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Dekubitus und Chronische Wunde – eine multidisziplinäre Herausforderung Marianne Hintner

Dekubitus und Chronische Wunde eine multidisziplinäre · • Dekubitus 247 Tg • Ulcus cruris 2,9 J. Herausforderung • chronische Wunden sind komplex und nur selten monokausal

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Dekubitus und Chronische Wunde – eine multidisziplinäre

HerausforderungMarianne Hintner

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„Wunden werden dann als chronisch bezeichnet, wenn sie innerhalb von 4 bis 12 Wochen nach Wundentstehung trotz konsequenter Therapie keine Heilungstendenzen zeigen.“ (vgl. Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden)

Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunter liegenden Gewebes, typischerweise über knöchernen Vorsprüngen, infolge von Druck oder Druck in Verbindung mit Scherkräften EPUAP/NPUAP, 2014

Definitionen

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52%

37%

50%

18%

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Epidemiologie

• Ca. 250.000 Österreicher leiden an chronischen Wunden1

• > 50 % leiden länger als ein Jahr daran1

• 68.000 Neuerkrankte pro Jahr 1

• Rezidivrate = > 90%2

• durch Dekubitus verursachte jährliche Kosten in Österreich ca. 250 –290 Mio. €. 2

• Kosten für chronische Wunden ca. 400 Mio €/Jahr 5

• Wunden bestehen durchschnittlich 6,7 Jahre3

• 72% müssen zumindest alle 3 Tage den Verband wechseln = 39 Mio. VW/Jahr1

• 76 % der Patienten mit chronischen Wunden weisen drei oder mehrere Begleiterkrankungen wie Hypertonie oder Gefäßkrankheiten auf4

• Bei bis zu 46 % besteht ein Diabetes mellitus4

1APA-Journal Gesundheit,2015, IFES Wien; 2STGKK,April 2011; 3Chronic wound management in home care services –a pilot study Eva-Maria PanfilPflege (2002); 4 Friedberg, E., Harrison, M.B., Graham, I.D., Current home care expenditures for persons with leg ulcers, (Aktuelle Hauspflegeausgaben für Personen mit Beingeschwüren), J Wound Ostomy Continence Nurs 2002; 29: 4, 186 – 192. 5 Austrian woundassoziation 2012;

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Institut für empirische Sozialforschung GmbHWien

• 58% - Verbandswechsel beim niedergelassenen Arzt oder im Krankenhaus

• 19% - Verbandswechsel durch die HKP

• durchschnittliche Behandlungsdauer:• Dekubitus 247 Tg• Ulcus cruris 2,9 J

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Herausforderung

• chronische Wunden sind komplex und nur selten monokausal• Wundheilung erfordert differenzierte Diagnostik

• Es fehlen konsentierte interdisziplinäre Leitlinien• Krankheitsverläufe sind langwierig und kostenintensiv, „Drehtüreffekt“

• Reichhaltiges Angebot an Verbandsmitteln erfordert differenzierten Einsatz

→ Erfordert Sachverstand und langjährige Erfahrung im interdisziplinären Prozess

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Lösung

erfolgreiches Wundmanagement im ambulanten Bereich:

Behandlungskontinuität - fehlende Kontinuität führt zu Unterbrechung der Therapie

Kenntnisse über Wundauflagen - mangelnde Kenntnisse münden in ineffiziente Anwendung, die kostenintensiv werden kann

Spezialisierte pflegerische Versorgung - Verbandswechsel zeitaufwändig und technisch anspruchsvoll

→ Sonst droht Verschlechterung des Wundzustandes oder sogar eine Progredienz der Wundfläche

Die umfassende Versorgung chronischer Wunden erfordert ein breites Spektrum verschiedener Berufsgruppen und Fachdisziplinen

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Interdisziplinarität=

gleichzeitige Zusammenarbeit im Hinblick auf eine gemeinsame Sache von

a) verschiedenen Personen

b) mit verschiedenen Aufgaben und

c) mit verschiedenem beruflichen Hintergrund (Grundausbildung &

Weiterbildung) Dr. Regula Ruflin

….um komplexe Probleme, die allein nicht

zufrieden stellend bearbeitbar sind, zu lösen

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Interdisziplinarität im Expertenstandard

S1b – Die Einrichtung verfügt über eine intra-und interprofessionell geltende Verfahrensregelung…………..

Interdisziplinarität im Krankenpflegegesetz

Der Interdisziplinäre Kompetenzbereich § 16. (1) ……umfasst jene Bereiche, die sowohl die Gesundheits- und Krankenpflege als auch andere Berufe des

Gesundheitswesens betreffen. (2) Im interdisziplinären Kompetenzbereich haben Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und

Krankenpflege das Vorschlags- und Mitentscheidungsrecht. Sie tragen die Durchführungsverantwortung für alle von ihnen in diesen Bereichen gesetzten pflegerischen Maßnahmen…………

(4) Im Rahmen der interprofessionellen Zusammenarbeit tragen Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits-und Krankenpflege zur Aufrechterhaltung der Behandlungskontinuität bei

http://www.gesundheitspflege-emmental.ch/leitbild

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Interdisziplinarität im Ärztegesetz

Ärztegesetz§49

(2)Der Arzt hat seinen Beruf unmittelbar, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten und Vertretern einer anderen Wissenschaft oder eines anderen Berufes, auszuüben. Zur Mithilfe kann sie/er sich jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach ihren/seinen genauen Anordnungen und unter ihrer/seiner ständigen Aufsicht handeln.(3) Der Arzt kann im Einzelfall an Angehörige anderer Gesundheitsberufe….ärztliche Tätigkeiten übertragen, sofern diese vom Tätigkeitsbereich des entsprechenden Gesundheitsberufes umfasst sind. Er trägt die Verantwortung für die Anordnung..……

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Ergebnis:

Ärzte: Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen

Fachrichtungen

Pflege: Zusammenarbeit mit Ärzten

„Was verstehen Sie unter interdisziplinärer Zusammenarbeit?“

Nicht repräsentative Umfrage:

Interdisziplinarität wird von allen

Seiten gefordert, jeder weiß, dass es

nur so funktionieren kann

…..aber wie sieht es in der Realität

aus?

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Stolpersteine

▪ Hierarchiedenken ….von allen Seiten…▪ Mangelndes gegenseitiges Verständnis der Disziplinen: gegenseitige Vorurteile, falsche Erwartungen

▪ Kommunikations- und Sprachschwierigkeiten▪ wer macht wann was und wie informieren wir einander zu welchem Zeitpunkt?

▪ Was passiert bei unterschiedlichen Meinungen?▪ Keine klaren Abgrenzungen der Aufgaben und Zuständigkeiten

▪ Doppelspurigkeiten (zwei oder mehr Personen machen dasselbe) ▪ Unterlassungen (niemand fühlt sich zuständig) → Ineffizienz▪ Unklarheit über Fallführung und Entscheidungskompetenzen

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So könnts gehen…..

▪ Fachkompetenz in der eigenen Disziplin und das Wissen um deren Stärken und Schwächen

▪ Toleranz und Akzeptanz gegenüber anderen Disziplinen▪ Teamkompetenz und kommunikative Kompetenz

▪ Balance zwischen Konsenssuche und Konfrontation▪ Setzen klarer und verbindlicher Ziele

▪ Kommunikation für alle in verständlicher Weise, auch für die Patienten

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Fallbeispiel

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Ablauf

Kontaktaufnahme durch den Sohn der Patientin/Terminvereinbarung

• Kontaktaufnahme zum behandelnden Hausarzt• Anamnese • Erhebung der Wundsituation• Erstellung eines Therapievorschlags

• Koordination aller benötigten Disziplinen• Information von Patient und Angehörigen

• Edukation der 24h-Pflege

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Wundsituation am Aufnahmetag

Aktuelle Wunddiagnose:Dekubitus sakral Kat. 3 B mit Wundtasche von 10 – 4 UhrIAD Kat. 2 (perianal, labial, sulcus glutealis, perineal)Dekubitus Ferse Kat. 2Intertrigo axillar und unter der Brust

Allgemeine Diagnosen:Patientin 87 J., Z.n. Subarachnoidalblutung, immobil seit 6M. AphasieStuhl-und HarninkontinenzMultiple Kontrakturen

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Planung der nächsten Schritte:

• Beratung mit dem Hausarzt – Einholung der Rezepte• Einholung der Bewilligungen für med. HKPF, Verbandstoffe• Besorgung der Verbandstoffe• Koordination mit:

o Sanitätshaus – Wechseldruckmatratze, Lagerungshilfsmittelo Physiotherapie – Bewegung, Mobilisationo 24h – Pflege – Einschulung bzgl. Bewegungsplan, Umgang mit DK, Hautpflegeo Apothekeo Hauskrankenpflege – DK legen und pflegeno Podologie

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PhysiotherapieErgotherapie

Debridement

Podologische Fußpflege

Die beteiligten Professionen

Hausarzt

HKP

Ziel dieser Vernetzung:

• Vereinheitlichung von Behandlungsabläufen

• Senkung der Komplikationsraten

• Vermeidung von Doppeluntersuchungen

• Verkürzung der Abheilungszeiten

• Verlängerung des rezidivfreien Intervalls.

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Nach 1 Woche

Nach 4 Monaten

• Kontinuierliche Wunddokumentation und –fotografie• Wöchentliche Absprache mit den an der Wundheilung

Beteiligten• Regelmäßige Schulung der 24h – Pflege auf

Nachhaltigkeit

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Schlussfolgerung

Steigerung der Lebensqualität

▪ Behandlungserfolg bereitet allen Beteiligten Freude▪ Ganzheitliche, individuelle Betreuung gibt Sicherheit▪ Wertschätzender Umgang aller Disziplinen bringt Zufriedenheit

▪ Es braucht ein hohes persönliches Engagement für die optimale Koordination der interdisziplinären Behandlung

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Marianne Hintner

Danke fürs Zuhören!