Gruber

Ich wurde 1991 in Linz geboren Meine schulische Laufbahn be-gann ihn der Volksschule Feldkir-chen an der Donau Ebendort war es auch wo meine damalige Leh-rerin eine Weltenbummlerin und Polyglotte mit ihren Geschich-ten aus fernen Laumlndern und ihren Sprachkenntnissen mein Interesse fuumlr Fremdsprachen weckte Nach der Volksschulzeit beschloss ich das Stiftsgymna-sium Wilhering zu besuchen Dort lernte ich dann als dritte Fremdsprache neben Englisch und Franzoumlsisch ab der fuumlnften Klasse Latein dem ich zunaumlchst doch etwas reserviert gegenuumlber stand Auch ich sah mich vorher mit bloumldem Gerede und verschie-denen Schauergeschichten uumlber Latein konfrontiert Alledem zum Trotz entwickelte sich in mir eine Begeisterung fuumlr das Uumlbersetzen lateinischer Texte und die lateini-sche Sprache an sich Besonders faszinierte mich dabei Verbin-dungen zu modernen Fremd-sprachen herstellen und durch die Uumlbersetzungsarbeit meine Kenntnisse und Faumlhigkeiten in

der deutschen Sprache intensivieren und verbessern zu koumlnnen Durch Teilnahmen an den Lateinolympiaden die zwar eher weniger als mehr erfolgreich waren bekam ich dennoch einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Latein-Community und mein Bild vom verschrobenen Lateiner der nichts anderes kennt als seine Texte und dann und wann mit weisen lateinischen Spruumlchen von sich houmlren laumlsst veraumlnderte sich Auch bdquonormaleldquo Leute beschaumlftigen sich mit Latein Nach der Matura kam der Praumlsenzdienst den ich bei der Militaumlrmu-sik Oberoumlsterreich leistete Hier konnte ich meinem liebsten Hobby der Musik einige Zeit lang aumluszligerst intensiv nachge-hen Danach stellte sich die Frage was ich zukuumlnftig machen solle Nach langem Hin- und Her-Uumlberlegen entschloss ich mich schlieszliglich in Wien Latein und Geschichte auf Lehramt zu studieren Die Beweggruumln-de sich mit Latein zu beschaumlftigen oder Latein zu studieren koumlnnen sehr vielfaumlltig sein je nachdem was einen eben an Latein interessiert Bei mir war und ist es die Beschaumlftigung mit einer alten Sprache und dabei zu sehen wie diese in den modernen Sprachen weiter lebt welche Kontinuitaumlten es gibt und wie sie sich im Laufe der Zeit veraumlndert hat

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 23: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 23

cursor Latein4EU

Im Rahmen der Reifepruumlfung NEU kommt dem (vor)wissenschaftlichen Arbeiten ein groszliger Stellenwert zu In diesem Zusam-menhang bietet das vom Bundesministeri-um fuumlr Wissenschaft und Forschung kon-zipierte und finanzierte Foumlrderprogramm bdquoSparkling Scienceldquo auszligerordentliche Chancen Ein gelungenes Beispiel stellt das Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscrip-tiones Antiquaeldquo dar Dabei handelte es sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbru-cker Schulen Akademisches Gymnasium BGBRG Sillgasse und WRG Ursulinen sowie der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo Ziel war die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlsterreichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck

Diese Sammlung umfasst 74 Inschriften aus dem 1 bis 4 Jahrhundert nChr vor-wiegend Grabinschriften aber auch einen roumlmischen Amtskalender Ehreninschriften fuumlr Kaiser und Senatoren eine Weih- und eine Bauinschrift sowie einen Ziegelstem-pel Diese Steine wurden von Rudolf von Scala (1860ndash1919) dem ersten Inhaber des Lehrstuhls fuumlr Alte Geschichte an der Universitaumlt Innsbruck im roumlmischen Anti-quitaumltenhandel erworben Seit der Uumlbersie-delung des Instituts in das neu gegruumlndete bdquoZentrum fuumlr Alte Kulturenldquo im Fruumlhjahr 2008 sind die Inschriften im bdquoRaum der Schriftldquo auch der Oumlffentlichkeit zugaumlnglich

Nach drei Jahren intensiver Projektarbeit mit den beteiligten Schuumllerinnen und Schuuml-

lern ist eine 200 Seiten starke Publika-tion als Sonderausgabe der Zeitschrift bdquoLatein Forumldquo erschienen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der Inschriften (auf Grundlage der 1997 von Franziska Kraumlnzl und Ekkehard Weber besorgten Erstedition) mit Uumlbersetzungen au-szligerdem historische und philologische Einfuumlhrungstexte Dies erlaubt allen Interessierten vielfaumlltige Einblicke in die Welt der roumlmischen Antike

Neben dieser Abschlusspublikation lie-gen weitere Ergebnisse vor vor allem eine von Schuumllern erstellte Website die unter anderem zur wissenschaftli-chen Projekt-Datenbank fuumlhrt wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Am Beispiel zweier Inschriften sollen die Schritte der gemeinsamen Arbeit mit den Schuumllerinnen und Schuumllern im Lateinunterricht sowie in Workshops an der Universitaumlt illustriert werden die Edition der Inschrift eine Uumlberset-zung ein Kommentar sowie histori-sche Kontextualisierungen

Im Dialog mit der Antike Roumlmische Inschriften als Tor in die Welt der RoumlmerHelmut Berneder Hermann Niedermayr Michael Sporer (Innsbruck)

Die Innsbrucker Sammlung stadtroumlmischer Inschriften im Raum der Schrift am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck (Foto Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Blick in die Abschlusspublikation des Projektes (Foto kultig Werbeagentur)

Screenshot der von Schuumllern erstellten Projekt-Homepage (Abbildung kultig Werbe-agentur erstellt am 7112012)

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 24: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

24

cursor Latein4EU

KommentarZwischen der vierten und fuumlnften Zeile der Inschrift auf dieser Grabplatte befindet sich eine kreisrunde Vertiefung die sechs Durchbohrungen aufweist Diese Art von Grabplatten lag horizontal auf dem Grab und wird als mensa bezeichnet Beim Totenkult wurden durch die Loumlcher in der Vertiefung den Verstorbenen Speisen und Trank als Opfer dargebracht

Der Stifter der Inschrift Ser Veius Diosco-rus war vermutlich ein Freigelassener Sein ehemaliger (nunmehr als cognomen gefuumlhrter) Sklavenname ist griechischer Herkunft (die Dioskuren Kastor und PolydeukesPollux sind Soumlhne des Zeus) Sein verstorbener achtjaumlhriger Sohn trug moumlglicherweise denselben Vornamen wie sein Vater Dessen praenomen Servius wird in der Filiation angefuumlhrt Daraus laumlsst sich schlieszligen dass dem Sohn der das cogno-men Secundinus traumlgt der Status eines Freigeborenen zukommt Das nomen gen-tile des Vaters (Veius) in der fuumlnften Zeile und vermutlich auch das des Sohnes in der zweiten Zeile sind zur Kennzeichnung des langen Vokals mit i longa geschrieben Auch vix(it) in der vierten Zeile weist i longa auf Die Ergaumlnzung der Fehlstellen in dieser Inschrift erfolgt wie uumlblich durch textkritische Zeichen des sog Leidener Klammersystems

Bestattung in RomBei einem Todesfall stellte man in Rom den endguumlltigen Tod durch mehrmaliges Aufrufen des Namens des Toten (concla-matio ritualisierte Totenklage) fest Man befestigte Zypressen- und Tannenzweige am Eingang des Hauses um auf den Tod von Verwandten hinzuweisenDie Vorbereitungen auf das Begraumlbnis in-kludierten die Waschung Bekleidung und Parfuumlmierung des Leichnams Waumlhrend dieser Zeit wurde die conclamatio von den Angehoumlrigen mehrmals wiederholt manch-mal auch mit Unterstuumltzung professioneller Klagefrauen (praeficae) Fuumlr die Reise in die Unterwelt legte man Verstorbenen eine Muumlnze in den Mund um den Faumlhrmann Charon fuumlr die Uumlberquerung des Flusses

Styx zu bezahlenAm Tag der Bestattung veranstalteten Ver-wandte und Bekannte einen Trauerzug zum endguumlltigen Ort der Verbrennung (crema-tio) bzw Beisetzung (inhumatio) Bei der Art der Bestattung sind Trendwechsel zu beobachten Waumlhrend anfangs hauptsaumlch-lich Beisetzungen stattfanden wurden spaumlter Verbrennungen bevorzugt Seit der Christianisierung wurden dann wieder groumlszligtenteils Beisetzungen praktiziert

Uumlber alle Zeiten hinweg sind standesmauml-szligige Unterschiede zu erkennen Weniger Vermoumlgende fuumlhrten die Trauerzuumlge meist im kleinen Rahmen durch Die Angehouml-rigen wohlhabender und einflussreicher Familien organisierten Beisetzungen oft mit groszligem finanziellen Aufwand und unter Einbeziehung einer breiten Oumlffent-lichkeit Manchmal machte der Trauerzug am Forum Romanum Halt damit dort eine Leichenrede (laudatio funebris) gehalten werden konnte Nicht nur bei den Trauer-feiern sondern auch in den Inschriften auf den Grabmonumenten wurde die soziale Stellung der Verstorbenen deutlich her-vorgehoben indem man ihren Werdegang schilderte und ihre Verdienste um den Staat wuumlrdigte Dies diente nicht zuletzt der Selbstdarstellung der Familie

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus aus dem Manuskript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorientalistik der Universitaumlt Innsbruck)

Das pyramidenfoumlrmige Grabmal des C Cestius vor der Porta San Paolo in Rom (Foto Jimmy P Renzi)

Grabinschrift fuumlr Ser Veius Secundinus

[Dis Ma]nibus[Ser(vii) Vei]i Ser(vii) f(ilii)Secundinivix(it) ann(os) VIIISer(vius) Veius Dioscoruspater fec(it)

Den Totengeisterndes Servius VeiusSecundinus des Sohnes des Servius (geweiht)Er lebte 8 JahreServius Veius Dioscorussein Vater hat (diese Grabplatte) errichtet

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 25: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 25

cursor Latein4EU

Die Bestattung fand aus Gruumlnden der Hygi-ene und des Brandschutzes auszligerhalb der Stadtgrenze des sog pomerium statt Dies war bereits im Zwoumllftafelgesetz (um 450 v Chr) festgelegt Es gab jedoch Ausnahmen etwa das Grab des Kaisers Traian (98ndash117 n Chr) in der ihm zu Ehren errichteten TraianssaumluleAm Grab wurden ein Totenmahl veran-staltet und Opfergaben dargebracht Man glaubte die Toten wuumlrden nun in ihren Graumlbern wohnen Im Laufe der Zeit wurden die Jenseitsvorstellungen durch griechi-schen Einfluss komplexer Es entwickelte sich die Vorstellung von einem Totenreich mit Totengoumlttern auf die auch in den Grab-inschriften mit der Formel dis manibus Bezug genommen wurde Das erwaumlhnte Totenmahl wurde neun Tage nach der Be-stattung und dann an bestimmten Festta-gen wiederholt

Kindheit In Griechenland wie in Rom wurde der Kindheit als Lebensabschnitt keine groszlige Bedeutung beigemessen Sie wurde nicht als Zeitraum der Entwicklung zum Er-

wachsensein begriffen Vielmehr wurde die Kindheit als Phase der menschlichen Unvollkommenheit charakterisiertDie Kindersterblichkeit in der Antike war extrem hoch Schaumltzungen zufolge starben uumlber 40 der Neugeborenen im ersten Le-bensjahr Eltern mussten demnach damit rechnen eines oder mehrere ihrer Kinder bald nach der Geburt zu verlieren Nach Erreichen des fuumlnften Lebensjahres stiegen die Chancen eines Kindes ein houmlheres Alter zu erreichen Aber auch dann war ein fruumlhzeitiger Tod (mors immatura) an der Tagesordnung Wer die Kindheit uumlber-lebte hatte gute Chancen ein Alter von etwas mehr als 50 Jahren zu erreichen Es sind uns tragische Schicksale von Muumlttern uumlberliefert die den Tod vieler ihrer Kinder beklagen mussten Ein beruumlhmtes Beispiel ist Cornelia (ca 190ndash100 vChr) die zweite Tochter des P Cornelius Scipio Africanus und Mutter der beiden Gracchen Sie hatte 12 Kinder von denen nur drei die Kindheit uumlberlebten

Eine groszlige Anzahl von Grabdenkmaumllern fuumlr Kinder ist bekannt Kleinkinder sind in den Grabinschriften jedoch unterreprauml-sentiert Sie wurden mit eingeschraumlnkten Trauerriten und Trauerzeiten bedacht Gleichwohl ging dieser Brauch mit einer tiefen Anteilnahme am Schicksal des Kindes einher Trauer uumlber den Verlust eines Kindes und die Zuneigung zu diesem sind zahlreich belegt Die Bezeichnun-

gen dulcissimus-a suavissimus-a oder carissimus-a finden sich haumlufig auf roumlmi-schen Grabinschriften so auch auf Grab-inschriften fuumlr verstorbene Kinder Neben diesen Superlativen findet sich oft auch das exakte Lebensalter des Kindes das haumlufig

bis auf den Tag genau angegeben wird Die-se stereotypen Angaben bei der Gestaltung von Grabinschriften fuumlr Kinder lassen an gesellschaftliche Konventionen denken Die Entscheidung der Eltern bzw anderer Hinterbliebener einem verstorbenen Kind einen Grabstein mit einer Inschrift zu wid-men ist jedenfalls auch als Ausdruck der Wertschaumltzung und Zuneigung zu werten

LiteraturhinweiseDoubordieu Annie Totenkult V Rom in DNP 121 (2002) 711ndash713Kierdorf Wilhelm Bestattung D Italien und Rom in DNP 2 (1997) 590ndash592Koumlnig Ingemar Vita Romana Vom taumlglichen Leben im antiken Rom Darmstadt 2004Kolb AnneFugmann Joachim Tod in Rom Grabinschriften als Spiegel roumlmischen Lebens (= Kulturgeschichte der antiken Welt Band 106) Mainz 2008

Vollplastische Tonstatuette eines unbekleide-ten Knaben moumlglicherweise als Kinderspiel-zeug verwendet 23 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena (Tiroler Lan-desmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 5141 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseBacke-Dahmen Annika Die Welt der Kinder in der Antike Mainz am Rhein 2008 134ndash146Christes JohannesKlein RichardLuumlth Christoph (Hg) Handbuch der Erziehung und Bildung in der Antike Darmstadt 2006Wiesehoumlfer Josef Kind Kindheit in DNP 6 (1999) 464ndash466

Raumltsel Sententiae LatinaeVervollstaumlndigen Sie folgende lateinischen Redewendungen Die ersten Buchstaben ergeben das Loumlsungswort Die Loumlsung finden Sie auf Seite 28

Noli turbare (1) meosAustriae est imperare (2) universoRepetitio est (3) studorumDe (4) clamavi ad te DomineDivide (5) imperaMulier (6) in ecclesiaQuod (7) demonstrandumPecunia (8) oletSic (9) gloria mundiNe bis in (10)Tu felix (11) nube

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 26: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

26

cursor Latein4EU

Kommentar Der Grabstein weist einen Segmentgiebel mit Akroteren auf unter dem ein Kranz mit zwei Schleifen zu erkennen ist Ein Profil-rahmen fasst die Inschrift ein

Die frumentarii waren urspruumlnglich fuumlr die Getreideversorgung bzw uumlberhaupt fuumlr die Versorgung der Truppen zustaumln-dig Spaumlter wurden sie aber auch fuumlr den militaumlrischen Nachrichtendienst bzw fuumlr die kaiserliche Geheimpolizei eingesetzt Kaiser Traian (98ndash117 n Chr) oder Kaiser Hadrian (117ndash138 n Chr) soll einen nume-rus frumentariorum gegruumlndet haben der sich aus Soldaten verschiedener Legio-nen zusammensetzte die in Spanien in Britannien an der Donau bzw am Rhein stationiert waren Diese Geheimpolizei hatte nach dem spaumltantiken Historiker Au-relius Victor (Liber de Caesaribus 39 44) am Beginn des 4 Jh n Chr einen derart schlechten Ruf dass er sogar vom pestilens frumentariorum genus spricht also vom bdquoVerderben bringenden Menschenschlag der frumentariildquo Eine weitere militaumlrische Sondereinheit die vigiles werden in einer anderen Inschrift der Innsbrucker Samm-lung erwaumlhntDie legio X Gemina war ab Beginn des 2 Jh n Chr in Vindobona (heute Wien) sta-tioniert Der Verstorbene duumlrfte von dieser Einheit in die Hauptstadt abkommandiert worden sein wo ein numerus frumenta-riorum in einer Kaserne den sog castra peregrina auf dem mons Caelius unterge-bracht warDas lateinische Wort centuria wird in die-ser Inschrift durch das Zeichen gt darge-stellt das fuumlr ein inverses (linkslaumlufiges) C stehtL Pontius Primus gehoumlrt der gens Pontia an Das beruumlhmteste Mitglied dieser gens war der aus dem Neuen Testament bekann-te Pontius Pilatus der von 26 bis 36 n Chr roumlmischer Statthalter von Iudaea war Die Wortform des Adjektivs Anesis statt Ani-ensis weist vulgaumlrlateinische Einfluumlsse auf wie sie in Inschriften haumlufig zu finden sind Im vorliegenden Fall wurde das Adjektiv Aniensis statt der uumlblicheren Formulierung

Aniensi (tribu) verwendet Dieser Ablativus originis muumlsste allerdings vor dem cog-nomen stehen L Pontius Aniensi (tribu) Primus Als patria (Heimatstadt) des Sol-daten ist die norditalische Stadt Vercellae angegeben

Militaumlrischer AlltagDie einfachen roumlmischen Soldaten lebten in einem contubernalium zusammen einer achtkoumlpfigen bdquoMilitaumlrfamilieldquo Sie teilten sich ein Lagerzelt eine Getreidemuumlhle und ein Lasttier

Die Ernaumlhrung des Heeres orientierte sich an den Essgewohnheiten der zivilen roumlmischen Bevoumllkerung Es gab geregelte Essenszeiten die Hauptmahlzeit war die cena am Abend Von den roumlmischen Solda-ten wurde erwartet dass sie sich ihr Essen

Grabinschrift des L Pontius Primus D(is) M(anibus)L(ucius) PontiusPrimus An(i)e(n)-sis Vercellismil(es) leg(ionis) X Gem(inae)fr(umentarius) centuria Gemellimil(itavit) an(nos) VIII vix(it)an(nos) XXX

Den Totengeistern (geweiht)Lucius PontiusPrimus aus der tribus Aniensisaus Vercellae (stammend)Soldat der legio decima Geminafrumentarius in der Zenturie des GemellusEr diente 8 Jahre lang als Soldat er lebte30 Jahre

Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto Sandra Heinsch und Walter Kuntner)

Nachzeichnung der Grabinschrift fuumlr L Pontius Primus aus dem Manu-skript bdquoLehmann-Hauptldquo (Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck)

Vorderseite des Militaumlrdiploms fuumlr den aus Aguntum stammenden P Cornelius Crispinus aus dem Jahr 150 n Chr Bronze Fundort Doumll-sachAguntum (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck Inv-Nr A 225 mit freundlicher Geneh-migung Foto Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 27: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 27

cursor Latein4EU

selbst zubereiteten Dazu wurden ihnen Roste eiserne Dreibeine und verschie-dene Gefaumlszlige zur Verfuumlgung gestellt Oumll Wein und die als Speisewuumlrze verwendete Fischsoszlige (garum) wurden in Amphoren aufbewahrt und mitgefuumlhrt Mit der Muumlhle (mola) mahlten die Soldaten verschiedene Getreidearten um Brot (panis) zu backen oder einen Mehlbrei (puls) zuzubereiten Dies waren die Grundnahrungsmittel des roumlmischen Heeres Je nach Getreideart ndash meist Dinkel oder Weizen ndash stellten die Soldaten unterschiedliche Brotsorten her Als Proviant war Brot wesentlich besser geeignet da die puls leicht verdarb Das typische Militaumlrgetraumlnk war mit Essig ver-mischtes Wasser (posca) Das Vermischen mit Essig (acetum) erzeugte ein erfrischen-des Getraumlnk das einerseits den Geschmack des Wassers aufbessern und andererseits Keime abtoumlten sollte Sonst bevorzugten die roumlmischen Soldaten verduumlnnten Wein oder ein bieraumlhnliches Getraumlnk

Fuumlr Kranke und Verwundete wurden sog Valetudinarien eingerichtet in denen ne-ben Militaumlraumlrzten auch Zivilisten beschaumlf-tigt waren Chronisch Kranke versprachen sich vom Besuch der staatlichen Heilbaumlder die jedem Soldaten unabhaumlngig von seinem Dienstgrad zur Verfuumlgung standen Gene-sung Um Urlaub zu bekommen musste der Soldat einen triftigen Grund angeben und durfte dann auf bestimmte Zeit mit einem schriftlichen Bescheid dem Heer fernbleibenSoldaten konnten keine rechtsguumlltige Ehe schlieszligen Bestehende Ehen wurden mit dem Eintritt in die Armee aufgehoben Dabei handelte es sich allerdings nur um eine temporaumlre Annullierung Sklaven waren vom Militaumlrdienst ausgeschlossen arbeiteten aber zB als Stallburschen Private Kontakte zwischen Soldaten und Zivilbevoumllkerung waren bei der Heereslei-tung unerwuumlnscht sodass es zur Bildung einer eigenen bdquoMilitaumlrgesellschaftldquo kam Trotzdem folgten dem roumlmischen Heer ua Haumlndler Koumlche Baumlcker Gaukler Schau-spieler Prostituierte und Wahrsager Da man einigen dieser Berufsgruppen demora-lisierenden Einfluss zuschrieb wurden sie von den Kommandeuren mitunter vertrie-benIn den meisten Truppenstandorten gab es ab dem 1 Jh n Chr neben den allseits beliebten Thermen auch eigene Amphithe-ater fuumlr die Soldaten Um diese befestigten Militaumlrlager bildeten sich in der Regel dauerhafte zivile Siedlungen (cannabae) Ab dem 2 Jh n Chr wurden von den Soldaten Laienschauspieltruppen (vexillati-ones) gegruumlndet deren Vorfuumlhrungen dem Zeitvertreib im Lager dienten

Ausruumlstung des roumlmischen HeeresIn der roumlmischen Republik war die Buumlrger-miliz selbst fuumlr ihre Ausruumlstung verant-wortlich Die Ruumlstung der Schwerbewaff-neten bestand aus Beinschienen (ocreae) einem Bronzepanzer (lorica) einem geschlossenen Helm (galea) und einem

runden Schild (clipeus) Im Gegensatz dazu trugen die Leichtbewaffneten (velites) nur einen Lederpanzer Der obersten Vermouml-gensklasse gehoumlrten die Reiter (equites) an die gut gepanzert waren und deren Pferde vom Staat gestellt wurden Um 100 v Chr wurde eine einheitliche Ausruumlstung eingefuumlhrt Seitdem trug ein gewoumlhnlicher Soldat ein Kettenhemd (lorica serta oder lorica hamata) einen Helm und einen viereckigen gewoumllbten Schild (scutum) Beim Offizier kamen zusaumltzlich noch ein Brustpanzer und Beinschienen hinzu Den Feldherrn erkannte man an einer roten Binde um den Panzer In der fruumlhen Kaiserzeit wurde die Bewaff-nung vereinheitlicht Bei den Auxiliar-truppen gab es spezielle Soldaten die den Vor-marsch der Gegner stoumlren sollten Keulentraumlger Plaumlnkler Bogenschuumltzen und Schleuderer Die Abteilungen (alae) der Ka-vallerie waren militaumlrisch von groszliger Bedeutung da sie zu schnellen Uumlberfaumll-len und zur Verfolgung der fluumlchtenden Gegner dientenUrspruumlnglich war die Bewaffnung der Rouml-mer gleich wie die ihrer Nachbarn der Etrusker Sabiner und Samniten Die bekanntesten Waffen waren der gladius His-paniensis ein halblanges Schwert mit breiter Klinge das in den Punischen Krie-gen von den Keltiberern uumlbernommen wurde und das pilum ein Wurfspieszlig mit 21 m langem Holz-schaft und einer vierecki-gen Eisenspitze die mit Widerhaken versehen war Zusaumltzlich zu Schwert und Speer war jeder Infanterist mit einem Dolch (pugio) ausgestattetDie Kleidung der roumlmi-schen Soldaten in der augusteischen Zeit bestand aus einer Untertunica aus Leinen die bei groszliger Hit-ze eine kuumlhlende Funktion

Beigaben aus einem Soldatengrab (Brandbestattung) 1 Haumllfte 3 Jh n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Schuumlsseln Teller Tas-se durchbrochene Scheibenfibel Lanzenspitze Griffangelmesser Endbeschlag von einem Trinkhorn Riemenschlaufe(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 1864082 Foto Tiroler Landes-museum Ferdinandeum)

Beigaben aus einem Soldatengrab (Koumlrperbestattung) um 400425 n Chr Fundort Innsbruck-WiltenVeldidena Militaumlrguumlrtel aus Bronze Zwiebel-knopffibel aus feuervergoldeter Bronze Faltschale aus Glas Muumlnze aus Bronze Militaumlrguumlrtel und Zwiebelknopffibel sind typisch fuumlr einen rangho-hen Militaumlr Die Muumlnze diente als Obolus zur Bezahlung der Uumlberfahrt in das Totenreich (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Inv-Nr U 18860145 Foto Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Panis militaris Mainz 1997 172ndash177Wesch-Klein Gabriele Soziale Aspekte des roumlmischen Heerwesens in der Kaiserzeit Stuttgart 1998

Repliken roumlmischer Waffen gladius (Kurzschwert) und pilum (Wurfspeer)(Institut fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck Foto kultig Werbeagentur)

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 28: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

28

cursor Latein4EU

hatte und der eigentlichen Tunica die den Koumlrper vor Kaumllte schuumltzte Uumlber der

Tunica trug man den Militaumlrmantel Das paludamentum war ein purpurner Mantel der ausschlieszliglich von Offizieren getragen werden durfte Das sagum ein Umhang aus grobem Stoff war der klassische roumlmische Soldatenmantel Die aumlrmellose haumlufig mit einer Kapuze versehene paenula war besonders im 1 und 2 Jh n Chr populaumlr Die sog caligae waren spezielle Militaumlr-sandalen die sowohl in der Infanterie als

auch in der Kavallerie getragen wurden Auszligerdem trugen die Soldaten einen Militaumlrguumlrtel das cingulum militare das als Symbol des Soldatenstandes aufwaumlndig verziert war Im roumlmischen Heer unter-schied man zwischen dem miles expeditus der nur Waffen und Ruumlstung mit sich trug und daher jederzeit kampfbereit war und dem miles impeditus der feldmarschmaumlszligig bepackt war

LiteraturhinweiseJunkelmann Marcus Die Legionen des Augustus Der roumlmische Soldat im archaumlologischen Experi-ment Mainz 1997 154ndash196Rodgers Nigel Die roumlmische Armee Die Legionen der antiken Weltmacht und ihre Feldzuumlge Wien 2008 38ndash41

Das Buch kann zum Sonderpreis von euro 20- (inkl Zusendung) durch ein Mail an latein-forumtsnat bestellt werden

Die 200-seitige Abschlusspublikation des vom Bundesministerium fuumlr Wissenschaft und Forschung gefoumlrderten Sparkling-Sci-ence-Projektes Im Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquae ist als Sonderaus-gabe der Zeitschrift Latein Forum erschie-nen Das Buch enthaumllt eine Neuedition der groumlszlig-ten oumlsterreichischen Sammlung stadtrouml-mischer Inschriften (am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck) sowie historische und philologische Einfuumlhrungs-texte Es stellt eine gute Grundlage nicht nur fuumlr die Beschaumlftigung mit der Innsbru-cker Inschriftensammlung im Speziellen sondern auch mit dem Thema Inschriften im Allgemeinen an der Universitaumlt und in der Schule dar Das vom Bundesministerium fuumlr Wissen-schaft und Forschung gefoumlrderte Sparkling-Science-Projekt bdquoIm Dialog mit der Antike Inscriptiones Antiquaeldquo ist ein gelunge-

nes Beispiel fuumlr (vor)wissenschaftliches Arbeiten mit Schuumllerinnen und Schuumllern Es handelte sich um eine Kooperation des Instituts fuumlr Alte Geschichte und Altorien-talistik der Universitaumlt Innsbruck der drei Innsbrucker Schulen BGBRG Sillgasse Akademisches Gymnasium und WRG der Ursulinen sowie der Zeitschrift Latein Forum Im Zentrum dieses Projekts stand die wissenschaftliche fachdidaktische und digitale Aufarbeitung der groumlszligten oumlster-reichischen Sammlung stadtroumlmischer Inschriften am Zentrum fuumlr Alte Kulturen der Universitaumlt Innsbruck Neben dieser Abschlusspublikation gibt es noch eine Reihe von weiteren Projektergeb-nissen unter anderem eine von Schuumllern erstellte aumluszligerst professionelle Website Sie enthaumllt Informationen zum Projekt zur Epigraphik und zu roumlmischen Lebenswel-ten die in den Inschriften sichtbar werden und fuumlhrt zur wissenschaftlichen Projekt-datenbank Link zur Website bdquoIm Dialog mit der An-tikeldquo wwwuibkacatim-dialog-mit-der-antike

Helmut Berneder Hermann Niedermayr Kordula Schnegg Michael Sporer Brigitte Truschnegg (Hg) Im Dialog mit der Antike Die Innsbrucker Samm-lung stadtroumlmischer Inschriften Ein Sparkling-Science-Projekt (= Latein Forum 7778) Innsbruck 2012 (200 S ca 140 Farb- u 80 Schwarzweiszligabb)

1 C I R C U L O S

2 O R B I

3 M A T E R

4 P R O F U N D I S

5 E T

6 T A C E A T

7 E R A T

8 N O N

9 T R A N S I T

10 I D E M

11 A U S T R I A

impressum

Medieninhaber Herausgeber und VerlegerAMICI LINGUAE LATINAEFreunde der lateinischen SpracheAtriumweg 6a A-4060 LeondingE-Mail peterglatzeduhiatRedaktionMag Peter Glatz Christoph GruberGestaltung Lukas RuhsKontonummer 1655745Raiffeisenlandesbank OOuml BLZ 34000Bilder (auszliger Titelbild) AMICI LINGUAE LATINAE

Titelbild Captives

Captives is an ongoing series of digital and physical sculptures a contemporary interpretation of Michelangelorsquos unfini-shed series Prigioni (1513-1534) and his non-finito technique The work explores the tension and equilibrium between form and matter man-made objects of perfec-tion and complex chaotic forms of nature Whilst referencing Renaissance sculptures the focus of this series shifts from pure figurative representation to the articulation of matter itself credit Davide Quayola (IT)

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 29: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 29

cursor Latein4EU

Dans certains eacutetablissements franccedilais du secondaire les professeurs de Lettres classiques peuvent choisir drsquoenseigner non pas une langue ancienne mais deux langues anciennes ensemble le grec ancien et le latin Ce cours de laquo bilinguisme raquo est en reacutealiteacute un cours trilingue parce que le grec le latin et le franccedilais y sont lus parleacutes et eacutetudieacutes agrave la mecircme freacutequence sans preacutejudice des autres langues europeacuteennes qui y apparaissent souvent dans la reacutefle-xion sur le vocabulaire l lsquoeacutetymologie et la grammaire Crsquoest donc un enseignement tregraves laquo europeacuteen raquo puisqursquoil met en eacutevi-dence les nombreux points de convergence des langues et des modegraveles de penseacutee de lrsquoEurope contemporaine

Cet enseignement est neacute agrave la fin des anneacutees 1990 dans lrsquoacadeacutemie de Besanccedilon agrave lrsquoinstigation de Madame Marie-France KALANTZIS qui proposa un manuel sous forme de fiches reacuteunies dans un classeur intituleacute 300 fiches pratiques pour le bilin-guisme latin-grec SCEacuteREN ndash CRDP de Franche-Comteacute 2005 ougrave sont rassembleacutes le contenu des leccedilons des textes et des cor-pora bilingues en grec et en latin essentiel-lement pour les classes de collegravegeLa conception de lrsquoECLA est due agrave des professeurs de lrsquoacadeacutemie de Lille Mes-sieurs Marc BUBERT et Jean-Philippe CERDA qui proposent une deacutecouverte des deux cultures grecque et latine en recher-chant des points de rencontre dans les eacuteveacutenements historiques les institutions les faits culturelsCet enseignement srsquoappuie aussi sur des ouvrages universitaires et notamment celui de Paul VEYNE LrsquoEmpire greacuteco-romain Paris Seuil collection Des travaux 2005 ainsi que sur la lecture et la prise en compte des Hermeneumata Pseudodosi-theana ou Colloquia monacensis in Corpus Glossarium latinorum III rassembleacutes par G GOETZ Teubner Leipzig 1892 ougrave sont preacutesenteacutes de veacuteritables manuels de conver-sation grec-latin qui furent utiliseacutes jusqursquoau Moyen acircge

Il srsquoagit donc de preacutesenter les deux cultu-res anciennes simultaneacutement en utilisant leurs nombreuses relations linguistiques et historiques pour eacuteclairer la reacutealiteacute du

monde antique durant la peacuteriode romaine essentiellement et jusqursquoau Moyen acircge ce qui permet de lire et travailler de tregraves nombreux textes et donc de deacutecouvrir des points de vue quelquefois tregraves diffeacuterents sur des eacuteveacutenements ou des ideacutees comparablesLrsquointeacuterecirct drsquoun tel enseignement est aussi bien sucircr en ces temps vraiment difficiles pour nos disciplines drsquoen montrer toute la diversiteacute et les possibiliteacutes drsquoouverture sur la reacutealiteacute du monde ougrave vivent les eacutelegraveves drsquoaujourdrsquohui le passage drsquoune langue agrave lrsquoautre lrsquoutilisation drsquoune langue seconde agrave cocircteacute de la langue maternelle semble parfois tregraves contemporains alors que les Anciens y avaient recours drsquoune maniegravere beaucoup plus systeacutematique et plus quotidienne que nous sans lrsquoaide de tous les outils dont nous disposonsEt justement ce type drsquoenseignement est aussi une incitation agrave utiliser les outils mo-dernes de communication et de recherche lrsquoordinateur et tous ses prolongements sont souvent tregraves utiles pour voir eacutecouter lire et observer toutes sortes de documents qui sont les supports privileacutegieacutes de lrsquoeacutetude de la civilisation greacuteco-latine Les visites vir-tuelles de museacutees de sites archeacuteologiques conduisent tout naturellement agrave des visites et voyages reacuteels dans le monde meacutediterra-neacuteen et europeacuteen ougrave les manifestations de la civilisation antique teacutemoignent agrave la fois de la diversiteacute et des ressemblances de nos cultures modernes

Si vous souhaitez en savoir plus sur cet en-seignement et ses modaliteacutes consultez les ouvrages citeacutes mais aussi les sites suivants sans exclusion de tous les autres sites et ouvrages qui proposent des deacuteveloppe-ments pour cet enseignement httpcrdpac-besanconfrbilinguismehttpwww2bac-lillefrlangues-anci-ennestelechargementDefinition_ECLApdfhttpheliosfltruclacbeEnsConjointint-roductionhtml

Il faut preacuteciser que cet enseignement est eacuteminemment souple et adaptable agrave toutes les configurations drsquoeacutetablissement et de classe chaque professeur adapte la discipline agrave lrsquoenvironnement socio-culturel et scolaire qui le concerne et les expeacuterien-

ces sont souvent uniques tout en restant proches de ce qui est proposeacute agrave lrsquoorigine Crsquoest pour cela que pour se rendre vrai-ment compte de lrsquointeacuterecirct de cette maniegravere drsquoenseigner les langues anciennes et les cultures qursquoelles transmettent il faut rend-re compte et partager sa propre expeacuterience de la mise en place du cours de bilinguisme ou drsquoECLA en tenant compte des nuances qui distinguent ces deux deacutemarches tregraves proches et qursquoon a tendance agrave confondre

En espeacuterant que ce petit article aura attiseacute la curiositeacute et le deacutesir de partager cette expeacuterience je souhaite agrave tous les lecteurs et LATINAE LINGUAE AMICI de Cursor de riches rencontres laquo classiques raquo avec les civilisations antiques

Enseigner le bilinguisme Latin-Grec ou lrsquoaventure de lrsquoECLA Anne-Marie Chazal Professeur de Lettres classiques Acadeacutemie drsquoAix-Marseille

AbstractIn franzoumlsischen Schulen der Sekundar-stufe II koumlnnen Lehrer der klassischen Sprachen entscheiden Latein und Altgrie-chisch gleichzeitig zu unterrichten Somit ergibt sich fuumlr die Schuumller letztlich ein dreisprachiger Unterricht der durch die Reflexion lexikalischer und grammatischer Sachverhalte sowie durch den kontrastie-renden Vergleich der Denkmuster verschie-dener Sprachen als wahrlich bdquoeuropaumlischldquo bezeichnet werden kann Diese Form des Unterrichs nahm ihren Ausgang in der Akademie von Besanccedilon durch Marie-France Kalantzis Es wurden textliche und kulturkundliche Unterlagen fuumlr den mehrsprachigen Unterricht entwickelt die letztlich sogar auf lateinisch-griechische Handbuumlcher aus dem Mittelalter Bezug nehmen Ziel des Unterrichts ist den Schuumllern die antike lateinisch-griechische Kultur in ihrer sprachlichen und kulturel-len Dimension naumlherzubringen die Bezuumlge zur gegenwaumlrtigen Lebenswelt der Schuumller herzustellen und uumlber die zweisprachige Lektuumlre das Phaumlnomen der Mehrsprachig-keit grundsaumltzlich zu reflektieren Die modernen Moumlglichkeiten der neuen (virtu-ellen) Technologien werden dabei genutzt Die angegebenen Links bieten Information zu diesem Thema Dieses Konzept des bilingualen Unterrichts laumlsst sich an unter-schiedliche konkrete schulische Gegeben-heiten anpassen

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 30: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

30

cursor Latein4EU

Aus dem VorwortGefluumlgelte Worte zumal diese Zugvoumlgel aus der Antike sind allemal ihrem Nistplatz entflogene Worte sie tragen kein Ringlein am Fuss auf dem ihre bdquoStelleldquo mit Autor und Werk Buch und Kapitel punktgenau verzeichnet waumlre Wer seine Rede nicht ab ovo beginnen sondern gleich in medias res gehen will denkt nicht daran und schert sich nicht darum dass er Horazens Epistel bdquoUumlber die Poetikldquo zitiert wer ein Diskus-sionsvotum mit einem taktvoll lateinisch chiffrierten bdquoSi tacuisses ldquo quittiert denkt nicht daran dass dieser Zwischenruf dem Spaumltwerk des Boeumlthius und einem grausam harten Psycho-Test auf stoische Unerschuumltterlichkeit entflogen istViele dieser gefluumlgelten Worte haben sich fruumlh aus ihren urspruumlnglichen Bezuumlgen geloumlst und in einem langen Zitiergebrauch neue

oft allgemeinere Bedeutung angenommen Catos staumlndig wiederholtes bdquoCeterum cen-seo ldquo ist heute zum Wort fuumlr jede unbe-irrbare Beharrlichkeit geworden Horazens epikureischer Imperativ bdquoCarpe diemldquo findet sich allenthalben im Sinne jedes gegenwartsfrohen Lebensgenusses zitiert Bei einem bdquoHeurekaldquo denkt mancher noch an Archimedes ndash aber was hatte der geniale Gelehrte damals eigentlich gefunden was war das fuumlr ein Geistesblitz der ihn bdquonacktldquo aus dem Bad nach Hause stuumlrmen lieszlig

Gefluumlgelte Worte aus der Antike Woher sie kommen und was sie bedeutenKlaus Bartels

Im spaumlten 5 Jahrhundert v Chr hat der Sophist Antiphon als erster dazu aufgeru-fen das Leben im Heute zu leben bdquoEs gibt Menschen die das gegenwaumlrtige Leben nicht leben sondern sich mit viel Eifer erst noch darauf vorbereiten als ob sie irgend-ein anderes kuumlnftiges Leben leben sollten nicht dieses gegenwaumlrtige und waumlhrend-dessen geht unvermerkt die Zeit voruumlberldquo In der Folge haben sich die epikureischen Lebenskuumlnstler den lebensfrohen Appell des alten Sophisten zu eigen gemacht und im spaumlten 1 Jahrhundert v Chr hat der Roumlmer Horaz dem Leben im Hier und Heu-te die kurze ansprechende Ode gewidmet aus deren Schlussvers sich das gefluumlgelte bdquoCarpe diemldquo in die houmlchsten Sphaumlren des Zitatenhimmels aufgeschwungen hat

Golo Mann hat das Gedicht im Versmaszlig uumlbersetzt bdquoNiemals frage du nach Wissen bringt Fluch wann denn wohl mir wohl dir

Goumltter den Tod bestimmt Leuconoeuml auch babylonischeZahlen lass unversucht Besser istrsquos doch schicksalergeben zu seinOb der Winter noch viel Jupiter schenkt oder den letzten auchder dem Tyrrhenischen Meer rings um den Fels eben die Wasser wuumlhltDu sei weise mein Kind pflege den Wein gib in der kurzen Fristlanger Hoffnung nicht Raum Reden wir noch fluumlchtet die neidischeZeit fuumlr immer davon Freue dich heut Traue dem Morgen kaumldquo

Dort ein unwirtliches Drauszligen wo sich die anbrandenden Wogen an den ausgehoumlhlten Uferfelsen brechen hier ein geborgenes

Drinnen wo Horaz bei einer ndash uns nicht weiter bekannten ndash Leuconoeuml zu Gast weilt Ein knapper Hinweis deutet auf den Wein und das Sieb ihn durch-zuseihen alles Uumlbrige bleibt im Dunkeln Ist da Liebe im Spiel Wer weiszlig vielleicht deutet das fein verbindende bdquoquem mihi quem tibi ldquo am Anfang auch

nur auf das gemeinsame Menschenlos Wie der Blick der beiden aus dieser geborgenen Zweisamkeit bei einem Becher Wein auf die raue Brandung und das graue unruhige Meer hinausgeht so schweifen die Gedan-

ken der Frau in eine dunkle ungewisse Zukunft hinaus die auch die bdquobabyloni-schen Zahlenldquo der Winkelastrologen nicht erhellen koumlnnen

Ihren Sorgen und Aumlngsten gilt das Wort des Dichters acht asklepiadeische Langver-se mit ihren jeweils drei kurzen Versglie-dern Ein entsprechend kurz angebundener Ton zieht sich da von dem bruumlsk einsetzen-den bdquoTu ne quaesieris ldquo bdquoDu frage nicht ldquo uumlber ein fast unwilliges bdquoUt melius ldquo bdquoWieviel besser istrsquos doch ldquo und ein besaumlnftigendes bdquoSapias ldquo bdquoSei doch vernuumlnftig ldquo bis zu unserem knappen aufmunternden bdquoCarpe diemldquo woumlrtlich am ehesten bdquoErgreif den Tagldquo hindurch Die Botschaft ist deutlich die im eigentlichen Wortsinne bdquovorhandeneldquo handgreiflich gegebene Gluumlckschance des gegenwaumlrtigen Tages nicht an ungewisse irrlichternde Zukunftsaumlngste oder Zukunftstraumlume zu verlieren Aber wie das uumlbersetzen Das lateinische carpere das eigentlich das bdquoPfluumlckenldquo von Bluumlten und Fruumlchten bezeichnet doch oumlfter auch wie hier fuumlr ein entschiedenes Zugreifen gebraucht wird verstroumlmt noch einen Hauch von Bluumlten-duft Aber der ist im Deutschen nicht wohl einzufangen ein pseudo-treues bdquoPfluumlcke den Tagldquo waumlre doch allzu kuumlnstlich Der in seinen ndash wenigen ndash Horazuumlbersetzungen sonst so wortgetreue Golo Mann nimmt

Carpe diem

Tu ne quaesieris scire nefas quem mihi quem tibifinem di dederint Leuconoe nec Babyloniostemptaris numeros Ut melius quidquid erit patiSeu plures hiemes seu tribuit Iuppiter ultimamquae nunc oppositis debilitat pumicibus mareTyrrhenum Sapias vina liques et spatio brevispem longam reseces Dum loquimur fugerit invidaaetas Carpe diem quam minimum credula postero

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 31: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 31

cursor Latein4EU

sich hier die Freiheit aus allem bdquoPfluumlckenldquo und bdquoGreifenldquo vollends auszubrechen und schreibt getrost bdquoFreue dich heutldquo Er hat es getroffen

Ein halbes Jahrtausend nach dem Sophis-ten Antiphon hat der Moralist Seneca das alte Paradox des an die Zukunft verlorenen Lebens zur geschliffenen Pointe eines Brie-

fes gemacht bdquoAn vielen Menschen ist das Leben schon voruumlbergegangen waumlhrend sie noch die Ausruumlstung fuumlr dieses Leben zusammensuchten Mustere sie einzeln jeden fuumlr sich betrachte sie alle miteinan-der Da ist keiner dessen Leben nicht aufs Morgen blickte Was daran Uumlbles sei fragst du Ein unendliches Denn diese Menschen leben ja gar nicht sondern haben nur erst

vor zu leben Alles schieben sie auf Selbst wenn wir alle Kraumlfte anspannten liefe das Leben uns dennoch davon jetzt aber laumluft es waumlhrend wir saumlumen gleichsam wie ein fremdes an uns voruumlber und wird am letz-ten Tag beendet an jedem verloren ndash nunc vero cunctantes quasi aliena transcurrit et ultimo die finitur omni perit

Im Morgengrauen des 11 Januar 49 v Chr ist der Rubikon an der Adriakuumlste halb-wegs zwischen Ravenna und Rimini zum sprichwoumlrtlichen Fluss of No Return ge-worden Das schmale Fluumlsschen markierte die Grenze zwischen Caesars gallischer Pro-vinz und dem freien Italien und an diesem Tag zugleich die Grenze zwischen kaltem Machtpoker und heiszligem Buumlrgerkrieg Am 7 Januar 49 v Chr hatte der Senat das se-natus consultum ultimum den bdquoaumluszligersten Senatsbeschlussldquo gegen Caesar verhaumlngt bdquoDie Konsuln moumlgen sehen dass der Staat keinen Schaden nehmeldquo Diese Nach-richt erreichte Caesar in Ravenna wohl am 10 Januar Der Caesarenbiograph Sueton berichtet

bdquoNachdem Caesar die Kohorten unver-zuumlglich heimlich vorausgeschickt hatte besuchte er um keinen Verdacht zu erregen scheinbar muumlszligig ein oumlffentliches Schauspiel betrachtete die Plaumlne zu einer Gladiatorenschule die er bauen wollte und widmete sich wie gewohnt einem Essen in groszligem Kreis Dann nach Sonnenun-tergang lieszlig er Maultiere aus einer nahen Muumlhle vor einen Wagen spannen und schlug mit kleinerem Gefolge einen ver-steckten Seitenweg ein Da er die Lichter hatte loumlschen lassen kam er vom Wege ab nach langem Umherirren fand er endlich gegen Morgen als sich ein Fuumlhrer fand auf schmalsten Trampelpfaden zu Fuszlig wieder hinaus Als Caesar die am Rubikon halten-den Kohorten erreichte verharrte er einen Augenblick und indem er uumlberschlug wel-che Umwaumllzungen er da ausloumlse wandte er sich zu den Naumlchststehenden sbquoSelbst jetztlsquo sagte er sbquokoumlnnen wir noch zuruumlck doch wenn wir dieses Bruumlckchen da uumlberschrit-ten haben wird fortan alles mit den Waffen auszufechten seinlsquoldquo

Sueton verklaumlrt die Szene durch die Wun-dererscheinung eines unversehens am Ufer auftretenden uumlber Menschenmaszlig groszligen Floumltenspielers der einem Signaltrompe-ter die Tuba entreiszligt und siegverheiszligend

mit einem kraumlftigen Trompetenstoszlig zum anderen Ufer hinuumlberschreitet bdquoDarauf rief Caesar sbquoGehen wir wohin die Zeichen der Goumltter und das Unrecht der Feinde uns rufen Iacta alea est (esto) ndash Geworfen ist (sei) der Wuumlrfellsquoldquo

Auch Plutarch verweilt in seiner Caes-arbiographie bei diesem Augenblick der Entscheidung bdquoAls Caesar den Rubicon erreichte kamen ihn Bedenken an er stand nun unmittelbar vor der ungeheuren Tat und ihn schwindelte vor der Groumlszlige des Wagnisses Er lieszlig den Zug anhalten lange uumlberdachte er in sich selbst versunken schweigend seine Entscheidung das Fuumlr und Wider abwaumlgend und wendete seine Entschluumlsse in dieser Zeit noch viele Male hin und her Lange eroumlrterte er sie auch mit den Freunden in seinem Gefolge und uumlber-schlug wieviel Ungluumlck fuumlr die Menschheit von diesem Schritt ausgehen werde und welches Urteil daruumlber sie der Nachwelt wohl hinterlassen wuumlrden Schlieszliglich riss er sich mit einer leidenschaftlichen Aufwal-lung von den Bedenken los dem Kom-menden entgegen und sprach das Wort all jener die sich auf ungewisse Schicksale und Wagnisse einlassen sbquoAnerriacutephtho ky-boslsquo ndash sbquoAufgeworfen sei der Wuumlrfellsquoldquo

Mit diesem Wort zitierte Caesar einen ge-fluumlgelten Halbvers seines Lieblingsdichters Menander und dies wie Plutarch in seiner Biographie des Pompeius ausdruumlcklich festhaumllt im griechischen Original Um das Wort recht zu verstehen muumlssen wir uns den Wandel des Wuumlrfelgestus vor Augen stellen Wir werfen den Wuumlrfel wenn wir mit den Enkeln bdquoFang den Hutldquo spielen ohne viel Theater aus der Hand auf den Tisch der mittelalterliche Landsknecht schwenkte ihn im Knobelbecher herum knallte ihn damit auf den Spieltisch und hob schlieszliglich den Becher auf der antike Wuumlrfelspieler warf den Wuumlrfel hoch in die Luft auf so dass das Auge seinem Aufflie-gen und Herabfallen noch gespannt folgen konnte

Durch Sueton ist Caesars Ruf in lateini-scher und dann auch in deutscher Version zum gefluumlgelten Wort geworden doch dies in arger Entstellung Verflachung und Verkehrung Die Entstellung betrifft den Wortlaut Die genaue lateinische Uumlberset-zung des griechischen Ausrufs muumlsste ja statt des bei Sueton uumlberlieferten bdquoIac-ta alea estldquo bdquoGeworfen ist der Wuumlrfelldquo richtig bdquoIacta alea estoldquo bdquoGeworfen sei der Wuumlrfelldquo lauten so hat Erasmus in seiner Basler Sueton-Ausgabe von 1518 die Uumlberlieferung berichtigt Die Verflachung betrifft die Wortstellung In unserem Zitiergebrauch hat sich die Suetonische dem Griechischen nachgebildete Version bdquoIacta alea est (esto)ldquo bdquoGeworfen ist (sei) der Wuumlrfelldquo zu einem spannungslosen bdquoAlea iacta estldquo bdquoDer Wuumlrfel ist geworfenldquo abgeflacht Und die Verkehrung betrifft die Uumlbersetzung Wider das simpelste Schul-latein wonach das lateinische Verb iacere iacio ieci iactum bdquowerfenldquo und nicht bdquofallenldquo bedeutet hat sich im Deutschen statt des korrekten bdquo ist (sei) geworfenldquo die platterdings falsche das einpraumlgsame Bild verfaumllschende Version bdquoDer Wuumlrfel ist gefallenldquo durchgesetzt

Menanders Vers und Caesars Ruf am Ru-bikon meinen ja nicht die unabaumlnderliche Entscheidung des Zufalls uumlber die Eins und die Sechs uumlber Scheitern und Gelingen die buchstaumlblich mit dem Wuumlrfel bdquofaumllltldquo son-dern die voraufgehende geradeso unwider-rufliche aber ganz und gar nicht zufaumlllige Entscheidung des Spielers fuumlr das Wagnis des Wurfs fuumlr das Spiel mit dem Gluumlck Das Wort gilt dem Moment da der Spieler den Wuumlrfel aus seiner Hand entlaumlsst da er das Wagnis des Wurfs nicht mehr zuruumlck-nehmen kann Gefallen sind die Wuumlrfel die Caesar im Morgengrauen jenes 11 Januar 49 v Chr dort am Rubikon bis an die Sterne hoch emporgeworfen hat erst Jahre spaumlter in den Buumlrgerkriegsschlachten bei Pharsalus Thapsus und Munda und einer noch fuumlnf Jahre spaumlter an den Iden des Maumlrz 44 v Chr

Alea iacta est

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 32: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

32

cursor Latein4EU

Ovilava entwickelte sich am Schnittpunkt zweier Verkehrswege Hier kreuzten sich die in Ostwest-Richtung verlaufende Fernstraszlige die vom Wiener Becken uumlber Salzburg und Augsburg nach Suumldfrankreich fuumlhrte und die unter Claudius 41ndash54 n Chr ausgebaute Nordsuumld-Verbindung von Aquileia uumlber die Alpen die unter Caracal-la bis an die Donau weitergefuumlhrt wurde

Der Name Ovilava oder Ovilavis wird im Itinerarium Antonini mehrmals genannt und scheint auf der Tabula Peutingeri-

ana (seg IV2) als Ouilia an der Straszlige zwischen Tergolape (Schwanenstadt) und Blaboriaco (Enns) auf Weiters belegen Inschriften auf Grabsteinen den Namen zumeist jedoch erscheint der Name in abgekuumlrzter Form Lediglich auf einer Eh-reninschrift aus Novae (Bulgarien) und auf Grabsteinen aus Wallsee aus Gunskirchen und aus Rom ist der Name ausgeschrieben jedoch nie im Nominativ (E M Rup-rechtsberger die roumlmische Grabinschrift an der Kirche von Sindelburg 21ndash44 mit Angaben zu allen ausgeschriebenen Namen CJb 2006)Bereits vor der Einrichtung eines staumldti-schen Museums im Jahre 1904 wurden zahlreiche bedeutende Fundstuumlcke der Rouml-merzeit geborgen Einen ersten zusammen-fassenden Bericht veroumlffentlichte J Gais-berger um die Mitte des 19 Jh Im Zuge verschiedener baulicher Groszligvorhaben wurden archaumlologische Untersuchungen von der Zentralkommission dokumentiert Der Welser Stadtrat F Wiesinger fasste in

einem Bericht in den 20er Jahren des 20 Jh uumlber die Topographie von Ovilava die Ergebnisse aumllterer und juumlngerer Grabungen vor allem im Bereich der roumlmischen Stadt-mauer der Graumlberfelder und der Innenbe-bauung zusammen Nach den Kriegswirren fuumlhrte der 1954 zum Direktor des Museums bestellte G Trathnigg die archaumlologischen Forschungen fort Die im Zuge von Wieder-aufbau und Modernisierung der Infrastruk-tur der Stadt durchgefuumlhrten Rettungsgra-bungen im Bereich der antiken Siedlung und der Graumlberfelder fasste er unter anderem in einem Beitrag zur Topographie von Wels zusammen Zu Beginn der 70er Jahre des 20 Jh wurde das bis dahin voumlllig unbekannte Graumlberfeld unter dem heutigen Marktgelaumlnde angeschnitten und Graumlber unter dem Gebaumlude der Wirtschafts-kammer und des Verbundamts der Post freigelegt Diese Graumlber lagen unter einer juumlngeren Siedlungsschicht Im Jahr 1976 wurde die vom damaligen Museumsdirek-tor W Rieszlig betriebene Neuaufstellung der archaumlologischen Sammlung eroumlffnet Die in den Jahren 1988ndash1990 von der Verfasserin durchgefuumlhrten Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster erbrachten neue Erkennt-nisse zur suumldlichen Stadtmauer und zur Be-siedlung von der zweiten Haumllfte des 2 Jh bis zum 4 Jh n Chr Jaumlhrliche Notgrabun-gen bedingt durch Bauvorhaben fuumlhrten vielfaumlltige Befunde und Funde zu Tage Im Jahre 2002 uumlbersiedelte die archaumlologische Sammlung in den Klostertrakt des Minori-tengebaumludes In die Neuaufstellung wurde ein konservierter Teil der Ausgrabungen integriert

Der Beginn der roumlmischen Siedlung wird nicht zuletzt durch die Auswertung von etwa 2000 Muumlnzen in der 2003 erschiene-nen Publikation von K Vondrovec in der Zeit Vespasians (69ndash79 n Chr) gesetzt Fundstuumlcke wie oberitalische und suumldgal-lische Terra Sigillata Muumlnzen oder das Fragment eines Militaumlrdiploms aus der Zeit Neros (54ndash68 nChr) wurden im West- und Nordwestteil der Siedlung angetroffen Die Groumlszlige und Bebauung der fruumlhroumlmi-schen Siedlung erstreckte sich uumlber den Kern der spaumlteren mittelalterlichen Stadt wobei die erwaumlhnten fruumlhen Graumlberbezirke eine Grenze bildeten Die rasch wachsen-de Siedlung erhielt in der Zeit Hadrians (117ndash138 n Chr) das Stadtrecht Der zugehoumlrige Verwaltungsbezirk reichte im Norden bis an die Reichsgrenze die Donau im Westen bis an den Inn und im Osten bis

an die Enns Im Suumlden grenzte er an das Stadtgebiet von IuvavumSalzburg und bis an den Alpenhauptkamm Als munici-pium Aelium Ovilava kurz Aelia Ovilava bezeichnet scheint es auf Grabsteinen aus Gunskirchen bei Wels aus Trivento in Mittelitalien und aus Rom auf In die Mitte des 2 Jh n Chr datiert das Grabmedail-lon eines Ehepaares das in der Fassade des Hauses Stadtplatz 18 eingemauert ist Das qualitativ hochwertige Relief stellt ein Ehepaar dar der Mann ist in der Toga mit einer Schriftrolle in der Hand und die Frau

in norischer Tracht gekleidet Ob die Graumlber im Bereich des Marktgelaumln-des und noumlrdlich des Kaiser-Josef-Platzes zu einem zusammenhaumlngenden Graumlberfeld Mitte gehoumlren laumlsst sich auf Grund der dichten rezenten Bebauung derzeit nicht feststellen Sie wurden im Zuge der Stadt-erweiterung im fortgeschrittenen 2 Jh n Chr aufgegeben Uumlber den Graumlbern auf dem Marktgelaumlnde lag zudem eine 15 m maumlchtige Schotterschicht die einer Traun-uumlberschwemmung zugeschrieben wird Die groszligen Graumlberfelder am Stadtrand von Ovilava im Westen und Osten entlang einer Straszlige wiesen jedoch bereits ebenso Graumlber der Mitte des 2 Jh n Chr auf Eine weitere Graumlbergruppe am rechten Traun-ufer wurde in Aschet Gde ThalheimWels freigelegt Daraus wurde eine Bestattung in einem Bleisarg geborgen Die Zeitstellung einer Gruppe von beigabenlosen Koumlrper-graumlbern knapp auszligerhalb der Nordweste-cke der Stadt ist derzeit nicht zu klaumlrenRettungsgrabungen in der Stadt ergaben

Wels ndash Ovilava autonome StadtRenate Miglbauer

Grabmedaillon eines EhepaaresMinoritenesszimmer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 33: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 33

cursor Latein4EU

Reste von Gebaumluden mit Fuszligbodenhei-zung neben Moumlrtelestrichen auch Mosaik-fuszligboumlden Marmorverkleidungsplatten bemaltem Wandverputz Herdstellen etc und eine Vielzahl an Kleinfunden die von relativem Wohlstand und guten Handels-beziehungen der Bewohner zeugen Die archaumlologischen Befunde belegen eine oder mehreren Umbauphasen Groszligflaumlchige Zerstoumlrungshorizonte die etwa mit der Bedrohung durch die Markomannen und Quaden in der 2 Haumllfte des 2 Jh n Chr in Zusammenhang gebracht werden koumlnnten lieszligen sich nicht feststellen Zum Schutz der Grenze wurde die zweite italische Le-gion an die norische Donaugrenze verlegt Eine Grabinschrift aus Trivento (Italien) nennt einen Publius Florius Praenesti-nus der Soldat der in Noricum in Aelium Ovilava stationierten Legion war Wahr-scheinlich war ein Teil der Legio II Italica kurz nach der Verlegung nach Norden hier stationiert

Der Verlauf einer roumlmischen Ostweststra-szlige im Norden von Ovilava entspricht in etwa der heutigen Bundesstraszlige 1 bzw der Eisenhowerstraszlige und in Fortsetzung der Dr Groszlig-Straszlige Die archaumlologischen Untersuchungen auf dem Grundstuumlck der Schule der Franziskanerinnen noumlrdlich die-ser Straszlige ergaben im Suumldteil Reste von gut ausgestatteten Wohngebaumluden der zweiten Haumllfte des 2 bzw des 3 Jh n Chr Weiter noumlrdlich wurden Reste eines Gebaumludes freigelegt das auf Grund der Abfolge und Groumlszlige von Raumlumen mit und ohne Fuszligbo-denheizungen den Resten eines Wasserbe-ckens und eines noumlrdlich anschlieszligenden Hofes wahrscheinlich als Badeanlage interpretiert werden kann Leider war das roumlmische Fuszligbodenniveau nicht mehr erhalten und Hinweise auf die Zu- und Ab-leitung von Wasser bedingt durch rezente Leitungskuumlnetten nicht zu erkennen

Im spaumlten 2 oder Anfang des 3 Jh wurde die Stadt mit einer Befestigungsanlage geschuumltzt Die 90 ha groszlige Siedlung wurde von einer Stadtmauer und bis zu vier vorgelagerten Spitzgraumlben umschlossen Zu den bereits unter F Wiesinger und G Trathnigg freigelegten Tuumlrmen bzw Toren im Norden und Westen der Stadt konnte an der Ostseite eine weitere Toranlage freigelegt werden Knapp westlich davon verlief eine mit Bachsteinen gepflasterte Straszlige die auch bei einer Grabung im Jahr 2012 auf einem weiter noumlrdlich gelegenem Grundstuumlck beobachtet wurde Sowohl im Norden als auch im Westen konnte innerhalb der Stadtmauer bzw der Straszlige ein weiterer groszliger Spitzgraben freigelegt werden der moumlglicherweise auf eine aumlltere

Verteidigungsanlage hinweist Ein Turm-fundament im Norden Schubertstraszlige 37 und die Fundamente einer Toranlage im Hof einer Bank an der Roseggerstraszlige im Westen sind noch erhalten Archaumlolo-gische Grabungen am Suumldrand der Stadt im ehemaligen Minoritenkloster ergaben ein 14 m breites Fundament unter der dortigen mittelalterlichen Stadtmauer das in den Ausmaszligen und im Aufbau jenem der roumlmerzeitlichen Stadtmauer entspricht Die unter dem Kloster und der Kirche freigelegten Reste eines Gebaumludes mit Fuszligbodenheizung Mosaikfuszligboden Bleiwasserleitung etc wiesen eine betraumlcht-liche Anzahl an Ziegeln mit Stempeln der II italischen Legion auf Ein Dachziegel traumlgt den Stempel eines Statthalters der zugleich Kommandant der Legion war Moumlglicherweise befand sich das Gebaumlude in Besitz des Statthalters H Petrovitsch und G Winkler loumlsten die Buchstaben des Stempels auf mit Hilfe einer in griechischer Sprache verfassten Ehreninschrift aus der antiken Stadt Thyateira (Tuumlrkei) fuumlr Mar-cus Gnaeus Licinius Rufinus einem praeses provinciae Norici Seit der Stationierung der Legio II Italica hatte sich der Verwal-tung der Provinz veraumlndert Der Statthalter war nunmehr zugleich Kommandant der Legion Vielleicht wurden in diesem Zu-sammenhang auch Verwaltungseinheiten von der Hauptstadt Virunum in das naumlher gelegene Ovilava verlegt

Innerhalb der Stadt konnten mehrere Straszligenzuumlge nachgewiesen werden Bei Rettungsgrabungen wurden immer wieder Reste von Wohngebaumluden freigelegt Funde wie Gussmodel Halbfabrikate ein Fehl-brand Schlacken und Werkzeuge lassen auf Handwerkerviertel im Norden der Stadt schlieszligen Die Lage einer Bruumlcke uumlber die Traun wird zwischen der Eisenbahnbruumlcke im Westen und der alten Straszligenbruumlcke im Osten vermutet Nahe dem rechten Trau-nufer in Aschet wurde eine roumlmerzeitliche Wasserleitung freigelegt die zwei Baupha-sen aufwies eine Holzkonstruktion aus der Mitte der 2 Jh und einen Steinbau aus der ersten Haumllfte des 3 Jh Oumlffentliche Ge-baumlude wie Tempel das Forum etc konnten bislang noch nicht lokalisiert werden Das religioumlse Leben belegen Weihesteine fuumlr Apollo Diana Nemesis Jupiter Vulcanus Jupiter Dolichenus die zumeist als Spolien in mittelalterlichen Gebaumluden gefunden wurden Statuetten aus Bronze Ton oder Blei die roumlmische einheimische und aumlgyptische Gottheiten darstellen stam-men aus Graumlbern oder den Lararien der Wohnhaumluser Eine Statuette einer Venus aus Gunskirchen bei Wels gehoumlrte vermut-lich zu einer roumlmischen villa Die Qualitaumlt

der Bronzearbeit ist auszligergewoumlhnlich und zeugt von der Tradierung der klassischen griechischen Bildtypen

Die Stadt erhielt unter Caracalla (211ndash217 n Chr) den Titel einer Colonia colonia Aurelia Antoniniana Ovilava Dieser Titel erscheint auf mehreren Inschriften auf wie etwa auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Koumlppach bei Schwanenstadt oder jenem des Publius Aelius Flavus aus

Lambach und auf einem Inschriftenfrag-ment aus dem Graumlberfeld Ost Am Ostrand dieses Graumlberfeldes das von einer Ost-west-Straszlige durchzogen wurde stand ein Meilenstein des Maximinus Thrax (234 n Chr) Der Inschriftentext berichtet von In-standsetzungsarbeiten an Bruumlcken Straszligen und Meilensteinen Diese Arbeiten sind moumlglicherweise mit den vorangegangenen Einfaumlllen der Alemannen zu sehen Nahe eine noumlrdlichen Ostwest-Straszlige wurde ein Hortfund geborgen Er besteht aus Bron-zegefaumlszligen Eisengeraumlten Terra-Sgillata-Geschirr und der Bronzestatuette eines sitzenden Genius Waumlhrend die Kessel die Rippenschale eine Pfanne und zwei Siebe zum Koch- bzw Tischgeschirr zu zaumlhlen sind befinden sich unter den Eisengeraumlten auch Loumlffelbohrer und ein Brennstempel Uumlber dem Verwahrfund wurde eine ca 30 cm starke Brandschicht beobachtet Ob der Hortfund mit den Alemanneneinfaumlllen in Zusammenhang steht oder mit einem an-deren Ereignis kann derzeit nicht geklaumlrt

Venus

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 34: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

34

cursor Latein4EU

werden Unter Kaiser Diocletian (284ndash395 n Chr) wurde die Provinz Noricum geteilt und wahrscheinlich war es Ovilava das Sitz des zivilen Statthalters eines praeses wurde Aus dieser Zeit stammt auch die spaumlteste offizielle Inschrift von Ovilava Der Steinblock wurde im Mittelalter in einen Strebepfeiler der Minoritenkirche verbaut Nach einer Lesung von E Weber stiftete

der Gemeinderat (ordo) der Colonia Kaiser Diocletian eine Ehreninschrift Auf Grund der Titulatur des Kaisers datiert E Weber die Inschrift in den Zeitraum 2845 n Chr Spaumltantike Funde wurden im Suumldteil der Stadt gefunden Bei den Grabungen im ehemaligen Minoritenkloster wurden zahlreiche Muumlnzen aus dem 4 Jh n Chr geborgen darunter als Schlussmuumlnzen jene des Theodosius (388ndash393 n Chr) Auszligerdem fanden sich in der Verfuumlll-schicht der Hypokausten der mittleren Kaiserzeit Scherben von Terra Sigillata Chiara von gruumln glasierter und Keramik mit Einglaumlttdekor sowie Zwiebelknopffi-beln und eine bronzene Guumlrtelschlieszlige mit festem dreieckigem Beschlag Auch etwas noumlrdlich dieser Fundstelle kamen trotz der intensiven Bebauung des Stadtplatzes seit dem Mittelalter immer wieder spaumltantike Funde darunter Fibeln ein Lampenbruch-stuumlck aus Nordafrika und ein Solidus des Anthemius Procopius (467ndash472 n Chr) zu Tage Etwa drei roumlmische Meilen auszligerhalb der Stadt nahe einer antiken Fernstraszlige

die in nordwestlicher Richtung an die Donau fuumlhrte wurde ein Teil einer villa rustica freigelegt die in der Spaumltantike moumlglicherweise in eine Straszligenstation um-gewandelt wurde Ein Umfassungsgraben umschloss die Anlage Innerhalb dessen konnte eine kleine Badanlage freigelegt werden und zahlreiche Graumlbchen die auf houmllzerne Speicherbauten schlieszligen lassen Das Fundmaterial vor allem Keramik und

Muumlnzen umfasst einen Zeitraum vom 2 bis zum 4 Jh n Chr Insgesamt wurden etwas mehr als 1200 Muumlnzen geborgen die zum Teil Brandspuren aufweisen Eine erste Durchsicht der Muumlnzen ergab dass der uumlberwiegende Teil der Spaumltantike zuzu-weisen ist

Die Bestattungen des 4 und 5 Jh n Chr duumlrften im Graumlberfeld Ost bzw in einer kleinen Graumlbergruppe nordwestlich der antiken Stadt erfolgt sein Zu den Fund-stuumlcken zaumlhlen eine vergoldete Zwiebel-knopffibel Bronzearmreife mit Schlangen-kopfenden und Scherben von Gefaumlszligen mit Einglaumlttdekor Zu den spaumlrlichen Zeugnis-sen des fruumlhen Christentums zaumlhlen der Grabstein der Ursa aus dem Graumlberfeld Ost der in das beginnende 5 Jh n Chr datiert wird Fuumlr eine fruumlhchristliche Kirche in Ovilava gibt es lediglich einen spaumlrlichen Hinweis naumlmlich ein Pilasterkapitell aus Marmor das zur Ausstattung eines Sakral-baus gehoumlrt haben koumlnnte In der Lebens-beschreibung des hl Severin wird Wels

nicht erwaumlhnt Ob der von Odoaker 488 n Chr angeordnete Ruumlckzug der romani-schen Bevoumllkerung in die Gebiete suumldlich der Alpen luumlckenlos erfolgt ist kann derzeit nicht verifiziert werden Jedenfalls bestat-teten eingewanderte Bajuwaren ihre Toten ab dem 6 Jh n Chr im roumlmischen Graumlber-feld Ost und im 7 Jh wurde innerhalb der antiken Ruinen der Stadt eine kleine Kirche mit einem zugehoumlrigen Friedhof angelegt

Praktische Hinweise Mit der Bahn Wels liegt an der Kreu-zung der Westbahnstrecke mit jener nach PassauMit dem Auto Von der A 21 Abfahrt Wels-Ost oder von der A 8 die Abfahr-ten Wels-West bzw Wels-Nord Richtung Stadtzentrum oder von der B 1 oder B 137 kommend ebenfalls Richtung Stadt-zentrum Gleich hinter dem Rathaus am Minoritenplatz befindet sich das Museum Parkplaumltze bzw Parkhaumluser in unmittelba-rer Umgebung Auszligerdem sind noch erhaltene Reste des roumlmischen Wels in der Stadt zu besichtigen wie etwa Reste der roumlmischen Stadtmauer das Grabmedaillon Kleinfunde etc Ein informativer Folder mit Hinweisen zu den einzelnen Denkmaumllern hrsg vom Verein Roumlmerweg Ovilava ist im Tourismusbuumlro am Stadtplatz bzw im Museum erhaumlltlichMuseum Das Stadtmuseum Wels ndash Archaumlologische Sammlung im ehemaligen Minoritenkloster Minoritenplatz 4 beher-bergt Denkmaumller und Kleinfunde von Wels und Umgebung Schwerpunkt der Dauer-ausstellung ist die Praumlsentation des Lebens in einer roumlmischen ProvinzstadtOumlffnungszeiten DindashFr 1000ndash1700 Sa So Fei 1000ndash1600 Uhr wwwwelsat wwwroemervereinat minoritenwelsgvat

LiteraturG Trathnigg R Miglbauer Die Roumlmerzeit In K Holter G Trathnigg Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart Jahrb Des Muse-alvereins Wels 25 1986 17ndash48R Miglbauer Ovilvai In M Sasel-Kos P Scherrer (Hrsg) Die autonomen Staumldte in Noricum und Pannonien Situla 20 Ljubljana 2002 245ndash256R Miglbauer Archaumlologische Grabungen der vergangenen 20 Jahre in Wels in M Chytragraveček HGruber J Mihaacutelek R Sand-ner K Schmotz (Hrsg) Archaumlologische Arge OstbayernWest- u SuumldboumlhmenOOuml 21 Treffen 22ndash25 Juni 2011 RahdenWestfalen 2012 57ndash84Neue Forschungsergebnisse werden sowohl in den Jahrbuumlchern des Musealvereins Wels als auch in den Mitteilungen aus dem Stadmuseum Wels publiziert

Stadtplan Ovilava

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 35: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 35

cursor Latein4EU

Unter diesem eindrucksvollen Motto trafen sich 46 junge Leute aus Oumlsterreich und Suumldtirol eine Woche lang im oberoumlsterrei-chischen Kremsmuumlnster zum bundesweiten Fremdsprachenwettbewerb 2015 ndash der bdquoBundesolympiade fuumlr Latein und Grie-chischldquoAlle Teilnehmerinnen hatten sich in den Landesbewerben durch vorderste Plaumltze qualifiziert ndash daher ging es naturgemaumlszlig ordentlich zur Sache In den Vorberei-tungskursen wurden auf houmlchstem Niveau anspruchsvolle originale lateinische und griechische Texte uumlbersetzt und interpre-tiert Was ist der Mensch Protagoras hatte in seinem beruumlhmten Ausspruch formu-liert bdquoAller Dinge Maszlig ist der Mensch sowohl der seienden dass sie sind als auch der nicht seienden dass sie nicht sindldquo Dieser Satz beruumlhrt vielmehr Fragen der Erkenntnis als der Sonderstellung des Menschen Der spaumlte Plato hatte in seinem Alterswerk bdquoGesetzeldquo darauf Bezug genommen bdquoDer Gott also waumlre uns wohl am ehesten das Maszlig aller Dinge und er viel eher als etwa wie sie sagen irgendein Menschldquo Fragen der Selbsterkenntnis des Menschen beruumlhren die Frage nach der Gotteserkenntnis Die Erkenntnis der eigenen Grenzen klingt im paradoxen Abschiedsgruszlig an den die Athener dem Pompeius anlaumlsslich dessen Besuchs in Athen am Stadttor hinterlieszligen bdquoJe mehr du dir bewusst bist ein Mensch zu sein desto eher bist du ein Gottldquo Sind Aufstieg und Fall von Menschen und Staumldten vom Menschen selbst zu beeinflussen oder doch ein Werk des Zufalls Jedenfalls sei der Mensch nach Aristoteles von Natur aus ein staatenbildendes Wesen In seinen bdquoPolitischen Schriftenldquo warnt er vor einer ein-seitigen extrem demokratischen oder oligarchischen Politik die ebendiese Verfassung schwaumlche oder letztlich aufloumlse Stattdessen fordert er eine Politik der Mitte die jeweils zugleich das Interesse der Gegenseite wahrt Die Sorge um das Leben der nachfolgenden Generationen im Global Village

war schon damals Thema wie die Fra-ge wo bzw was denn nun bdquoHeimatldquo sei Wie soll man mit Fehlern umgehen wie persoumlnliches Gluumlck finden Martial zaumlhlt in seinem Epigramm an seinen namensglei-chen Freund Julius Martialis verschiedene maszligvolle Gluumlcksguumlter auf um letztlich bei der Feststellung zu landen bdquodass du was du bist sein willst und nichts lieber weder fuumlrchtest das Ende noch es wuumlnschtldquo Alternative Lebensformen heute wie damals praumlsent leuchten im Beispiel des Kynikers des bdquoHundesldquo Diogenes auf der Alexander den Groszligen ersucht er moumlge ihm aus der Sonne gehen Lebenslanges Lernen ist keine Erfindung der Gegenwart davon sprach schon Solon bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo Dazu passt auch der feine Ausspruch des Aristoteles bdquoBildung ist die schoumlnste Wegzehrung fuumlr das Alterldquo Das Verhaumlltnis von Natur und Technik und die Problematik der Sorge um die Umwelt beschaumlftigte schon die Denker fruumlherer Jahrtausende Tertullian schreibt im 3 Jahrhundert bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlberhandnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge siehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch umgekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgtldquo

Neben dieser anspruchsvollen geistigen

Betaumltigung wurde zum Ausgleich ein um-fangreiches Rahmenprogramm geboten In der wunderschoumlnen Stiftsbibliothek gab es alte Handschriften und Codices unter fachkundiger Anleitung zu bewundern ein Workshop zum Thema bdquotechneacuteldquo samt Fuumlhrung im Ars Electronica Center Linz bot einen spannenden Kontrapunkt Am Dienstag besuchte uns ein Team von ORF OOuml und drehte einen sehr schoumlnen Fern-seh- und Radiobeitrag Die Schuumllerinnen vertraten selbstbewusst und routiniert vor der Kamera ihren Standpunkt von der ab-soluten Wichtigkeit des Unterrichts in den klassischen Sprachen Die Beitraumlge waren am naumlchsten Tag live on air Ein weiterer Houmlhepunkt der Woche war der Vortag von Klaus Bartels zum Thema bdquoJahrtau-sendworte ndash in die Gegenwart gesprochen Der Mensch selbst ndash und war er hatldquo Ein gleichermaszligen spannender wie nachdenk-lich machender Satz aus dem Vortrag sei zitiert bdquoMehr wissen zu wollen als notwen-dig ist eine Form der Unbeherrschtheitldquo Davor stand die Frage bdquoWas hilft es dem Menschen wenn er den ganzen Kosmos gewinnt aber an seiner Seele Schaden nimmtldquo Sportmoumlglichkeiten ein Besuch in der Therme Bad Hall und ein antiker Film-abend rundeten das Programm ab Am Donnerstag vormittags war es schlieszlig-lich so weit ndash die Klausuren wurden ge-schrieben Texte aus der Apologie Platons

Verba per aevum vigentia ndash Jahrtausendworte27 Bundesolympiade Latein und Griechisch 13ndash1742015 in KremsmuumlnsterOOumlPeter Glatz

vl Barbara Waschiczek Kerstin Kulling Michael Pfeifer

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 36: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

36

cursor Latein4EU

sowie des spanischen mittelalterlichen Autors Ramon Llull waren zu meistern Der platonische Sokrates geht der Frage nach ob man fuumlr ein Ideal sein Leben aufs Spiel setzen duumlrfe Raimundus Lullus der im Spanien des 13 Jh lebte setzte sich mit dem Verhaumlltnis der drei groszligen monotheistischen Religionen aus-einander Seine Schrift bdquoLiber de gentili et tribus sapientibusldquo stellt einen aumluszligerst re-spektvollen Umgang der Vertreter der drei Religionen dar ndash jedenfalls ein zeitloser Ansatz fuumlr aktuelle globale ProblemeFreitag vormittags wurden die Preise verteilt Bei der wuumlrdigen Zeremonie im Wintersaal des Stiftes Kremsmuumlnster waren anwesend die veranstaltenden Arge-Leiter fuumlr Latein und Griechisch Mag Peter Glatz und Mag Wilhelm An-schuber der Buumlrgermeister der Gemeinde Bad Hall Mag Bernhard Ruf der Direktor des Stiftsgymnasiums Kremsmuumlnster Mag Wolfgang Leberbauer Landesschulinspek-tor Mag Helmut Schwabegger LAbg Dr Christian Doumlrfel und BM a D Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle Dr Doumlrfel wies auf die Wurzeln des modernen Rechtsstaates im roumlmischen Zivilrecht hin Univ-Prof Dr Toumlchterle betonte vor seinem eigenen biographischen Hintergrund die enorme emanzipatorische Bildungskraft des Unter-richts in den klassischen Sprachen der je-denfalls eine tiefe Sehnsucht nach Bildung im Menschen bediene Anschlieszligend wurden Geld- und Buchprei-se vergeben Letztere versehen mit dem

waumlhrend der Woche spontan entstandenen Distichon

Den Griechisch-Bewerb gewann Michael Pfeifer vom BGBRG Klagenfurt Moumlssin-gerstraszlige Siegerin in der Kurzform Latein war Kerstin Kulling von derselben Schule Den Preis fuumlr den 1 Platz in der Lang-form Latein nahm Barbara Waschiczek als strahlende Siegerin entgegen Mit der gemeinsam gesungenen Europahymne bdquoEst Europa nunc unitaldquo und einem roumlmisch angehauchten Buffet ging eine fuumlr Schuumllerinnen und Lehrerinnen gleichermaszligen beeindruckende Woche zu Ende Mit diesen Jugendlichen zu arbeiten kann nur als Privileg fuumlr jede Lehrkraft bezeichnet werden ndash ein einmaliges Erlebnis Wie viele Ruumlckmeldungen nach der Woche zeigten waren auch die Jugendlichen von der Woche sehr begeistert Lukas Gatterer (Vinzentinum Brixen) meintebdquoWas mir an der Woche in Kremsmuumlnster am besten gefallen hat war die Gemein-schaft und die Begegnung mit jungen Talenten aus ganz Oumlsterreich Dabei stand nicht einmal zwingend nur Griechisch im Vordergrund man konnte sich uumlber vielerlei Themen unterhalten und viele in-teressante Erfahrungen sammeln Nach den gemeinsamen Uumlbersetzungseinhei-ten an den Vormittagen fanden dann nachmittags meistens verschiedene

Ausfluumlge und Veranstaltungen statt welche mir aufgrund des Abwechslungsreichtums

und der Auswahl sehr gefallen haben Hervorgehoben sei auch die exzellente Unterkunft das Exerzitienhaus Sub-iaco Sowohl die Verpflegung als auch

die Zimmer lieszligen eigentlich keine Wuumln-sche offen Was fuumlr mich auch sehr positiv war war die Tatsache dass nach meinem Empfinden trotz des anstehenden Wettbe-werbes kein zu groszliger Konkurrenzkampf zwischen den Teilnehmern herrschte wie man es vielleicht vermuten koumlnnte die Atmosphaumlre war vorwiegend sehr freund-schaftlich Dementsprechend bin ich froh die Gelegenheit neue Bekanntschaften und Freundschaften zu schlieszligen bekommen zu haben Es war eine tolle Zeit welche ich nicht so schnell vergessen werdeldquoZu guter Letzt sei den Sponsoren gedankt ohne die diese tolle Veranstaltung der Begabtenfoumlrderung nicht moumlglich waumlre Auf wwwlateinforumat finden Sie alle Informationen zum Bewerb (Unter bdquoAktu-ellesldquo Eingabe von bdquoKremsmuumlnsterldquo in das Suchfeld) Dem wunderschoumlnen Distichon das Rusti-cus Magnus vulgo Franz-Joseph Grobauer in Anspielung auf das Wettbewerbsthema und den Codex millenarius in der Stiftsbi-bliothek verfasste ist nichts mehr hinzuzu-fuumlgen

In diesem Vers einem vereinzelt uumlber-lieferten Pentameter sind die Grenzen

von Jugend und Alter Jugendtorheit und Altersweisheit vollends verwischt (Sol 22 7 Diehl)

Γηράσκω δ᾿αἰεὶ πολλὰ διδασκόμενος

bdquoAlt werde ich und stets lerne ich vieles hinzuldquo

Sokrates hatte die bdquotau-sendfaumlltige Armutldquo die er um seiner philosophi-schen Existenz willen auf sich genommen

hatte noch mit stiller Gelassenheit einem vorweggenommenen stoischen Gleichmut getragen Eine beilaumlufig bdquozu sich selbstldquo gesprochene einzig bei Diogenes Laertios uumlberlieferte Bemerkung ist dafuumlr das reiz-vollste Zeugnis (Diog Laert 2 25)

πολλάκις δ ἀφορῶν εἰς τὰ πλήθη τῶν πιπρασκομένων1 ἔλεγε πρὸς αὑτόν bdquoπόσων ἐγὼ χρείαν οὐκ ἔχωldquo

bdquoOft wenn er uumlber die Fuumllle der auf dem Markt angebotenen Waren hinblickte sag-te Sokrates zu sich selbst Wie viele Dinge gibt es doch die ich nicht brauche᾿ldquo

In einer Anekdote macht Aristipp deutlich dass die Freiheit wie die Bildung ihren Preis hat und dass Bildungskosten recht

verstanden zu einem guten Teil schlicht Freiheitskosten sind

Συνιστάντος2 τινὸς αὐτῷ υἱὸν ᾔτησε πεντακοσίας3 δραχμάςmiddot τοῦ δ εἰπόντος laquoΤοσούτου δύναμαι ἀνδράποδον4 ὠνήσασθαι5raquo laquoΠρίω6 raquo ἔφη laquoκαὶ ἕξεις δύοraquo

bdquoAls einer seinen Sohn zu Aristipp in die Lehre schicken wollte forderte dieser dafuumlr ein Schulgeld von fuumlnfhundert Drachmen Aber fuumlr so viel Geldrsquo empoumlrte sich der Mann kann ich mir ja einen Sklaven kau-fenrsquo Dann kauf dir doch einenrsquo gab Aris-tipp zuruumlck dann hast du gleich zweirsquoldquo

Die Anekdotentradition hat den vater-landslosen Rucksack-Philosophen Dioge-nes mit dem Schlagwort bdquoKosmopolites

Auswahl aus bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquoKlaus Bartels

Hunc librum teneas Cremifani tempus amoenum et scripta et socii in corde tibi maneant

Verba volant aevum per millenaria longum Quin nos praetereant scis bene Scripta manent

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 37: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 37

cursor Latein4EU

ndash Weltbuumlrgerldquo zum fruumlhen Verkuumlnder eines weit uumlber die Mittelmeerwelt hinaus-schauenden weit uumlber die Antike hinaus-weisenden Kosmopolitismus gemacht Eine entsprechende eher wahr anmutende Anekdote bezeugt daneben das Aufkom-men einer anderen nicht minder zukunfts-traumlchtigen Spielart dieser schoumlnen neuen Weltoffenheit sozusagen eines bdquoPlutopo-litismusldquo in dem die goldene Kreditkarte zum weltweit guumlltigen Reisepass wird (Athen 4 159d)

Χρύσιππος νεανίσκον7 φησί τινα ἐκ τῆς Ἰωνίας σφόδρα πλούσιον ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις8 πορφυρίδα9 ἠμφιεσμένον10 ἔχουσαν χρυσᾶ κράσπεδα11 πυνθανομένου δέ τινος αὐτοῦ ποδαπός12 ἐστιν ἀποκρίνασθαι ὅτι πλούσιος

bdquoChrysipp erzaumlhlt ein megareicher junger Mann aus Ionien habe sich in Athen aufge-halten und sei dort in einem Purpurgewand mit goldenem Saum aufgetreten Als einer ihn fragte woher er sei habe er erwidert er habe Vermoumlgenldquo

In der Eingangsszene des urspruumlnglich Menandrischen dann Terenzischen bdquoSich-selbst-Strafendenldquo plackt sich der neu zugezogene offenkundig vermoumlgen-de Menedemus mit saurer Gartenarbeit ab Sein Nachbar Chremes hat das eine Zeitlang besorgt mitangesehen schlieszliglich spricht er den Mann uumlber den Zaun hin-weg an Warum er sich denn Tag fuumlr Tag so abmuumlhe Er habe doch das gewiss nicht noumltig hellip Menedemus erwidert verletzt und verletzend mit einem scharfen Ausfall doch Chremes pariert den Hieb und seine entwaffnende Antwort ist bereits in der Antike zum Gefluumlgelten Wort geworden

Menedemus Chreme tantumne ab re tuast oti13 tibialiena ut cures ea quae nil ad te attinentChremes Homo sum humani nil a me alienum puto

M bdquoChremes lassen dir deine eigenen Angelegeheiten so viel Zeit uumlbrig dass du dich um fremde Dinge kuumlmmern kannst - Dinge die dich doch gar nichts angehenldquoC bdquoIch bin ein Mensch Nichts Menschli-ches nenne ich mir fremdldquo

Die Sorge um die nachfolgenden Generati-onen hat bereits Cicero in weiser Voraus-sicht eindrucksvoll formuliert (Cicero fin 3 64)

quoniamque illa vox inhumana et scelerata ducitur eorum qui negant se recusare quo

minus ipsis mortuis terrarum omnium deflagratio consequatur certe verum est etiam iis qui aliquando futuri sint esse propter ipsos consulendum

bdquoUnd da ja der beruumlchtigte Spruch derer als unmenschlich und geradezu verbrecherisch gilt die sagen sie haumltten nichts dagegen dass nach ihrem Tode uumlber alle Laumlnder der Weltbrand hereinbreche so trifft gewiss auch die umgekehrte Verpflichtung zu dass wir auch fuumlr alle Generationen die in Zukunft einmal leben werden um ihrer selbst willen Vorsorge treffen muumlssenldquo

Im spaumlteren 4 Jahrhundert v Chr hatte der Alexanderzug eine erste bdquoGlobalisie-rungldquo der griechischen Welt bedeutet im spaumlteren 1 Jahrhundert v Chr hatte der Augusteische Frieden eine zweite bdquoGloba-lisierungldquo des roumlmischen bdquoErdkreisesldquo des Orbis terrarum verheiszligen In der Folge hat Kaiser Marc Aurel den Zwiespalt zwischen seiner roumlmischen Staatsbuumlrger-schaft in die er hineingeboren war und der griechischen Weltbuumlrgerschaft in die er hineinerzogen war im Sinne der weltof-fenen stoischen Philosophie fuumlr sich selbst so geloumlst (M Aur 6 44 6)

Πόλις καὶ πατρὶς ὡς μὲν Ἀντωνίνῳ μοι ἡ Ῥώμη ὡς δὲ ἀνθρώπῳ ὁ κόσμος τὰ ταῖς πόλεσιν οὖν ταύταις ὠφέλιμα μόνα ἐστί μοι ἀγαθά

bdquoStaatsgemeinschaft ndash poacutelis ndash und Vater-land ndash patriacutes ndash ist fuumlr mich als Marcus Aurelius Antoninus die Stadt Rom fuumlr mich als Menschen die Welt ndash der k6smos Was nun diesen beiden Staatsgemeinschaf-ten zugleich foumlrderlich ist das allein gilt mir als gutldquo

Wie die klassische Zeit das griechische Wort bdquoἄνθρωποςldquo bdquoMenschldquo zu der praumlgnanten Bedeutung eines wirklichen wahrhaften Menschen erhoben hat so hat sie diesem Inbegriff eines eigentlich menschlichen Menschen das Gegenbild eines bdquoἀπάνθρωποςldquo eines unmenschlichen bdquoUnmenschenldquo gegenuumlbergestellt Die mit dem Praumlfix bdquoἀπο-ldquo bdquoab- weg-ldquo gebildete Praumlgung ist zuerst im 5 Jahrhundert v Chr fuumlr Sophokles bezeugt sie ist in der Folge nicht gelaumlufig geworden Marc Aurel hat sie nochmals aufgenommen in einer knappen Mahnung angesichts der Un-menschlichkeit anderer die eigene Mensch-lichkeit nicht preiszugeben (M Aur 7 65 bzw 6 6)

Ὅρα μήποτε τοιοῦτον πάθῃς πρὸς τοὺς ἀπανθρώπους14 οἷον οἱ ἀπάνθρωποι πρὸς

τοὺς ἀνθρώπουςbdquoSieh zu dass du gegenuumlber den Unmen-schen nicht das Gleiche empfindest wie die Unmenschen gegenuumlber den Menschenldquo

Viele Jahrhunderte bevor der bdquoClub of Romeldquo unsere Zeit an die bdquoGrenzen des Wachstumsldquo gemahnte hat der Kirchen-vater Tertullian im fruumlhen 3 Jahrhundert n Chr mit rhetorischer Brillanz das un-aufhaltsame Vordringen der Kulturland-schaften bis in die entlegensten Winkel des bdquoErdkreisesldquo hinein vor Augen gestellt und geradezu die bdquoBelastungldquo der ur-spruumlnglichen natuumlrlichen Welt durch das bdquoUumlberhandnehmen des Menschenldquo beklagt (Tertulian De anima 30 4)

Summum testimonium frequentiae15 hu-manae (est) Onerosi16 sumus mundo vix nobis elementa sufficiunt et necessitates artiores17 et querellae apud omnes (fiunt) dum iam nos natura non sustinet

bdquoDas schlagendste Zeugnis fuumlr das Uumlber-handnehmen des Menschen aber ist dies Wir sind der Welt zur Last Kaum reichen die vier Elemente uns noch aus die Zwaumlnge ziehen sich enger zusammen und Klagen werden bei allen laut waumlhrend doch um-gekehrt die Natur uns bereits nicht mehr ertraumlgt

Diese jahrtausendealten Short Millennial Messages finden sich ndash neben vielen wort-reicheren Zitaten ndash in der Zitatensamm-lung bdquoJahrtausendworte ndash in die Gegenwart gesprochenldquo ausgewaumlhlt uumlbersetzt und vorgestellt von Klaus Bartels Philipp von Zabern Mainz 200 Seiten euro 1990

1 πιπράσκω verkaufen zum Kauf anbieten2 συνίστημι vorstellen empfehlen3 πεντακόσιος 3 5004 τὸ ἀνδράποδον Sklave5 ὠνέομαι kaufen6 πρίω (Imperativ) kauf (dir einen)7 ὁ νεανίσκος junger Mann8 ἐπιδημῆσαι ταῖς Ἀθήναις sich in Athen aufhalten9 ἡ πορφυρίς -ίδος Purpurgewand 10 ἠμφιεσμένος 3 (+ Akk) (mit etwas) be- kleidet11 τὸ κράσπεδον Saum Einfassung 12 ποδαπός 3 von woher woher gebuumlr- tig13 ab re tuast oti ab re tua est otii14 ὁ ἀπάνθρωπος Unmensch15 frequentia -ae groszlige Anzahl Menge16 onerosus 3 laumlstig beschwerlich17 artus 3 eng beschraumlnkt dringlich

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 38: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

38

cursor Latein4EU

Seit Anfang 2011 gibt es in Innsbruck das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neu-lateinische Studien (httpneolatinlbgacat) Es ist fuumlr sieben Jahre eingerich-tet und wird von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sowie vier offiziellen Partnern getragen der Universitaumlt Innsbruck der Universitaumlt Freiburg i Br der Oumlsterreichi-schen Nationalbibliothek in Wien und dem Paumlpstlichen Komitee fuumlr Geschichtswissen-schaft in Rom Nach einer Aufbauphase hat das Institut mittlerweile seine volle Groumlszlige erreicht Sein internationales Team besteht zur Zeit aus 15 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiternDas Institut widmet sich ganz der Erfor-schung der neulateinischen Literatur wobei die Jahrhunderte von ca 1400ndash1800 im Zentrum des Interesses stehen In die-sem Zeitraum erlebte Latein naumlmlich noch einmal eine Bluumlte als internationale lingua franca gewissermaszligen als das Englisch der

damaligen Zeit Aus dieser Epoche sind uns auch weit mehr lateinische Texte uumlberlie-fert als aus der Antike und dem Mittelalter zusammen Trotzdem gilt die neulatei-nische Literatur als die am schlechtesten erforschte groszlige Literatur Europas Bisher existierte Neulatein naumlmlich kaum als eige-nes Fach Das Ludwig Boltzmann Institut in Innsbruck ist neben dem Seminarium Philologiae Humanisticae in Loumlwen (Bel-gien) weltweit die einzige Institution die sich ausschlieszliglich der Erforschung dieses umfangreichen Gebiets widmetDas uumlbergeordnete Ziel der Forscherinnen und Forscher des Instituts ist es deshalb einen Beitrag zu einer breiteren Anerken-nung des Neulateinischen zu leisten Kon-kret moumlchten sie die soziale und ideenge-schichtliche Relevanz der neulateinischen Literatur in verschiedenen Bereichen des fruumlhneuzeitlichen Europa herausarbeiten Um nur beispielsweise die ersten Projek-

te zu skizzieren Im Bereich Politik wird die Bedeutung des Lateinischen fuumlr den Zusammenhalt der Nationen im Habs-burgerreich anhand von belletristischen (Romane und Epen) sowie journalistischen und essayistischen Texten (zB lateini-sche Zeitungen oder Abhandlungen zum Sprachenproblem) untersucht im Bereich Religion stehen lateinische Ordensschul- und Universitaumltsdramen aus dem 18 Jh und ihr Verhaumlltnis zu aufklaumlrerischen Ideen im Mittelpunkt und im Bereich Menta-litaumltsgeschichte geht es am Beispiel der Berge um eine neue Wahrnehmung der Natur die sich in lateinischen Texten des 16 Jahrhunderts Bahn bricht Als Fazit soll sich ergeben Ohne Neulatein waumlre unser heutiges Europa kaum denkbar

Neulatein und das moderne Europa Ein kurzer Einblick in das Ludwig Boltzmann Institut fuumlr Neulateinische StudienStefan Tilg

v links n rechts Prof Dr Martin Korenjak Nienke Tjoelker PhD Oren Margolis DPhil William Barton MA Victoria Moul PhD Dr Florian Schaffenrath Prof Dr Stefan Tilg Mag Isabella Walser Sandro La Barbera MA

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 39: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 39

cursor Latein4EU

CURSOR Herr Dr Tilg woher ruumlhrt Ihre Begeisterung fuumlr die lateinische Sprache

STEFAN TILG Wir hatten in der letzten Schulklasse des Gymnasiums einen interes-santen Lehrer der unkonventionell unter-richtete Wir verglichen z B die roumlmischen Staumlndekaumlmpfe mit den Theorien von Marx Uumlberhaupt betrieben wir viel Philosophie auch griechische Somit ermoumlglichte mir der profunde gymnasiale Lateinunterricht Einsicht in die Breite des Faches in das Grundlagenfach fuumlr europaumlische Kultur und Geschichte Damit deckt das Fach La-tein meine eigenen Interessen sehr gut ab Es ist ein guter Weg sich die europaumlische Geistesgeschichte anzueignen Zum Neu-latein im Speziellen kam ich durch einen Pionier in dieser Sache BM Univ-Prof Dr Karlheinz Toumlchterle

CURSOR Haben Sie einen oder mehrere Lieblingsautoren

STEFAN TILG Die ovidischen Metamor-phosen sind ein aumlsthetisches Faszinosum das Vergilische Gesamtwerk ist in seiner Entwicklung und seiner sbquoTiefelsquo beeindru-ckend Vergil ist sehr authentisch man hat den Eindruck der Dichter steht hinter seinem Werk Von den neulateinischen Dichtern wuumlrde ich zB die Jesuiten Jacob Balde und Jacob Bidermann nennen Der eine gehoumlrt mit seiner Lyrik der andere mit seinen Dramen eigentlich zur Weltlitera-tur Diese Autoren erfahren aber nicht die Beachtung die sie verdienen weil die neu-lateinische Literatur bisher generell wenig wahrgenommen wurde und weil Neulatein als Fach bis dato nur marginal praumlsent war Uumlberhaupt kann man sagen dass so mancher neulateinischer Dichter den literarischen Groumlszligen der Antike in nichts nachsteht und vielleicht sogar die moderne Mentalitaumlt mehr anspricht als weiter in der Vergangenheit liegende Texte

CURSOR Was ist der Ertrag der Beschaumlf-tigung mit neulateinischer Literatur

STEFAN TILG Wie Dichtung in jeder Sprache ist das zunaumlchst einmal eine literarische Horizonterweiterung und eine Leserlebnis Zudem gewinnt man ein besseres Verstaumlndnis fuumlr die Geschichte die Ideen und und Ausdrucksformen des

Europa des 15ndash18 Jahrhunderts Viele uns heute ganz gelaumlufige Metaphern und Denk-figuren wurden maszliggeblich von und in der lateinischen Literatur dieser Zeit gepraumlgt denken sie zB an den bdquoMusenkussldquo oder das von Thomas Morus gepraumlgte utopi-sche Denken Sogar unser aumlsthetisches Empfinden zB in der weit verbreiteten Wahrnehmung der Gebirgswelt als schoumln hat mit entsprechenden Beschreibungen in der neulateinischen Literatur zu tun Ganz allgemein ist es lehrreich zu sehen wie sich das Europa dieser Zeit in einer Situation der Zweisprachigkeit befand mit verschiedenen Nationalsprachen und einer einheitsstiftenden lateinischen lingua franca Das schuf Dynamik und trug zum Ideenaustausch und Fortschritt bei Heute naumlhern wir uns dieser Situation wieder mit der neuen lingua franca Englisch nur war Latein sbquogerechterlsquo weil es keine Nation bevorzugte

CURSOR Was faumlllt Ihnen zur aktuellen Bildungsdiskussion ein

STEFAN TILG Heutzutage wird zu viel vordergruumlndig reformiert ohne sich auf das Wesentliche zu konzentrieren

CURSOR Was ist das Wesentliche

STEFAN TILG Spannender Unterricht Dazu haben natuumlrlich die Lehrer auch die Pflicht sich adaumlquat vorzubereiten und weiterzubilden Ich denke dass die oumlster-reichischen Lateinlehrer-innen hier sehr gute Arbeit leisten Der Lateinunterricht ist vielfaumlltiger und ansprechender gewor-den Kaum ein Fach ist heute didaktisch so durchdacht wie Latein

CURSOR Wie siehtrsquos aus mit der Gesamt-schule

STEFAN TILG Die Idee ist mir an sich sympathisch Die Frage ist was man daraus macht Meiner Meinung nach sollte Latein einen Platz darin haben und zwar moumlglichst fruumlh beginnend Latein ist ein Paradefach fuumlr die Schule weil man so vie-les ndash Sprache Literatur Geschichte Phi-losophie Religion Politik usw ndash exempla-risch behandeln und so viele Verbindungen zu anderen Faumlchern herstellen kann Latein ist ein Grundlagenfach und ein integrati-

ves Fach Jeder Mittelschuumllerin koumlnnte davon profitieren Umso mehr natuumlrlich wenn auch die nachantike lateinische Lite-ratur angemessen beruumlcksichtigt wird

CURSOR Herr Dr Tilg herzlichen Dank fuumlr das Gespraumlch

Dr Stefan Tilg im InterviewOrdinarius fuumlr Latinistik in Freiburg i Br bis 192014 Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts fuumlr Neulateinische Studien Innsbruck

Biographische DatenStefan Tilg studierte am Institut fuumlr Klassische Philologie (jetzt Institut fuumlr Sprachen und Literaturen) der Universitaumlt Innsbruck Nach dreijaumlhriger Taumltigkeit als Universitaumltsassistent in Bern fuumlhrten ihn Postdoc-Stipendien nach Oxford (Corpus Christi College) und Washington DC (Cen-ter for Hellenic Studies) Auf einen weite-ren Aufenthalt in der Schweiz (Ambizione-Stipendium an der Universitaumlt Zuumlrich) folgte 2011 die Bestellung zum Direktor des neu gegruumlndeten Ludwig Boltzmann Instituts fuumlr neulateinische Studien (wwwneolatinlbgacat) Dr Tilgs hauptsaumlchliche Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des neulateinischen Dramas (bes des Jesuitendramas) sowie des antiken und neulateinischen Romans Ab 192014 Berufung an den renommierten Lehrstuhl fuumlr Latinistik in Freiburg i Br

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 40: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

40

cursor Latein4EU

CURSOR Was faumlllt Ihnen zum Stichwort bdquoLateinldquo ein

ANDREAS SCHATZL Latein ist fuumlr mich die literatur- und kulturgeschichtliche Hauptschlagader die praktisch alle Berei-che unseres kulturellen Lebens versorgt Latein hat aufgrund seiner unermesslichen Vielfalt in allen Belangen eine Bruumlcken-funktion vom Damals uumlber das Heute zum Morgen Ein moderner Lateinunterricht oumlffnet den Zugang zur europaumlischen Spra-chenlandschaft

CURSOR Ist die Materie der klassischen Sprachen nicht laumlngst uumlberholt

ANDREAS SCHATZL Aus dem gerade Gesagten eben nicht Die klassischen Spra-chen va Latein stehen in einem gesunden Spannungsverhaumlltnis zwischen Sprachfach und Kulturfach Das wird immer mehr wertgeschaumltzt Es ist sogar eine gewis-se Nostalgie zu Latein (und Griechisch) feststellbar was die hohen Schuumller-innen-Zahlen belegenEs ist meines Erachtens wichtig dass sowohl der faumlcherverbindende als auch der faumlcheruumlbergreifende Aspekt der klassischen Sprachen bei den (jungen) Menschen noch staumlrker erkannt wird Der Lehrplan 2004 hat hier eine wichtige Signalfunktion Der

Unterricht in den klassischen Sprachen ist einem notwendigen Wandel unterzogen worden Die Elterngeneration unserer heutigen Schuumllerinnen und Schuumller hat ei-nen voumlllig anderen leider nicht immer mit positiven Erinnerungen behafteten Latein- und Griechischunterricht bdquogenossenldquo Die Meinung dieser Eltern und die neu gewon-nenen Freiheiten haben als die klassischen Sprachen dem bdquofreien Schulmarktldquo und damit der Wahlfreiheit ausgesetzt worden sind wesentlich dazu beigetragen dass die Zahl der Latein- und Griechisch Lernenden rapid in den Keller gerasselt ist ndash obwohl das Interesse und auch die Neugierde fuumlr die Materie ungebrochen hoch waren Heute ist es aber wieder schick und bdquocoolldquo Latein und Griechisch zu lernen Dass das Interesse der breiten Bevoumllkerung fuumlr die (klassische) Inhalte im Steigen be-griffen ist zeigt eine Vielzahl von medien-wirksamen und hervorragend inszenierten Veranstaltungen wie beispielsweise die seit mehreren Jahren abgehaltene bdquoNox latinaldquo Latein (und auch Griechisch) wird zuneh-mend immer weniger als Exerzierfeld fuumlr Grammatikuumlbungen gesehen als vielmehr als Uumlberbringer kultureller Botschaften

CURSOR Wie wuumlrden Sie den klaren Anstieg der Schuumllerzahlen vor allem in La-tein aber auch in Griechisch in den letzten Jahren deuten

ANDREAS SCHATZL Diese Sichtweise hat sich in den neuen Oberstufenlehr-plaumlnen fuumlr Latein und Griechisch durch-gesetzt ohne die wichtige sprachliche Dimension zu vernachlaumlssigen Die meisten Lehrkraumlfte die Latein und Griechisch unterrichten tragen den Wandel mit zumal auch hier der Spruch gilt dass sich die Zeiten und mitin ihnen auch wir uns aumlndern (muumlssen) Der neue Lehrplan mit seinen faumlcherverbindenden und faumlcher-uumlbergreifenden Aspekten war ein Gebot der Stunde Ohne diesen haumltten die Gegner der klassischen Sprachen die uumlbrigens wie die Befuumlrworter in allen Gesellschaftsschich-ten zu finden sind zur feierlichen pompa funebris eingeladen hellip

CURSOR Wo sehen Sie Vorteile wo Nachteile der neuen Entwicklung zur schriftlichen kompetenzorientierten Reife-pruumlfung

ANDREAS SCHATZL Es war mir als Projektleiter besonders wichtig dass auch die klassischen Sprachen im Kanon der standardisierten Klausurgegenstaumln-de vertreten sind Die damit verbundene Aufwendung von Ressourcen bedeutet naumlmlich einen hohen Stellenwert in der aumluszligeren und inneren Wahrnehmung von Schule Einen immensen Vorteil sehe ich darin dass ab nun sowohl die Lehrkraumlfte als auch deren Schuumllerinnen und Schuumller ein gemeinsames Ziel verfolgen Fuumlr die Lehrkraumlfte sind die Lehrplaumlne bindender fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller bedeutet es sich nicht (nur) auf das Wohlwollen ihrer Lehrerinnen und Lehrer verlassen zu koumlnnen Bei beiden Gruppen wird sicher-lich eine neue Denkweise Einzug halten Einen vielfach gehoumlrten Vorwurf an zentral erstellte Aufgaben und den damit verbun-denen Nachteil naumlmlich dass eine Ein-schraumlnkung der persoumlnlichen Freiheit bei der Auswahl bzw Gewichtung von Themen bestehe sehe ich gerade in Latein und Griechisch nicht Die in den Lehrplaumlnen beschriebenen Module sind so gefasst dass eben alle Aspekte ausreichend abgedeckt sind

CURSOR So mancher behauptet das Niveau der Pruumlfungsanforderungen bei der Matura sinke durch die neuen Pruuml-fungsvorgaben und Formate staumlndig Was wuumlrden Sie entgegnen

ANDREAS SCHATZL Jeder versteht unter dem Begriff bdquoNiveauldquo etwas Anderes weil jeder auf etwas Anderes mehr oder weniger wert legt Dazu kommt dass bdquodas Niveauldquo nicht wirklich messbar ist zumal jede (Uumlber-)Pruumlfung tatsaumlchlich nur einen Ausschnitt aus einer breiten Palette von Themen darstellen kann Und auszligerdem ist es jedem unbenommen im Unter-richt mehr zu machen als bei der Klausur uumlberpruumlft wird ndash das war ja bisher auch schon der Fall Ich persoumlnlich glaube dass gerade der (bei Schularbeiten bis dato eher unterbelichtete) Interpretationsteil einen wichtigen Bedeutungsaufwind bekommt Der Interpretationsteil ist meines Erach-tens (oft) ein Spiegelbild des vorangegan-genen Unterrichts Ich sehe also keinen Niveauverlust son-dern eine Verschiebung der Wertigkeit Auszligerdem Uumlber den Niveauverlust den

AmicusMag Andreas SchatzlDirektor des Gymnasiums der Stiftung Theresianische Akademie Wien

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 41: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 41

cursor Latein4EU

Fata viam invenient

Als Markus Josef Schlager-Weidinger Sohn des Josef und der Ingeborg zu An-nuntiatio Domini im Jahr des Herrn 1965 in Gmunden geboren verbrachte ich als Erstgeborener eine behuumltete Kindheit mit meinen drei Geschwistern Mein Bildungs-weg begann im Kindergarten der Schwes-tern des Klosters Nazareth in Stadl-Paura und setzte sich nach der Volksschule im Bundesgymnasium Wels fort Meinem gymnasialen Leitspruch bdquoBeatus ille qui procul negotiisldquo treu bleibend maturier-te ich nach acht Jahren Ita deis et mihi placuit An der paumldagogischen Akademie der Dioumlzese Linz wurde ich Volksschulleh-rer Gleich in meinem ersten Dienstjahr

lernte ich meine Frau Hilde kennen Sie unterrichtete die Parallelklasse ndash fata viam invenient Unsere beiden Soumlhne sind mitt-lerweile erwachsen und ebenfalls Lehrer Factum abiit monumenta manentNach achtjaumlhriger erfuumlllter Lehrtaumltigkeit wechselte ich einem einmaligen Angebot folgend das Metier und wurde Banker An der Wirtschaftsuniversitaumlt Wien erlernte ich das Bankhandwerk und machte mich daran in der Finanzwelt Karriere zu ma-chen Auri sacra fames Meine Aufgaben in der Bank fuumlhrten mich in viele Laumlnder bis nach Amerika Amice possis nihil urbe Roma visere maiusIn dieser Zeit hatte ich mit groszligen Geld-betraumlgen zu tun und lernte Menschen kennen die nach Geld strebten damit sie sich Sachen kaufen koumlnnen um Leute zu beeindrucken die sie eigentlich gar nicht moumlgen Zeit fuumlr meine Familie und fuumlr mich wurde ein kostbares Gut und immer mehr zur Mangelware Die Aussicht ein Wochenendvater in einer Wochenendbe-ziehung zu sein der seine heranwachsen-den Kinder nur kurz zwischen Dienstreisen sieht schien mir nicht weiter erstrebens-wert Nihil est perpetuum datum sagt schon Plautus und Horaz erkannte bdquoDives qui sapiens estldquoSo suchte ich nach einer weisen Entschei-dung und kehrte fuumlr viele wegen meines Erfolges und der damit verbundenen auszligergewoumlhnlichen Karriereentwicklung unverstaumlndlich wieder zu meinen Wurzeln zuruumlck ndash in die Volksschule Ad augusta per angustaSeit nunmehr 12 Jahren bin ich Schuldi-rektor und jede Minute froh diesen Weg gegangen zu sein Paupertas artes omnes perdocetIn meine unterrichtliche Arbeit lasse ich

immer mehr bdquolateinische Aspekteldquo einflie-szligen So lernen unsere Kinder nicht nur Geschichtliches uumlber die Roumlmer sondern befassen sich schon in der Volksschule mit der lateinischen Sprache Wie eine Ge-heimsprache erleben sie die Schoumlnheit und erahnen das mystische Potential der Spra-che A- Deklination und Konjugation sind ihnen schon vertraut und es macht groszligen Spaszlig mit lateinischen Vokabeln spielerisch einfache Saumltze zu bildenSo konnten sich auch bei vielen Kindern die Deutschkenntnisse verbessernNam quod in iuventute non discitur in matura aetate nesciturEs ist auch wunderschoumln an der paumldago-gischen Hochschule der Dioumlzese Linz als Lehrender zuumlndeln zu duumlrfen damit mein Funke der Begeisterung auf unsere Studen-tinnen und Studenten uumlberspringen kann und die Glut in mir selbst nicht erlischt Dulce et decorum est pro alma matre moriWohin mich mein weiterer Weg noch fuumlhren wird wissen vorerst die Auguren Ich aber freue mich darauf neue Wege und Menschen die mich wohlgesonnen beglei-ten zu finden Fata viam invientNun aber genug ndash finis coronat opus

Valete AMICI

bdquoVerfallldquo jedweder Art hat bereits Horaz (carm III 6 V 45ndash48) geklagt hellip

CURSOR Wieso wuumlrden Sie einem jun-gen Menschen empfehlen 2014 in Latein oder Griechisch zu maturieren

ANDREAS SCHATZL Ich wuumlrde nicht jedem jungen Menschen empfehlen in Latein undoder Griechisch zu maturie-

ren wobei es meiner Meinung nach schon auch einen Unterschied macht ob jemand schriftlich undoder muumlndlich antreten moumlchte Die Entscheidung muss in erster Linie der junge Mensch selbst treffen ndash natuumlrlich auf Basis gesicherter Kompeten-zen und mit dem Wissen gut vorbereitet (worden) zu sein

CURSOR Abschlieszligend haben Sie ein

lateinisches Lieblingszitat

ANDREAS SCHATZL Ich habe vie-le Lieblingszitate die ich im passenden Moment auch gerne einsetze Eines das ich gerne in Stammbuumlcher von Schuumllerinnen und Schuumllern geschrieben habe lautet bdquoQuidquid agis prudenter agas et respice finemldquo

AmicusMarkus Josef Schlager-Weidinger Dipl-PaumldDirektor der Volksschule St Thomas

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 42: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

42

cursor Latein4EU

Rom bewunderte Vergangenheit ndash inszenierte Gegenwart Die Stadt in literarischen Topographien der RenaissanceRuth Elisabeth Kritzer

Vorliegende Studie hat als Adressaten vor allem klassische Philologen die sich schwerpunktmaumlszligig mit dem neulateini-schen Schrifttum auseinandersetzen aber auch Archaumlologen (Kunst-)Historiker oder Kirchenhistoriker vor Augen

Mit der Einleitung wird beginnend bei spaumltantiken und mittelalterlichen Vorlaumlu-fern (mit Textproben) auf das behandelte literarische Genre der Romtopographie hingefuumlhrt Waumlhrend im Mittelalter Rom als Anlaufstelle christlicher Pilger im Zent-rum steht ist es in der Renaissance dessen urspruumlngliche Stellung als geistiges und po-litisches bdquoHaupt der Weltldquo (caput mundi) die es wieder zu erreichen gilt

In groszligteils akribisch organisierten literarischen Groszligwerken bdquoinszenierenldquo Autoren wie Flavio Biondo (1392ndash1463) Andrea Fulvio (ca 1470ndash1527) Giovanni Bartolomeo Marliano (1488ndash1566) oder Jean Jacques Boissard (1528ndash1602) Rom neu indem sie dessen glaumlnzende Vergan-genheit mit der zunaumlchst noch eher tristen Gegenwart verknuumlpfen Erst im Laufe des 16 Jahrhunderts erhob sich Rom ndash nicht zuletzt durch die Initiative der Paumlpste ndash wieder zum kulturellen und intellektuellen Zentrum Zahlreiche Museen und Kunst-sammlungen wuchsen aus dem Boden ndash aber nicht nur zum Wohle der Stadt besonders durch die rege Bautaumltigkeit der Kirchenfuumlrsten wurden zahlreiche Altertuuml-mer unwiederbringlich zerstoumlrtDiesen Umstand wagten die neuzeitlichen Topographen meist nur in Ansaumltzen zu kritisieren waren sie als Literaten doch vielfach finanziell vom paumlpstlichen Hof oder von kirchlichen Kreisen abhaumlngig ja es scheint als haumltten sie den einstmali-gen Zustand Roms den sie ua mit Hilfe antiker Textzeugnisse zu rekonstruieren versuchten gleichsam zur sbquogeistigen Kon-servierunglsquo literarisch abgebildetAll dies wird im Buch durch kommentierte Originaltexte (mit beigegebener deutscher Uumlbersetzung) dokumentiert die sich mit der Gruumlndung Roms dem antiken Stadt-zentrum und dem Gebiet des Vatikans auseinandersetzen Zeitlich zugehoumlriges Bildmaterial das die Autoren mit groszliger Wahrscheinlichkeit beeinflusste wech-selseitig aber auch aus der Lektuumlre der Topographien heraus entstand unterstuumltzt das Gesagte

In einem eigenen abschlieszligenden Teil der Studie wird die Wirkung der sbquoRomideelsquo auf Salzburg untersucht Insbesondere Fuumlrsterzbischof Wolf Dietrich (1587ndash1612) selbst rombereist und aumluszligerst belesen trug maszliggeblich dazu bei dass das antike Iuvavum seit Ende des 17 Jahrhunderts auch sbquoRom des Nordenslsquo genannt wurde ndash architektonisch neu inszeniert aber aus der Vergangenheit schoumlpfend

Latein fuumlr AngeberDas Beste aus der Kurier Kolumne Nuntii LatiniWolfram Kautzky

Heiszligt der Plural von Lapsus Lapsi oder Lapsus Welches Kuumlrzel verwenden Aumlrzte wenn sie einem Kollegen eine Oral-Sau zuweisen Warum ist ein Gymnasium eine Nacktschule Und was heiszligt Warmdu-scher auf Lateinisch Fragen uumlber Fragen die Wolfram Kautzky langjaumlhriger Kolum-nist der oumlsterreicheischen Tageszeitung KURIER in seiner Rubrik Latein fuumlr Angeber in den letzen Jahren auf witzig-lockere Weise beantwortet hat Neben den 22 besten Kolumnen enthaumllt das Buumlchlein auch eine Sammlung der bekanntesten lateinischen Redersarten sowie ndash unent-behrlich fuumlr den Alltag ndash einen Sprachkurs zum Thema lateinischer Smalltalk

Dr Wolfam Kautzky ist studierter Altphilo-loge Gymnasiallehrer und Schulbuchautor Seit 1993 verfasst er fuumlr den Kurier die Nuntii Latini (Lateinische Nachrichten) sowie Reisereportagen

Buch- amp Medientipps

Ruth Elisabeth Kritzer

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 43: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Nr 11 ndash AUGUST 2015 43

cursor Latein4EU

Scrabble das Kreuzwortraumltsel-Spiel das weltweit bereits uumlber 100 Millionen Mal verkauft wurde und bereits in 30 ver-schiedenen Sprachen erschienen ist kann nun auch in lateinischer Sprache gespielt werden

Seit einigen Jahren erlebt Latein eine Renaissance Das Interesse an der Sprache steigt und an vielen Schulen fristet der Lateinunterricht kein stiefmuumltterliches Dasein mehr Besonders fuumlr den Unterricht kommt die Latein-Version des Klassikers Scrabble von Piatnik gerade recht Das Brettspiel aus edlem Holz eignet sich per-fekt um so manche Lateinstunde aufzufri-schen und den Schuumllern zu helfen spielend die Sprache zu lernen

Aber auch gestandene Buchstabenakroba-ten die sich als leidenschaftliche Latei-ner gerne in die Welt der alten Sprache

entfuumlhren lassen kommen bei bdquoScrabble in lingua Latinaldquo auf ihre Kosten Der dreifache Wortwert oder der doppelte Buchstabenwert fuumlhren schnell zu uumlberra-schenden Wortkonstrukti-onen die einem rasch den Sieg bringen koumlnnen

2ndash4 Spieler ab 10 Jahren Spieldauer ca 30 MinutenErhaumlltlich im Spielfachhan-del zum Preis von ca 40 Euro

Weitere Informationen uumlber das neue Scrabble in lingua Latina erhalten sie unter

Piatnik Produktinformation Scrabble in lingua Latina

LinktippswwwmylatinloveritVon dieser Webseite koumlnnen sie monatlich ein lateinisches oder griechisches Raumltselheft im PDF-Format herunterladen Wenn Sie sich registrieren erhalten Sie das Raumltselheft automatisch per Mail zuge-schickt Motto Latein macht Spaszlig

wwwplanet-schuledesfphp02_sen01phpreihe=1185 Das Experimentum Romanum ist ein didaktisches Ex-periment der SWR-Redaktion Planet Schule in Zusam-menarbeit mit dem Goumlttinger Seminar fuumlr Klassische Philologie Fuumlr den Lateinunterricht wurden lateinische Fassungen der acht Folgen der Reihe bdquoDas Roumlmer-Experi-mentldquo erstelltDie Sendereihe Das Roumlmer-Experiment taucht ein in die Lebenswelt der Roumlmer und geht mit aufwaumlndigen 3D-Rekonstruktionen und archaumlologischen Experimenten auf Spurensuche nach dem roumlmischen Erbe in den germani-schen ProvinzenDie acht Folgen der von der SWR-Redaktion Planet Schule produzierten Serie haben jeweils eine Laumlnge von 15 Minuten Sehr sehenswert

wwwlateinforumatAlles Wissenswerte rund um den Lateinunterricht in Oumlsterreich und daruumlber hinaus

wwwneolatinlbgacatAuf der Seite des Insbrucker Ludwig Boltzmann Instituts finden Sie einen neulateinischen Podcast

wwwpiatnikcomprodukteindexphp157atdespielefamilienspielescrabble

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013

Page 44: cursor - EduGroup · LINGUAE LATINAE sind nach wie vor hochaktiv. In den letzten Jahren war die Umstellung auf Leistungsbeurteilung und Matura NEU so arbeitsintensiv, dass für die

Lernen mussauch bilden

Lernen als Ferienerlebnis

TLatein als FerienerlebnisFerien einmal anders erleben und dabei noch erfolgreich lernen In einer froumlhlichen Gemeinschaft das Lernen lernen und etwaige schulische Luumlcken schlieszligen Das Angenehme sinnvoll mit dem Nuumltzlichen verbinden Das sind einige der bewaumlhrten Lerngedanken des Studienhauses Landau

Wenn Sie mehr wissen wollen besuchen Sie uns bequem auf unserer Internetseite oder fordern Sie unsere Prospekte unverbindlich an

E

N

I

N

E

EE

N

L

ALL

RRStudienhaus Landau Haingeraideweg 976829 LandauTelefon 0 6341 96 90 845Fax 0 6341 96 90 856E-Mail infostudienhaus-landaude

wwwstudienhaus-landaude

Gemeinschafterleben

StHaD_Anzeige_Cursor_13-08-14indd 15082013