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6 ECHT Oberfranken Serie: Aus Oberfranken – für die Welt „Echtes Zeug zum Spielen“ Rolly Toys in Neustadt bei Coburg stellt Tretfahrzeuge für Kinder in der ganzen Welt her von Iris Kroon-Lottes

Echt Oberfranken "Echtes Zeug zum Spielen"

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Echt Oberfranken "Echtes Zeug zum Spielen"

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ECHT Oberfranken6 ECHT Oberfranken

Serie: Aus Oberfranken – für die Welt

„Echtes Zeug zum Spielen“Rolly Toys in Neustadt bei Coburg stellt Tretfahrzeuge für Kinder in der ganzen Welt her

von Iris Kroon-Lottes

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WIRTSCHAFT

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Das Büro sieht aus wie ein Spiel-platz für Manager: Rund um ei-nen massigen Schreibtisch ste-

hen grün-gelbe und rote Minitraktoren zum Treten – alle ähneln stark ihren Ori-ginalvorbildern vom Bauernhof, mit be-weglicher Schaufel und dicken, robust wirkenden, schwarzen Rädern. Echte Traktoren, bloß aus Kunststoff und viel kleiner. Spielzeuge für Kinder, mit denen sogar im Garten oder auf dem Bauernhof „gearbeitet“ werden kann. Das zumin-dest versichert Frank Schneider, ge-schäftsführender Gesellschafter der Firma Franz Schneider GmbH & Co KG – Rolly Toys in Neustadt bei Coburg. Das Unter-nehmen ist ein Traditionshaus am krisen-gebeutelten Standort Neustadt, der be-reits um die Wende des vorigen Jahr-hunderts als Spielwarenregion bekannt war. Viele Manufakturen sind seither ver-schwunden, darunter auch große Na-men. Rolly Toys hingegen hat sich be-hauptet und den Weg in eine erfolgreiche Zukunft gefunden.

Drei Generationen

beherzte Unternehmer

Frank Schneider führt sein Erbe nun schon in dritter Generation fort. 1997 übernahm er den Betrieb von seinen El-tern Gernot und Irmgard. Auch er blieb der Firmenphilosophie treu, qualitativ hochwertiges Spielzeug für Kinder in al-ler Welt zu kreieren – ein Motto, das sich vor rund 70 Jahren entwickelte, als seine Großeltern Franz und Rosa Schneider 1938 das Unternehmen als Zulieferbe-trieb für die damalige Spielwarenindust-rie gründeten.

Seither hat sich vieles geändert – in der Herstellungstechnik, in den Ansprüchen der Kinder. Rolly Toys ist bis heute ein Fa-milienunternehmen geblieben. Frank Schneider, der im elterlichen Unterneh-men von der Pike auf gelernt hat, was es bedeutet, unternehmerisch zu denken, steht dafür, dass die Moderne ihre Wur-zeln in der Tradition hat, und doch ist er offen für Innovationen. Lächelnd zeigt er auf einen grasgrünen Anhänger, der im

Original auch auf Bauernhöfen im Ein-satz ist. Die Laderampe lässt sich öffnen und verstellen, Knöpfe und Hebel sind beweglich und lösen neue Funktionen aus. „Das ist eines meiner liebsten Stü-cke“, sagt er, „und: es hat seinen Markt gefunden.“ Darauf ist der Unternehmer stolz. Ihm ist es wichtig, sich bei allen un-ternehmerischen Risiken auch auf Neue-

rungen einzulassen wie den grünen An-hänger. „Manchmal muss man einfach ins kalte Wasser springen, persönliche Begeisterung für eine Idee zeigen und se-hen, was daraus wird“, betont Schneider. Wer vorankommen will, muss Neues ris-kieren. Das ist sein Credo – trotz gelegentlicher Fehlgriffe.

Zwischen Tradition und Moderne: Frank Schneider leitet in dritter Generation die Franz Schneider GmbH in Neustadt bei Coburg.

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Leidenschaft Tüfteln

Frank Schneider ist ein begeisterter Tüft-ler. Am liebsten würde er selbst Hand an-legen, wenn es in der Produktion ans Zu-sammenschrauben der Einzelteile geht, aus denen später ein Minitraktor wird. „Ich entwickle sehr gerne. Es macht Spaß, sich in Details zu verlieren. Dabei darf ich allerdings nicht vergessen, dass unse-re Produkte für Kinder sind und nicht für mich selbst.“ Mit einem Augenzwinkern gibt er das zu. Für den Unternehmer ist es eine große Motivation, sich im Produkt selbst wieder zu fi nden.

Ein Jahr Entwicklung

Jährlich stellt Rolly Toys rund 350.000 Kinderfahrzeuge und ebenso viele An-hänger her, im Mehrschichtbetrieb auf insgesamt rund 20.000 Quadratmeter Produktionsfl äche. Die Nachbauten der Originale sollen später so charakteris-tisch wie möglich aussehen. 12 Monate dauert die Entwicklung von der Idee bis zum fertigen Produkt. Hier arbeitet der Spielwarenhersteller bereits seit 1984 mit dem Diplom-Designer Ulrich Ewring-mann aus München zusammen. Der ent-

wirft im Auftrag von Rolly Toys neue Pro-dukte und Accessoires für das Sortiment. Aus seiner langjährigen Erfahrung weiß er genau, welche technischen Besonder-heiten machbar sind und zum Spielwert beitragen. Wichtig dabei: Die Mini-Fahr-zeuge sollten möglichst viele Funktionen haben. „Stellen Sie sich vor, Sie kaufen einen Modellbagger und der könnte den Arm nicht bewegen. Das Spielen würde überhaupt keinen Spaß machen. Oder eine Schaufel, die nicht kippbar ist. Die Funktionen müssen da sein, weil Kinder bis zu einem gewissen Grad die Funktio-nen des Originals nachahmen wollen“, das weiß Frank Schneider aus Erfahrung.

Eine eigene Werkzeugbauabteilung setzt die am Rechner entwickelten Spielzeug-ideen um. Neben jährlichen Neuheiten im Sortiment gibt es auch viele beliebte Longseller, wie die Modelle der robusten und geländetauglichen Linie der „rolly-Farmtracs“.

In Form geblasen

Die einzelnen Traktorenteile wie der Kör-per eines Fahrzeugs werden auf insge-samt 36 Spritzguss- und rund 35 Blas-

In den Silos befi ndet sich das farbige Granulat, aus dem die Produkte später maschinell geformt werden.

In den Produktionshallen entstehen auf modernen Spritzguss- und Blasautomaten die Einzelteile für die Fahrzeuge.

Fotos: I. Kroon-Lottes, Rolly Toys

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1968

1938

1955

1966

1975

1996

1997

1996 – 99

1987 – 89

Geschichtliches

Firma wird von Franz und Rosa Schneider als Zulieferer für die Spielwarenindustrie gegründet.

Die erste Kunststoffspritzma-schine modernster Bauart wird in die Produktion integriert.

Das Unternehmen präsentiert den ersten Dreirad-Traktor, der aus einem Stück Polyäthylen geblasen ist.

Der erste pedalgetriebene Vierradtraktor nach einem Originalfahrzeug wird vorge-stellt.

Gernot Schneider übernimmt als Geschäftsführer die Ge-schäfte seines Vaters und sorgt in den kommenden Jahren zusammen mit seiner Frau Irmgard für den Ausbau der Firma.

Werk II wird erweitert

Ein neues, modernes Hoch-regallager entsteht.

Frank Schneider wird geschäfts-führender Gesellschafter. Er sorgt für weitere Produkt-innovationen. Preise wie der „Red Dot“ für herausragendes Design oder der renommierte Designpreis IF Award folgen.

Werk II wird nochmals erweitert.

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automaten produziert. Grundlage für die Spritz- und Blasverfahren ist ein verschie-den farbiges Granulat aus Polyäthylen und Polypropylen, das bei einer Erhit-zung bis 200 Grad zum Schmelzen ge-bracht wird. Die dickfl üssige Masse wird mit Druckluft in Form geblasen. Auf zwei automatisierten Montagestraßen werden die Einzelteile zum Schluss zusammen gebaut. Eine Besonderheit, die nur Rolly Toys bei seinen Tretfahrzeugen bietet, ist die Luftbereifung – mit dem gleichen Pro-fi l wie das Original vom Landmaschinen-hersteller und mit passender Felge.

Bei allen Produktionsvorgängen steht die Sicherheit der Spielzeuge ganz oben. Das Unternehmen arbeitet nach den Vor-gaben europäischer Normen, die auch durch die Siegel des TÜV und der CE be-stätigt werden. Das Unternehmen ver-wendet zudem in der Spielzeugfertigung nur Farben und Metallbeschichtungen, die frei von Blei und Cadmium sind.

Standorttreue

Mit zwei Werken in Neustadt bei Coburg hält Frank Schneider bewusst am Entwick-lungs- und Produktionsstandort Deutsch-land fest. Rund 160 Mitarbeiter arbeiten hier. „Die Spielwaren in Deutschland kommen zu 80 Prozent aus chinesischer Produktion. Deshalb bin ich stolz und froh darüber, hier in Deutschland produ-zieren zu können auf Grund der Einzigar-tigkeit unseres Produkts. Das ist für mich ein Grundsatz, Teil unserer Philosophie“, so Schneider. Als unabhängiges Unterneh-men in Familienhand ist Rolly Toys in der Lage, schnell und fl exibel auf die Anforde-rungen des Marktes zu reagieren. Mit sei-ner Qualität „Made in Germany“ und ei-ner Exportquote von 60 Prozent sieht der Spielwarenhersteller positiv in die Zu-kunft. „Solange es die Menschheit gibt, wird es Spielwaren geben. Solange wir im Wohlstand leben, werden Spielzeuge ge-kauft“, schätzt er die Situation ein.

Frank Schneider setzt mit seiner Unter-nehmensstrategie auf Beständigkeit, Bo-denständigkeit und Qualität. Eine Philo-sophie, die nicht nur zu seinen Produkten, sondern auch zu ihm passt. An seinen Mitarbeitern schätzt er vor allem Teamfä-higkeit und Ehrlichkeit, Werte, die er ger-ne für die gesamte Produktion in An-spruch nimmt. „Wir versuchen nach bestem Wissen und Gewissen unsere Ideen marktgerecht umzusetzen. Den Traktor kann man nicht immer wieder neu erfi nden, aber man kann ihn immer robuster und vielseitiger machen. Das gefällt auch den Kindern von heute.“

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Serie: Aus Oberfranken – für die Welt