Upload
others
View
3
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Datum
Thema
Sprecher
Reduktion von Fixierung
Madeleine Viol Projektkoordinatorin ReduFix Praxis Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Bundestags – Bereich Alten- und Pflegepolitik
> Die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen – eine Bankrotterklärung der Pflege und Aufsichtsbehörden?
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 2
Eine Begriffsklärung der freiheitsentziehenden Maßnahmen
MECHANISCH: > Gurtsysteme > Bettseitenteile – bei geteilten Überprüfung der Nutzbarkeit > festgestellte Rollstuhlbremse > Leibchen – Bodyfix, Bandagen > Vorsatztisch
TECHNISCH: > Geschlossene Türen > Überwachungssysteme
CHEMISCH: > Psychopharmaka > Sedativa
SOZIAL: > Wegnahme der Seh- und Gehhilfen > optische Täuschungen
ABER bedenken Sie – die richterliche Unabhängigkeit!
Nur weil Sie Maßnahmen als FEM ausmachen, muss das Betreuungsgericht nicht der gleichen Auffassung sein!
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Auch vermeintliche Alternativen können eine FEM sein
Anamnese lt. Hersteller: Erhöhtes Sturzrisiko bedingt durch muskulöse Probleme, die einen unsicheren Gangverursachen oder sonstige Verletzungen und Erkrankungen des Bewegungsapparates
3
Bildquelle: Völker AG, Posey Betten, Wehrfritz
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 4
Pflegewissenschaftlicher Blick:
„any device, material or equipment attached to or near a person’s body
and which cannot be controlled or easily removed by the person and
which deliberately prevents or is deliberately intended to prevent a
person’s free body movement to a position of choice and/or a person’s
normal access to their body.“
(Def. Nach The Joanna Briggs Institute, 2002, Sydney)
Physical Restraint
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Begriffe als Selbstschutz?
Beschützende Maßnahme Selbstschutz/Fallschutz Geschlossene Abteilung Beschützende Abteilung Unterbringungsähnliche Maßnahmen Freiheitseinschränkende Maßnahmen Freiheitsentziehende Maßnahmen Bewegungseinschränkende Maßnahmen
Es geht um Fixierung und Fesselung, um Einsperren aber auch Wegsperren!
5 Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Unterbringungszahlen
6
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 7
Ethisch-Rechtliches Dilemma Was ist das Wohl?
SICHERHEIT Verfolgung der Fürsorgepflicht
FREIHEIT Respektieren von Menschenrechten versus
(Grundgesetz [GG] für die Bundesrepublik Deutschland, zuletzt geändert 28.08.2006 The ICN Code of Ethics for Nurses, 2000; Heimgesetz (HeimG) zuletzt geändert 31.10.2006
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 8
Wie häufig wird in stationären Altenhilfeeinrichtungen fixiert?
Deutschland:
> Pflegeheim: 4% - 59% Quotenrange (Meyer, Köpke 2010)
26-45% Durchschnitt (Becker et al. 2003, Klie 2004, Meyer&Köpke 2008, ReduFix 2007)
> Stat. Gerontopsychiatrie: 21-25 % (Hirsch et al. 1992, Kranzhoff et., Hirsch 1997) 50% mit Demenz (Bredthauer et al. 2005)
> Krankenhaus 11,4% (4 KH mit 3.500 Personen, 48 Allgemeinstationen, 15 Intensivstationen, Quotenrange von 5,7 und 18,7%) (Krüger 2009, Systematical Overview Krüger, Meyer, Hamers 2010)
International > Pflegeheim: 12 – 64% (The Joanna Briggs Institute 2002,
Hamers et al. 2004, Di Giulio et al 2008)
> Akutkrankenhaus 0 – 100 % (The Joanna Briggs Institute 2002 Syst.Rev., incl. Intensivstationen Kröger et al 2010 Systemat. Review, Benbenbishty 2010 „PRICE-Study“,
Krüger et al 2010 ZGG)
> Stationäre Geriatrie: 24% (Karlsson et al. 1998)
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 9
Wie lange wird fixiert?
(Klie/Pfundstein, 2004, S. 107) Im Bett Im Stuhl N=440
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 10
Das ausschlaggebende Moment
Köpke S, Meyer G: Pflegezeitschrift 10/2008 (Prävalenzstudie)
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
„ReduFix ambulant“ : Sicherheit und Lebensqualität in der häuslichen Pflege
Laufzeit: 05/2009 – 04/2012
Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (Förderlinie SILQUA-FH)
Beteiligung: Ev. Hochschule Freiburg Prof. Dr. T. Klie
FH Frankfurt Prof. Dr. D. Bredthauer
MDK Bayern
Alzheimer Gesellschaft
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 12
Wie häufig wird im ambulanten Bereich fixiert?
MDK Bayern bei 170.000 Hausbesuchen
9% FeM
Studie ReduFix Ambulant 5-10%
Dunkelziffer????
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 13
Bildquelle: Projektbericht ReduFix Ambulant
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 14
Problem – Ambulant Unbefriedigende Rechtslage – uneinheitliche Rechtspraxis
FeM zu Hause = nicht genehmigungspflichtig, wenn Pflege von pflegenden Angehörigen vorgenommen wird
FeM zu Hause = genehmigungspflichtig, wenn Pflege von ambulanten Dienst übernommen wird!!
im Hilfe-Mix ist RichterInnen-Einschätzung völlig unterschiedlich
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 15
Wer wird fixiert (Risikoindikatoren) in stationären Altenpflegeeinrichtungen
(Alte) Menschen mit:
Kognitiver Beeinträchtigung
Einschränkung der Mobilität
Pflegebedürftigkeit und Inkontinenz
s.g. Fordernde Verhaltensweisen
Bildquelle: Charité Berlin
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 16
Wer wird fixiert (Risikoindikatoren) in stationären Altenpflegeeinrichtungen
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 17
Gründe für Fixierungen
Patientenorientierte Gründe: Stürze, Verhalten
Behandlungsorientierte Gründe: medizin./ pfleger. Maßnahmen (bspw. Sonde)
Sozialorientierte Gründe: Konfliktvermeidung
Personal- und organisations- Personalschlüssel, Recht orientierte Gründe:
(Hantikainen, 2001; Hamers/Huizing, 2005; Haut et al., 2004 -
Review; Kirkevold et al. 2004; Klie et al. 2004; Koch, 2006; Mammun et al., 2005; Moore et al. 2007; Werner, 2002)
90%
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Was passiert in der Praxis
Entscheidungen für Fixierungsmaßnahmen basieren häufig auf Routine, Emotion und Einstellungen statt auf empirischen
Fakten. (Hantikainen u. Käppeli 2000)
Aussage einer Heimleiterin einer Behinderteneinrichtung:
„Meine Mitarbeiter wenden Bauchgurte an, weil die Behinderten zur Mittagsruhe sonst nicht im Bett bleiben würden.“
Aussage von SchulungsteilnehmerInnen:
„Das ist doch ein Fallschutz! Wir können doch nicht ständig dabei sein, wenn die Leute aufstehen!“
Aussage einer Mitarbeiterin einer Betreuungsbehörde:
„ Also, ich möchte später auch einmal ein Bettseitenteil!“
Aussage einer Heimleiterin einer Pflegeeinrichtung:
„Wir bemühen uns, aber meine Mitarbeiter ziehen einfach nicht mit!“ 18
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 19
„Stand des Wissens“
1. Fixierte Menschen: Stürze ↔ (↑) Ernsthafte sturzbedingte Verletzungen ↑ Verhaltensauffälligkeiten ↑
2. Fixierungsreduktion durch Intervention: Verletzungsrisiko ↓
Psychopharmaka ↔↓ Personalschlüssel ↔
3. Weltweit zeigt keine Studie einen positiven Effekt von Fixierungen!
4. Daten über negative Folgen (Verletzungen, Stress) sind alarmierend!
Systematic Review: The Joanna Briggs Institute 2002 Sailas E & Fenton M: Cochrane Systematic Review 2000
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Gefahren werden publik
20
Bildquelle: Münchner Merkur 29.12.2005
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.02.2012
21 Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Gurtfixierungen und Gefahren
Quelle: www.bfarm.de/ Stichwort „Fixierung“;
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 23
Quelle: www.bfarm.de/ Stichwort „Fixierung“;
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
BfArM – Empfehlungen und Auflagen der Aufsichtsbehörden
24
Bei unruhigen Bewohnern und/oder ungünstiger Körperform („Zylinder-“, „Birnen“- Form):
Zusätzlich „Diagonalfixierung“ erforderlich
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 25
Negativspirale bei Fixierung
Sturzbedingte Verletzungsgefahr Fordernde Verhaltensweisen
Fixierung
Psychischer Stress, Gegenwehr → Direkte Verletzungen Mobilität ↓ Verhaltensauffälligkeiten ↑
Psychopharmaka werden gegeben bzw. erhöht
Sturzgefährdung↑ Nahrungs-,Flüssigkeitsaufnahme ↓ Medizin. Komplikationen, wie Kontrakturen, Dekubitus, Pneumonie
Allgemeinzustand ↓ Lebensqualität ↓ (Tod)
Angehörige, Personal: Schuldgefühle ↑ Arbeitszufriedenheit ↓ „Burn-Out“
Angehörige, Personal: Schuldgefühle ↑ Arbeitszufriedenheit ↓ „Burn-Out“
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 26 26
Das ReduFix Projekt
Laufzeit: 05/2004 – 04/2006
Förderung: BMFSFJ (Kapitel 1702, Titel 684 32)
Robert Bosch Stiftung (Forschungskolleg Geriatrie)
Beteiligung: Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart PD Dr. C. Becker Ev. Fachhochschule Freiburg Prof. Dr. T. Klie
FH Frankfurt, Forschungskolleg Geriatrie (Robert Bosch Stiftung) Prof. Dr. D. Bredthauer
Bildquelle: ReduFix Praxis Kampagne
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
„Evidenzpyramide“ (Externe Evidenz): Bestverfügbares Wissen aus Systematischer Forschung
Evidence based guidelines
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 28 28
ReduFix Studienplan
In dem Projekt wollten wir
Alternativen zu körpernahen Fixierungsmaßnahmen vermitteln und deren Wirksamkeit überprüfen!
Studiendesign: RCT
Population: Alten- und Pflegeheime aus Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen (45 plus eine Piloteinrichtung)
Kriterium: dass fünf oder mehr Bewohner von körpernahen bewegungseinschränkenden Maßnahmen betroffen sind
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 29
Fragestellungen der ReduFix Studie
es zu vermehrten sturzbedingten Verletzungen kommt?
vermehrt nebenwirkungsreiche Psychopharmaka gegeben werden?
Ist es möglich, durch gezielte Interventionen
die Anzahl der fixierten Personen zu reduzieren?
die Fixierungszeiten zu verringern?
die Anzahl der neu fixierten Personen abzusenken?
Ohne dass......................
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung
Infoveranstaltung (65 Heime)
Baseline Assessment
Cluster) Randomisierung (IG 23, WG 22)
Interventionsgruppe (IG) n=268 Wartegruppe (WG) = Kontrollgruppe n=162
T2: Endpunkte n=333
Follow-up
Multifaktorielle Intervention (IG)
Intervention (WG/CG)
Dokumentation
Dokumentation
3 Mo
3 Mo
3 Mo
Dokumentation mit Running in
ReduFix (RCT) Flowchart
Drop outs (22,4%): Tod 45 Auszug 7 Doku unvollständig 8
Drop outs (22,8%) Tod 26 Auszug 4 Doku unvollständig 7
T1: 45 Heime, n = 430 Fixierte
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 31
ReduFix - Multifaktorielle Intervention
„Anlaufphase“
Schulung von Mentoren
Hilfsmittelvergabe*:
Telefonische Beratung (juristisch, medizinisch, pflegerisch und einmaliger Vor-Ort-Besuch)
Hüftprotektoren Sensormatten Antirutsch-Hausschuhstrümpfe
* Mit freundlicher Unterstützung von Fa. Roelke Pharma, Fa. WinkerTec GmbH&CoKG, Fa. Vitaness
Bildquelle: ReduFix
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 32
Einführung Prozess der Entscheidungsfindung
1. Analyse der Situation („Problemanalyse“)
2. Ursachensuche (Grundbedürfnisse, psychisch, physisch, Medis)
3. Einschätzung der Alternativen
4. Festlegen der Ziele und Maßnahmeplan (Optimal: Fallkonferenz)
5. Treffen der Entscheidung
6. Durchführung der Maßnahme
7. Beobachtung und Evaluation
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 33 33
Ergebnisse - Entfixierung
Beendigung der bewegungseinschränkenden Maßnahmen IG - 48 Bewohner von 268 wurden entfixiert (20,8%) WG - 15 Bewohner von 162 wurden entfixiert (11,3%)
Unterschied signifikant, p= .021 Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 34 34
Ergebnisse - Fixierungsdauer
Reduktion der Fixierungszeiten (301 Personen) > zu allen drei Messzeitpunkten wurden drei Tage als Referenz
gewählt und davon der tägliche Durchschnitt errechnet Tendenz zum Gruppenunterschied bei Interventionsende; p= .051
12,012,1
12,2
10,7
11,6
11,4
10,0
10,5
11,0
11,5
12,0
12,5
13,0
4 Wochen vor
Interventionsbeginn
Interventionsbeginn Interventionsende
WG
IG
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 35 35
Zusammenfassung
> Fixierung kann erfolgreich reduziert werden! > ohne Nachteile für Bewohner: konstante Sturz-Verletzungsrate (2 /268 : 2 /162 Frakturen) kein Anstieg ungeeigneter Psychopharmaka tendenzielle Abnahme von Verhaltensauffälligkeiten > Kontrolliertes Wissen („externe Evidenz“) > Konzept für kompetentes Handeln > Veränderte Einstellungen und Haltungen > hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitern und Verantwortung der Leitungsebene > Veränderung der Organisationsethik
Bildquelle: ReduFix Praxis Kampagne
Redu Fix Praxis | Reduktion von Fixierung 36 36
Das ReduFix Praxis Projekt
Laufzeit: Verlängerung bis 02/2009
Förderung: BMFSFJ
Beteiligung: Ev. Hochschule Freiburg Prof. Dr. T. Klie
Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart PD Dr. C. Becker
FH Frankfurt Prof. Dr. D. Bredthauer
Redu Fix Schweiz | Reduktion von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen 37 37
Wen wollen wir erreichen?
Seniorenbeiräte Alzheimergesellschaft Selbsthilfegruppen
Kostenträger
MDK Heimaufsicht
Betreuungsbehörden Gerichte
AKTEURE
Träger von Einrichtungen (Verbände (GF), Fachebene, Heime)
Schulen
Wissenschaft
Ärzte Fach- und Hausärzte
Presse (Medienpartner)
Industrie
Pflege
AKTEURE
Redu Fix Schweiz | Reduktion von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen
FQA-Ansatz (Heimaufsicht, Betreuungsstelle) in Weiden/Oberpfalz
Die acht Seniorenheime in Weiden sind Vorreiter: In nur zwei Jahren ist die Fixierungsrate von 19,5 auf 3,9 Prozent gesunken. "In manchen Einrichtungen gibt es überhaupt keine Fixierung mehr", berichtet Bärbel Otto strahlend.
38
Bildquelle: Oberpfalznet: 14.10.2012
Redu Fix Schweiz | Reduktion von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen
Strategisches + Gemeinsames Vorgehen von FQA und Betreuungsstelle
39
Bildquelle: Bärbel Otto, MA-Arbeit
Redu Fix Schweiz | Reduktion von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen 40
Bildquelle: Bärbel Otto, MA-Arbeit
Redu Fix Schweiz | Reduktion von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen
Strategisches + Gemeinsames Vorgehen von FQA und Betreuungsstelle
41
Bildquelle: Bärbel Otto, MA-Arbeit
Redu Fix Schweiz | Reduktion von Freiheitsbeschränkenden Massnahmen 42
Sie haben mehr Einfluss als Sie glauben, denken, vermuten!!