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Fachzeitschrift «eGov Präsenz» Ausgabe 1/2010 Dokumentenmanagement und Langzeitarchivierung «eGov Präsenz» Berner Fachhochschule Kompetenzzentrum Public Management und E-Government Unternehmer und Nationalrat Ruedi Noser: «Ich plädiere für einen nationalen CIO mit weit- reichenden Kompetenzen» «In Standardisierungsfragen müsste die Schweiz anfangen, grossräumiger zu denken» – Christian Mühlethaler, Stadtschreiber in Bülach «Wichtig ist, wie man etwas kommuniziert, in welchen Kontext man Dinge stellt» – Markus Hinterhäuser, Konzertchef der Salzburger Festspiele

eGov Präsenz (1/2010): Dokumentenmanagement und Langzeitarchivierung

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Fachzeitschrift «eGov Präsenz» Ausgabe 1/2010

Dokumentenmanagement und Langzeitarchivierung

«eGov Präsenz»

Berner FachhochschuleKompetenzzentrum Public Management und E-Government

Unternehmer und Nationalrat Ruedi Noser: «Ich plädiere für einen nationalen CIO mit weit- reichenden Kompetenzen»

«In Standardisierungsfragen müsste die Schweiz anfangen, grossräumiger zu denken» – Christian Mühlethaler, Stadtschreiber in Bülach

«Wichtig ist, wie man etwas kommuniziert, in welchen Kontext man Dinge stellt» – Markus Hinterhäuser, Konzertchef der Salzburger Festspiele

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1Leitartikel

Innovation! Partizipation! Exzellenz!Reinhard Riedl

Kann E-Government die Innovation in Be-hörden fördern? Soll es das? Darf es das überhaupt? An diesen Fragen scheiden sich die Geister.

Unter E-Innovation kann man vieles ver-stehen: neue E-Dienstleistungen, Prozess-integration zwischen Behörden, die Nut-zung strategischer Führungssysteme etc. E-Innovationen sind auf allen Verwaltungs-ebenen möglich. Naturgemäss sind sie in Grossbehörden häufiger. Dass es in der Schweiz aber gerade kleinere bis mittel-gros se Gemeinden sind, die Führungscock-pits einführen, zeigt, dass E-Innova tion an der Peripherie oft leichter ist als im Zentrum.

Zwei Formen der Innovation haben im E-Government besondere Bedeutung: die permanente Weiterentwicklung des Dienst-leistungsangebots mit agilen Methoden und eine langfristige, auf Emergenz basie-rende, grundsätzliche Umgestaltung der Behördenstrukturen. Diese beiden Innova-tionsformen stehen einander diametral ge-genüber, doch es gilt, beide zu nutzen.

«Agilität» als FührungsmethodeDer Begriff «agil» steht für eine Schar von Entwicklungsmethoden, die mit kurzen Zy-klen arbeiten, grossen Wert auf Erfolg bei Endbenutzern legen und eine spezielle Form von transparenter Führung praktizie-ren. In agilen Projekten wird enger geführt als in konventionellen Projekten, aber zu-gleich sind die kreativen Freiheiten wohlde-finiert, und die Akteure erhalten regelmä-ssig Feedback zu ihren Leistungen. In der Praxis führt das zu mehr Arbeitsspass und einer besseren Stimmung in den Teams.

Agilität implementiert das klassische Transparenzprinzip der Informatik auf Pro-jektebene: Die Entwicklungszyklen der agilen Entwicklungsmethoden können als Analoga der «Komponenten» in der Soft-wareentwicklung aufgefasst werden. Die Führung definiert und überwacht das WAS im Projekt, die Projektmitarbeitenden tra-gen die Verantwortung für das WIE. Das WAS wird dabei in priorisierte Teilziele auf-geteilt. Geht das Projekt langsamer voran als gewünscht, wird im vorgegebenen Zeitrahmen nicht alles teilweise realisierte,

sondern priorisierte Teilziele werden ganz realisiert. Die regelmässigen Praxistests der Zwischenprodukte durch die End-benutzer garantieren zusätzlich, dass die Ergebnisse am Ende echten Praxisnutzen bringen – und dass Designfehler meist schon: in der Frühphase des Projekts kor-rigiert werden können.

Agile Methoden sind für die Weiterent-wicklung des Dienstleistungsangebots im Web genauso geeignet wie für grössere E-Government-Vorhaben, zum Beispiel die Entwicklung einer Infrastruktur für ei-nen virtuellen Wirtschaftsraum Schweiz. In beiden Fällen erhöhen sie sowohl Entwick-lungsgeschwindigkeit als auch Nachhal-tigkeit. Es ist allerdings nützlich, wenn die Auftraggeber eine agilitätskompatible Hal-tung einnehmen: Das Bereitstellen von Fa-chexpertinnen und -experten aus dem Ge-schäftsbereich für die Mitarbeit im Projekt und Praxistests mit den zukünftigen Nut-zenden während des Projekts sind von entscheidender Bedeutung für den Erfolg agiler Methoden.

«Geleitete Emergenz» als Führungsziel«Emergenz» bedeutet ein Entstehen, das nicht geplant ist, sondern durch die Rah-menbedingungen gefördert und geleitet wird. Die Entwicklung von Staatsarchitektu-ren soll in die richtigen Bahnen gelenkt und die Nachhaltigkeit sichergestellt werden. Insbesondere soll eine Anpassung an zu-künftige Bedürfnisse und technische Mög-lichkeiten vereinfacht werden. Das «Moving Target» dabei ist die Optimierung des Infor-mationsmanagements nach Massgabe ver-schiedener Randbedingungen. Diese sind vor allem die technischen Möglichkeiten, der Reifegrad der Organisation und die Fachkompetenzen der Mitarbeitenden – und sie sollen sich selber bei der Opti-mierung des Informationsmanagements weiterentwickeln! Anstatt all dies durch-zuplanen, ist es sinnvoller, die Emergenz vernünftiger Grundstrukturen zu fördern. Dafür ist eine Architektur-Zukunftsperspek-tive notwendig, die sich von den techni-schen Einschränkungen der Vergangenheit und Gegenwart löst und weit in die Zukunft vorausdenkt.

Der Begriff «Emergenz» stammt unter anderem aus der neuen künstlichen Intelli-genz. Er wird dort im Zusammenhang mit intelligenten Wachstumsprozessen und mit sensomotorischen Kopplungen verwen-

det, die zur Emergenz eines intelligenten Verhaltens führen. «Emergenz» steht so für die Abkehr von den durchgeplanten, regel-basierten Systemen der alten künstlichen Intelligenz. An und für sich sind ungeplante Wachstumsprozesse in der Informatik et-was sehr Unschönes. Leider sind sie in der Praxis kaum vermeidbar. Die hohe Kunst des pragmatischen Architekturmanage-ments ist es darum, das Wachstum sanft so zu steuern, dass Denkbarrieren über-wunden werden und geordnete (reife) Strukturen «emergieren».

Die Steuerung der Emergenz mittels VisionenUm eine geleitete Emergenz im E-Govern-ment zu ermöglichen, empfiehlt es sich, ein Führen mit Visionen zu praktizieren. Mit Visionen meine ich klar formulierte Eigen-schaften der zukünftigen Organisation, für die es a priori keine konkreten Umset-zungspläne gibt. Beim Führen mit Visionen gibt die Unternehmensleitung das zukünfti-ge WAS und die Handlungsgrundsätze des Unternehmens vor, ohne Beschreibung des WIE. Dieses WIE muss vom Kader ent-wickelt werden, indem jeder in seinem Be-reich für seine Aufgaben das WIE konkreti-siert.

Das funktioniert nur, wenn Vorgesetzte ihren Mitarbeitenden klare Aufgaben ge-ben und im direkten Gespräch prüfen, ob diese die Aufgaben vollumfänglich verstan-den haben. Wichtig ist, dass allen Kader-mitgliedern ein ihrer Position entsprechen-des Mass an Kreativität zugebilligt und abgefordert wird.

Im E-Government liegt die Aufgabe, Visi-onen zu formulieren, bei den Architekten. Wie bei agilen Methoden sind auch bei der losen Steuerung von Emergenz die Fach-kompetenz der Mitarbeitenden und eine präzise Kommunikation von entscheiden-der Bedeutung. Die Führungspersonen müssen inhaltlich in der Sache kompetent sein, Architekturkonzepte verstehen und gut kommunizieren. Ein für das Team nach vollziehbares Feedback erhöht die Produktivität signifikant. Doch es fordert Führungskräften viel ab.

Fehlende politische Neutralität oder die Multidisziplinarität der IngenieureBei aller Innovationsfreudigkeit sollten wir uns bewusst sein: E-Government ist ers-tens Knochenarbeit und zweitens politisch

Prof. Dr. Reinhard Riedl Herausgeber «eGov Präsenz» und Leiter Kompetenz zentrum Public Management und [email protected]

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2 Leitartikel

nicht völlig neutral. Es fordert ein Commit-ment zu hoher Fachkompetenz und zur Leistungsorientierung in der öffentlichen Verwaltung. Sein Ziel ist höhere Qualität der Behördenarbeit zu geringeren Kosten! Trotz stetig wachsender Kom plexität der Behördenarbeit soll ein Anwachsen der Kosten der öffentlichen Verwaltung ver-hindert werden. Dafür will E-Government dreierlei tun: moderne Informations- und Kommunikationstechnologien einsetzen, Organisationsstrukturen weiterentwickeln und die fachliche Qualifizierung der Behör-denmitarbeitenden fördern. Wer dies aus politischen Gründen ablehnt – sei es aus Opposition gegen Effizienz, sei es aus Op-position gegen einen Ausbau der staatli-chen Leistungen oder sei es aus grund-sätzlicher Ablehnung von Veränderun- gen –, der wird E-Government ablehnen.

Problematischer noch: Die Logik des E-Government ist eine pragmatische Nut-zenlogik und wird stark von Ingenieurs-denken geprägt. Das empört viele politisch denkende Menschen. E-Government ba-siert zwar auf drei fachlichen Pfeilern – In-formatik, Rechtswissenschaft und Organi-sationswissenschaft – und involviert viele andere Fächer: Aber die Involvierung aller nicht technischen Disziplinen ist fokussiert auf das praktische Lösen konkreter Prob-leme – und nicht auf politische Diskurse.

Weiters ist E-Government zwar kein neues New Public Management, jedoch verlangt die Implementierung umfassen-der E-Government-Lösungen irgendwann, dass die Leistungen einer Behörde defi-niert werden. Diese Leistungsdefinition führt eine neue abstrakte Perspektive auf die Arbeit der öffentlichen Verwaltung ein, die vielerorts Widerstand hervorruft.

Modernes Management – politisch unkorrektTatsächlich steht E-Government in Bezug auf fast alle kritischen Organisations-aspekte politisch ein bisschen neben den Schuhen. Es basiert auf einer Organisa-tionslogik, die der politischen Welt eher fremd ist.

Erstens Strategie: Eine tief greifende E-Government-Einführung verlangt eine Strategie mit klaren Zielen. Das wider-spricht der politischen Überlebenslogik des Sich-nicht-Festlegens und gibt politi-schen Newcomern Profilierungschancen.

Zweitens Struktur: E-Government wird langfristig die Organisationsstrukturen ra-dikal verändern. Die Treiberin dieser Ver-änderung ist die Technologie. Shared Ser-vice Centers sind erst der Anfang. In Europa wird es mittelfristig One-Stop-Por-tale als einheitliche Ansprechpartner für die Wirtschaft geben. Sie werden die Be-hörden virtuell verhüllen (wrappen), doch

anders als bei Christos Verhüllungen wer-den die virtuellen Wrapper die Strukturen prägen, die sie wrappen. Dabei wird wahr-scheinlich vieles dezentralisiert werden!

Drittens Ausführung: Im Zentrum des E-Government steht die Einführung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Doch kein Überstülpen der betriebswirt-schaftlichen Konzepte über die öffentliche Verwaltung ist gefragt, sondern ein konse-quentes Weiterentwickeln der Ablauf - orga nisation. Das Wissen aus der Vergan-genheit darüber, wie man Behördenarbeit gut organisiert, behält auch im E-Govern-ment seine Gültigkeit. Die rein E-Mail- basierte Verwaltung wird genauso wenig reüssieren wie die verschiedensten Versu-che, die Verwaltungsarbeit besser zu kon-trollieren. Gutes E-Government ist hier kein williger Erfüllungsgehilfe.

Viertens Kultur: Die zur effektiven Nut-zung von E-Government notwendige In-formationsorientierung der Arbeitskultur ist im wirklichen Leben bisher so selten anzutreffen, dass viele Angst vor dieser Unbekannten haben. Einige Verwaltungs-kader werden sich aber genau dadurch profilieren.

Fünftens Partnerschaften: Die Koopera-tion verschiedener Behörden ohne klare ge-setzliche Regelungen stellt eine Conditio sine qua non dar – nicht nur, aber insbeson-dere in der föderalen Schweiz! Das wirft die Frage auf, ob E-Government nicht doch zu einer Zwangsharmonisierung führt. Die Wahrheit ist, Kooperation verlangt Kompro-misse. Das gilt für die Behördenzusammen-arbeit im E-Government ebenso wie für andere Formen der Kooperation. Die kanto-nale Zusammenarbeit spielt im Schweizer E-Government die Schlüsselrolle.

Sechstens Mitarbeiterqualifikation: E-Go vernment vernichtet anspruchslose Jobs und schafft anspruchsvolle Jobs für spezialisierte Wissensarbeiter. Davon pro-fitieren primär die Besten. Die Jungen un-ter ihnen werden in Zukunft mit Computer-spielen und Web 2.0 aufgewachsen sein und sich durch Schnelligkeit, hohe Risiko-bereitschaft und konsequentes Ausfiltern von nebensächlichen Informationen aus-zeichnen – lauter Eigenschaften, die man in der Vergangenheit lieber nicht hervor-kehrte, wenn man Verwaltungskarriere machen wollte.

Siebtens Innovation: Regierungen und öffentliche Verwaltungen müssen in einer sich schnell wandelnden Welt innovativer werden, um Stabilität zu wahren. Da Ver-netzung ein Schlüssel zur Innovation ist, wird E-Government viele Innovationen prägen. Für alle jene, die unter Innovatio-nen leiden und diese als Unrecht empfin-den, wird E-Gorvernment darum zum Symbol des Unrechts werden.

Achtens Führung: Das traditionelle Füh-ren mit Verordnungen ist im E-Government noch erfolgloser als anderswo. Einerseits besitzt der einzelne Behördenmitarbeiten-de wesentlich mehr Information und ist wesentlich besser vernetzt als früher. An-dererseits werden die Zusammenhänge zwischen einzelnen Aktionen durch die Optimierung des Informationsmanage-ments im E-Government komplexer. Das stellt ganz neue Anforderungen an Füh-rungspersonen.

E-Government (ver)heisst VeränderungSumma summarum verlangt und verur-sacht E-Government umfassende Ver än-derungen und ein «Joint Venture» der tra-ditionellen Verwaltungskultur mit der Informatik. Was daraus wirklich werden wird – das heisst, wie der Staat der Zu-kunft tatsächlich aussehen wird –, können wir derzeit nur ahnen. Absehbar ist aber, dass die Veränderungen sogar die politi-sche und administrative Entscheidungsfin-dung penetrieren werden. Bislang schei-terten zwar die meisten Experimente, die versuchten, Bürgerinnen und Bürger mit Internettechnologie in die politische Ent-scheidungs findung einzubinden. Doch die positiven Erfahrungen aus der Wirtschaft – IBM Innovation Jam, CISCO-Ideenwettbe-werb etc. – zeigen das Potenzial auf. Ganz zu schweigen von Obamas Campaigning.

In Zukunft wird E-Partizipation vermutlich insbesondere auf Expertenebene das We-sen der Politik verändern. Der Druck auf die Parlamentarier, sich in Sachfragen mit dem Wissen der Experten zu beschäftigen, wird steigen. Das wird unkonventionelle politi-sche Karrieren ermöglichen. Anderseits werden E-Partizipation-Events die Möglich-keit bieten, die Risiken von politischen Vor-haben besser und schneller abzuschätzen, weil Gruppen in der Risikoabschätzung be-sonders effektiv sind. Das wiederum wird zu neuen Formen des Ideenventilierens führen, deren Effekt auf die politische Land-schaft schwer abschätzbar ist.

In dieser bevorstehenden Dynamik gilt es, auf Bewährtes zu setzen. Frei nach Howard Gardner (und Richard Sennett) sind das: handwerklich-fachliche Kompe-tenz, integratives Denken, Kreativität, res-pektvoller Umgang mit den anderen und die Bereitschaft, Verantwortung zu über-nehmen. Die alte Vision von Peter Drucker, dass uns ein Zeitalter der Wissensarbeiter bevorsteht, wird durch die Auswirkungen der Internettechnologien Realität werden. Das Schlüsselwort heisst Exzellenz – auch im E-Government.

Herzlich, Ihr Reinhard Riedl

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Berner FachhochschuleKompetenzzentrum Public Management und E-Government

Call for Papers «eGov Präsenz» 2/10: Interoperabilität und Standards«eGov Präsenz» ist DIE Fachzeitschrift für E-Government in der Schweiz und im deutschsprachigen Ausland (www.egov-praesenz.ch). Der Magazinteil enthält Experteninterviews, Kolumnen und aktuelle Veranstaltungsberichte. Im Fachteil präsentieren wechselnde Autoren nationale und internationale Perspektiven der Forschung und Praxis.

Die nächste Ausgabe, 2/10, beschäftigt sich mit dem Thema Interoperabilität und Standards. Wir laden Sie ein, bis am 26. März 2010 einen Abstract zu diesem Thema einzureichen und bei angenommenem Abstract einen zwei- bis dreiseitigen Artikel zu verfassen. Die Ausgabe 2/10 erscheint im August 2010, Redaktionsschluss ist der 28. Mai 2010.

Die Fachzeitschrift «eGov Präsenz» bietet Ihnen als Autorin oder Autor die Möglichkeit, Ihren Beitrag einem internationalen Publikum aus Entscheidern in Politik, öffentlicher Verwaltung und Wirtschaft zu präsentieren. Ihr Beitrag kann die aufgezähl-ten, aber auch themenverwandte Aspekte behandeln.

Themen

• Standards: Erarbeitung, Pflege, Weiterentwicklung von Standards, Nutzenbewertungen von Standards, Standardportfolio Bildung, Akzeptanz von Standards

• Interoperabilität: Technische Interoperabilität, Prozessinteroperabilität, Organisations- vs. Prozessinteroperabilität, länderübergreifende Interoperabilität, visuelle Darstellung von Interoperabilität

• Forschungserkenntnisse: Forschungsergebnisse und deren Interpretationen, Überblicksartikel, Analysen von aktuellen Entwicklungen und Trends sowie Aufsätze

• Innovative Projekte: Fortschrittliche und aktuelle Vorhaben, Projekte, Problemlösungsansätze, deren Herausforderungen, Planung, Umsetzung, Controlling und Betrieb

Einreichung der Beiträge Bitte senden Sie Ihre Vorschläge (Abstract, ca. 1000 Zeichen) bis am 26. März 2010 an [email protected].

Annahme der Artikel Die Beiträge müssen Qualität haben und dürfen keine PR-Artikel sein, sie müssen eine gewisse Praxisrelevanz aufweisen, und Aussagen sollen wo immer möglich an Praxisbeispielen illustriert werden. Weitere Kriterien für die Annahme sind Klarheit, Innovationsgrad und Aktualität. Es besteht keine Garantie für die Aufnahme eines Beitrages in die Zeitschrift.

Sprache Es werden Artikel in deutscher, französischer und englischer Sprache akzeptiert.

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4 Inhaltsverzeichnis

Leitartikel1 Innovation! Partizipation! Exzellenz! Reinhard Riedl, Herausgeber «eGov Präsenz» und Leiter Kompetenzzentrum Public Management und E-Government

Zu dieser Ausgabe6 Herzlich willkommen im neuen Jahrzehnt – Alles bleibt beim Neuen Ronny Bernold, Chefredaktor «eGov Präsenz», Kompetenzzentrum Public Management und E-Government7 Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Interview8 «Ich plädiere für einen nationalen CIO mit weitreichenden Kompetenzen» Ruedi Noser, Nationalrat und Unternehmer 14 «In Standardisierungsfragen müsste die Schweiz anfangen, grossräumiger zu denken» Christian Mühlethaler, Stadtschreiber der Stadt Bülach 20 «Wichtig ist, wie man etwas kommuniziert, in welchen Kontext man Dinge stellt» Markus Hinterhäuser, Konzertchef der Salzburger Festspiele

Kolumne12 «Aus anderer Warte» Das Neue dringt herein mit Macht Jürg Römer 19 Wie «verrückt» darf – oder muss – Innovation sein? Markus Fischer 37 Web 4.0 – ein Exkurs über Emotionen und Tags Reinhard Riedl

Zwischenruf24 Records Management oder Misere? Vom schwierigen Umgang mit elektronischen Unterlagen in der Verwaltung Tilman Braun

Veranstaltungen26 Im Fokus: «Dokumentenmanagement und Langzeitarchivierung» Ronny Bernold, Michael Kaschewsky28 «E-Government: das dynamischste Pferd im Rennstall der Verwaltung» 3. Nationales eGovernment-Symposium vom 17. November 2009 Ronny Bernold, Alessia Neuroni

E-Government Schweiz30 Organisationskonzept für ein föderales E-Government Schweiz» Klaus Lenk, Tino Schuppan, Marc Schaffroth 33 BPM – ganz praktisch! Laurent Bagnoud, Marc Schaffroth34 Unternehmensidentifikator für die Schweiz Andreas Spichiger

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Magazinteil: Innovation

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5Inhaltsverzeichnis

Forschung / Analyse39 Développements théoriques: l’analyse des Régimes institutionnels des ressources appliquée à la ressource information Mirta Olgiati42 Langzeiterhaltung von Dokumenten aus dem literarischen Schreibprozess Urs Richle, Alexander Wenzel, Julia Büchel, Rolf Jufer45 Das Datenpointernetzwerk: Basisinfrastruktur für ein interorganisationales Information Sharing Martin Brüggemeier, Sirko Schulz48 Rechtskonforme Aufbewahrung und Archivierung aus Sicht des Wirtschaftsprüfers Christoph Protz50 Dokumentmanagement funktioniert nicht ohne Output-Management Daniel Liebhart52 Prozesse machen aus Ablagesystemen echtes Dokumentenmanagement Markus Fischer, Christoph Bisel54 L’E-Participation indissociable de l’E-Inclusion: «Living Labs», une démarche intégrante Ino Maria Simitsek56 Information Lifecycle Management: eine ganzheitliche Strategie für das Informations- management Sven Sauer, Iven Jainta

Praxis – Schweiz58 Geodaten (fast) für die Ewigkeit Krystyna W. Ohnesorge, Urs Gerber63 Informationsmanagement und Langzeitaufbewahrung digitaler Informationen im Gemeindeumfeld Lukas Fässler 64 Die Einführung der elektronischen Geschäftsverwaltung (GEVER) im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) Jan P. Beekman, Bärbel Förster66 Dokumentenmanagement und Langzeitarchivierung – es besteht Handlungsbedarf Rudolf K. Spiess, Isabelle Grünig68 So führte das Bildungsdepartement des Kantons Aargau die elektronischen Beurteilungs- instrumente im PDF-Format ein Guido Hauller, Beat Steiner70 Von elektronischen Urkunden zu elektronischen Justizarchiven Adrian Blöchlinger74 Benutzerfreundliches Records Management und Einsatz von digitalen Signaturen in der Langzeitarchivierung Jürg Porro, Daniel Markwalder

Praxis – International78 Aktenhaltung und Vorgangsbearbeitung werden in Brandenburg auf Ministerialebene vollständig elektronisch Andrea Kubath 80 Eine Referenzarchitektur für die vertrauenswürdige Langzeitarchivierung sensitiver Daten Detlef Hühnlein, Ulrike Korte, Stefanie Fischer-Dieskau82 Durchgängige IT-Unterstützung von Verwaltungsabläufen durch Digitales Schriftgutmanagement Harald Schumacher, Martin Wind

Die Artikel spiegeln die persönliche Meinung des Autors/der Autorin und nicht die Meinung der Berner Fachhochschule wider.

Mitglied der

Die Berner Fachhochschule ist Mitglied der European Foundation for Quality Management, EFQM

Fachteil: Dokumentenmanagement und Langzeitarchivierung

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Ronny BernoldChefredaktor «eGov Präsenz», Kompetenzzentrum Public Management und E-Government [email protected]

Herzlich willkommen im neuen Jahrzehnt Alles bleibt beim NeuenRonny Bernold

Liebe Leserin, lieber Leser

Die Fachzeitschrift «eGov Präsenz» prä-sentiert im Jahr 2010 eine kleine Neue-rung. Wie bis anhin werden wir einen Ma-gazin- und einen Fachteil aufweisen. Jedoch erhält der Fachteil ein eigenes Schwerpunktthema. Im Sinne des mo-mentanen Wandels steht die erste Ausga-be des neuen Jahrzehnts unter dem Titel Innovation.

Innovation, gemäss Duden auch Er-neuerung oder Veränderung, ist der erste Schritt zur kontinuierlichen Verbesserung. Denn nur die Veränderung kann neue, teil-weise bessere Lösungen bringen. Ohne Innovation stagniert unsere Entwicklung! Und gerade in der jetzigen wirtschaftlich oft schwierigen Zeit scheint der Wille zur Innovation gross zu sein. Zumindest ver-mittelt diesen Eindruck das Interview mit Herrn Mühlethaler (Seite 14), Stadtschrei-ber der Stadt Bülach und neues Mitglied des E-Government-Expertenrats. Seiner Meinung nach müssten Innovationen und verstärkt Standards «jetzt erst recht» ge-fördert werden! Innovationen wie das BPM Starter KIT (Bagnoud, Schaffroth, Seite 33) oder die Unternehmensidentifikation UID (Spichiger, Seite 34) erlauben die Weiter-entwicklung im E-Government. Nationalrat Ruedi Noser fordert für diese Weiterent-wicklung im Interview (Seite 8) einen natio-nalen CIO mit weitreichenden Kompeten-zen und eine Verfassungsgrundlage für E-Government. Das Gespräch mit Markus Hinterhäuser (Seite 20) zeigt jedoch, dass Neues sehr oft auf Widerstände stösst. Dem Pianisten und Konzertverantwortli-chen der Salzburger Festspiele ist es aber auf eine faszinierende Art gelungen, Beste-hendes mit Frischem zu kombinieren.

Fachteil: Dokumentenmanage-ment und LangzeitarchivierungIm Zuge der stetig voranschreitenden computergestützten Innovation wandelt sich unsere Arbeitsweise, und es entste-hen ganz neue Fragestellungen. Die Infor-mation, von jeher zentrales Gut der Ver-waltungsarbeit, kann und wird immer verteilter gespeichert. Wo früher Doku-mente oft abgeschlossene Informations-einheiten bildeten, werden sie heute nicht selten ad hoc nach Bedarf zusammenge-baut. Die zugrunde liegenden Informatio-nen sind dabei zunehmend fragmentiert gespeichert. Die alten Aufbewahrungs- und Informationsregeln gehen verloren und wurden dabei nur selten durch neue ersetzt (Spiess, Grünig, Seite 66).

Historie und Nachvollziehbarkeit als KernanforderungDie Speicherung und auch Archivierung der neuartigen digitalen Daten wie etwa Geoinformationen (Ohnesorge, Gerber, Seite 58) zwingt uns umzudenken. Einer-seits gibt es nicht mehr das eine physi-sche Original, wie es einst der Grund-buchplan im Aktenschrank war. Anderseits gewinnen die Zeitbestände und damit die Nachvollziehbarkeit der Entstehung- oder der Mutationsschritte an Bedeutung. Nicht nur aus Sicht des Wirtschaftsprüfers (Protz Seite 48) oder bei einem Gerichts-prozess ist die Entstehung der Daten von zentraler Wichtigkeit. Eine E-Mail oder ein Chateintrag im Rahmen der Dokumenten-entstehungsphase wird plötzlich äusserst relevant und sollte Jahre später wieder verfügbar sein. Ganz zu schweigen von di-gitalen Schülerbeurteilungen und elektro-nischen Zeugnissen (Hauler, Steiner, Seite 68), wie sie vermehrt eingesetzt werden.

So werden Schriftsteller bereits beim Erarbeitungsprozess ihres Textes unter-stützt, um die dabei entstehenden Texte, Entwürfe und Manuskripte für die Lang-zeitarchivierung vorzubereiten (Richle, Wenzel, Büchel, Jufer, Seite 42).

Technische und konzeptio- nelle Innovation rund um das DokumentDie Praxisbeiträge berichten von verschie-densten Ansätzen und Lösungen, die Ent-wicklung der letzten Jahre umzusetzen.

So können seit September 2009 quali-fiziert signierte Online-Strafregisterauszü-ge ausgegeben werden. Diese Neuerung der elektronisch signierten Publikationen bringt zeitgleich aber ganze neue Bedürf-nisse an die Langzeitarchivierung (Blöch-linger, Seite 70). Und wiederum spielen die Nachverfolgbarkeit und die Dokumenta-tion der Entstehung und der Zeitstände eine eminent wichtige Rolle. In der Bun-desverwaltung wird momentan unter dem Begriff GEVER flächendeckend die elekt-ronische Geschäftsverwaltung eingeführt. In allen Inland-Stellen des Eidgenössi-schen Departements für auswärtige An-gelegenheiten (EDA) soll bis Ende 2011 die flächendeckende Einführung des Dokumentenmanagement-Systems abge-schlossen sein (Beekman, Förster, Sei-te 64). Doch bei all diesen fortschrittlichen, zukunftsträchtigen Dokumentenverwaltun-gen, Informationsmanagement-Systemen und Ähnlichem stellt sich Tilman Braun (Seite 24) in seinem Zwischenruf die Fra-ge, weshalb wir uns beim konkreten Um-gang mit elektronischen Daten und Doku-menten nur allzu oft sehr schwer tun.

Die ausserordentlich hohe Anzahl an eingereichten Abstracts zeigte die Rele-vanz und Vielschichtigkeit des Themas. Wir haben bewusst verschiedene Beiträge mit verschiedenen Aspekten des Doku-mentenmanagements und der Langzeitar-chivierung ausgewählt. Die Herausforde-rung bleibt, die verschiedenen Disziplinen und Sichtweisen zusammenzuführen, um letztendlich anstelle der vielen Puzzleteile das Bild als Ganzes zu sehen.

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und wün-sche Ihnen eine aufschlussreiche und be-reichernde Lektüre.

Ronny Bernold

Ausblick «eGov Präsenz» 2/10Die nächste Ausgabe der «eGov Präsenz» erscheint im August 2010 mit dem Titel «Interoperabilität und Standards».Sie sind dazu eingeladen, Ihre Vorschläge für Fachartikel zum Thema bis am 26. März 2010 an mich einzureichen. Weitere Informationen unter www.egov-praesenz.ch/cfp

Zu dieser Ausgabe

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Die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe

Zu dieser Ausgabe

Ronny BernoldChefredaktor «eGov Präsenz», Kompetenz zentrum Public Management und E-Government

Dr. Michael KaschewskyWissenschaftlicher Mit - arbeiter, Kompetenzzentrum Public Management und E-Government

Christoph BiselSenior Consultant, Soreco AG

Markus FischerGeschäftsführer, Soreco Publica AG

Prof. Laurent BagnoudProfessor am Institut Wirtschaftsinformatik der Fachhochschule HES-SO Valais Wallis

Prof. Dr. Andreas Spichiger Senior Researcher Kompetenzzentrum Public Management und E-Government

Daniel LiebhartDozent für Informatik, Hochschule für Technik Zürich und Solution Manager, Trivadis AG

Christoph ProtzSenior Manager, KPMG AG Zürich

Guido HaullerLeiter Informatik, Kanton Aargau, Departement Bildung, Kultur und Sport

Beat SteinerCo-Founder, Ajila AG

Andrea KubathReferatsleiterin,Ministerium des Innern Brandenburg

Iven JaintaProduct Marketing Analyst, OPTIMAL SYSTEMS GmbH

Sven SauerGründungsmitglied und CIO, OPTIMAL SYSTEMS GmbH

Jan P. BeekmanBereichsleiter Logistik, Mit- glied der Geschäfts leitung Direktion für Ressourcen DR, Eidgenössisches Departement für auswärti- ge Angelegenheiten EDA

Isabelle GrünigStelllvertretende Leiterin Informatik und LogistikGesamtleiterin ECM- Projekte, Stadt Biel

Rudolf K. SpiessLeiter Informatik und Logistik, Stadt Biel

Adrian BlöchlingerFachbereich Rechts-informatik, Bundesamt für Justiz

Lukas FässlerRechtsanwalt und Informatikexperte,Präsident des Vereins SSGI

Dr. Alessia C. NeuroniSenior-Researcherin, Kompetenzzentrum Public Management und E-Government

Prof. Dr. Jürg RömerFachbereichsleiter Wirtschaft und Verwaltung, Berner Fachhochschule

Markus Fischer Unabhängiger Unter- nehmer, Berater und Coach

Ino Maria SimitsekMembre du projet Living Lab E-Inclusion – CTI/SATW, Techno-pédagogue – DIP Genève

Dr. Daniel MarkwalderBereichsleiter Public Key Infrastructure (PKI) und Sicherheitsprodukte, Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT

Jürg PorroBereichsleiter Competence Center Geschäftsverwal-tungslösungen, Bundes- amt für Informatik und Telekommunikation BIT

Mirta OlgiatiDoctorante, Institut de Hautes Etudes en Administration publique

Dr. Martin WindInstitut für Informations-management Bremen; beratender Partner der b.i.t.consult GmbH

Tilman BraunMehrjährige Verwaltungs-erfahrung sowie Beratungs tätigkeit für alle föderalen Ebenen

Dr. Stefanie Fischer-DieskauReferentin im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)

Bärbel FörsterLeiterin Sektion Geschäfts- verwaltung und Archivie- rung, Stv. BereichsleiterinLogistik, Eidgenössisches Departement für auswärti- ge Angelegenheiten EDA

Urs GerberLeiter Grundlagen zum Raummonitoring, Bundes- amt für Landestopografie swisstopo

Dr. Krystyna W. OhnesorgeChefin Ressort Innovation und Erhaltung, Schweizeri-sches Bundesarchiv BAR

Prof. em. Dr. Klaus LenkUniversität Oldenburg, Deutschland

Marc SchaffrothProjektleiter, Informatik-strategieorgan Bund ISB

Prof. Dr. Reinhard Riedl Herausgeber «eGov Präsenz» und Leiter Kompetenz zentrum Public Management und E-Government

Prof. Dr. Tino Schuppan Geschäftsführer lfG. CC, The Potsdam eGovernment Competence Center

Dr. Detlef HühnleinSecurity Networks AG

Sirko SchulzWissenschaftlicher Mitarbeiter, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin

Dr. Ulrike KorteReferentin im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)

Harald SchumacherGeschäftsführer, b.i.t.consult GmbH

Julia BüchelSchweizerisches Literaturinstitut HKB BFH

Prof. Rolf JuferDepartement Technik und Informatik BFH

Urs RichleSchweizerisches Literaturinstitut HKB BFH

Alexander WenzelSchweizerisches Literaturinstitut HKB BFH

Prof. Dr. Martin BrüggemeierProfessor für Betriebswirt-schaftslehre und Public Management, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin

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8 Interview

«Ich plädiere für einen nationalen CIO mit weitreichenden Kompetenzen»Ruedi Noser, Unternehmer und FDP-Nationalrat, ist fest davon überzeugt, dass die Schweiz einen nationalen CIO braucht, der nahe beim Bundesrat angesiedelt ist und die Aufgabe hat, alle Prozesse möglichst günstig anzubieten. Im Interview spricht er über die Wirkung der bisherigen E-Government-Bestrebungen, seine Wunschprojekte und das politische Commitment zu E-Government.

Ruedi Noser, Nationalrat und UnternehmerInterview: Ronny Bernold

Was bedeutet für Sie E-Economy oder E-Government?Die Bedeutung von der Bürgerin und vom Bürger her sollte eigentlich ganz einfach sein: dass ich von zu Hause aus Sachen erledigen kann, für die ich früher das Haus verlassen musste.

Welche Infrastruktur müsste der Staat für E-Economy bereitstellen?Ich bin ja immer noch der Ansicht, dass man vom Staat einen Pass bekommen sollte, der einem in der virtuellen wie in der realen Welt zur Verfügung steht. Mit dem biometrischen Pass und mit der SuisseID gehen wir in diese Richtung. Es wird ver-mutlich noch eine Weile dauern, bis jede Bürgerin, jeder Bürger sich in der realen und in der virtuellen Welt mit demselben Dokument ausweisen kann. Das aber muss die Zielsetzung sein.

«Ich bin der Ansicht, man müsste eine Verfassungs-grundlage für E-Government schaffen.»

Sehen Sie einen Bedarf für weitere Infrastruktur, um E-Business besser unterstützen zu können? Ich habe schon x-mal gesagt, man müsste aufhören, territoriale Anwendungen zu bauen. Wenn die Einwohnerkontroll-Soft- ware der Stadt Winterthur gut ist, dann soll-te ich als Wetzikoner diese Software eben- falls verwenden und Daten nach Wetzikon schicken können. So würde sehr schnell ein Markt und damit Bewegung entstehen. Man muss aufhören, in der virtuellen Welt das Territorialprinzip anzuwenden.

Die E-Government-Strategie des Bun-des zielt in erster Linie oder in höchster Priorität auf die Wirtschaft. Merken Sie als Unternehmer etwas davon?

Bis jetzt hat man noch nichts gemerkt. Das muss man einfach festhalten. Jetzt aber sind zwei oder drei Sachen in der Pipeline wie Lohnmeldeverfahren, die elektronische Urkunde oder eine Numme-rierung für die eindeutige Identifikation von Firmen, das heisst, jetzt hat man vermut-lich die Voraussetzungen geschaffen, so-dass man es in den nächsten ein bis drei Jahren merken könnte. Ich bin sehr ge-spannt darauf, wann meine Bank als Ers-tes diese Identifikationsnummer verlangt.

Sie sprechen von der UID?Ja. Ich denke, das könnte relativ schnell spürbar werden. Die E-Government-Stra-tegie ist ja erst seit drei Jahren da. Und jetzt schauen wir, ob man das in den nächsten paar Jahren herunterkriegt. Bis im Jahr 2011 sollte man meiner Ansicht nach von E-Government etwas merken.

Wie erleben Sie das politische Com-mitment zu E-Government? Ich denke, im Parlament hat es eine recht hohe Unterstützung. Die Probleme liegen eher in der Verwaltung. All diese «E-The-men» sind immer integrale Themen. Neh-men Sie das Thema Identität, das spielt bei der Versichertenkarte, dem SECO und bei den Identifizierungspapieren eine Rol-le. Somit sind das Innendepartement, das Wirtschaftsdepartement und das Justiz-departement involviert. Drei Departemen-te, die eigentlich drei Funktionen bräuch-ten, die man zusammenlegt. Im Grunde müsste man die ganze Identifizierung der Bürgerinnen und Bürger zusammenlegen und nicht in den verschiedenen Departe-menten führen. Sozialversicherungsnum-mer, Versicherungskarte, Identifizierung der Leute für Trust-Register in der Wirt-schaft, Staatsbürgerpapiere, das könnte man zu einem Amt zusammenlegen, das die Identitäten managen müsste. Vermut-lich kommt auch noch das Finanzdeparte-

ment dazu mit der Steuer- und Mehrwert-steueridentifizierung und so weiter. Da arbeitet man nur sehr zögerlich zusam-men.

Das heisst weg von der effektiven An-wendung hin zu einem Prozessge-danken, der mehrfach verwendbar wäre? Wenn man es frech ausdrücken will: Ich glaube, der Prozessgedanke ist in der Bundesverwaltung noch wenig bis gar nicht vorhanden.

«[…] man müsste aufhören, territoriale Anwendungen zu bauen.»

E-Government steht ja eigentlich für Innovation. Welche Innovationen hat es bisher gebracht oder wird es noch bringen? Ich glaube, die Problematik ist, dass wir bisher den Nutzen noch zu wenig aufge-zeigt haben. Ich bin der Ansicht, man müsste eine Verfassungsgrundlage mit fol-gendem Inhalt schaffen:

Erstens soll der Bürger dem Staat keine Informationen geben müssen, die dieser schon hat.

Zweitens soll der Bürger zu jeder Tages- und Nachtzeit und in jeder Form dem Staat eine Information geben können.

Und drittens soll der Bürger ein Recht haben auf Einsicht in die Informationen, die der Staat über ihn hat, und zwar jeder-zeit in sämtliche.

In der Verfassung gibt es ja gewisse Grundrechte darüber, wie die Bürgerin oder der Bürger mit den Behörden umge-hen kann, aber diese befinden sich immer noch auf dem administrativen Niveau des 18. oder des 19. Jahrhunderts. Wenn man ein solches Grundrecht aufnehmen würde, dann wären Gemeinden, Kantone und Bund erstens gezwungen, zusammenzu-

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10 Interview

arbeiten, sie wären zweitens gezwungen, den Prozessgedanken zu bringen, und sie wären drittens gezwungen, das relativ schnell zu machen.

Sehen Sie in der nächsten Zeit realis-tische Chancen für einen solchen Vorstoss?Davon ist man noch meilenweit entfernt. Der Staat formuliert E-Government noch nicht als Grundrecht der Bürgerin oder des Bürgers, sondern definiert es als Ent-lastung für seine Aufgaben. Das ist eigent-lich falsch. Wenn meine Grossmutter das am Postschalter machen will, weil sie gern zum Postschalter geht, dann soll sie das tun können. Aber wenn ich das am Sonn-tag, nachts um zwölf Uhr, machen will, dann soll ich das auch tun können. Das wäre der Gedanke, den man bringen müsste. Dann würde man auch sehr schnell einen Nutzen sehen. Aber im Mo-ment definiert man den Nutzen sehr oft nur verwaltungsintern und nicht gegen-über den Bürgerinnen und Bürgern.

Eine der am weitesten reichenden In-novationen gab es im Kanton Glarus, als man auf Verwaltungsebene die Gemeinden zusammenlegte. Sinni-gerweise wurde das Ganze bei einer Landsgemeinde eingebracht.Es ist sehr typisch, dass der einzige Kan-ton, in dem Bürgerinnen und Bürger sich noch direkt äussern können, in der Lage ist, die Strukturen anzupassen. Alle ande-ren Kantone, die institutionelle Demokra-tien haben, wo die Bürgerin, der Bürger nur noch indirekt über die Institutionen eingreifen kann, schaffen dies nicht. Das meinte ich vorher mit der Verfassungs-grundlage. Das ist ein direkter Nutzen, den man formuliert. Ich hoffe auch, dass der Kanton Glarus diese Chance im Be-reich E-Government nutzt und nicht drei verschiedene Plattformen einfliessen lässt, sondern eine macht, die drei Gemeinden nutzen können. Ich habe schon mehrmals gesagt, die Gemeindefusion im Kanton Glarus wäre eigentlich die erste Gelegen-heit, zu zeigen, wie man der Bürgerin und dem Bürger durch E-Government wirklich einen Nutzen bringen könnte. Die Glarner müssen jetzt nämlich bei allem über die Bücher. Ausserdem verlieren sie jetzt die geografische Nähe zum Gemeindeschal-ter. Eigentlich ist es im Kanton Glarus ja auch ein Sparprojekt, und ein Sparprojekt heisst, dass man nicht mehr in 20 Ge-meinden mit je 500 Einwohnern einen Schalter hat, sondern dass man in einer Gemeinde einen Schalter hat und den ganzen Rest elektronisch abwickeln könn-te. Ich bin sehr gespannt darauf, wie das realisiert wird.

Wie sehen Sie den Nutzen von Face-book für Sie als Politiker? Das ist ein einfaches Instrument, mit dem ich innerhalb von Sekunden mit 2000 Leu-ten kommunizieren kann. Aber einen Nut-zen würde ich dem nicht anhängen. Es ist ein Gag. Und wird auch wieder out sein, da bin ich sicher. Das ist etwas, das kommt und wieder geht.

«Der Staat formuliert E-Government noch nicht als Grundrecht der Bürgerin oder des Bürgers, sondern definiert es als Entlastung für seine Aufgaben.»

Wird heute zu wenig Geld in E-Go-vernment investiert?Jene, die entscheiden müssten, dass in E-Government investiert wird, sind ja dann jene, die ihre Strukturen infrage stellen. E-Government und E-Techniken einführen heisst eigentlich immer bestehende Struk-turen abschaffen. E-Government stellt be-stehende staatliche Strukturen infrage. Deshalb geht es in der Schweiz nicht vor-wärts. Ich denke, letztlich wird es eine Bürgerbewegung brauchen, die E-Govern- ment wirklich vorwärtsbringen wird. Wenn Sie schauen, die grösste Bekämpfung bei der Einführung des biometrischen Passes war ja, dass nicht mehr jede Gemeinde ei-nen Pass herausgeben kann. Ist es wirk-lich nötig, dass ich etwas, was ich alle zehn Jahre brauche, in jeder Gemeinde holen kann? Kann ich das nicht mit elekt-ronischer Vorarbeit so machen, dass ich vielleicht dann den Pass im Bezirks-hauptort abholen kann? Das sind doch die Fragen, die sich stellen. Und das sind für

dieses Land ganz neue Fragestellungen, mit denen wir uns sehr schwertun.

Aber was wird der Treiber hinter der Bürgerbewegung sein? Ich denke, die Bürgerbewegung kommt, indem Bürgerinnen und Bürger im Ausland die Funktionen nutzen werden. Beim Ge-sundheitsdossier kommt der Druck nicht, weil wir in der Schweiz vorwärtsmachen, sondern der Druck kommt, weil es immer mehr ausländische Anbieter gibt, die auf diese Weise Gesundheitsdossiers anbie-ten. Das heisst, E-Government wird statt-finden. Die Frage ist nur, ob als Reaktion oder als Aktion. Das Risiko ist ziemlich hoch, dass es in der Schweiz nur als Re-aktion stattfinden wird. Das ist natürlich schade.

«Ich denke, letztlich wird es eine Bürgerbewegung brauchen, die E-Government wirklich vorwärtsbringen wird.»

Man kann davon ausgehen, wir haben die nötigen technischen Mittel für E-Government. Haben wir Probleme, technische Neuerungen in einen orga-nisatorischen Prozess umzusetzen? Ja, ich denke, dass die Strukturen in der Schweiz in erster Linie strukturerhaltend arbeiten. Und dass keine Prozesse da sind, welche die Strukturen infrage stellen. Ich glaube auch nicht, dass es technische Fragen sind. Man könnte gewisse Sachen schweizweit ausschreiben. Man könnte zum Beispiel fragen, wer die beste Ein-wohnerkontrolle macht. Man müsste in-nerhalb der Gemeinden nur noch Schnitt-stellen definieren, an die man dann die Daten liefert. Das würde funktionieren, aber das will man nicht, weil es Strukturen infrage stellt. Und wir haben einen ganz sturen, territorialen Föderalismus. Mit der Virtualisierung der Welt wird der territoriale Föderalismus ein wenig infrage gestellt. Man müsste eigentlich zu einem virtuellen Föderalismus kommen, wo Bürgerinnen und Bürger wählen können. Ich sollte doch eigentlich mit meiner Firma zu jenem Handelsregisteramt gehen können, das mir den Service am einfachsten zur Verfü-gung stellt. Es gibt keinen Grund dafür, warum ich zu einem territorialen Handels-registeramt gehen muss. Eigentlich müss-te der Staat mir sagen: Noser, du musst bei einem Handelsregisteramt gemeldet sein, bei welchem, kannst du selbst wäh-len. Du kannst das beste, billigste, schnellste oder bequemste nehmen. Aber diesen Gedanken versuchen wir, mit aller Gewalt zu verhindern.

Ruedi NoserRuedi Noser, Jahrgang 1961, ist im Kanton Glarus geboren. Der Unternehmer wurde 2003 in das schweizerische Parlament gewählt. Als Nationalrat engagiert er sich unter anderem dafür, dass das Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologien in der Schweiz besser genutzt wird. Ruedi Noser ist seit 2003 Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) sowie der Legislatur-planungskommission (LPK) und war von 2003 bis 2009 Vizepräsident der FDP Schweiz.

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Interview 11Interview

Könnte die Schweiz mit einer konse-quenten IT-Ausbildung und einer ver-stärkten Investition in die IT-Branche weltweit ein Servicecenter für kom-plexe Probleme werden? Ich denke nicht, dass dies eine Frage der Ausbildung ist. Entscheidend sind vielmehr Aspekte der Datenhoheit und des Daten-schutzes. Wenn man zum Beispiel weiss, dass, wenn man ein Datenzentrum in der Schweiz betreibt, die gespeicherten Daten nicht einfach allen Staaten geschenkt wer-den, sondern nur dann weitergereicht wer-den dürfen, wenn die betreffende Person es auch erlaubt. Das sind die spannenden Kriterien. Das heisst, die rechtsstaatlichen Grundprinzipien, dass die Information über mich mir gehört und nur Dritten zugänglich gemacht werden darf, wenn ich einwillige oder wenn Gerichtsentscheide mich dazu zwingen, könnten dazu führen, dass man zum Hosting von Daten in der Schweiz eine optimale Position aufbaut. Aber den Willen dazu habe ich im Bundeshaus noch nicht gross gespürt.

Wie sieht die öffentliche Verwaltung in 20 Jahren, also 2029, aus? Da bin ich einerseits nicht sehr optimis-tisch. Ich habe den Eindruck, die öffentli-che Verwaltung wird in 20 Jahren genau gleich aussehen wie heute. Andererseits gibt es eine grosse Chance, das ist der Spardruck. Aber wenn Sie schauen, dass in der ganzen Spardruckübung, die wir gerade haben, die IT als Lösungskompe-tenz gar nicht vorkommt, ist auch das fraglich. Mit der Zentralisierung der Leis-tungserbringung beim Bund könnte man jährlich 50 bis 100 Millionen einsparen, und dieses Projekt ist bei der Aufgaben-überprüfung gar nicht dabei. Ich habe den Eindruck, im Moment hat man in der Ver-waltung die IT als strategisches Mittel zur Kostenreduk tion noch gar nicht entdeckt.

Man ist sich des Potenzials nicht be-wusst?Nein, überhaupt nicht, und man will sich dessen auch nicht bewusst sein. Man müsste dann ja zugeben, dass man sich

damit strategisch beschäftigen müsste. Man würde dann zugeben, dass es nahe beim Bundesrat einen CIO geben müsste, der diese Aufgabe wahrnimmt und wirklich den Job hätte, all diese Prozesse möglichst günstig anzubieten. Und man müsste die Kompetenzen, die heute in den Departe-menten sind, diesem CIO geben. Da sind wir wieder beim Ausgangspunkt unseres Gesprächs. Hierzu ist kein Wille vorhanden.

Sie plädieren für einen nationalen CIO? Ja, aber für einen mit Kompetenzen. Das heisst, er müsste eigentlich die Prozess-hoheit und auch die Entscheidungshoheit haben darüber, wie man Prozesse im Bund einführt. Und nicht nur darüber, wie man IT betreibt, so wie es heute ist. Dann wäre ich wieder optimistisch. Dann könnte es in 20 Jahren ganz anders aussehen. Aber solange das nicht kommt …

Besten Dank für das Interview, Herr Noser

Foto: Roger Sieber, netfabrix.com

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12 Kolumne

«Aus anderer Warte» Das Neue dringt herein mit MachtJürg Römer

«Das Neue dringt herein mit Macht, das Alte, das Würd’ge scheidet, andre Zeiten kommen.»1 Mit diesen Worten bringt At-tinghausen im Wilhelm Tell seine Befürch-tung zum Ausdruck, dass sich das Land dem unvermeidlichen Lauf der Zeit anpas-sen und dem österreichischen König an-schliessen wird. Das Neue wird hier, wie oft in der Literatur, als Bedrohung wahrge-nommen.

Im Allgemeinen wird unter «Innovation» die Entwicklung, Umsetzung und Anwen-dung neuer Produkte, Prozesse oder Dienstleistungen oder auch die Erschlie-ssung neuer Märkte verstanden. Innova-tion bezeichnet also nicht nur neue Ideen oder Erfindungen, sondern erfasst deren Umsetzung mit.

Schöpferische ZerstörungProzesse der Erneuerung prägen die Menschheitsgeschichte von Anbeginn an. Dies wird klar aus allen Quellen, seien sie nun paläontologisch, archäologisch, his-torisch oder literarisch. Neuerungen ha-ben aber, wie man den gleichen Quellen entnehmen kann, immer wieder Ängste und Konflikte ausgelöst. Wir hören täglich auf allen Newskanälen, wie schlecht es uns gehe, welche apokalyptischen Gefah-ren dräuen und dass es so auf keinen Fall weitergehen könne. Tatsache ist, dass uns Innovationen eine zunehmende Lebenser-wartung sowie, zumindest in Europa, eine nie erlebte Deckung der Grundbedürfnisse der Menschen gebracht haben. Ebenso klar ist, dass Innovation oft vermeidbare und unvermeidbare Nebenerscheinungen bringt. Umweltschäden, soziale Spannun-gen, Zweckentfremdung und Missbrauch von Innovation gehören zu den Nebenwir-kungen, die vermieden oder minimiert werden können und müssen. Die «schöp-ferische Zerstörung» nach Joseph Schum-peter2 ist hingegen ein Prozess, der jede ökonomische und auch gesellschaftliche

Entwicklung prägt. Neue Produktionsfak-toren oder die Neukombination bestehen-der Faktoren verändern alte Strukturen. Diese schöpferische Zerstörung ist not-wendig, damit Neuordnung stattfinden kann, und sie ist nicht ein Fehler eines Systems oder einer Entwicklung.

Im Prozess einer schöpferischen Zer-störung gibt es auch Verlierer, zumindest kurzfristig. Diese stehen der Innovation ablehnend gegenüber. Horrorszenarien über die Folgen der Neuerung zu zeich-nen, fällt leicht, da die Zukunft naturge-mäss unsicher ist. Die Entwicklung ist zu-dem weder gradlinig noch friedlich. Rückschläge, Konflikte, Gewalt sind oft ihre Begleiter. Es gab immer wieder Kräfte, die das Neue nicht nur ablehnten, sondern es auch aktiv bekämpften, vor allem bei geistesgeschichtlichen und damit gesell-schaftlichen Innovationen. Dass sie sich dabei von den «alten, würd’gen» Werten, die sie zu verteidigen vorgaben, meist weit entfernten und zur Bewahrung des Alten Gewalt und Unterdrückung einsetzten, ist bekannt.

Innovation benötigt und ermöglicht PartizipationDie neuste Errungenschaft des Homo sa-piens, ein dritter Technologieschritt nach der industriellen Revolution und dem Auf-schwung der mechanischen Mobilität mit Eisenbahn, Auto und Flugzeug, sind die Informations- und Kommunikationstechni-ken (IKT). Ihre Möglichkeiten und Folgen wurden gerade in diesen Spalten umfas-send reflektiert. Euphorie und Skepsis wa-ren gross, als sich zu Beginn der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts IKT überall zu verbreiten begann, jedes Büro, jeder Privathaushalt, ja jeder Apparat mit IKT ausgerüstet wurde. Zu Beginn war etli-ches an Wissen und Übung nötig, um das «moderne Zeug» nutzen zu können. Bald erschallten die Stimmen der damals eben-falls einen Aufschwung erlebenden poli-tisch Korrekten, die den «digital divide» beklagten, die angebliche Spaltung der Gesellschaft zwischen digital Alphabeti-sierten und digitalen Analphabeten. Dieser Bruch sollte an der Generationen – oder an der Nord-Süd-Grenze entstehen, nach-

Prof. Dr. Jürg RömerFachbereichsleiter Wirtschaft und Verwaltung, Berner [email protected]

gewiesen wurde er nie. Einmal mehr hatte die Innovation Schreckgespenster geru-fen. Es wurde allerdings nicht gefragt, was elektronisch überhaupt angeboten wurde; für die ältere Generation war um die Jahr-tausendwende kaum etwas im Netz von Belang, dieses deshalb nicht attraktiv.

Der technischen Innovation folgte – wie in reiferen Stadien einer Technik üblich – eine Nutzungsinnovation. Web 2.0 ist (oder war bereits) das Schlagwort. Face-book und diverse Foren werden längst nicht mehr nur von Kids benutzt, sondern auch und gerade von Seniorinnen und Se-nioren. Es liegt nicht mehr eine Fotografie des Enkels aus Brasilien unter dem Weih-nachtsbaum, sondern man kann das Le-ben der Grosskinder in beliebig vielen Bil-dern laufend online mitverfolgen. Foren und Netzwerke ermöglichen die Ausdeh-nung der elektronischen Bekanntschaft zur realen Freundschaft. Die Partizipation derjenigen, welche die «Experten» noch vor wenigen Jahren zu betreuungs- und erziehungsbedürftigen Randgruppen stem- peln wollten, hat neue Realitäten geschaf-fen.

Es entstand keine digitale Spaltung, sondern eine «E-Inclusion». Die technolo-gische Innovation hat zu einer Prozessin-novation geführt. Diese wiederum ermög-licht oder erleichtert die Partizipation, für ältere Leute zum Beispiel die längere und umfassendere Teilnahme am gesellschaft-lichen Leben. Klagen, welche katastro-phalen Auswirkungen das «mit Macht hin-eindrängende» Neue hat, wird es auch hier wieder geben. Sie fallen der Platzbe-schränkung dieser Kolumne zum Opfer.

1 Friedrich Schiller, Wilhelm Tell, II, 1.2 Joseph Schumpeter (1912), in: Theorie der wirtschaft-

lichen Entwicklung. Nachdruck der 1. Auflage von 1912. Herausgegeben von Jochen Röpke und Olaf Stiller, Berlin, Duncker & Humblot, 2006.

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14 Interview

«In Standardisierungsfragen müsste die Schweiz anfangen, grossräumiger zu denken»Der Bülacher Stadtschreiber Christian Mühlethaler im Interview über die kontinuierliche Verbesserung der Stadtverwaltung, E-Voting und das Zusammenspiel zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Er weist auf die hervorragenden Erfahrungen mit E-Voting hin, wünscht sich mehr E-Government-Projekte, bei denen Bürgerinnen und Bürger direkt etwas merken, und plädiert für eine verstärkte Kooperation der Gemeinden.

Christian Mühlethaler, Stadtschreiber in Bülach Interview: Ronny Bernold

Was sind Ihre aktuellen Herausforde-rungen in der Verwaltungsgemeinde Bülach?Es sind zwei Aspekte. Der eine betrifft al-les rund um die Stadtentwicklung, und der andere bezieht sich auf die interne Füh-rung. Die Stadt Bülach ist stark damit be-schäftigt, sich vom Provinzstädtchen zur Stadt zu entwickeln. Diese Stadt hat ein riesiges Entwicklungspotenzial. Die Her-ausforderung besteht zum Beispiel darin, einen neuen Stadtteil zu konzipieren. Wei-tere strategische Themen sind die Nach-haltigkeit, die demografische Entwicklung, der Bau eines Sport- und Erholungsparks, der Bau eines zentralen Verwaltungsge-bäudes und die 1200-Jahr-Feier im Jahr 2011. Dies sind die strategisch wichtigen Sachen nach aussen. Nach innen war es in den zwei Jahren, in denen ich jetzt Stadtschreiber bin, die permanente Wei-terentwicklung der Organisation.

«[…] der Bund muss die Führung übernehmen und vor allem die Kantone in die Pflicht nehmen.»

Auch die kontinuierliche Verbesse-rung?Ja, denn das Dreieck Strategie – Struk-tur – Kultur sollte in der Balance sein. Der strategische Teil ist mit dem Legislatur-programm des Stadtrats vorgegeben. Die Organisation passen wir laufend so an, wie es nötig ist, wir stellen sie aber nicht auf den Kopf, weil sie etabliert ist. Das heisst, der Fokus liegt vor allem auf der Entwicklung oder der Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Letztlich geht es um die Frage, wie wir miteinander umge-hen, wie wir mit unseren Kundinnen und Kunden umgehen, denn wir scheitern im Alltag nicht an der Frage, was wir tun, sondern daran, wie wir es tun. In dieser Hinsicht befinden wir uns in ganz intensi-ven Prozessen.

Inwiefern hat E-Government in die-sem Bereich eine Relevanz? Ich weiss es noch nicht. Wenn ich alle Pro-jekte anschaue, die nach aussen gerichtet sind, kann E-Government vielleicht helfen, eine gewisse Transparenz in die Projekte zu bringen. Was wir schon haben, ist E-Vo-ting. In diesem Bereich gehörten wir ja zu den drei schweizerischen Pilotgemeinden. Und das funktioniert bei uns hervorragend.

Wird es auch genutzt? Ja. Durchschnittlich nutzen 20 Prozent der Bevölkerung E-Voting. Den Bund kritisiere ich, weil er Instrumente, die hervorragend laufen, nicht definitiv etabliert. Da vertrete ich halt den Standpunkt der Stadt und fin-de, dass der Bund in dieser Hinsicht ext-rem zögerlich ist.

Die Herausforderungen im E-Govern-ment liegen also auch auf Bundes-ebene oder in unserem föderalen Sys tem? Das ist halt unsere Welt, und es sind unsere Rahmenbedingungen. Manchmal wünschte ich mir bei Dingen, die schweiz-weit relevant sind, mehr Turbo. Das sind notwendige Grundvoraussetzungen, und der Bund muss die Führung übernehmen und vor allem die Kantone in die Pflicht nehmen. Schauen Sie doch, wie die Kan-tone im E-Government funktionieren: Da gibt es Kantone, die sind gut unterwegs, beispielsweise Aargau, St. Gallen, Thur-gau, und es gibt Kantone, die schlafen, wie Zürich. Das ist jedenfalls meine Wahr-nehmung.

Sind Sie auch von der Kantonszusam-menarbeit oder vom Takt, den der Kanton vorgibt, enttäuscht?Ja. Über das Wie kann ich nicht viel sagen, weil es keine Berührungspunkte gibt. Wenn ich aber das E-Government-Strategiepapier richtig interpretiere, sollte der Bund vorgeben, mit den Kantonen

Kontakt aufnehmen, und die Kantone sollten in der Pflicht sein, dies mit den Städten und Gemeinden zusammen um-zusetzen. Notwendige Mittel dazu sind Leistungsvereinbarungen, wovon ich beim Kanton Zürich bisher noch nichts gespürt habe.

«Im E-Government gibt es Kantone, die sind gut unterwegs, beispielsweise Aargau, St. Gallen, Thurgau, und es gibt Kantone, die schlafen, wie Zürich.»

Sollten Bürgerinnen und Bürger stär-ker merken, dass im E-Government etwas läuft?Das ist der Punkt. Ich glaube, die Leute merken nicht, dass etwas läuft. Ich sehe auch das Strategiepapier des Bundes mit Fokus Wirtschaft, das kann ich nachvoll-ziehen, und dort hat mir Jacqueline Fehr (Nationalrätin SP ZH) aus dem Herzen ge-sprochen. E-Government muss zur Bür-gerin, zum Bürger gelangen. Ich wünschte mir, dass aus der Sicht des Bundes auch der Aspekt der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt wird. SuisseID finde ich im Rahmen der Konjunkturmassnahmen ein gutes Projekt. Die Leute sollen einen Nut-zen haben und diesen auch spüren. Die Leute, die von E-Voting Gebrauch machen, haben einen sehr handfesten Nutzen und sagen: Wow, jetzt haben wir etwas Sinn-volles. Ich bin vom Städte- und Gemein-deverband in den E-Government-Exper-tenrat delegiert worden und nehme deshalb natürlich auch dessen Sicht ein. Ganz allgemein habe ich jeweils den Ein-druck, dass auf Bundesebene die Städte und Gemeinden sowie auch die Bürgerin-nen und Bürger relativ weit entfernt sind.

Ist man sich der Probleme der Ge-meinden auf Bundesebene gar nicht so bewusst?

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16 Interview

Ob man sich ihrer nicht bewusst ist, weiss ich nicht. Aber vielleicht zu wenig. Ich kann auf die Probleme auch nur in dem Sinn aufmerksam machen, wie ich sie von der Gemeindeseite erlebe. Wenn es sich um ein föderales Projekt handelt, so er-warte ich schon, dass alle Ebenen einge-bunden sind. Daher fand ich es natürlich toll, dass der Städte- und Gemeindever-band aufgrund dieser Vakanz einen Vertre-ter stellen konnte. Ich interpretiere es schon so, dass man gemerkt hat, dass man noch etwas von dieser Seite her ein-bringen muss. Ich finde das absolut wich-tig und unabdingbar.

Ist es sinnvoll, dass die kleinste Ge-meinde irgendwo im Kanton Zürich eine eigene E-Government-Lösung hat oder überhaupt ins E-Government geht? Nein. Dazu braucht es die grossen Treiber, die die Ressourcen haben. Gefordert sind die Kantone und die grossen Städte, die als Treiber agieren und mit dem Bund zu-sammen Standards entwickeln, damit sie die anderen adaptieren können. Ein «Ge-bastel» auf Gemeindeebene ist schlicht nicht möglich. Die Gemeinden haben da-für gar keine Zeit.

«Jeder hat das Gefühl, sein Einwohnerkontrollprozess sei anders. Das trifft aber nicht zu.»

Das geht in Richtung Servicecenter, dass zum Beispiel beim Kanton Ser-vices angeboten werden, welche die Gemeinden adaptieren können. Das ist ein gutes Beispiel. Im Expertenrat diskutieren wir über durchgängige Prozes-se bei der Einwohnerkontrolle. Da wün-sche ich mir, dass der Bund mit den Kan-tonen zusammensitzt und bei Themen, die überall gleich sind, Prozesse entwickelt und definiert. Dieses Vorhaben scheitert daran, dass jeder das Gefühl hat, sein Ein-wohnerkontrollprozess sei anders. Das trifft aber nicht zu. Eine Standardisierung würde sehr viel bewirken und die kleinen Gemeinden von Zusatzaufgaben entlas-ten, die sie selbst nicht bewältigen kön-nen.

Erarbeiten Sie im E-Government auch aktiv Lösungen mit anderen Gemein-den zusammen? Gibt es da Koopera-tionen mit Nachbargemeinden? Im Bereich E-Government nicht. Das The-ma ist zu jung. Wir sind halt jene, die Res-sourcen haben und es machen. Wenn es weitergeht, wird der nächste Schritt sein, dass wir Hilfestellungen bieten können für die Gemeinden rundherum. Wir haben

eine intensive Zusammenarbeit bei sehr vielen Themen mit den Gemeinden in der Umgebung. Vieles können wir auch nicht mehr nur allein lösen.

Was ist in der öffentlichen Verwaltung der Treiber hinter der Innovation? Nutzen zu generieren. Wegzukommen vom Kameralismus von früher, vom Beam-tenhaften hin zu einem Dienstleistungsun-ternehmen. Verwalten klingt so nach Ab-spulen. Ich verlange von mir und meinen Leuten, dass wir spüren, was geht, dass wir die Kundenbedürfnisse ernst nehmen und probieren, diese in unseren täglichen Prozessen umzusetzen. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie wir mit den Leuten umgehen.

Ist die Verwaltung zu wenig kunden-zentriert? Das ist sicher nicht überall gleich, genauso wie auch nicht alle Firmen gleich sind. Wir müssen Gefässe schaffen, um mit der Be-völkerung etwas entwickeln zu können. Wir haben zum Beispiel 2002 einen gross angelegten, partizipativen Stadtentwick-lungsprozess eingeleitet mit allen mögli-chen Anspruchsgruppen, die sich bei Workshops einbringen konnten.

Aber da könnte E-Partizipation mit ein Thema sein? Eine Plattform, bei welcher Bürgerinnen und Bürger nachts um zwei Uhr ihre Meinung äussern können? Klar. Auf unserer Website gibt es die Rub-rik «Im Dialog». Da kann jeder einbringen, was er will, ausgenommen Schlamm-schlachten. Es ist mein Anliegen, dass wir mit diesen Inputs konstruktiv umgehen und dass diese Personen innert einer be-stimmten Frist eine Antwort bekommen.

Wird nur Ärger deponiert, oder kom-men dort auch konstruktive Vorschlä-ge, Ideen, Innovationen? Wenige. Diese laufen direkt über die dafür vorgesehenen Kanäle in den einzelnen Geschäftsfeldern.

Könnten Sie sich vorstellen, dass im E-Voting-Bereich vor Abstimmungen Meinungen über E-Partizipation-Ele-mente gemacht werden könnten? Absolut. Da kann ich mir schon noch mehr Nutzen vorstellen. Wie beim E-Voting, da öffnet man noch einen Kanal für Abstim-mungen.

Stellen Sie fest, dass es Personen gibt, die Probleme haben, am tradi-tionellen Prozess zu partizipieren? Nein, das stelle ich so nicht fest. Mir geht es darum, dass in unserem System mög-lichst viele Spektren hereinkommen, damit wir miteinander etwas entwickeln können. In Bülach haben wir einen eher älteren Stadtrat. Man kann sich fragen wieso und was das für die Zukunft unseres Milizsys-tems heisst. Aber da kommen wir auf eine ganz andere Ebene. Im Kern geht es geht um das dies: Wie gestalten wir den demo-kratischen Prozess sowohl für die Bürger-innen und Bürger als auch für die Politiker-innen und Politiker so attraktiv, dass sie Verantwortung übernehmen wollen und können?

«Ganz allgemein habe ich jeweils den Eindruck, dass auf Bundesebene die Städte und Gemeinden sowie auch die Bürgerinnen und Bürger relativ weit entfernt sind.»

Es gibt ja auch technisch getriebene Innovationen. Man hört Stimmen, die sagen, das sei dann ein Selbstläufer. Die Technik kann nicht Innovation sein, sondern es muss ein anderes Be-dürfnis da sein. Wie bewerten Sie das?Ich finde die Diskussion um die Vorherr-schaft von Business oder IT albern. Für mich ist klar, Treiber müssen das Business und der Prozess sein, der dahintersteht. Die IT bietet technologische Innovationen, mittels deren diese Prozesse unterstützt werden können. Die Business-Verantwort-lichen müssen dafür sorgen, dass sie ihre Ansprüche formulieren und definieren können, was sie dafür brauchen, oder es zusammen mit den IT-Leuten entwickeln. Aber die IT-Leute sind nicht an der Front und spüren deshalb den Puls der Bürge-rinnen und Bürger zu wenig. Sie entwi-ckeln Lösungen.

Christian MühlethalerChristian Mühlethaler lebt mit seiner Familie in Neerach. An der Universität Zürich schloss er das Studium der Wirtschaftswissenschaft als lic. oec. pub. ab. Der 42-Jährige arbeitete einige Jahre als Personalberater, bevor er als Stadt- schreiber-Stellvertreter zur Stadt Bülach wechsel-te. Seit Oktober 2007 ist er Stadtschreiber in Bülach. Im Jahr 2009 wurde er zum Mitglied des E-Government-Expertenrats ernannt.

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Interview 17

Herr Spiess, Leiter Informatik und Lo-gistik der Stadt Biel, hat den Satz ge-prägt «Die IT hat kein Eigenleben zu führen». Genau. Das sagt er explizit als IT-Leiter. Ich führe auch noch die IT. Dabei bin ich auf Partner angewiesen, die gleich funk-tionieren, denen ich zu 100 Prozent ver-trauen und mit denen zusammen ich Lö-sungen entwickeln kann. Das habe ich zum Glück. Die IT zeigt innovative Lösun-gen zu Business-Fragestellungen. Aber die Fragestellungen müssen aus dem Business kommen.

Lassen sich solche Innovationen in einer wirtschaftlich ungünstigen Zeit wie heute überhaupt rechtfertigen? Oder jetzt eben erst recht? Jetzt erst recht.

«Die IT zeigt innovative Lösungen zu Business-Frage-stellungen.»

Glauben das die Bürgerinnen und Bür ger auch? Nein, nicht alle. Wer sich ausschliesslich mit seinem eigenen Leben auseinanderset-zen und schauen muss, dass er am Ende des Monats noch Geld im Portemonnaie hat, wer familiäre oder soziale Probleme hat, der kümmert sich um sich selbst. Das verstehe ich auch völlig. Aber es gibt genü-gend Leute, welche die intellektuelle Struk-tur, ein entsprechendes Interesse oder den Freiraum haben und dann Anforderungen an eine Verwaltung stellen. Für mich stellt sich die Frage nicht, ob wir Innovationen im E-Government angehen, sondern wann. Und wann heisst für mich eigentlich jetzt.

Dann können Sie auch einen Nutzen ausweisen wie zum Beispiel den, dass jemand morgens um zwei Uhr abstimmen kann? Für mich ist Nutzen nicht immer nur eine ökonomische Grösse. Ich überlege mir, was eine Sache für die Entwicklung der Gesellschaft bedeutet. Entweder man will und kann die weichen Faktoren erkennen und misst ihnen entsprechend Gewicht bei, oder es ist einem völlig egal. Rational wird nur der Franken bewertet. Aber damit kommen wir keinen Schritt weiter.

Haben Sie konkrete Themen, von de-nen Sie sagen, dass der Bund diese an die Hand nehmen sollte?Die Einwohnerkontrolle hat für mich eine so hohe Standardisierung. Jeder macht es gleich. Es gibt dazu Bundesvorgaben. Der Zivilstandsbereich hat es geschafft, der Einwohnerbereich noch nicht. Es ist für alle überall gleich. Da ist mein Wunsch klar

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18 Interview

die Standardisierung, damit es überall gleich wird. In Standardisierungsfragen müsste die Schweiz anfangen, grossräu-miger zu denken. Dort gehen Franken ver-loren, die ich lieber in Innovation und die Weiterentwicklung von Prozessen stecken würde. Da liegt meine Ungeduld.

Wieder ein Votum zur Kooperation? Völlig. Daraus entstehen die Ideen, die für alle Beteiligten gut sind. Ich taste da zwar ein Thema an, das unter der Hoheit der Kantone steht, aber die Erhebung von Steuern ist letztlich doch ein 08/15-Pro-zess. Im Prinzip funktioniert das doch überall gleich. Natürlich gibt es ein paar Unterschiede, aber jeder Kanton bastelt an seiner eigenen E-Tax-Lösung herum. Das finde ich eine Verschwendung von Res-sourcen, die ich wirklich nicht verstehe. Die fehlende Kooperation zwischen den Kantonen ärgert mich.

Standardprozesse zentralisieren und das Orts- und Gemeindebezogene im Prinzip stärker gewichten? Ja. Dann könnte ich meine Ressourcen für wirklich innovative Stadtentwicklungspro-jekte einsetzen. Die demografische Ent-wicklung zeigt, dass wir in Zukunft zu we-nig erwerbstätige Personen haben werden. Also müssen wir uns überlegen, wo wir die Leute von Standardprozessen wegneh-men und anderswo besser und nachhalti-ger einsetzen können.

«In Standardisierungsfragen müsste die Schweiz anfangen, grossräumiger zu denken.»

Wir sind schon bei der letzten Frage. Wie wird ihrer Meinung nach die Schweiz, die öffentliche Verwaltung, in 20 Jahren aussehen?

Ich nenne Ihnen meinen Traum. Ob er in Er-füllung gehen wird, weiss ich nicht. Mein Traum wäre, dass man in all den Gebieten, wo man Prozesse standardisieren könnte, diese auch standardisiert sind. Dass sie transparent und durchgängig sind in der ganzen Schweiz inklusive Medienbruchfrei-heit. Dass der Bürger und die Wirtschaft alle Möglichkeiten ausschöpfen und entschei-den können, welche Kanäle sie brauchen wollen. Dass die Verwaltungen ihre Kundin-nen und Kunden und deren Bedürfnisse im Fokus haben und sie in die partizipativen Prozesse einbinden. Dass sich die Politiker das auf die Fahne schreiben und die Be-dürfnisse ernst nehmen und mit den Leuten zusammen etwas entwickeln. Und dass wir dann auch genügend fähige Leute haben, die diesen Prozess vorantreiben. In dieser Hinsicht habe ich allerdings Bedenken.

Besten Dank für das Interview, Herr Mühlethaler

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19Kolumne

Wie «verrückt» darf – oder muss – Innovation sein?Die meisten verlangen danach, viele träumen davon, wenigen winken konkrete Chancen, und nur einer handverlesenen Auswahl gelingt es, innovative Lösungen und Leistungen zu schaffen, die sich an den Märkten «wie von selbst» erfolgreich durchsetzen.

Markus Fischer

«Innovation ist Erfolg am Markt. Damit sind Unternehmen gefordert, nicht nur In-novationsideen zu produzieren, sondern diese auch in einen konkreten Markterfolg umzumünzen. Dies ist ein teilweise schwieriges Unterfangen mit oft unsiche-rem Ausgang. Dennoch gibt es zentrale Erfolgsfaktoren für Innovations- und Markteintrittsstrategien als auch für die In-novationsumsetzung, welche Unterneh-men im Innovationsspiel stärker berück-sichtigen sollten, um ihre Chancen zu er-höhen. Dabei geht es oft weniger um Kreativität als um Disziplin im strategi-schen Denken und in der täglichen Um-setzung.»

So Caroline Cerar in «Innovation – keine Frage des Zufalls»1. Und sie stellt klar: «Innovation ist definiert als eine neue und alternative Lösungsmöglichkeit, die Kun-denbedürfnisse mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis befriedigt.»

Nun aber öffnet sich die Büchse der Pandora und entlässt ihre (Un-)Tugenden strategischer und taktischer Erfolgsfak-toren in alle Richtungen: Management, Governance, Verwaltung und Administra-tion, Produkte und Leistungen, Beschaf-fungs- und Absatzmärkte, Kunden und Lieferanten, Marketing und Distribution, In-formation und Kommunikation, Personal -rekrutierung und -entwicklung, Finanzen, Organisation, Prozesse, Technologien, Umfeld (Rahmenbedingungen, Region, Inf-rastruktur, Gesetze, Steuern …), Life Cycle – und so weiter. Und vielleicht auch die (In-)Kompetenz zu Innovation.

Innovationskompetenz! Dazu ein kon-kretes Beispiel – und ein paar Fragen:

Als Captain Chesley B. ’Sully’ Sullenber-ger am 15. Januar 2009 seinen antriebslo-sen Airbus A320 auf dem Hudson River erfolgreich wasserte und so 155 Leben rettete, waren mehrere Faktoren im Spiel: (1) über jeden Zweifel erhabene, immer wieder trainierte und nachgewiesene Fä-higkeiten (skills), (2) über Jahre gefestig-tes, hochgradig vernetztes Wissen und Können (knowledge and know-how), (3) in jeder Hinsicht einwandfreie Einstellung, Haltung und Gesinnung (attitude) und, als Kulmination dieser drei fundamentalen Er-fordernisse, (4) deren überragende An-wendung (excellence) in einer ausseror-dentlichen Situation – true airmanship eben. Doch war diese Leistung innovativ?

Nein. Sie war superb, aber nicht neu, wenn auch ausgesprochen selten im Sin-ne des Erfolgs. Sie hat das Kundenbedürf-nis, die Destination von US Airways Flight 1549 planmässig und erwartungskonform zu erreichen, nicht befriedigt, schon gar nicht zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis. Und ich kann mir vorstellen, dass die Air Traffic Controllers auf die An-kündigung von ’Sully’, auf dem Hudson niedergehen zu wollen, mit einem Ausruf reagiert haben: Du spinnst!

Insofern lehrt uns diese Episode wichti-ge Aspekte, die im Vorfeld innovativer, am Markt erfolgreicher Lösungen und Leistun-gen meines Erachtens unumgänglich sind.

Ideen kommen uns ab und zu spontan, und vielleicht empfinden wir uns, unsere Ideen und unser Handeln mitunter sogar als kreativ. Wenn wir Glück und Mut ha-ben, tragen wir unsere «Invention» sogar an eine Erfindermesse – worauf in der Re-gel die Ernüchterung folgt. Was war falsch?

Höchstwahrscheinlich das, was uns ’Sully’ so eindrücklich vor Augen geführt hat: Erst die erfolgreiche Kombination der dargestellten Faktoren, gekoppelt mit Dis-ziplin und Erfahrung, schafft die Grundla-ge. Aber noch nicht die Innovation, ge-schweige denn den Markterfolg.

Wenn zu dieser Grundlage dann noch Inspiration, Motivation bis zum Umfallen, interdisziplinäre und multikulturelle Zu-sammenarbeit, proaktive Partizipation über bestehende Formen und Grenzen hinweg, Bereitschaft zur Perversion des bisher Bekannten und Dagewesenen usw. einsetzt, dann kann Innovation entstehen, sofern das Management dies nicht nur mitträgt, sondern will – und aktiv unter-stützt, indem es true leadership beweist.

Ich finde diese Darstellung keineswegs entmutigend. Sie reflektiert meine persön-liche Erfahrung. Aber wenn Sie Innovation Sales Talk bevorzugen (ohne das «Klein-gedruckte» dahinter zu vergessen!), dann zitiere ich gerne aus The Enterprise of The Future2:– Hungry for change (management of

change, quickly, successfully)– Innovative beyond customer imagina-

tion (innovation management, systema-tic, cooperative, networked)

– Globally integrated (collaboration, rapid reconfiguration, access to capability)

– Disruptive by nature (new, innovative enterprise model, revenue model, in-dustry model)

– Genuine, not just generous (investing in corporate social responsibility)Die Erkenntnisse von Caroline Cerar,

das Meisterstück von C. B. Sullenberger, die skizzierten Fragen und Antworten so-wie die Flashlights zu künftigen Unterneh-men ergeben vielleicht einen Cocktail, der Sie inspiriert. Pro sit!

1 Gassmann, Oliver (Hg.): Innovation – keine Frage des Zufalls. GfM-Schriftenreihe Marketing Manual, Band VII. Versus Verlag AG, Zürich, 2009.

2 The Enterprise of the Future. IBM Global CEO Study, 2008 (http://www-935.ibm.com/services/de/bcs/html/ceostudy.html)

Der schweizerische E-Government-Experte Markus Fischer thematisiert in seiner Kolumne die Anforderungen an das E-Government. Kolumnen spiegeln persönliche Meinungen zu Themen im E-Government wider und müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

Markus FischerSelbstständiger Berater, Projektleiter undCoach, u.a. in der Entwicklung neuerBildungsangebote an Fachhochschulen,Experte des Wissenschaftlichen Beirats,der ICT Commission und des LateralThink Tank der [email protected]

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20 Interview

Wenn Sie sich mit einem Kompo-nisten beschäftigen, von dem Sie vor-her noch gar nichts gehört haben, was passiert da bei Ihnen? Ich habe einen ganz intuitiven Zugang zur Musik. Was mich an der Musik am aller-meisten interessiert, mehr als andere Pa-rameter, das ist Klang. Ich glaube, dass dies das Wesentliche ist: der Klang, der hereinschwingt und vergeht, und zwar für immer vergeht. Der nicht wiederholbar ist. Der absolut unwiederholbar ist, und das hat mich immer fasziniert. Wenn mich ein Stück schon mal allein wegen der Klang-lichkeit interessiert, wenn die meine Sinne wachruft, dann interessiert es mich. Wenn der Klang in mir nichts auslöst, dann habe ich Schwierigkeiten, weiter zuzuhören.

«Ich glaube, dass dies das Wesentliche ist: der Klang, der hereinschwingt und vergeht, und zwar für immer vergeht.»

In der öffentlichen Verwaltung trifft Innovation oft auf grosse Skepsis. In der Musik ist es ähnlich. Neue Klänge haben es beim Publikum schwer. Wie versuchen Sie, Menschen für neue Musik zu begeistern? Ohne mich falsch zu verstehen: Zunächst einmal muss man selber aufrichtig interes-siert sein an dieser Art von Musik, an die-sen Klängen, an diesen Möglichkeiten. Man muss es aufrichtig lieben. Wenn man das als eine Pflicht sehen würde, die man halt zu erfüllen hat, weil es dazugehört, wird es nicht funktionieren. Wichtig ist, wie man etwas kommuniziert, in welchen Kon-text man Dinge stellt, welche Landkarte man zeichnet mit den verschiedenen mu-sikalischen Richtungen.

«Wichtig ist, wie man etwas kommuniziert, in welchen Kontext man Dinge stellt»Markus Hinterhäuser ist überzeugt, dass es darauf ankommt, wie er auf das Publikum zugeht, wenn Innovationen, sprich «neue Klänge», vorgestellt werden. Er sieht Musik im Idealfall als Welt-beschreibung, welche beim Zuhörer sehr stark mit Erinnerungen und vergangenen Emotionen verbunden ist. Gerade deshalb sei es wichtig, wie man etwas kommuniziert und in welchen Zusammenhang Dinge gestellt würden.

Markus HinterhäuserInterview: Reinhard Riedl

Spielt Charisma eine Rolle?Entscheidend ist: Wie gehe ich auf das Publikum zu? Wie verhandle ich kompli-ziertere Sachverhalte mit einem Publikum? Denn wenn ich ein Publikum nach Salzburg einlade, geht es in letzter Konsequenz da-rum, dass das Publikum auch mit den komplizierteren Vorgängen Freundschaft schliesst.

«Entscheidend ist: Wie gehe ich auf das Publikum zu?»

Das Bedürfnis des Publikums ist oft sehr gering, sich mit Kompliziertem und Neuem auseinanderzusetzen. Muss man sich darüber hinwegset-zen? Nein! Es wäre ganz fatal, wenn ich ein Publikum nicht ernst nehmen würde. Ich nehme es ernst, indem ich von ihm etwas fordere. Diese Forderung findet auf einem sehr hohen Niveau statt. Da- für bekommt man sehr viel zurück: sehr viel Anerkennung, Zuneigung, Freund-schaft.

Warum tut sich moderne Musik bei Musikliebhabern überhaupt so schwer? Ist sie zu kompliziert, zu vielfältig? Musikalische Äusserung und musikalische Entwürfe haben immer eine Vielfältigkeit gehabt. Musik von Gesualdo ist mindes-tens so kompliziert wie Musik, die heute geschrieben wird. Die Kunst der Fuge von Bach ist ausserordentlich vielfältig, aus-serordentlich kompliziert.

Doch es gibt irgendwann einen Mo-ment in der Musikgeschichte, ab dem die Musik nicht mehr akzeptabel ist, sondern die Menschen verstört.

Das ist für mich die entscheidende Frage: Warum trennt man so sehr in akzeptable Musik und in nicht akzeptable? Die plausi-belste Erklärung für mich ist, dass Musik hören, und Musik als Teil eines Vorgangs werden lassen, sehr viel mit Erinnerung zu tun hat. Man erinnert sich, wenn man Mu-sik hört, an bestimmte Melodien, an be-stimmte Tonfolgen, bestimmte Rhythmen, an bestimmte Formen, wann ist ein Stück aus, wann kommen die Schlussformeln. Die Aktivierung dieser Erinnerungen ist ausserordentlich schwierig, wenn sich das tonale und das rhythmische Gefüge auflö-sen.

Wie gehen Sie als Gestalter von Kon-zertprogrammen mit diesen Schwie-rigkeiten des Publikums um?Auf keinen Fall darf man einem Hörer das Gefühl geben, er stehe vor einem Prob-lem, das er nur mit 150 Kilogramm Wissen annähernd bewältigen könne. Dieses Ge-fühl wäre fatal. Also muss man moderner Musik ihren genuinen Raum und ihren his-torischen Kontext geben, der vielleicht von sehr weit her kommt. Man muss eine sug-gestive Situation schaffen. Dann weicht das Befremden über das Neue oft schnell der Faszination.

«Ich nehme das Publikum ernst, indem ich von ihm etwas fordere.»

Was sind für Sie die wichtigsten Inno-vationen der Musik des 20. Jahrhun-derts? Das kann ich kaum beantworten. Dazu ist das musikalische System zu weitläufig. Nehmen wir John Cage und Pierre Boulez. Die sind für mich beide von allergrösster Bedeutung, obwohl sie völlig antipodisch

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22 Interview

vorgehen. Bei Cage ist es die Systembe-freiung, bei Boulez oder Stockhausen die Systemfestigung. Interessant ist, dass Cage ein Schüler von Schönberg war, der ein System propagiert hat, und Cage als Schüler und Bewunderer von Schönberg sich von allen Systemen befreit hat und völlig andere Entscheidungsmechanismen in seine Kompositionen hat einfliessen las-sen, die sehr viel mit Zufall zu tun haben. Ich würde für mich nie eine Einschränkung oder eine Auswahl treffen, was ich für be-deutend oder weniger bedeutend halte. Ich kann das immer nur in einem grösse-ren Zusammenhang sehen.

«Komponisten der jüngeren Generation setzen sich sehr interessant mit der Manipulierung eines Raumes mit elektronischen Mitteln auseinander.»

Wenn die Entwicklung der Musik nicht vom Einfachen zum Komplexen geht: Wohin strebt die Musik?Ich gebe wieder das Beispiel von Gesual-do, Monteverdi, Bach. Was Mozart, Haydn und auch der frühe Beethoven geschrie-ben haben, ist wesentlich weniger kompli-ziert. Das ist alles andere als ein Mangel an Bewunderung für Mozart, aber da muss man doch sagen, bei ihm ist die Musik ausserordentlich einfach geworden. Dann kommt der späte Beethoven, und die gan-ze Sache wird wieder sehr viel komplexer. Mit dem späten Beethoven beginnt auch eine Zeit extrem starker Subjektivierung von Musik. Wo Komponisten auch keine Auftragskomponisten mehr sind, sondern eine ganz andere Stimulanz in sich haben, um Musik zu schreiben. Das ist keine Inno-vation, sondern ein Paradigmenwechsel, diese extreme Subjektivierung von Musik, die auch seither nicht mehr aufgehört hat.

Komponisten haben in der Vergan-genheit oft sehr schnell technische Neuerungen aufgegriffen. In den Kon-zertsälen merkt man heute davon aber wenig. Ja, es ist merkwürdig, dass Musik, die heute geschrieben wird, im Grunde für das gleiche Instrumentarium geschrieben wird wie die Musik des 18. und 19. Jahrhun-derts. Es ist immer noch der Ritterschlag für jeden Komponisten, eine Oper zu schreiben, ohne zu hinterfragen, was ei-gentlich Oper heute bedeutet. Trotzdem, vieles geht in Richtung elektronischer Mu-sik. Komponisten der jüngeren Generation setzen sich z.B. sehr interessant mit der Manipulierung eines Raumes mittels elekt-ronischer Mittel und Lautsprecher etc. auseinander.

Was halten sie von Crossover?Da bin ich ein bisschen zurückhaltend mit meiner Euphorie. Da wird sogenannte Weltmusik mit E-Musik und Popmusik ge-mischt nach dem Motto «Anything Goes». Sehr ergiebig war das im Grossen und Ganzen bisher nicht.

Wie stehen Sie zu Computermusik? Eine Zeit lang habe ich die mit relativ gros-sem Interesse verfolgt, doch es fehlt mir etwas. Es fehlt mir der wesentliche Mo-ment einer suggestiven Übertragung der Klänge.

Was ist der Wert von Musik?Das ist bei Musik eine wirklich schwierige Frage. Bei der bildenden Kunst kann man Menschen zu sich einladen und sagen: Oh, das ist ein Bild von X, das ist eine Skulptur von Y, das sind Zeichnungen von – ich weiss auch nicht. Die haben ei-nen Wert. Musik repräsentiert in diesem Sinn keinen Wert. Musik erklingt und ver-klingt. Das ist das Wesen von Musik, was ja auch sehr schön ist, ganz wunderbar ist. Aber es ist eigentlich wenig Geschäft damit zu machen. Musik hat keinen gesell-schaftlichen nachvollziehbaren Wert. An-ders als die bildende Kunst schafft sie kei-ne Statussymbole.

Warum gehen Menschen in ein Kon-zert? Weil sie sich wohl fühlen. Sie wollen dort-hin gehen, um diesen schrecklichen Tag, den sie erlebt haben im Beruf oder privat,

zu vergessen. Sie wollen schöne einein-halb Stunden verbringen. Man bereitet sich darauf vor, indem man sich in einer gewissen Art und Weise anzieht, man be-stellt einen Tisch nach dem Konzert. Es sind alles fast ritualisierte Vorgänge, die sehr viel damit zu tun haben, dass Musik ein Mittel ist, um etwas Unerfreulicheres zu vergessen oder weniger wichtig er-scheinen zu lassen. Auch dann, wenn die Kindertotenlieder von Mahler gespielt wer-den. Und dabei entsteht ein Gefühl, es geht mir gut in diesen eineinhalb Stunden. Aber Gustav Mahler ging es nicht gut, als er die Kindertotenlieder geschrieben hat!

«Im Idealfall ist Musik eine Weltbeschreibung.»

Das Wohlbefinden funktioniert bei mir nicht über «es schön haben», son-dern das Wohlbefinden funktioniert bei mir darüber, dass mein Geist her-ausgefordert wird. Dass Ihr Geist, Ihre Intelligenz, Ihr Senso-rium herausgefordert wird. Wunderbar. Bei mir auch. Wenn ich das sagen darf. Ich will auch niemanden be- oder gar ver-urteilen, der in ein Konzert geht und sich mit Musik auseinandersetzt. Doch dieses Wohlsein-Gefühl kann die sogenannte neue Musik gar nicht herstellen. Allenfalls gibt eine Form des esoterischen Zugangs zu einer gewissen Musik. Aber sicher nicht zu Musik, die sich aus einem ande-ren, sehr viel rationaleren Parameter speist. Das glaube ich nicht.

«Die entscheidende Frage ist: Wie weit wird Neues abgelehnt? Wie weit wird Neues gefördert?»

Wenn der Wert sich nicht bestimmen lässt, warum wird Musik geschrieben? Es gibt einen Grund, und zwar nur einen einzigen Grund, warum Musik geschrie-ben wird. Weil sie sich mitteilen möchte. Im Idealfall ist Musik eine Weltbeschrei-bung. Es ist nicht irgendetwas. Das kann 90 Sekunden Webern sein oder vierein-halb Stunden Feldmann. Es geht um et-was. Es wird etwas verhandelt. Es ist ein Aufruf an den Hörer: Öffne deine Ohren, öffne deine Intelligenz, ich hab dir etwas mitzuteilen. Wenn das stattfindet, ist das sehr viel. Wirklich sehr viel. Das merkt man auch intuitiv, dass es diese Mitteilung gibt.

Nun sind aber die Fähigkeiten der Menschen, diese Mitteilung anzuneh-men, sehr unterschiedlich, in der Mu-sik wie auch in allen anderen Be-reichen.

Markus HinterhäuserMarkus Hinterhäuser wurde 1959 im italienischen La Spezia geboren und studierte Klavier an der Hochschule für Musik in Wien, am Mozarteum in Salzburg sowie in Meisterkursen u.a. bei Elisabeth Leonskaja und Oleg Maisenberg. Als Solist und Kammermusiker trat er in den bedeutendsten Konzertsälen und bei vielen international renommierten Festivals auf. Er engagierte sich vor allem für die Musik des 20. Jahrhunderts. Seit Herbst 2006 ist Markus Hinterhäuser für das Konzertprogramm der Salzburger Festspiele verantwortlich. Im Jahr 2011 wird er Intendant der gesamten Festspiele. Bereits früher war er als Leiter des Zeitfluss-Festivals für die Salzburger Festspiele tätig.

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Interview 23

Das ist so. Es hört auch nicht jeder, was der andere hört. Ich würde das auch gar nicht als Manko sehen. Das ist ein- fach so. Menschen sind verschieden. Die entscheidende Frage ist: Wie weit wird Neues abgelehnt? Wie weit wird Neues gefördert – gefördert durch die Möglich-keiten, dass man es zur Aufführung bringt?

«Kein Steuergeld der Welt ist das Privatgeld von irgend- welchen Finanzministern.»

Oft erklärt man das Neue als a priori nicht wesentlich und als ein Minder-heitenprogramm, das keine Quote er-füllt.Dann fängt es an, ein apodiktisches Prob-lem zu werden. Dann wird es gefährlich. Quote heisst, es ist etwas wertvoll, wenn es in irgendeiner Form publikumskompa-tibel wird. Aber eine Gesellschaft hat sich anzustrengen, Dinge möglich zu machen, die vielleicht auch im Moment verstörend sind, die schwierig sind, die kompliziert sind, die fremd sind, die sperrig sind, un-zugänglich sind, aber die doch auch et-was über unsere Welt sagen.

Wie gehen Sie damit um? Das Pro-blem «Quote» ist auch für mich ein permanenter Begleiter – nur heisst die Quote bei mir Drittmittel.Wichtig ist, dass die Gesellschaft die Möglichkeit geben muss, dass Dinge statt finden. Kein Steuergeld der Welt ist das Privatgeld von irgendwelchen Finanz-ministern. Man muss immer und immer wieder darauf pochen, dass es einen Kul-turauftrag gibt. Das Relativieren dieses Auftrags durch falsch verstandene privat-wirtschaftliche Modelle darf man nicht ak-zeptieren. Es geht um Politik, und die hat eine andere moralisch-ethische Kompo-nente als die Privatwirtschaft.

«Wenn man sein eigenes Problem ständig formuliert, wird man das Problem nicht los. Man muss eine Selbstverständlichkeit schaffen.»

Es fragt sich, wie lange diese Sicht noch politisch mehrheitsfähig ist.Ich weiss es nicht. Seit dem Fall der so-genannten Oststaaten ist die Privat-verwirtschaftlichung ziemlich wild gewor-den. Aber es wird auch eine Umkehr geben. Irgendwann ist diese Daueridioti-sierung nicht mehr erträglich. Bei der Bil-dung, bei Schulen und Universitäten, da gibt es sehr viele Dinge, die wirklich im Graben liegen. Doch irgendwann wird das

Pendel wieder umschlagen. Es ist immer so gewesen.

Wir leben in der Zeit der Globalisie-rung, in der die gleichen Künstler auf der ganzen Welt zu hören sind. Wie schaffen es die Salzburger Fest-spiele, sich von der Art-as-usual zu unterscheiden? Wie gehen Sie mit den Stars und ihrer Routine um?Mir ist es wichtig, dass man eben nicht so eine Durchreisestation ist, sondern dass man Konstellationen schafft, die so einem Festival auch gerecht werden. Dass es Konstellationen gibt, für die man wirklich nach Salzburg fahren muss. Natürlich ist das schwierig, und es gibt ganz viel Profa-nes, das es unnötig noch schwieriger macht. Aber wenn man sein eigenes Pro-blem ständig formuliert, wird man das Pro-blem nicht los. Man muss eine Selbstver-ständlichkeit schaffen. Es bedarf eigentlich keiner Erklärung, warum die Wiener Phil-harmoniker Nono und Boulez spielen und sonstige Zeitgenossen. Es ist selbstver-ständlich.

Eine Selbstverständlichkeit schaffen, das ist ein simpler und idealer Schlusssatz. Vielen Dank!

Besten Dank für das Interview, Herr Hinterhäuser.

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Tilman BraunMehrjährige Verwaltungserfahrung sowie Beratungstätigkeit für alle föderalen [email protected]

Records Management oder Misere? Vom schwierigen Umgang mit elektronischen Unterlagen in der VerwaltungTilman Braun

Konzepte zum intelligenten Umgang mit digitalen Informationen und Dokumenten wie Records Management, GEVER, Docu-ment Related Technologies (DRT) oder Enterprise Content Management (ECM) sind ein bestimmendes Thema für öffentli-che Verwaltungen und gelten als eine ihrer grössten zukünftigen Herausforderungen. Der Bund verfügt dabei über die längste Erfahrung. Schon seit 1999 besteht ein Standardprodukt zur elektronischen Ge-schäftsverwaltung, und umfangreiche GE-VER-Standards wurden erarbeitet. Der Bundesratsbeschluss für eine flächende-ckende GEVER-Einführung beweist die Bedeutung, welche der Bund dem Thema beimisst. Aber auch Kantone und Städte haben in den letzten Jahren unterschiedli-che Projekte lanciert und dokumentieren damit die Relevanz für alle staatlichen Ebenen. Ergebnis davon sind erfolgreich umgesetzte Vorhaben. Aber vielerorts ge-staltet sich der konkrete Umgang mit elek-tronischen Inhalten und Instrumenten pro-blematisch. Woran liegt das? Was sind typische Probleme, und welche Faktoren verhindern einen schnelleren Fortschritt?

VorbemerkungenDem Artikel liegt keine systematische Ana-lyse zugrunde; die empirischen Beispiele sind zufällig. Aus diesem Grund stellt die Generalisierbarkeit der vorgenommenen Aussagen auch kein Ziel dar. Vielmehr

handelt es sich um subjektive Einschät-zungen zu Faktoren, welche der Autor in der Arbeitspraxis sowie in Expertendis-kussionen ausmachen kann, und vereint persönliche Erfahrungen aus mehrjähriger Beratungstätigkeit für verschiedene öf-fentliche Verwaltungen auf allen föderalen Ebenen. Die folgenden Aussagen bezie-hen sich ausschliesslich auf Bereiche der planenden Verwaltung mit nur schwach strukturierten Arbeitsprozessen.

Max Webers Erben tun sich schwer mit digitalen Assets Eine Kernkompetenz der Verwaltung be-steht im ordnungsgemässen und syste-matischen Umgang mit Unterlagen. Seit der Entstehung öffentlicher Verwaltungen in der heutigen Bedeutung hat der Ver-waltungsapparat den Umgang mit Ak- ten – auch aus rationalen Gründen legaler Herrschaftsausübung – perfektioniert. Sei-ner Funktionslogik immanent ist der An-spruch, auf längere Sicht zu funktionieren. Die Nachvollziehbarkeit der Geschäftstä-tigkeit ist dabei ein Wesensmerkmal: öf-fentlichen Archive z.B. dokumentieren über Jahrhunderte die Exekutivbeschlüs-se.

Die vermehrte Nutzung von elektroni-schen Kommunikationsmedien vergrö-ssert die Optionen eines umfassenden Nachweises von staatlichem Handeln, da im Gegensatz zu Papierunterlagen auch die Integration von Prozessinformationen ermöglicht wird. Andererseits führt sie zu einer Steigerung der Komplexität und da-mit auch der Anforderungen.

Die fast vollständige Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelten mit IuK-Tech-nologien schliesst auch alle öffentlichen Verwaltungen mit ein. Denn die Mitarbei-tenden sind Teil der sich stark wandelnden Gesellschaft, die Erwartungshaltung von Dritten an Verwaltungsapparate verändert sich, und im alltäglichen Verwaltungsalltag sind die typischen IT-Instrumente nicht mehr wegzudenken. Dennoch tun sich Verwaltungen im professionellen Umgang mit den neuen Medien und den daraus resultierenden Konsequenzen teilweise schwer.

Die öffentlichen Verwaltungen sind traditionsorientiertÖffentliche Verwaltungen sind in ihrer Or-ganisationsform wesentlich stabiler als Unternehmen, in denen die Mitarbeiten-den kontinuierlich mit Reorganisationen und Anpassungen konfrontiert sind. Dies führt zu sehr langen «Vergleichszeiten» und tief verankerten Routinen. Langjährige Traditionen können sich als hinderlich für die Anpassungsfähigkeit erweisen. Denn tradierte Arbeitsweisen lassen sich schwe-rer verändern.

Das Papier als Wert sui generisIn einigen Verwaltungen entsteht der Ein-druck, als ob Papierunterlagen implizit als höherwertig angesehen würden. Ein Stück Papier, zudem noch handschriftlich unterschrieben, stellt im Gegensatz zu eher flüchtigen elektro nischen Unterlagen noch einen Wert dar. In diesem – viel-leicht allzu menschlichen – Verständnis sind elektronische Informa tionen nicht wirklich (be-)greifbar und somit weniger reell. Nach dieser Logik besteht vielerorts gar nicht der Wunsch, auf die Papierform zu verzichten. Wie anders lässt sich er-klären, dass Verwaltungen auch in Fällen ohne rechtliche Formvorschriften noch Unmengen an (unterschriebenem) Papier produzieren. Oftmals werden Dokumente vorab in elektronischer Form zugestellt und zusätzlich in gedruckter Fassung per Haus-Post nachversandt.

Rechtliche UnsicherheitenRechtliche Unsicherheiten im Umgang mit digitalen Informationen begründen einen weiteren Faktor für die Schwierigkeiten. Vielen sind elektronische Dokumente in Bezug auf ihre rechtliche Verbindlichkeit suspekt. Zumal sie sich ja nicht hand-schriftlich unterschreiben oder visieren lassen. Dies hängt teilweise auch mit der Gesetzgebung zusammen, welche die Rechtsgültigkeit digitaler Signaturen, z.B. im Verkehr mit der Justiz, erst zö gerlich anzuerkennen begonnen hat. Ungeachtet der Tatsache, dass bereits seit geraumer Zeit bewährte technische Verfahren be-stehen, um Authentizität, Nichtabstreit-

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barkeit und Integrität elektronischer Daten zu gewährleisten, wird im Zweifels-fall – und in der Praxis scheinen diese Fäl-le offensichtlich zu überwiegen – doch je-weils noch eine Papierver sion erstellt. Zur Sicherheit wird bevorzugt auf handschrift-lich zu unterzeichnendes Papier zurück-gegriffen und in Folge davon auf Kopien von Kopien von Kopien …

Unsicherheit und Unwissenheit in Bezug auf die Verbindlichkeit von elektronischen Unterlagen verhindern also in der Praxis oftmals die konsequente Nutzung moder-ner Kommunikationsformen.

Ein letztlich fehlender ökonomischer ZwangViele Verwaltungsstellen haben mit perma-nenten Budgetkürzungen zu kämpfen. Hinzu kommen stetig wachsende Aufga-ben und steigende Anforderungen von Kunden und Partnern. Umso verwunderli-cher erscheint es vor diesem Hintergrund, wie brachliegende Effizienzpotenziale oft-mals nicht genutzt werden. Der konse-quente Einsatz neuer Medien ist abei nur einer neben anderen Ansatz punkten wie z.B. Zentralisierung, Aufgabenüberprü-fung oder Optimierung von Abläufen. Of-fensichtlich können sich jedoch einige Ver-waltungen nach wie vor den Luxus leisten, den Umgang mit elektronischen Medien nur nachlässig zu professionalisieren und lediglich in geringem Ausmass zu forcie-ren. Etwas überzogen formuliert bedeutet dies, dass teilweise mit doppeltem Perso-nal-, aber ohne IT-Einsatz gearbeitet wird. Die Prioritäten in Organisationen, die Per-sonalkosten erwirtschaftet müssen, sind zwangsläufig andere. Verwaltungsstellen, die ihre internen Termine noch mittels un-terschriebener Sitzungseinladungen in Pa-pierform organisieren, müssen nicht lange nach Ansatzpunkten für Effizienzverbesse-rungen suchen.

Mangelndes Bewusstsein und VerständnisDer intelligente Umgang mit elektroni-schen Daten und Dokumenten ist kein technisches Thema. Die dafür benötigte Tech nologie muss natürlich funktionieren. Die entscheidenden Fragen sind jedoch strategischer und organisatorischer Art. Wird die Bedeutung nur unzureichend er-kannt, fehlt der Wille zum Durchsetzen re-spektive zur Anwendung. Es ist vor die-sem Hintergrund nicht verwunderlich, dass vielen Mitarbeitenden die zentralen Zusammenhänge für den Umgang mit elektronischen Unterlagen nicht präsent sind. Wer nicht versteht, welchen Sinn systematische Dokumentenbezeichnun-gen und ein Ordnungssystem hat oder warum neuerdings unterschiedliche Meta-

daten zu erfassen sind, der wird erst recht durchgängige komplexe Systeme auch nicht ernsthaft be- und damit nutzen kön-nen.

Ein Denken in Geschäftsprozes-sen ist nur selten vorhandenEin modernes Geschäftsprozessverständ-nis besteht erst in wenigen Verwaltungs-einheiten. Das ist auch der Grund, warum dies explizit als eine der drei zentralen Ziel-setzungen in der E-Government-Strategie Schweiz festgeschrieben wurde.1 Gerade die technisch unterstützte Vorgangsab-wicklung ergibt und ermöglicht Änderun-gen von Arbeitsprozessen. Dies wiederum setzt ein «erweitertes Verständnis ganz-heitlicher Arbeitszusammenhänge»2 vor-aus, und zwar bei allen Mitarbeitenden sowie vor allem auf Führungsebene. Viele Verwaltungsstellen erfüllen ihre Aufgaben, ohne die Leistungserstellung als Prozess zu verstehen und dementsprechend zu managen. Dies führt häufig dazu, dass elektronische Versionen selbst produzier-ter Unterlagen nicht verfügbar sind. Zur Not werden dann auch einmal Papiere aus dem nachbarlichen Büro einfach ge-scannt.

Es kann jedoch auch zu ernsthafteren Problemen kommen, wenn die Papierfas-sung nicht mit der digitalen übereinstimmt. So paradox es klingen mag, oft ist die Bearbeitung und Distribution der elektro-nischen und der papiergebundenen Ver-sion derselben Unterlage nicht wirklich miteinander verknüpft.

Geringer AusbildungsstandEin weiterer Grund für die Schwierigkeiten mancher Verwaltungen bei der Umstellung auf elektronische Arbeitsweise – und dies gilt wohl ähnlich für viele private Unter nehmen – besteht im vielerorts vernachlässigten Ausbildungsstand von Mit arbeitenden. Teilweise wird der Com-puterarbeitsplatz nur rudimentär be-herrscht, und nicht selten fungiert der Computer lediglich als eine Art elektroni-sche Schreibmaschine mit E-Mail- Funk-tion. Ein wirklich sinnvoller Einsatz der modernen Büroautomation und weiterge-hender Instrumente stellt allerdings höhere Anforderungen an die Beherrschung, zu-mal Funktionsumfang und Komplexität auch weiterhin kontinuierlich steigen wer-den. Hier besteht dringender Handlungs-bedarf; insbesondere die Weiterbildung wird sich inskünftig nicht nur auf fachspe-zifische Fähigkeiten zu beschränken, son-dern – auch in Zeiten knapper Budgets – informationstechnologische An forderun- gen an die Prozessbewältigung mit zu berücksichtigen haben.

Fehlender Wille der obersten Führung?Ehrgeizige Ziele für den zeitgemässen Umgang mit elektronischen Assets wer-den von oberster Führung formuliert. Der Bundesratsbeschluss zur flächende cken-den GEVER-Einführung ist nur ein Beispiel dafür. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es nicht unbedingt jedem Mitglied der obersten Verwaltungsführung ganz ernst damit ist. Wer profiliert sich schon gerne mit einem Informatikthema, welches nach aussen kaum sichtbar wird? Ein systema-tischer Umgang mit elektronischen Unter-lagen bewirkt einen signifikanten Rationa-lisierungsschub, fördert die Transparenz und ist damit ein effektives Führungsinst-rument. Allerdings erfordert die erfolgrei-che Einführung und Nutzung von Ge-schäftsverwaltungssystemen auch, dass diese als Chefsache gehandelt werden. Solange jedoch Führungspersonen der Auffassung sind, dass es doch letztlich gleichbedeutend sei, ob ihr Sekretariat die Unterlagen per Post erhält oder eben die elektronischen Unterlagen für sie aus-druckt, wird es auch für den Erfolg von elektronischen Kommunikationsmitteln schwierig.

Moderne Schriftgutverwaltung erfordert mehr FertigkeitenFrüher waren die Anforderungen an das Aktenmanagement überschaubar, das Ab-legen von Papier erfordert keine grosse Kompetenz im Umgang mit Unterlagen. Durch die Elektronisierung der Schriftgut-verwaltung steigen jedoch die Ansprüche an die Aktenführung. Den Mitarbeitenden und vor allem den Führungskräften wer-den mit einer elektronischen Geschäfts-verwaltung ganz neuartige Fähigkeiten und Kenntnisse abverlangt. Denn zukünf-tig werden wesentliche Funktionen des Informationsmanagements durch die Sachbearbeitenden wahrgenommen. Der moderne Umgang mit digitalen Daten und komplexen Systemen konfrontiert alle Mit-arbeitenden nun mit grundlegenden Auf-gaben des Wissens- oder Recordsma-nagements. Darauf sind die wenigsten vorbereitet. Hier muss dringend gegen-gesteuert werden.

1 «Die Behörden haben ihre Geschäftsprozesse modernisiert und verkehren untereinander elektronisch.» In: E-Government-Strategie Schweiz; http://www.egovernment.ch/de/grundlagen/index.php.

2 Schuppan, Tino: Kompetenzen für vernetztes E-Government. In: «eGov Präsenz» 1 (2009). S. 62 ff.

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Im Fokus: «Dokumentenmanagement und Langzeitarchivierung» Am 18. September 2009 fand die vom Kompetenzzentrum Public Management und E-Government organisierte Tagung eGov Fokus «Dokumentenmanagement und Langzeit-archivierung» statt. Die Referenten aus der Schweiz, Österreich und Deutschland sprachen über konzeptionelle Grundlagen und Praxiserfahrungen aus dem Bereich der Informationsverwaltung.

Ronny Bernold, Michael Kaschewsky

Der Umstieg von analogen Papierdoku-menten zur digitalen Information stellt ei-nen fundamentalen Wechsel in der Ver-waltungsarbeit dar. Interne Prozesse und die Kollaboration zwischen den Verwal-tungseinheiten müssen analysiert und schrittweise digitalisiert werden. So wird das elektronische Dokument die Verwal-tungsarbeit nachhaltig verändern und ei-nen zentralen Grundstein für weiter ge-hende Entwicklungen im E-Government legen. Die Kontrolle des Dokumentlebens-zyklus wird zur zentralen Verwaltungsauf-gabe des Dokumentenmanagements (DMS). Ferner gilt es, geschickte und be-nutzerfreundliche Datenstrukturen und Ablagesysteme zu erstellen und digitale Informationen langfristig zugänglich zu machen. Die Veranstaltung eGov Fokus zeigte die Diversität des Themas mit den unterschiedlichen Disziplinen auf, die zu einer Einheit geformt werden müssen.

Prof. Dr. Reinhard Riedl, Leiter des Kompetenzzentrums Public Management und E-Government, eröffnete die Tagung mit seiner Rede. Er zeigte auf, wie das di-gitale Dokumenten-Management und die Langzeitarchivierung Verwaltungsabläufe verändern beziehungsweise in Zukunft noch weiter verändern werden. Dabei un-terstrich er die drei kardinalen/zentralen Wechsel Entmaterialisierung, Atomisie-rung und Integration, stellte gleichzeitig aber auch die Parallelen der konventionel-len «alten» Informationsverwaltung zu der-jenigen der E-Dokumente und E-Archive

her. Als einer der wesentlichen Unter-schiede wurde die Tatsache betrachtet, dass das E-Dokument im Prinzip in belie-big vielen Originalen ohne physikalische Lokalisierbarkeit verfügbar ist und so neue Formen der Datensicherheit erfordert.

Langzeiterhaltung von digitalen BundesdatenDer Verwaltungsverkehr des Bundes muss nach dem Bundesratsbeschluss von An-fang 2008 bis spätestens Ende 2011 voll-ständig digital erfolgen. Der dazugehörige standardisierte Archivierungsprozess wur-de vom Bundesarchiv (BAR) etabliert, so-mit bleibt dieses auch im digitalen Zeitalter die zentrale Archivierungsstelle der Bun-desverwaltung. Frau Dr. Krystyna W. Oh-nesorge, Leiterin des Ressorts Innovation und Erhaltung beim Schweizerischen Bun-desarchiv, präsentierte dieses strategi-sche Programm zum Aufbau des digitalen Archivs. Die geltenden Grundsätze des BAR zur digitalen Archivierung und die Spezifikation der Ablieferungsschnittstelle wurden im September 2009 publiziert, womit das Projekt Arelda abgeschlossen ist. Die gesamte Konzeption beruht auf dem international anerkannten Referenz-modell OAIS (Open Archival Information System)1. Um die Effizienz der Datenüber-führung von den Bundesämtern in das elektronische Archiv zu gewährleisten, wurde ein verbindliches Abgabeformat für digitale Archivobjekte definiert. Mit Unter-stützung des BAR werden die Bundesäm-ter Datenexporte aus ihren Applikationen auf das Abgabeformat ausrichten. Das BAR ist gerüstet für eine kontinuierliche Archivierung, denn einen «last call for ar-chiving» wird es gemäss Frau Ohnesorge nie geben.

Sichere AufbewahrungDie Speicherung kann den «Wert der Infor-mation» zwar nicht steigern, darf diesen aber auch nicht verringern. Aus rechtlichen Gründen genügt die alleinige Archivierung von Daten somit oft nicht. Neben der Er-haltung muss auch die Veränderungs-

sicherheit gewährleistet sein. Dr. Ste- fanie Fischer-Dieskau, Referentin im Re ferat Justiziariat/Haushalt beim Bun-desamt für Sicherheit in der Informations-technik, wies auf die Anforderungen an die langfristige, veränderungssichere Aufbe-wahrung elektronischer Dokumente hin. Dabei stellen sich einige branchenüber-greifende Grundanforderungen an die Auf-bewahrung:– Integrität – Unverfälschtheit der Daten– Authentizität – Herkunft der Daten– Lesbarkeit/Verfügbarkeit der Daten– Verkehrsfähigkeit – «Transportfähigkeit»

der Daten– Vertraulichkeit der Daten

Um diesen Grundanforderungen ge-recht zu werden, ist die fortlaufende Er-neuerung der Sicherungsmittel nötig. So kann zum Beispiel das Objekt nicht lang-fristig mit immer demselben Sicherungs-mittel geschützt werden, oder die Sicher-heitseignung von Kryptoverfahren kann im Lauf der Zeit abnehmen.

Das Filmarchiv als audiovisueller ZeitzeugeDas Archiv des Schweizer Fernsehens hat eine enorme Datenmenge zu meistern. Al-lein 200 000 Medienträger (Filme oder Vi-deokassetten) mit circa 110 000 Stunden Material und einem jährlichen Zuwachs von circa 3500 Stunden sind hier erhält-lich. Jürg Hut, Leiter Archivüberspielung K+M im Multimediazentrum des Schwei-zer Fernsehens, erläuterte in seinem Refe-rat, wie das Schweizer Fernsehen etap-penweise sein Archiv digitalisiert. Im ersten Schritt wird die Metadatenbank FARO implementiert und anschliessend die Hardware und das Dateimanagement aufgebaut. Ab 2010 erfolgt dann die da-

Ronny BernoldChefredaktor «eGov Präsenz»Kompetenzzentrum Public Management und [email protected]

Dr. Michael Kaschewsky Wissenschaftlicher Mitarbeiter Kompetenzzentrum Public Management und [email protected]

Nächster eGov Fokus:«Interoperabilität und Standards»Die nächste Tagung der Veranstaltungsreihe eGov Fokus findet am Freitag, 23. April 2010, zum Thema «Interoperabilität und Standards» statt. Weitere Informationen und die Anmeldung folgen unter www.e-government.bfh.ch/interop.

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teibasierte Archivierung aller Sendungen und ab 2015 der Internetzugang auf FA-RO-Videos. Im Rahmen der Archiverhal-tung können jährlich 500 bis 1000 Stun-den Material überspielt werden. Somit wird das Archiv des Schweizer Fernse-hens zu einem wichtigen Zeitzeugen.

Erfolgsfaktor Projektmarketing Das Projekt EL.DOK BB führt bis 2011 die elektronische Aktenhaltung und Vorgangs-bearbeitung in der Ministerialverwaltung des Landes Brandenburg ein. Auf selbiger Plattform sollen auch ein elektronisches Kabinettinformationssystem (EL.KIS), in dem alle Kabinettreferatsmitglieder zu-sammenarbeiten, sowie ein Bereich zur behördenübergreifenden Zusammenarbeit aller Nutzerinnen und Nutzer der Landes-verwaltung (EL.ZA) errichtet werden. Das Gesamtprojekt startete im Land Branden-burg einen Paradigmenwechsel, wie And-rea Kubath, Referatsleiterin beim Ministe-rium des Innern des Landes Brandenburg, berichtete. Ein konsequentes Verände-rungsmanagement mit dem Ziel, durch stetige Begleitung der Benutzenden Ängs-te, Widerstände und Vorurteile frühzeitig

zu erkennen und entsprechend zu behan-deln, wurde von Beginn weg aufgezogen. Teil dieser Bemühungen war ein starkes Projektmarketing und eine rollenbezogene Unterstützung der verschiedenen An-spruchsgruppen, womit die Akzeptanz ge-steigert werden konnte.

Über die Vor- und Nachteile von Open Source beziehungsweise proprietären Softwarekomponenten diskutieren im An-schluss Markus Geiser, Leiter Kompetenz-zentrum ECM der Bedag Informatik AG, Matthias Stürmer, Vorstandsmitglied des Vereins /ch/open und Projektleiter der LIIP AG, sowie Walter M. Schill, Geschäftsfüh-rer der Fabasoft CH Software AG.

Neues Archivgut Web-Content Die Schlussrednerin Bettina Kann, Leiterin Hauptabteilung Digitale Bibliothek der Ös-terreichischen Nationalbibliothek, wies auf bisherige Bestrebungen zur Digitalisierung in ihrer Organisation hin. So sind seit 2006 alle Kataloge über das Internet zugänglich und die Massendigitalisierung historischer Tageszeitungen (ANNO) und historischer Gesetzestexte (ALEX) im Umfang von rund sechs Millionen Seiten online. Die Rele-

vanz des Internets und der Archivierungs-auftrag veranlassen die Nationalbibliothek, Webinhalte zu archivieren. Ein bis zwei Mal pro Jahr wird die Top-Level-Domain .at gesichert. Websites mit inhaltlichem Be-zug zu Österreich aus den Bereichen Ge-sellschaft, Wirtschaft, Kultur, Verwaltung, Wissenschaft sowie spezielle Events wie Wahlen oder Fussballspiele werden regel-mässiger oder je nach Ereignis archiviert.

Der Zugang zum Bestand ist aber aus Datenschutzgründen beschränkt auf be-rechtigte Bibliotheken, das Bundeskanz-leramt, das Parlament und das Österrei-chische Staatsarchiv. Er wird nur am Standort der Bibliotheken ermöglicht. Da-rüber hinaus ist lediglich Ausdrucken, aber nicht das Speichern oder Versenden mög-lich.

Unterlagen zur Veranstaltung:Die Unterlagen sind online verfügbar: www.e-government.bfh.ch/dm_arch.

1 http://www.nb.admin.ch/slb/slb_professionnel/01693/ 01696/01876/01878/index.html?lang=de.

Prof. Dr. Reinhard Riedl, Leiter Kompetenzzentrum Public Management und E-Government

Andrea Kubath, Referatsleiterin beim Ministerium des Innern des Landes Brandenburg

Dr. Krystyna W. Ohnesorge, Schweizerisches Bundesarchiv Leiterin Ressort Innovation und Erhaltung

Dr. Stefanie Fischer-Dieskau, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Referentin im Referat Justiziariat/Haushalt

Jürg Hut, Leiter Archivüberspielung K+M/Multimedia-zentrum Schweizer Fernsehen

Mag. Bettina Kann, Leiterin Hauptabteilung Digitale Bibliothek der Österreichischen Nationalbibliothek

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Zentral koordinieren, dezentral umsetzen Bundespräsident Hans-Rudolf Merz hielt in seiner Eröffnungsansprache fest, mo-derne Technik sei aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken; als Beispiel er-innerte er an bloggende Bundesräte. «Wir können es uns nicht leisten stillzustehen.» Auch wenn die Umsetzung der E-Govern-ment-Strategie Schweiz eine Baustelle sei, freue es ihn, dass die meisten priori-sierten Vorhaben planmässig vorange-schritten seien und die Finanzierung als Schlüsselfrage zum grössten Teil geregelt worden sei. Der Bundespräsident rief die Anwesenden aber zur verstärkten Zusam-menarbeit und Partnerschaft zwischen In-dustrie und Politik auf und plädierte für eine zentrale Koordination und eine de-zentrale Umsetzung – eine Strategie, die auch von Nachrednern aufgenommen wurde.

E-Government geniesst also Rücken-wind vom Bundesrat. Dies soll die Über-windung bestehender Hürden und das Vorankommen auf den Baustellen unter-stützen.

Bundespräsident Merz fand unterstüt-zende Worte für die kommunale Ebene: Die Aktivitäten der Gemeinden scheinen

aktives Bundesbüchlein zu lancieren. Die Bürgerinnen und Bürger müssten schon in der Phase der politischen Themenfindung und bei der Agendagestaltung stärker mit einbezogen werden. Das Referendum zum biometrischen Pass habe den Einfluss des Bürgers und moderner Technologien klar und deutlich aufgezeigt. Vermehrt müsste man versuchen, die guten Ideen im politi-schen Prozess einzubinden und ihnen eine entsprechende Bedeutung zuzumessen, denn dies schaffe Verantwortung.

Gemeinsame Interessen und Ziele aus der PrivatwirtschaftDie Anwesenden kamen in den seltenen Genuss, die beiden Länderchefs der an-sonsten konkurrierenden Unternehmen Microsoft und IBM zusammen auf einer Bühne zu sehen.

Im Koreferat von Daniel Rüthemann und Peter Waser kündigten die beiden Country General Manager an, dass die IKT-Bran-che künftig eine stärkere Rolle in der Politik spielen werde. Sie skizzierten (ge-meinsame) Vorhaben und formulierten Er-wartungen an E-Government und die vom Bundespräsidenten geforderte Zusam-menarbeit. Eine partnerschaftliche Zu-sammenarbeit, der offene und regelmässi-ge Dialog sowie die stärkere Gewichtung der Corporate Governance bei Ausschrei-bungen seien neben Infrastrukturprojekten wie der SuisseID eminent wichtig.

«Also nichts wie los …»Glarus präsentierte die Chance, mit E-Government aufgrund der Gemeindefu-sion eine völlig neue Verwaltung aufzuzie-hen. Van Vliet formulierte als Ziel des ambitiösen Vorhabens, die Gemeinde fit zu machen und dabei Synergien zu nut-zen. Nach der ungestümen Ideeneinbrin-gung an der Glarner Landsgemeinde seien die Erwartungen gross gewesen. Das Pro-jektteam musste mit mehreren Herausfor-

«E-Government: das dynamischste Pferd im Rennstall der Verwaltung» 3. Nationales eGovernment-Symposium vom 17. November 2009Gegen 300 Teilnehmende aus Privatwirtschaft, Verwaltung, Politik und Forschung haben sich am Nationalen eGovern-ment-Symposium in Bern zu den Themen E-Partizipation und Innovation durch E-Government ausgetauscht. Mit der dritten Durchführung hat sich das von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz eröffnete Symposium als feste Veranstal-tung der E-Government-Community etabliert.

Ronny Bernold, Alessia C. Neuroni

Ronny BernoldChefredaktor «eGov Präsenz», Kompetenzzentrum Public Management und E-Government [email protected]

aufgrund fehlender Ressourcen und teil-weise fehlenden Wissens zu stagnieren. Um E-Government bereitzustellen, braucht es seiner Ansicht nach Unterstützung. So soll beispielsweise ein Ressourcenpool, insbesondere für die Bereiche Project Management und juristische Fragen, ge-schaffen werden.

«(…) il s’agit de mettre le turbo»Der Genfer Regierungsrat Mark Muller be-tonte die Notwendigkeit einer guten Zu-sammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. Der Magistrat verwies dabei auf die Pionierarbeit, die der Kanton Genf etwa bei der Erfindung des Web (CERN) oder im Bereich E-Voting geleistet hat. Er präsentierte einige erfolgreiche Genfer Projekte wie die Geodatenplatt-form Topoweb oder die Datendrehscheibe MyFile. Der Kanton Genf stellt 26 Millionen Franken für zentrale Themen wie Steuern, Bauwesen und Bildung zur Verfügung. Laut Muller schafft E-Government eine neue Art der Kundenbeziehung, die auch einen Wandel bei der Verwaltungsarbeit (Accountability) verursachen wird oder be-reits verursacht hat. Muller setzt sich dafür ein, dass Genf in Bezug auf Innovationen immer an vorderster Front sein wird. Mit Blick auf die anwesenden Bundesvertrete-rinnen und Bundesvertreter im Saal fügte er an, es sei nun aber die Zeit gekommen, «den Turbo einzuschalten».

Partizipation schafft VerantwortungEine inhaltliche Interaktion zwischen Bür-ger und Staat forderte Nationalrätin Jac-queline Fehr: Nur wenn sich Bürgerinnen und Bürger am politischen Prozess beteili-gen können, werden E-Partizipation und somit auch E-Government breit mitgetra-gen. Sie empfahl den E-Government-Ver-antwortlichen, Partizipationsprojekte wie die Onlinevernehmlassung oder ein inter-

Dr. Alessia C. NeuroniSenior-Researcherin,Kompetenzzentrum Public Management und [email protected]

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derungen wie der Komplexität, dem Man-gel an Erfahrung und einer riesigen Projektorganisation mit Milizteams kämp-fen. «Nicht nur dabei, sondern mitten drin in die Zukunft» – schade, dass nur wenige Gemeindevertretungen im Saal anwesend waren, die von dieser Erfolgsgeschichte profitieren konnten.

InnovationAbgerundet wurde der Vormittag durch Einblicke in E-Government-Vorhaben des deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie von «Rathaus21» in Hagen. Für den ersten Teil des Nachmittags konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 16 Fachsession auswählen. Dabei stan-den zu den vier Themenbereichen E-Parti-zipation, Innovation, digitale Identität und Kantone/Gemeinden interessante Refera-te bereit.

Vor der aufschlussreichen Podiumsdis-kussion mit Annemarie Giger von Senior-web, alt Nationalrat François Loeb, Cae-sar Andres von der Jungen CVP und dem Studierenden Christian Vetsch plädierte Frank Marthaler, Konzernleitungsmitglied der Post, für einen «zweckmässigen Ein-satz des Internets». Das Podium nahm dieses Anliegen gleich auf. Wir hätten heu-te die Technologien und die Information, wüssten aber nur allzu oft nicht, wie damit umzugehen sei.

Der Aufbruch habe stattgefunden, und von der Bundesregierung gebe es ein kla-res Commitment, fasste Prof. Dr. Riedl vom Mitveranstalter Kompetenzzentrum Public Management und E-Government den Tag zusammen. In seinem Schluss-wort wies er nochmals auf die SuisseID und deren Potenzial als Symbol für den Fortschritt des Schweizer E-Government hin. Die Zeichen stünden gut, dass insbe-sondere partizipative Elemente aufgenom-men würden. Die Generation Y der «digital natives» werde die technischen Innovatio-nen viel intensiver und selbstverständli-cher nutzen, was zu mehr Eigeninitiative und einer weniger planbaren Entwicklung führe. Dabei seien die enorme Informa-tionsflut im Internet und generell der Um-gang mit der Ressource Information zent-ral. Gerade deshalb sei die zweckmässige Nutzung des Internets ein so wichtiges Anliegen!

Beiträge Symposium 2009: Sämtliche Referate sowie die Videoaufzeich-nungen der Referate finden sich unter www.egovernment-symposium.ch.

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30 E-Government Schweiz

Organisationskonzept für ein föderales E-Government SchweizDas kürzlich von eCH und ISB publizierte Fachdokument «Organisationskonzept für ein föderales E-Government Schweiz» richtet sich an alle Personen, die konzeptionell oder aktiv gestaltend am Zustandekommen von E-Government-Lösungen beteiligt sind. Es beinhaltet – als Anregung zur Diskussion gedacht – Stossrichtungen, Gestaltungsprinzipien sowie Ressourcen und Bausteine zu einem gesamtschweizerisch abgestimmten Vorgehen bei der künftigen Organisationsgestal-tung im E-Government Schweiz. Das Organisationskonzept ist im Rahmen der Bereitstellung der «E-Government-Architektur Schweiz» (priorisiertes Vorhaben B1.06) entstanden.

Klaus Lenk, Tino Schuppan, Marc Schaffroth

Die im Jahre 2007 vom Bundesrat ver abschiedete «E-Government-Strategie Schweiz» beschreibt grundlegende Poten-ziale, Ziele sowie weitere Grundsätze. Ohne ein ausformuliertes Organisations-konzept vermittelt die Strategie jedoch keine Vorstellung über eine konkrete, auf E-Government abgestimmte zukünftige Verwaltungsorganisation.

Erst die organisationsbezogene Be-trachtung und Gestaltung zeigt, dass mittels E-Government mehr als nur eine Optimierung von Bestehendem erreicht werden kann. Grundsätzlich lassen sich auch die Strukturen, Leistungen und Pro-zesse neu gestalten. Damit können die Nutzenpotenziale beim Einsatz von In-formations- und Kommunikationstech-nologien (IKT) zielorientiert erschlossen werden.

Das Organisationskonzept konkretisiert die organisatorischen Zielvorstellungen zur «E-Government-Strategie Schweiz». Es beschreibt und definiert Gestaltungs-elemente und -prinzipien mit explizitem Bezug auf die in der Strategie aufge führten Grundsätze. Vorgesehen ist ein kundeno-rientierter, an Leistungen und Geschäfts-

prozessen ausgerichteter Vertriebs- und Produktionsverbund aller Verwaltungs-ebenen. Im Einklang mit dem föderalen Staatsaufbau verknüpft dieses Verbund-system wirkungs- und ergebnisbezogen eine Vielzahl von Verwaltungsorganisatio-nen, ohne dadurch deren Selbstständig-keit zu gefährden.

Mehrere Zielrichtungen der «E-Govern-ment-Strategie» begegnen sich hier:1 – Abbau von Informations- und Verfah-

renslasten («Bürokratielasten») für Un-ternehmen und Einzelpersonen durch die Bereitstellung kundengerechter Ver-triebsstrukturen,

– Produktivitätssteigerungen in der Ver-waltung durch den Aufbau von ebenen-übergreifenden Leistungsnetzwerken,

– Wirtschaftlichkeit und Flexibilität durch die Nutzung gemeinsamer Ressourcen und Infrastrukturen. Dabei trägt das Organisationskonzept

den besonderen Rahmenbedingungen der öffentlichen Aufgabenerfüllung Rechnung. Zu diesen gehören die föderale Aufgaben-teilung, das Legalitätsprinzip und das dar-in eingebettete rechtsstaatliche Zustän-digkeitsprinzip.

Das Organisationskonzept erfüllt in Be-zug auf die laufende E-Government-Um-setzung in der Schweiz insbesondere die folgenden Funktionen: – Abgeleitet aus den Zielen der

«E-Government-Strategie Schweiz» ent-wickelt es eine Gesamtsicht auf die or-ganisatorischen Gestaltungsoptionen eines föderal verankerten E-Govern-ment («Systemansatz»).

– Sowohl den Umsetzungsverantwortli-chen der Strategie als auch den feder-führenden Organisationen der Umset-zungsvorhaben sowie den eigentlichen Umsetzern in Gemeinden, Kantonen und beim Bund bietet es einen gemeinsamen Orientierungsrahmen, der ihnen ein auf-einander abgestimmtes Vorgehen er-möglicht.

– Es erlaubt eine fachliche Verknüpfung sowie eine bessere Einordnung der prio- risierten Vorhaben der E-Government-Strategie in einem übergeordneten orga-nisatorischen Zusammenhang. Dadurch fällt es unter anderem auch leichter, den politischen Entscheidungsträgern die Ziele und Ergebnisse einzelner Vor-haben zu kommunizieren.

– Als Scharnier zwischen Geschäft und Informatik unterstützt es die Bestim-mung und Ausrichtung von funktionalen sowie technischen E-Government-Bau-steinen an den übergeordneten Ge-schäftsvorgaben. Somit können in der «E-Government-Architektur Schweiz»2 die organisatorischen Gestaltungsele-mente konsistent mit dem technischen Unterbau verbunden werden.Die praktische Umsetzbarkeit des Orga-

nisationskonzepts erfordert, dass dieses die föderalen staatlichen Ebenen tatsäch-lich zu integrieren vermag und gleicherma-ssen auf Bund, Kantone und Gemeinden übertragbar ist. Im Rahmen eines evolutio-nären Entwicklungsansatzes wird den un-terschiedlichen sowohl organisatorischen als auch technischen Entwicklungsstän-den ebenso wie den finanziellen und orga-nisatorischen Möglichkeiten Rechnung getragen. Das Organisationskonzept setzt stark auf die Eigeninitiative und die Fähig-keit zur Selbstorganisation bei den Umset-zern.

Vertrieb und Produktion öffent-licher Leistungen entkoppelnDas Organisationskonzept beschreibt in einem Systemansatz, wie öffentliche Leis-tungen im E-Government so erstellt und vertrieben werden können, dass den zentralen Postulaten der Strategie – Ab-bau von Verfahrenslasten, vernetzte Zu-sammenarbeit, Wirtschaftlichkeit usw. – ei- ne klare Leitfunktion zukommt.

Der Zugang zu und der Bezug von öf-fentlichen Leistungen sind in einer behör-

Prof. em. Dr. Klaus LenkProf. em. of Public Administration,Universität Oldenburg, [email protected]

Prof. Dr. Tino SchuppanIfG.CC – The Potsdam eGovernmentCompetence Center, [email protected]

Marc Schaffroth Projektleiter beim Informatikstrategie-organ Bund ISB.Er leitet die eCH-Fachgruppe Geschäftsprozesse [email protected]

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31E-Government Schweiz

denübergreifenden Vertriebsorganisation konsequent aus der Kundenperspektive zu gestalten. An der Vertriebsoberfläche soll die nach Zuständigkeiten aufgesplit-terte arbeitsteilige Struktur der Verwal-tungsorganisation möglichst ausgeblen-det bleiben. Im E-Government sind folgerichtig Vertriebsoberfläche und Pro-duktion öffentlicher Leistungen zu «ent-koppeln». Allerdings setzt der Abbau von Bürokratielasten bei den Kunden nicht nur eine neue Vertriebsorganisation seitens der Behörden voraus, sondern ebenso neue Formen vernetzter Zusammenarbeit. In der Darstellung der Produktionssicht rü-cken daher vor allem auch Fragen der Steuerung und Kooperation bei der behör-denübergreifenden Leistungserstellung in den Vordergrund. Die hierauf bezogenen Aussagen des Organisationskonzepts sind dann auch für solche Verwaltungs-leistungen von Bedeutung, die keinen un-mittelbaren «Kunden»-Kontakt aufweisen.

In einem Vertriebs- und einem Produk-tionsmodell werden diese Zusammen-hänge näher ausgeführt. Die durch Tren-nung von Distribution und Produktion von Verwaltungsleistungen gekennzeichnete mögliche föderale Gesamtstruktur hat weiter zur Voraussetzung, dass gemein-sam nutzbare E-Government-Ressourcen und -Bausteine bereitgestellt werden. Fer-ner erfordert sie eine neue Kultur der be-hördenübergreifenden Zusammenarbeit.

Die neue «Benutzeroberfläche» der VerwaltungDas Vertriebsmodell verbindet die Sicht der Verwaltung mit derjenigen der Adres-saten (Einzelpersonen, Unternehmen). Es beschreibt den für die Kunden sichtbaren und zugänglichen Bereich der Verwaltung, das heisst die «Benutzeroberfläche» von E-Government. Dabei rückt der unkompli-zierte Zugang zu sowie der rasche Bezug von öffentlichen Leistungen über einfach kontaktierbare Verwaltungsstellen in den Vordergrund. Soweit es um den Vertrieb geht, wird damit das Zuständigkeitsprin-zip, dessen Anwendung auf die Vertriebs-organisation eine strukturelle Ursache für die bisweilen extreme Zersplitterung der Angebote und Bezugswege ist, durch ein am Kundenanliegen ausgerichtetes Ge-staltungsprinzip abgelöst. Nach dem Mot to «Kundenanliegen vor Leistung vor Zuständigkeit» können einschlägige In for-ma tions- und Kommunikationslasten wirk-sam abgebaut werden.

Typische Kundenanliegen stellen sich wie folgt dar. Aus «Kunden»-Sicht kommt es bei Behördengängen regelmässig zu einer Abfolge von Kontakten (z.B. Vorbereitung, Antragstellung, Mitwirkung, Entgegennah-me). Die Phasen des Verwaltungskontakts

strukturieren den Vertriebsvorgang ebenso wie die dahinterliegende Leistungserstel-lung.

Das Gestaltungsprinzip «An liegen vor Leistung vor Zuständigkeit» kann mittels der folgenden organisatorischen Mass-nahmen realisiert werden:– Die Vielfalt sowie die strukturierte Aus-

gestaltung der Zugangswege (Vertriebs-kanäle) ermöglichen den Kunden einen situations- und bedarfsgerechten Zugriff auf öffentliche Leistungen.

– Kunden finden alle benötigten Leistun-gen zielgruppenspezifisch aufbereitet, das heisst gemäss ihren Lebenslagen sowie Geschäftssituationen gebündelt, vor. Besondere Kenntnisse der Aufbau- oder Ablauforganisation der Verwaltung

werden nicht mehr vorausgesetzt. Die Vertriebsorganisation in ihrer Gesamtheit ist dabei nicht monolithisch strukturiert, sondern sie besteht aus einem ausbau-baren Netzwerk von am Kundenbedarf ausgerichteten Kontaktstellen. Unter-nehmen und Privatpersonen erhalten Zugang zu den benötigten Leistungen an der am nächsten erreichbaren Stelle, unabhängig davon, ob diese Leistungen auf kommunaler, kantonaler oder Bun-desebene erbracht werden.

– Schliesslich können der Zugang zu und der Bezug von öffentlichen Leistungen durch einfach erreichbare Kontaktstel-len sowie durch einfach ausführbare In-teraktionsmuster und Funktionen stark vereinfacht werden.

Abbildung 1: Gestaltungselemente der «Benutzeroberfläche» von E-Government

Abbildung 2: Die «lokalen», hoheitlichen Prozesse werden durch ein übergreifendes Steuerungselement operativ verknüpft

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32 E-Government Schweiz

Vernetzung von Leistungen und ProzessenDas Produktionsmodell beschreibt die or ganisatorischen Massnahmen und Zu-sammenhänge, die für ein nahtloses Zu-sammenspiel der Behörden bei der kun-denorientierten Erstellung öffentlicher Leis tungen sorgen. Es zielt auf gemeinsame Instrumente zur Steuerung, Verknüpfung sowie operativen Abwicklung von Ge-schäftsprozessen mit Blick auf das kunden-seitig zu realisierende «bürokratiearme» Ver-triebssystem. Grundlage hierfür ist unter anderem ein gemeinsames Verständnis des Zusammenspiels von organisationsüber-greifenden und -internen Prozessen.

Das Produktionsmodell beinhaltet die nachfolgenden Gestaltungsbereiche:– Leistungsvernetzung. Die Behörden le-

gen im E-Government den bisherigen am Zuständigkeitsdenken fixierten «Tunnel blick» ab und organisieren ihre Zusammenarbeit neu in Form einer ope-rativen Vernetzung von Zuständigkeiten, Leis tun gen und Prozessen. Dadurch können die Kunden weitgehend von den ihnen bisher zugemuteten Steuerungs- und Koordinationslasten befreit werden.

– Die Prozessmodularisierung eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Auf-trennung von operativ zusammenhän-genden Bearbeitungsabläufen einer Or-ganisation nach definierten Kriterien (z.B. Wirtschaftlichkeit) in kompakte Be-arbeitungseinheiten. Insbesondere wiederkehrende und nicht

entscheidungsrelevante Prozesssequen-zen könnten an externe Dienstleister aus-gelagert werden. Deren Angebote könnten dann auch von weiteren Stellen genutzt werden («Shared Service»). Serviceorien-tierte Architekturkonzepte (SOA) der Infor-matik werden die Umsetzung des Modula-risierungsansatzes stark unterstützen.Die Umsetzung des Organisationskon-zeptes erfordert verlässliche, gemeinsam nutzbare Informa tionsressourcen, und Ver fahrensfunktionen sowie stabile Basis-infrastrukturen. Wichtig ist hier ein Ge-samtplanungsansatz, der schrittweise zu verfolgen ist.4

Die Voraussetzungsvorhaben5 der «E-Go vernment-Strategie Schweiz» zielen mehrheitlich auf die Bereitstellung von Ressourcen und Bausteinen ab, welche die Akteure zu E-Government befähigen. Entlang den gleichförmigen Vollzugsele-menten im Verwaltungsverfahren können die bei den Akteuren vorausgesetzten operativen Geschäftsfähigkeiten («Capabi-lities») sowie E-Government-Ressourcen und -Bausteine fachlich zusammenhän-gend in einem E-Government-Portfolio identifiziert, eingeordnet und beschrieben werden. Dieses Portfolio könnte sich als

effizientes Instrument zur inhaltlichen Steuerung der E-Government-Strategie-Umsetzung bewähren.

Kultur verändern – Fähigkeiten entwickelnDie Umsetzung eines vernetzten, föderal abgestützten E-Government erfordert bei den Behörden einen kulturellen Wandel («E-Government-Transformation») sowie den Aufbau von organisatorischen und fachlichen Fähigkeiten.

In den Vordergrund des organisationa-len Lernens rückt dabei die Entwicklung des Geschäftsprozessmanagements («Bu-siness Process Management» – BPM) als Wissens- und Handlungsressource. Das Management muss die erforderlichen Lernprozesse und Massnahmen initiieren, damit eine Organisation als Ganzes befä-higt wird, ihre Leistungen und Prozesse sowohl fachlich zu verstehen («shared un-derstandig») als auch operativ zu beherr-schen – dies auch im Hinblick auf die geforderte Zusammenarbeit zwischen Or-ganisationen und ihren Mitarbeitenden.

Die Umsetzung der organisatorischen Gestaltungspotenziale im E-Government bedingt respektive eröffnet neue Qualifika-tionsprofile und -chancen aufseiten der Mitarbeitenden der öffentlichen Verwal-tung. Die benötigten sozialen, fachlichen, methodischen und personalen Kompeten-zen («Skills») müssen allerdings zuerst noch detailliert erfasst und analysiert wer-den. Im Rahmen der Personalentwicklung wären diese Qualifikationen dann gezielt anzubieten und zu fördern.

Föderales E-Government!Die Leistungsfähigkeit einzelner Kantone und Gemeinden wird künftig nicht mehr von der Grösse der Einheiten, sondern von der Leistungsfähigkeit der organisato-rischen Netze abhängen, in die diese Ein-heiten eingebunden sind. Vernetzte Struk-turen der Produktion und des Vertriebs öffentlicher Leistungen – wie sie im Orga-nisationskonzept vorgeschlagen werden – können sich entwickeln, ohne dass sich an der institutionellen Vielfalt des heutigen Aufbaus der öffentlichen Verwaltung ir-gendetwas ändern muss. Bestehende kleine Gemeindeverwaltungen können er-halten bleiben, wenn sie in einem leis-tungsfähigen Verbund stehen. Umgekehrt macht das Organisationskonzept es nicht erforderlich, die gewachsenen Strukturen um jeden Preis zu bewahren. Es hindert nicht daran, die Chancen von E-Govern-ment für eine Verwaltungsvereinfachung zu nutzen. Bei Gebietsreorganisationen, zum Beispiel Gemeindezusammenschlüs-sen, die aufgrund tief greifender Struk-turprobleme nötig werden, eröffnet das

Organisationskonzept nachhaltige Gestal-tungsoptionen.

Föderalismus und Gemeindeautonomie werden mithin durch einen übergreifenden Vertriebs- und Produktionsverbund nicht beeinträchtigt, sondern gestärkt. Die Ver-waltungstätigkeit in vernetzten Leistungs- und Prozessstrukturen kann effektiver, ef-fizienter, transparenter und responsiver gestaltet werden. In dieser Weise erhält auch das Postulat der E-Govern ment- Strategie Schweiz, wonach der «Födera-lismus als Chance»6 zu nutzen sei, eine konkrete Gestalt.

1 Vgl. dazu auch ausführlicher E-Government-Strategie Schweiz, www.egovernment.ch.

2 Vgl. dazu das priorisierte Vorhaben B1.06 – E-Govern-ment-Architektur Schweiz im Katalog priorisierte Vorhaben. Stand vom 18. Mai 2009. Vgl. www.egovernment.ch.

3 Vgl. dazu eCH-0038 Records Management Frame- work – Informationsmanagement im eGovernment, www.ech.ch.

4 Vgl. dazu www.egovernment.ch.5 Vgl. Abschnitt B im Katalog priorisierte Vorhaben. Stand

vom 18. Mai 2009. Vgl. www.egovernment.ch.6 E-Government-Strategie Schweiz, S. 5, www.

egovernment.ch.

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BPM – ganz praktisch!Kaum publiziert, wurde das Hilfsmittel eCH-0096 BPM Starter Kit im Herbst 2009 gleich international (E-Government-Wettbewerb Deutschland) wie auch national prämiert (E-Government-Sonderpreis Schweiz). Ausgezeichnet wurde es für seinen innovativen Charakter, die ausgesprochene Praxisorientierung sowie die hohe Qualität der Umsetzung.

Laurent Bagnoud, Marc Schaffroth

Geschäftsprozessmanagement und E-GovernmentDas Geschäftsprozessmanagement (eng-lisch: Business Process Management – BPM) in der öffentlichen Verwaltung stellt eine explizite Anforderung der E-Govern-ment-Strategie Schweiz dar. Mit der Ein-führung des BPM sowie der Anwendung von BPM-Standards werden wichtige Vor-aussetzungen sowohl für einen besseren Verwaltungsservice (Abbau von Bürokra-tielasten) als auch für die organisations-übergreifende Zusammenarbeit der Behör-den geschaffen. Im Rahmen der laufenden Umsetzungsvorhaben zur Strategie wur-den von der eCH-Fachgruppe Geschäfts-prozesse entsprechende BPM-Standards erarbeitet, die unter anderem die einheit-liche Dokumentationsweise von Leistun-gen und Geschäftsprozessen zum Ziel ha-ben.1 Dadurch soll einer «babylonischen» Sprachverwirrung im BPM vorgebeugt und der Aufbau von Prozess- und Anwen-dungs-«Silos» verhindert werden. Doch Standards und Konzepte nützen wenig, wenn diese von den Anwenderinnen und Anwendern nicht verstanden respektive nicht umgesetzt werden! Zur Unterstüt-zung einer raschen, möglichst flächen-deckenden Umsetzung des BPM im E-Government Schweiz hat daher das In-formatikstrategieorgan Bund (ISB) zusam-men mit dem Institut für Wirtschafts-informatik der Fachhochschule West-schweiz/Wallis sowie weiteren Partnern das Hilfsmittel eCH-0096 BPM Starter Kit bereitgestellt.

Überblick: eCH-0096 BPM Starter KitDas kostenlose eCH-0096 BPM Starter Kit besteht aus drei komplementär nutzbaren Elementen: einem BPM-Projektleitfaden, einem BPM-Dokumentationstool und einer webbasierten Austausch- und Erfah rungs-plattform. Der BPM-Projektleitfaden ent-hält in Gestalt eines kompakten, interak- ti ven elektronischen Dokuments eine praxisorientierte Anleitung zur projektmä-ssigen Abwicklung der BPM-Einführung in einer Organisation. Von der Hauptnaviga-tionsseite des Leitfadens aus können die benötigten Grundinformationen zu den einzelnen BPM-Projektschritten abgerufen werden. Ebenso stehen Musterdokumente (z.B. BPM-Organisationshandbuch, Vorla-gen, Hilfsmittel etc.) zur Verfügung.

Mit dem BPM-Tool können die Doku-mentationsergebnisse eines BPM-Pro-jekts nach den eCH-Standards erfasst und gepflegt werden. Das BPM-Tool be-steht aus einer vorkonfigurierten Open-Source-Anwendung, die out of the box eingesetzt werden kann. Die elektronisch dokumentierten Leistungen und Prozesse können über Intranet/Internet publiziert und somit bei der operativen Prozessaus-führung als Managementsystem und Refe-renzinformation genutzt werden.

Nutzen der BPM-EinführungDie BPM-Einführung mit dem Starter Kit erfolgt sowohl kostengünstig als auch ziel- und ergebnisorientiert. Sie erbringt sowohl für das Management als auch für die Mit-arbeitenden einen klar ausgewiesenen, direkt erfahrbaren Nutzen: – Die Verwaltungseinheit erhält eine Ge-

samtübersicht ihrer Aufgaben, Leis tun-gen und Prozesse. Das Management kann dadurch die Organisation besser an den strategischen Zielen ausrichten.

– Die Leistungs- und Prozessdokumenta-tion bildet die fachliche Grundlage und Unterstützung der operativen Tätigkei-ten. Sie ermöglicht allen Mitarbeitenden ein gemeinsames Verständnis für die Ab-läufe, Schnittstellen, Zuständigkeiten, Fristen, Ergebnisse etc. Prozesse und Leistungen werden für die gesamte Or-ganisation explizit transparent gemacht.

– Die Leistungs- und Prozessdokumenta-tion bildet zudem die Grundlage für eine Standardisierung, eventuell auch ISO-Zertifizierung der Geschäftsprozesse über Behördengrenzen hinweg. Ge-meinsames Vorgehen auf dieser Basis ermöglicht eine engere organisatorische Zusammenarbeit zwischen gleichgela-gerten Behörden, zum Beispiel unter Kantonen.

– Bei Zusammenschlüssen von Behör-den – beispielsweise bei Gemeinde fu-sionen – kann auf das gemeinsame Verständnis für die dokumentierten bis-herigen und neuen Geschäftsprozesse aufgebaut werden.

– Mit dem Aufbau einer geeigneten BPM-Rahmenorganisation und der Nutzung der BPM-Dokumentation werden die Voraussetzungen für eine gezielte und kontinuierliche Optimierung der Ge-schäftsprozesse geschaffen. Sie dient gleichzeitig auch als Basis zur Prozess-harmonisierung, -modularisierung und -integration.

– Schliesslich erhöht BPM auch die Trans-parenz und Nachvollziehbarkeit des Ver-waltungshandelns – was unabdingbar ist für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den demokratischen Rechtsstaat und seine Organe.

BPM befähigt die Behörden somit zu ei-ner nachhaltigen Umsetzung von E-Govern-ment!

PilotprojekteDas eCH-0096 BPM Starter Kit wird be-reits bei verschiedenen öffentlichen Ver-waltungen eingesetzt. Auf allen Verwal-tungsebenen sind diverse Projekte mit verschiedenen Partnern angelaufen. Die Stadt Sierre zum Beispiel wird 2010 ihre Prozesse mit dem eCH-0096 BPM Starter Kit dokumentieren. Die ersten Feedbacks sprechen für eine sehr gute Akzeptanz seitens der öffentlichen Verwaltungen.

1 Vgl. Zum Beispiel eCH-0073 Dokumentation öffentlicher Leistungen und Prozesse, www.ech.ch.

Weitere Informationen und Kontakte: http://www.ech.ch (eCH-Site) http://www.ech-bpm.ch (eCH-BPM-Erfahrungsplattform)

Prof. Laurent BagnoudProfessor am Institut Wirtschafts-informatik der Fachhochschule HES-SO Valais Wallis Mitglied eCH-Fachgruppe Geschä[email protected]

Marc Schaffroth Projektleiter beim Informatikstrategie-organ Bund ISB.Er leitet die eCH-Fachgruppe Geschäftsprozesse [email protected]

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34 E-Government Schweiz

Unternehmensidentifikator für die SchweizUnternehmen stehen in vielseitigem Kontakt mit der Verwaltung. Für viele dieser Verwaltungs-kontakte existieren eigene administrative Identifikationsnummern. Die Vielfalt an unterschied-lichen Identifikatoren erschwert die administrative Abwicklung zwischen Unternehmen und der Verwaltung (B2G) und verursacht Doppelspurigkeiten. Unternehmensdaten können wegen der Inexistenz eines schweizweit einheitlichen Identifikators nur sehr eingeschränkt zwischen den Verwaltungsstellen (G2G) ausgetauscht werden. Mehrfacherfassungen mit entsprechend vielen Inkonsistenzen sind die Folge. Der Bundesrat hat am 28. Oktober 2009 die Botschaft1 zum Bundesgesetz über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) verabschiedet. Dieses neue Gesetz erlaubt, schweizweit eine einheitliche und eindeutige Unternehmens-Identifikationsnum-mer einzuführen. Sofern das Parlament der Vorlage zustimmt, tritt das UIDG auf den 1. Januar 2011 in Kraft.

Andreas Spichiger

Der Bundesrat hat 2007 das Bundesamt für Statistik BFS mit der Einführung der Unternehmens-Identi f ikat ionsnummer (UID) beauftragt. Die UID soll es erlauben, alle Unternehmen in der Schweiz eindeu-tig, rasch und nachhaltig zu identifizieren. Darüber hinaus soll die UID mittelfristig die heute in der Verwaltung existierenden Un-ternehmensidentifikatoren ablösen. Dazu gehören zum Beispiel die Mehrwertsteuer-nummer und die Handelsregisternummer. Zur Zuweisung, Führung und Verwaltung der UID wird ein Register (UID-Register) aufgebaut.

Zielsetzungen der UIDObwohl die UID an und für sich ein sehr einfaches Element ist, wird mit ihr eine grosse Zahl von Zielen verfolgt. Die Wirt-schaft und die Verwaltung sollen eine ein-heitliche UID verwenden können, die breit abgestützt, einfach und effizient ist und für die Unternehmen keinen Aufwand gene-riert. Das UID-System baut zudem auf be-reits bestehenden Strukturen und Verwal-tungsprozessen auf. In diesen dienen die UID und das UID-Register einzig der Iden-tifikation von «Unternehmen», weshalb im UID-Register auch nur die für die Identifi-kation von «Unternehmen» erforderlichen Daten geführt werden. Um eine breite An-wendung der UID zu ermöglichen, wird der Unternehmensbegriff weit gefasst und ist die UID öffentlich zugänglich und nutz-bar. Um aber Missbrauch zu verhindern, wird dem Datenschutz hohe Aufmerksam-

keit geschenkt. Daher werden im UID-Re-gister keine weiteren Daten zusammenge-führt und auch keine anderen Aufgaben wie bei einem Handelsregister übernom-men.

Es wird die rasche Einführung einer ein-fachen, aber ausbaufähigen Lösung ange-strebt. Das Projekt soll nicht überladen werden. Das Konzept sieht daher eine schrittweise Einführung mit allfälligen Er-weiterungen vor.

LösungsansatzDie UID besteht aus dem dreistelligen Ländercode nach ISO 3166-1 sowie einer neunstelligen Nummer mit Prüfziffer (vgl. Abbildung 1).

Das UID-Register funktioniert als das Register unter vielen, das zwischen allen Datensammlungen mit Unternehmensda-ten eine gute Abstimmung ermöglicht sowie sicherstellt, dass immer von dem-selben Unternehmen gesprochen wird. Selber ist es nur für die UID und den UID-Status (Status der Eintragung) verantwort-lich. Die anderen Daten übernimmt es aus anderen Registern.

Die ausgewählte Stellung erhält das UID-Register dadurch, dass es mit vielen anderen Registern Daten konsolidiert und das Gesetz vorschreibt, dass die anderen Identifikationsnummern abgelöst werden. Dabei ist für die Entstehung des Nutzens unerheblich, ob die Nummer tatsächlich abgeschafft wird oder nicht. Wesentlich ist einzig, dass andere Nummern nicht mehr

öffentlich als Identifikationsmerkmale ver-wendet werden.

Das Betriebs- und Unternehmensregis-ter BUR2 des BFS dient als Referenzregis-ter. Alle im BUR geführten Unternehmen erhalten eine UID. Dies sind rund 700 000 Unternehmen, unter anderem auch alle in den 28 kantonalen Handelsregistern und im Mehrwertsteuerregister eingetragenen aktiven Einheiten. Das UID-Register wird, insbesondere aus Datenschutzgründen, vom BUR getrennt aufgebaut und beinhal-tet nur minimale Identifikationsmerkmale. Die laufende Nummernvergabe und Ak-tualisierung der Unternehmensdaten ge-schieht über die verschiedenen Verwal-tungsstellen (UID-Stellen) im Rahmen ihrer üblichen Prozesse.

GesetzgebungsprozessIm Anschluss an die Genehmigung des Konzepts durch den Bundesrat am 20. Februar 2008 wurde ein Gesetzesent-wurf erarbeitet. Im Herbst 2008 ging der Gesetzesvorschlag in die Ämterkonsultati-on. Auf Basis der Rückmeldungen und entsprechenden Überarbeitungen eröffne-te der Bundesrat am 28. Januar die öffent-liche Vernehmlassung, an der sich 76 Or-ganisationen beteiligten. Obwohl die UID mehrheitlich begrüsst wird, gab es betref-fend die vorgeschlagene Lösung mehr oder weniger starke Vorbehalte. Diesen konnte zum Teil mit Änderungen begegnet werden, und der Bundesrat hat am 28. Oktober 2009 die Botschaft zum Bun-

Prof. Dr. Andreas SpichigerSenior Researcher Kompetenzzentrum Public Management und E-Government

Abbildung 1: Unternehmens-Identifikationsnummer

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35E-Government Schweiz

desgesetz verabschiedet. Sofern es im Parlament keine Verzögerungen gibt, tritt das Gesetz3 voraussichtlich am 1. Januar 2011 in Kraft.

Inhalt des UID-RegistersBei der Definition der «Unternehmen», die eine UID erhalten sollen, wurde im Sinne der Ziele eine breite Menge angestrebt. Auf der anderen Seite suchte man Ab-grenzungen, damit nicht jedes beliebige Objekt als Unternehmen gilt. Damit das Gesetz möglichst präzis ausformuliert werden konnte, wurde für «Unternehmen» der Begriff UID-Einheit verwendet. Dabei handelt es sich um Einheiten des Handels-registers, der Eidgenössischen Steuerver-waltung (insb. mehrwertsteuerpflichtige Personen), Selbstständigerwerbende und freie Berufe, einfache Gesellschaften wie zum Beispiel Praxisgemeinschaften, in der Schweiz tätige ausländische Unterneh-men, land- und forstwirtschaftliche Betrie-be, Einheiten der öffentlichen Verwaltung, mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben be-traute Einrichtungen und Vereine und Stif-tungen, die AHV-Beiträge abrechnen.

Die zu einer UID-Einheit im UID-Register gespeicherten Daten sind im Gesetz nach Kern-, Zusatz- und Systemmerkmalen un-terschieden. Die Kernmerkmale umfassen neben der UID den UID-Status und die UID-Ergänzung, die Auskunft darüber gibt, ob eine UID-Einheit im Handelsregis-ter als nicht gelöscht oder im MWST-Re-gister als steuerpflichtig eingetragen ist. Weiter werden Name, Firma oder Bezeich-nung und Adresse festgehalten. Zusätzlich wird der Status des Eintrags im Handels-register sowie der Status des Eintrags im Mehrwertsteuerregister mit Beginn und Ende der Mehrwertsteuerpflicht in den Kernmerkmalen verzeichnet. Auf diese Daten hat die Öffentlichkeit im Prinzip Zu-griff. Unternehmen, die nicht in einem öf-fentlich zugänglichen Register eingetragen sind, müssen jedoch der Publikation ihrer Daten ausdrücklich zustimmen.

Bei den Zusatzmerkmalen handelt es sich um Merkmale zur näheren Bestim-mung der UID-Einheit, insbesondere Be-zeichnungen der UID-Einheit und Anga-ben zu ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Auf diese Merkmale haben ausschliesslich UID-Stellen (vgl. unten) Zugriff.

Die Systemmerkmale umfassen aus-schliesslich Informationen, die zur Füh-rung des UID-Registers erforderlich sind. Ein solches Merkmal ist zum Beispiel das Datum der Eintragung in das UID-Register. Systemmerkmale sind nur der UID-Regis-ter-führenden Stelle BFS zugänglich.

Aus den Vernehmlassungsantworten wurde deutlich, dass die ausschliessliche Einführung der UID in bestehenden Lö-

sungen zu verhältnismässig hohen Kosten führen kann. Es gibt viele Entitäten, die die gleiche Rolle innerhalb eines Prozesses wahrnehmen, für die aber keine UID ver-geben wird. Als Beispiel können hier die Ausgleichskassen dienen, bei denen nicht nur Unternehmen als Beitragszahler ge-führt werden. Zu diesen gehört zum Bei-spiel auch eine sehr grosse Zahl von Nichterwerbstätigen wie Studenten, die ihre Beiträge selber entrichten. Damit eine kostengünstige Lösung realisiert werden kann, muss diese semantische Differenz überbrückt werden.

Zu diesem Zweck ist im Gesetzesent-wurf die Administrativnummer vorgese-hen. Diese hat gegenüber der UID in Ab-bildung 1 ein anderes Präfix, ansonsten aber das gleiche Format. Die Administra-tivnummer ist eine im UID-Register geführ-te Nummer zur Identifikation von Einhei-ten, die nicht als UID-Einheiten gelten, durch bestimmte Verwaltungsstellen (z.B. AHV-Ausgleichskassen) jedoch zur Aufga-benerfüllung identifiziert werden müssen. Administrativnummern und die dazugehö-rigen Merkmale im UID-Register sind nicht öffentlich.

Die Administrativnummern können sei-tens BFS mit sehr geringem zusätzlichem Aufwand geführt werden, erlauben aber seitens der anderen Behörden eine massiv günstigere Einführung der UID. Zudem bietet diese zum Beispiel für die heute 104 Ausgleichskassen einen grossen Nutzen, weil diese heute noch über keine einheitli-che Nummerierung der Beitragszahler ver-fügen.

Die Vernehmlassung und die Regulie-rungsfolgeabschätzung4 haben ergeben, dass verschiedenenorts auch eine Be-triebsnummer erwünscht wäre. So ist zum Beispiel für Blaulicht-Organisationen im Zusammenhang mit Gefahrenstandorten oder in der Lebensmittelkette der konkrete Betriebsstandort wesentlich. Auch zu den meisten anderen Wirtschaftszweigen aus-serhalb des Dienstleistungsbereichs kann gesagt werden, dass diese grundsätzlich einen Mehrnutzen aus der Identifikation von Betrieben ziehen könnten. Die Mög-lichkeit der Identifikation von Betrieben und Arbeitsstätten soll in der Zeit nach der Einführung des UIDG weiterverfolgt wer-den. Dies gleichzeitig mit der UID zu tun, wäre zu komplex und würde die Einfüh-rung der UID verzögern. Für Anwendun-gen, die dringend auf Informationen über Arbeitsstätten angewiesen sind, stellt das BUR eine Ersatzlösung dar.1

Datenpflege und UID-Verwendung in der VerwaltungDer Gesetzesentwurf bezeichnet Verwal-tungseinheiten von Bund, Kantonen und

Gemeinden sowie öffentlich-rechtliche Anstalten und mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute private Einrichtungen, die Datensammlungen über UID-Einhei-ten aufgrund von deren wirtschaftlicher Tätigkeit führen, als UID-Stellen. Als sol-che können beispielsweise auch Aus-gleichskassen oder Sozialversicherungs-anstalten gelten. Die UID-Stellen spielen eine wichtige Rolle bei der Vergabe der UID und der Aktualisierung der Daten im UID-Register.

Die UID-Stellen sind dazu verpflichtet, die UID als Identifikator anzuerkennen, die UID in ihren Datensammlungen zu führen, sie im Kontakt mit anderen UID-Stellen und den UID-Einheiten zu verwenden und neue UID-Einheiten sowie Änderungen bei bestehenden Einheiten zu melden, inklusi-ve die Aufgabe der Geschäftstätigkeit ei-ner UID-Einheit.

UID-Stellen mit reduzierten Pflichten sind Organisationen, die einzig die Pflicht haben, die UID als Identifikator zu aner-kennen. Sie haben üblicherweise selten Kontakt mit den UID-Einheiten, weshalb sich der Aufwand einer vollständigen Um-stellung meist schon aus finanzieller Sicht nicht lohnt.

Auswirkungen auf E-GovernmentDie eindeutige Identifikation aller Teilneh-mer ist beim elektronischen Geschäftsver-kehr absolut zwingend. Nur so können Daten sicher und effizient zwischen Ver-waltung und Wirtschaft ausgetauscht werden. Die UID hat somit im Kontext von organisationsübergreifenden und medien-bruchfreien Datentransaktionen eine gros-se Bedeutung, und das UID-Register ist als zentrale Infrastrukturkomponente für viele E-Government-Projekte unabding-bar. Bei der Einführung der UID werden die eCH-Standards5 berücksichtigt, und an deren Ausgestaltung und Weiterentwick-lung wird aktiv mitgearbeitet. Im Rahmen des UID-Vorhabens sind bei eCH die nachstehenden Dokumente, die voraus-sichtlich 2010 verabschiedet werden, in Arbeit: – eCH-0097 Datenstandard Unterneh-

mens identifikation– eCH-0098 Datenstandard Unterneh-

mens daten– eCH-0100 Unternehmenszusatz– eCH-0108 Datenstandard Unterneh-

mens- Identifikationsregister (UID-Regis-ter) (Arbeitstitel)Mit einer guten Standardisierung soll ein

weiterer Beitrag zu einer breiten Nutzung der UID in möglichst vielen Prozessen ge-leistet werden. Die klare Semantik der Ins-tanz der UID-Einheit und die damit ver-bundene hohe Qualität der zugehörigen

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36 E-Government Schweiz

Daten ergeben sich insbesondere durch die vielen verschiedenen Prozesse, die auf die gleiche Instanz Bezug nehmen.

Dass die Unternehmenslandschaft Jahr für Jahr ziemlich in Bewegung ist, ergibt sich aus den nachstehenden Zahlen, die sich auf die Handelsregister für 2008 be-ziehen: Neuanmeldungen 6,6%, Adress-mutationen und Sitzverlagerungen 7,8% sowie Unternehmensschliessungen 4,7% aller verzeichneten Unternehmen. Dies macht total 19,1%, wobei zu beachten ist, dass die UID-Einheiten, die nicht im Han-delsregister verzeichnet sind, in der Ten-denz noch häufiger durch Änderungen betroffen sind.

UID als herausforderndes VorhabenDie Einführung der UID ist ein anspruchs-volles Projekt. Innerhalb der Verwaltung gibt es über alle föderalen Ebenen hinweg sehr viele Behörden, die Unternehmen in ihren Registern führen. Zur erfolgreichen Einführung sind gute Absprachen mit de-ren Vertreterinnen und Vertretern notwen-dig. Ziel ist es, eine möglichst breit abge-stützte und effiziente Einführung der UID sicherzustellen. Dadurch, dass im BUR bereits heute eine verhältnismässig grosse Anzahl von Registern Daten einliefern, ist dem BFS die Grundgesamtheit der zu-künftigen UID-Einheiten fast umfassend bekannt. Das BFS hat im Abgleich der Re-gister auch bereits die entsprechende Be-triebserfahrung.

Der vom Bundesrat 2007 verordnete Einführungstermin vom 1. Januar 2011 stellt ebenso eine Herausforderung dar. Abbildung 2 zeigt oben den Gesetzge-bungsprozess, während unten dargestellt

ist, wie die Realisierung zeitgleich voran-getrieben wird, damit der Termin eingehal-ten werden kann. Die IT-Realisierung des UID-Registers wird zusammen mit dem Bundesamt für Informatik und Telekom-munikation BIT erarbeitet und ist ab 1. Ja-nuar 2011 einsatzfähig. Bereits im März 2010 werden Integrationstests mit wichti-gen Registern durchgeführt.

AusblickDie UID stiftet in der Verwaltung und in der Wirtschaft vielseitigen Nutzen. Der Daten-austausch über Unternehmen innerhalb und zwischen Behörden auf allen födera-len Ebenen wird vereinfacht und ist weni-ger fehleranfällig. Zudem reduziert sich der Erfassungsaufwand durch die einmalige Erfassung von Daten (z.B. bei Umzug), die Vereinfachung der Prozesse durch Re-duktion von Doppelspurigkeiten und die Vermeidung von Mehrfacheinträgen. Ein aktuelles und vollständiges UID-Register erlaubt den raschen Abgleich, gewährleis-tet eine hohe Aktualität und erleichtert die Einführung zentralisierter Datenplattfor-men.

Die UID und das UID-Register bilden zu-dem eine wesentliche Voraussetzung für viele E-Government-Vorhaben und den elektronischen Datenaustausch mit Unter-nehmen. Nicht zuletzt werden auch die Unternehmen entlastet, indem sich ein Unternehmen bei allen Verwaltungskon-takten und gegenüber allen Verwaltungs-stellen mit nur einer Nummer iden tifizieren kann und die Unternehmen weniger häufig um die gleichen Informa tionen gebeten werden, da diese basierend auf der UID innerhalb der Verwaltung (soweit erlaubt) ausgetauscht werden können.

Innerhalb der Wirtschaft (B2B) ermög-licht die UID einen einfacheren und si-chereren Kontakt mit Kunden oder Geschäftspartnern und verbessert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen in der Schweiz.

Ein Spannungsfeld bieten kommende und unaufhaltbare länder- und branchen-übergreifende Lösungen. Die Wirtschaft stellt sich der Globalisierung schon lange; bei den Behörden beginnt das Bewusst-sein für die Globalisierung und die elektro-nische Behördenzusammenarbeit erst im Rahmen der E-Government-Realisierun-gen zu wachsen. Somit gilt jedes Argu-ment für die UID typischerweise auch für noch umfassendere (beispielsweise inter-nationale) Lösungen. Insofern stellt sich nicht zuletzt die Frage nach dem Sinn des aktuellen Handelns. Die Einführung einer UID in einem Staat beansprucht sehr viel Zeit. Wenn man sich genügend Zeit gibt, werden die Kosten dafür auch moderat sein. Wenn man sich dafür aber zu viel Zeit lässt oder gar keine UID einführt, wird al-lerorts mit unverhältnismässig viel Auf-wand weiter in Teillösungen investiert, und der Nutzen schmälert sich entsprechend (globale versus lokale Optima).

Aus diesen Überlegungen heraus gilt es, möglichst rasch einen Identifikator für alle Unternehmen zu realisieren, der möglichst langfristig nutzbar ist. Mit dem UIDG befin-den wir uns auf dem besten Weg dazu.

1 Botschaft zum Bundesgesetz über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) vom 28. Oktober 2009. BBl 2009 7855. www.uid.bfs.admin.ch.

2 www.bur.bfs.admin.ch3 Bundesgesetz über die Unternehmens-Identifikations-

nummer (UIDG). Entwurf vom 28. Oktober 2009. BBl 2009 7907. www.uid.bfs.admin.ch.

4 Iseli, Werner/Spichiger, Andreas: Regulierungsfolgenab-schätzung zum Bundesgesetz über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG). Version: 1.1, 13. Oktober 2009. www.uid.bfs.admin.ch.

5 www.ech.ch

Abbildung 2: Zeitrahmen für die Einführung der UID

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37Kolumne

Web 4.0 – ein Exkurs über Emotionen und TagsWas kommt nach dem normalen Web (Web 1.0), dem sozialen Web (Web 2.0) und dem semantischen Web (Web 3.0)?

Reinhard Riedl

Prof. Dr. Reinhard Riedl Herausgeber «eGov Präsenz» und Leiter Kompetenz zentrum Public Management und [email protected]

Numerisch ist die Antwort einfach: das Web 4.0! Technisch ist sie unklarer: Das soziale und das semantische Web haben zwar viele nützliche technische Werkzeu-ge hervorgebracht, aber keine spektakulä-ren Innovationen. Die nähere Zukunft wird vermutlich durch die benutzerzentrierte In-tegration der Kommunikationsmedien im Web bestimmt werden. Doch die Vision «Das Internet ist ein (!) Computer» wird noch einige Zeit Utopie bleiben.

Am unklarsten ist die Zukunft des Web in Bezug auf die Inhalte: Die meisten Pro-gnosen zur zukünftigen Internetnutzung schreiben das Bekannte linear fort und se-hen – warnend oder begeistert – die Zer-störung der Traditionen voraus. Ich erinne-re mich, wie letzten Frühling eine 40-jährige Künstlerin bei einem Zukunftsworkshop das Wehklagen der Workshopteilnehmen-den über den Werteverlust durch das In-ternet pointiert karikierte: «Mich interes-siert doch nicht, wie das Internet in 20 Jahren ausschauen wird, mich interes-siert viel mehr, wie mein Körper in 20 Jah-ren ausschauen wird!» Die Reaktion war erstaunlich: Es gab mehrheitlich besorgte Gesichter. Gegrinst haben nur ein paar äl-tere Semester.

Da sind die Trendprognosen von Marke-tingexperten und anderen Innovationsver-kündern schon lustiger. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass früher oder später das «intelligente» oder sogar das «denkende» Web proklamiert werden wird. Das Internet als kognitive Er-weiterung des Menschen (à la Andy Clark), das smasht! Doch was wir wirklich bräuch-ten, wäre das emotionale und das dumme Internet, nicht das intelligente!

Lassen Sie mich das erklären! Verglei-chen wir das menschliche Gehirn mit dem Web, so fällt auf: Beide basieren auf komplexen Vernetzungen. Sowohl beim menschlichen Denken als auch im Web 3.0 spielen «Tags» eine zentrale Rolle.

Beim Menschen sind es sogenannte emo-tionale Tags, das heisst positive oder ne-gative Assoziationen mit kognitiven Kon-zepten (vgl. die Arbeiten von Finkelstein, Whitehead und Campbell). Im Web sind es semantische Tags, das heisst Daten-anhängsel, bestehend aus Metadaten. Wesentlicher Unterschied ist, dass die emo tionalen Tags eindimensional sind, während die semantischen Tags sich viel-dimensional auf unterschiedliche Begriffs-universen beziehen. Während die Komple-xität des Gehirns sich in der Nutzung und Entwicklung seiner Vernetzung materiali-siert, drückt sich die Komplexität des Web 3.0 in regelbasierten Begriffssystemen aus. Trotzdem bestehen Analogien, die Anregungen zu Webinnovationen liefern.

Emotionale Tags stellen das Fundament menschlichen Denkens dar und sind eine Grundvoraussetzung für die Entschei-dungsfähigkeit des Menschen. Unser Denken wäre ohne emotionale Tags und ohne Vorurteile hoffnungslos langsam.

Emotionale Tags hängen auch stark mit unseren Erinnerungsfähigkeiten zusam-men. Sie sind in unterschiedlichen Kogni-tionsbereichen unterschiedlich gut ausge-prägt. Dem entspricht, dass man in einem Bereich viel Talent besitzt und in einem an-deren wenig. Das Web seinerseits ist eine Art globales Gedächtnis. Es mit semanti-schen Tags intelligent zu machen, scheint vielversprechend. Aber dafür sind neue Werkzeuge gefragt – und die Bereitschaft, sich auf neue Formen von Denkhilfsmitteln einzulassen.

Allerdings sind emotionale Tags ambi-valent: Sie sind für Fehlurteile von erfah-renen, intelligenten Menschen ebenso verantwortlich wie für die schnelle und richtige Beurteilung komplexer Situa-tionen.

Letzteres freilich immer nach alten Mus-tern, denn emotionale Tags behindern neue Ideen. Diese entstehen nur, wenn keine emotionale Tags existieren, die sie abblocken. Nur in Zuständen (tagloser) profunder Dummheit können Ideenfeuer-werke entstehen. Diese sind anderseits ohne spezifisches Wissen kaum möglich und bringen zudem für sich allein keinen Fortschritt. Eine Trennung von Spreu und

Weizen ist notwendig. Diese ist aber «rein rational» zu aufwendig, sofern keine emo-tionalen Tags die Selektion unterstützen. Nur wenn emotionale Tags gleichzeitig (sic!) vorhanden und nicht vorhanden sind, besteht die Chance auf wertvolles Neues.

Das ist schwer vorstellbar, aber gleich-wohl möglich. Denn Innovation entsteht an den Steilküsten des individuellen Wissens im Meer des Nicht-Vorherbedachten oder an Rissen im Kontinent des persönlichen Wissens. Durch Innovation kann entweder Schritt für Schritt ein Pfad der Erkenntnis in wissenschaftliches Neuland geschlagen werden. Oder es können Paradigmen-wechsel im Bereich des etablierten Wis-sens erfolgen, wenn die relevanten emo-tionalen Tags partiell deaktiviert werden. Es ist aber immer beides notwendig: Of-fenheit für Neues und die Fähigkeit, den Wert des Neuen zu beurteilen.

In vielen Wissenschaftskontexten ist in den letzten Jahrzehnten die individuelle Kreativität in den Hintergrund getreten ge-genüber den Kreativitätsleistungen von Teams und Netzwerken. Während für einen individuellen wissenschaftlichen Durchbruch in der Regel ungefähr zehn Jahre fachspezifischen Forschens not-wendig sind (vgl. Herbert Simon), ist in der Teamforschung Erfahrung für grosse For-schungserfolge oft wichtiger als Fachwis-sen (vgl. Paul Feyerabend). Das legt nahe, dass es generische emotionale Tags zur Beurteilung der Relevanz von Ergebnissen gibt.

Doch wie steht es mit Forschung im Web? Sollten wir nicht darüber nachden-ken, ob Web 4.0 einige der emotionalen Tagging-Qualitäten unseres Gehirns nach-bilden könnte, um die Kreativität in Netz-werken zu fördern? Vielleicht schaffen wir es so, auf (sozialer) Netzwerkebene jene Formen spezifischer Dummheit zu gene-rieren, die das Finden und Bewerten neuer Ideen mit wesenstlich höherer Komplexität ermöglicht, als es die etablierten Rating-verfahren tun. Denn Erasmus von Rotter-dam hatte unrecht: Die Torheit macht die Menschen manchmal doch gescheit. Aber das ist eine andere Geschichte.

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39Forschung / Analyse

Mirta OlgiatiDoctorante – Chaire Politiques publiques et durabilitéInstitut de hautes etudes en administration [email protected]: © Alban Sublet

Développements théoriques: l’analyse des Régimes institutionnels des ressources appliquée à la ressource information Mirta Olgiati

L’archivistique, la bibliothéconomie, les sciences de l’information ainsi que les autres disciplines en relation avec la préservation du patrimoine documentaire et la gestion des documents vivent actuellement un véritable changement de paradigme. Les distinctions disciplinaires et opéra-tionnelles basées sur les différences entre les supports, les fonctions des docu-ments ou leur positionnement dans les trois phases de leur cycle de vie sont en train d’être remises en cause par l’évolu-tion des technologies de l’information et de la communication. Par ailleurs, ces mêmes distinctions continuent à consti-tuer le fondement de l’architecture et des frontières des politiques publiques qui régissent ces différents domaines, ce qui à l’avenir pourrait poser problème. Ce contexte, de plus en plus complexe, pousse les analystes des politiques publiques à développer de nouvelles théories permettant de jeter des ponts entre ces différents univers.

la qualité des prestations fournies, la flexi-bilité, la motivation, le bien-être des em-ployés, etc.2

Les domaines de la préservation du pa-trimoine documentaire et de la gestion des documents ne font pas exception à cette complexité, au contraire. Traditionnelle-ment, les distinctions entre les supports, les fonctions des documents ou leur posi-tionnement dans les différentes phases de leur cycle de vie (active, semi-active, inac-tive) ont toujours permis de différencier ce qui avait trait à l’une ou l’autre des disci-plines ou aux métiers concernés. En effet, sur la base de ces distinctions fondamen-tales, l’archivistique, la bibliothéconomie et plus récemment les sciences de l’infor-mation en sont arrivées à asseoir leurs do-maines de compétence sur la base de théories, notions et principes strictement définis et, par là, à bénéficier d’un statut disciplinaire reconnu.3 De la même ma-nière, le paysage des politiques publiques au niveau national en Suisse s’est organi-sé suivant un découpage dissociant la po-litique d’archivage, la politique de la culture (volet préservation du patrimoine documentaire) et, dernière en date, la ges-tion des documents (dans le cadre de la politique d’organisation du gouvernement et de l’administration).

Actuellement, on constate que l’évolu-tion des technologies de l’information et de la communication est en train de re-mettre en cause les distinctions qui ont été si structurantes jusqu’ici pour l’univers documentaire: ces domaines sont donc en train de vivre un véritable changement de paradigme.4 Cependant, personne n’est à même de prédire si cette tendance mettra durablement en discussion l’orga-nisation actuelle des disciplines, des mé-tiers et des politiques concernés, ou si elle ne sera pas suffisamment persistante pour bouleverser l’ordre présent des choses.

A la recherche de nouveaux cadres d’analysePour l’analyste des politiques publiques, la question reste ouverte. Le changement de paradigme, qu’il soit effectif ou passa-ger, a toutefois un impact sur la façon d’appréhender l’analyse des politiques. En effet, le rôle de l’analyste est principa-lement celui de déterminer si les politiques

en place dans le secteur public – ainsi que les régulations qui en découlent – cou-vrent assurément toute la palette des usages qui peuvent être faits de la pro-duction, de la gestion et de la préservation des documents de la part des multiples groupes d’acteurs impliqués. S’il s’avérait que le changement de paradigme est ef-fectif, une analyse conventionnelle prenant en considération seulement l’une des poli-tiques régulant ces différents domaines risquerait de rater sa cible et de ne pas être à même d’évaluer le degré de confor-mité entre les politiques en place et la réa-lité contemporaine.

Du point de vue de la recherche, la solu-tion aux problèmes analytiques liés à la complexification des mécanismes est l’analyse sur une base interdisciplinaire. Ce nouveau modus operandi possède des avantages et des désavantages. Il est pro-blématique du fait de l’impossibilité à maî-triser de manière approfondie les connais-sances et les instruments de différentes disciplines, ce qui en fait facilement l’objet de critiques. Son intérêt est par contre de permettre la réalisation d’études transver-sales et exploratoires, à la fois enrichis-santes et novatrices.

Or, dans les domaines qui nous intéres-sent, l’étude interdisciplinaire et transver-sale se trouve à ses premiers balbutie-ments, d’une part à cause du fait que l’analyse des politiques publiques n’est que rarement appliquée dans ces do-maines et, d’autre part, car les disciplines phares que sont l’archivistique et la biblio-théconomie bénéficient de traditions de recherche anciennes. Pour être à même de réaliser des études pertinentes tenant compte des changements en cours, il est par conséquent nécessaire de développer de nouveaux cadres d’analyse ou d’adap-ter ceux qui s’appliquent intelligemment à d’autres secteurs. Dans ce contexte, l’ap-proche des Régimes institutionnels des ressources constitue un instrument de tra-vail extrêmement intéressant.

Les Régimes institutionnels des ressources (RIR)Le cadre d’analyse des Régimes institu-tionnels des ressources (RIR) a été déve-loppé au sein de l’IDHEAP dès 1997 par le Prof. Knoepfel et les équipes de cher-

Une société complexeLe fonctionnement de la société actuelle se caractérise par sa grande complexité. Dans de nombreux domaines du secteur public, les distinctions qui permettaient auparavant de réguler les activités sont maintenant souvent considérées comme étant caduques, car simplistes: les fré-quentes évaluations des politiques pu-bliques et les modifications qui en décou-lent en sont la preuve.1 Dans le domaine de la gestion publique des ressources hu-maines, par exemple, les bases légales, les politiques, les stratégies, les proces-sus, les outils de gestion ainsi que les va-leurs sous-jacentes aux pratiques ont évo-lué d’une vision centrée sur la sécurité de l’emploi vers une vision beaucoup plus nuancée, tenant compte tout autant de paramètres tels que l’efficience au travail,

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cheurs qui se sont succédé au fil des an-nées. Il a été appliqué jusqu’ici essentielle-ment à l’analyse des régulations qui visent à assurer la durabilité de la capacité de re-nouvellement des ressources naturelles.5

Ce cadre d’analyse combine deux ap-proches: celle des politiques publiques et celle de la théorie des droits et des ré-gimes de propriété développée par l’éco-nomie institutionnelle. L’analyse des poli-tiques publiques permet de dresser un portrait des politiques qui régulent un do-maine, de leurs raisons d’être, de leurs principes d’intervention ainsi que des dif-férents groupes d’acteurs actifs par leurs jeux politiques. La théorie des droits et des régimes de propriété développée par l’économie institutionnelle évalue la capa-cité de renouvellement d’une ressource sur la base de l’analyse des droits de pro-priété et d’usage, qui définissent les droits et les devoirs des individus qui l’exploi-tent.

Sur la base de ces deux approches, le cadre d’analyse des RIR permet ainsi de dresser un portrait complet de l’ensemble des régulations régissant les usages d’une ressource: il tient en effet compte du fait que, aujourd’hui, les usages sont de plus en plus hétérogènes et de moins en moins locaux. Ils sont régulés à la fois à partir d’interventions étatiques à travers les poli-tiques publiques et à partir de combinai-sons de régimes de propriété.6 En outre, ce cadre d’analyse peut être appliqué à des ressources artificielles.

L’information en tant que ressource artificielleAfin de pouvoir effectuer une analyse qui va au-delà des catégories étanches créées par les frontières entre disciplines et politiques, il est indispensable d’identi-fier l’objet social régulé par la politique d’archivage, par le volet consacré à la pré-servation du patrimoine documentaire de la politique de la culture et par la politique de gestion des documents (politique d’or-ganisation du gouvernement et de l’admi-nistration). Toutes ces politiques s’occu-pent de réguler les usages (liés à la production, la gestion et la préservation de documents) d’objets bien définis et présentant des caractéristiques similaires. On peut identifier ces objets comme étant le patrimoine documentaire qui témoigne de l’action de l’Etat (objet au cœur de la politique d’archivage); le patrimoine docu-mentaire culturel des Helvetica (objet au cœur des régulations du volet patrimonial de la politique de la culture); et, enfin, les documents actifs ou semi-actifs qui per-mettent l’action de l’Etat (politique de ges-tion des documents). Ainsi, si l’on super-pose virtuellement les trois politiques et

les trois objets qui sont au cœur de leurs régulations, on identifie la ressource qui se trouve au centre du système (figure 1).

Cette ressource est désignée, faute de mieux, par le terme parapluie d’informa-tion.7 Elle se définit par rapport à sa subs-tance et sa fonction. Du point de vue de la substance, il s’agit de toute information consignée sur un support physique quel qu’il soit (analogique ou numérique), orga-nique ou collectée, se trouvant à n’im-porte quel stade de son cycle de vie (actif, semi-actif, inactif) et pouvant être trans-

mise dans le temps. Du point de vue de sa fonction, il s’agit d’une ressource d’action publique, c’est-à-dire de toute information produite par un organisme public, privé ou par tout autre producteur, d’intérêt public et de pertinence nationale, indispensable au fonctionnement d’un acteur public et susceptible d’être préservée dans le temps selon sa valeur.

L’information ainsi définie constitue alors une ressource artificielle – c’est-à-dire entièrement produite par l’homme – de nature matérielle.8 Cette vision épouse

Figure 2: Caractéristiques de la ressource information et étude de l’étendue et de la cohérence du Régime institutionnel de la ressource (RIRI)

Figure 1: La ressource information constitue l’objet au cœur des régulations du système composé par la politique d’archivage, le volet patrimonial de la politique de la culture et la politique de gestion des documents

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d’ailleurs les nouvelles conceptions du pa-trimoine, des documents et de l’informa-tion, qui considèrent non seulement leur valeur utilitaire ou historique, mais égale-ment leur valeur économique.

En tant que ressource, l’information est composée d’une énorme quantité d’élé-ments qui, dans leur ensemble, compo-sent un stock. Lorsqu’ils sont identifiables, ils mettent à disposition d’acteurs usagers un certain nombre de biens & services9: par exemple, ils permettent de réaliser une étude ou de vérifier les actions de l’Etat. L’usage des biens & services de la res-source est soumis à des régulations. La durabilité de la ressource est assurée lorsque les régulations des usages per-mettent l’addition et le prélèvement équili-brés des éléments qui composent l’infor-mation ou, en d’autres termes, de maintenir le fonctionnement de son pro-cessus de renouvellement en évitant une surexploitation, qui causerait une amnésie informationnelle (extraction ou perte de trop d’éléments), ou une sous-exploita-tion, qui causerait l’asphyxie de la res-source (addition de trop d’éléments).

Evaluation de la durabilité de la ressource par l’analyse de l’étendue et de la cohérence du Régime La ressource information, ainsi envisagée dans sa globalité, se trouve donc au cœur d’un système de régulations qui dérivent des politiques publiques (lois spécifiques aux domaines et articles dans d’autres lois) et des droits de propriété (copyright, propriété intellectuelle, droits d’auteurs, etc.) appelé justement le Régime institu-tionnel de la ressource information (RIRI). Ces régulations couvrent d’une part les usages des biens & services que la res-source met à disposition des acteurs (étendue du Régime) et d’autre part la re-lation qui existe entre les différentes régu-lations de ces mêmes usages, qui peuvent être en rivalité (cohérence du Régime) (fi-gure 2). L’évaluation de l’étendue et de la cohérence du Régime sur la base d’ana-lyses empiriques permet d’en déterminer une typologie basée sur sa qualité: Ré-gime inexistant, simple, complexe ou inté-gré. Suivant ce cadre d’analyse, un Ré-gime intégré sera le plus à même d’assurer la capacité de renouvellement de la res-source.

D’après l’avancement des recherches effectuées jusqu’ici, il apparaît que le Ré-gime institutionnel de la ressource infor-mation est de type complexe. Si ce résul-tat devait être confirmé, cela signifierait que les régulations des usages des biens & services de la ressource présentent des failles: ce constat n’est pas étonnant,

étant donné que les domaines concernés se trouvent justement dans une grande phase de changements. La poursuite des analyses permettra d’identifier si ces failles proviennent d’une insuffisance dans l’étendue du Régime (identification des la-cunes dans les régulations), d’un manque de cohérence (identification des rivalités d’usage) ou des deux cas de figure réunis. Pour la pratique, les conséquences de l’un ou l’autre des cas de figure pourraient être la création de régulations ciblées sur les nouveaux usages, non encore couverts par les politiques actuelles, ou la modifica-tion du Régime en vue de résoudre les principales rivalités existantes.

Ainsi, on comprend bien que l’intérêt de l’analyse de la durabilité de la ressource information n’est pas seulement théo-rique, mais implique des enjeux sociaux, car les mécanismes de préservation du patrimoine documentaire et de gestion des documents assurent le fonctionne-ment démocratique de l’Etat de droit.

1 Bussmann, Werner/Klöti, Ulrich/Knoepfel, Peter (éd.): Politiques publiques. Evaluation. Economica, Paris, 1998.

2 Emery, Yves/Chassot, François: Evolution de la politique institutionnelle de gestion des ressources humaines: quelles valeurs ajoutées pour la mise en œuvre des politiques publiques substantielles ? In: Réformes de politiques institutionnelles et action publique/Reformen institutionelle Politiken und Staatshandeln. PPUR/Haupt Verlag, Lausanne/Berne, 2009. PP. 137–164.

3 Pour l’archivistique, la reconnaissance de la discipline est clairement visible dans le développement des formations. Nebiker Toebak, Regula: Archivische Aus- und Weiterbildung in der Schweiz. In: Archivpraxis in der Schweiz/Pratiques archivistiques en Suisse. hier + jetzt, Baden, 2007. PP. 231–249.

4 Rousseau, Jean-Yves/Couture, Carol et collaborateurs: Les fondements de la discipline archivistique. Presses de l’Université de Québec, Sainte-Foy, 2003. P. 35.

5 Knoepfel, Peter/Nahrath, Stéphane/Varone, Frédéric: Institutional Regimes for Natural Resources: An Innovative Theoretical Framework for Sustainability. In: Environmental Policy Analyses. Learning from the Past for the Future. Springer, Berlin/Heidelberg, 2007. PP. 455–506. Voir aussi: Knoepfel, Peter: La création de droits d’usages de ressources naturelles – questions aux juristes. In: Nutzung der natürlichen Ressourcen steuern/Piloter l’usage des ressources naturelles. IDHEAP, Chavannes-près-Renens, 2007. PP. 31–66.

6 Nahrath, Stéphane: La mise en place du régime institutionnel de l’aménagement du territoire en Suisse entre 1960 et 1990. Thèse de doctorat de l’IDHEAP, Chavannes-près-Renens, 2003. PP. 5–26.

7 L’emploi de l’italique a pour but de rendre attentif le lecteur au fait que la définition de l’information ne correspond pas aux définitions habituellement appliquées à ce terme.

8 Gerber, Jean-David/Nicol Lee, Ann/Olgiati, Mirta/Savary, Jérôme: Analysing artificial resources: the added value and challenges of a resource-based approach. In: Rediscovering Public Law and Public Administration in Comparative Policy Analysis: a Tribute to Peter Knoepfel. PPUR/Haupt Verlag, Lausanne/Berne, 2009. PP. 255–278.

9 En réalité il s’agit uniquement de services, mais pour la clarté des propos le concept de biens & services est utilisé dans sa formule habituelle.

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Julia BüchelSchweizerisches Literaturinstitut HKB [email protected]

Prof. Rolf JuferDepartement Technik und Informatik BFH [email protected]

Langzeiterhaltung von Dokumenten aus dem literarischen Schreibprozess Julia Büchel, Rolf Jufer, Urs Richle, Alexander Wenzel

Trotz der tief greifenden Umwälzung der Schriftkultur durch digitale Textverarbei-tung zeigen fast alle Computerbenutzer ein Schreibverhalten, das sich noch am überholten Modell der Schreibmaschine orientiert. Dies gilt insbesondere für Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Deren digitale Textzeugen und elektro-nische Korrespondenzen drohen dabei verloren zu gehen (durch Formatinkompa-tibilität, Migrationen, Datenverluste usw.). Das Schweizerische Literaturinstitut der HKB und das Departement Technik und Informatik der BFH untersuchen in enger Zusammenarbeit diese Problematik, um ausgehend von einigen Fallstudien eine technische Infrastrukturlösung zu konzi-pieren und zu realisieren. Sie soll es professionellen Autorinnen und Autoren erlauben, Dokumente aus ihrem Arbeits-prozess langfristig zu archivieren. Diese können so später auch vom Schweize-rischen Literaturarchiv übernommen und der Wissenschaft zugänglich gemacht werden.

mente und Versionen von Werken gehen verloren, weil den neuen Technologien oft blind vertraut wird. Kenntnisse, geeignete Werkzeuge und Infrastrukturen für die langfristige Archivierung fehlen. Mit dem Verlust solcher Dokumente geht auch ein Teil des kulturellen Erbes und damit der kulturellen Identität unserer Gesellschaft verloren. Der Erhalt dieses Erbes soll je-doch gewährleistet werden. Bis anhin existiert in der Schweiz keine institutionali-sierte Infrastruktur, die es Autorinnen und Autoren ermöglichen würde, Dokumente und Korrespondenzen aus dem literari-schen Schaffensprozess langfristig für ihre eigene Arbeit oder für kulturelle und wis-senschaftliche Zwecke zu archivieren. Aus diesem Grund erforscht das Projekt «Digi-tale Literatur» der BFH das Problem der Archivierung literarischer Dateien und ent-wirft einen konkreten Vorschlag zur Ver-besserung der Situation.

Digitale Archivierung heuteMit dem Problem des Verlustes von Dokumenten und Korrespondenzen im Zuge der Wandlungen der Informations- und Kommunikationstechnologien stehen die Schriftstellerinnen und Schriftsteller nicht allein. Seit fast zwei Jahrzehnten setzen sich Archivarinnen und Archivare, Bibliotheken und andere Institutionen mit dem Thema der digitalen Archivierung aus einander. Das Bundesamt für Kultur (BAK) stellt in seinem Bericht zur Memo-politik des Bundes4 fest, dass in der Schweiz ein Defizit an Infrastrukturen zur Erhaltung des «digitalen Gedächtnisses» des Landes besteht. Noch immer haben nicht alle Institutionen den Weg ins digi-tale Zeitalter geschafft. Mangelnde Kenntnisse, Überforderung mit neuen Technologien und der Anzahl an Doku-menten, unterschiedliche Handhabung des vorhandenen Materials und selbst Uneinigkeit über Sprachgrenzen hinweg führen zu Verzögerungen in der Digitali-sierung.

Das Projekt «Digitale Literatur»Ganz im Sinne der Memopolitik des BAK erforschen die Projektpartner* in enger Zusammenarbeit den Einfluss der neuen Informations- und Kommunikationstech-nologien auf den literarischen Schaffens-prozess mit dem Ziel, eine den Bedürf- nissen der Schreibenden angemessene

Von analogen zu binären AufschreibsystemenDie Schrift ist eine der ältesten Kulturtech-niken der Menschheit. «Dort, wo keine Schrift verwendet wird, glaubt der Euro-päer ‹Primitivität› zu erkennen.»1 Bei ge-nauerer Betrachtung muss jedoch fest-gestellt werden, dass die Schrift keine Grundbedingung für das Funktionieren ei-ner Gesellschaft darstellt. Bis heute gibt es Gesellschaften, die orale Erzähltechni-ken und Riten für die Wissensvermittlung und für die Konstruktion eines kollektiven Gedächtnisses benützen. Und gerade die Existenz eines solchen kollektiven kulturel-len Gedächtnisses spricht schliesslich ge-gen die vermeintliche «Primitivität» einer Gesellschaft. In unseren Kulturkreisen bil-det die Schrift, indem sie Wissen festhält und von einer Generation zur nächsten weiterreicht und verfügbar macht, einen grossen Teil der kulturellen Identität. Die Tätigkeit des Schreibens kann in diesem Sinn also immer auch als Arbeit an der kulturellen Identität der Gesellschaft, in der wir leben, verstanden werden. Dies gilt ganz besonders für das literarische Schrei-ben, das immer auch eine reflexive Funk-tion erfüllt.

In den vergangenen 50 Jahren haben sich die neuen Informations- und Kommu-nikationstechnologien unmerklich in bei-nahe alle Handlungen des Alltags einge-schlichen, so auch in das literarische Schreiben. Seit den 1970er-Jahren hat sich neben der primären eine sekundäre Schriftlichkeit entwickelt. Während die pri-märe Schriftlichkeit den Schriftbesitz seit rund 7000 Jahren in einem ständig wach-senden Bevölkerungsteil förderte, macht die sekundäre Schriftlichkeit eine speziali-sierte Informationstechnologie für diejeni-gen nutzbar, die bereits in einer alphabeti-sierten Gesellschaft leben.2 Dass diese neue Technologie das altbewährte Alpha-bet jedoch in eine Reihe von Kombinatio-nen der Zahlen 0 und 1, also in ein binäres System, verwandelt hat, dessen sind sich die wenigsten Schreibenden bewusst. Viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller benützen ihre Schreibprogramme nach wie vor wie eine alte, mechanische Schreibmaschine. Dem steten Wechsel der Werkzeuge und Dokumentenformate sind sie oft hilflos ausgesetzt.3 Korrespon-denzen mit Verlegern und Schriftstellerkol-leginnen und -kollegen, Recherchedoku-

Urs RichleSchweizerisches Literaturinstitut HKB [email protected]

Alexander WenzelSchweizerisches Literaturinstitut HKB [email protected]

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Lösung zur Verwaltung und Sicherung von Dokumenten und Korrespondenzen aus ihrem Schaffen zu entwickeln. Damit soll das Projekt «Digitale Literatur» einen Beitrag zur Erhaltung des kulturellen Ge-dächtnisses unseres Landes leisten.

Resultate einer Umfrage im Rahmen des ProjektsAus einer Befragung von neun Autorinnen und Autoren (mit qualitativem Fragebo-gen, halb strukturierten Interviews und Hausbesuchen) zu ihrer schriftstelleri-schen Arbeit unter den Bedingungen der heutigen technischen Mittel konnten wir Rückschlüsse für eine geeignete Infra-struktur und die Entwicklung von konkre-ten Werkzeugen ziehen. Während sich demnach die meisten befragten Schrift-stellerinnen und Schriftsteller imstande se-hen, mehr oder weniger selbstständig mit dem Computer umzugehen, treten doch bei allen eine Reihe von strukturellen Pro-blemen auf, die unter folgende Kategorien fallen: – Fortlaufender Wechsel der Dokumen-

tenformate durch neue Produkte; die Schreibenden unternehmen meist keine besonderen Schritte, um die Kompatibi-lität ihrer Dokumente auf Dauer zu ge-währleisten (z.B. durch Verwendung standardisierter Formate, Konversion in aktuelle Formate).

– Fortlaufende Überschreibungen von Do-kumenten, anstatt Versionierung zur Si-cherung der Textentstehung, was zur Verwässerung der Textgenese führt.

– Fortlaufende Vernichtung von Textver-sionen und Korrespondenzen durch Kurzlebigkeit der Hardware; E-Mails aus der literarischen Korrespondenz werden zumeist auch nicht gesondert abgelegt und gesichert. Daneben sind weitere kritische Momen-

te des Informationsverlustes hervorgetre-ten: Beim Entwurf und bei der Korrektur literarischer Texte kann ein – zum Teil ite-rierter – Wechsel zwischen den Medien Computer und Papier dazu führen, dass literarische Arbeitsschritte nicht explizit in elektronischer Form und zum Teil nicht einmal als eigenständige Dateiversion do-kumentiert werden; am deutlichsten wird dies bei der Vorbereitung der Texte zum Druck, bei der zum Beispiel Druckfahnen und spezifische Dateiformate in den Vor-dergrund treten, sodass die Schriftstelle-rinnen und Schriftsteller selbst meist keine «Datei letzter Hand» besitzen, die die Druckversion ihrer Texte exakt widerspie-gelt.

Hinsichtlich der Einstellung und des Problembewusstseins gegenüber der Archivierung elektronischer Dokumente unternehmen die meisten der befragten

Autorinnen und Autoren denn auch keine besonderen Schritte, um eine langfristige Zugänglichkeit und Kompatibilität ihrer digitalen Texte zu gewährleisten. Die Mehrzahl archiviert ihre Dokumente ver-teilt auf mehrere Medien (IT/Papier) oder Formate (doc/PDF/Mail), jedoch nicht zwangsläufig redundant. Die meisten Schreibenden haben bei langfristiger Archivierung vor allem den eigenen Zu-gang zu ihren Texten im Blick, nicht je-doch eine Sekundärnutzung (z.B. durch Archive oder die Literaturwissenschaft), der sie zum Teil skeptisch gegenüber-stehen.

SchlussfolgerungenDiese Feststellungen und vor allem die Einstellung der meisten Schriftstellerin-nen und Schriftsteller zur Archivierungs-problematik haben dazu geführt, dass wir unser Projekt stärker auf deren Nutzen auszurichten haben als geplant. Wir mussten feststellen, dass das Grundpro-blem nicht in erster Linie die langfristige Archivierung von Dokumenten und Korre-spondenzen ist, sondern die adäquate und technikbewusste Verwaltung dersel-ben. Wenn die Autorinnen und Autoren Werkzeuge erhalten, mit denen sie Doku-mente kurz- und mittelfristig den techni-schen Mitteln gemäss verwalten können, dann ist auch die langfristige Archivierung besser gesichert. Eine Archivlösung für literarische Dokumente sollte also als Erstes den Schreibenden selbst dienen. Die Umfrage macht es uns nun möglich, Rückschlüsse auf eine geeignete Infra-struktur zu ziehen und passende Werk-zeuge vorzuschlagen.

Gesamtvision Anhand der Fallstudien über die Arbeits-weisen von neun professionellen Schrift-stellerinnen und Schriftstellern konnten neben der Hauptfunktion der Textproduk-tion vier weitere Aspekte des heutigen Schreibens und des literarischen Schrei-bens im Besonderen ans Licht gebracht werden: Kommunikation, Publikation, Re-zeption und Dokumentenverwaltung.

Die Vision eines umfassenden Schreib-werkzeugs für Schriftstellerinnen und Schriftsteller integriert alle fünf genannten Aspekte. Was heute mit mehreren Tools und womöglich auf verschiedenen Rech-nern erledigt wird, könnte in Zukunft durch ein solches integriertes Schreibwerkzeug zentral geleistet werden.

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes behandeln wir nur den Aspekt der «Doku-mentenverwaltung».

Strukturelle SpezifikationenWie bei anderen Archivierungslösungen wird die Beschreibung und Indizierung der digitalen Dokumente mit Metadaten ge-leistet. «Technische» Metadaten, die die elektronischen Dateien als Archivalien be-schreiben, können in der Regel automa-tisch erzeugt werden. Da sie meist nichts über den spezifisch literarischen Inhalt der Dateien aussagen, sind weitere Meta-datenkategorien notwendig, die einer in-tuitiven Nutzung durch Autorinnen und Autoren entgegenkommen oder der litera-turwissenschaftlichen Erschliessung die-nen. Da solche Metadaten zumeist manu-elle Pflege erfordern, muss ein Kompromiss zwischen Beschreibungsgrad und Erfas-sungsaufwand gefunden werden.

Abbildung 1: Die fünf Bereiche einer digitalen Arbeitsumgebung für das literarische Schreiben

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Gängige Metadaten konnten aus ein-schlägigen Standards übernommen wer-den wie ISAD(G)5, ferner ISAAR(CPF)6 und Dublin Core7, die allerdings nur einen all-gemeinen Rahmen der Beschreibung von Archivalien bilden, in dem die Metadaten für unsere konkrete Anwendung noch an-gepasst sowie ergänzt werden mussten, um daraus zweckmässige und aussage-kräftige Deskriptoren zu gewinnen. Aus den neun Fallstudien konnten insbesonde-re spezifische Metadaten erschlossen werden, die weder in den erwähnten Stan-dards noch anderen Datenbanken vor-kommen, zum Beispiel vorläufiger und endgültiger Titel von Text oder Werk ver-sus Dateiname oder Entstehungszeitraum des Werks versus Speicherdatum der Da-tei. Also auch diesbezüglich betritt dieses Projekt Neuland. Spätere Verweise auf entsprechende Einträge zu Schriftstellerin-nen und Schriftstellern sowie Werkeinträ-ge im Online-Katalog HELVETICAT der Nationalbibliothek oder in der Archivda-tenbank des Schweizerischen Literaturar-chivs wären sinnvoll.

Technische SpezifizierungenSicherstellung der Langzeitarchi-vierung elektronischer DokumenteAuch im Projekt «Digitale Literatur» stellt sich die Frage, in welchem Format ein elektronisches Dokument gespeichert werden kann, sodass sein heutiges visuel-les Erscheinungsbild und sein Inhalt auch in 10, 30 oder 50 Jahren mit den dann verfügbaren Werkzeugen und Systemen reproduziert werden können. Das von der Standardisierungsorganisation ISO nor-mierte PDF/A8 gewinnt zunehmend an Be-deutung: Einerseits benötigt das PDF/A-Format typischerweise sehr viel weniger Speicherplatz als andere Formate, und andererseits ist es das erste standardisier-te Format, das explizit für die Langzeitar-chivierung geschaffen wurde. Es bietet zudem die Möglichkeiten, neben dem rei-nen Dokumentinhalt auch Metastrukturen und Objektinformationen abzuspeichern; eine Option, die eine rein grafische Dar-stellung wie zum Beispiel ein TIFF-Raster-bild nicht bietet.

PDF («Portable Document Format») an sich garantiert keine Langzeit-Reprodu-zierbarkeit, nicht einmal das Prinzip WYSIWYG (what you see is what you get). Damit beides gewährleistet ist, mussten gewisse Einschränkungen und Erweite-rungen gegenüber dem existierenden PDF definiert werden. Für die Reproduzierbar-keit ist beispielsweise wesentlich, dass alle notwendigen Informationen im Doku-ment selbst enthalten sind. Dies umfasst sichtbaren Inhalt wie Texte, Vektorgrafi-ken, Rasterbilder, Schriftarten, Farbräume

und vieles mehr. Der so entstandene PDF/A-Standard stellt sicher, dass PDF/A-kon-forme elektronische Dokumente mit «ein-fachen» Mitteln analysiert und interpretiert werden können, im einfachsten Fall sogar mithilfe eines simplen Texteditors. Somit ist weitgehend sichergestellt, dass PDF/A-Dokumente auch in den oben genannten Zeiträumen noch mit dem zum Entste-hungszeitpunkt vorhandenen Erschei-nungsbild reproduziert werden können.

Open-Source-Lösung JackrabbitFür die technische Realisierung eines Pro-totyps haben wir uns für eine Client-Ser-ver-Architektur entschlossen. Die Doku-mente sollen von den Schriftstellerinnen und Schriftstellern von ihrer privaten Schreibumgebung aus auf einem zentra-len Server verwaltet werden. Über ein Login können sich die Benutzenden auf eine Art gesichertes Postfach begeben und darin ihre Dokumente und Korres-pondenzen abspeichern, versionieren und archivieren. Für die Entwicklung der An wendung stützen wir uns auf ein Open-Source-Projekt**, welches ein multifunk-tionales Dokumentenverwaltungssystem bietet, das einige der Grundfunktionen, die wir benötigen, bereits integriert. Im Rahmen unseres Forschungsprojektes er-weitern wir diese Open-Source-Lösung im Bereich der Zugriffsrechteverwaltung, der Metadaten und der Workflows (Archivie-rungs- und Vererbungsverlauf), um auf die spezifischen Bedürfnisse, die wir über die neun Fallstudien definieren konnten, ein-zugehen.

Nutzen und PerspektivenDie zukünftigen Benutzer der entwickelten Lösung des Projektes «Digitale Literatur» werden in erster Linie die Autorinnen und Autoren selbst sein. Wenn es uns gelingt, den Erstnutzenden des Projektes eine professionelle Infrastruktur zu bieten, die die fachgerechte Verwaltung der Doku-mente aus dem literarischen Schaffens-prozess nicht nur ermöglicht, sondern im Idealfall auch fördert, dann sind die Grundvoraussetzungen für eine Langzeit-archivierung gegeben. Die Literaturwis-senschaft, Bibliotheken, Archive und Lite-raturinteressierte werden dadurch auch in Zukunft die Genese eines Werkes, das in der Epoche der digitalen Schreibsysteme entstanden ist, erkunden und erforschen können. Das Schweizerische Literaturar-chiv der Nationalbibliothek und der Ver-band Autorinnen und Autoren der Schweiz stehen uns deshalb für die Realisierung ei-nes ersten Prototyps beratend zur Seite. Die grosse Herausforderung wird es spä-ter sein, eine geeignete Institution zu fin-den, die den Server unserer Anwendung

und damit das literarische Erbe von vielen Schweizer Schriftstellerinnen und Schrift-stellern langfristig technisch betreut und aufrecht erhält.

Literaturnachweise1 Haarmann, H.: Geschichte der Schrift. C.H. Beck

Wissen, München, 2007. S. 11.2 Haarmann, H.: Geschichte der Schrift. C.H. Beck

Wissen, München, 2007. S. 124.3 Über ihre Erlebnisse im Wandel der Schreibwerkzeuge

berichten eindrücklich die Autoren Daniel de Roulet (2005) und Jim Porter (2002): De Roulet, Daniel: La Nouvelle volatilité de l’écrit et les moyens d’y remédier. In: Les archives littéraires, Documents no 7, Association pour le patrimoine naturel et culturel du canton de Vaud, Lausanne, octobre 2005. Porter, Jim: Why technology matters to writing: A cyberwriter’s tale. In: Computers and Composition 20 (2002). S. 375–394, vgl. www.sciencedirect.com.

4 Wehrlin, M.: Memopolitik. Eine Politik des Bundes zu den Gedächtnissen der Schweiz. Bundesamt für Kultur, Bern, 2008. Online verfügbar unter: http://www.bak.admin.ch.

5 International Standard Archival Description (General), vgl. International Council on Archives: ISAD(G). General International Standard Archival Description. Second Edition, Ottawa 2000; http://www.ica.org/sites/default/files/isad_g_2e.pdf.

6 International Standard Archival Authority Record for Corporate Bodies, Persons and Families, vgl. International Council on Archives: ISAAR(CPF). Internationaler Standard für archivische Normdaten (Körperschaften, Personen, Familien). Zweite Ausgabe, Wien, 2004; http://www.ica.org/sites/default/files/ISAAR2%20GER.pdf.

7 Vgl. Dublin Core Metadata Initiative (DCMI).8 Vgl. PDF/A: An ISO Standard: http://www.pdfa.org.

* Das Schweizerische Literaturinstitut, ein Fachbereich der HKB, und das Departement Technik und Informatik der BFH.

** Jackrabbit von Apache; http://jackrabbit.apache.org.

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Das Datenpointernetzwerk: Basisinfrastruktur für ein interorganisationales Information SharingMartin Brüggemeier, Sirko Schulz

Durch Prozessintegration werden öffent-liche Leistungsnetzwerke möglich, in denen Verwaltungen und gegebenenfalls andere Partner öffentliche Leistungen kooperativ erstellen. Damit müssen auch Fragen des Dokumentenmanagements sowie der Langzeitarchivierung aus einer interorganisationalen Perspektive be-trachtet werden. Für ein umfassendes Information Sharing über Organisations-grenzen hinweg fehlt jedoch noch eine entsprechende Infrastruktur. Als Lösungsvorschlag hierfür wurde das Konzept des Datenpointernetzwerks (DPN) entwickelt. Es basiert auf einer Datenbank, in der die dezentral in den angeschlossenen Verwaltungen gespei-cherten Datenbestände referenziert werden. Im Bedarfsfall können diese automatisiert über das DPN von der jeweiligen Speicherstelle unmittelbar in die Fachanwendungen der abfragenden Stelle eingelesen werden. Der Artikel beschreibt die Funktionsweise sowie das strategische Modernisierungspotenzial und zeigt den weiteren Forschungsbedarf auf.

Interorganisationale Perspektive durch ProzessintegrationIn Modernisierungsprojekten des öffentli-chen Sektors sind in den letzten Jahren die Prozesse zunehmend in den Fokus der Betrachtung gelangt. Durch eine ganzheit-liche Betrachtung der Wertschöpfungs-kette und die Prozessintegration geraten über die Schnittstellen hinaus die Kopro-duzenten sowie die Kundinnen und Kun-den in den Blickpunkt. Die konsequente Prozessorientierung läuft infolge der mo-dularen Produktion einer Leistung unter Beteiligung verschiedener Akteure1 logisch auf die Entwicklung von öffentlichen Leis-tungsnetzwerken als Form der integrier-ten, netzwerkartigen Leistungserstellung hinaus.2

In der Konsequenz müssen typischer-weise organisationsinterne Aufgaben wie das Dokumentenmanagement und die Langzeitarchivierung im neuen, interorga-nisationalen Kontext betrachtet werden.3 Andernfalls drohen die Spezialisierungs- und Effizienzvorteile durch Transaktions-kosten und die redundante Erledigung vormals integriert wahrgenommener Funk-tionen konterkariert zu werden.

Potenziale von interorganisatio-nalem Information SharingDurch Information Sharing in Leistungs-netzwerken kann der Aufwand für die redundante Speicherung – die Daten ver-waltung, das Speichervolumen, die Zu-griffsverwaltung – je nach Anzahl der beteiligten Partner erheblich reduziert wer-den. Auch brauchen die kooperie renden öffentlichen Organisationen die Informa-tionen nicht mehrmals zu erheben. Da-durch können lästige Mehrfachabfragen gleichen Inhalts bei Unternehmen, Organi-sationen des Dritten Sektors sowie Bürge-rinnen und Bürgern vermieden werden. Diese wiederum brauchen einmal gemel-dete Informationen auch nicht länger für einen anderen öffentlichen Zweck und Empfänger vorzuhalten, wenn die entspre-chenden Informationen innerhalb des Leistungsnetzwerkes verfügbar sind.

Eine gemeinsame Datenbasis verhindert darüber hinaus Inkonsistenzen in den ver-arbeiteten Informationen, die aufwendige Nachbearbeitungen und Nachforschun-gen verursachen. Sind Daten in einem Netzwerk nur einmal, an einer Stelle ge-

speichert, ist sichergestellt, dass alle Netzwerkpartner ihre Entscheidungen auf der gleichen Grundlage treffen.

Intelligente Vernetzung statt eines zentralen MassenspeichersEine solche Verknüpfung der gemeinsa-men Datenbasen innerhalb eines öffentli-chen Leistungsnetzwerkes kann ohne ei-nen zentralen Massenspeicher erfolgen. Gegen diese Art der gemeinsamen Daten-haltung gibt es in jüngerer Zeit erhebliche Widerstände in der Öffentlichkeit. Auch aus fachlicher Sicht scheint der Verzicht auf eine zentrale Speicherung vorteil- haft. In einem System aus «originären Speicherstellen» behalten Organisationen sanktionsbewährt die Zuständigkeit für die Qualität – zumindest eines Teils – ihrer ge-speicherten Daten. Für eine intelligente und innovative Informationsintegration be-darf es jedoch einer noch zu entwickeln-den Infrastruktur.

Modell des DPNHier setzt der Lösungsvorschlag «DPN» an, der von einem interdisziplinären For-schungskonsortium um das Fraunhofer Institut IESE im Rahmen des in Deutsch-land vom Bundesministerium des Innern geförderten Projektes «Prozessketten zwi-schen Wirtschaft und Verwaltung – Infor-mations- und Meldepflichten für Arbeitge-ber (Los 3)» entwickelt wurde.4

Das DPN stellt den Aspekt der Informa-tionsintegration im Backoffice in den Vor-dergrund: An zahlreichen Stellen in der öffentlichen Verwaltung werden identische Informationen erhoben, verarbeitet und gespeichert. Diese Datenbanken können mit dem DPN intelligent verknüpft werden, ohne datenschutzrechtliche Aspekte zu vernachlässigen. Im Zentrum dieser Ver-netzung steht ein Referenzierungssystem, das auf die gespeicherten Daten verweist und die Übermittlung an die berechtigten Stellen abwickelt. Dass ein solches zent-rales Referenzierungssystem praktikabel ist, zeigt im Übrigen seit Jahren erfolgreich das im deutschen Sprachraum kaum be-kannte belgische Beispiel der «Cross-roads Bank for Social Security» (CBSS).5

Sobald Informationen bei einer öffentli-chen Stelle eingegangen sind, wird au-tomatisch eine Benachrichtigung an die Referenzierungsdatenbank des DPN ver-

Prof. Dr. Martin BrüggemeierProfessor für Betriebswirtschaftslehre und Public Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) [email protected]

Dipl.-Kfm. (FH) Sirko SchulzWissenschaftlicher Mitarbeiter in Projekten an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) [email protected]

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«eGov Präsenz» 1/10

46 Forschung / Analyse

sandt.6 Auf Basis dieser Benachrichtigun-gen baut sich das Verzeichnis auf und ak-tualisiert sich. Benötigt eine an das DPN angeschlossene Organisation einen oder mehrere Datensätze, die sie selbst nicht gespeichert hat, können diese automati-siert über das Netzwerk von der jeweiligen originären Speicherstelle unmittelbar in die Fachanwendungen der abfragenden Stelle eingelesen werden. Das im DPN hinterleg-te Berechtigungssystem verhindert den unerlaubten Zugriff auf die Daten und die Zusammenführung anhand eines einheitli-chen Ordnungskriteriums. So kann eine redundante Datenspeicherung mitsamt den dadurch verursachten Kosten vermie-den und durch die originäre Speicherstelle die Konsistenz der Daten sichergestellt werden.

Transparenz und moderner DatenschutzDarüber hinaus schafft der Aufbau der zentralen Referenzierung systematisch Transparenz darüber, welche Daten von den verschiedenen Stellen zu einem be-stimmten Zeitpunkt gespeichert werden. Auf dieser Basis können die Übermitt-lungserfordernisse aufgabenkritisch über-prüft und – im Rahmen geltender Geset-ze – an den aktuellen Bedarf angepasst werden.

Die jeweilige originäre Speicherstelle verantwortet die Qualität der bei ihr ge-speicherten Daten. Im Falle nachträglicher Korrekturen der Daten werden andere Or-ganisationen, die diese Daten zwischen-zeitlich abgerufen haben, per Push-Funk-tion über das DPN informiert. Der Austausch der Daten – nicht die Daten selbst – wird dafür im DPN protokolliert.

Dadurch ist nicht nur die interne Prüfung des Datenzugriffs möglich, sondern die betroffenen Bürgerinnen und Bürger ha-ben über ein Frontend die Möglichkeit, die über sie gespeicherten Daten und Infor-mationen darüber, wer diese verwendet hat, einzusehen. Sie können Änderungs-hinweise auf fehlerhafte Daten geben und so selbst zu einer grösseren Qualität der gespeicherten Daten beitragen («Daten-schutz 2.0»).

Diese Auskunftsrechte schaffen eine bislang ungekannte Transparenz, die der informationellen Selbstbestimmung einen hohen Stellenwert einräumt. Die jüngst ge-äusserte Vision eines Datenschützers für das Jahr 2039 könnte mit dem DPN schon in absehbarer Zeit Realität werden.7 Das in ein Portal integrierte Frontend ist das vir-tuelle Front Office für alle Bürgerinnen und Bürger und könnte neben den Auskunfts-rechten zu einem Kommunikationskanal für den durch die elektronische Signatur gesicherten Austausch mit der Verwaltung (Antragsverfahren, Tracking der Bearbei-tung usw.) ausgebaut werden. Die Bürge-rinnen und Bürger könnten über diesen Kanal perspektivisch die Kommunikation mit der Verwaltung umfassend abwickeln, indem beispielsweise aktuelle E-Govern-ment-Vorhaben in Deutschland wie der elektronische Personalausweis (ePA) und De-Mail eingebunden werden.

Standardisierung und GranularitätDie zentrale Stelle, die die Referenzie-rungsdatenbank betreibt, wirkt im DPN darauf hin, dass die notwendige Verein-heitlichung von Standards für den Daten-austausch erfolgt. Dies beinhaltet die se-

mantische Interoperabilität (z.B. mithilfe von Ontologien), wobei die Autonomie der beteiligten Organisationen auf der Ebene von Begriffsdefinitionen und der Zusam-mensetzung der granularen Komponenten weitgehend gewahrt bleibt. Durch das auf Basis von XML-Strukturen standardisierte Datenformat auf der Ebene der Datensät-ze bedarf es keiner zentralen Autorität, die diese Zusammensetzung definiert. Aus Daten mit ausreichender Granularität können die Datensätze für die einzelnen Verwendungen generiert werden. Ände-rungen bei der Zusammensetzung von Daten, beispielsweise zu unterschiedli-chen Einkommensbegriffen, die im Laufe der Zeit beschlossen werden, könnten ohne weitreichende Änderungsnotwen-digkeiten vorgenommen werden. Über das DPN werden demzufolge die granula-ren Datensätze übermittelt.

Vom One-Stop zum No-Stop GovernmentDas DPN bietet überdies die Option zur Realisierung von No-Stop-Government-Lösungen,8 hin zu einer weniger auf-dringlichen beziehungsweise «unspürba-ren» Verwaltung.9 Insbesondere für den gesamten Bereich der statistischen Aus-wertungen ist – eine erfolgreiche Standar-disierungsarbeit im Bereich der Daten-sätze vorausgesetzt – die vereinfachte Generierung als eine Art «Kuppelprodukt» zu erwarten. Wo immer dies möglich ist, müssten Statistikdaten dann nicht geson-dert erhoben werden, vielmehr könnten diese aus bereits referenzierten und ver-teilt gespeicherten Daten gewonnen wer-den.10

Darüber hinaus wäre neben der Bereit-stellung vorausgefüllter Formulare im per-sönlichen Bereich des Frontends für Bürgerinnen und Bürger ein proaktives Angebot zur Gewährung von Leistungen möglich, für die sie die Voraussetzungen erfüllen. Gleiches gilt zum Beispiel auch für Arbeitgeber. Das Angebot einer proak-tiven Leistungsgewährung ohne explizite Antragstellung kann eine Effektivierung politischer Programme unterstützen.11

Von Ketten zu NetzenMit dem DPN kann ein stufenweise erwei-terungsfähiges Netzwerk von öffentlichen Institutionen auf der Basis einer zentralen Datenreferenzierung, einer dezentralen Datenspeicherung und einer klar geregel-ten gemeinsamen Datennutzung (Informa-tion Sharing) geschaffen werden. Mit dem DPN entstünde erstmals eine mit gewis-sen Regulierungsbefugnissen ausgestat-tete Institution, die geeignet ist, die üb-liche, gegenüber der Wirtschaft nur auf den eigenen Zuständigkeitsbereich fixierte

Abbildung 1: Grundmodell des Datenpointernetzwerks

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47Forschung / Analyse

«Schiessschartensicht» der öffentlichen Stellen institutionen- und verwaltungsebe-nenübergreifend zu überwinden und hier zu einer Optimierung des Gesamtssys-tems von Prozessketten zur Erhebung und Nutzung von einschlägigen Daten zu ge-langen. Zugleich könnte dieses Netzwerk zu einer umfassenden Backoffice-Integra-tion und mittelfristig zu neuen Formen der Arbeitsteilung auf der Basis organisations-übergreifender Workflowprozesse beitra-gen.12

ForschungsbedarfNeben dem Forschungsbedarf im Bereich Technik und IT-Sicherheit sind insbeson-dere aus konzeptioneller, organisatori-scher und rechtlicher Perspektive noch zahlreiche Fragen offen. Bedingt durch den Entstehungskontext des Konzeptes, fokussiert das DPN bislang ausschliess-lich auf die Informationspflichten von Un-ternehmen. Es ist daher zu klären, wie Bürgerinnen und Bürger, aber auch die angeschlossenen Verwaltungen in ihrer Rolle als originäre Informationslieferanten ebenfalls in das DPN einbezogen werden können.

Notwendig ist auch eine Detaillierung des Gegenstandes der Referenzierung im Sinne einer Analyse des Inhalts, des Um-fangs und der Granularität der im DPN zu referenzierenden und auszutauschenden Daten. Die Frage der Granularität ist eng verknüpft mit der Redundanzthese: Je fei-ner granuliert die Daten referenziert wer-den, desto grösser ist die zu vermutende Redundanz der in mehreren Organisatio-nen bearbeiteten und gespeicherten Da-ten und damit das Potenzial der Back-office-Integration.

Das DPN ist als ein komplexes Netz-werk verschiedener Akteure aus dem öf-fentlichen Sektor angelegt, die im Bereich der Backoffice-Integration kooperativ zu-sammenarbeiten. Es ist daher zu analysie-ren, welche Governance-Strukturen der Effizienz und Effektivität des DPN förder-lich und zugleich auch für die (potenziell) beteiligten institutionellen Akteure akzep-tabel sind. Neben den Fragen, welche Institutionen wie an das DPN angeschlos-sen werden könnten beziehungsweise müssten, wären geeignete Formen der Trägerschaft zu untersuchen. Klärungsbe-dürftig ist darüber hinaus, wer originäre Speicherstelle für welche Daten sein soll und wie – unter den Bedingungen einer in vielerlei Hinsicht nach wie vor sehr begrenzten Netzwerkfähigkeit öffentlicher Verwaltungen13 – ein Erfolg versprechen-des Change Management aussehen könnte.

Da die Einrichtung des DPN nicht nur den Datenschutz, sondern auch die Ver-

waltungsorganisation und Fragen des Ver-waltungsverfahrens berührt, bedarf sie intensiver rechtlicher Begleitforschung. Zu nächst wären die grundsätzlichen Aus-wirkungen des DPN auf das verfassungs-rechtliche Schutzniveau, insbesondere die informationelle Selbstbestimmung im Lich te eines «modernisierten» Daten-schutzes,14 zu untersuchen. Auf dieser Grundlage sind die rechtliche Zulässigkeit der einzelnen vorgesehenen Übermittlun-gen, aber auch der proaktiven Leis tungs-angebote sowie die Zulässigkeit gege-benenfalls erforderlicher geänderter Rechtsgrundlagen zu prüfen. Daneben sind rechtliche Vorgaben für die sachli-chen und zeitlichen Anforderungen zur Langzeitarchivierung zu betrachten und die Frage zu klären, welche Auswirkungen sich aus der granularen Speicherung hier-für ableiten lassen.

Aus technischer Sicht müssen nutzbare E-Government-Infrastrukturen und -Diens-te analysiert und identifiziert werden. Da-bei sind gewachsene fachliche Infrastruk-turen ebenso von Bedeutung wie die Sicherstellung der Interoperabilität unter Verwendung von SOA-Prinzipien und die Berücksichtigung von SAGA15 sowie die Schaffung von XÖV-Datenstandards.16 Im Hinblick auf die IT-Sicherheit muss auf-grund der Referenzierung unter anderem von persönlichen Daten geklärt werden, wie die Wahrung der Vertraulichkeit und der Integrität sowie die Verfügbarkeit gesi-chert werden kann.

Zukunftsfähige E-Government-InfrastrukturEs spricht vieles dafür, den Aufbau des DPN als Investition in eine zukunftsfähige E-Government-Infrastruktur zu begreifen. Mit ihr würden wichtige Voraussetzungen für eine umfassende Backoffice-Integra-tion unter Einschluss einer weitgehend redundanzfreien, «kooperativen Langzeit-archivierung» und eines interor ganisatio-nalen Dokumentenmanagements geschaf-fen. Zur Erschliessung der skizzierten Mo dernisierungspotenziale ist jedoch eine Förderung weiterer interdisziplinärer For - schungs- und Entwicklungsarbeit erfor-derlich. So könnte das DPN in Europa künftig Teil von weitsichtigen nationalen E-Government-Strategien werden, die auf einen umfassenden Bürokratieabbau durch einen besser organisierten und ver-netzten Verwaltungsvollzug17 abzielen, von dem alle etwas haben.�

1 Vgl. Brüggemeier, M., et al.: Organisatorische Gestaltungspotenziale durch Electronic Government. Auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung. Berlin, 2006. S. 75 ff. und S. 213 ff.; Schuppan, T.: Leistungstiefen-gestaltung im Zeitalter von E-Government. In: «eGov Präsenz», 2 (2008). S. 52–55.

2 Vgl. allgemein Sydow, J.: Management von Netzwerk-organisationen. Zum Stand der Forschung. In: Sydow, J. (Hg.): Management von Netzwerkorganisationen. Beiträge aus der Managementforschung. 4. Aufl. Wiesbaden, 2006. S. 391 f.

3 Vgl. auch Engel, A.: IT-gestützte Vorgangsbearbeitung in der öffentlichen Verwaltung. Bausteine zur Prozessge-staltung im E-Government. Berlin, 2008. S. 170 f.

4 Ein komplementärer Lösungsvorschlag von Los 3, der «FRESKO-Prozessor», zielt darauf ab, dass Unterneh-men mit einem regelbasierten Informationssystem ihren rechtlich vorgeschriebenen Meldungen an öffentliche Stellen effizient nachkommen können, vgl. Autorenteam Los 3: Entwicklung von Prozessketten zwischen Wirtschaft und Verwaltung – Los 3: Informations- und Meldepflichten für Arbeitgeber, Machbarkeitsstudie. Kaiserslautern u.a., 2009. Vgl. http://www.f3.htw-berlin.de/Professoren/ Brueggemeier/pdf/IMPA_PK_Machbarkeitsstudie Los3Final090330.pdf.

5 Vgl. Brüggemeier, M., et al. (2006) a.a.O. S. 211 f.; CBSS: eGovernment Program of the Belgian Social Security, 2007. Vgl. http://www.ksz-bcss.fgov.be/documentationEN/UNO-CBSS-v2007.pdf.

6 In Verbindung mit dem komplementären Lösungsvor-schlag des Forschungskonsortiums von Los 3 (s. Fn. 4) ist vorgesehen, dass der Versand der Referenzierungs-meldung an das DPN durch den FRESKO-Prozessor des jeweiligen Unternehmens geschieht (s. Abb. 1). Im Rahmen einer isolierten Realisierung des DPN kann diese Funktion auch von der Verwaltung übernommen werden, die die Daten dauerhaft speichert.

7 «Meine Vision ist es, dass in 30 Jahren jeder elektronisch ohne Mühe nicht nur feststellen kann, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiss; […] Darüber hinaus sollte jeder aber auch die Verwendung seiner Daten kontrollieren und in bestimmten Fällen unterbinden können.» Interview mit dem Beauftragten für Datenschutz und Informations-freiheit des Landes Berlin, Alexander Dix, im Berliner Tagesspiegel vom 26. Oktober 2009.

8 Vgl. Lenk, K.: Ziel: No-Stop-Verwaltung. In: move – Moderne Verwaltung, 4. Jg., 2 (2006). S. 12.

9 Vgl. Klages, H.: Wie lässt sich Bürokratie «unspürbar» machen?, in: Verwaltung & Management, 12. Jg., 1 (2006). S. 7–13.

10 Vgl. Lenk, K.: Abbau von Verwaltungslasten jenseits des Standardkostenmodells: besser organisierter und vernetzter Verwaltungsvollzug. In: Biwald, P./Dearing, E./Weninger, T. (Hg.): Innovation im öffentlichen Sektor. Festschrift für Helfried Bauer. Wien/Graz, 2008. S. 345 f.

11 Beispiel: Arbeitgebern, die ihren Meldepflichten im Kontext der beruflichen Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen oder Behinderten nachkommen, wird bei vorliegender Anspruchsberechtigung die Gewährung eines Zuschusses angeboten.

12 Vgl. Brüggemeier, M.: Neue Perspektiven und Forschungsbedarf für einen aufgeklärten Gewähr-leistungsstaat auf der Basis von E-Government. In: Verwaltung & Management, 13. Jg., 2 (2007). S. 79–85.

13 Vgl. Schuppan, T.: Kooperationsanforderungen für E-Government: Ist die Verwaltung ausreichend netzwerkfähig? In: «eGov Präsenz», 2 (2009). S. 34–37.

14 Vgl. hierzu Eifert, M.: Electronic Government. Das Recht der elektronischen Verwaltung. Baden-Baden, 2006. S. 297 ff. und S. 454 ff. m.w.N.

15 «SAGA» steht als Akronym für die in Deutschland vom Bund forcierten «Standards und Architekturen für E-Government-Anwendungen». Vgl. http://www.cio.bund.de/DE/Standards/SAGA/saga_node.html.

16 «XÖV» bezeichnet in Deutschland die Standards für den Datenaustausch öffentlicher Verwaltungen auf der Grundlage von XML (z.B. XSozial, XJustiz). Vgl. z.B. http://www1.osci.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen02.c.1161.de.

17 Vgl. auch Lenk, K.. (2008) a.a.O. sowie Lenk, K.: Bürokratieabbau durch E-Government. Gutachten im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitforschung des Informationsbüros d-NRW. Düsseldorf, 2007. Vgl. http://www.egovernmentplattform.de/uploads/media/Lenk_Buerokratieabbau.pdf.

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48 Forschung / Analyse

Rechtskonforme Aufbewahrung und Archivierung aus Sicht des WirtschaftsprüfersChristoph Protz

Obwohl schon seit geraumer Zeit im Obligationenrecht, in der Geschäfts-bücherverordnung und im Mehrwert-steuerrecht die Voraussetzungen für die Aufbewahrung von geschäftsrelevanten Dokumenten und Daten geschaffen worden sind, bleibt deren Aufbewahrung oder gar die Archivierung ein Thema, das in vielen Schweizer Unternehmen noch stiefmütterlich behandelt wird.

Mit der Inkraftsetzung der damals neuen Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) im April 2002 wurde in der Schweiz die Vor-aussetzung dafür geschaffen, dem Papier-archiv den Rücken zu kehren und die Effi-zienz bisheriger Archive in attraktiver Weise zu steigern. Zum ersten Mal werden elektronische Medien in diesem Zusam-menhang ausdrücklich erwähnt, und der Originalbegriff wird – zeitgemäss – dahin-gehend ausgeweitet, dass unter Berück-sichtigung der Anforderungen der GeBüV nicht mehr nur auf die klassischen Medien abgestützt wird. Dadurch ergeben sich für den Bau und die Nutzung von Archiven zahlreiche neue Möglichkeiten.

Archivierung ist ChefsacheNach mehr als sieben Jahren Prüfpraxis unter der neuen GeBüV gilt es noch im-mer, mit dem Vorurteil vieler Unternehmen aufzuräumen, elektronische Archivierung sei ein alleiniges Problem der IT-Abteilung, da diese ja unter anderem die nötigen Werkzeuge dafür zur Verfügung stellt. Die Pflicht zur Führung und zur Aufbewahrung der Bücher obliegt letztendlich der Ge-schäftsleitung. Eine funktionierende IT-Inf-rastruktur ist nur ein Teil im Gesamtkon-zept der Datenaufbewahrung, das ohne dazugehörige Prozesse auf der Geschäfts-seite nicht funktionieren kann. Dazu ge-hört auch, dass das Unternehmen eine Übersicht darüber hat, welche Dokumen-

tentypen erzeugt werden und ob bezie-hungsweise nach welchen Gesetzen oder internen Anforderungen diese aufzube-wahren oder gar zu archivieren sind. Ein solcher Archivplan soll zusätzlich auch Auskunft darüber geben, wie lange und auf welchem Medium ein Dokument auf-bewahrt werden soll und wer dafür die Verantwortung trägt. Wo ein solcher Plan noch nicht erstellt oder noch nicht auf den neuesten Stand gebracht worden ist, hat es sich in der Praxis bewährt, zusammen mit dem Hausjuristen die Dokumente der einzelnen Abteilungen zu analysieren und deren konkrete Aufbewahrungsanforde-rungen festzulegen. Vielfach bietet es sich an, dies zunächst in einem Pilotprojekt am Beispiel einer Abteilung oder eines The-mas zu machen, um so im überschauba-ren Rahmen Erkenntnisse zu sammeln, auf die man dann in späteren Phasen auf-bauen kann. Die Erfahrung hat gezeigt, dass in einem mittleren bis grösseren KMU, oder in öffentlich-rechtlichen Institu-tionen vergleichbarer Grösse, etwa 250 bis 300 verschiedene Dokumententypen zusammenkommen.

Aufbewahrung nur für den Wirtschafts- oder Steuerprüfer?Die Frage, ob und gegebenenfalls mit wel-chem Aufwand etwas aufbewahrt werden muss oder soll, hängt in erster Linie mit der Beurteilung der zu erwartenden Kon-sequenzen zusammen, die dem Unter-nehmen erwachsen, wenn es – bewusst oder fahrlässig – darauf verzichtet, ein Do-kument aufzubewahren.

Neben der grundlegenden Anforderung, die an das Führen eines Archivs gemäss den geltenden gesetzlichen Bestimmun-gen gestellt wird, gibt es verschiedene weitere Faktoren, die Anlass geben kön-nen, dass die eigene Archivierungsstrate-gie überdacht werden muss: Im Rechtsfall kann der Mangel an Beweisen zum Pro-zessverlust führen oder dazu, dass eine ungerechtfertigte Forderung nicht ab-wendbar ist. Ist man nicht in der Lage, den Steuerkommissären der Mehrwertsteuer die gewünschten Belege vorzulegen, dro-hen unter Umständen der Verlust des Vor-steuerabzuges und eine Einschätzung nach deren Ermessen. Wie soll man bei-spielsweise mit archivierungswürdigen

Datensammlungen umgehen, die aus Sys-temwechseln innerhalb des eigenen Un-ternehmens oder aus Fusionen und Über-nahmen entstanden sind? Ist das langjährig gepflegte Papierarchiv noch zeitgemäss, um den heutigen Anforderun-gen und neueren Dokumententypen wie E-Mails gerecht zu werden?

Aufbewahren oder archivieren?Der Volksmund macht in der Regel keine Unterscheidung zwischen den Begriffen Aufbewahrung oder Archivierung. Die Dif-ferenzierung erfolgt meist erst dann, wenn ein Unternehmen sich mit der Frage ausei-nandersetzt, nach welchen Gesetzen oder Standards ein Dokument aufbewahrt wer-den muss. In der Schweiz finden sich die wichtigsten Grundlagen dazu im Obligati-onenrecht, in der Geschäftsbücherverord-nung und in den Regelungen rund um die Mehrwertsteuer.

Sofern bei einer Dienstleistung nicht langfristige Kundenbeziehungen oder spe-zielle Anforderungen, die sich aus der Art der verkauften Produkte ergaben – zum Beispiel langfristige Garantieforderungen oder die Verpflichtung, Pläne von Anlagen bereitzuhalten –, im Vordergrund standen, bewegten sich die durch uns geprüften Unternehmen in den regulären Aufbewah-rungsfristen des Obligationenrechts.

Aber welche Dokumententypen müs-sen überhaupt aufbewahrt werden? Der Gesetzgeber nennt hier die Geschäftsbü-cher, dazugehörige Buchungsbelege und Korrespondenz. Somit muss bei allen Do-kumenten, die einen Einfluss auf das Ge-schäftsergebnis haben können, unter-sucht werden, ob diese aufzubewahren sind. Ist beispielsweise der Inhalt einer E-Mail buchungsrelevant, muss auch die-se aufbewahrt werden. Nicht vergessen werden darf, dass es noch einige wenige Dokumententypen gibt, die im Original vorgehalten werden müssen: Die Bilanz und die Erfolgsrechnung oder Dokumen-tentypen, bei denen der rechtliche Wert in der Präsentation des physischen Papiers liegt. Je nach Branche kann es noch zu-sätzliche Regelungen geben, die es zu be-achten gilt. Genannt seien hier etwa die verhältnismässig neuen Anforderungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) aus dem Rundschreiben zu den

Christoph Protz Senior Manager KPMG AG in Zürich [email protected]

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Marktverhaltensregeln (RS 2008/38), ge-mäss dem externe und interne Telefonge-spräche und E-Mails der im Effektenhan-del tätigen Mitarbeitenden aufzuzeichnen und für mindestens ein halbes Jahr aufzu-bewahren sind.

Aufbewahrung versus ArchivierungNach Schweizer Recht sind die meisten Dokumententypen zehn Jahre aufzube-wahren. Da diese Frist mit dem Ablauf des Geschäftsjahres beginnt, heisst das in der Praxis, dass Dokumente bis zu elf Jahre aufbewahrt werden müssen. Daneben gibt es aber auch Dokumententypen, bei de-nen der Gesetzgeber eine längere Aufbe-wahrungsdauer verlangt, beispielsweise 20 Jahre bei Geschäftsunterlagen zu Grundstücken. Pech hat auch, wer kurz vor Ende der Verjährungsfrist eine Mehr-wertsteuerprüfung durchführen lassen muss; durch die hier geltenden Verjäh-rungsregeln müssen Dokumente bis 15 Jahre aufbewahrt werden. Wer wie Banken oder Versicherungen langjährige Kundenbeziehungen hat, wird in der Pra-xis gewisse Dokumententypen während der gesamten Dauer der Beziehung auf-bewahren und sie erst nach Ablauf der Frist in den Zyklus der eigentlichen Aufbe-wahrung oder Archivierung geben. Die Praxis hat gezeigt, dass man sich erst dann, wenn alle vorgenannten Anforde-rungen ausreichend unter Kontrolle sind, an die technische Umsetzung der elektro-nischen Archivierung wagen kann.

Drum prüfe, wer sich ewig bindetRund um das Thema Archivierung ist das steigende Bedürfnis nach diesbezüglichen Lösungen auch den Herstellern und Ver-käufern von Hard- und Software nicht entgangen, und es werden grosszügige Versprechen in Bezug auf die Revisions-tauglichkeit gemacht, die in den seltens-ten Fällen durch eine herstellerunabhän-gige externe Beurteilung untermauert werden können. Die Praxis hat gezeigt, dass es sich lohnt, sich diese Angaben transparent belegen zu lassen, schliess-lich liegt die Verantwortung für das Archiv beim eigenen Unternehmen und nicht beim Hersteller. Grundsätzlich ist dabei zu überlegen, welche der eingangs erwähn-ten Regulatorien für einen selbst relevant sind, und darauf zu achten, wie ein Her-steller verspricht, die entsprechenden Punkte zu erfüllen. Erfahrungsgemäss lohnt sich der Aufwand, detailliert zu un-tersuchen, welche Anforderungen auf wel-che Art erfüllt werden und wo Lücken blei-ben, die man beispielsweise durch eigene Anpassungen in Applikationen und Pro-

zessen abdecken muss. Dabei darf, wie eingangs erwähnt, nicht vergessen wer-den, dass Archivierung kein rein techni-sches Problem ist, das man ausschliess-lich mittels Einbezugs der IT-Abteilung lösen kann. Technik und Geschäftspro-zesse halten sich in etwa die Waage, und gerade Letztere müssen entsprechend mitberücksichtigt werden. In Projekten, bei denen dies nicht ausreichend beachtet und nicht alle relevanten Parteien mit ihren Anforderungen berücksichtigt wurden, kam es des Öfteren zu unliebsamen Über-raschungen.

Umsetzung auf der Prozess- und der technischen EbeneObwohl die Umsetzung der Anforderun-gen GeBüV im ersten Augenblick trivial anmutet, birgt sie doch einige Stolper-steine. Das fängt mit Dokumentation s-erfordernissen bei den Prozessen und Sys temen an. Diese müssen derart doku-mentiert sein, dass später durch einen sachverständigen Dritten nachvollzogen werden kann, wie sie an einem bestimm-ten Stichtag funktioniert haben. Dazu kommt, dass diese Dokumente ebenso lange aufbewahrt werden müssen wie die restlichen Dokumente im Archiv. Der Sinn vieler in der GeBüV geforderter Kontrollen eröffnet sich einem erst auf den zweiten Blick: Wer belegen muss, dass die archi-vierten Dokumente nicht verändert wur-den, kann dies mit Verweis auf die ver-schiedenen einzelnen Kontrollen, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen las-sen, tun.

Die Wahl der eingesetzten TechnikDer schweizerische Gesetzgeber unter-scheidet in der GeBüV grundsätzlich zwei Arten von zur Verfügung stehenden Archiv datenträgern: veränderbare und un-veränderbare. Zu Letzteren gehören nach Auffassung des Gesetzgebers Papier, Bildträger oder CD/DVD. In der Praxis sind aber die Speichergrenzen solcher Medien schnell erreicht, und man muss auf Tech-niken ausweichen, die auf veränderbaren Datenträgern wie Speicherbändern oder Festplatten basieren. Dabei sind aus prü-ferischer Sicht auch WORM-Typen (write once read many) solcher Datenträger un-ter dem Gesichtspunkt der zusätzlich nöti-gen technischen Kontrollen anzuschauen, die ihnen erst zur WORM-Eigenschaft ver-helfen. Konkret ist zu untersuchen, ob ein ausreichendes Testat vorliegt, das die technischen Eigenschaften bestätigt. Ist dies nicht der Fall, sind unter Umständen eigene technische Prüfungen vorzusehen. Solange man im Geltungsbereich der Ge-BüV bleibt, sind die zusätzlichen Anforde-

rungen auf der technischen Seite noch mit überschaubarem Aufwand umzusetzen. Setzt man einen veränderbaren Datenträ-ger ein, wird verlangt, dass den zu archi-vierenden Daten einfache Signaturen (Nachweis der Integrität) und Zeitstempel (Nachweis des Zeitpunktes der Speiche-rung) zugefügt werden. Die Anforderungen an die Signatur können hier in der Regel noch mit Kontrollsummen (Hash-Werte) erfüllt werden. Beim Zeitstempel wird sich der Revisor aber nicht mit der einfach zu verändernden Systemzeit des Servers zu-friedengeben, sondern einen entspre-chend kontrollierten und geschützten Dienst oder kompensierende Kontrollen erwarten.

Zusatzanforderungen für elektronische RechnungsstellungSobald man sich beispielsweise durch den Einsatz eines Prozesses zur elektro-nischen Rechnungsstellung in den Be-reichen der Verordnung des EFD über elektronisch übermittelte Daten und In-formationen (ElDI-V) bewegt, steigen die Anforderungen an die Technik merklich. Um mit elektronisch aufbewahrten Bele-gen Beweiskraft zu erlangen, muss man Signaturen eines in der Schweiz an-erkannten Zertifizierungsdienstanbieters verwenden. Dazu kommt der Aufbau von weiteren technischen Prozessen, die es erlauben, die digitalen Signaturen zu prü-fen oder die Schlüssel und Zertifikate ad-äquat aufzubewahren. Wem dies zu viel ist, der kann auf die Dienste von Anbietern elektronischer Marktplätze zurückgreifen, die als Drehscheibe zumindest einen Teil dieser Arbeit übernehmen.

FazitNicht erst die Prüfung durch den Revisor sollte ein Unternehmen dazu bringen, sich zu fragen, ob die Aufbewahrung oder Ar-chivierung von Dokumenten den gesetzli-chen Anforderungen und dem Stand der Technik entspricht. Ohne eine gründliche Evaluation der Anforderungen und den Einbezug aller relevanten Parteien wird man die Frage, ob alles regelkonform auf-bewahrt oder archiviert wird, nicht beant-worten können. Bei der Auswahl der Tech-nik und des zugehörigen Lieferanten sollte man sich nicht auf aufgebauschte Werbe-versprechen bezüglich der Einhaltung all-fälliger ausländischer Reglementa rien ver-lassen, sondern Übereinstimmung mit den für das eigene Unternehmen re levanten landesspezifischen Gesetzen s uchen. Die Verantwortlichkeit für eine gesetzeskon- forme Archivierung, sei sie elektronisch oder im herkömmlichen Sinne, trägt die Geschäftsleitung des Unternehmens selbst und nicht ein externer Lösungsanbieter.

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Dokumentenmanagement funktioniert nicht ohne Output-ManagementDaniel Liebhart

ECM (Enterprise Content Management), DMS (Document Management Systems) und CMS (Content Management Sys-tems) sind eigentlich alle für die Bereit-stellung und die Pflege der Unterneh-mensressource Information zuständig. Insbesondere werden sie für die Verwal-tung von unstrukturierten Daten, wie sie beispielsweise in Word-Dokumenten, Excel-Tabellen und manchmal auch E-Mails vorkommen, eingesetzt. Sie alle können unter dem Begriff DAM (Digital Asset Management) zusammengefasst werden. DAM wird erst dann sinnvoll nutzbar, wenn es mit Output-Manage-ment kombiniert wird. Nur dann können die Vorteile einer gezielten und kontrollier-baren Kommunikation genutzt werden.

Dokumentenmanagement- SystemeDMS sind im Gegensatz zu CMS auf die Verwaltung und Verteilung von Dokumen-ten ausgerichtet. Gesamtsysteme für die Verwaltung unstrukturierter Dokumente werden auch als ECM bezeichnet. Ein ECM-System geht davon aus, dass alle Informationen auf einer einheitlichen Platt-form zur Nutzung intern und extern bereit-zustellen sind. Ziel dieser Plattform ist es, die Redundanz der Dokumente zu vermei-den, geschäftskritische Dokumente sicher aufzubewahren und den Zugriff auf die Dokumente sicher zu gestalten. Durch eine Versionierung sollen ausserdem die Aktualität und die Relevanz der Dokumen-te für das Unternehmen sichergestellt wer-den. Jedes ECM-System führt eine grosse Anzahl Metadaten, um all diesen Anforde-rungen gerecht zu werden. Die Produktion von Dokumenten spielt dabei eine unter-geordnete Rolle. Das Format der Doku-mente wird nicht verändert.

Daniel LiebhartDozent für Informatik, Hochschule für Technik Zürich und Solution Manager, Trivadis [email protected]

Digital-Asset-ManagementDie in einer Verwaltung verwendeten Infor-mationen werden zusehends als eigener Wert angesehen und durch entsprechen-de Informationssysteme gepflegt. Diese Informationen liegen entweder in struktu-rierter oder in unstrukturierter Form vor. Während die strukturierten Informationen in relationalen Datenbanken gespeichert gehalten werden, verwalten DAM-Syste-me die unstrukturierten Informationen ei-ner Verwaltung oder eines Unternehmens, Texte, Bilder und Filme also, die unter dem Begriff Digital Content zusammengefasst werden. Es existieren zwei Typen von DAM-Systemen: einerseits die CMS (Con-tent Management Systems) – oder auch: auf die Erstellung von Webinhalten ausge-richtete WCMS (Web Content Manage-ment Systems) – und andererseits die auf die Verwaltung des Inhalts ausgerichteten DMS (Document Management Systems) oder ECM (Enterprise Content Manage-ment). Die Grenzen zwischen beiden Sys-temarten sind fliessend. Abbildung 1: Output-Management-System als zentrales Kommunikationsinstrument

Web-Content-Management- SystemeEin CMS oder WCMS ist auf die Erstellung und die Publikation von Inhalten ausgelegt. Der Grossteil dieser Systeme folgt einem Workflow, der von der Erzeugung von In-halten über die Prüfung, die Bereitstellung, die Integration und schliesslich die Publika-tion bis hin zum abschliessenden Online-stellen geht. Kernstück dieser Anwendun-gen sind das Web Information System Management und die Webserver-Infra-struktur. Das Web-Information-System ist für die Verwaltung und die Organisation al-ler Informationen und Zugriffsrechte zu-ständig und verfügt über Mechanismen zur Datenkonversion, zur Versionskontrolle und zum Workflowsupport. Der Aufbau dieses Kernsystems ist abhängig von der Komplexität und der Art der Informationen, die veröffentlicht werden sollen. Die Web-server-Infrastruktur hängt hingegen von der Anzahl und der Art der Zugriffe auf die Information selbst ab. Von einfachen Web-servern bis hin zu hochredundanten verteil-ten Serverfarmen mit speziellen Sicher-heitsmechanismen sind eine Vielzahl von Realisierungen im Einsatz.

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Kommunikation durch Output-ManagementCMS/WCMS und DMS verwalten unstruk-turierte Daten, also circa 80% der Informa-tionen, da gemäss einer Studie der Uni-versity of California nur circa 20% aller Daten in strukturierter Form vorliegen. Die-se Informationen sind ein zentrales Instru-ment für die Kommunikation zwischen der öffentlichen Verwaltung und den Bürgerin-nen und Bürgern dieses Landes. Und die-se Kommunikation sollte zentral gesteuert und geregelt werden. Und sie sollte weit-gehend automatisiert erfolgen können. Dafür sind weder CMS noch DMS/WCMS ausgelegt. Während beispielsweise ein WCMS nur die Publikation von Inhalten auf dem Web erlauben, sind DMS überhaupt nicht für die Kommunikation nach aussen konzipiert. Auch die anderen Informations-systeme der öffentlichen Hand sind nicht auf die Kommunikation mit den Bürgerin-nen und Bürgern zugeschnitten. Und schon gar nicht für eine Kommunikation mit verschiedenen Adressaten und über verschiedene Kanäle. Die Lösung liegt in der Auslagerung der Funktionalität in ein getrenntes OMS (Output Management System), das für die Kommunikation der öffentlichen Verwaltung zuständig ist (sie-he Abbildung 1).

Was ist ein Output- Management-System?Verwaltungen produzieren täglich unzähli-ge Dokumente und kommunizieren sie in verschiedensten Formaten über diverse Kanäle (Drucksachen, Korrespondenz, E-Mail, Fax, Telefone, direkte Kontakte) mit ihren Kunden – den Bürgern unseres Landes, Lieferanten und anderen Empfän-gern. Ein OMS erlaubt die zentrale Steue-rung dieser Kommunikation. Das heisst, es bildet die Wertschöpfungskette von der Anlieferung der Daten aus den betriebli-chen Informationssystemen bis hin zum Massenversand ab. Die Output-Manage-ment-Wertschöpfungskette besteht aus den Schritten Datenimport, Datenanrei-cherung, Personalisierung, User-Interak-tion, Formatierung und Distribution, Post-processing und Printing. Die Kernsysteme (CMS, DMS, andere Informationssysteme) liefern Informationen in den unterschied-lichsten Formaten. Diese werden vom OMS importiert, validiert und konvertiert. Anschliessend werden fehlende Informa-tionen aus anderen Systemen für die Anreicherung verwendet und Distribu-tions- und Kampagneninformationen hin-zugefügt. Schliesslich prüfen, ergänzen und vervollständigen die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen die Ausgabe und geben das Dokument frei. Das Doku-ment wird formatiert und für das jeweilige

Zielformat aufbereitet. Es folgt die Vertei-lung an die verschiedenen Kommunika-tionskanäle (Massendruck, Dokumenten-archiv, E-Mail/Fax und andere). Das Dokument wird für den Massenversand aufbereitet. Dokumente werden gebün-delt, eine OMR-Codierung zur Identifikati-on wird aufgebracht, eine Portooptimie-rung durchgeführt, und übliche Auflagen des Termindrucks werden abgebildet. Zum Schluss erfolgt der Druck auf High Volume Printing Systems und die Beila-gensteuerung durch Verpackungsstras-sen.

Die Umsetzung eines Output-Management-SystemsDer Einsatz eines Output-Managements als zentrales Mittel zur Steuerung der Kommunikation über verschiedenste ana-loge und digitale Kanäle entlastet alle an-deren Informationssysteme von dieser Aufgabe. Die Umsetzung eines solchen Systems kann nur dann rationell erfolgen, wenn die Architektur einer klaren Aufga-benteilung folgt, die möglichst nahe an der Output-Management-Wertschöpfungsket-te liegt. Aus diesem Grund verfügt ein OMS immer über drei zentrale Verarbei-tungsschritte: Preprocessing, Processing und Postprocessing. Das Preprocessing übernimmt die Daten von den Liefersyste-men. Die gelieferten Daten werden aufbe-reitet und geprüft. Das Processing stellt das Herzstück eines OMS dar. Meist er-zeugen mehrere Rendering Nodes aus den Daten die abzuliefernden digitalen Dokumente. Die vom Rendering geliefer-ten Dokumente werden zusammenge-stellt, zu einem sogenannten Printstream aufbereitet und an den Drucker oder an

ein E-Mail-System gesendet, damit sie an-schliessend als einzelne personalisierte Dokumente verteilt werden können. Ein typisches OMS verfügt zusätzlich über Tracking-Mechanismen zur Überwachung des gesamten Systems, über eine Admi-nistrationskomponente sowie über ein Re-source-Management als Schnittstelle zum einem DAM (Abbildung 2).

Die VorteileEin OMS kann als zentraler Dienst – also als Querschnittsfunktion – angesehen werden, die für die automatisierte und kontrollierte Kommunikation zwischen der öffentlichen Verwaltung und den Bürgerin-nen und Bürgern eingesetzt wird. Der Dienst ist kostensparend durch seine voll-ständige Automatisierung und die mögli-che Mehrfachnutzung. Und er erhöht die Flexibilität der Kommunikation der Behör-den, da Zielgruppen getrennt angespro-chen werden können und die Kombination zwischen Papier und digitalem Informa-tionsaustausch möglich wird. Sämtliche Informationen – und davon gibt es viele – einer Verwaltung, ob sie nun in einem zen-tralen Informationssystem oder in DMS oder CMS abgelegt gehalten werden, können rechtzeitig an die richtigen Adres-saten gelangen, wenn solche Systeme eingesetzt werden. Allerdings ist bei der Umsetzung auf eine klar strukturierte und einfache Architektur zu achten, um allen Anforderungen der modernen Kommuni-kation zu genügen.

Abbildung 2: Architektur eines Output-Management-Systems Die einzelnen Komponenten des Output-Management-Systems sind das Resource-Management, die Administration, das End-to-End-Tracking, das Preprocessing, das Rendering, das Postprocessing und die Backend-Systeme

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Prozesse machen aus Ablagesystemen echtes DokumentenmanagementMarkus Fischer, Christoph Bisel

Herausforderungen an moderne VerwaltungenEin wirklicher Mehrwert sind Qualitäts- und Performancegewinne in den Kernauf-gaben sowie das Erfüllen von Compliance-Anforderungen. Es reicht nicht, zu wissen, wo Akten zu finden sind und wie lange sie aufbewahrt werden müssen. Wirklicher Nutzen entsteht, wenn Prozesse angesto-ssen werden, die mehrere Dokumente umfassen, die verändert und gegebenen-falls auch externen Stellen zugänglich ge-macht werden können. Wenn zusätzlich Datenschutzbeauftragte nachvollziehen können, welche Informationen wann und von wem abgerufen wurden, kann eine der vielen Anforderungen von Compliance abgedeckt werden.

Moderne Bürgerinnen und Bürger be-trachten die heutige Verwaltung längst nicht mehr als Obrigkeit, sondern als öf-fentliche Dienstleisterin. Erwartet wird ein breites Serviceangebot rund um schnelle Auskünfte sowie die zeitnahe und vor al-lem hilfsbereite Bearbeitung von Gesu-chen und Vorschlägen. Zugleich bedeutet das heutige Denken aber auch, dass un-willkommene Entscheide nicht einfach per se hingenommen, sondern hinterfragt oder gar angefochten werden. Die Verwal-tung sieht sich somit zunehmend in der Situation, bei Entscheidungen – aber auch bei Entscheidungswegen – vom Bürger

hinterfragt zu werden. Kurz: Sie ist in ih-rem Handeln transparenter geworden als je zuvor und wird dies in den kommenden Jahren noch weiter werden.

Dieser Entwicklung ist die heutige IT-Inf-rastruktur in manchen Fällen noch nicht gewachsen. Die Anforderung vieler Ge-meinden beschränkte sich bis dato beispielsweise im Bereich des Dokumen-tenmanagements und der Dokumenten-Archivierung darauf, alte Papierlager zu digitalisieren, um Dokumente schneller aufzufinden und elektronisch mit Ge-schäftsvorfällen zu verknüpfen. Dies war, was ihnen DMS-Hersteller anboten und was viele auch oft unter erheblicher Kos-tenfolge eingeführt haben. Manche gingen dabei den Weg, ihre gesamte Archivland-schaft von Dienstleistern scannen zu las-sen, die nun in riesigen Serverinfrastruktu-ren lagert. Andere Verwaltungen verfolgen die Strategie, lediglich die Altarchive zu katalogisieren. Die neuen Dokumente wer-den dann digital erstellt, verwaltet und ar-chiviert. Je nach Vorgehensweise, einge-setzter Lösung und Dienstleister hat sich damit ein schnellerer Return on Invest-ment (ROI) oder im Einzelfall womöglich ein – gerne verschwiegener – finan zieller Mehraufwand ergeben.

Sieht man diesen Aufwand nun in einem grösseren Zusammenhang, so stellt sich die Frage, was durch das Vorgehen ge-

Anbieter von Dokumentenmanagement-Systemen (DMS) rechnen ihren Kunden vor, wie viele Meter Aktenschränke mit der Einführung ihrer Lösung einzusparen wären und wie viele Mitarbeitende pro - duktiver eingesetzt werden könnten, wenn sie keine Zeit mit Suchen verlieren würden. Die Argumentation ist schlüssig, doch der Nutzen ist lediglich ein finan-zieller. Der monetäre Vorteil ist im E-Go-vernment-Bereich sicherlich erstrebens-wert angesichts knapper Haushalte. Dennoch ist diese Sichtweise zu kurz gedacht. Die Einführung eines DMS und die anschliessende Scanningaktion sind nur langfristig lukrativ – ganz abgesehen vom Zusatzaufwand, der durch die Kom- bination von Digital- und Papierarchiven entsteht.

Markus FischerGeschäftsführer, Soreco Publica AG [email protected]

Christoph BiselSenior Consultant BPM, Soreco AG [email protected]

Abbildung 1: Kommunikations- und Informationsflüsse zum Zustandekommen einer Entscheidung im öffentlichen Umfeld ohne aktives Prozessmanagement

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wonnen wurde. Einige würden auf die Kar-te «Lagerplatz» setzen. Andere würden das schnellere Auffinden von Dokumenten und Akten als Argument vorbringen. Von diesen Vorteilen hat womöglich die Ver-waltung etwas und eventuell auch der Steuerzahler. Im Hinblick auf den «Dienst-leistungsbetrieb öffentliche Verwaltung» allerdings ist nur wenig gewonnen. Viele Abläufe sind nicht oder nur marginal einfa-cher geworden, und die Interaktion mit der «Kundschaft» wird auch höchstens in An-sätzen unterstützt.

Von der funktionalen Sicht zur ProzesssichtEs gäbe aber auch noch andere Betrach-tungsweisen. Wenn man sich gedanklich von den singulären Funktionen der Appli-kationslandschaft der Verwaltung löst und die Aktivitäten und Prozesse ins Zentrum der Überlegungen stellt, dann ergeben sich alternative oder zusätzliche Anforde-rungen. Prozesse und Workflows wurden in den vergangenen Jahren stark von DMS- und ECM-Herstellern vereinnahmt, und es steht zu befürchten, dass manche Leserin, mancher Leser unter diesen Stichworten das simple Routing von Do-kumenten verstehen könnte. In dieser Ge-dankenwelt ist der Workflow eine Art Par-allelsystem zum E-Mail-Client. Herr A sendet Frau B ein Dokument mit der Bitte um Stellungnahme und Weiterleitung an Frau C. zur Genehmigung und Ablage im DMS. Das ist selbstverständlich ein Work-flow und auch ein Prozess. Allerdings han-delt es sich hier um die einfachste Ausprä-gung, deren Nutzen für die Organisation dem E-Mail-Verfahren nur marginal überle-gen ist.

Denkt man das Thema nun in einer Di-mension, in der die Wertschöpfung für die Organisation und die «Kundin» oder den «Kunden» im Zentrum steht, dann werden solche Prozesse plötzlich viel komplexer

und erreichen ein viel höheres Wertschöp-fungsniveau. Man stelle sich nur einmal einen relativ einfachen Vorgang wie eine Betreibung vor. Herr X hat seine Rechnun-gen bei der Firma ABC nicht bezahlt. Ak-tuell würde diese ein ausgefülltes Formular an das lokale Betreibungsamt senden und zugleich eventuell anfallende Gebühren überweisen. Nehmen wir nun an, bei der Überweisung wäre ein Versehen passiert und es wurden versehentlich zwei Franken zu wenig überwiesen. Mögliche Vorge-hensweisen wären nun, entweder dem Betreiber ein Schreiben zu senden, worin er aufgefordert wird, die zwei Franken zu überweisen. Die internen Kosten sowie anfallende Porto- und Bankkosten würden diese zwei Franken jedoch bei Weitem übersteigen. Es wäre aber auch möglich, die zwei Franken abzuschreiben oder ein-fach zu warten, bis das Geld von selbst eintrifft. Letzte Möglichkeit wäre es, die Betreibung zu beginnen und dem Konto des Betreibers einen Sollbetrag von zwei Franken zu belasten, der bei einer etwai-gen Pfändung einbehalten würde.

Allen genannten Vorgehensweisen ist ei-nes gemeinsam. Im wirtschaftlich besten Fall verzichtet das Betreibungsamt auf die zwei Franken. In allen anderen Varianten werden der entstehende Verwaltungsauf-wand und die anfallenden Fremdkosten den Betrag von zwei Franken wahrschein-lich übersteigen.

Ansatz zur ProzessorientierungWelche Alternativen wären nun denkbar? Man stelle sich folgendes Szenario vor: Der Betreiber kann im Webportal der Stadt oder Gemeinde den Bereich «Betrei-bungsamt» anwählen und sich dort regist-rieren. Hier erfasst er nun sein Betrei-bungsbegehren online und bekommt (wie in einem Internetshop) sofort angezeigt, welchen Betrag er für die Betreibung zu überweisen hat. Er kann womöglich sogar

gleich online mit seiner Kreditkarte oder einem anderen Online-Payment-Modell bezahlen. Wurde das Geld verbucht, än-dert der Betreiber den Status im Portal. Die Interaktion zwischen Betreibungsamt und Betreiber kann vollständig internetba-siert erfolgen. Der Betreiber wird als Kun-de verstanden und angesprochen und kann den Fortschritt seines Falles nach-vollziehen. Der Betreibungsbeamte hinge-gen muss die Daten nicht von einem Pa-pierdokument in seine Fachapplikation übertragen und bekommt zudem weiter-führende Informationen über den Betrie-benen (oder den Betreiber) direkt in seiner Bearbeitungsmaske angezeigt. So sieht er womöglich umgehend, dass der Betriebe-ne inzwischen verzogen oder verstorben ist oder weitere Betreibungsverfahren aus-stehen, sodass sich gewisse Prozessteile seinerseits womöglich zusammenfassen lassen (z.B. Versand der Abholungseinla-dung für die Betreibung).

Dies wäre ein möglicher Mehrwert aus Sicht eines Kunden sowie eines Amtes in der Stadt oder Gemeinde. Im Hinblick auf die angesprochenen Compliance-Anfor-derungen fallen nun andere Themen ins Gewicht. Im geschilderten Fall sind alle Aktivitäten vollständig nachvollziehbar und überwachbar. Es geht hier zum einen um die Überwachung von rechtlich relevanten Fristen. Zum anderen kann nachgewiesen werden, dass beispielsweise ein Doku-ment verspätet eingegangen ist, sodass es im Rahmen eines Konkurses bei der Verteilung der Konkursmasse nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Abbildung 2: Kommunikations- und Informationsflüsse in einem Prozess im öffentlichen Umfeld mit einem unabhängigen BPMS/Workflow

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L’E-Participation indissociable de l’E-Inclusion: «Living Labs», une démarche intégranteIno Maria Simitsek

L’E-Participation a trait au fonctionnement de la démocratie car elle est une forme de citoyenneté active. En quoi l’E-Partici-pation est-elle indissociable de l’E-Inclu-sion? Quels défis doit relever une E-Parti-cipation non exclusive? Telles sont les questions traitées dans l’article.

L’E-Participation désigne la mise à dispo-sition, à l’attention d’un large ensemble d’acteurs, d’infrastructures technolo-giques permettant d’accéder à des servi-ces collaboratifs en ligne. L’objectif est de permettre au plus grand nombre d’usagers de participer à des services publics en ligne. Son application est particulièrement adaptée dans les cadres législatifs et par-lementaires ou dans le contexte de l’E-Gouvernance. Moyen de construction du vivre ensemble, l’E-Participation est potentiellement un atout pour la démocra-tie. Comme tout objet technologique, elle comporte le danger de créer de l’exclusion. On peut dès lors se demander quels défis doit relever une E-Participation qui se veut inclusive et non exclusive? Serait-ce un défi d’accès ou un défi de formation?

Il est difficile d’ignorer que les usages de l’internet ont un impact global et transfor-mateur sur la société dans son ensemble.

Le cyberespace est un lieu où la culture participative n’a cessé de se développer. Avec l’ère du Web 2.0 (environnement participatif et communautaire, essentielle-ment basé sur un contenu créé par l’utili-

sateur), nous sommes passés d’un monde de consommateurs à un monde de créa-teurs d’information. Désormais, le natif du numérique façonne la culture. Sa partici-pation créative diversifie la culture et af-fecte la manière dont elle se développe et est comprise.

Nombreux sont les services innovants en ligne qui ont bouleversé le paysage économique. Créés par des entrepreneurs d’un genre nouveau, des natifs du numé-

Figure 1: Le Living Lab Harmonization Cube

Figure 2: Les 9 facettes du Living Lab Harmonizaton Cube

Ino Maria SimitsekTechnopédagogue – DIP GenèveMembre du projet Living Lab E-Inclusion – CTI/[email protected]

mise en place

durabilité

extensibilité

aspectsorganisationnels

aspectscontextuels

aspectstechnologiques

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rique doués et visionnaires, ils ont affaibli de grandes industries établies depuis longtemps comme celles de la musique, de la télévision et de la presse. La (contre-)culture numérique, culture de la collabora-tion et de la participation active, est aussi devenue la cause de l’abandon de façons de faire considérées comme établies et immuables. Dans le cyberespace, le rôle de l’usager a changé. Prendre en compte l’usager et travailler en synergie avec lui est devenu la condition nécessaire au suc-cès d’un service en ligne. Ceci aussi bien dans sa phase de création que tout au long de son évolution. L’internaute sous-tend une innovation devenue générative et ouverte.

L’introduction de technologies nouvelles a été de tout temps un processus à la fois créatif et destructeur. Cependant, ce qu’il y a de nouveau avec la révolution des technologies de l’information, c’est le fait de créer et de détruire sans prendre le temps de tenir compte des implications et des conséquences sur l’ensemble. Le basculement que nous vivons, celui d’une société de l’information vers une société

de l’innovation, met en évidence un nou-veau besoin: celui de la gouvernance comme garant du bien-être de l’ensemble. Sa mission est moins de dire ce qui doit être fait, que d’assurer un cadre global qui favorise l’émergence d’écosystèmes en réseau, dans lesquels la valeur est copro-duite et résulte non d’une action linéaire mais de l’interaction entre différents ac-teurs.

En poussant l’analyse, il apparaît qu’au-delà d’un problème d’accès ou d’un pro-blème d’acquisition de compétences TIC, le fossé numérique est en train de se transformer en fissure au sein même de la société. L’E-Inclusion1 a une dimension bien plus vaste que celle de l’exclusion à un bien technologique. Elle tend à devenir exclusion à la société dans son ensemble: exclusion à sa participation, exclusion à son façonnement, exclusion à sa progres-sion.

Pour relever le défi démocratique der-rière l’E-Participation, il convient de faire appel à des stratégies nouvelles, basées sur la participation des usagers, la co-création et la gouvernance. Les «Living

Labs2» ou environnements d’innovation ouverte sont d’autant plus intéressants qu’ils tentent d’intégrer de paire innova-tion technologique et innovation sociale. La démarche «Living Labs» vise à combler l’écart existant entre le développement technologique et l’appropriation de nou-veaux produits et services, en impliquant dès la phase de conception, une diversité d’acteurs apportant chacun ses compé-tences et sa vision de la problématique. Le «Living Labs Harmonization Cube»3 est un cadre de référence permettant de bien cerner les points essentiels à prendre en compte avant de se lancer dans une telle démarche. Ses composantes (faces et fa-cettes) constituent les thématiques essen-tielles à intégrer si l’on désire créer un «Li-ving Lab», le faire fonctionner dans l’esprit «Living Labs» et l’inscrire dans la durée.

1 http://www.ict-21.ch/com-ict/spip.php?article87.2 http://www.ict-21.ch/com-ict/spip.php?article84.3 http://www.e-babel.org/hypercube/CubeEnoll.html.

Figure 3: Structure du Living Lab Harmonizaton Cube

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Information Lifecycle Management: eine ganzheitliche Strategie für das Informations-managementSven Sauer, Iven Jainta

Daten und Dokumente müssen zeitnah und sicher verfügbar sein – wann, wo und in welchem Format auch immer sie ge - braucht werden. Um das Management von Informationen nach deren Relevanz für die Geschäftsprozesse über den ge- samten Lebenszyklus hinweg zu auto- matisieren, braucht ein Unternehmen eine strategische Planung. Der Artikel klärt darüber auf, was sich genau hinter dem Kürzel ILM verbirgt und wie sich der Lebenszyklus von Informationen verwal-ten lässt. Die Autoren empfehlen eine integrierte ILM-Strategie zur Steigerung der Effizienz in Unternehmen und geben Tipps zur Umsetzung.

Gründe für die Umsetzung von Information Lifecycle ManagementGesetzliche und regulatorische Bestim-mungen, das ungebremste Datenwachs-tum, neue Technologien und der weiterhin wachsende Kostendruck sind treibende Kräfte dafür, ein effektives ILM umzusetzen.

Zunächst bedingt das anhaltend hohe Datenwachstum in unterschiedlichsten Bereichen, zum Beispiel Customer Rela-tionship Management, E-Mail-Aufkommen oder Forschung und Entwicklung, die da-mit einhergehende Informationsflut besser zu steuern und die Lagerung der Daten zu optimieren. Einfach ausgedrückt: Eine grosse Menge «inaktiver» Daten in den Unternehmen verlangsamen die Systeme und «verstopfen» die Datenleitungen, wenn man sie nicht auslagert.

Hinzu kommen internationale sowie na-tionale gesetzliche und regulatorische An-forderungen (wie IAS, HGB, GoB, GDPdU, SOX und Basel II), die unterschiedlichen Anforderungen an Speicherart und Aufbe-wahrungsfristen für elektronische Informa-tionen stellen. Diese werden unter Um-ständen um unternehmensinterne oder branchenspezifische Vorgaben ergänzt. Da der Grossteil dieser regulatorischen Vorgaben technologieneutral ausgestaltet ist, bleibt bezüglich der technischen Um-setzung von ILM ein gewisser Gestal-tungsspielraum. In Zukunft wird der Um-fang ordnungsgemäss zu speichernder Informationen weiter erhöht und die Dauer der Aufbewahrungsfristen verlängert, so-dass die Anforderungen an die Speiche-rung von Informationen zunehmen. So wuchs 2008 das weltweite digitale Daten-volumen um etwa 487 Milliarden Gigabyte, laut einer Studie.1

Der in Unternehmen herrschende Kos-tendruck macht Kostenreduzierung zu ei-nem ständigen Thema. ILM stellt automa-tisierte Prozesse bereit, mit denen vorhandene Technologien optimal genutzt und dadurch Prozess-, Technologie- und Personalkosten verringert werden können. Zum Beispiel zeigte eine Befragung2, dass 84% der befragten Unternehmen weniger Zeit bei der Informationssuche benötigen – wodurch der Zugriff auf Informationen verbessert wird und somit Arbeitszeit spart. Folglich ermöglicht der ILM-Ansatz

dadurch schlankere und schnellere Pro-zesse und führt zu einer Reduzierung der Investitionskosten für Speichertechnolo-gien.

Neue innovative Speichertechnologien erweitern das klassische Speichermodell und beeinflussen die Optimierung des Storage-Managements. Die Herausforde-rung liegt darin, die einzelnen Speicherhie-rarchien (Onlinebereich, Festplattensyste-me, Nearline-Bereich) in Bezug auf Nutzen und Kosten optimal auszuschöpfen. ILM soll die Erreichung dieser Zielvorgabe un-terstützen.

Der Wert von InformationenBei der Betrachtung des gesamten Le-benszyklus der Informationen (von der Er-stellung über die Bearbeitung und Nut-zung bis hin zur Vernichtung) ist der Wert von Daten der wichtigste Aspekt. Je wich-tiger die Daten für ein Unternehmen und seine Prozesse sind, desto besser sollte ihre Verfügbarkeit geregelt sein und desto kostspieliger dürfen die geeigneten Spei-chertechnologien sein. Dazu muss der Wert der Daten bestimmt werden. Was nicht leicht ist, da die Wichtigkeit der Da-ten, deren Relevanz, sich im Zeitablauf stark ändert.

Dokumente, auf die selten zugegriffen und denen dadurch ein geringerer Wert zugewiesen wird, wie etwa Verträge, wer-den meist auf Langzeitspeichern ausgela-gert, um die vorhandenen Systeme nicht zu überlasten bzw. sie zu entlasten. Soll-ten die Informationen für die Geschäfts-prozesse allerdings wieder relevant wer-den, wie zum Beispiel im Fall einer Reklamation, einer Revision oder einer Steuerprüfung, ändert sich der Wert der Daten schlagartig: Je höher die Zugriffs-häufigkeit, desto grösser der Wert von In-formationen. Steigt die Wertigkeit, wie in zum Beispiel bei einer Reklamation, wer-den Informationen auf ein schnelles Medi-um verlagert. Damit sind sie auch schnel-ler verfügbar.

Umsetzung in fünf Schritten Erster Schritt mit Blick auf eine ILM-Stra-tegie ist die Kategorisierung der Daten und die Verknüpfung der Datentypen mit den Geschäftsregeln: Welche Daten müs-sen wie lange und nach welchen Anforde-

Iven JaintaProduct Marketing AnalystOPTIMAL SYSTEMS [email protected]

Sven SauerGründungsmitglied und CIOOPTIMAL SYSTEMS [email protected]

Kein Produkt, sondern ein KonzeptDer Begriff Information Lifecycle Manage-ment (ILM) bezeichnet kein Produkt, son-dern ein technologieunabhängiges Kon-zept für Langzeitarchivierung. ILM ist als eine Kombination aus Prozessen und Technologien zu verstehen, die elektroni-sche Informationen entsprechend ihrem Geschäftswert über ihre gesamte Lebens-dauer aktiv verwaltet.

Die Notwendigkeit, die richtigen Daten zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sicher und effizient verfügbar zu machen, ist nicht neu. Angesichts der Tatsache, dass der Wert der Information sich mit der Zeit ändert, empfiehlt sich der ILM-An- satz. Denn Kosten lassen sich senken, indem man Daten nach Zugriffshäufigkeit in eine entsprechende Speicherhierarchie schiebt.

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rungen gespeichert werden? Welche In-formationen müssen überhaupt und in welcher Form verfügbar sein?

Hier ist ein kontinuierlicher Optimie-rungsprozess notwendig. Die Kategorisie-rung hängt sowohl von Vorgaben wie dem Informationswert, den Sicherheitsanfor-derungen, den Compliance-Anforderun-gen oder den vereinbarten Service Level Agreements als auch von der vorhande-nen Speicherhierarchie und deren Kosten-struktur ab. Als Ergebnis dieses Prozes-ses werden Entscheidungen hinsichtlich der optimalen Speicherung der Informati-onsobjekte getroffen.

Zur Umsetzung des ILM-Konzepts und zur Integration in das jeweilige Geschäfts-modell wird eine Durchführung in fünf Pha-sen empfohlen:1. Die Speicherlandschaft des Unterneh-

mens wird untersucht, um die Daten auf den unterschiedlichen Speicherme-dien zu erfassen.

2. Die erfassten Speichermedien werden mit den Geschäftsprozessen abgegli-chen.

3. Daten werden klassifiziert. Den Infor-mationsobjekten wird ein Wert zuge-wiesen. Dieser kann zum Beispiel von der Zugriffswahrscheinlichkeit abhän-gig sein.

4. Automatisierung. Informationsobjekte werden entsprechend ihrer Klassifizie-rung und unter Berücksichtigung mög-licher Service Level Agreements (z.B. getroffene Vereinbarungen mit dem An-wender über die Zugriffsgeschwindig-keit auf bestimmte Informationen) auf einem adäquaten Speichermedium ge-speichert.

5. Die Automatisierungsprozesse werden in regelmässigen Abständen kontrol-

liert. Dabei wird überprüft, ob das Ge-schäftsmodell des Unternehmens und die Prozesse neu aufeinander abge-stimmt werden müssen.

ECM sorgt für ILM Häufig werden irreführend mit dem Begriff ILM Produkte von Storage-Anbietern verbunden. In der Praxis werden Spei-chersysteme allerdings meist nur zum «Weg lagern» von Daten verwendet, um Arbeitsplätze und Server zu entlasten. Da-bei ist das «Weglagern» (Speichern und Aufbewahren) nicht das Grundprinzip des Information Lifecycle Management, son-dern elektronische Daten automatisch zu kategorisieren und sicher, gesetzeskon-form und vor allem kostengünstig zu archi-vieren, um aus dem Datengrab eine leben-dige Informationsquelle zu machen. Die- se Ansprüche werden von Enterprise- Content-Management(ECM)-Systemen geteilt – und oft auch erfüllt.

ECM-Lösungen sind Technologien zur Erfassung, Verwaltung, Nutzung und Be-reitstellung von strukturierten und unstruk-turierten Daten. Dementsprechend sind sie in der Lage, den gesamten Lebenszyk-lus von Informationen zu unterstützen – von der Entstehung bis hin zur Archivie-rung und/oder Vernichtung.

Ziel ist es hier, das unternehmensweite Informationsmanagement zu beschleuni-gen und die Zusammenarbeit in Unterneh-men zu verbessern. Dabei wird auch die Erfüllung gesetzlicher Archivierungsvorga-ben, die sich zum Beispiel aus dem Sarba-nes-Oxley Act (SOX), Basel II oder den deutschen Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) oder aus Branchenrichtlinien er-geben, automatisch realisiert.

Das ECM-System verwaltet unter-schiedlichste Daten wie zum Beispiel E-Mails, Office-Dokumente oder auch In-formationen aus ERP-Umgebungen. Ent-sprechend frei definierbarer Regeln werden diese anschliessend auf den an-geschlossenen Speichersystemen mig-riert.

Da ECM-Hersteller keine eigenen Spei-chermedien mitliefern, ist eine Koopera-tion zwischen Storage-Anbietern und ECM-Spezialisten mehr als ratsam, um Anwendern umfassendere Lösungen aus einem Guss anzubieten, die ILM einfach möglich machen.

Somit stehen den Anwendern Technolo-gien zur Verfügung, die Daten automatisch regelbasiert analysieren und auf Archiv-speicher verlagern. Das ECM-System «begleitet» die Informationen während des gesamten Lebenszyklus. Unternehmen profitieren zusätzlich von der Verlagerung der Daten auf günstige Speichermedien und von niedrigen Kosten für die Adminis-tration. Für die Anwender bedeutet dies konkret, dass die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort dem richtigen Mitarbeitenden zur Verfügung stehen, und zwar auch noch unter der Be-dingung der Kostenminimierung und der Einhaltung der Compliance-Vorgaben.

Eine ECM-Software ist daher eine Kern-komponente der ILM-Strategie und hilft, diese umzusetzen.

Eine Informationsdrehscheibe für allesWill man das Management von Informatio-nen nach deren Wert oder deren Relevanz für die Geschäftsprozesse über den ge-samten Lebenszyklus hinweg automatisie-ren, implementiert man keineswegs ein Einzelprodukt. Vielmehr braucht man eine strategische Planung für ein integriertes Konzept – das ist mit ILM gemeint. Erst durch das Zusammenspiel der verschie-denen Prozesse wird der gesamte Le-benszyklus von Informationen von ihrer Entstehung bis zur endgültigen Vernich-tung unterstützt und abgebildet. Je früher man anfängt, den Datenbestand zu struk-turieren und zu konsolidieren, umso leich-ter fällt es. Jeder Schritt für sich bringt eine erhebliche Effizienzsteigerung bei den Unternehmensprozessen und eine Leis-tungssteigerung der Speicherinfrastruktur.

1 DC Digital Universe White Paper, Sponsored by EMC, May 2009-12-15: http://www.portel.de/nc/nachricht/artikel/38588-idc-studie-wachstum-des-digitalen-univer-sums-setzt-sich-rasant-fort/.

2 Durchgeführt von der Aberdeen Group (Making Sense of Unstructured Data, 2007).

Abbildung des vollständigen Information Lifecycle mit einer ECM-Suite

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Geodaten (fast) für die EwigkeitUrs Gerber, Krystyna W. Ohnesorge

Geodaten sind unverzichtbare Grundla-gen der Raumplanung und damit von E-Government.1 Für die Langzeitsiche-rung und Archivierung stellen sie eine grosse Herausforderung dar. Die Schweiz hat seit 2008 ein modernes Geoinforma-tionsgesetz (GeoIG)2, das zusam men mit dem Bundesgesetz über die Archivierung (BGA)3 die rechtli che Grundlage für die nach haltige Verfügbarkeit, Histori sierung und Archivierung von Geobasis daten bildet. Das Problem der Archivierung von Geo daten ist weltweit nur ansatz weise gelöst. Der Artikel beleuchtet die aktuel-len Frage stellun gen und thematisiert erste Lösungsansätze. Diese wer den zurzeit in einem gemein samen Projekt durch das Bundes amt für Landestopografie (swiss-topo) und das Schweizeri sche Bundesar-chiv (BAR) entwickelt. Der Artikel dis ku -tiert zudem die Frage der Harmonisierung von Geodaten auf Bundes-, Kantons- und Ge meindeebene.

Ohne Geodaten kein E-Government! Die Entwicklung hin zur Informations- und Wissensgesellschaft schreitet unaufhalt-sam voran. Die damit einhergehenden Veränderungen sind in grossen Teilen be-reits Realität geworden. In diesem Umfeld haben Geodaten und Geoinformationen eine grosse politische und wirtschaftliche Bedeutung. Sie bilden die Basis für Pla-nungen, Entscheidungen und Massnah-men in der Raumplanung, der Wirtschaft, der Wissenschaft oder auch im Privatbe-reich. Navigation, Landschaftsentwick-lung, Klimaänderung, Umweltmonitoring, Naturgefahrenprävention, raumbezogene Statistiken und Analysen – die moderne Gesellschaft ist auf Geoinformationen an-gewiesen. Geoinformation ist heute ein Wirtschaftsgut ersten Ranges. Primär ste-hen aktuelle Geoinformationen im Fokus. Vermehrt wird nun die Bedeutung von Geodaten in Zeitreihen erkannt, wodurch verschiedene Zustände der realen Welt, aber auch deren Veränderung sichtbar ge-macht werden können. Die Dokumenta-tion, nachhaltige Verfügbarkeit und Archi-vierung von Geodaten wird daher zu einer zunehmend wichtigen Aufgabe aller betei-ligten Akteure. Die Dokumentation der to-pografischen Landschaftsentwicklung der Schweiz gehört beispielsweise zum Ge-dächtnis der Schweiz und ist entspre-chend zu pflegen und langfristig zu si-chern.

Was sind Geodaten und Geoinformationen?Geodaten sind raumbezogene Daten, die mit einem bestimmten Zeitbezug die Aus-dehnung und Eigenschaften bestimmter Räume und Objekte beschreiben, insbe-sondere deren Lage, Beschaffenheit, Nut-zung und Rechtsverhältnisse.4

Geoinformationen sind raumbezogene Informationen, die durch die Auswertung oder Verknüpfung von Geodaten gewon-nen werden.5

Wir kennen Geodaten beispielsweise als Landeskarten, digitale Gemeindegrenzda-ten, digitale Luft- und Orthobilder, Na-mensdaten oder die Arealstatistik der Schweiz. Auf der Grundlage dieser Geore-ferenzdaten werden je nach (politischer) Fragestellung Fachdaten überlagert. So entstehen beispielsweise Aussagen zur

Landschaftsveränderung über einen be-stimmten Zeitraum, ein Landesforstinven-tar, Auswertungen und Illustrationen zum Gletscherrückgang und damit zur Klima-entwicklung, Analysen und Darstellungen von Siedlungs- oder Bauzonenentwicklun-gen.

Selbstverständlich sind auch die Wirt-schaft und die Tourismusbranche ange-wiesen auf Geodaten.

Dabei werden zum einen aktuelle Geo-daten benötigt. Um Entwicklungen über die Zeit verfolgen zu können, werden ver-mehrt digitale Geodaten in Form von Zeit-reihen verarbeitet. Zeitreihen werden aus einer zeitlichen Abfolge von Geodatensät-zen zur gleichen Thematik gebildet (Zeit-stände).

Geoinformationsgesetz und ArchivierungDie Schweiz verfügt seit 2008 über ein modernes Geoinformationsgesetz (Geo-IG). Dieses regelt umfassend alle Aspekte der Erfassung, Nachführung, Aufbewah-rung und Nutzung von Geodaten, die auf einer bundesgesetzlichen Grundlage ba-sieren. Das GeoIG verlangt, dass eigen-tümer- und behördenverbindliche Geoda-ten zu historisieren sind. Jede zuständige Stelle (nach Art. 8 Abs. 1 GeoIG) ist für die nachhaltige Verfügbarkeit ihrer Geobasis-daten verantwortlich. Dazu gehört auch die Archivierung der Geodaten. Seitdem raumbezogene Daten vermehrt und fast ausschliesslich digital erhoben und nach-geführt werden, stehen vorwiegend aktu-elle Datensätze im Vordergrund. Diesem Anspruch wurde lange alles untergeord-net. Dabei wurden oft ältere Geodaten ein-fach überschrieben. Mittlerweile setzt sich die Erkenntnis durch – und das GeoIG un-terstützt und fordert diese Entwicklung –, dass auch ältere Zeitstände und Zeitreihen aufbewahrt werden sollten (Historisie-rung).

Für die Archivierung der Geodaten beim Bund ist das Schweizerische Bundesar-chiv (BAR) zuständig (Bundesgesetz über die Archivierung, SR 152.1). Bei der Histo-risierung und Archivierung solcher Daten in den Kantonen respektive Staatsarchi-ven drängt sich nicht zuletzt aus betriebs-wirtschaftlichen Gründen eine Koordina-tion mit dem Bund auf.

Praxis – Schweiz

Urs GerberLeiter Grundlagen zum RaummonitoringBundesamt für Landestopografie [email protected]

Dr. Krystyna W. OhnesorgeChefin Ressort Innovation und ErhaltungSchweizerisches Bundesarchiv [email protected]

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59Praxis – Schweiz

Das BAR: Kompetenzen für digitale ArchivierungDas BAR ist das Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum des Bundes für nach-haltiges Informationsmanagement. Es ist aufgrund des Bundesgesetzes über die Archivierung (BGA) damit beauftragt, die Unterlagen des Bundes zu bewerten, zu sichern, aufzubewahren und zu vermit-teln. Dies gilt auch für Unterlagen in digi-taler Form. Um diesen Auftrag erfüllen zu können, hat das BAR im Rahmen der «Strategie des Bundesrates für eine In-formationsgesellschaft in der Schweiz» (1998) das Projekt ARELDA gestartet. Die erste Projektetappe von 2001 bis 2004 hatte einen explorativen und experimen-tellen Charakter; es wurden unter ande-rem eine Pilot infrastruktur für die Speiche-rung digitaler Unterlagen sowie eine Methodik zur softwareinvarianten Archi-vierung von relationalen Datenbanken (SIARD) entwickelt. In der zweiten Projek-tetappe von 2005 bis 2009 erfolgte die Entwicklung der Standardlösung; sie eta-bliert einen standardisierten Archivie-rungsprozess von der vorarchivischen Be-ratung über die Sicherung und Erhaltung bis zur Vermittlung der Unterlagen, der sowohl die organisatorische als auch die technische Dimension berücksichtigt. Das digitale Archiv wurde im Sommer 2009 in Betrieb genommen.

Die Bundeskanzlei und die Departe-mente stellen gemäss Bundesratsbe-schluss vom 23. Januar 2008 ihre Ge-schäftsabwicklung bis Ende 2011 vollständig auf eine elektronische Basis um. Verwaltungsdokumente und -daten entstehen dadurch zunehmend, später ausschliesslich, in digitaler Form. Dane-ben wird ein Grossteil administrativer, wis-senschaftlicher oder wirtschaftlicher Da-ten in Datenbanken aufbewahrt. Das BAR ist darauf vorbereitet und schon heute in der Lage, Standarddatentypen, zum Bei-spiel digitale Dossiers aus GEVER-Syste-men oder Datensätze aus relationalen Da-tenbanken, zu archivieren. Bis heute wurden über 250 digitale Ablieferungen (darunter 21 relationale Datenbanken) ar-chiviert.

Die Archivierung digitaler Unterlagen im BAR beruht auf folgenden Ansätzen: – Entkoppelung der Daten von spezifi-

schen IT-Umgebungen (Applikationen, Datenbank- und Betriebssystemen, Hardware)

– offene, standardisierte, möglichst gene-rische Umgebungen

– homogene Speicherinfrastruktur – Reduktion der Anzahl Dateiformate auf

wenige archivtaugliche Dateiformate – Migrationsverfahren

Was ist bei der Archivierung von Geodaten besonders?Geodaten werden in komplexen Geoda-tenmodellen beschrieben (Topologie, Be-ziehungen und Attribute). Ihre Erschei-nungsform ist unterschiedlich:– als Rasterkarten (z.B. gescannte Karten

als Hintergrund)– als Bilddaten (z.B. digitale Luft-/Satelli-

tenbilder, Orthofotos)– als Vektordaten (z.B. Landschaftsmo-

delle, Fachthemen als Ebenen als Grundlage für Analysen)

– als Höhenmodelle (Terrain- oder Ober-flächenmodelle)Raster- und Bilddaten haben relativ ein-

fache Formate. Jeder Raster- oder Bild-punkt enthält lediglich Farbinformationen. Rasterdaten führen jedoch je nach Auflö-sung rasch zu enormen Datenmengen (mehrere Hundert Gigabyte bis Terabyte).

Vektordaten sind mengenmässig kleiner, enthalten jedoch viel Zusatzinformation (Attribute) und können deshalb eine gro-sse Komplexität aufweisen (Verknüpfun-gen, Bedingungen). Vektordaten sind weitgehend massstabsunabhängig.

Höhenmodelle sind als Massenpunktda-ten, Matrix- oder Vektordaten ausgeprägt.

Geodaten werden zumeist in (proprietä-ren) Geografischen Informationssystemen (GIS) erfasst, gepflegt und verwaltet. GIS erlauben beinahe beliebige Verknüpfun-gen, umfassende Analysen und Darstel-lungsmöglichkeiten.

Die verschiedenen Typen von Geodaten werden in einer Vielzahl von oft proprietä-ren Datenformaten verwaltet und ausge-tauscht.

Die Dimension «Zeit» spielt, wie bereits erwähnt, eine zunehmend grössere Rolle in Form von Zeitständen und Zeitreihen. Dies führt erneut zu wachsenden Daten-mengen. Trotz abnehmenden Preisen für Speichermedien erwachsen daraus stei-gende Kosten. Migrationen in immer kür-zeren Zeitabständen, asynchron auf allen Ebenen (Daten, Datenmodelle, Geografi-sche Informationssysteme, Datenbank-managementsysteme, Betriebssysteme,

Hardware) gehören heute zu den wach-senden Herausforderungen der Geoinfor-mationswelt.

Es gilt, bei der Langzeitaufbewahrung und Archivierung diese vielfältigen Aspek-te zu berücksichtigen und zu meistern.

Archivierung von Geodaten – erste LösungsansätzeDas BAR und swisstopo führen zurzeit eine gemeinsame Vorstudie durch, um die wichtigen Aspekte der Archivierung und deren Abgrenzung zur Historisierung von Geoinformationen zu definieren. Damit soll die Grundlage für ein Globalkonzept für die Archivierung von Geodaten in der Bun-desverwaltung geschaffen werden. Ab Fe-bruar 2009 wurde in einer Reihe von Workshops eine wichtige Basis für diese Konzeption erarbeitet. Es fand ein inten-siver Informationsaustausch über alle rele-vanten Themen in Bezug auf Geoinfor-mationen respektive auf die digitale Archivierung statt (rechtliche Grundlagen, Terminologie, Lösungsansätze, Normen etc.).

Bei der Vorstudie werden Ämter der Bundesverwaltung, die über Geoinformati-onen verfügen, sowie auch kantonale Ver-waltungen (GIS-Stellen und Archive) sowie Gemeinden im Rahmen einer Beobachter-gruppe in die Arbeit eingebunden.

Noch fehlt eine umfassende, definitive Lösung, die alle Aspekte des Globalkon-zeptes, von der Nachführung, Historisie-rung über die nachhaltige Verfügbarkeit im Sinne des GeoIG bis hin zur Archivie-rung, berücksichtigt. Das BAR und swiss-topo wollen deshalb mit der gemein-samen Vorstudie folgende Ergebnisse erreichen:– Die Lösung soll nicht spezifisch nur für

swisstopo, sondern für die Bundesver-waltung insgesamt entwickelt werden.

– Es soll eine begründete, integrale Lö-sung für die nachhaltige Verfügbarkeit und die Archivierung gefunden werden.

– Archivierte, digitale Geodaten müssen (später) wieder in GIS integriert und be-arbeitet werden können.

Abbildung 1: Visualisierung von Entwicklungsszenarien der urbanen Stadtlandschaften, Auszug aus dem Kooperations-projekt der WSL mit dem Studienbereich Scientific Visualization der Zürcher Hochschule der Künste, ZHdK

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60 Praxis – Schweiz

Die Arbeit an der Vorstudie hat bereits erste Zwischenergebnisse geliefert. Diese befassen sich sowohl mit Fragen der Ar-chivwürdigkeit wie auch der Archivtaug-lichkeit von Geodaten.

Die archivische Bewertung (Selektion: Was soll archiviert werden und wie oft?) wurde als zentrale Fragestellung identifi-ziert. Das BAR bewertet Unterlagen mit-tels eines einheitlichen Vorgehens, anhand eines festgelegten Kriterienkatalogs; auf-grund der spezifischen Eigenschaften von Geodaten ist es jedoch notwendig, vorbe-reitende Schritte vor der eigentlichen Be-wertung durchzuführen (grundsätzliche Fragen über das Was, das Wie-oft und das Wie sowie eine erste Ausdünnung der Erzeugnisse). Dieses gesamte Vorgehen

wurde anhand der Geodaten von swissto-po durchgespielt und für grundsätzlich an-wendbar befunden. Eine Prüfung des Vor-gehens mit anderen Geodatenproduzenten der Bundesverwaltung ist im Gang.

Im Bereich der Aufbereitung von Geoda-ten für die Archivierung wurden die ersten realen Ablieferungsobjekte für Geodaten, sogenannte GEO-SIP (SIP = Submission Information Package gemäss OAIS-Refe-renzmodell) für GG25 (Gemeindegrenzen)6 und VECTOR25 (Landschaftsmodell der Schweiz)7 erstellt. Anhand dieser Prototy-pen kann das BAR gemeinsam mit swis-stopo die archivischen Anforderungen wie SIP-Struktur, geeignete Metadaten oder Formate für die Geodaten verstehen und überprüfen.

Darüber hinaus wurden folgende Er-kenntnisse gewonnen:– Geodaten lassen sich in einem SIP auf-

bereiten (offen: Standardmodelle für Struktur von Geodaten).

– Um die archivierten Geodaten nutzen zu können, müssen in einem SIP sowohl das Spezialwissen als auch das implizite Wissen als Hilfestellung dokumentiert werden (erforderlich: Review mit Nut-zenden aus der Geoinformationswelt).

– Es gibt diverse Quellen für Metadaten. Die Kunst wird es sein, die Schnittmen-gen zwischen den beiden Welten zu identifizieren (Mapping: Metadaten Ka-taloge GEO – ARCHIV vergleichen und festlegen).Eine weitere Herausforderung ist die

Festlegung von nachhaltigen Formaten für die Archivierung von Geodaten. Die Defini-tion dieser archivtauglichen Formate für Geodaten wird uns in den nächsten Mona-ten stark beschäftigen, denn wir müssen einerseits mit der Geo- und Archivgemein-schaft die möglichen Formate diskutieren und andererseits auch die Kriterien für die Festlegung der archivtauglichen Formate vonseiten des Archivs überprüfen und ge-gebenenfalls ergänzen.

Weitere Aktivitäten zur Lösung der ProblematikDie Arbeitsgruppe GIS der Schweizeri-schen Informatikkonferenz (SIK) hat 2009 eine Auslegeordnung zum Thema «Histo-risierung, nachhaltige Verfügbarkeit und Archivierung von Geodaten» erarbeiten lassen. Anlässlich einer Informationsver-anstaltung mit Hochschulen im Juli 2009 wurde beschlossen, ein Forschungspro-jekt für die zentralen Fragestellungen zu definieren. Im Vordergrund steht die Frage: Welche Geodaten sollen aus welchen Gründen in welchem zeitlichen Abstand archiviert werden? Die interes-sierten Dis ziplinen sollen gemeinsam an der Lösungsfindung beteiligt werden:

Infor mations- und Archivwissenschaften, Geoinformations- und IT-Wissenschaften zusammen mit Geodatenproduzenten und -anbietern und Archiven.

Fazit, Ausblick, Zusammen-fassungBei der Lösung der komplexen Aufgaben im Bereich der nachhaltigen Verfügbarkeit und Archivierung von Geodaten sind eine enge Kooperation und die Diskussion zwi-schen allen beteiligten Partnern unabding-bar. Der Wissensaustausch zwischen dem BAR und swisstopo einerseits und zwi-schen allen beteiligten Stellen (Bund, Kan-tone und Gemeinden) andererseits ist in dieser Phase überaus zentral und wird ak-tiv gefördert. Für die Vorstudie wurde be-wusst ein kooperatives Vorgehen gewählt, was sich sehr bewährt. Erarbeitete Lö-sungsansätze werden regelmässig zur Diskussion gestellt und können auf diese Weise laufend verbessert werden. In die-sem Sinne besteht bei allen Beteiligten die Zuversicht, die grosse Herausforderung erfolgreich zu meistern.

1 Unter den priorisierten Vorhaben der E-Government-Strategie Schweiz (http://www.egovernment.ch/dokumente/katalog/E-Gov-CH_Katalog_2009-05-18_D.pdf; Zugriff: 12.11.2009) finden sich zwei Projekte zu Geoinformation, die über das Programm e-geo.ch (http://www.e-geo.ch) geführt werden:

– «Schweizweiter, einfacher und vernetzter Zugang zu Geobasisdaten, Geodiensten und interaktiven Kartenanwendungen durch ein nationales schweizerisches Geoportal» (A1.14)

– «Organisation zur Erarbeitung einer nationalen Geodateninfrastruktur NGDI» (B1.10).

2 SR 510.62, Bundesgesetz über Geoinformation vom 5. Oktober 2007 (Geoinformationsgesetz, GeoIG).

3 SR 152.1, Bundesgesetz über die Archivierung vom 26. Juni 1998 (Archivgesetz, BGA).

4 Art. 3 Abs. 1 Buchst. a GeoIG. 5 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b GeoIG. 6 GG25 (Gemeindegrenzen 25) enthält die Landes-,

Kantons-, Bezirks- und Gemeindegrenzen der Schweiz in vektorieller Form (http://www.swisstopo.admin.ch/internet/swisstopo/de/home/products/landscape/gg25.html).

7 VECTOR25 ist das digitale Landschaftsmodell der Schweiz, welches inhaltlich und geometrisch auf der Landeskarte 1 : 25 000 basiert (http://www.swisstopo.admin.ch/internet/swisstopo/de/home/products/landscape/vector25.html).

8 Die Studie wurde erarbeitet von der Firma INFRAS (Christine Najar und Roman Frick).

9 Die SIK-GIS ist eine Fachgruppe der Schweizerischen Informatikkonferenz http://www.sik-gis.ch/web.

10 Der Titel der Studie lautet «Historisierung, nachhaltige Verfügbarkeit und Archivierung von Geoinformation. Eine Auslegeordnung».

11 SR 510.62, Bundesgesetz über Geoinformation vom 5. Oktober 2007 (Geoinformationsgesetz, GeoIG).

Geoinformationen heute und in Zukunft – Archivierung und nachhaltige Verfügbarkeit

Eine Studie8 im Auftrag der SIK-GIS9,10�

Im Rahmen des Geoinformationsgesetzes� wird die Historisierung, nachhaltige Verfügbarkeit und Archivierung von Geobasisdaten nach Bundes-recht geregelt. Geoinformationen sind im Vergleich zu anderen digitalen Unterlagen ungleich komplexer und waren in den letzten Jahren grossen technischen Entwicklungen unterworfen. Dies wirkt sich auf die Archivierung aus: Erste Lösungsansätze müssen in Pionierpro-jekten weiterentwickelt werden. Die Studie macht eine Auslegeordnung über das komplexe Thema in den Bereichen – Grundverständnis– Benutzerbedürfnisse– Organisation/Koordination– technische Umsetzung– Kosten und FinanzierungDie Definition und Abgrenzung von zentralen Begriffen schafft ein Grundverständnis in den verschiedenen Fachwelten, die zum Teil immer noch mit unterschiedlichen Grundlagen und Ausprägungen operieren.Mithilfe von Interviews zur Erhebung von Benutzerbedürfnissen sowie Literaturrecherche können die Nutzniesser von Zeitreihen identifiziert und Nutzerkategorien gebildet werden.Wichtig sind insbesondere die Organisation und Aufgabenverteilung bei der Historisierung, nachhaltigen Verfügbarkeit und Archivierung der Daten. Auch die Abläufe und Prozesse müssen untersucht und klare Schnittstellen festgelegt werden.Die Studie würdigt bestehende Ansätze bei der technischen Umsetzung und internationale Trends der Modellierung sowie Standardisierung von Geodatenformaten. Die unterschiedlichen Ansprüche zwischen der «Archivierungswelt» und der «Geowelt» werden offengelegt. Die Studie untersucht auch die anfallenden Kosten und ihre Verteilung. Die Studie legt so insgesamt eine wichtige Grundlage für die Diskussion zwischen der digitalen Archivwelt und der Geowelt; sie ist unter folgendem Link herunterladbar: www.sik-gis.ch/web/doku/SIK-GIS-Studie-Archivierung.pdf

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Praxispartner

Forschungspartner Medienpartner

Informationen zum Partnerschaftskonzept des Kompetenzzentrums Public Management und E-Government unter www.e-government.bfh.ch/praxispartner

Wir danken unseren Partnernfür die freundliche Unterstützung der Fachzeitschrift «eGov Präsenz», der Tagungen eGov Fokus und des eGov Newsletters

Berner FachhochschuleKompetenzzentrum Public Managementund E-Government

swiss business software since 1988

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63Praxis – Schweiz

Informationsmanagement und Langzeit-aufbewahrung digitaler Informationen im GemeindeumfeldLukas Fässler

Der Verein Schweizerische Städte- und Gemeinde-Informatik SSGI erarbeitet für seine über 290 Städte und Gemeinden ein Grobkonzept für das Informationsma-nagement und die Langzeitaufbewahrung inklusive historischer Archivierung digi- taler Informationen. Den Gemeinden soll damit ein Werkzeugkasten mit Grundla-gen zur Verfügung gestellt werden, die zur Sicherstellung der Informationsqualität im ganzen verwaltungsbezogenen Lebenszyklus dienen.

EinleitungRecords Management ist eine zukunfts-trächtige Querschnittsfunktion im Grenz-gebiet zwischen Organisationslehre, Betriebswirtschaft, Recht, Qualitätsma-nagement, Archivistik, Informationsma-nagement und Wirtschaftsinformatik. Die explosionsartige Zunahme von Informatio-nen, neue gesetzliche Anforderungen an die Datenhaltung, Beweistauglichkeit, Au-thentizität und Identität sowie die Repro-duzierbarkeit digitalisierter Daten und schliesslich die langzeitorientierte Archi-vierung erfordern eine straffe Organisation der Informationsverwaltung und eine effi-ziente Nutzung der vorhandenen Ressour-cen in der öffentlichen Verwaltung, vorab auch im kommunalen Umfeld.

Die E-Government-Strategie Schweiz (www.egovernment.ch) wird in den kom-menden Jahren zunehmend die Einfüh-rung von medienbruchfreien Transaktions-prozessen zwischen Unternehmen/Bür- gerinnen und Bürgern, Gemeinden, Kan- tonen und dem Bund erfordern. Dies bedingt auf der Gemeindeseite eine Neu-ausrichtung der Prozesse für den elektro-nischen, medienbruchfreien Informa-tionsaustausch über die verschiedenen Hierarchiestufen hinweg.

Anforderung für GemeindenDigitale Informationsverwaltung durch Ein-satz von Recordsmanagement-Systemen mit Funktionalitäten wie digital unter-stützten Registraturplänen, Versionierung, Klassierung, Klassifizierung sowie Sicher-stellung automatisierter Aufbewahrungs-fristen, Sicherstellung von Beweis- und Revisionstauglichkeit von digitalen Infor-mationen mit Geschäftsrelevanz sowie deren automatisierte Ablieferung in die historischen Langzeitarchive auch auf kommunaler Ebene zur Grundvorausset-zung des nachhaltigen und effizienten In-formationsmanagements, insbesondere wenn der digitale Geschäftsverkehr mit Bürgerinnen, Bürgern sowie den Unter-nehmen Einzug halten wird.

Vorarbeiten des Vereins SSGIDiese Herausforderungen treffen die kom-munalen Körperschaften (Gemeinde und Stadt) gleichermassen und unabhängig ih-rer Grösse und Aufgabengebiete. Es ist

deshalb nicht angezeigt, dass nun jede Gemeinde diese Herausforderung indivi-duell angeht und individuell löst. Der Ver-ein SSGI1 will mit der Initialisierung erster Grobkonzeptarbeiten massgeschneiderte und möglichst standardisierte Grundlagen aufbereiten und seinen Mitgliedern zur Umsetzung und Implementierung bereit-stellen. Dadurch soll mittelfristig im Be-reich des (digitalen) Informationsmana-gements auf Kommunalebene eine Ver einheitlichung der Prozesse und Tech-nologien erreicht werden. Der Verein SSGI hat sich daher zum Ziel gesetzt, ein an bieterneutrales Grobkonzept für ein stan dardisiertes, kommunales Records-Management-System (RMS) sowie ein nachgelagertes Archivinformationssystem (AIS) im kommunalen Umfeld bis Spät-herbst 2010 zu entwickeln, das von den einzelnen Gemeinden einfach übernom-men und adaptiert werden kann.

Im Jahre 2010 wird der Verein SSGI ei-nen Pilotversuch starten und im Rahmen eines internen Wettbewerbs unter mindes-tens zwei Gemeinden die Realisierung erster Meilensteine des digitalen Infor ma-tionsmanagements vorantreiben. Es wer-den insgesamt rund 5 Zielsetzungen (Ab-bildung des digitalen Registraturplanes, digitale Dossierbildung mit notwendigen Metadatenangaben [z.B. Gesetzliche Auf-bewahrungsfrist, Ablieferungswürdigkeit an das Gemeindearchiv etc.], Berechtig-tenkonzept bis auf Dossierebene, Mög-lichkeit der digitalen Signierung inkl. Zeitstempeleinsatz für Dossiers resp. ein-zelne Dokumente [Sicherstellung der Be weis- und Revisionstauglichkeit], Auto-matisie rung der Ablieferung an das Ge-meindearchiv mit Darstellung der Schnitt-stellenfunktion) vorgegeben, welche im Wettbewerb gegeneinander bis Spät-herbst 2010 aufzuzeigen sind. Anschlie-ssend werden die Ergebnisse gegeneinan-der ausgewertet und für eine allfällige gemeinsame Ausschreibung eines RMS und AIS durch den Verein SSGI verwen-det.

Weiterführende Informationen finden Sie unter www.ssgi.ch/Arbeitsgruppen/ArG Records-Mgmt/Langzeitarchive.

1 Weiterführende Informationen unter: www.ssgi.ch.

Lukas FässlerRechtsanwalt und InformatikexpertePräsident des Vereins [email protected]

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64 Praxis – Schweiz

Die Einführung der elektronischen Geschäfts-verwaltung (GEVER) im Eidgenössischen Depar-tement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) Jan P. Beekman, Bärbel Förster

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat vier Direktionen (Politische Direktion [PD], Direktion für Völkerrecht [DV], Direktion für Ressourcen [DR] und die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit [DEZA]) und das Generalsekretariat (GS). Das EDA beschäftigt insgesamt ca. 3600 Mit-arbeitende im Inland und in ca. 140 Län-dern des Aussennetzes (diplomatische und konsularische Vertretungen der Schweiz sowie Kooperationsbüros für Entwicklungszusammenarbeit).

Grundlagen und ZuständigkeitenDie gesetzlichen Grundlagen regeln die Trennung der Verantwortlichkeiten und der Aufgaben in den verschiedenen Organisa-tionen in der Bundesverwaltung für die GEVER.

Die Strategie und die GEVER-Policy als Statement für ein einheitliches Vorgehen des EDA verankern diese gesetzlichen Grundlagen für GEVER im eigenen Depar-tement.

Die operationellen Grundlagen regeln die Umsetzung der GEVER im EDA. Die Orga-nisationsvorschriften als verbindliche Spiel-regeln für die Geschäftsverwaltung im gan-zen EDA werden im Rahmen der Projekte erarbeitet und abgenommen. Die Anwen-dungsgrundsätze DMS/GEVER beinhalten die geltenden Regeln für die Dokumenten- und Geschäftsverwaltung in den einzelnen Organisationseinheiten (OE) aller Direktio-nen des EDA. Sie werden ebenfalls im Rah-men dieser Projekte ausformuliert und von den Führungsverantwortlichen jeder einzel-nen Organisationseinheit verabschiedet.

Die Verantwortlichkeit für die GEVER im EDA ist durch die Schaffung eines Kompe-tenzzentrums seit dem 1. Januar 2009 zentral geregelt. Dieses Kompetenzzent-rum leitet das Einführungsprojekt, berät die Anwenderinnen und Anwender, konsoli-diert die erwähnten Grundlagen und sichert die gesamte Qualität der Aktenverwaltung und Geschäftsverwaltung im EDA.

Stand Einführung Dokumenten- und RecordsmanagementDie Einführung des DMS im EDA bildet die Basis für die Umsetzung des Bundesrats-beschlusses vom 23. Januar 2008 zur Einführung der GEVER bis 2011. Das EDA hat in Vorprojekten entschieden, dazu die Standardsoftware Fabasoft eGov-Suite CH einzusetzen.

Bei der Einführung des Dokumentenma-nagements liegt der Fokus neben der sys-tematischen Erstellung, Bearbeitung und Verwaltung von geschäftsrelevanten, elekt-ronischen Dokumenten auf dem Records-management. Das bedeutet die Abbildung und Bewirtschaftung eines geschäftsbezo-genen Ordnungssystems für Verwaltungs- und Organisationseinheiten (inkl. Aufbe-wahrungs- und Vernichtungsplanung).

Das Projekt DMS-EDA hat das Ziel, bis Ende 2009 die eingesetzte Geschäftsver-waltungssoftware im EDA Inland flächen-deckend einzuführen, alle Mitarbeitenden zu befähigen, mit dieser Software zu ar-beiten sowie die notwendigen Grundlagen (Organisationsvorschriften für das Depar-tement, Anwendungsgrundsätze für jede Organisationseinheit jeder Direktion und der Mission Genf) zur Vorbereitung auf die Einführung GEVER zu erarbeiten. Damit ist die technische und organisatorische Basis für die Einführung GEVER ab 2010 gelegt.

Das im Januar 2009 neu geschaffene Kompetenzzentrum DMS wurde mit der Leitung des Einführungsprojektes DMS-EDA betraut und ist unter anderem dafür verantwortlich, dass die verwendete Ge-schäftsverwaltungssoftware im EDA Inland angewendet werden kann, sich laufend bedarfsgerecht verbessert und standar-disiert weiterentwickelt wird.

Das schrittweise Vorgehen bei der Ein-führung des DMS ermöglicht eine bedarfs-gerechte Einführung. Für die Organisa-tionseinheiten bedeutet dies, dass sie den Zeitpunkt der Einführung mitbestim-men, vom Wissensvorsprung der Regist-raturen profitieren und sicher sein können, dass alle Erkenntnisse und Erfahrungen zu Verbesserungen führen.

Das einheitliche Vorgehen bei der Ein-führung in allen Organisationseinheiten ge-währleistet ein gemeinsames Niveau, auf das die zweite Stufe der Einführung GEVER mit Geschäftsprozessen und Geschäfts-controlling aufbaut.

EinführungsmethodikDie Einführungsmethodik im EDA besteht aus insgesamt vier Komponenten. Vor der Aufschaltung auf das System finden Ein-führungspräsentationen, Workshops und Schulungen statt. Nach der Aufschaltung werden Begleitung und Support gewähr-leistet.

Die Einführungspräsentation und die Schulung sind für alle Mitarbeitenden gleich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter werden dadurch befähigt, das DMS allgemein einzuordnen und die wichtigsten für die Einführung notwendigen Grund-funktionen der Software zu nutzen. Erst

Die Einführung von GEVER im EDA-Inland ist voraussichtlich bis Ende 2011 geplant und folgt der flächendeckenden Einfüh-rung des Dokumenten Management Sys-tems (DMS).

Die Einführung von GEVER im EDA-Aus-land wird erst danach in Betracht gezo-gen.

Die Einführung eines so umfangreichen Systems mit einem direkten Einfluss auf die Tätigkeiten und Arbeitsmethoden der meisten Mitarbeitenden hat nebst den technischen Herausforderungen weitge-hende organisatorische Konsequenzen. Eine erfolgreiche und effiziente Einführung benötigt deshalb Grundlagen auf gesetz-licher, strategischer und operationeller Stufe. Für eine einheitliche Einführung im Departement bedarf es einer zuständigen Organisationseinheit, die mit der Einfüh-rung beauftragt wird und die Qualität der Aktenführung und der GEVER sicherstellt.

Jan P. BeekmanBereichsleiter Logistik, Mitglied der Geschäftsleitung Direktion für Ressourcen DR, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [email protected]

Bärbel FörsterLeiterin Sektion Geschäftsverwaltung und Archivierung, Stv. Bereichsleiterin Logistik, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA [email protected]

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65Praxis – Schweiz

wenn die zwei Module dieser generischen Schulung abgeschlossen wurden, werden die Mitarbeitenden auf das System aufge-schaltet.

Im Workshop werden die Anwendungs-grundsätze für die Einführung des DMS erarbeitet. Diese sind organisationsspezi-fisch und dienen als konkrete Grundlage für die Einführung in der einzelnen Organi-sationseinheit.

Nach der Aufschaltung kommen die Supportstrukturen zum Tragen. Diese ge-währleisten den Benutzenden eine beglei-tete erste Anwendungsphase und danach eine laufende Unterstützung.

Die zuständige Registratur für die Organi-sationseinheit begleitet die einzelnen Mitar-beitenden in den ersten Tagen sehr intensiv, sodass Fragen umgehend geklärt und Pro-bleme gelöst werden können und sie ihre tägliche Arbeit «hands-on» erlernen. Auf diese Weise können die Mitarbeitenden Er-fahrungen mit der Nutzung des Systems und mit den Abläufen in ihrer täglichen Ar-beit sammeln. Danach sind die Mitarbeiten-den der Kanzleien die direkten Ansprech-stellen für alle DMS-relevanten Fragen (1st Level Support) und werden diese beantwor-ten, weiterbearbeiten oder wenn nötig wei-terleiten (2nd Level Support).

Die Einführung des DMS ist der erste Schritt zur Einführung von GEVER im EDA und ist bis Ende 2009 abgeschlossen. Mit der Einführung des DMS im EDA-Inland ist die Grundlage für die Einführung von GE-VER gelegt.

Ausblick Einführung GEVERGEVER wird auf Stufe Bund durch das Programm GEVER Bund koordiniert. Die im EDA existierende Anwendungsplatt-form für DMS entspricht dem Bundesstan-dard und beinhaltet alle Funktionalitäten einer GEVER. Ziel der Einführung von GE-VER wird es sein, diese Funktionalitäten für das EDA nutzbar zu machen. GEVER ermöglicht dem EDA eine nachvollziehba-re und übergreifende Steuerung und Erle-digung von Geschäften in einem dynami-schen technischen Umfeld, setzt sich aus verschiedenen Funktionalitäten zusam-men und hat Schnittstellen zu anderen Applikationen.

Diese finden sich vor allem im Bereich der Aussonderung, das heisst der Ange-bote und Ablieferungen an das EDI/ Bun-desarchiv, sowie der Vernichtung aus-gesonderter Unterlagen. Zunehmende Bedeutung erlangt der Bereich der Colla-boration, das heisst eines Dokumenten-managements mit hoher Flexibilität. Das EDA verfügt über verschiedene Plattfor-men dieser Art. Die Definition von Stan-dardschnittstellen sollte angestrebt und in die Anwendungsapplikationen implemen-tiert werden.

Bei der Einführung von GEVER liegt der Fokus im Bereich Workflow/Business Pro-cess Management (Prozessführung), das heisst der systematischen Steuerung und Überwachung von Geschäftsprozessen.

Bei der Einführungsmethodik werden zwei Arten von Prozessen unterschie- den. Die organisationsübergreifenden Ge-schäftsprozesse mit hoher strategischer Bedeutung für Departement/Direktion wer den definiert und standardmässig ein-gesetzt, um Nachvollziehbarkeit und Trans parenz bestmöglich zu sichern. Die organisationsinternen Geschäftsprozesse mit hoher operationeller Bedeutung für einzelne Benutzergruppen entstehen nach Bedarf und zeichnen sich durch Flexibilität und Selbstverantwortung aus. Bei den or-ganisationsübergreifenden Geschäftspro-zessen erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem Projekt «Überdepartementale Ge-schäftsprozesse» des Programms GEVER Bund, da es sich hier um zentrale Prozes-se bei Bundesratsgeschäften und Ämter-konsultationen handelt.

Entsprechend zum DMS wird GEVER im EDA über ein Projekt in verschiedenen Phasen (HERMES) eingeführt.

Abbildung 1: Quelle: Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten, Direktion Ressourcen und Aussennetz, Bereich Betrieb und Logistik, 2009

Abbildung 2: Bundeskanzlei, Programm GEVER Bund, 2009

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Dokumentenmanagement und Langzeit-archivierung – es besteht Handlungsbedarf Rudolf K. Spiess und Isabelle Grünig

Der Einsatz von Computern im Bürobe-reich ist längst eine nicht mehr wegzu-denkende Tatsache. Vergessen sind die alten Zeiten, als Büroangestellte sich noch gegen die Einführung neuer Techno-logien wehrten und sich für den Erhalt ihrer Schreibmaschinen und der ersten Textautomaten mit Zeilendisplay ein-setzten. Täglich, stündlich, beinahe schon im Minutentakt produzieren wir Doku-mente, Briefe, Protokolle, Aktennotizen, elektronische Nachrichten – und all dies landet nicht nur als Originaltext beim betreffenden Empfänger, sondern als erster Entwurf, überarbeitete Version, Originaltext und Orientierungskopie bei verschiedensten Adressaten, natürlich elektronisch, als digitales Dokument, das von allen in ihren jeweiligen Filesystemen sorgfältig abgespeichert wird.

gingen, ohne diese mit neuen zu ersetzen. Denken wir dabei an das frühere Erstellen von Briefkopien mittels einer vorgegebe-nen Anzahl von Durchschlägen, teils in verschiedenen Farben, wobei jeder Farbe eine bestimmte Funktion zugewiesen wur-de: die weisse Kopie ins Kundendossier, die gelbe ins Archiv, die blaue zur Informa-tion an die Direktion. Und heute? Wir müs-sen wieder klare Regeln definieren, nach denen Daten gezielt aufzubewahren, zu vernichten oder im Langzeitarchiv zu ar-chivieren sind.

Gespeichert ist nicht archiviertWeitverbreitet ist die Meinung, abgespei-cherte Dokumente und Daten seien gut aufbewahrt und schon so gut wie archi-viert und die modernen Suchmöglichkei-ten würden auch bei ungeordneter elekt-ronischer Ablage das Auffinden garantieren. Da man ja mehr als nötig ab-gespeichert hat, wird man sicher irgendet-was wieder finden. Ob das aber der recht-mässigen Nachvollziehbarkeit eines Geschäfts genügt? Die Anforderungen an die «Compliance», an die Gesetzeskonfor-mität, werden tendenziell steigen. Hinzu kommt, dass viele abgespeicherte Doku-mente beliebig weiter veränderbar sind. Die Schlussfolgerung ist bitter, aber klar: Die elektronischen Speichermöglichkeiten erwecken bei vielen Computeranwende-rinnen und -anwendern den irrtümlichen Eindruck, ihre Dokumente und Daten seien elektronisch archiviert; die willkürli-che Abspeicherung kann allerdings weder die Anforderungen der gesetzlichen Auf-bewahrungsfrist noch diejenige der histo-rischen Langzeitarchivierung erfüllen.

Auch die Papierablage genügt nicht mehrSeit 2006 können auch elektronische Da-ten als gerichtliche Beweisstücke gelten. Trotzdem gilt beispielsweise in der Verwal-tung der Stadt Biel nach wie vor die ge-setzliche Aufbewahrung in Papierform. Sind wir damit auf der sicheren Seite und genügend «compliant»? Keineswegs! Längst decken Papierdokumente einen Geschäftsprozess nicht mehr vollumfäng-lich ab. Mit den heute gängigen elektroni-schen Kommunikationsmitteln wie E-Mail, elektronischer Kurznachricht (SMS) oder

Faxservern sowie der Konvergenz zwi-schen Computer- und Telekommunika-tionssystemen muss man davon ausge-hen, dass eine Papierablage nicht mehr eine vollständige Geschäftsdokumenta-tion aufweist. Alte Regeln funktionieren nicht mehr, und neue sind noch ungenü-gend! Der Handlungsbedarf ist ausgewie-sen. Doch was ist zu tun?

ECM als LösungsansatzUnter dem Begriff Enterprise Content Ma-nagement (ECM) fassen wir das Bewirt-schaften von Dokumenten und Daten über den Entstehungs- oder Erfassungspro-zess bis zur definitiven Archivierung zu-sammen. Im Rahmen einer ECM-Strategie hat die IKT-Abteilung der Stadt Biel damit begonnen, eine ECM-Plattform im Re-chenzentrum bereitzustellen. Darauf wer-den erste ECM-Teilprojekte realisiert, wie etwa die bereits vor einigen Jahren einge-führte elektronische Archivierung von ERP-Daten im Rechnungswesen. Gegen-wärtig wird ein Projekt für die elektroni-sche Archivierung der E-Mails realisiert. Daneben laufen Projekte für die Einfüh-rung einer Geschäftskontrolle und das Do-kumentenmanagement.

Bei allen ECM-Vorhaben wird deutlich, dass es sich nicht lediglich um technolo-gisch anspruchsvolle Projekte handelt, sondern der organisatorischen Seite und der Gestaltung des Geschäftsprozesses grosse Bedeutung zugemessen werden muss.

Mit der ECM-Plattform sind wir tech-nisch in der Lage, Abteilungen, denen ihre Fachanwendung keine entsprechende Funktionalitäten zur Verfügung stellt, ein Dokumentenmanagementsystem, work-flowunterstützt und dossierorientiert, zur Kontrolle ihrer Geschäfte anzubieten. Ein-zelnen Abteilungen auf ihren Fachbereich zugeschnittene Lösungen zur Verfügung zu stellen, genügt allerdings nicht. Zahl-reiche Geschäfte werden von mehreren Abteilungen bearbeitet, weshalb die Workflowunterstützung übergreifend den ganzen Geschäftsprozess erfassen muss. Wie wollen wir dies erreichen?

Die IKT-Strategie der Stadtverwaltung sieht vor, dass die Anforderungen an die Unterstützung der Geschäftsprozesse mit den Funktionalitäten der ECM-Plattform

Der Weg ins ChaosDie vermeintlich lückenlose Abspeiche-rung ist in Tat und Wahrheit ein Chaos. Entdeckt wird dies, wenn es darum geht, einen Geschäftsvorfall nach einiger Zeit wieder zu rekonst ruieren. Welches war nun eigentlich das Original? Welches die gültige Version? Wie kann die Nachvoll-ziehbarkeit der Geschäftsprozesse sicher-gestellt werden, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nebst den erwähnten Dokumenten auch ein Mailverkehr, eine per Chat übermittelte Antwort oder ein Te-lefongespräch von Bedeutung sein kann?

Die Entwicklung weg von alten Aufbe-wahrungs- und Informationsregeln hin zum Einsatz neuer Computertechnologien vollzog sich schleichend. Und es wurde kaum beachtet, dass alte Regeln verloren

Rudolf K. SpiessLeiter Informatik und LogistikStadt [email protected]

Isabelle GrünigStellvertretende Leiterin Informatik und LogistikGesamtleiterin ECM-ProjekteStadt [email protected]

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zu erfolgen hat – technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit vorausgesetzt:

Die Kernprozesse der Verwaltung sollen integriert und medienbruchfrei unterstützt werden können. Eines wird klar: Das Ver-ständnis für ein Geschäft darf nicht an der Abteilungsgrenze enden, sondern muss auf den gesamten Prozess ausgedehnt werden – Umdenken ist gefragt!

Dabei muss auch sichergestellt werden, dass über die Bewirtschaftung von geeig-neten Metadaten elektronisch aufbewahr-te Dokumente und Daten im Verlauf ihrer Lebensdauer systematisch aufbewahrt, verdichtet und gelöscht werden, sodass letztendlich die historisch relevanten Ob-jekte für das Stadtarchiv übrig bleiben.

Wie gehen wir vor?Nebst dem Bereitstellen der technischen Infrastruktur und der Realisierung einzel-ner Teilprojekte im Rahmen von «Quick Wins» gilt es in erster Linie, neue Regeln und Richtlinien zum Umgang mit ge-

schäftsrelevanten Daten zu formulieren, welche die heutige Arbeitsweise und die elektronische Unterstützung der Ge-schäftsprozesse berücksichtigen. Da die Arbeitsweise morgen wahrscheinlich be-reits nicht mehr der heutigen entspricht, besteht an die neuen Regelungen der An-spruch eines stadtweiten Orientierungs- und Ordnungssystems, das zugleich fle xibel und skalierbar und somit zukunfts-tauglich ist.

Die Autonomie der Fachabteilungen bei der Festlegung ihrer Registraturpläne und die noch aus der Karteikastenzeit vertrau-te, organisationsorientierte Bearbeitung von Geschäften sind dabei eine zusätzli-che Herausforderung.

Im Rahmen der Einführung einer neuen Softwarelösung für die Geschäftsverwal-tung der Stadtkanzlei werden wir diese Thematik intensiv bearbeiten. Es gilt, ei-nen allgemein gültigen Registraturplan zu definieren, die zwingend notwendigen Me-tadaten, die als Kern für die gesamte Ver-

waltung Gültigkeit besitzen, zu erarbeiten sowie die notwendigen Richtlinien zum Umgang mit elektronischen Akten zu er-lassen. Voraussetzung ist, dass bereits bei der Erstellung eines Dokumentes die Attri-bute zu dessen Lebenszyklus hinterlegt werden; nur so kann eine kontrollierte In-formationsverdichtung sichergestellt wer-den.

Auf lange Sicht werden wir dem Daten-chaos einzig begegnen können, wenn wir sicherstellen, dass alle geschäftsrelevan-ten Dokumente und Daten den entspre-chenden Geschäften und dem stadtwei-ten Ordnungssystem – versehen mit grundlegenden Metadaten – hinterlegt sind, auch wenn diese in dedizierten Fachapplikationen erstellt und verwaltet werden.

Mit dem Projekt Mailarchivierung ma-chen wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Das Vorhaben stellt einen «Quick Win» dar, von dem die gesamte Verwaltung profitieren kann. Geschäftsre-levante E-Mails können bald revisionssi-cher archiviert werden – Auslagerungen in PST-Dateien oder das willkürliche Löschen bei Überschreitung der Postfachlimite soll der Vergangenheit angehören. Das Vorha-ben ist zurzeit noch nicht auf Compliance fokussiert – die datenschutzrechtlichen Anforderungen wie auch fehlende Zertifi-kate sind momentan in Diskussion.

AusblickDas Managen von Dokumenten – oder in deutscher Sprache: das Bewirtschaften von Briefen, Protokollen, Berichten und Verfügungen – sowie das Aufbewahren dieser Dokumente im Verlaufe der Zeit, von der kurzfristigen Verfügbarkeit über die geschäftsrelevante, gesetzliche Abla-ge bis zur historischen Aufbewahrung, wird für die IKT-Verantwortlichen wie für die Fachabteilungen unserer Verwaltung eine nicht zu unterschätzende Herausfor-derung für die nächsten Jahre. Durch die elektronische Bearbeitung entstehen eine neue Komplexität wie auch neue Chan-cen. Geschäftsprozesse können dank der verfügbaren IKT übergreifend, ganzheit-lich, orts- und medienunabhängig analy-siert und dargestellt werden. Verlangt ist aber auch, alte, eingespielte Geschäftsab-läufe zu überdenken und neu zu gestalten. ECM-Strategien sind nur längerfristig um-setzbar. Mit der ausgearbeiteten Strategie sind die grundlegenden Leitplanken ge-setzt; mit den ersten Teilprojekten, der Mailarchivierung, der Geschäftskontrolle für die Legislative im Ratssekretariat und dem bevorstehenden Projekt in der Stadt-kanzlei stehen wir in der Bieler Stadtver-waltung am Anfang eines längerfristigen Prozesses.Abbildung 2: ECM-Architektur

Abbildung 1: Informationsverdichtung mit Aufbewahrungsplan

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Guido HaullerLeiter Informatik, Departement Bildung, Kultur und Sport des Kanton [email protected]

Beat SteinerCo-Founder Ajila [email protected]

So führte das Bildungsdepartement des Kantons Aargau die elektronischen Beurteilungsinstrumente im PDF-Format einGuido Hauller, Beat Steiner

Mit der Einführung der neuen Verordnung über die Laufbahnentscheide an der Volksschule (Promotionsverordnung) werden im Kanton Aargau ab dem Schuljahr 2010/11 die herkömmlichen Zeugnisse durch elektronische Beurtei-lungsinstrumente abgelöst. Dabei suchte das Departement Bildung, Kultur und Sport (BKS) nach einer elektronischen Lösung, die den Umgang mit den verschiedenen neuen Beurteilungsinstru-menten erleichtert, den Datenschutz gewährleistet und ein einheitliches Erscheinungsbild aufweist. Eine elegante Lösung überstand das Evaluationsverfah-ren. Diese setzt bei den Nutzerinnen und Nutzern keine Softwareinstallation voraus.1

Wie Leistungen in der Schule beurteilt und ausgewiesen werden sollen, ist ein The-ma, das von jeher beschäftigt. Die einseiti-ge Abbildung der Leistungen durch das herkömmliche Notenzeugnis wird den An-sprüchen von Lehrpersonen, Erziehungs-berechtigten sowie Institutionen und künf-tigen Lehrbetrieben heutzutage nicht mehr vollumfänglich gerecht. Daher werden im täglichen Unterricht vermehrt Beobach-tungsbögen, Lerntagebücher oder Förder-planungen eingesetzt, um die Schülerin-nen und Schüler beurteilen und fördern zu können. Sie bilden auch die Grundlage für geeignete Entwicklungsmassnahmen.

Ab dem Schuljahr 2010/11 tritt im Kan-ton Aargau eine neue Verordnung über die Laufbahnentscheide an der Volksschule in Kraft. Die Einführung der neuen Promo-

Das Projektteam um Guido Hauller, IT-Leiter Departement BKS Kanton Aargau, war schliesslich von der Eleganz der jetzt umgesetzten Lösung besonders angetan. Das Projektteam fand es überzeugend, dass die Anwenderinnen und Anwender nur zwei frei zugängliche Produkte2 auf ih-ren Systemen installieren müssen respek-tive auf breiter Basis schon nutzen.

Die Einfachheit dieser Lösung ist beste-chend, denn die beiden Produkte gibt es für nahezu jede Systemumgebung. Sie ga-rantieren ein einheitliches Erscheinungs-bild und können in den meisten Fällen von den Anwendenden selbstständig installiert werden. Damit konnte das Projekt von der komplexen Aufgabe der Softwarevertei-lung im heterogenen Schulumfeld ent-lastet werden.

Dynamische PDF-FormulareIn einem ersten Schritt konsolidierte das Projektteam in enger Zusammenarbeit mit den Fachpersonen die vorgegebenen 25 Beurteilungsinstrumente zu wenigen Haupttypen. Innerhalb dieser werden die Inhalte jeweils aufgrund der Eingabedaten dynamisch angepasst, sodass für jede Stufe und jeden Typ die massgeschnei-derten Formulare generiert werden kön-nen. Ausgangsbasis bildet eine Schüler-liste im Tabellenformat. Die so erzeugten Formulare können mit jedem Adobe Rea-der ab Version 8 interaktiv ausgefüllt wer-den. Zusätzlich wurden Funktionen zur Speicherung und zum Drucken der For-mulare eingebaut. Dies minimiert den Änderungs- und Wartungsaufwand und garantiert für alle Schulen im Kanton ein-heitliche, stets aktuelle Formulare.

Die dynamischen, interaktiven PDF-For-mulare wurden mit Adobe LiveCycle Desi-gner erstellt. Bei dieser WYSIWYG-An-wendung (What you see is what you get) werden die benötigten Elemente aus einer Bibliothek direkt in das Formular gezogen.

Es werden Java-Bibliotheken zur Verfü-gung gestellt, aus denen modulartig die benötigten Komponenten ausgewählt und im Bedarfsfall mit eigenen Java-Scripts ergänzt werden können. Bei der BKS- Lösung wurden die Module «Forms» (überträgt Daten ins PDF) und «Reader Extensions» eingesetzt. Alle Komponen-

tions verordnung ermöglicht es, die sich verändernden gesellschaftlichen Ansprü-che aufzugreifen und umfassend zu re-geln. Auf dem Hintergrund der neuen gesetzlichen Bestimmungen hat das De-partement BKS ein umfassendes Set von Beurteilungsinstrumenten ausgearbeitet, das einer ganzheitlichen und förderorien-tierten Beurteilung gerecht wird und gleichzeitig elektronisch umgesetzt wer-den soll. Dafür gab es zahlreiche Vorga-ben, sowohl von politischer als auch von technischer Seite.

So mussten beispielsweise der Daten-schutz und ein einheitliches Erscheinungs-bild gewährleistet sein. Darüber hinaus galt es, die Anforderungen an die Informa-tikinfrastruktur der Schulen und Lehrper-sonen möglichst minimal zu halten und alle aktuell üblichen Betriebssysteme zu unterstützen. Im Unterschied zu den meis-ten Unternehmen ist der Mac in den Schu-len nach wie vor etabliert und wird nebst den üblichen Windowsprodukten häufig eingesetzt. Eine weitere Anforderung er-gab sich aus genau diesem Umstand: Die Daten der Schülerinnen und Schüler soll-ten einfach importiert werden können. Die künftige Lösung sollte zudem leicht zu be-dienen sein. Plausibilitätskontrollen unter-stützen Lehrpersonen, da dadurch bereits bei der Erfassung Fehleingaben erkannt und vermieden werden können. Aufgrund der aktuellen Belastungssituation der Lehr- und Schulleitungspersonen musste zudem der Weiterbildungsaufwand mög-lichst gering gehalten werden.

Heterogene UmgebungEine besondere Herausforderung stellte nicht nur die Menge der betroffenen und beteiligten Personen dar (75 000 Schü-lerinnen und Schüler, 7500 Lehrperso- nen, 25 Beurteilungsdokumente), sondern auch die heterogene Systemlandschaft sowie die sehr unterschiedlichen EDV-Kenntnisse der Lehrpersonen. Zur Evalua-tion einer geeigneten Lösung, die die grösstmögliche Flexibilität und operatio-nelle Selbstständigkeit der Schulen garan-tiert, kontaktierte das BKS verschiedene Anbieter und liess auf der Basis der grund-legenden Anforderungen einen Konzept-entwurf (Proof of Concept) erstellen.

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ten dieser Java-Bibliothek sind J2EE-kon-form und entsprechen der kantonalen IT-Strategie.3

Keine zentrale SpeicherungNach der Strukturierung und Gestaltung der Formulare wurde ein zentraler Web-service aufgebaut, um den Benutzerinnen und Benutzern einen direkten Zugriff auf die neuen Beurteilungsinstrumente zu er-möglichen. Im Gegensatz zu den bisher üblichen Formularen werden so die For-mulare nach Bedarf generiert und den An-wenderinnen und Anwendern übermittelt: Jedes einzelne Formular ist ein Unikat. Die Benutzerinnen und Benutzer können über den Link www.ag.ch/schulzeugnisse die browserbasierte Schnittstelle aufrufen. Die Eingabemaske präsentiert sich als moder-ne Web-2.0-Anwendung und kann direkt auf die Eingaben der Benutzerinnen und Benutzer reagieren. So werden zum Bei-spiel bereits mit dem Hochladen der Schülerliste die Angaben ein erstes Mal plausibilisiert und nicht logische Daten-kombinationen (Alter – Schulstufe) mar-kiert. Die Korrektur ist direkt im Browser-fenster möglich.

Sobald die Daten der Schülerliste kor-rekt sind, können die Benutzerinnen und Benutzer wählen, ob sie Einzelformulare pro Schülerin und Schüler generieren möchten oder ob eine Erfassungsliste für die Beurteilung pro Klasse erstellt werden soll. Mit der Erfassungsliste erhalten die Lehrpersonen ein einfaches Instrument, mit dem sie in der gewohnten Matrixform die Noten einer ganzen Klasse effizient er-fassen können. Direkt aus diesen Listen lassen sich dann wiederum die Einzelfor-mulare generieren. Sie werden als ZIP-Datei mit jeweils einem Formular pro Schülerin und Schüler als Download zu-rückgegeben.

Die Lehrpersonen entpacken anschlie-ssend diese Archivdatei in ein lokales Ver-zeichnis ihrer Wahl und erhalten so eine Sammlung aller Beurteilungsausweise ih-rer Klasse. Selbstverständlich kann diese Datei auch archiviert werden.

Allfällige kurzfristige Korrekturen bei der Beurteilung oder individuelle Bemerkun-gen können direkt im Einzelformular er-fasst werden. Die Formulare können durch die Lehrpersonen vor Veränderungen ge-schützt werden.

Mit dem bewussten Verzicht auf die zentrale Speicherung von Schüler- und Beurteilungsdaten konnte das Problem des Datenschutzes bei Persönlichkeits-profilen aus dem Weg geräumt werden. Die Übertragung der Daten von der Ar-beitsstation der Lehrperson auf den Ser-ver und wieder zurück auf die Arbeitsstati-on wird verschlüsselt, damit auch dort die

Daten gesichert sind. Einzig die Lehrper-sonen oder die Schulleitungen haben die Möglichkeit, die Beurteilungen der Schüle-rinnen und Schüler gesamthaft einzuse-hen oder zu verändern.

Die Schnittstellen zum Webservice und zur Webanwendung sind offengelegt und können von Schuladministrationsanbie-tern genutzt werden, indem sie direkt von ihren Programmen aus auf diese Services zugreifen können. Die Schülerliste wird in der Regel manuell hochgeladen, während die Schnittstelle von den Erfassungslisten (Schülerliste inkl. der Beurteilungen) zur Generierung der Einzelformulare nach dem SOAP-Standard aufgebaut ist.

Damit konnten wichtige Rahmenbedin-gungen erfüllt werden. Zum Beispiel kann die Schule weiterhin mit der gewohnten Organisationsstruktur arbeiten und den Webservice als Ergänzung in ihre bisheri-ge Schuladministration einbauen. Die Ver-antwortung für die Erstellung der Beurtei-lungsausweise bleibt so vollumfänglich bei den Lehrpersonen und den Schulen.

Die Schuladministrationsanbieter haben zudem die kompletten Gestaltungsrichtli-nien und inhaltlichen Regelungen erhalten, mittels deren sie ihre Systeme ebenfalls an die aargauischen Formulare anpassen können.

Mit neuer Lösung sofort produktivIm Schuljahr 2008/09 wurden die elektro-nischen Beurteilungsinstrumente einer Evaluation unterzogen. Besonders die ganzheitliche Beurteilung der Lernenden wurde dabei im Zwischenbericht hervor-gehoben, der nun auch die Selbst- und Sozialkompetenz ausweist. Aber auch in

Bezug auf die Sachkompetenz stellten die Testpersonen fest, dass der Unterricht in positiver Art und Weise beeinflusst wurde, die Erweiterungsfächer mehr Gewicht er-hielten und die Fachlehrpersonen besser ins Team integriert werden.

Die Rückmeldungen zur technischen Lösung sind positiv. Vor allem wird be-grüsst, dass die bisherigen Strukturen nicht grundlegend verändert werden müs-sen und die BKS-Lösung offenlässt, mit welchen Partnern, Anbietern und Lösun-gen die Schule arbeitet. Dank dem identi-schen Erscheinungsbild der Formulare auf dem Bildschirm und in gedruckter Form fanden sich die Benutzerinnen und Benut-zer sofort zurecht. Es kann intuitiv mit der Lösung gearbeitet werden. Der Schu-lungsbedarf ist minim.

Wie bei allen neuen Informatiklösungen hatten auch die verantwortlichen Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter des BKS mit ver-schiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die technischen Möglichkeiten liessen nicht immer die optimalen Benutzerfunk-tionen zu. Dank der guten Unterstützung der externen Spezialistinnen und Spezia-listen wurde aber immer eine Ausweich-lösung gefunden.

1 Die erforderlichen Programme «Adobe Reader» und «Adobe Flash Player» sind auf den meisten PCs standardmässig installiert.

2 Adobe Flash Player und Adobe Reader.3 Weitere eingesetzte LiveCycle-Komponenten sind der

Flash-Player (zur Interaktion via Webseite als eine Art Web-2.0-Applikation), Adobe Reader (Benutzeranwen-dung zur Betrachtung, Bearbeitung und Speicherung der erzeugten interaktiven PDF-Formulare), sowie die LiveCycle Enterprise Suite.

4 Adobe Flash Player.

Abbildung 1: Schülerdaten werden im Service hochgeladen und im Browser4 visualisiert. Die Lehrperson kann diese Daten bearbeiten

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Von elektronischen Urkunden zu elektronischen JustizarchivenAdrian Blöchlinger

Mit den elektronischen Bestell- und Lieferprozessen im Strafregister wurden am 1. September 2009 erstmals qualifi-ziert signierte Strafregisterauszüge in öffentliche Zirkulation gebracht und haben vielerorts Irritation und Staunen verursacht. Empfänger dieser ersten elektronischen Urkunden sind Bürge-rinnen und Bürger, Unternehmen und Behörden im In- und Ausland. Der Nutzen elektronischer, signierter Strafregisterauszüge liegt im Zeitgewinn bei der Lieferung und der nachfolgenden Weiterleitung zu den Endempfängern, den Behörden und Unternehmen. Die Erkenntnis dieser praktischen Arbeiten ist, dass nicht die elektronische Signatur, sondern das elektronische, signierte Dokument mit seinen, im Vergleich zum Papierdokument, speziel-len Eigenschaften und Möglichkeiten im Vordergrund steht. Eine weitere Erkennt-nis ist, dass nur ein leistungsfähiges zentrales Validierungssystem das Ver-trauen in elektronische, signierte Doku-mente und Urkunden herbeizuführen vermag und damit Akzeptanz erzeugt. Dies zeigen auch die Rechtsetzungsar-beiten der laufenden ZGB-Revision mit den darin vorgesehenen elektronischen Ausfertigungen von notariellen Urkunden (Schlusstitel 55 und zugehörige Verord-nung), die nun den Anlass schaffen, konkret auch über den Aufbau elektro-nischer Dokumentenverzeichnisse und Archive nachzudenken. Ein erstes Archiv für elektronische, signierte Publikationen wurde vom Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB), in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Nationalbibliothek, in aller Stille bereits aufgebaut und setzt erste Lösungen zur kryptografischen Langzeitsicherung im Bereich elektro-nischer, signierter Publikationen um.

Der elektronische, signierte Strafregisterauszug als Dienst-leistung für PrivateStrafregisterauszüge werden der Bürgerin und dem Bürger aufgrund einer unter-schriebenen schriftlichen Bestellung der betroffenen Person (Ermächtigung) vom Bundesamt für Justiz in einem zentralen Prozess ausgestellt. Der Bestellung muss eine Ausweiskopie beigelegt werden, da-mit die Personendaten feststehen, nach denen im Register gesucht werden soll.

Von 2006 bis 2009 wurden die Bestell- und Lieferprozesse des Strafregisters von Hand ausgefüllten Formularen auf elektro-nische Formulare umgestellt. Die von der digitalen Kluft Betroffenen – oft des Le-sens und Schreibens in den Landesspra-chen kaum mächtig – erhielten durch eine neue Möglichkeit des Bestellens an 1800 Poststellen eine grosse Hilfestellung.

Seit September 2009 können Kundin-nen und Kunden, die über www.strafregis-ter.admin.ch online bestellen, ihre Bestel-lung neu auch elektronisch signieren und zusammen mit einer elektronischen (ein-gescannten) Ausweiskopie an das Strafre-gister übermitteln, sofern sie über ein Zer-tifikat auf einer Signaturkarte verfügen. Mit der sogenannten SuisseID, die 2010 über das Konjunkturpaket 3 realisiert werden soll, werden auch die gesicherten Perso-nendaten der Bestellerin oder des Bestel-lers in elektronischer Form übergeben werden können. Damit fällt das Erfordernis weg, eine eingescannte Ausweiskopie mit einliefern zu müssen.

Die digitale Urkunde erstmals in einer Modell-applikation realisiertGleichzeitig wurde im September 2009 auch der elektronische, qualifiziert sig-nierte Strafregisterauszug eingeführt. Ein solcher kann im Online-Bestellprozess wahl weise anstelle des bisherigen hand-signierten, auf Spezialpapier gedruckten Auszuges geordert werden. Der elektroni-sche, signierte Strafregisterauszug wird verschlüsselt auf der sicheren Zustellplatt-form des Strafregisters (basierend auf dem Open eGov Document Delivery Ser-vice) bereitgestellt, von wo er von der Kun-din, vom Kunden gegen Eingabe seines Passwortes entschlüsselt und bezogen werden kann.

Die neuen elektronischen Dienstleistun-gen schaffen eine klassische Win-win-Si-tuation. Kundinnen und Kunden, die ihre Bestellung elektronisch signiert bis zwölf Uhr mittags übermitteln, können ihren elektronischen, signierten Auszug noch am gleichen Tag beziehen. Alle anderen Kundinnen und Kunden werden durch die effizienteren Prozesse ebenfalls wesent-lich rascher beliefert.

Das Bundesamt für Justiz hat sein öko-nomisches Primärziel vollumfänglich er-reicht. Es kann mit weniger Personal ein in den letzten Jahren stark angestiegenes Volumen zeitgerecht verarbeiten, da alle Bestellungen intern gleich und ohne Ma-nualerfassung automatisiert verarbeitet werden können.

Open eGov – modulare Technologie rund um das digitale DokumentDas sekundäre Ziel des Bundesamts für Justiz war, im Massenprozess Strafregis-terauszug mit seinen immerhin 1200 bis 1500 Einheiten pro Tag, die digitale Signa-tur eingangs- wie auch ausgangsseitig in-klusive einer endkundentauglichen ver-schlüsselten Zustellung zu integrieren. Dies unter der strikten Auflage, dass da-durch weder ein interner Mehraufwand bei der Abwicklung der Bestellungen noch eine Erhöhung des Zeitaufwandes beim Kundensupport resultieren dürfe. Dies ist ebenfalls gelungen.

Die dazu erforderliche Technologie sollte einfach, benutzerfreundlich und in einer Art entwickelt, modularisiert und wieder-verwendbar gemacht werden, damit sie auch für den elektronischen Geschäfts-verkehr von Notariat, Anwaltschaft, Un ter-nehmen und Privatpersonen mit Re gis tern, Gerichten und anderen Ver waltungs-behörden eingesetzt werden kann. Das Set dieser Module wurde unter dem Na-men Open eGov1 zusammengefasst und steht grösstenteils unter GPL-Lizenz als sogenannte Open-Source-Anwendungen den Behörden unentgeltlich zur Verfü-gung. Damit kann nun kostengünstig eine erste Generation von elektronischen Pro-zessen realisiert werden, unter anderem auch der Auftrag A1.07 des Leistungska-talogs der E-Government-Strategie an das Bundesamt für Justiz, alle relevanten Do-kumente und Urkunden des Justizbe-

Adrian BlöchlingerFachbereich RechtsinformatikBundesamt für [email protected]

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reichs in elektronischer, signierter Form verfügbar zu machen.

Open Source Teamwork begründet von Bundesamt für Justiz und SECOE-Government erfordert Investitionen, die sich von einer einzelnen Behörde aus ökonomisch kaum rechtfertigen lassen. Die Prozessvolumen der einzelnen Appli-kationen in der hoch fragmentierten schweizerischen Verwaltung sind meist gering, die bereitgestellten Angebote auf Basis von neuen Technologien werden von Unternehmen und Privatpersonen vorerst nur wenig genutzt, und es ist nur in seltenen Fällen möglich, einen her-kömmlichen Prozess vollständig durch ei-nen Onlineprozess zu ersetzen. Es ist deshalb gerade im Bereich des E-Govern-ment ökonomisch sinnvoll, die meist ho-hen Entwicklungskosten über sogenann-tes Community Development und Budget Pooling gemeinsam zu finanzieren und die Produkte und Services dann als Open Source weiteren Interessierten zur Verfü-gung zu stellen.

Das elektronische, signierte Dokument – ein noch unbe-kanntes WesenÜber das PDF-Dokument kann ein elekt-ronisches Abbild des Papierdokumentes geschaffen werden, und heute verfügen alle über einen Adobe Acrobat Reader, mit dem dieses elektronische Papier auch angezeigt werden kann. Verfügen Erstel-lerinnen oder Ersteller von Dokumenten zusätzlich über ein (qualifiziertes) Signa-tur-Zertifikat, haben sie die Hürden der Installation von Kartentreibern sowie Kar-tenleser genommen und auch ein Pro-gramm zum Signieren von PDF-Doku-menten2 installiert, so können sie dann das elektronische Papier elektronisch si-gnieren.

Sofern sie es auch geschafft haben, das sogenannte Root-Zertifikat der Ausgabe-stelle des Signatur-Zertifikates korrekt auf dem PC zu installieren und den Adobe Ac-robat Reader für die Validierung von sig-nierten PDF-Dokumenten richtig zu konfi-gurieren, so wird ihnen das zuvor signierte Dokument im Reader dann auch als gültig signiert angezeigt.

Ratlose, überforderte Empfänge-rinnen und Empfänger …Wird das Dokument anschliessend an Personen übermittelt, die diesen Lernpro-zess weder absolviert, noch die damit ver-bundenen Installations- und Konfigurati-onsarbeiten vorgenommen haben, so kann deren Reader bei der Anzeige die im Dokument enthaltene elektronische Sig-

natur nicht vollständig validieren und be-zeichnet sie deshalb als ungültig. Damit kann kein Vertrauen in das empfangene Dokument entstehen und die Empfänge-rinnen und Empfänger blicken ratlos auf den Bildschirm.

Die sechs Stufen der DokumentenvalidierungDie Validierung von Unterschriften umfasst insgesamt sechs Stufen. Die ersten drei können mit dem originalen Adobe Acrobat Reader abgedeckt werden:1. Wurde das Dokument seit der Unter-

zeichnung verändert?2. Ist das Unterzeichnerzertifikat im Zeit-

punkt der Überprüfung gültig? Wenn nein, war es zum Zeitpunkt der Unter-zeichnung gültig (damals nicht abge-laufen oder revoziert)?

3. ist eine bei der Signatur eingebettete Zeitstempelunterschrift gültig?

Denn nur mit einem externen Zeitstem-pel kann bezüglich der Gültigkeit des Unterzeichnerzertifikats im Zeitpunkt der Unterzeichnung eine klare, beweis-bare Aussage gemacht werden. Bei langlebigen, später zu archivierenden Dokumenten ist somit eine eingebette-te Zeitstempelunterschrift unerlässlich, was vielerorts noch nicht erkannt ist.

Mit dem Adobe Acrobat Reader kann nicht überprüft werden:4. ob das verwendete Unterzeichnerzerti-

fikat ein nach Schweizer Recht qualifi-ziertes Zertifikat (ZertES) ist, mit dem das Erfordernis der Schriftform erfüllt werden kann;

5. ob es sich bei der oder dem Unter-zeichnenden um die richtige, zur Zeich-nung berechtigte Person handelt (z.B. Chef Strafregister, Notar zum Zeitpunkt der Unterschrift in Amt und Würden etc.);

6. ob ein nach allen vorstehenden Punk-ten gültig signiertes elektronisches Do-kument zwischenzeitlich nicht revoziert wurde.

Reichlich kompliziert ist das Ganze also, sowohl technisch wie auch von den Anfor-derungen an die Anwenderin und den An-wender her.

Andererseits sind elektronische, signier-te Dokumente (Urkunden) aber wesentlich fälschungssicherer, können einer genau identifizierbaren Person eindeutig zuge-ordnet werden und können wesentlich ra-scher zwischen den beteiligten Parteien zirkulieren.

Tausend elektronische Duplikate, vom Original nicht unterscheidbarDamit sind wir bei einem wichtigen Unter-schied zwischen einer von Hand unter-

schriebenen, vielleicht noch mit Stempel eines Notars oder einer Behörde verse-henen Papierurkunde und einer elektroni-schen, (qualifiziert) signierten Urkunde:

Die handsignierte Papierurkunde gibt es im Original genau ein Mal, und Fotokopien sind vom Original meist unterscheidbar. Das Original kann physisch zurückgerufen und nötigenfalls gegen eine korrigierte Version ausgetauscht werden. So ge-schieht dies auch im Strafregister, wenn es sich herausstellt, dass jemand zu Un-recht einen sogenannten Nullauszug ohne Vorstrafen erhalten hat.

Bei elektronisch ausgestellten Strafre-gisterauszügen ist der physische Rückruf

Open eGov NewsDas Freeware-Produkt Open eGov LocalSigner wurde in der Zwischenzeit mit der Version 2.1.0 zu einer Multi-Plattform-Lösung weiterentwickelt, die nun alle Windows-Betriebssysteme ab XP, Mac OS, Linux und Solaris unterstützt. Die Produkte LocalSigner, BatchSigner für das automatische, blinde Signieren (Massensignatur) und der DocSigner Service (Java Applet) für das Signieren in Webprozessen basieren auf einer gemeinsamen Library, die auch direkt in fremde Programme eingebunden werden kann.

Grosse Fortschritte hat auch der Document Delivery Service (DDS) gemacht. Die Basiskom-ponente für eine verschlüsselte Zwischenspei-cherung (Store) und sichere Übermittlung wurde um die Off-the-Shelf-Applikation «interactive DDS» ergänzt. iDDS erlaubt der Behördenseite, eine Verfügung oder ein Urteil auf einfache Weise formell zuzustellen und eine elektronische, signierte Zustellquittung zu erhalten. Weiter ist ein Gateway in Entwicklung, das es einer Behör- de erlauben wird, von einem Geschäftsverwal-tungssystem aus über sedex einen Zustellauftrag an eine DDS-Instanz und später auch an tech- nisch verbundene sogenannte private Zustell-plattformen abzusetzen und im Gegenzug eine signierte, zeitgestempelte Zustellquittung an ihren sedex-Eingang beziehungsweise an ihr Ge- schäftsverwaltungssystem zurück zu erhalten.

Eingangsseitig (für Behörden) werden derzeit secure Inboxes entwickelt. Diese muss man sich wie Briefkästen oder erweiterte Kontaktformulare auf Behördenwebsites vorstellen, in die Unter - nehmen und Private nach dem Ausfüllen eines kleinen Formulars signierte und unsignierte elektronische Dokumente hochladen können. Formulardaten und Dokumente werden an - schliessend von der «secure Inbox»-Applika tion validiert, in Form eines eCH-0039-Containers verpackt und entweder direkt an den sedex-Eingang der Behörde geschickt oder dieser via DDS-Mechanismen zugestellt. Das Unternehmen oder die Privatperson erhält dabei eine elektro- nische, signierte und zeitgestempelte Zustellquit-tung mit den Fingerabdrücken (Hashes) aller übermittelten Dokumente. Auf der Behördenseite können die empfangenen Container einfach (unter minimaler Anpassung der Applikation) in bestehende Geschäftsverwaltungssysteme eingelesen werden.

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aber nicht mehr möglich, da das elektro-nische Original überall spurlos dupliziert werden kann. Um dieses Problem zu lö-sen, müssen die Identifikationsnummern revozierter elektronischer Auszüge bei der elektronischen Validierung eines elektroni-schen Auszuges mit überprüft werden.

Vom Beurkundungsjournal zu nationalen Urkundenver-zeichnissenEin Notar muss jede erstellte Urkunde, jede davon erstellte Ausfertigung und jede erstellte beglaubigte Kopie einer Urkunde in einem heute lokal geführten Beurkun-dungsjournal verzeichnen. Genau wie im traditionellen Strafregister mit seinem Ver-zeichnis der erstellten Auszüge ist damit bekannt, welche «Originale» es gibt und wer sie erhalten hat.

Eine Urkunde kann aber auch ein Wert-papier, zum Beispiel ein Verlustschein oder ein Billett sein. Wenn das darin ver-briefte Recht beansprucht (konsumiert) ist, muss die Urkunde entwertet oder ein-gezogen werden.

Notariat und Anwaltschaft produzieren Testamente, bedingte Vollmachten und sogenannte Schutzschriften, alles Urkun-den, die erst und nur bei Eintritt des vor-gesehenen Ereignisses ihre Wirkung ent-falten sollen und deren Existenz bis dahin meist geheim gehalten, bei Eintritt des Ereignisses aber zuverlässig festgestellt werden muss.

Sollen all diese Urkunden auch in elekt-ronischer, signierter Form erstellt werden können, impliziert allein die Notwendigkeit einer Revokationsmöglichkeit die Schaf-fung einer schweizerischen Urkunden-Identifikationsnummer und den Aufbau von Verzeichnissen, die zwar je nach Be-reich, aber sicherlich national und nicht kantonal angelegt werden sollten, da Per-sonen auch umziehen. Wie sonst soll der Kanton, der den Tod einer Person zu be-handeln hat, von der Existenz eines Testa-ments erfahren, das vor Jahren in einem anderen Kanton bei einem Notar erstellt oder als eigenhändiges Testament bei der zuständigen kantonalen Stelle in Papier-form hinterlegt wurde, damit Erben es nicht beseitigen können? Die entspre-chende Infrastruktur würde, am Rande be-merkt, auch dem heutigen Problem bei der Auffindung von hinterlegten Testamen-ten Abhilfe schaffen.

Diese Verzeichnisse mit ihren Metada- ten zur verzeichneten Urkunden ermögli-chen – nebst einer nationalen Suche –, den Vermerk zu setzen, ob und wann die referenzierte Urkunde revoziert oder ent-wertet wurde. Sie werden im Weiteren auch Informationen darüber enthalten, in welchem physischen oder elektronischen

Archiv sich die Urkunde befindet und wer für den Zugriff berechtigt ist.

Open eGov Validator Service – sechs Validierungsstufen schaffen internationales Vertrauen Die praktische Realität der elektronischen Urkunde, nun geschaffen in Form des nur kurzlebigen elektronischen, signierten Strafregisterauszuges, bringt an den Tag, dass viel mehr notwendig ist als nur ein Zertifikat und ein Programm zum Signie-ren, um elektronische Urkunden in Umlauf zu bringen.

Um das Vertrauen bei den von der kom-plexen Technologie der elektronischen Si-gnatur überforderten Empfängerinnen und Empfängern von elektronischen Urkunden überhaupt erst zu schaffen, musste für den Strafregisterauszug ein allgemein ver-ständliches zentrales Validierungssystem geschaffen werden, das auch die sechste Stufe der Validierung, den Revozierungs-status, elektronisch ausgestellter Auszüge prüft. Der Validator Service ist die wohl wichtigste Ergänzung von Open eGov im Jahr 2009.

Validierunginstruktionen müssen der Urkunde angefügt werdenDer elektronischen Urkunde selbst müs-sen in Form einer bei der elektronischen Signatur automatisch angefügten Seite für die Empfängerseite alle Informationen be-treffend die Validierungsmöglichkeiten bei-gefügt werden.

Nur so kann die Empfängerin oder der Empfänger von der Urkunde aus die Vali-dierung auch vornehmen beziehungswei-se die Validierungsdienste aufrufen. Dies gilt umso mehr für elektronische Urkun-den, die – wie der Strafregisterauszug – auch international zirkulieren. Zur Ver-anschaulichung kann der elektronische Musterauszug des Strafregisters auf der Website www.strafregister.admin.ch her-untergeladen und gemäss Instruktion auf dessen letzter Seite über den mandanten-fähigen Validator Service von Open eGov validiert werden.

Natürlich kann dieses Validierungssys-tem später auch bei den vorgenannten, noch fehlenden Urkundenverzeichnissen eingesetzt, beziehungsweise konzeptio-nell übernommen werden.

Die Unternehmensidentifikation (UID) identifiziert auch die Erstellerinnen und Ersteller von UrkundenMit dem Vorhaben der Einführung der Un-ternehmensidentifikation (UID) sollen Frei-beruflerinnen und Freiberufler, wie die sogenannten lateinischen Notare, die

Anwälte, freiberufliche Medizinalpersonen und auch Bauern, die im heutigen Han-delsregister nicht eingetragen sind, identi-fiziert werden. Die Einheiten, die im Han-delsregister eingetragen sind, verfügen bereits seit 1995 über die sogenannte CH-Nummer, die durch die UID bald abgelöst werden soll.

Das zu schaffende Verzeichnis aller mit einer UID identifizierten Einheiten (darun-ter sind auch die Behörden) ist kein Re-gister im rechtlichen Sinne, das die Exis-tenz eines Rechtssubjektes feststellt, sondern nur ein Index, der über den ver-schiedenen Registern steht und diese erschliesst; ähnlich wie der Zentrale Fir-menindex «zefix», der die dezentralen, rechtsverbindlichen kantonalen Handels-register auf einer nationalen Ebene er-schliesst.

Die elektronische, signierte Berufsausübungsbewilligung eröffnet neue MöglichkeitenIm Kontext von Urkunden und Rechts-verkehr interessieren die heute noch nicht bestehenden Register der Anwälte und Notare (Urkundspersonen). Ein darin vor-genommener Eintrag beinhaltet nicht nur die Feststellung der rechtlichen Existenz, sondern vielmehr das Recht, den freien Beruf auszuüben. Für die heutige Berufs-ausübung und für den künftigen Eintrag in diese neuen Register ist die Verfügung (Bewilligung) einer kantonalen Aufsichts-behörde massgebend.

Die elektronische, signierte Verfügung eröffnet hier die Möglichkeit, vom Konzept des hoheitlichen, vom Staat geführten Re-gisters wegzukommen und sich mit nicht hoheitlichen Verzeichnisdiensten zu be-gnügen, in denen die elektronischen, signierten Verfügungen der kantonalen Aufsichtsbehörden öffentlich hinterlegt be-ziehungsweise publiziert werden. Alle Per-sonen können diese Verfügungen direkt anzeigen und auch validieren, wodurch das öffentliche Vertrauen in die im Ver-zeichnis stehenden Informationen ent-steht.

Beinhalten diese Verfügungen und auch die strukturierten Daten in den Verzeich-nissen die Unternehmensidentifikation, ermöglicht Letztere, in den oben ange-sprochenen Urkundenverzeichnissen die Ersteller (Owner) von Urkunden eindeutig zu identifizieren, die Berechtigungen für den Zugriff auf die Urkunden abzubilden und damit auch zu steuern.

Die Übertragung von WertpapierenUm die zentrale Bedeutung und die neuen Möglichkeiten durch den Einsatz elektroni-scher Urkunden noch zu untermauern, soll

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hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass die Zession von Rechten und Forderungen bei vielen Wertpapieren der Schriftform bedarf. Durch elektroni-sche, signierte Urkunden kann die Über-tragung dokumentiert werden. Handelt es sich dabei um neue Konstrukte, wie den sogenannten registergestützten Schuld-brief (laufende ZGB-Revision), so wird dessen elektronische Übertragung wohl ebenfalls mit einer elektronischen, qualifi-ziert signierten Übertragungserklärung zu realisieren sein.

Das PayGov-System – elektro-nische, signierte Zahlungs-quittungen beschleunigen E-Government-ProzesseDas vom Bundesamt für Justiz konzipierte PayGov-System für sogenanntes Instant Payment in nicht strukturierten E-Govern-ment-Prozessen schafft mit einer elektro-nischen, signierten Zahlungsquittung ein Wertpapier, das zum Bezug einer Leis-tung der Verwaltung berechtigt (Ticket). Online-Payment setzt also nicht mehr teure Onlineprozesse voraus, in die es eingebaut wird. Man geht einfach auf die elektronische Kasse einer Behörde (stan-dardisierter PayGov-Mandant), bezahlt mit der Kreditkarte, erhält eine elektro-nische, signierte Zahlungsquittung, die dann der Behörde notfalls auch mit ei- ner einfachen E-Mail übermittelt werden kann.

Die gewünschte Leistung kann dort so-fort ausgelöst werden, und das konsu-mierte Ticket wird gesperrt, sodass es nicht erneut verwendet werden kann. Na-türlich braucht es auch dazu die mehrfach erwähnten Validator Services, um ein ein-gesandtes Ticket zu überprüfen und dabei auch festzustellen, ob es nicht bereits konsumiert (revoziert) ist.

Dank PayGov könnte die heute kaum mehr übliche Vorauszahlung in vielen Bereichen wieder eingeführt und so in der Verwaltung erheblicher Aufwand bei Fakturierung und Inkasso eingespart wer-den.

Fehlende elektronische Archive sollen den elektronischen Geschäftsverkehr nicht verun-möglichenMit der Inkraftsetzung der vereinheitlichten Zivilprozessordnung 2011, mit der bereits seit 2008 revidierten Handelsregisterver-ordnung, der auf 2011/12 ebenfalls revi-dierten Grundbuchverordnung und der Verordnung zu Art. 55 Schlusstitel ZGB wird der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten, den Registern der Justiz und den Behörden des Bundes möglich und hoffentlich auch zur Realität.

Die meisten dieser Behörden verfügen heute aber noch nicht über elektronische Archive. Ihre Beleg- und Fallarchive befin-den sich meist im Keller in Hängeregistra-turen.

Der Wandel des Trägers (Mediums) ist in beiden Richtungen notwendigWie archiviert eine Behörde ein elektro-nisch eingegangenes Dokument? Wie gehen wir damit um, wenn eine Rechts-schrift oder eine Urkunde, die Grund- lage eines Registereintrages ist, elektro-nisch angeliefert wird? Wie stellen wir die elektronisch eingegangene Klageschrift einer Gegenpartei zu, die das Verfahren auf dem Papierweg abwickeln will? Wie kann ein ursprünglich auf Papier ausge-fertigtes Urteil einer Partei, die dies wünscht, in elektronischer Form zugestellt werden?

In all diesen Fällen ist ein Wandel des Trägers notwendig. Doch wer soll berech-tigt sein, diesen Wandel vorzunehmen? Nur ein Notar oder auch die Gerichts-kanzlei, das Registeramt oder sogar der Anwalt, der sein elektronisch bezogenes Urteil seinem Klienten in Papierform wei-tergeben will?

Diese erst kürzlich in der Rechtsetzung erkannten realen Probleme und die Regeln dazu sollen in den Verordnungen zum elektronischen Rechtsverkehr noch Ein-gang finden, sind sie doch Voraussetzung für die praktische Abwicklung des Ge-schäfts- und Rechtsverkehrs.

Für die Umwandlung einer elektroni-schen Urkunde in die Papierform muss diese zuerst in ihrer elektronischen Form validiert werden. Die erfolgte Ausführung dieses Vorganges muss über einen Vali-dierungsbericht dokumentierbar sein. Auch dies ist bereits im Open eGov Valida-tor Service implementiert.

Auf dem nachfolgend erstellten Papier-ausdruck muss dann ein sogenanntes Verbal aufgebracht werden, das die zu-grunde liegende elektronische Urkunde, den Zeitpunkt des Wandels, die Stelle, die den Wandel vorgenommen hat, genau be-zeichnet, die Konformität zum elektroni-schen Original bestätigt und all dies mit Stempel/Unterschrift bescheinigt.

Analoges muss gelten, wenn eine Pa-pierurkunde in eine elektronische, be-glaubigte Kopie umgewandelt und an-schliessend von der berechtigten Stelle elektronisch signiert wird. Es braucht auch dabei, wie bei der notariellen elekt-ronischen Urkunde, ein sogenanntes Ver-bal, das dem Dokument automatisch an-gefügt wird. Das Open-eGov-Produkt LocalSigner unterstützt diese Funktion bereits.

Das Problem der krypto-grafischen LangzeitsicherungSeit 2006 ist gemäss der Verordnung über das Schweizerische Handelsamtsblatt (SHAB) die elektronische Publikation die rechtsverbindliche Form. Alle Publikatio-nen werden seither qualifiziert signiert und mit Zeitstempel versehen.

Nun werden diese Publikationen in ein elektronisches Langzeitarchiv bei der Schweizerischen Nationalbibliothek über-führt. Dabei musste das Problem gelöst werden, dass elektronische Signaturen innerhalb weniger Jahre kryptografisch veralten, beziehungsweise unsicher wer-den. Mehr erfahren Sie dazu im entspre-chenden Artikel in dieser Ausgabe (Sei-ten 74–76).

Viele wünschen sich nun die gute alte Zeit zurück, als man nur einen Stempel und eine Feder brauchte. Es wird noch seine Zeit brauchen, bis die neuen Tech-nologien überall Einzug halten werden. Beim Schweizerischen Strafregister mit dem elektronischen, signierten Strafregis-terauszug, beim Schweizerischen Han-delsamtsblatt und dessen elektronischem Langzeitarchiv bei der Schweizerischen Nationalbibliothek sind wichtige erste Schritte von der Theorie in die Praxis ge-tan.

1 www.openegov.ch, vgl. «eGov Präsenz» 1 (2008). S. 70 ff.

2 Beispielsweise das Open-eGov-Freeware-Programm LocalSigner V. 2.10.

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Jürg Porro Bereichsleiter Competence Center GeschäftsverwaltungslösungenBundesamt für Informatik und Telekommunikation [email protected]

Dr. Daniel MarkwalderBereichsleiter Public Key Infrastructure (PKI) und Sicherheitsprodukte Bundesamt für Informatik und Telekommunikation [email protected]

Benutzerfreundliches Records Management und Einsatz von digitalen Signaturen in der LangzeitarchivierungJürg Porro, Daniel Markwalder

Die elektronische Datenverarbeitung hat uns viele Vorteile, aber auch einige neue Probleme beschert: zum Beispiel die Datenredundanz in E-Mail- und/oder File-Systemen, die Unvollständigkeit der Geschäftsakten, eine durch proprietäre Formate begrenzte Interoperabilität oder die Schwierigkeit, dass Dokumente nach einer gewissen Zeit unter Umständen nicht mehr lesbar sind. Um einige dieser Herausforderungen anzugehen, hat das BIT für seine Kunden zwei aktuelle, innovative technische Lösungen entwickelt. Mit «GEVER Office/OXBA» ist eine in die Büroautomation des Bundes voll integrierte1 Lösung für Records Management, Ablaufsteuerung (Workflow) und Geschäftskontrolle geschaffen worden. Mit dem «Signatur-dienst Archivierung» für SHAB-Meldungen wird sichergestellt, dass die Gültigkeit von qualifizierten digitalen Signaturen auch in 10 oder 20 Jahren noch überprüft werden kann.

Ausgangslage (GEVER in der Bundesverwaltung)Seit den ersten Einführungen von GEVER-Lösungen in der Bundesverwaltung wurde vonseiten der Bundesämter immer wieder versucht, ihre gemeinsamen Bedürfnisse in entsprechenden Benutzergremien und Fachgruppen einzubringen. In diesem Zu-sammenhang wurden im Jahre 2004 unter der Führung des Informatikstrategieor-gans Bund (ISB) und des Schweizerischen Bundesarchivs (BAR) die «GEVER-Stan-dards»2 in Kraft gesetzt. Kurz zusammen-gefasst: Eine Handvoll Standards schrei-ben die GEVER-relevanten Metadaten, Funktionen und Prozesse vor, die in einem «standardisierten» GEVER-System in der Bundesverwaltung unterstützt werden müssen.

Ab 2007 ging es dann Schlag auf Schlag. Die E-Government-Strategie Schweiz (2007–2011)3 forderte unter an-derem: «Die Behörden haben ihre Ge-schäftsprozesse modernisiert und verkeh-ren untereinander elektronisch». In einem nächsten Schritt verabschiedete der Bun-desrat im Januar 2008 einen Aktionsplan zum Umgang mit elektronischen Daten und Dokumenten. Damit wurde ein umfas-sendes Massnahmenpaket lanciert, das die Modernisierung des Records- und Prozessmanagements (Akten- und Pro-zessführung) zum Ziel hat.

Eine direkte Folge dieses Bundesrats-beschlusses war die Initialisierung des Programms GEVER Bund, das einerseits koordinierend wirkt4 und andererseits wei-tere Grundlagenarbeit im Themenbereich GEVER leistet. Auch das Verfahren zur Standardisierung einer zweiten GEVER-Lösung für die Bundesverwaltung wurde im Rahmen des Programms GEVER Bund angepackt (2008 war nur eine Lösung im Bereich GEVER als Standard anerkannt).

Anforderungen an und zentrale Aspekte von GEVER-LösungenDie Anforderungen an eine GEVER-Lö-sung für den Bund leiten sich einerseits aus den oben erwähnten GEVER-Stan-dards und andererseits aus rechtlichen

Vorgaben ab (z.B. das RVOG oder das DSG). Zusätzliche Anforderungen ergeben sich aus den allgemeinen Zielsetzungen, die mit einer GEVER-Lösung verfolgt wer-den. Dazu gehören die Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit der Geschäftstätig-keit, der Vollständigkeit der Geschäftsak-ten oder die Auskunftsfähigkeit für die Führung und Steuerung von Geschäften.

Der zentrale Aspekt ist das Ordnungs-system (auch Registraturplan genannt), sozusagen die Basis einer ordnungsge-mässen Aktenführung. Insbesondere sol-len in einer GEVER-Lösung nur geschäfts-relevante Informationen abgelegt werden. Die Abgrenzung, was geschäftsrelevant ist, und weitere wichtige organisatorische Regelungen sind durch die Kunden zu de-finieren. Diese Dokumente (z.B. die Orga-

Glossar/BegriffsdefinitionenBAR BundesarchivBIT Bundesamt für Informatik und

TelekommunikationCRL Certificate Revocation List (Liste

der gesperrten Zertifikate)DSG Bundesgesetz über den

Datenschutz (SR 235.1)GeBüV Geschäftsbücherverordnung (SR

221.431)GEVER Office Vom BIT entwickeltes Produkt

(Lösung)GEVER Geschäftsverwaltungslösungen

(Oberbegriff), umfasst im Wesentlichen Funktionalitäten für Aktenführung, Ablaufsteuerung sowie Geschäftskontrolle

MOSS Microsoft Office SharePoint Server

NB NationalbibliothekOR Obligationenrecht (SR 220)OXBA Office eXtensions for Business

AdministrationRecords AktenführungManagement RVOV Regierungs- und Verwaltungsor-

ganisationsverordnungSECO Staatssekretariat für WirtschaftSHAB Schweizerisches Handelsamts-

blattZertES Bundesgesetz über die

elektronische Signatur (SR 943.03)

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75Praxis – Schweiz

nisationsvorschriften) sollten kurz und bündig gehalten sein, da sonst die Gefahr besteht, dass diese für den Alltag zu um-ständlich werden.

Grundsätze für die Lösungs-sucheNeben den oben erwähnten Anforderun-gen war für das BIT der Grundsatz zentral, dass Benutzerinnen und Benutzer in der Erfüllung ihrer jeweiligen Haupttätigkeit (z.B. Behandlung von Anträgen für Funk-konzessionen) möglichst wenig durch die GEVER-Lösung oder regulative Auflagen «behindert» werden: Benutzende sollten mit ihren gewohnten Hilfsmitteln (Text-verarbeitung, Tabellenkalkulation, Fachan-wendungen) weiterarbeiten können und möglichst wenig zusätzliche (Meta-)Daten pflegen müssen. Die Arbeit sollte auch möglichst intuitiv erledigt werden kön- nen – ergo der Arbeitstitel «GEVER light».

Neben dem Grundsatz der Einfachheit war das «Community-Modell» ein weiterer wichtiger Aspekt. Im Vordergrund stand dabei, dass «GEVER light» – über das für eine einfache Installation bereitgestellte «Solution-Accelerator-Paket» – zu einer weithin akzeptierten Lösung für die öffent-liche Hand werden könnte, und dies nota-bene ohne zusätzliche Lizenzkosten, d.h. auf Basis eines «Shared Source»-Lizenz-modells.

Die umgesetzte LösungIm Verlauf der Studie und bei der Entwick-lung eines Prototyps auf Basis von MOSS 2007 wurde erkannt, dass diese Grundsät-ze Erfolg versprechend waren: Mit Office ab der Version 2007 sollte ein in die Büro-automationsumgebung voll integriertes und gleichzeitig GEVER-konformes Arbei-ten möglich sein. In der Folge haben sich Microsoft und das BIT entschlossen, ge-meinsam die Basis für eine innovative GE-VER-Lösung zu schaffen. Aus der Idee «GEVER light» entstanden in der Folge das OXBA Framework und GEVER Office (eine GEVER-Lösung, die auf dem OXBA Frame-work aufbaut) in der Ausprägung GEVER Office RTS (Ready to Start).

Zentrale Punkte von OXBA sind ein schlankes, aber effizientes Rollen- und Berechtigungsmodell sowie ein vorgege-bener Grundstock von Metadaten, die mandantenspezifisch angepasst und/oder erweitert werden können. Die für den Sachbearbeitenden «unsichtbare» GE-VER-Lösung konnte mit OXBA weitge-hend umgesetzt werden, da der grösste Teil der GEVER-relevanten Arbeiten direkt aus der Büroautomationsumgebung erle-digt werden kann: Zugewiesene Aktivitä-ten können aus dem Mail-Client (als Auf-gaben/Tasks) direkt abgearbeitet und die Metadaten aus den Office-Programmen direkt gepflegt werden. Ebenso kann eine Benutzerin oder ein Benutzer von GEVER Office eine E-Mail (z.B. über bcc:) direkt an das entsprechende Geschäftsdossier «senden» – das verschickte Mail ist so be-reits im GEVER-System registriert.

Mit der Version 2.0 von OXBA wurde Ende 2008 die Lösung erstmals allgemein verfügbar gemacht, und im August 2009 wurde die mandantenfähige Version 2.1 veröffentlicht. Auf dem OXBA-Portal5 be-finden sich die Downloads von OXBA und GEVER Office RTS, die Nutzungsbedin-gungen, eine Liste häufig gestellter Fragen (FAQ) und weitere nützliche Informationen.

Der hier vorgestellte Lösungsansatz hat den Vorteil, dass durch die allgemeine Ver-fügbarkeit von OXBA alle von den gleichen Schnittstellen, Metadaten (Sekundärda-ten) und Zusatzmodulen wie zum Beispiel einer Sitzungsverwaltung profitieren kön-nen. Ausserdem muss die gleiche oder ähnliche Funktionalität nicht mehrmals entwickelt werden. Für kundenspezifische Anpassungswünsche und Erweiterungen bietet MOSS 2007 (die Grundlage von OXBA) eine sehr grosse Flexibilität, und auf dem Markt sind zahlreiche kompetente Entwicklungspartner zu finden.

Zukunft von OXBADie Anzeichen sind vielversprechend, dass OXBA zu einem breit akzeptierten Framework wird. Erste Installationen, auch ausserhalb der Bundesverwaltung, sind bereits im produktiven Einsatz, und weite-

re Stellen haben grosses Interesse bekun-det.

Mehrere Dienstleister aus der Privatwirt-schaft haben das Marktpotenzial von OXBA erkannt und entsprechendes Know-how aufgebaut. Auch hier zeigt der für die Entwicklung beschrittene Weg gute Er-gebnisse: Um neben der oben ange-sprochenen allgemeinen Verfügbarkeit der Lösung auch das Wissen über das Frame-work breit zu verteilen, wurde die initiale Entwicklung bewusst mit verschiedenen Partnern durchgeführt.

Herausforderung Datenbewirt-schaftung und ArchivierungMit dem Abschluss eines einzelnen Ge-schäfts (Dossierabschluss) beginnt im Amt die eher «passive» Bewirtschaftung des Dossiers, die mit dem Angebot des Dossi-ers an das BAR und/oder mit der endgül-tigen Löschung desselben (mit Ausnahme der Metadaten) endet.

Abgeschlossene Dossiers, insbesonde-re die Metadaten dazu, sollen aber auch in der Zeit zwischen aktiver Bewirtschaftung (im Amt) und der Langzeitarchivierung (im BAR) über die zentrale Suche gefunden werden können. Die eigentlichen Dos-sierinhalte hingegen sollen in einem ver-knüpften, für die Endbenutzerin und den Endbenutzer nicht wahrnehmbaren Sys tem («Near-Line-Archiv») gespeichert sein – denn ein GEVER-System will nicht primär den Aufbewahrungspflichten der Ämter, sondern soll vor allem als Arbeits-mittel für die Unterstützung der Geschäfts-prozesse dienen.

Eine wichtige Frage im Kontext der Ar-chivierung ist die Sicherstellung der Integ-rität der Daten. Falls das System aus einer Einheit besteht (inkl. integrierten Archivs), ist dies in der Regel durch das System selbst gelöst. Ansonsten muss auf Objekt-stufe (Dokument/Dossier) die Integrität und Nachvollziehbarkeit bei der Übergabe in ein anderes System sichergestellt wer-den.

Beim Projekt «Signaturdienst Archivie-rung» war die Integrität der Dokumente bereits durch eine bestehende digitale Si-

Abbildung 1: Architektur OXBA/GEVER Office Abbildung 2: Screenshot einer digital signierten SHAB-Meldung

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76 Praxis – Schweiz

gnatur gegeben. Die Herausforderung bei diesem Projekt war, eine Möglichkeit für die Konservierung der bestehenden Sig-natur zu finden beziehungsweise die zu-künftige Prüfbarkeit der Gültigkeit der Sig-natur sicherzustellen.

Ausgangslage beim Signatur-dienst ArchivierungDas SECO publiziert seit mehr als drei Jahren die Meldungen des Schweizeri-schen Handelsamtsblattes (SHAB) in digi-taler Form und verwendet zwecks Sicher-stellung der Integrität und zum Nachweis der Authentizität anerkannte qualifizierte Signaturen (siehe Kontext-Box: «Was ist eine ‹rechtsgültige elektronische Unter-schrift›?»)

Weil die Publikation von SHAB-Meldun-gen eine der ersten Anwendungen war, die systematisch Dokumente mit einer qualifi-zierten digitalen Signatur versieht, und we-gen der grossen Bedeutung der SHAB-Meldungen hat sich die Frage gestellt, wie diese Dokumente aufbewahrt werden sol-len. Das Ziel ist dabei die Konservierung nicht nur des Dokuments, sondern auch des rechtlichen Status der Signatur: Bei der Aufbewahrung in einem Langzeitarchiv muss sichergestellt werden, dass die Überprüfung der Gültigkeit der digitalen Si-gnatur auch dann noch möglich ist, wenn die Signierzertifikate abgelaufen oder (nachträglich) gesperrt worden sind sowie wenn die ursprünglich verwendeten Sig-nieralgorithmen gebrochen werden.

Das BIT erhielt in der Folge den Auftrag, für die Überführung der SHAB-Meldungen

in das Langzeitarchiv der NB einen Dienst zu erstellen, der dieses Anliegen umsetzt.

Herausforderung der länger-fristigen Validierung einer elektronischen UnterschriftWeil bereits bei der Erstellung der digitalen Signaturen der SHAB-Meldungen vertrau-enswürdige Zeitstempel verwendet wer-den, kann an dieser Stelle auf eine einge-hende Betrachtung der verschiedenen Validierungsmodelle verzichtet werden.6

Die weitere Problematik in Bezug auf die Validierung einer digitalen Signatur be-steht jedoch darin, dass eine Sperrliste nur diejenigen gesperrten Zertifikate bein-halten muss, die noch nicht abgelaufen sind. Nachdem ein Zertifikat abgelaufen ist, findet man es daher unter Umständen nicht mehr auf der Sperrliste, obwohl es zum Zeitpunkt der Signaturerstellung be-reits gesperrt war. Bei einer digitalen Sig-natur, die mit einem mittlerweile abgelau-fenen Zertifikat erstellt wurde, kann folglich trotz Zeitstempeln nicht mehr mit Sicher-heit überprüft werden, ob es zum Signier-zeitpunkt bereits gesperrt war und die Sig-natur damit ungültig ist.

Herausforderung ÜbersignierungDie Technologie, auf welcher digitale Sig-naturen basieren, entwickelt sich ständig weiter. Es muss folglich eine Möglichkeit bestehen, digital signierte Dokumente neu zu «versiegeln», insbesondere falls die Ge-fahr besteht, dass der verwendete Signa-turalgorithmus gebrochen wird. Zwar könnte dazu das signierte Dokument ein-fach übersigniert werden – dies ist aber nicht unproblematisch: Eine anerkannte qualifizierte Signatur bezieht sich immer auch auf den Inhalt und ist daher norma-lerweise mit einer Willenserklärung in Be-zug auf den Inhalt verknüpft.7 Diese inhalt-liche Willenserklärung im Nachhinein durch eine andere Person neu anzubrin-gen – gleichsam durch die Erneuerung der Signatur – ist nicht unproblematisch.

LösungsskizzeUm die von der NB und dem SECO gefor-derte Archivierung im Sinne einer Konser-vierung nicht nur des Dokuments, sondern auch des rechtlichen Status umzusetzen, wurde folgende Lösung realisiert:– Die elektronische Unterschrift der Doku-

mente wird zum Einlieferungszeitpunkt geprüft.

– Das Resultat und die Art der Prüfung werden in einem Prüfbericht festgehal-ten. Ausserdem wird die aktuelle Sperr-liste archiviert.

– Der Prüfbericht enthält damit etwa die Aussage: «Das Dokument A hat zum Zeitpunkt B über eine Signatur der Güte

C und den Gültigkeitsstatus D verfügt.» Die Verbindung zwischen Dokument und Prüfbericht erfolgt dabei mittels ei-ner Hash-Funktion.

– Der Prüfbericht wird zeitgestempelt und seinerseits elektronisch unterschrieben.

– Das ursprüngliche Dokument und der signierte Prüfbericht werden ins Archiv übergeben.

Dieses Verfahren – eine digitale Signatur durch eine andere digitale Signatur zu si-chern – mag auf den ersten Blick erstau-nen. Bei genauer Betrachtung bietet es jedoch folgende Vorteile:– Wenn sich die Kryptografie weiterent-

wickelt, kann der Prüfbericht übersigniert werden. Eine problematische Übersig-nierung der inhaltlichen Willenserklärung kann damit umgangen werden.

– Durch die Abstraktion von der ursprüng-lichen Dokumentensignatur können un-terschiedliche Dokumente mit verschie-denen Signaturen durch dasselbe Verfahren aufbereitet und aufbewahrt werden.

– Die Lösung ist auch auf unsignierte Do-kumente erweiterbar: Durch die Hash-Funktion und den Zeitstempel werden die Grundanforderungen der GeBüV er-füllt.8

Im Ergebnis kann durch dieses Vorge-hen auch noch nach Jahren eine verbindli-che Aussage über die Gültigkeit der ur-sprünglichen Dokumentensignatur zum Zeitpunkt der Einlieferung gemacht wer-den.

Bei der Umsetzung des Projektes wurde weiter grossen Wert auf die Wiederver-wendbarkeit für andere unsignierte und signierte Dokumente gelegt, sodass damit ein entscheidender Schritt hin zur Vision der Digitalisierung des gesamten Lebens-zyklus einer elektronischen Urkunde ge-macht werden konnte.9

1 Die benutzerfreundlichste Vollintegration wird mit Microsoft Office (inkl. Outlook) ab der Version 2007 erreicht. Es können aber auch andere E-Mail Clients und Office-Pakete verwendet werden.

2 Zum Beispiel der Standard P023: http://www.isb.admin.ch/themen/standards/alle/03230/index.html?lang=de.

3 Siehe dazu: http://www.isb.admin.ch/themen/strategien/00071/index.html?lang=de.

4 Ziel: flächendeckende Einführung von GEVER im Bund gemäss BR-Beschluss. Siehe dazu auch die Website des Programms GEVER Bund unter http://www.bk.admin.ch/themen/04609/index.html?lang=de.

5 Siehe dazu: http://www.oxba.admin.ch.6 Siehe Markwalder, Daniel: Public Key Infrastructure.

Schulthess, Zürich, 2009. S. 27 ff.7 Siehe Markwalder, Daniel: Was ist eine digitale Signatur?

In: IT-Security 3 (2009). S. 38 ff. (elektronisch abrufbar unter http://www.mediasec.ch/media/bilder_it/september2009/it3_07.pdf).

8 Siehe Markwalder, Daniel: Public Key Infrastructure. Schulthess, Zürich, 2009. S. 89 ff.

9 Siehe dazu auch den Artikel in dieser Ausgabe von Adrian Blöchlinger «Von elektronischen Urkunden zu elektronischen Justizarchiven».

Was ist eine «rechtsgültige elektronische Unterschrift»?Mit dem Begriff «rechtsgültige elektronische Unterschrift» ist meist die elektronische Unterschrift basierend auf einem qualifizierten Zertifikat einer nach ZertES anerkannten Anbieterin gemeint (im Folgenden «anerkannte qualifizierte Signatur» genannt). Der Begriff der Rechtsgültigkeit ist im Zusammenhang mit digitalen Signaturen jedoch nicht absolut zu verstehen: Einerseits können auch digitale Signaturen von niederer Qualität (einfache oder fortgeschrittene digitale Signatur) im Einzelfall gewisse Rechtswirkungen auslösen, andererseits haben selbst Signaturen der höchsten Stufe beispielsweise in Bezug auf den Beweiswert keine absolute Gültigkeit, sondern unterliegen immer der freien richterlichen Beweiswürdigung im Einzelfall.Klar geregelt für anerkannte qualifizierte Signaturen ist die Risikoverteilung zwischen dem Inhaber des Signierschlüssels (er haftet nach Art. 59a OR) und der Anbieterin der Zertifikate (sie haftet nach Art. 16 ZertES). Ebenfalls Klarheit besteht in Bezug auf den Wert von digitalen Signaturen (Formvorschriften): Art. 14 Abs. 2bis OR bestimmt, dass die anerkannte qualifizierte Signatur der Handunterschrift gleichgestellt ist.

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78 Praxis – International

Aktenhaltung und Vorgangsbearbeitung werden in Brandenburg auf Ministerialebene vollständig elektronischAndrea Kubath

Das Nebeneinander von Papierakten und der papierbasierten Vorgangsbearbeitung sowie der Nutzung der IT zur Unterstüt-zung der täglichen Arbeit, zum Beispiel bei der Erstellung von Dokumenten oder der schnellen Abstimmung per E-Mail, hat dazu geführt, dass die Aktenhaltung nicht mehr immer einheitlich und vollständig in Papier ist. Vorgänge werden teilweise schon heute elektronisch vorgehalten, und die Vollständigkeit der Papierakten hängt – insbesondere in Behörden mit sogenannter Bearbeiterablage – stark von den jeweiligen Beschäftigten ab. Die Unzufriedenheit mit dieser Situation sowie der Wunsch, die behördenübergreifende elektronische Zusammenarbeit über die Nutzung der E-Mail-Funktion hinaus zu verbessern, hat dazu geführt, dass die Landesregierung Brandenburg das Ministerium des Innern beauftragt hat, das Projekt EL.DOK BB (Dokumentenma-nagement- und Vorgangsbearbeitungs-system Land Brandenburg) zu initiieren und in einem ersten Schritt alle Ministe-rien und die Staatskanzlei mit ihren rund 2500 Mitarbeiternden bis 2011 mit einem Dokumentenmanagement- und Vor-gangsbearbeitungssystem (DMS/VBS) auszustatten.

Besonderheiten des branden-burgischen AnsatzesDies bedeutet für die Landesverwaltung Brandenburg einen nicht zu unterschät-zenden Paradigmenwechsel. Die Akten-haltung erfolgt künftig weitgehend elektro-nisch. Ebenso soll – vorerst auf der Ebene der Ministerialverwaltung – die Vorgangs-bearbeitung ausschliesslich elektronisch erfolgen. Dieses Thema ist in allen Bun-desländern und auch beim Bund seit Jah-ren virulent. Was ist also in Brandenburg anders?

Brandenburg passt das DMS/VBS der-art an, dass die Systemnutzung auch für die Vorgesetzten interessant wird. Die üb-lichen DMS/VBS befreien die Sachbear-beitenden von Prozessschritten und be-schleunigen die Prozesse. So weit, so gut. Die Vorgesetzten machen dabei aber häu-fig einen schlechten Tausch, da sie durch organisatorische und personelle Bedin-gungen bereits von logistischen Tätigkei-ten befreit waren. Von daher sollen die Arbeitsplätze von Führungskräften auf de-ren Bedürfnisse konfiguriert werden kön-nen. Das heisst, auch die Vorbereitung von Mehrfachunterschriften durch Bürolei-ter oder Vorzimmerkräfte wird ermöglicht. Mehrfaches Klicken zur Öffnung von Vor-gängen und Dokumenten entfällt damit für die Führungskräfte. Für mehrere vorberei-tete Dokumente reicht eine Unterschrift per Passworteingabe. Die Weiterleitung entfällt, weil unterzeichnete Dokumente gleich in den Postausgang rutschen. Me-tadaten, die von Vorgesetzten nicht be-nötigt werden, können ausgeblendet werden. Für Vorgesetzte, die weder re-cherchieren noch Vorgänge oder Doku-mente anlegen, können die virtuellen Ar-beitsplätze rollenbezogen schlanker konfi-guriert werden. Dokumente können abonniert werden, sodass über Änderun-gen in Dokumenten automatisch informiert wird. Anspruchsvolle Fristenlösungen un-terstützen die Nutzenden bei der täglichen Arbeit, um nur einige Funktionalitäten auf-zuzeigen, die nicht in jedem DMS/VBS standardmässig enthalten sind.

Das Ministerium des Innern führt nicht nur ein DMS/VBS ein. EL.DOK BB sieht einen ganzheitlichen Ansatz vor und will eine All-in-one-Lösung realisieren. Was heisst das? Auf der gleichen Plattform (EL.DOK BB), mit der die Aktenhaltung und Vorgangsbearbeitung elektronisch ab-gewickelt werden soll, werden auch ein elektronisches Kabinettinformationssys-tem (EL.KIS), in dem alle Kabinettreferats-mitglieder zusammenarbeiten, sowie ein Bereich zur behördenübergreifenden Zu-sammenarbeit aller Nutzerinnen und Nut-zer der Landesverwaltung (EL.ZA) geplant.

Mit EL.KIS werden die Kabinettsitzun-gen der Landesregierung vollständig vor- und nachbereitet. Sowohl die Ressort-abstimmungen und Mitzeichnungen der Kabinettvorlagen als auch die Einladung zur und Protokollierung der Sitzungen er-folgen innerhalb des gemeinsam genutz-ten Systems. Diese Form der Zusammen-arbeit der obersten Landesbehörden ermöglicht nicht nur die schnelle und me-dienbruchfreie Abstimmung der Vorlagen, sondern auch deren Veraktung. Damit liegen in EL.KIS alle kabinettrelevanten Daten jeweils aktuell vor, sodass auch die Durchführung der Kabinettsitzungen selbst durch das System unterstützt wer-den kann. Dies gilt ebenso, wenn bei-spielsweise Beschlüsse zu Gesetzent-würfen elektronisch an den Landtag weitergeleitet werden müssen.

EL.ZA ermöglicht darüber hinaus eine ressortübergreifende Zusammenarbeit in einem System. Vorerst werden dazu drei Arbeitsbereiche eingerichtet:a. Ein Bereich dient insbesondere der res-

sortübergreifenden Abstimmung von Dokumenten; mithilfe eines zum Do-kument hinzugeschalteten Diskussions-forums können seitens des fede r-führenden Nutzers Lese- und/oder Schreibrechte vergeben werden, so-dass die Nutzenden im Diskussionsfo-rum ihre Stellungnahmen hinterlegen oder direkt ins Dokument schreiben können. Das aufwendige Übersenden von Entwürfen und Stellungnahmen

Andrea Kubath ReferatsleiterinMinisterium des Innern [email protected]

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kann somit entfallen. Nur die letzte Ver-sion wird in das Aktenhaltungssystem zurückübernommen.

b. Der zweite Bereich soll die ressortüber-greifende Gremienarbeit verschiedener Bereiche in einem System unterstüt-zen. Dazu wird ein Bereich vorkonfigu-riert, in dem die Aktenordnung bereits für jede Sitzung vorgefertigte Leervor-gänge mit Vorlagen für Tagesordnung und Protokoll enthalten sind, die nur noch inhaltlich sinnvoll befüllt werden müssen. Eine redundante Dateien- bzw. Aktenhaltung durch die Mitglieder kann durch die gemeinsame Nutzung entfallen.

c. Der dritte Bereich soll die ressortüber-greifende Projektarbeit unterstützen. Dafür werden Grundkonfigurationen hinterlegt, die eine Arbeit nach dem Projektmanagementmodell des Landes Brandenburg unterstützen. Beispiels-weise werden vorgefertigte Vergabeak-ten mit Leerformularen sowie Pro-jektakten mit Vordrucken zum Beispiel für Projektphasenpläne, Terminpläne, Risikolisten etc. eingerichtet, die von den Projektmitgliedern gemeinsam ge-führt und später auch gemeinsam aus-gesondert werden können. In diesem Bereich sollen die Objekte: Akte, Vor-gang und Dokumente um die für die Projektarbeit typischen Objekte Ar-beitspakete und Einzelaktivitäten, die in eine zeitliche Abhängigkeit gebracht werden können, ergänzt werden.

Diese All-in-one-Lösung ermöglicht den Nutzenden der Ministerialverwaltung eine weitgehende elektronische Bearbeitung

ihrer Prozesse innerhalb eines Systems, in dem die Prozesse gesteuert werden und eine automatische, geordnete Aktenhal-tung sichergestellt wird. Die Nutzer kön-nen sich dabei immer innerhalb einer ge-wohnten Oberfläche bewegen und müssen nicht lernen, mit unterschiedli-chen Systemen umzugehen.

Veränderungsmanagement zur Begleitung des Paradigmen-wechselsBei der Einführung einer neuen und durch-aus komplexen Software, die auch erheb-liche Veränderungen in der Arbeitsweise beinhaltet, ist es in der Regel nicht so, dass die Mitarbeitenden nur darauf war-ten, endlich ein neues System zu bekom-men, um dann sofort damit zu arbeiten. Vielmehr ist bei den künftigen Nutzern eher eine abwartende bis skeptische Hal-tung anzunehmen, weil die Arbeit ja schliesslich bisher auch so erledigt wurde. Das neue System muss erst erlernt wer-den, und bis eine routinierte Systemnut-zung angenommen werden kann und da-mit für die Nutzenden Vorteile erkennbar werden, fühlen diese sich zusätzlich be-lastet.

Hier galt es, im Projekt frühzeitig anzu-setzen und neben der technischen Ent-wicklung auch darauf zu achten, dass die Veränderungsprozesse von Beginn an be-gleitet werden. Dazu gehört zum Beispiel auch, die Mitglieder der Teilprojektgrup-pen der Ministerien und der Staatskanzlei argumentativ auf die eigenverantwortliche Einführung vorzubereiten. In jedem Minis-terium und der Staatskanzlei wurden

Schirmherren gesucht, die das Projekt mittragen und für die Nutzenden spürbar als Unterstützer auftreten.

Ein Schwerpunkt ist natürlich die Vorbe-reitung aller Nutzenden, mittels Informa-tionen, Schulungen, Workshops und en-ger Betreuung, die auch die Tatsache berücksichtigen muss, dass die Einarbei-tungsphase mit starken Belastungen ein-hergeht und die Produktivität der Mitarbei-tenden erst wieder steigen kann, wenn eine routinierte Nutzung der neuen Soft-ware sichergestellt werden kann.

EL-ArchitekturDer ganzheitliche Ansatz des Landes Brandenburg sieht eine starke prozess-orientierte Zusammenarbeit zwischen EL.DOK BB und Partnerprojekten vor, um eine medienbruchfreie elektronische Ab-wicklung bereichs- und systemübergrei-fender Prozesse unter anderem zwischen Landtag und Landesregierung zu gewähr-leisten. Dazu müssen das im Aufbau befindliche Landtagsinformationssystem (ELVIS), das geplante System zur elektro-nischen Normenverkündung (EL.NORM) sowie das System zur elektronischen Ar-chivierung (EL.ARCHIV – in Betrieb) über die XDOMEA-Schnittstelle angebunden werden, um einen rechtssicheren Aus-tausch von elektronisch signierten Doku-menten sicherstellen zu können. Gleiches ist für die übergreifend genutzten Fach- bzw. Querschnittsverfahren wie etwa das elektronische Personalinformationssystem (PerIS) und das Buchungsverfahren im Rahmen des Projektes NFM (SAP) ge-plant. Der ganzheitliche Ansatz sieht auch die Einbindung einer virtuellen Poststelle, eines Langzeitspeichersystems zur Aufbe-wahrung von Akten bis zur Archivierung sowie die Vorbereitung der Aussonderung elektronischer Akten an das Landeshaupt-archiv vor.

Abbildung: Zusammenspiel von EL.DOK BB mit anderen E-Government-Projekten des Landes Brandenburgs

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Dr. Detlef HühnleinSeit mehr als zehn Jahren bei der secunet Security Networks AG – u.a. im Umfeld der elektronischen Signatur – tätig [email protected]

Dr. Ulrike KorteReferentin im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Referat «Neue Technologien und wissenschaft-liche Grundlagen»[email protected]

Dr. Stefanie Fischer-DieskauReferentin im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Referat «Haushalt, Justiziariat» [email protected]

Eine Referenzarchitektur für die vertrauens-würdige Langzeitspeicherung sensitiver DatenDetlef Hühnlein, Ulrike Korte, Stefanie Fischer-Dieskau

Da die Sicherheit kryptografischer Algorithmen meist nur für einen be-stimmten Zeitraum gegeben ist, ist es eine herausfordernde Aufgabe, die Integrität, Authentizität, Vertraulichkeit und Verkehrsfähigkeit archivierter Daten und Dokumente über einen langen Zeitraum gewährleisten zu können. Vor diesem Hintergrund wurde vom deut-schen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf Basis vorheriger Projekterfahrungen und unter Berücksichtigung internationaler Stan-dards im Rahmen der «technischen Richt-linie vertrauenswürdige elektronische Langzeitspeicherung (TR-VELS)» eine Referenzarchitektur für die vertrauens-würdige Langzeitaufbewahrung sensitiver Daten entwickelt, die im Rahmen des vorliegenden Beitrags kurz vorgestellt werden soll.

EinleitungDie im Rahmen der technischen Richtlinie zur vertrauenswürdigen elektronischen Langzeitspeicherung dokumentierte Refe-renzarchitektur (siehe auch [2], [3]) sieht eine Entkopplung der Anwendungen (Ap-plication-Layer) vom vertrauenswürdigen Archivierungssystem (Trusted-Archive-Layer) vor, durch die eine dienstorientierte Realisierung ermöglicht wird. Die interne Struktur des Langzeitarchivs basiert wie-derum auf den Vorarbeiten des ArchiSig1- [4] und ArchiSafe2-Projektes [5], [6] und stützt sich insbesondere auf die inzwi-schen in [7] standardisierte Evidence Re-

cord Syntax und ein über Standardschnitt-stellen integriertes Krypto-Modul (vgl. [11], [12], [13], [16]).

Module der ReferenzarchitekturWie in Abbildung 1 dargestellt, besteht die Referenzarchitektur aus den folgenden Modulen:– ArchiSafe-Modul– ArchiSig-Modul– Krypto-Modul– Langzeitspeicher

ArchiSafe-Modul Das ArchiSafe-Modul nimmt die Archivan-fragen der Geschäftsanwendungen entge-gen und steuert die wesentlichen Abläufe im Archiv, indem das ArchiSig-Modul oder der Langzeitspeicher angesprochen wer-den. Sofern die zu archivierenden Daten signiert sind, wird in der Regel mittels des Krypto-Moduls die Prüfung der im Archiv-datenobjekt enthaltenen Signaturen an-gestossen.

ArchiSig-Modul Das ArchiSig-Modul verwaltet die Merkle-Hashbäume [9] zu den registrierten Ar-chivdatenobjekten, fordert bei Bedarf über das Krypto-Modul (qualifizierte) Zeitstem-pel gemäss [10] an und erzeugt auf Anfor-derung technische Beweisdaten gemäss [7].

Krypto-ModulDas Krypto-Modul ist zumindest in der Lage, Hashwerte zu berechnen sowie Sig-naturen und Zeitstempel samt den zuge-hörigen Zertifikatsketten zu prüfen. Aus-serdem können (qualifizierte) Zeitstempel bei einem Zertifizierungsdiensteanbieter (ZDA) angefordert werden. Das Krypto-Modul kann insbesondere auf Basis des eCard-API-Framework [11] realisiert wer-den, das wiederum auf den internationa-len Standards ISO/IEC 24727 [12] und OASIS DSS [13] basiert (siehe auch [16]).

LangzeitspeicherIm Langzeitspeicher werden schliesslich die Archivdatenobjekte abgelegt und kön-nen bei Bedarf dort wieder ausgelesen oder – zum Beispiel nach Ablauf der Auf-bewahrungsfrist und sofern die Vorausset-zungen gemäss dem Bundesarchivgesetz [17] gegeben sind – gelöscht werden. Während in der technischen Richtlinie [1]

neben der bitgenauen Reproduktion der aufbewahrten Daten keine zusätzlichen Anforderungen an den Langzeitspeicher gestellt werden, wird in [3] gezeigt, wie durch Einsatz von Secret-Sharing-Verfah-ren ein Archivierungssystem realisiert wer-den kann, das neben der Integrität und Authentizität auch die Vertraulichkeit und Verfügbarkeit langfristig sicherstellen kann.

Schnittstellen und ProzesseDie Anwendungen benutzen eine abstrak-te, möglichst einfache Anwendungs-schnittstelle, um einen der folgenden Pro-zesse zu aktivieren:– Archivierung elektronischer Daten,– Abfrage von ganzen Archivdatenobjek-

ten oder Teilen davon, – Löschen von Archivdatenobjekten und– Rückgabe von technischen Beweisda-

ten.Alle Schnittstellen sind als Web Service

realisiert, basierend auf [14] und [15] so-wie auf den in [11] definierten Datentypen. Diese einfachen Anwendungsschnittstel-len werden im folgenden Text näher vorge-stellt.

ArchiveSubmissionRequestZur Archivierung elektronischer Dokumente wird der Funktionstyp ArchiveSubmission-Request vom ArchiSafe-Modul gegenüber den Anwendungen, vom ArchiSig-Modul gegenüber dem ArchiSafe-Modul sowie in ähnlicher Form vom Langzeitspeicher ge-genüber dem ArchiSig-Modul angeboten. Dabei wird im Wesentlichen ein Archivda-tenobjekt XAIP übergeben und man erhält ein sogenanntes «ArchiveToken» zurück, mit dem man – analog einer «Garderoben-marke» – später das dadurch eindeutig be-zeichnete Archivdatenobjekt wieder ausle-sen (vgl. Abschnitt 3.2), löschen (vgl. Abschnitt 3.3) oder zugehörige Beweisda-ten gemäss [7] (vgl. Abschnitt 3.4) anfor-dern kann. Sofern das übergebene Archiv-datenobjekt elektronische Signaturen enthält, werden diese unter Verwendung der VerifyRequest-Funktion gemäss Teil 2 des eCard-API-Frameworks [11] vor der Archivierung geprüft (vgl. Abschnitt 2.3).

ArchiveRetrievalRequestDiese Funktion wird vom ArchiSafe-Modul den Anwendungen und in vergleichbarer Form vom Langzeitspeicher dem ArchiSa-fe-Modul angeboten.

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Nach Übergabe eines ArchiveToken durch die Anwendung wird das entspre-chende XAIP zurückgeliefert.

ArchiveDataRequest In ähnlicher Form kann mit der Funktion ArchiveDataRequest auf Teile eines Ar-chivdatenobjektes zugegriffen werden.

ArchiveDeletionRequestDiese Funktion wird vom ArchiSafe-Modul den Anwendungen und in ähnlicher Form vom Langzeitspeicher dem ArchiSafe-Mo-dul angeboten.

Nach Übergabe des ArchiveToken und gegebenenfalls einer entsprechenden Be-gründung für das Löschen wird das ent-sprechende XAIP im Langzeitspeicher gelöscht, sofern die Voraussetzungen ge-mäss dem Bundesarchivgesetz [17] gege-ben sind.

ArchiveEvidenceRequestDie Anforderung von Beweisdaten erfolgt mittels des Funktionstyps ArchiveEvi-denceRequest, der vom ArchiSafe-Modul gegenüber den Anwendungen und vom Ar chiSig-Modul gegenüber dem ArchiSa-fe-Modul angeboten wird.

Für ein mittels ArchiveSubmissionRe-quest (vgl. Abschnitt 3.1) archiviertes XAIP kann bei Bedarf mittels ArchiveEvidence-Request ein entsprechender EvidenceRe-cord gemäss [7] angefordert werden, durch den die Integrität und Authentizität des Archivdatenobjekts langfristig gewahrt und somit die Beweiskraft der archivierten Daten erhalten werden kann.

Umsetzung mit dem eCard-API-FrameworkWährend für die Umsetzung der hier skiz-zierten IT-Referenzarchitektur der TR-VELS [1] grundsätzlich verschiedene Möglichkei-ten existieren, ist es dennoch be sonders naheliegend und empfehlenswert, dies auf Basis des eCard-API-Framework [11] durch zuführen.

Durch Nutzung des eCard-API-Frame-work ergeben sich die folgenden Vor- teile:

Durch Einsatz einer bereits zur Verfü-gung stehenden Umsetzung des eCard-API-Framework kann auf die eigenstän-dige und aufwendige Implementierung, Evaluierung und Zertifizierung dieser Kom-ponente verzichtet werden.

Ausserdem werden die weiteren, aus den notwendigen Archivierungsprozessen abgeleiteten Schnittstellen (siehe Ab-schnitte 3.1–3.4) auf Basis der auch dem eCard-API-Framework [11] zugrunde lie-genden Basistypen (RequestBaseType und ResponseBaseType) aus [13] umge-setzt. Hierdurch können bewährte Werk-zeuge und Bibliotheken nahtlos weiterver-wendet werden, und es entsteht eine harmonisch aufeinander abgestimmte Ge-samtlösung, die zudem das Potenzial be-sitzt, in die internationale Standardisierung einzufliessen.

FazitDie technische Richtlinie [1] und insbeson-dere auch die darin enthaltene Referenzar-chitektur wurden auf Basis der folgenden Gestaltungskriterien erstellt:– Berücksichtigung der relavanten natio-

nalen und internationalen Standards;

– konsequente und vollständige Anwen-dungs-, Plattform- und Herstellerneutra-lität;

– Mandantenfähigkeit für anwendungs- und produktübergreifende Archivinfra-strukturen.Mittels der vorgestellten Schnittstellen

ist es gelungen, eine Archivschnittstelle als einzigen Service für alle Anwendungen im Rahmen einer einfach zu erweiternden IT-Referenzarchitektur zur Verfügung zu stel-len.

Literatur [1] BSI: Vertrauenswürdige elektronische Langzeitspei-

cherung (VELS), BSI-TR 03125, 2009, https://www.bsi.bund.de/cln_136/DE/Publikationen/Technische-Richtlinien/technischerichtlinien_node.html.

[2] Rehäußer, P./Zimmer, W./Korte, U./Hühnlein, D./Fischer-Dieskau, S./Gnaida, U.: Technische Richtlinie zur vertrauenswürdigen Langzeitarchivierung. In: Tagungsband «D•A•CH Security», IT-Verlag, 2009, http://www.ecsec.de/pub/2009_DACH-TR-VLA.pdf.

[3] Hühnlein, D./Korte, U./Langer, L./Wiesmaier, A.: A Comprehensive Reference Architecture for Trustworthy Long-Term Archiving of Sensitive Data. In: Procee-dings of Third International Conference on New Technologies, Mobility and Security, IEEE, 2009, http://www.ecsec.de/pub/2009_NTMS.pdf.

[4] Rossnagel, A./Schmücker, P.: Beweiskräftige elektronische Archivierung. Bieten elektronische Signa-turen Rechtssicherheit? Ergebnisse des Forschungs-projekts «ArchiSig», Economica Verlag, 2005.

[5] Hackel, S./Rossnagel, A.: Langfristige Aufbewahrung elektronischer Dokumente. In: Klumpp, D./Kubicek, H./ Roßnagel, A./Schulz, W. (Hg.): Informationelles Vertrauen für die Informationsgesellschaft. Springer-Verlag, 2008. S. 199–207.

[6] Zimmer, W./Langkabel, T./Hentrich, C.: ArchiSafe: Legally Compliant Electronic Storage. In: IT Professional, Vol. 10, 4 (2008). S. 26–33.

[7] Gondrom, T./Brandner, R./Pordesch, U.: Evidence Record Syntax (ERS), IETF RFC 4998, http://www.ietf.org/rfc/rfc4998.txt.

[8] ISO 14721: Space data and information transfer systems – Open archival information system – Refe-rence model, International Standard, 2003 (vgl. http://public.ccsds.org/publications/archive/650x0b1.pdf).

[9] Merkle, R.: Protocols for Public Key Cryptosystems. Proceedings of the 1980 IEEE Symposium on Security and Privacy (Oakland, CA, USA). 1980. S. 122–134.

[10] Adams, S./Cain, P./Pinkas, D./Zuccherato, R.: Internet X.509 Public Key Infrastructure – Time-Stamp Protocol (TSP), IETF RFC 3161, http://www.ietf.org/rfc/rfc3161.txt.

[11] BSI: eCard-API-Framework, BSI-TR 03112 (Teile 1–7), Version 1.1, 2009, https://www.bsi.bund.de/cln_136/DE/Publikationen/TechnischeRichtlinien/technische-richtlinien_node.html.

[12] ISO/IEC 24727: Identification cards, Part 3 (Application interface) & Part 4 (Application programming interface (API) administration), International Standard, 2008.

[13] OASIS: Digital Signature Service Core Protocols, Elements, and Bindings, Version 1.0, Standard, 2007, http://docs.oasis-open.org/dss/v1.0/oasis-dss-core-spec-v1.0-os.pdf.

[14] Wallace, C./Chokani, S.: Trusted Archive Protocol (TAP), Internet Draft, draft-ietf-pkix-tap-00.txt, February 2003, http://tools.ietf.org/id/draft-ietf-pkix-tap-00.txt.

[15] Jerman Blazic, A./Sylvester, P./Wallace, C.: Long-term Archive Protocol (LTAP) – draft-ietf-ltans-ltap-07. LTAP, 2008, http://tools.ietf.org/html/draft-ietf-ltans-ltap-07,

[16] Hühnlein, D./Bach, M.: Die Standards des eCard-API-Frameworks. Eine deutsche Richtlinie im Konzert internationaler Normen. In: Datenschutz und Datensicherheit (DuD), 6 (2008). S. 379–382, http://www.ecsec.de/pub/2008_DuD_eCard.pdf.

[17] Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes, (Bundesarchivgesetz – BArchG) vom 06.01.1988, zuletzt geändert durch § 13 Abs. 1 G vom 05.09.2005 I 2722, siehe unter http://www.gesetze-im-

internet.de/bundesrecht/barchg/gesamt.pdf.

1 http://www.archisig.de.2 http://www.archisafe.de.

Abbildung 1: IT-Referenzarchitektur für die vertrauenswürdige Langzeitarchivierung

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Harald SchumacherGeschäftsführer, b.i.t.consult [email protected]

Dr. Martin WindInstitut für Informationsmanagement Bremen; beratender Partner, b.i.t.consult [email protected]

Durchgängige IT-Unterstützung von Verwaltungs-abläufen durch Digitales Schriftgutmanagement Harald Schumacher, Martin Wind

Dokumenten-Management geniesst gegenwärtig zu Recht hohe Aufmerksam-keit in den Verwaltungen, stellt es doch in vielen Fällen den Schlüssel dar zu mehr Effizienz, Effektivität und Qualität durch den Einsatz moderner IT. Digitales Schriftgutmanagement bezeichnet einen prozessorientierten Ansatz, den Umgang mit Dokumenten nicht nur punktuell in den Fachabteilungen von Behörden, sondern durchgängig, das heisst vom Post eingang über die Vorgangsbearbei-tung bis zum Postausgang, zu unterstüt-zen. Der Beitrag beschreibt Gestaltungs-möglichkeiten und -anforderungen anhand von aktuellen Projektergebnissen.

und weitergereicht, vom Empfänger er-neut in das von ihm genutzte Fachverfah-ren eingegeben werden müssen usw. Den Abschluss der Bearbeitung bildet schliess-lich ein Bescheid, der mangels rechtssi-cherer und komfortabler Alternativen noch immer auf Papier erstellt und auf dem her-kömmlichen Postweg übermittelt werden muss.

Die Anfangsphase im E-Government war geprägt von der Vorstellung, dass die elektronische Kommunikation das Me-dium Papier in weiten Teilen verdrängen würde. Wie wir heute wissen, hat sich die-se Vision als unrealistisch erwiesen – ganz ähnlich wie die des papierlosen Büros, die in vorangegangenen Phasen des Compu-tereinsatzes formuliert worden war. Heute gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass der Umgang mit Briefen und an-deren Schriftstücken auf absehbare Zeit fester Bestandteil von Verwaltungsarbeit bleiben wird.1

Empfehlenswerte Doppel- strategieBei der Entwicklung von Strategien zum IT-Einsatz kommt dem Umgang mit Doku-menten also zentrale Bedeutung zu. Ver-waltungen, die dies erkannt haben, setzen sich derzeit vor allem mit der Digitalisie-rung von Schriftgut in den Fachämtern und Fragen zur rechtssicheren langfristi-gen Archivierung auseinander. Als wäre dies nicht schon kompliziert genug, emp-fiehlt es sich, den Bogen noch etwas wei-ter zu spannen und den Ein- und Ausgang von Schriftgut systematisch mit einzu-schliessen.

Auf diese Weise eröffnet sich eine Dop-pelstrategie, mit der die Möglichkeiten moderner IT trotz den eingangs beschrie-benen Schwierigkeiten zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit von Verwaltungsarbeit ausgeschöpft werden können: Einerseits sollten selbstverständ-lich E-Government-Angebote für jene Ziel-gruppen weiter ausgebaut werden, die für die elektronische Kommunikation in be-sonderem Masse zu gewinnen sind und idealerweise selbst ein Interesse daran ha-ben, mit der Verwaltung nicht mehr per Brief, sondern auf elektronischem Weg zu kommunizieren. Andererseits sind Mittel

und Wege zu suchen, Medienbrüche zu vermeiden und die Vorgangsbearbeitung möglichst durchgängig mit IT zu unterstüt-zen. So könnte Schriftgut im Posteingang digitalisiert werden, wodurch die relevan-ten Daten der Vorgangsbearbeitung von Beginn an in elektronischer Form zur Ver-fügung stünden. Am Ende des Prozesses könnte der Postausgang zentralisiert wer-den, um die Aktivitäten rund um Druckout-put und Versand an einer Stelle zu bün-deln und dadurch zu höheren Volumina und den damit verbundenen Effizienzvor-teilen zu gelangen.

Diese durchgängige, IT-basierte Opti-mierung des gesamten Durchlaufs vom Posteingang über die einzelnen Fachpro-zesse bis zum Postausgang lässt sich auch als «Digitales Schriftgutmanage-ment» (DSM) bezeichnen. Mit diesem Begriff verbindet sich eine gewisse Erwei-terung gegenüber dem Dokumentenma-nagement, das in vielen Verwaltungen noch eher punktuell und ohne systemati-sche Bezugnahme auf relevante Ge-schäftsprozesse betrieben wird. Neuer-dings ist in diesem Zusammenhang auch häufig von «Enterprise Content Manage-ment» (ECM) die Rede, womit vor allem das Zusammenwachsen bislang getrennt entwickelter und eingesetzter IT-Kompo-nenten zum Ausdruck gebracht werden soll. Diese Begrifflichkeiten können sicher-lich synonym verwendet werden, im Fol-genden wird in der Regel dem «Digitalen Schriftgutmanagement» der Vorzug gege-ben.

Wirtschaftlichkeit von DSM-SzenarienObwohl DSM mit dem Durchlauf von Schriftgut die zentralen Elemente von Ver-waltungsarbeit schlechthin berührt, zeigt die Erfahrung, dass die zur konkreten Pla-nung vor Ort erforderlichen Daten häufig erst noch ermittelt werden müssen.

Erste Anhaltspunkte, worauf zu achten ist und welches Vorgehen sinnvoll sein könnte, liefert eine Studie, die Mitte 2008 im Kreis Soest (Nordrhein-Westfalen; ca. 306 000 Einwohner) durchgeführt wor-den ist.2 Hier wurden vier DSM-Szenarien definiert und auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht:

Verwaltungsarbeit ist Papierarbeit – diese Feststellung hat trotz dem intensiven Ein-satz der Informationstechnik (IT) in den Behörden nach wie vor Gültigkeit. Die Gründe dafür sind vielfältig: Formulare, mit denen Ansprüche geltend gemacht oder Anliegen an die Verwaltung gerichtet wer-den, müssen häufig unterschrieben wer-den – und da sich die elektronische Signa-tur als Alternative zur handschriftlichen Unterschrift bislang nicht durchsetzen konnte, beginnen viele Verwaltungsvor-gänge mit einem Posteingang auf Papier. Weiter geht es in der internen Vorgangs-bearbeitung, wo durchgängig elektroni-sche Systeme noch immer eher die Ausnahme sind. So kommt es zu Medien-brüchen, da Daten aus Formularen in IT-Systeme übertragen, dann ausgedruckt

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1. die Digitalisierung des Posteingangs,2. die Digitalisierung des Postausgangs,3. die Digitalisierung von Postein- und

-ausgang sowie4. die durchgängige Digitalisierung unter

Einschluss der Vorgangsbearbeitung.Die auf den ersten Blick überraschende

Quintessenz der Analysearbeiten: DSM beginnt am Ende des Dokumentendurch-laufs, also beim Postausgang. Wird näm-lich am Posteingang angesetzt, fehlt es der durchgängigen Digitalisierung, das heisst, Schriftstücke müssen für die weite-re Bearbeitung doch wieder ausgedruckt werden. Gegenüber den Kosten des heu-tigen Ist-Ablaufs im Dokumentenmanage-ment, die in der Studie als 100% gesetzt wurden, würde sich der Aufwand sogar erhöhen. Für dieses Szenario 1 wurde ein Wert von 105% gegenüber dem heutigen Ist ermittelt (Abbildung 1).

Als wirtschaftlich weitaus sinnvoller hat es sich erwiesen, in oben beschriebener Weise am Postausgang anzusetzen (Szenario 2). Mit IT-Komponenten und Prozessen, die auf eine Bündelung des Postausgangs zielen, liessen sich nach Berechnungen aus der Studie die Kosten auf 72% senken. Wird zugleich der Post-eingang digitalisiert, ohne zuvor eine IT-gestützte Vorgangsbearbeitung eingeführt zu haben (Szenario 3), sinkt der Einsparef-fekt wieder um die fünf Prozentpunkte, die in Szenario 1 für Ausdrucke im Zuge der Vorgangsbearbeitung veranschlagt wor-den sind.

Das Ziel aller Bemühungen sollte letzt-lich die mit Szenario 4 beschriebene, durchgängig elektronisch realisierte Kette vom Posteingang über die Vorgangsbear-beitung zum Postausgang sein, mit der sich die Kosten für den Umgang mit Doku-menten gegenüber dem heutigen Ist auf 23% reduzieren lassen. Wohlgemerkt: Da-mit sind nur die Kosten für das Dokumen-tenmanagement gemeint. Integrativ ange-legte IT-Konzepte eröffnen zusätzliche Optionen für die Optimierung von Fach-prozessen und damit zur Reduzierung weiterer Prozesskosten.

DSM – ein Thema auch für kleine GemeindenObwohl das Thema Dokumentenmanage-ment durch solche Darstellungen zu sinn-vollen Ansatzpunkten kommt und die sich daraus ergebenden Einsparpotenziale überschaubarer werden, schrecken gera-de kleinere Kommunen vor dem zweifellos vorhandenen Projektaufwand zurück, da sie den Nutzen für sich selbst infrage stel-len. Nun ist es natürlich so, dass sich das absolute Post- und damit das Dokumen-tenvolumen mit der Grösse einer Kommu-ne erhöht. Werden die Werte für ein- und

ausgehendes Schriftgut aber auf die Zahl der Beschäftigten umgerechnet, zeigt sich, dass in kleineren Kommunen pro Mitarbeitenden deutlich mehr Schriftgut bewältigt werden muss als in grösseren.

Dies war eines der Ergebnisse einer in-terkommunalen Praxisanalyse in Nieder-sachsen, an der sich die Samtgemeinde Jesteburg (10 630 Einwohner) sowie die Gemeinden Neu Wulmstorf (21 339 Ein-wohner) und Seevetal (41 435 Einwohner) beteiligt haben.4 In einem ersten Schritt wurde zunächst einmal das absolute Volu-men der Postein- und -ausgänge ermittelt. Damit die auf die einzelnen Mitarbeitenden entfallenden Mengen zwischen den be-teiligten Verwaltungen verglichen werden konnten, wurde das Beschäftigungsvolu-men in Vollzeitstellen («Vollzeitäquiva-lente», VZÄ) ausgedrückt. Das Ergebnis spricht für sich: Die kleinste beteiligte Kommune, die Samtgemeinde Jesteburg, wies pro VZÄ sowohl bei eingehendem als auch bei ausgehendem Schriftgut den mit Abstand höchsten Wert auf. Es wäre also ein Irrtum, anzunehmen, für kleine bis mit-telgrosse Kommunen sei DSM kein The-ma. Die vorliegenden Zahlen legen den genau gegenteiligen Schluss nahe.

Bei der Zählung des Postein- und -aus-gangs wurden die Briefe nicht nur per Strichliste erfasst, sondern den Kategori-en eines Referenzproduktplans zugeord-net. Durch den Bezug auf eine gemein-same Systematik, die 116 Produkte auf 45 Produktgruppen und 12 übergeordnete Produktbereiche verteilt, konnten Gemein-samkeiten und Unterschiede bei den Schwerpunkten der Postlogistik in den drei Gemeinden identifiziert werden. Dem-nach lassen sich die Bereiche, in denen DSM besonders schnelle und nachhaltige Wirkungen verspricht, sehr präzise benen-nen: Über alle drei Kommunen hinweg

entfallen nämlich 62% des Posteingangs und sogar 73% des Postausgangs auf die gemeinsamen «Top Five» unter den Pro-duktgruppen des Referenzplans.

Doch auch Unterschiede wurden deut-lich: Beim Postein- und -ausgang zeigten sich bei den Gemeinden einzelne Schwer-punkte, die in den anderen Projektkom-munen in dieser Form nicht zu finden wa-ren und sich durch jeweils spezifische Bedingungen oder Ereignisse auch plausi-bel erklären liessen. Es reicht also nicht aus, sich allein auf andernorts erarbeitete Analyseergebnisse zu beziehen. Wer DSM einführen will, tut vielmehr gut daran, gleich zu Beginn des Projekts die eigene Postlogistik detailliert unter die Lupe zu nehmen, um den jeweils spezifischen Be-darf und damit die Schwerpunkte für Fol-geaktivitäten und die damit verbundenen Investitionen punktgenau ermitteln zu kön-nen.

Gleiches gilt für die Bearbeitung ein- und ausgehender Post, wo sich ebenfalls wichtige Unterschiede zwischen den be-teiligten Kommunen zeigten (Abbildung 2). Beispielsweise schwankte der Anteil des Posteingangs, der von der Poststelle ge-öffnet wird, zwischen 56% und 90%. Da es sich aus wirtschaftlichen Gesichts-punkten in den meisten Fällen empfiehlt, das Einscannen postalisch eingegange-nen Schriftguts an einer Stelle zu bündeln, sollte ein möglichst hoher Anteil eingehen-der Post zentral geöffnet werden können. Für die Gestaltung des nachfolgenden, elektronisch abzubildenden Bearbeitungs-prozesses («Workflow») ist ein hoher Anteil formalisierter Kommunikation vorteilhaft. In der Analyse wurde diesem Gesichts-punkt anhand des Anteils von Formularen am Posteingang nachgegangen. Dieser betrug in den drei Pilotkommunen im Ma-ximum 42% und im Minimum 17%. Solche

Abbildung 1: Kosteneffekte unterschiedlicher DSM-Szenarien3

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Zahlen zeigen, dass es zum Teil erforder-lich, aber eben auch ohne Weiteres mög-lich ist, die Rahmenbedingungen für DSM zu optimieren.

DSM als Gegenstand inter-kommunaler Kooperation Im Umfeld von IT-Themen und E-Govern-ment erfreut sich die interkommunale Zu-sammenarbeit durchaus steigender Be-liebtheit, sie ist aber noch lange nicht die Regel. DSM könnte hier für Belebung sor-gen, denn es ist ein ideales Feld, um von-einander zu lernen und Aufwände auf mehrere Schultern zu verteilen. Hier kann interkommunale Zusammenarbeit allen Partnern zu schnellen, vorzeigbaren Re-sultaten verhelfen, die dann neue Aktivitä-ten begünstigen oder anstossen.

Erstens können durch wechselseitige Vergleiche die jeweils besten Lösungen übertragen werden. Schon die zweimona-tige Analyse bei den drei Gemeinden hat Möglichkeiten aufgezeigt, um auf Druck und Versand von bis zu 70 000 Seiten Gre-mienunterlagen und von 19 000 Beschei-den sowie auf Ausdruck und Archivierung von bis zu 1000 Seiten pro Jahr verzichten zu können.

Zweitens kann durch interkommunale Zusammenarbeit der mit der Einführung von DSM zwangsläufig verbundene Auf-wand reduziert werden. Methodische Vor-arbeiten müssen nur einmal geleistet wer-den, zudem erleichtert die Zusammenarbeit die Durchführung und Auswertung der Er-hebungen zu Fallzahlen etc. Ist das Feld für DSM auf diese Weise bestellt, können anschliessend arbeitsteilig Kernprozesse für DSM identifiziert und optimiert sowie organisatorische und technische Grundla-gen kooperativ erarbeitet werden. Neben-bei dürfte sich die Einbindung in einen in-terkommunalen Verbund von Fall zu Fall

auch förderlich auf die Durchsetzbarkeit von Veränderungen in den beteiligten Häusern auswirken.

Drittens schliesslich kann der Betrieb der für DSM erforderlichen Infrastruktur zum Gegenstand interkommunaler Ko-operation werden. So werden beispiels-weise in einem Teilprojekt des Modellver-suchs «Vernetzte Verwaltung» des Landes Nordrhein-Westfalen gegenwärtig die Grundlagen für ein Shared Service Center «Digitale Postbearbeitung» entwickelt.6� Dem liegt die Idee zugrunde, dass geeig-nete Teile des Posteingangs der beteilig-ten Kommunen künftig an einer Stelle ge-sammelt, digitalisiert und an die jeweilige Vorgangsbearbeitung übergeben werden könnten. Auch der Postausgang könnte an einer Stelle gedruckt und auf den wei-teren Versandweg gebracht werden.

Doch auch wenn es nicht um ein Shared Service Center gehen soll: Wer einen pas-senden Anlass sucht, um die IT-Koopera-tion mit den Nachbarn in Gang zu bringen, wird beim Thema Digitales Schriftgutma-nagement mit Sicherheit fündig.

Ein pragmatischer Einstieg ins GeschäftsprozessmanagementSo wie Dokumentenmanagement mehr ist als die reine Digitalisierung von Dokumen-ten, so ist der mit DSM verfolgte Ansatz mehr als eine Erweiterung des Dokumen-tenmanagements um Fragen zur Optimie-rung von Poststellen. DSM gehört sicher-lich zu den Themen, die für die Entwicklung von Verwaltungen als «strategisch bedeut-sam» zu gelten haben.7 Im Unterschied zu manch anderen Gesichtspunkten einer Strategie ist DSM ein unmittelbar hand-lungs- und umsetzungsorientiertes The-ma. Doch auch wenn es in den Fingern juckt, direkt in die Umsetzung einzustei-gen, werden die allermeisten Verwaltun-

gen gut daran tun, sich erst einmal einen fundierten Überblick über ihren technolo-gischen und organisatorischen Entwick-lungsstand, über Mengengerüste und Kostenstrukturen zu verschaffen. Auf der Grundlage dieser Informationen können sich die Beteiligten über das weitere Vor-gehen und über prioritäre Arbeitsfelder verständigen – die Verwaltung gewinnt da-mit die erforderliche Handlungssicherheit.

Die Entwicklung einer gemeinsamen Li-nie ist auch deshalb erforderlich, weil die Relevanz des Themas DSM perspektivisch weit über die Postlogistik hinausreicht. Letztlich bietet DSM einen äusserst prag-matischen Einstieg in die Welt des Ge-schäftsprozessmanagements. Nur wenn die Gestaltung der Ablauforganisation (wieder) stärker in den Mittelpunkt organi-satorischen Handelns gestellt wird und sich die Beteiligten dabei von den Mög-lichkeiten moderner IT inspirieren – und in Teile auch leiten – lassen, werden die mit der weiteren Verknappung öffentlicher Mit-tel und dem demografischen Wandel ver-bundenen Veränderungen bewältigt wer-den können.

1 Vgl. dazu die Ergebnisse der Expertenumfrage «Kommunales E-Government und Bürgerkommunika-tion 2015», dokumentiert in der Sonderpublikation «Fortschrittliche Beziehungen» des Magazins 360 Grad vom November 2008 (www.deutschepost.de/kommunen).

2 Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Kreis Soest und seinem IT-Dienstleister KDVZ Citkomm von der Deutschen Post AG, dem Beratungshaus b.i.t.consult und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) durchgeführt. Die Ergebnisse sind dokumentiert in der Sonderpublikation «Intelligent verknüpfen» des Magazins 360 Grad vom Mai 2008 (www.deutschepost.de/kommunen).

3 Quelle für Grafik: s. Anmerkung 2.4 Das Projekt ist von der Deutschen Post AG in

Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund initiiert und in Kooperation mit dem Beratungshaus b.i.t.con sult durchgeführt worden. Details sind in der Projektdokumentation zu finden, die über das Webangebot des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (www.nsgb.info; dort unter der Rubrik «Aktionen») online zugänglich ist.

5 Quelle für Grafik: Projektdokumentation, s. Anmer-kung 4.

6 Vgl. dazu Pressemitteilung des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2008: «Innenminister Wolf gibt den Startschuss für den Modellversuch Vernetzte Verwaltung»; http://www.im.nrw.de/pm/200608_1369.html.

7 Vgl. dazu auch Schumacher, H./Wind, M.: Next Generation Masterplan: E-Government-Planungen als Instrument kommunaler Strategieentwicklung. In: «eGov Präsenz» 2 (2009), S. 72–74.

Abbildung 2: Unterschiedliche Behandlung von Posteingängen5

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