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Eveline Cantieni, Talackerstrasse 56, 8404 Winterthur, +41 78 654 22 15, [email protected], www.evelinecantieni.ch________________________________________________________________________________________________________________
Eveline Cantieni Doku
Eveline Cantieni, Talackerstrasse 56, 8404 Winterthur, +41 78 654 22 15, [email protected], www.evelinecantieni.ch________________________________________________________________________________________________________________
Bio
Geboren 1959 in Pontresina, seit 1971 wohnhaft in Winterthur, verheiratet, 2 KinderKünstlerin Multimedia (Zeichnung, Video, Installa-tion)Dozentin für Kunst und Design (Fachbereiche: Bild, Zeitbasierte Medien, Projektarbeit, Theorie)
Ausbildung
2004 - 2007 Studium Vermittlung für Gestaltung und Kunst, ZHdK, ZürichSchwerpunkt: Neue Medien und Filmanalyse1985 - 1987 Werkseminar, SfGZ, Zürich 1984 - 1985 Vorkurs SfGZ, Zürich1977 - 1980 Kindergartenseminar Winterthur
Stipendien
Atelierstipendium der Stadt Winterhur. Aufenthalt in Berlin, September 2013 bis Februar 2014
Ankäufe2009 Ankauf Kulturförderung Stadt Chur1994 Ankauf Kanton Graubünden1997 Ankauf der Stadt Winterthur
Links:www.evelinecantieni.chhttp://www.kuenstlergruppe.chhttps://vimeo.com/evelinecantieni
Mitglied: visarte.graubünden, Künstlergruppe Winterthur, Schweizerischer Verband Künste für Kinder und Jugendliche kkj
Ausstellungen
2015 CREATORS CHOICE, Kunstforum Raiffeisen Winterthur2015 Vatikan, Tanz und alte Tapeten, Neuwiesenhof, Winterthur, Organisation und Kuration zusammen mit Theres Liechti2015 CHAMBER OF FINE ARTS Nr. 2 bei KUNST IM BAUHOF, Winterthur2014 Bündner Werkschau in Chur2014 Ausstellung im Residenzatelier der Stadt Thun, La Fabrik, Frankfurter Allee 53, 2. HH, D-10247 Berlin Friedrichshain2012 “Dunkel war’s, der Mond schien helle”, Kunstforum Raiffeisen Winterthur2012 ANIMATIONEN Sihlquai 55 offspace visarte zürich2012 “Verstärkung” Ausstellung der Künstlergruppe Winterthur im Raiffeisen Kunstforum Winterthur2011 Jahresausstellung der Künstlergruppe Winterthur im Kunstmuseum Winterthur2010 Jahresausstellung K10 – Ortungen, Berufsverband für visuelle Kunst Zürich2009/07/06/05/94/93/Jahresausstellung der Bündner KünstlerInnen im Bündner Kunstmuseum Chur2008 Jahresausstellung der Künstlergruppe Winterthur im Oxyd Winterthur2008 „LINIE ≠ LINIE“ Ausstellung im Kunsthaus Grenchen„Zeichnungen“ Gruppenausstellung im Oxyd Winterthur2004 Video-Installation in Pignia, Einzelausstellung, Projekt der visarte Graubünden zum Thema “Hei-mat”2004 Universitätsspital Zürich, EinzelausstellungWinterausstellung Kunstkasten Winterthur2003 “Daheim” Gruppenausstellung im Oxyd, WinterthurEinzelausstellung Galerie Blaues Schild, Winterthur1997 Unjurierte Kunstausstellung der Stadt WinterthurEinzelausstellung in Winterthur, Galerie Puls art1991 “Kunst aus der Schweiz”, Galerie M und Galerie Grahl Berlin, Gruppenausstellung mit Atelier-genossenschaft Oberwinterthur
PublikationenSchöne Grüsse, Saiten, Ostschweizer Kulturmagazin, Dezeber 2011K 10 Ortungen, visarte zürich, Katalog, 2010Kunst aus der Schweiz, Galerie M, Berlin, 1991
Projekte2015 Ausstellung “Vatikan, Tanz und alte Tapeten”, Neuwiesenhof Winterthur, Organisation und Kura-tion zusammen mit Theres Liechti
Abnutzung I, und Abnutzung II, Jahresaustellung 2006 der Bündner Künstlerinnen und Künstler Bündner Kunstmuseum Chur________________________________________________________________________________________________________________
Zur ästhetischen Ökonomie des «Fehlers»
Was zeigt an, dass ein Fehler ein Fehler ist? Von welchem Standpunkt aus wird beurteilt? Worauf verweist die Störung? Welche realen (ausserbildlichen) oder medialen Schichten werden durch den Fehler zum Vorschein ge-bracht?
Abnutzung
In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit So-cken, die durch das Tragen im Alltag abgenutzt worden sind. Wenn man genauer hinsieht und das Gewebe etwas auseinander zieht, weisen diese abgenutzten Flächen interessante Formen auf. Das Gewebe ist an diesen Stellen ganz dünn und durchsichtig. Diese Transparenz ist faszinie-rend und wunderschön. Spannend sind auch die Übergänge von den noch intakten zu den schad-haften Stellen.Heute hat sich in Bezug auf die Art und Weise, wie wir mit abgenutzten und kaputten Gegen-ständen umgehen, sehr viel verändert. In unserem Umgang damit spiegelt sich unsere Gesellschaft.
Wenn ich die verschieden Abnutzungen der So-cken mit einem Hellraumprojektor an die Wand projiziere und vergrössere, bin ich überwältigt von dem Bild, das ich vor mir sehe: „Ein Be-triebssystem mit einer Störung - und alles hängt an einem Faden!“
Detail_Abnutzung I, 2005, 187 x 102 cm, Bleistiftzeichnung auf Transparentpapier________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Abnutzung I, 2005, 187 x 102 cm, Bleistiftzeichnung auf Transparentpapier________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Abnutzung I, 2005, 187 x 102 cm, Bleistiftzeichnung auf Transparentpapier________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Strickendes Mädchen, 2007, Videoinstallation, s/w, Ton, 17 Sek. (Loop), https://vimeo.com/evelinecantieni________________________________________________________________________________________________________________
Eveline Cantieni legt mit «Strickendes Mädchen» eine Arbeit vor, die mehrere Medien verwendet und miteinander zu einem Ganzen verschränkt: Bereits von fern hörbar erklingt die sonore Stimme einer Frau, die in eigentümlichem Tonfall eine Geschichte zu erzählen scheint. Bei genauerem Hinhören bleibt die gesprochene Sprache jedoch unverständlich. Der Versuch, die Sätze Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe zu entschlüsseln und übersetzen zu wollen scheitert. Nichts desto trotz wird mittels Satzmelodie und -rhyth-mus Information weitergegeben und eine bedeutungsvolle Atmosphäre entsteht. Auf visueller Ebene erscheint das Abbild eines raumgreifenden, mit schwarzem Band auf die Wand und den Fussboden geklebten Transistors als vermeintliche Quelle des Textes. Zudem begegnet der Betrachter einem strickenden Mädchen, dessen Gestalt mit wenigen Strichen umrissen und filmisch animiert worden ist. Die einzelnen Zeichnungen wurden an den aus-schlaggebenden Stellen so präzise wie nötig und so unpräzise wie möglich gehalten. Auf ein einfaches Holzbrett projiziert wirkt das Mädchen so fast real belebt, versunken in sein Tun, das keinen sichtbaren Fortschritt zur Folge hat, da die Verschlingung der Fäden zu keinem wachsenden Gewebe führt. Welche Ge-danken wohl vorüberziehen? Text und Bewegung sind auf seltsame Weise synchron. Der Betrachter findet sich nach kurzer Zeit bezaubert und getra-gen von einer fremden Sprache, entführt in eine fremde Welt und gleichzeitig ganz bei sich wieder. Eveline Cantieni Schlumpf sprengt das übliche Format des Linear-Zeich-nerischen in mehrerer Hinsicht: Die Wandmalerei als wohl älteste Form der Zeichnung erfährt eine Transformation mittels Klebband, dessen Oberfläche und verwendete Teilstücke die visuelle Wirkung strukturieren. Des Weiteren werden viele einzelne Handzeichnungen unter Einsatz von hochtechno-logischen Mitteln zu einer Animation verbunden und projiziert. Über die Tonspur wird zusätzlich eine weitere Sinnesebene angesprochen. Auf diese Weise gelingt der Künstlerin eine spannende Verbindung von Tradition und Neuem sowohl auf inhaltlicher wie auch auf formaler Ebene.“
Eva Inversini, lic. phil., KunsthistorikerinKünstlerische Leiterin Kunsthaus Grenchen
Strickendes Mädchen, 2007, Videoinstallation, s/w, Ton, 17 Sek. (Loop), https://vimeo.com/evelinecantieni________________________________________________________________________________________________________________
Mama‘s Hochzeitstaschenuch, 2009, 250 x 250 cm, PVC-Klebebänder auf PVC, Jahresausstellung Kunstmuseum Chur________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Mama‘s Hochzeitstaschenuch, Detail 1, 2009, 250 x 250 cm, PVC-Klebebänder auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Mama‘s Hochzeitstaschenuch, 2009, 250 x 250 cm, PVC-Klebebänder auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
„Eveline Cantieni hat mit ihrer Arbeit Mama’s Hochzeitstaschentuch eine ethnologische Recherche in unserer Kultur unternommen.Ein sogenanntes Hochzeitstuch aus der Generation ihrer Grosseltern ist in ihre Hände gelangt. Ein Exotikum, wohl nicht nur für die Künstlerin, die das fragile mit Spitzen verzierte Tüchlein in ein Grossformat mit den Massen 250 x 250 cm übersetzt hat.“
Gabriele LutzMai 2010, Katalog K 10, Ortungen
Mama‘s Hochzeitstaschenuch, 2009, 250 x 250 cm, PVC-Klebebänder auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Alles wird gut, 2010, 120cm Durchmesser, Wundpflaster auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
„Mit ironischem Unterton gewürzt ist auch das Werk von Eveline Cantieni (*1959). Die scheinbar gehäkelte Spitzendecke mit der Inschrift «Alles wird gut» setzt sich bei näherem Hinsehen aus unzähligen Wundpflastern zusammen.“
Lucia Angela Cavegn,Der Landboote vom 4. Dezember 2010Dezemberausstellung Künstlergruppe Winterthur
“Und dann hängt da noch an der Wand ein Produkt, das wie die Häkeldecke aussieht. Riesengross, fleischfarben – daran muss sich eine entfesselte Handarbeitslehrerin glatt die Finger wund gerarbeitet haben. Bei genauerem Hin-sehen entpuppt sich die Arbeit von Eveline Cantieni – in deren Zentrum «Alles läuft rund» zu lesen ist, aus fleissig zugeschnippelten, auf Plastikaufgeklebten Heftpflastern. Kleinste Stücke überlagern sich und bilden von Ferne gesehen ein Muster, einen Kreis. Raffiniert spielt die Künstlerin mit Wahrnehmung, den daraus entstehenden Erwartungen – und persifliert sie dann auch mit einem Augenzwinkern.”
«Verstärkung» Ausstellung der Künstlergruppe Winterthur im Raiffeisen Kunstforum – elf neue Mitglieder stellen sich vor.
“Eins ist sicher: Mit dieser Elf hat sich die Künstlergruppe schlagkräftige Verstärkung in ihre Reihen geholt. Für Bewegung ist gesorgt.”
Christina Peege,Der Landboote vom 13. März 2012
Alles läuft rund, 2012, 120cm Durchmesser, Wundpflaster auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Alles wird gut, 2010, 120cm Durchmesser, Wundpflaster auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Alles läuft rund, 2012, 120cm Durchmesser, Wundpflaster auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Brockenhausfund 1 u. 2, 2011, 245 x 130 cm, Window Color auf PVC, Dezemberausstellung Kunstmuseum Winterthur________________________________________________________________________________________________________________
Brockenhausfund 1 u. 2, 2011, 245 x 130 cm, Window Color auf PVC, Dezemberausstellung Kunstmuseum Winterthur________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Brockenhausfund 1, 2011, 245 x 130 cm, Window Color auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Brockenhausfund 1, 2011, 245 x 130 cm, Window Color auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Ateliersituation 2011________________________________________________________________________________________________________________
Ateliersituation 2011________________________________________________________________________________________________________________
Er liebt mich, 2012, Loop mov 16:9, 01:33 Min., ohne Ton, Videoinstallation mit Beamer, Oxyd Winterthur________________________________________________________________________________________________________________
Er liebt mich, 2012, Loop mov 16:9, 01:33 Min., ohne Ton, Videoinstallation mit Beamer, Oxyd Winterthur________________________________________________________________________________________________________________
Eigener Herd und my phone, 2012, 130 cm x 182,5 cm, Liner Pen auf Teppichgleitschutzmatte________________________________________________________________________________________________________________
Die “Stickarbeit” Cantienis, Kreuzstiche aus Farbe auf Teppichgleitschutzmatte, beschwören häusli-che Idylle. Der Spruch “my phone is my castle”auf der einen Matte katapultiert einen aus der tra-uten Stube in den Orbit der Mobilkommunikation.
Christina Peege,Der Landboote vom 4. Dezember 2012Grüne Kiste mit rotem Anstrich«Dunkel war’s, der Mond schien helle» Ausstel-lung der Künstlergruppeim Raiffeisen-Kunstforum
Detailansich_Eigener Herd, 2012, 130 cm x 182,5 cm, Liner Pen auf Teppichgleitschutzmatte________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Photo Booth 1, 2013, Kreuzstich, DMC-Perlgarn auf Baumwolle________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Photo Booth 1, 2013, Kreuzstich, DMC-Perlgarn auf Baumwolle________________________________________________________________________________________________________________
Photo Booth I, 2013, Format mit Rahmen: 100 cm x 120 cm, Kreuzstich, DMC-Perlgarn auf Baumwolle________________________________________________________________________________________________________________
Photo Booth II, 2013, Format mit Rahmen: 100 cm x 120 cm, Kreuzstich, DMC-Perlgarn auf Baumwolle________________________________________________________________________________________________________________
Brockenhausfund 3, Berlin 2014, Window Color________________________________________________________________________________________________________________
Ich bin dann mal Barbara, Berlin 2013, Video, s/w, Ton, 1.55 Min. (Loop), https://vimeo.com/evelinecantieni________________________________________________________________________________________________________________
Brockenhausfund 4, 2015, Window Color, Leuchtfarbe________________________________________________________________________________________________________________
Brockenhausfund 5, 2015, Window Color, Leuchtfarbe________________________________________________________________________________________________________________
BH-Fragment, 2015, 100cm x 163cm, PVC auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
BH-Fragment, 2015, 125cm x 235cm, PVC auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Frivolitätenarbeit, Berlin 2013, 2 Teile à 4 m x 2 m Leuchtklebeband auf PVC________________________________________________________________________________________________________________
Frivolitätenarbeit 1 und 2, 2014, 279 cm x 420 cm, Bleistiftzeichnungen auf Papier ________________________________________________________________________________________________________________
Frivolitätenarbeit 3 und 4, 2014, 279 cm x 420 cm, Bleistiftzeichnungen auf Papier ________________________________________________________________________________________________________________
Frivolitätenarbeit 6 und 8, 2014, 279 cm x 420 cm, Bleistiftzeichnungen auf Papier ________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Frivolitätenarbeit, Berlin 2013, 2 Teile à 4 m x 2 m Leuchtklebeband auf PVC ________________________________________________________________________________________________________________
Frivolitätenarbeit, 2015, Videoprojektion auf sechs Stühle, s/w, ohne Ton, 29 Sek. (Loop), https://vimeo.com/evelinecantieni________________________________________________________________________________________________________________
Buchzeichen, 2015, PVC-Klebebänder auf PVC, 436 cm x 310 cm________________________________________________________________________________________________________________
Detailansicht_Buchzeichen, 2015, PVC-Klebebänder auf PVC, 436 cm x 310 cm________________________________________________________________________________________________________________
Projekt Vatikan, Tanz und alte Tapeten 2015 im Neuwiesenhof Winterthur, Organisation/Kuration zusammen mit Theres Liechti ________________________________________________________________________________________________________________
Vatikan, Tanz und alte Tapeten, Der Landbote, 10.9.2015, Ausstellungsbesprechung von Lucia Angela Cavegn ________________________________________________________________________________________________________________
Prag 1968, 2015, Bleistift auf Vliesline Rasterquick 114 cm x 85 cm________________________________________________________________________________________________________________
„Deckchen“ Berlin 2014, Video, s/w, mit Ton, 50 Sek. (Loop), https://vimeo.com/evelinecantieni________________________________________________________________________________________________________________
Eveline Cantieni
Die Arbeiten von Eveline Cantieni kreisen um Geschichte, um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Sie holen den Betrachter im Alltag ab, in der Gegenwart und dort, wo er oder sie sich sicher fühlen. Doch diese Gewissheiten sind oft trügerisch. Mit geschärftem Blick ortet und demontiert sie Ungere-imtheiten, die sich unter der Oberfläche von Sehgewohnheiten und Denkmustern verbergen. Mit ihren Themen und ganz unterschiedlichen Arbeitsmaterialien verstrickt die Künstlerin den Betrachter in seine eigenen Widersprüche. Dies sehr oft mit subtilem Humor. Geschichte ist ein wichtiger Fundus für das Schaffen der Künstlerin. Themen, Medien und Handwerk faszinieren sie. Cantieni schöpft oft aus der Familiengeschichte, die sich innerhalb und ausserhalt der Schweizer Grenzen abgespielt hat. Eine Arbeit mit bekannten Schwarzweiss-Fotografien des russis-chen Einmarsches in Prag verdeutlicht ihr Anliegen: Die Abbildung ist stark vergrössert und verpixelt auf Vlies projiziert. Je nach Position, die man davor einnimmt, sieht und interpretiert man die Szene anders. Geschichte, so die Folgerung aus dem Bild, ist keine Kette von Fakten, die lediglich nach logischen Gesichtspunkten linear zusammengefügt werden muss, Geschichte ist ein Bild, das in den Augen und Köpfen entsteht. Geschichte wird je nach Nähe oder Distanz zum Geschehen immer neu ausge-handelt. Die Bilder dazu müssen neu formuliert werden. Geschichte, so der Denkanstoss, muss stets von neuem ins Blickfeld gerückt werden. Dies geht nur, wenn sich der Betrachter und die Betrachterin selber ihrer Position bewusst werden und bereit sind, ihre Perspektiven zu verändern. Klischees und Floskeln sind historisch gewachsene, vermeintliche Gewissheiten. Cantieni nimmt sie besonders gern aufs Korn. Die Gesellschaft braucht Klischees einerseits, um sich verständigen zu kön-nen. Denn was aus einem Mann wird, der den Tisch plötzlich Teppich nennt und den Stuhl Wecker, hat Peter Bichsel literarisch brillant vorgeführt. Er wird irre an der Welt und verstummt. Anderseits behin-dern festgefahrene Denkmuster die Wahrnehmung. Cantieni spielt mit viel Humor mit Begriffen, die gesellschaftliche Konventionen beinhalten. „Alles läuft rund“ steht auf einer grossen Arbeit aus unzäh-ligen Wundpflastern. Diese sind zu einer überdimensionierten Formation zusammengeklebt worden, die je nach Blickwinkel wie eine überdimensionierte Häkeldecke aussieht. Solche Arbeiten regen dazu an, hinter oberflächlich heil erscheinende Fassaden zu schauen. Hier wird man sich der Widersprüche bewusst, in die man sich mittels Floskeln oft begibt. Mit ihren Arbeiten stellt die Künstlerin dem Pub-likum manchmal richtiggehend ein Bein. Aber ist es nicht so, dass man erst des Weges gewahr wird, wenn man stolpert? Diese kleinen Fehler und Stolpersteine sind raffinierte Strategien. Sie öffnen Risse in unsere heile Welt und ermöglichen die Entwicklung neuer Perspektiven. Kunst lebt nicht nur von Ideen, sondern auch von handwerklicher Arbeit. So forscht Eveline Cantieni nach textilem Handwerk der Vergangenheit. Nach Frivolités beispielsweise, also nach filigranen Knüpf-techniken mit Schiffchen, deren Herstellung heute fast nur noch dank Kanälen wie Youtoube erhalten ist. Oder nach Häkel-, Stick- und Stricktechniken. Kleine Handarbeiten bergen viel vergangenes Wis-sen. In ihnen ist die Zeit zu einem Werk geronnen, die Zeit, die zu ihrer Herstellung einst benötigt
Text: ARScribendi – Christina Peege, 2015________________________________________________________________________________________________________________
wurde. Cantieni nimmt diese oft achtlos in Brockenhäusern abgelegten Zeitkapseln und verwebt sie wieder mit dem Strom der Zeit. Klöppeldeckchen werden mit fluoreszierender Farbe umgesetzt, auf den Boden gelegt oder an eine Wand gehängt. Nachts verwandeln sich diese Objekte zu geheimnisvoll leuchtenden Zeichensystemen. Weil sie Zeit brauchen, um sich tagsüber wieder mit Tageslicht „aufzu-laden“, wird die Vergangenheit ihrer textilen Vorlagen, die durch zeitaufwändige Herstellung gekennze-ichnet ist, wieder gegenwärtig. Ganz gegenwärtig bis zukunftsweisend sind die Medien, in denen die Künstlerin arbeitet. Sie verwendet oft Wegwerfmaterialien wie Plastik oder Wundverbände. In ihrem Atelier in Winterthur steht auf dem Arbeitstisch prominent ein Computer mit grossem Bildschirm, an den ein Beamer angeschlossen ist. Hier verknüpft sie ihre historischen Recherchen mit Tonspuren und mit Mitteln des Films zu ganz neuen Arbeiten. Ton, Animation und Medium schaffen eigenständige Assoziationsflächen. Das strickende Mädchen, eine Arbeit aus dem Jahr 2007, versinnbildlicht die mediale Vielschichtigkeit. Ikonografisch hat die Multimediaarbeit grosse Vorbilder: Albert Ankers berühmtes Gemälde aus dem Jahr 1883/84 ist wohl das bekannteste Beispiel, doch haben auch Giovanni Segantini oder Auguste Renoir das Motiv aufgegriffen. Cantieni geht vom Bild ihrer Tochter aus und reichert es mit einer Tonspur an, umge-setzt aus Harry Potter. Zudem reduziert sie die Abbildung zu wenigen zeichnerisch locker geführten Strichen. Dann wird die Strickende als Animation an die Wand projiziert. Ein bisschen muss man auch schmunzeln, denn anders als Ankers fleissiges Kind kommt Cantienis Mädchen mit ihrer Strickarbeit auf keinen grünen Zweig. Sisyphos kriegt eine kleine Schwester. Die nimmt aber nicht alles so schwer wie der mythische Grieche seinen Stein. Cantieni gelingt mit dieser virtuosen Kombination von Aus-drucksmitteln eine schwerelose aber umso nachhaltigere Reflexion über die Verflechtung von Vergan-genheit, Gegenwart und Zukunft. Das ist die Erkenntnis aus einer Betrachtung der Werke: Wir kommen nur weiter, wenn wir wissen, woher wir kommen.
Text: ARScribendi – Christina Peege, 2015________________________________________________________________________________________________________________