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Prof. Dr. Georg Bitter Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bank-, Börsen- und Kapitalmarktrecht Examenskurs Vertragsrecht www.georg-bitter.de © 2008 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 2 EXAMENSKURS VERTRAGSRECHT Gliederung 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen 2. Gläubigerverzug + Schuldnerverzug 3. Unmöglichkeit 4. Mängelrechtsbehelfe im Kaufrecht 5. Rückgriff des Unternehmers beim Verbrauchsgüterkauf 6. Störung der Geschäftsgrundlage 7. Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen 8. Aufrechnung / Abtretung (u.a. Schuldnerschutz) 9. Gesamtschuld (insbes. gestörte Gesamtschuld) 10. culpa in contrahendo 11. Vertrag zug. Dritter / Vertrag mit Schutzwirkung / Drittschadensliquidation

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Prof. Dr. Georg Bitter

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,

Bank-, Börsen- und Kapitalmarktrecht

Examenskurs Vertragsrecht

www.georg-bitter.de

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gliederung

1. Allgemeine Geschäftsbedingungen

2. Gläubigerverzug + Schuldnerverzug

3. Unmöglichkeit

4. Mängelrechtsbehelfe im Kaufrecht

5. Rückgriff des Unternehmers beim Verbrauchsgüterkauf

6. Störung der Geschäftsgrundlage

7. Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen

8. Aufrechnung / Abtretung (u.a. Schuldnerschutz)

9. Gesamtschuld (insbes. gestörte Gesamtschuld)

10. culpa in contrahendo

11. Vertrag zug. Dritter / Vertrag mit Schutzwirkung / Drittschadensliquidation

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT AGB – Prüfungsschema

1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB

a) § 310 IV BGB

nicht: Erb-, Familien- und Gesellschaftsrecht

Nicht: Tarifverträge, Betriebs- u. Dienstvereinbarungen

b) § 305 I BGB – Vorliegen von AGB

Vertragsbedingungen

für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert –beachte § 310 III Nr. 2 BGB

einseitig gestellt – beachte § 310 III Nr. 1 BGB

nicht im Einzelnen zw. den Parteien ausgehandelt

c) § 306a BGB

auch bei Umgehung durch anderweitige Gestaltung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT AGB – Prüfungsschema

2. Ist die Klausel Vertragsbestandteil geworden?

a) § 305 II BGB – Einbeziehung in den Vertrag

[Beachte § 310 I BGB dann Geltung der §§ 145 ff. BGB]

ausdrücklicher Hinweis; ggf. deutlich sichtbarer Aushang

Möglichkeit der Kenntnisnahme in zumutbarer Weise

Einverständnis mit der Geltung (auch konkludent)

b) § 305c I BGB – keine „überraschende Klausel

3. Auslegung von AGB

a) § 305b BGB – Vorrang der Individualabrede

b) § 305c II BGB (an der relevanten Stelle zu prüfen)

Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT AGB – Prüfungsschema

4. Inhaltskontrolle

a) § 307 III 1 BGB

von Rechtsvorschriften abweichende / diese ergänzende Regelung

nicht: Preise / aber: Preisänderungsklausel

b) § 309 BGB (unanwendbar nach § 310 I BGB, aber indizielleBedeutung, vgl. BGH NJW 2007, 3774)

Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit

Unwirksamkeit unabhängig vom konkreten Einzelfall

c) § 308 BGB (unanwendbar nach § 310 I BGB)

Klauseln mit Wertungsmöglichkeit

Unwirksamkeit abhängig vom konkreten Einzelfall

d) § 307 BGB – Generalklausel (Treu + Glauben)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT AGB – Prüfungsschema

5. Rechtsfolge bei unwirksamer Klausel

a) § 306 I BGB

Unwirksamkeit einzelner Klausel ändert nichts an der Wirksamkeit

des übrigen Vertrages

b) § 306 II BGB

dispositives Gesetzesrecht tritt an die Stelle der unwirksamen

Klausel

c) § 306 III BGB

Unwirksamkeit des gesamten Vertrages bei unzumutbarer Härte

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gläubigerverzug – Voraussetzungen

1. Erfüllbarer Anspruch des Gläubigers

= der Schuldner muss leisten dürfen – § 271 BGB

2. Angebot des Schuldners

a) Grundsatz: tatsächliches Angebot – § 294 BGB

Vornahme der Leistungshandlung zur rechten Zeit – § 271 BGB

am rechten Ort – §§ 269, 270 BGB

in vereinbarter Art + Weise (zB vollständig § 266 BGB, mangelfrei)

bei Schickschuld/Versendungskauf: Eintreffen beim Gläubiger (Gefahrübergang nach § 447 BGB insoweit ohne Bedeutung)

b) Ausnahme: wörtliches Angebot – § 295 BGB

bei Erklärung der Nichtannahme durch den Gläubiger

bei notwendiger Mitwirkungshandlung des Gläubigers (Holschuld)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gläubigerverzug – Voraussetzungen

c) Ausnahme: Angebot entbehrlich – § 296 BGB / § 242 BGB

kalendermäßige Bestimmung oder Berechenbarkeit einer Mitwirkungshandlung des Gläubigers

≈ § 286 II Nr. 1 und 2 beim Schuldnerverzug

Angebot als sinnlose Förmelei bei erklärter Nichtannahme

3. Leistungsvermögen des Schuldners z.Z. des § 297 BGB

Grund des Leistungshindernisses ist unerheblich

bei Verantwortlichkeit des Gläubigers ggf. § 326 II 1 Alt. 1 BGB

4. Gläubiger nimmt die Leistung nicht an – § 293 BGB

Grund für Nichtannahme (insbes. Verschulden) unerheblich

auch bei fehlendem Angebot der Gegenleistung – § 298 BGB

Ausnahme: vorübergehende Annahmeverhinderung – § 299 BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gläubigerverzug – Rechtsfolgen

1. Haftungsmilderung – § 300 I BGB

Schuldner hat nur Vorsatz + grobe Fahrlässigkeit zu vertreten

gilt nicht bei Verletzung von Schutzpflichten i.S.v. § 241 II BGB

2. Leistungsgefahr geht über bei Gattungsschuld – § 300 II BGB

Aussonderung der Leistung erforderlich

Bedeutung in zwei Fallgruppen

Annahmeverzug nach § 295 BGB oder § 296 BGB

(bei § 294 BGB bereits Konkretisierung nach § 243 II BGB)

Fälle der Unanwendbarkeit von § 243 II BGB (z.B. § 270 I BGB)

3. Preisgefahr geht über – § 326 II 1 Alt. 2 BGB

4. Ersatzanspruch für Mehraufwendungen – § 304 BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gläubigerverzug – weitere Rechtsfolgen

5. Wegfall der Verzinsung – § 301 BGB

6. Herausgabe nur der tatsächlich gez. Nutzungen – § 302 BGB

7. Folgen für die Leistungspflicht des Schuldners

a) Grundsatz: Fortbestand der Leistungspflicht

b) Befreiung möglich durch

Hinterlegung bei Geld, Urkunden, Kostbarkeiten – § 372 BGB

Versteigerung bei sonstigen beweglichen Sachen + Hinterlegung des Erlöses – § 383 BGB

Besitzaufgabe bei unbeweglichen Sachen – § 303 BGB(aber: Fortbestand der Pflicht zur Übereignung)

Daneben Schuldnerverzug möglich (z.B. bei § 433 II BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Schuldnerverzug – Gliederung

1. Übersicht zur Verzögerung der Leistung

2. Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens

3. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung

4. Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung bei

gegenseitigen Verträgen

5. Weitere Verzugsfolgen

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT 1. Übersicht zur Verzögerung der Leistung

Verzögerungsschaden Schadensersatzstatt der Leistung

GSGPrimäranspruch Primäranspruch

ersetzt durch

SekundäranspruchSekundäranspruch

S

weitere Verzugsfolgen

§ 287 BGBVerschärfte Haftung desSchuldners+

§§ 280 I, II, 286 BGB §§ 280 I, III, 281 BGB

GGegenseitiger Vertrag

ersetzt durch

Rückgewährpflichten

S

§§ 323, 346 ff. BGB

Rücktritt wegenNichterfüllung

§ 339 BGBVerwirkung derVertragsstrafe

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

2. Ersatz des Verzögerungsschadens

– Voraussetzungen der §§ 280 I, II, 286 BGB –

a) Schuldverhältnis

b) Fälliger und durchsetzbarer Anspruch (s.u. Folie 14)

c) Mahnung nach Fälligkeit (oder Klage/Mahnbescheid) - § 286 I BGB

– eindeutige + bestimmte Aufforderung zur Leistung (s.u. Folie 15)

– Ausnahme: § 286 II BGB (s.u. Folie 16)

– Sonderfall: Entgeltforderung - § 286 III BGB (s.u. Folie 17)

d) Nichtleistung trotz objektiver Möglichkeit (Pflichtverletzung)– Achtung: Absolutes Fixgeschäft Unmöglichkeit

e) Vertretenmüssen i.S.v. §§ 276, 278 BGB– vermutet nach § 286 IV BGB (und § 280 I 2 BGB)

f) Rechtsfolge: Ersatz des Verzögerungsschadens– zur Abgrenzung OLG München NJW 1995, 2363 (Deckungsgeschäft)

– zur Abgrenzung zw. SchE statt / neben der Leistung Lorenz, JuS 2008, 203

– Mindestschaden bei Geldschuld: Verzugszinsen – § 288 BGB (s.u. Folie 18)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Fälliger und durchsetzbarer Anspruch

• Fälligkeit der Leistung - § 271 BGB

• Durchsetzbarkeit des Anspruchs

– bei unvollkommener Verbindlichkeit (–)

– bei schwebend unwirksamem Vertrag grundsätzlich (–)

– bei Bestehen einer dauernden/aufschiebenden Einrede

• h.M.: Das Bestehen der Einrede (z.B. Verjährung) schließt den Verzug aus; der Schuldner muss aber die Einrede im Prozess erheben

• gilt auch für § 320 BGB (z.B. BGH NJW 1999, 53)Ausnahme: Gläubiger bietet seine Gegenleistung in Annahmeverzug begründender Weise an (BGHZ 116, 244, 249)

• bei Zurückbehaltungsrecht – § 273 BGB: Ausübung vor / bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen erforderlich (arg. § 273 III BGB)

– bei rechtsvernichtenden Einwendungen• Ausübung eines Gestaltungsrechts (Anfechtung, Rücktritt) + Aufrechnung

Verzug entfällt rückwirkend

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Mahnung – § 286 I BGB

• Geschäftsähnliche Willensäußerung Vorschriften zu WE gelten analog

• Eindeutigkeit der Aufforderung

– Gläubiger bringt zum Ausdruck, dass er die Leistung verlangt

(z.B. BGH NJW 1998, 2132)

– höfliche Aufforderung reicht

– Fristsetzung / Androhung von Folgen ist nicht erforderlich

– auch konkludent (nicht schon durch erstmalige Übersendung der Rechnung)

• Bestimmtheit

– Klarheit, welche Leistung gefordert wird, insbes. welcher von mehreren

Ansprüchen gemeint ist

• Zuvielforderung

– schadet nicht, wenn die wirklich geforderte Leistung erkennbar ist

– schadet, wenn eine weit übersetzte Forderung geltend gemacht wird

• Mahnung vor Fälligkeit ist wirkungslos

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Entbehrlichkeit der Mahnung

– § 286 II BGB –

• Nr. 1: Leistungszeit nach dem Kalender

– vertragliche = beiderseitige Vereinbarung

BGH NJW 2008, 50: Rechnung mit einseitiger Bestimmung reicht nicht

– unmittelbare /mittelbare Festlegung eines Kalendertags

• Nr. 2: Anknüpfung an vorausgehendes Ereignis

– kalendermäßige Berechenbarkeit reicht

– Voraussetzung: angemessene Frist

– Ereignis = wahrnehmbarer Umstand, z.B. Abruf, Lieferung, Baubeginn

(nicht: Fälligkeit)

– einseitige Festlegung der Frist reicht nicht

BGHZ 171, 33 (Tz. 24): Anwendbarkeit der §§ 186 – 193 BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Entbehrlichkeit der Mahnung

– § 286 II BGB –

• Nr. 3: ernsthafte + endgültige Erfüllungsverweigerung

– strenge Anforderungen („letztes Wort“)

• Nr. 4: Besondere Gründe

– „Selbstmahnung“

– besondere Dringlichkeit der Leistung nach dem Vertragsinhalt

– treuwidrige Verhinderung des Zugangs der Mahnung

BGH NJW 2008, 50 (Tz. 12): bei Umzug Nachsendeauftrag erforderlich

– Herausgabepflicht bei unerlaubter Handlung

BGH ZIP 2008, 455, 456 (Existenzvernichtung der GmbH - § 826 BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Verzug bei Entgeltforderungen

– § 286 III BGB –

• Entgeltforderung ( Geldforderung)

– Zahlungsanspruch für Lieferung von Gütern oder Erbringung von

Dienstleistungen

– Nicht: Schadensersatz-, Bereicherungs-, GoA-Anspruch

• Rechnung

– gegliederte Aufstellung über eine Entgeltforderung

– Erteilung in Schriftform oder Textform (§ 126b BGB)

– Unterschrift nicht erforderlich

– Zugang bei oder nach Fälligkeit

• bei Zugang vor Fälligkeit beginnt die Frist erst ab Fälligkeit

• Besonderer Hinweis bei Verbrauchern – Satz 1 Hs. 2

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Verzugszinsen – § 288 BGB

• Grundsatz: Zinspflicht setzt Verzug voraus

– Ausnahme: § 353 HGB (Fälligkeitszinsen)

• Verzugszins: 5 % über Basiszins

– Geldschulden jeder Art

• Verzugszins: 8 % über Basiszins

– Entgeltforderung (Begriff wie in § 286 III BGB, s.o.)

• insbesondere nicht: Darlehensforderung

– keine Verbraucherbeteiligung

• Verzugszins: 2,5 % über Basiszins

– Immobiliardarlehensverträge i.S.v. § 497 I 2 BGB

• Höherer Zins aus anderem Rechtsgrund (Abs. 3), insbes. aus Vertrag

• Höherer Schaden (Abs. 4)

– Verlust von Anlagezinsen oder Aufwendung von Kreditzinsen

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

a) Schuldverhältnis

b) Fälliger und durchsetzbarer Anspruch– Zusätzlich zur Fälligkeit (vgl. Wortlaut des § 281 BGB) ist auch die Durch-

setzbarkeit (s.o. bei § 286 BGB) Voraussetzung des Anspruchs

c) Nichtleistung trotz objektiver Möglichkeit (Pflichtverletzung)

d) Nachfristsetzung + erfolgloser Ablauf der Nachfrist (s.u. Folie 21)– Ausnahme: § 281 II BGB (s.u. Folie 22)

e) Vertretenmüssen i.S.v. §§ 276, 278 BGB– vermutet nach § 280 I 2 BGB

– ausreichend, dass die fehlende Nacherfüllung zu vertreten ist

f) Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung– Berechnung nach Differenz- und Surrogationstheorie (s.u. Folie 23)

– Verhältnis „elektiver Konkurrenz“ zum Erfüllungsanspruch; Ausschluss des Erfüllungsanspruchs nach dem Schadensersatzverlangen – § 281 IV BGB

3. Schadensersatz statt der Leistung

– Voraussetzungen der §§ 280 I, III, 281 BGB –

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Nachfristsetzung – § 281 I 1 BGB

• Geschäftsähnliche Willensäußerung (str., a.A.: Willenserklärung)

Vorschriften über WE gelten analog

• Bestimmte + eindeutige Aufforderung zur Leistung

– Keine Ablehnungsandrohung erforderlich ( § 326 I BGB a.F.)

• klarer Endtermin oder Zeitraum in Zeiteinheiten (Tage, Wochen etc.)

• Angemessenheit der Frist

– letzte Gelegenheit zur (Vollendung der) Vertragserfüllung

– zu kurze Frist setzt angemessene Frist in Lauf (Ausnahme: Missbrauch)

• Fristsetzung nach Fälligkeit

– Fristsetzung vor Fälligkeit ist unwirksam

– Verbindung mit der die Fälligkeit begründenden Erklärung ist möglich

• Leistungshandlung muss innerhalb der Frist erfolgen

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

• Alt. 1: ernsthafte + endgültige Erfüllungsverweigerung

– strenge Anforderungen („letztes Wort“)

• Alt. 2: Besondere Gründe

– Interessefortfall des Gläubigers (vgl. § 326 II BGB a.F.)

• objektiv / auf Verzögerung beruhend

• hohe Anforderungen: keine Verwirklichung des Verwendungszwecks mehr

möglich

– Nicht: Fixgeschäft, str. (nur erleichtertes Rücktrittsrecht, s.u.)

• Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit ?

– früher gewohnheitsrechtlich anerkannt

– jetzt: analoge Anwendung von § 281 I, II BGB

(kein Umkehrschluss aus § 323 IV BGB)

Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung

– § 281 II BGB –

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT SchE statt der Leistung – Berechnung

• Haftung auf das positive Interesse

• Surrogationstheorie

– Gläubiger erbringt seine Gegenleistung

– an die Stelle der Schuldnerleistung tritt „als Surrogat“ ihr Wert

• Differenztheorie

– Gläubiger erbringt seine Gegenleistung nicht

– Schuldner leistet einseitig SchE wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrags

• Wahlrecht des Gläubigers str.

– h.M.: freie Wahl des Gläubigers zwischen beiden Berechnungsmethoden im

Rahmen von § 281 BGB

– a.A. (Ernst): Ergebnis der Differenztheorie nur über Kombination von SchE

+ Rücktritt (§ 325 BGB) erreichbar; aber konkludente Rücktrittserklärung in

SchE-Verlangen nach Differenztheorie

– nach Rücktritt jedenfalls nur noch Berechnung gemäß Differenztheorie

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

4. Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung bei

gegens. Verträgen – §§ 323, 325, 346 ff. BGB

a) Gegenseitiger Vertrag

– Ausnahme: vollzogene Dauerschuldverhältnisse Kündigung (§ 314 BGB)

b) Fälliger und durchsetzbarer Anspruch (synallagmatische + sonstige, str.)

– Leistungspflicht ( Rücksichtnahmepflicht § 324 BGB)

– Durchsetzbarkeit erforderlich (s.o. bei §§ 281 und 286 BGB)

c) Nichtleistung trotz objektiver Möglichkeit

d) Nachfristsetzung + erfolgloser Ablauf der Nachfrist (s.o. bei § 281 BGB)

– Ausnahme: § 323 II BGB (s.u. Folie 25)

e) Kein Ausschluss nach § 323 VI BGB

– überwiegende Verantwortlichkeit des Gläubigers

– nicht zu vertretende Nichtleistung im Annahmeverzug des Gläubigers

f) Rechtsfolge: Rücktrittsrecht

– Rücktritt löst Rückgewährpflichten gemäß §§ 346 ff. BGB aus

– Kombination mit SchE möglich – § 325 BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung

– § 323 II BGB –

• Nr. 1: ernsthafte + endgültige Erfüllungsverweigerung

– strenge Anforderungen („letztes Wort“)

• Nr. 2: (relatives) Fixgeschäft

– Geschäft muss mit der Leistungszeit „stehen und fallen“

– vertragliche Vereinbarung beider Parteien

(z.B. „fix“, „präzis“, „prompt“)

• Nr. 3: Besondere Gründe

– Interessefortfall des Gläubigers (s.o. bei § 281 BGB)

• Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit § 323 IV BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT 5. Weitere Verzugsfolgen

• § 287 BGB – Verschärfte Haftung

– Satz 1: Haftung für jede Fahrlässigkeit

• Wegfall gesetzlicher Haftungserleichterungen (= Beschränkungen

auf grobe Fahrlässigkeit oder Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten)

• gilt für Nebenpflichten

• für Leistungspflichten wegen Satz 2 ohne praktische Bedeutung

– Satz 2: Haftung für Zufall

• gilt nur für Leistungspflichten („wegen der Leistung“)

• § 339 BGB – Verwirkung der Vertragsstrafe

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Unmöglichkeit – Übersicht

1. Hintergrund besonderer Regelungen zur Unmöglichkeit

2. Anwendbarkeit des § 275 BGB

3. Tatbestände des § 275 I - III BGB

4. Rechtsfolgen

a) Schuldnerseite: § 275 I - III BGB

b) Gläubigerseite: § 326 BGB

c) Sekundäransprüche / -rechtsbehelfe des Gläubigers

5. Sonderfälle + Hinweis zum Klausuraufbau

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Unmöglichkeit – Hintergrund

EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Ausschluss der auf Erfüllung in Natur gerichteten Leistungsklage,

da entsprechender Titel ohnehin nicht vollstreckbar wäre

In anderen Rechtsordnungen finden sich häufig § 275 I - III BGB

entsprechende Regelungen im Prozessrecht

Sinnlosigkeit einer Nachfristsetzung durch den Gläubiger

Sonderregelungen für die Geltendmachung von Rechtsbehelfen durch den

Gläubiger sind materiell-rechtlicher Natur Unmöglichkeit in Deutschland

im materiellen Recht geregelt

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Anwendbarkeit des § 275 BGB

Grundsatz

§ 275 BGB ist anwendbar auf alle Leistungspflichten i.S.v. § 241 I BGB.

Ausnahme: Geldschulden

Grenzen des Vollstreckungszwanges werden anders bestimmt:

– gesetzliche Unpfändbarkeiten und Pfändungsfreigrenzen

– Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO)

Merke: „Geld hat man zu haben“

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Tatbestände des § 275 I - III BGB

§ 275 I BGB

– Alt. 2 („objektive Unmöglichkeit“)

• Beispiel: geschuldetes Einzelstück wird durch einen Brand zerstört

– Alt. 1 („subjektive Unmöglichkeit“)

• Beispiel: geschuldetes Einzelstück wird gestohlen

§ 275 II BGB („krasse Ineffizienz“)

• Beispiel: Ring am Meeresboden („praktische Unmöglichkeit“)

§ 275 III BGB („persönliche Unzumutbarkeit“)

• Beispiel: Sängerin mit schwerkrankem Kind

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Objektive Unmöglichkeit (§ 275 I Alt. 2 BGB)

Naturgesetzliche Unmöglichkeit

Problem: Untergang einer Stückschuld / konkretisierten Gattungsschuld (vgl. §§ 243 II, 300 II BGB) Bitter, ZIP 2007, 1881 ff.

Frage: Anspruch auf Lieferung einer anderen Sache, wenn das Leistungs-interesse des Gläubigers dadurch befriedigt werden kann?

Unmöglichkeit durch Zeitablauf bei absoluter Fixschuld

Verspätete Leistung kann die Erfüllungsinteressen des Gläubigers überhaupt nicht befriedigen (z.B. Sylvesterbuffet; Hochzeitstorte)

Abgrenzung zur relativen Fixschuld (Folge dann §§ 323 II Nr. 2 BGB, 376 HGB, nach str. Ansicht auch § 281 II Alt. 2 BGB s.o. Folien 22 und 25)

Rechtliche Unmöglichkeit

Privatrechtliche Normen (z.B. § 23 HGB)

Öffentlich-rechtliche Normen (z.B. bei Enteignung)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Subjektive Unmöglichkeit (§ 275 I Alt. 1 BGB)

Leistungserbringung nur unter Mitwirkung eines Dritten möglich und

Dritter ist unauffindbar

z.B.: Diebstahl der geschuldeten Sache; keine Anhaltspunkte für

baldige Ergreifung des Diebes

oder

Dritter verweigert Mitwirkung + Schuldner kann sie nicht erzwingen

z.B.: Schuldner verschenkt + übereignet die geschuldete Sache;

Dritter bezeichnet sie als „absolut unverkäuflich“

Dritter verlangt astronomischen Kaufpreis § 275 II BGB oder § 313 BGB

Rechtsgrundloser Erwerb des Dritten Erzwingung über § 812 BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Krasse Ineffizienz (§ 275 II BGB)

Grundsatz

Grobes Missverhältnis nicht schon bei Unwirtschaftlichkeit (= Aufwand > Inter-

esse) Leistungserbringung muss evident, in hohem Maße unsinnig sein

(a.A.: Verschwendung von Ressourcen, wenn Aufwand > Interesse)

Vergleichsobjekte

Leistungsaufwand des Schuldners

= Kosten der Leistungserbringung

Leistungsinteresse des Gläubigers

= (hypothetischer) Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Krasse Ineffizienz (§ 275 II BGB)

EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Grobes Missverhältnis unter Berücksichtigung von

Inhalt des Schuldverhältnisses (Satz 1)

z.B. vertragliche Übernahme des Aufwandsrisikos durch den Schuldner

Gebote von Treu und Glauben (Satz 1)

z.B. Verursachung einer Aufwandssteigerung durch den Gläubiger

Vertretenmüssen des Schuldners (Satz 2)

richtet sich nach §§ 276 - 278 BGB

streitig, ob der schuldlos handelnde Schuldner zu ergänzenden Aufwendungen überhaupt verpflichtet ist (dagegen z.B. Picker)

Angabe fester Prozentgrenzen str.

Huber/Faust: Aufwand i.H.v. 110 - 150 % des Gläubigerinteresses gestaffelt nach Verschuldens- bzw. Verursachungsgraden

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Exkurs:

Verhältnis von § 275 II BGB zu § 313 BGB

Voraussetzungen von § 313 BGB

• Kein Ausschluss durch vorrangige Sonderregelung

z.B. Sachmängelvorschriften beim KV, §§ 434 ff. BGB; Einzelheiten str.

• Umstand ist zur Grundlage des Vertrages geworden

Abgrenzung zum Vertragsinhalt erforderlich (z.B. auflösende Bedingung, § 158

II BGB, vertragliches Rücktrittsrecht, § 346 I Alt. 1 BGB); Einzelheiten str.

• Störung der Geschäftsgrundlage

(anfängliche) irrige Vorstellung über den Umstand (Abs. 2) oder (nachträgliche)

Veränderung des Umstands (Abs. 1)

• Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag

v.a. Fälle der Äquivalenzstörung = Störung des Verhältnisses von Leistung und

Gegenleistung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Exkurs:

Verhältnis von § 275 II BGB zu § 313 BGB

Problematische Fälle

Das Verhältnis von § 275 II BGB zu § 313 BGB ist problematisch, wenn der

Leistungsaufwand des Schuldners aufgrund eines Umstands unerwartet hoch

ist, der zur Grundlage des Vertrags geworden ist.

Unterschied zwischen § 275 II BGB und § 313 BGB

- § 275 II BGB: Vergleich zwischen Leistungsaufwand des Schuldners und

Leistungsinteresse des Gläubigers

- § 313 BGB: Vergleich zwischen Gegenleistungsinteresse des Schuldners

und Leistungsinteresse des Gläubigers

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Exkurs:

Verhältnis von § 275 II BGB zu § 313 BGB

Deshalb gilt:

• Führt der für den Mehraufwand verantwortliche Umstand zu einer allgemeinen

Anhebung des Marktpreises und damit auch zu einer Anhebung des Leistungs-

interesses des Gläubigers, scheidet § 275 II BGB i.d.R. aus. In Betracht kommt

allein § 313 BGB.

• Führt der für den Mehraufwand verantwortliche Umstand nicht zu einer allge-

meinen Anhebung des Marktpreises und deshalb auch nicht zu einer Anhe-

bung des Leistungsinteresses des Gläubigers, können sowohl die Voraus-

setzungen von § 275 II BGB als auch die Voraussetzungen von § 313 BGB

vorliegen. Der Schuldner hat dann die Wahl (sehr str.; a.A. nimmt Vorrang

von § 275 II BGB an).

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Persönliche Unzumutbarkeit (§ 275 III BGB)

Persönlich zu erbringende Leistung

Ausreichend, dass Schuldner persönlich leisten muss, insbesondere keine Erfüllungs-

gehilfen einsetzen darf (so „im Zweifel“ beim Dienstvertrag, § 613 Satz 1 BGB)

Nicht erforderlich, dass Schuldner nur persönlich leisten kann (so i.d.R. bei künstleri-

schen oder wissenschaftlichen Leistungen)

Abwägung

Vergleichsobjekte: negative (auch immaterielle) Leistungsfolgen für den Schuldner

Leistungsinteresse des Gläubigers (Bezifferung wie bei § 275 II BGB, Folie 33)

Unzumutbarkeit (z.B. notwendige Versorgung gravierend erkrankter Angehöriger,

strafbewehrte Einberufung eines türkischen Arbeitnehmers zum Wehrdienst in der

Türkei)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Rechtsfolgen

Schuldnerseite

§ 275 I BGB: „Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen …“

Ausschluss ipso iure (Einwendung)

§ 275 II, III BGB: „Der Schuldner kann die Leistung … verweigern …“

Ausschluss nur bei Erhebung der Einrede

Gläubigerseite

Grundsatz: Ausschluss des Anspruchs auf die Gegenleistung

(§§ 275 IV, 326 I BGB)

Ausnahme: Erhaltung des Anspruchs auf die Gegenleistung (§§ 275 IV,

326 II, III BGB und Sondervorschriften, v.a. §§ 446, 447, 644 BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Sekundäransprüche / -rechtsbehelfe

des Gläubigers

unabhängig vom Verschulden des Schuldners

Zurückforderungsrecht (§§ 275 IV, 326 IV, 346 - 348 BGB)

Rücktrittsrecht (§§ 275 IV, 326 V, 323 BGB)

Anspruch auf Herausgabe des stellvertretenden commodums

(§§ 275 IV, 285 BGB)

abhängig vom Verschulden des Schuldners

Anspruch auf Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz

nachträgliche Unmöglichkeit: §§ 275 IV, 280 I, III, 283 bzw. 284 BGB

anfängliche Unmöglichkeit: §§ 275 IV, 311a bzw. 284 BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Rücktrittsrecht wegen Unmöglichkeit bei

gegens. Verträgen – §§ 323, 326 V, 346 ff. BGB

a) Gegenseitiger Vertrag

– Verhältnis zu § 314 BGB bei Dauerschuldverhältnissen unklar

b) Nichtleistung wegen Unmöglichkeit i.S.v. § 275 I - III BGB

c) Nachfristsetzung entbehrlich gemäß § 326 V BGB

d) kein Ausschluss nach § 323 VI BGB

– überwiegende Verantwortlichkeit des Gläubigers

– nicht zu vertretende Unmöglichkeit im Annahmeverzug des Gläubigers

e) Rechtsfolge: Rücktrittsrecht

– Rücktritt löst Rückgewährpflichten gemäß §§ 346 ff. BGB aus

– Kombination mit SchE möglich – § 325 BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Anspruch auf das stellvertretende

commodum – § 285 BGB

a) Schuldverhältnis

b) Anspruch auf Leistung eines „Gegenstandes“– Übereignung / Herausgabe von Sachen oder Rechten

– Anwendbarkeit auf dingliche Ansprüche str. (jedenfalls nicht § 985 BGB)

– Unanwendbarkeit bei Anspruch auf eine Handlung / Unterlassung

– Unanwendbarkeit bei nicht konkretisierten Gattungsschulden

c) Wegfall der Leistungspflicht gemäß § 275 I - III BGB

d) Erlangung eines Surrogats („Ersatz oder Ersatzanspruch“)

e) Ursachenzusammenhang zw. unmöglichkeitsbegründendem Ereignis + Erlangung des Surrogats („infolge des Umstandes“)

f) Identischer Bezugspunkt von geschuldeter Leistung und erlangtem Surrogat– z.B. nicht bei Versicherungssumme für zerstörte Mietsache: Versicherung ersetzt

das Eigentum – Mieter hat nur Anspruch auf Gebrauchsüberlassung

g) Rechtsfolge: Herausgabe des Surrogats (stellvertretenden commodums)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

a) Schuldverhältnis

b) Nichtleistung wegen nachträglicher Unmöglichkeit = Pflichtverletzung

c) Nachfristsetzung bei § 283 BGB nicht erforderlich § 281 BGB

d) Vertretenmüssen i.S.v. §§ 276, 278 BGB

– Bezugspunkt: vom Schuldner herbeigeführte Umstände in der Lebenswirklich-

keit, derentwegen die Leistung unmöglich (oder grob unverhältnismäßig) ist

– vermutet nach § 280 I 2 BGB

– ausreichend, dass die fehlende Nacherfüllungsmöglichkeit zu vertreten ist

e) Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung

– Berechnung nach Differenz- und Surrogationstheorie (s.o. Folie 23)

– Rückgewähr des Geleisteten nach §§ 346 ff. BGB bei Schadensersatz statt

der ganzen Leistung (§§ 283 S. 2, 281 V BGB)

– Alternative: Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 284 BGB)

SchE statt der Leistung bei nachtr. Unmögl.

– Voraussetzungen der §§ 280 I, III, 283 BGB –

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

a) Schuldverhältnis

b) Nichtleistung wegen anfänglicher Unmöglichkeit = Pflichtverletzung

– Pflichtverletzung ≠ fehlende Information über Leistungsunmöglichkeit

c) Nachfristsetzung bei § 311a BGB nicht erforderlich § 281 BGB

d) Vertretenmüssen i.S.v. §§ 276, 278 BGB

– Bezugspunkt: Kenntnis / Kennenmüssen der Leistungsunmöglichkeit

Merksatz: „Ich wusste es nicht und konnte es auch nicht wissen.“

– Vertretenmüssen wird vermutet (§ 311a II 2: „Dies gilt nicht, wenn …“)

e) Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung

– Berechnung nach Differenz- und Surrogationstheorie (s.o. Folie 22)

– Rückgewähr des Geleisteten nach §§ 346 ff. BGB bei Schadensersatz statt

der ganzen Leistung (§§ 311a II 3, 281 V BGB)

– Alternative: Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 284 BGB)

SchE statt der Leistung bei anfängl. Unmögl.

– Voraussetzungen des § 311a II BGB –

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Sonderfälle + Hinweis zum Klausuraufbau

Sonderfälle – zur selbständigen Vertiefung empfohlen:

• Teilweise Unmöglichkeit

(MünchKommBGB-Ernst, Band 2, 5. Auflage 2007, § 275 Rdn. 120 ff.)

• Vorübergehende Unmöglichkeit

(MünchKommBGB-Ernst, Band 2, 5. Auflage 2007, § 275 Rdn. 132 ff.)

• Beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit Folien 46 + 47

(Staudinger/Otto, BGB, Neubearbeitung 2004, § 326 Rdn. C 65 ff.)

Hinweis zum Klausuraufbau

In der Klausur wäre es ein schwerer Fehler, in einem vorangestellten Prüfungspunkt losgelöst von der

Fallfrage zu untersuchen, ob eine bestimmte Leistung unmöglich geworden ist. Vielmehr ist von der

Fallfrage ausgehend rechtsfolgenorientiert zu prüfen, so dass Ausführungen zur Unmöglichkeit einer

bestimmten Leistung erst dann zu machen sind, wenn der Tatbestand einer zu prüfenden Norm die

Unmöglichkeit voraussetzt.

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit

Problemstellung

Schuldner und Gläubiger sind beide für die eingetretene Unmöglichkeit

verantwortlich

§ 326 II 1 Alt. 1 BGB („weit überwiegend“) löst diesen Fall nicht durch

Gegenschluss Anwendung des § 326 I BGB ist bei beiderseitiger

Verantwortlichkeit nicht interessengerecht Mittelweg erforderlich

str., ob Mittelweg auch bei Kombination aus Vertretenmüssen des

Schuldners und Annahmeverzug des Gläubigers erforderlich

Problem: Gegenschluss aus § 326 II 1 Alt. 1 BGB („vom Schuldner nicht

zu vertretende Umstand“)

Aber: § 326 I BGB erscheint ebenfalls nicht interessengerecht

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit

Lösungsansätze

Rspr.: Alternative Anwendung von § 326 II BGB (bei überwiegendem Ver-

schulden des Gläubigers) bzw. §§ 280 I, III, 283 BGB (bei überwiegendem

Verschulden des Schuldners); sodann Kürzung gemäß/analog § 254 BGB

• Problem: gleiches Verschulden auf beiden Seiten

Literatur z.T.: kumulative Anwendung von § 326 II BGB und §§ 280 I, III,

283 BGB (berechnet nach Differenztheorie); jeweilige Kürzung gemäß/

analog § 254 BGB; sodann Verrechnung der Ansprüche miteinander

Literatur z.T.: Berechnung des SchE-Anspruchs aus §§ 280 I, III, 283 BGB

nach der Surrogationstheorie; dann Kürzung gemäß § 254 BGB; anschlie-

ßend Verrechnung mit vollem Zahlungsanspruch aus § 326 II BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Kaufrecht – Gliederung

1. Anspruch auf Nacherfüllung

2. Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach

Rücktritt bzw. Minderung

3. Anspruch auf Schadensersatz wegen

Pflichtverletzung

4. Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

1. Anspruch auf Nacherfüllung

– §§ 437 Nr. 1, 434, 439 BGB –

a) Wirksamer Kaufvertrag

b) Sachmangel (s.u. Folie 50)

c) Zur Zeit des Gefahrübergangs (§§ 446, 447, 474 II BGB)

– Beweislastumkehr des § 476 BGB (s.u. Folien 51 – 53)

d) Kein Ausschluss der Gewährleistung (s.u. Folie 54)

e) Ausschluss des Nacherfüllungsrechts

– Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§ 275 BGB)

getrennt für Nachbesserung und Nachlieferung zu prüfen

– Verweigerung der Nacherfüllung durch den Verkäufer (§ 439 III BGB)

f) Keine Verjährung (§ 438 BGB)

g) Rechtsfolge: Anspruch auf Nachbesserung und/oder Nachlieferung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Sachmangel (§ 434 BGB)

Mangel i.S.v. § 434 I BGB = Differenz von Ist- und Sollbeschaffenheit

– bei Vereinbarung: Sache hat nicht die vertraglich vorausgesetzte

Eigenschaft (§ 434 I 1 BGB)

– bei Fehlen einer Vereinbarung:

• keine Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung

(§ 434 I 2 Nr. 1 BGB)

• keine Eignung für die gewöhnliche Verwendung oder Fehlen üblicher

Beschaffenheit (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB)

BGH NJW 2008, 53: Unfallfreiheit bei Gebrauchtwagen

Berücksichtigung von Werbeaussagen (§ 434 I 3 BGB)

Mangel i.S.v. § 434 II BGB = fehlerhafte Montage / -anleitung

Mangel i.S.v. § 434 III BGB = Aliud / Minderlieferung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Beweislastumkehr beim

Verbrauchsgüterkauf (§ 476 BGB)

BGHZ 159, 215 = NJW 2004, 2299 (Motorschaden / Zahnriemen)

lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass ein festgestellter

Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag

BGH NJW 2005, 283 (Teichbecken)

Einbau der Sache durch Dritten hindert Beweislastumkehr nicht

BGH NJW 2005, 3490 (Karosserieverformung)

Vermutung nicht ausgeschlossen, wenn Mangel typischerweise jederzeit

auftreten kann

Vermutung mit der Art des Mangels unvereinbar bei äußerlicher

Beschädigung, die auch dem Laien auffallen muss

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Beweislastumkehr beim

Verbrauchsgüterkauf (§ 476 BGB)

BGHZ 166, 2250 = NJW 2006, 2250 (Zuchthengst mit Sommerekzem)

Vermutung des § 476 BGB auch beim Tierkauf anwendbar

Ausschluss der Vermutung bei bestimmten Tierkrankheiten, nicht aber bei

saisonal sichtbarer Allergie

BGH NJW 2006, 1195 (Katalysatorschaden durch Aufsetzer)

Beweislastumkehr, wenn das Vorliegen eines Sachmangels allein davon

abhängt, ob eine Abweichung von der Sollbeschaffenheit, die sich

innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe der Sache an den

Käufer zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorhanden war

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Beweislastumkehr beim

Verbrauchsgüterkauf (§ 476 BGB)

BGH NJW 2007, 2621 (Zylinderkopfdichtung)

Vermutung (+), wenn die für einen Mangel (defekte Zylinderkopfdichtung)

als ursächlich in Frage kommenden Umstände (Überhitzung des Motors

infolge zu geringen Kühlmittelstands oder Überbeanspruchung) auf einen

Fahr- oder Bedienungsfehler des Käufers zurückzuführen, ebenso gut aber

auch bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer eingetreten

sein können

BGH NJW 2007, 2619 (Zuchtkater mit Mikrosporie)

Vermutung nicht ausgeschlossen, wenn der Mangel für den Verkäufer bei

Übergabe ebensowenig erkennbar ist wie für den Käufer; kein Wissensvor-

sprung oder bessere Erkenntnismöglichkeiten des Verkäufers erforderlich

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Ausschluss der Gewährleistung

Kenntnis des Käufers vom Mangel (§ 442 BGB)

Wirksame Freizeichnung = Ausschluss oder EinschränkungBGHZ 170, 86 (Tz. 28 ff.): pauschaler Ausschluss betrifft nicht die vereinbarte Beschaffenheit i.S.v. § 434 I 1 BGB (Kilometerstand bei Motorrad)

Freizeichnung unzulässig:

– bei Arglist oder Garantie (§ 444 BGB)

BGHZ 170, 86 (Tz. 20 ff.): Garantie bei Zusicherung einer Eigenschaft (§ 459 II BGB a.F.) = Übernahme der Gewähr für das Vorhandensein der Eigenschaft + Bereitschaft, für alle Folgen des Fehlens einstehen zu wollen Interessenlage entscheidend: Unternehmer /Verbraucher oder Verbraucher / Verbraucher

– beim Verbrauchsgüterkauf (§ 475 BGB)

– nach AGB-Recht (§ 309 Nr. 8b BGB)

Rügeversäumnis (§ 377 HGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

2. Anspruch auf Rückzahlung des

Kaufpreises

AGL: §§ 437 Nr. 2, 434, 323 I Alt. 2, 346 ff. BGB (Rücktritt)

AGL: §§ 437 Nr. 2, 434, 441, 346 I, 347 I BGB (Minderung)

a) Wirksamer Kaufvertrag

b) Sachmangel (s.o. Folie 50)

c) Zur Zeit des Gefahrübergangs (§§ 446, 447, 474 II BGB)

d) Nachfristsetzung und erfolgloser Ablauf der Nachfrist (§ 323 I BGB)

- für die Minderung siehe § 441 BGB: „statt zurückzutreten“

- Entbehrlichkeit der Nachfrist (s.u. Folie 57)

e) Kein Ausschluss der Gewährleistung (s.o. Folie 54)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

2. Anspruch auf Rückzahlung des

Kaufpreises

f) Kein Ausschluss des Rücktritts wegen unerheblicher

Pflichtverletzung (§ 323 V 2 BGB)

Die Möglichkeit der Minderung bleibt bestehen (§ 441 I 2 BGB)

BGHZ 167, 19: Unerheblichkeit der Pflichtverletzung bei arglistiger

Täuschung des Verkäufers i.d.R. zu verneinen

g) Keine „Verjährung“ (§§ 438, 218 BGB)

h) Erklärung des Rücktritts (§ 349 BGB) bzw. der Minderung

(§ 441 I 1 BGB) – Gestaltungsrecht

i) Rechtsfolge: Anspruch auf (anteilige) Rückzahlung des Kaufpreises

- Berechnung der Minderung: § 441 III BGB

- Bei Rücktritt: Rückgewähr Zug-um-Zug (§§ 348, 320 BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Entbehrlichkeit der Nachfrist

in den Fällen des § 323 II BGB (s.o. Folie 25)

BGH NJW 2007, 835; BGH ZIP 2008, 460: Entbehrlichkeit der Nachfrist i.d.R. bei

arglistiger Täuschung durch den Verkäufer

bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§ 326 V BGB)

– beide Arten (Nachbesserung + Nachlieferung) müssen unmöglich sein

in den Fällen des § 440 BGB

– Verweigerung der Nacherfüllung durch Verkäufer gemäß § 439 III BGB

• Verkäufer muss Verweigerungsrecht ausüben (BGH NJW 2006, 1195, Tz. 26)

– Fehlschlagen der Nacherfüllung

– Unzumutbarkeit der Nacherfüllung für den Käufer

beim Rückgriff des Unternehmers in Veräußerungskette (§ 478 I BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

3. SchE-Anspruch wegen Pflichtverletzung – §§ 437 Nr. 3, 434, 280 I 1 BGB –

a) Wirksames Schuldverhältnis (hier Kaufvertrag)

b) Pflichtverletzung = mangelhafte Lieferung (s.o. Folie 50)

c) Keine Entlastung hins. Vertretenmüssen (§§ 280 I 2, 276 BGB)

d) Kein Ausschluss der Gewährleistung

- Kenntnis des Käufers vom Mangel (§ 442 BGB)

- wirksame Freizeichnung; diese ist unzulässig

• bei Arglist oder Garantie (s.o. Folie 54)

• nach AGB-Recht (§§ 307 – 309 BGB)

keine generelle Beschränkung beim Verbrauchsgüterkauf (§ 475 III BGB)

e) Keine Verjährung (§ 438 BGB)

f) Rechtsfolge: Ersatz der Schäden, die durch Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden können (insbes. Mangelfolgeschäden)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

4. Schadensersatz statt der Leistung – §§ 437 Nr. 3, 434, 280 I 1, III, 281 I 1 BGB –

a) Wirksames Schuldverhältnis (hier Kaufvertrag)

b) Pflichtverletzung = mangelhafte Lieferung (s.o. Folie 50)

c) Keine Entlastung hins. Vertretenmüssen (§§ 280 I 2, 276 BGB)

d) Nachfristsetzung und erfolgloser Ablauf der Nachfrist (§ 281 I 1 BGB)

- Entbehrlichkeit der Nachfrist (s.u. Folie 60)

e) Kein Ausschluss der Gewährleistung s.o. Folie 58 unter 3. d)

f) Keine Verjährung (§ 438 BGB)

g) Rechtsfolge: Ersatz des Mangel- und Mangelfolgeschadens

- Berechnung: „kleiner“ oder „großer“ Schadensersatz

„SchE statt der ganzen Leistung“ (= „großer“ SchE) ausgeschlossen bei unerheblicher Pflichtverletzung (§ 281 I 3 BGB)

- Verlust des Anspruchs auf die Leistung (§ 281 IV BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Entbehrlichkeit der Nachfrist

in den Fällen des § 281 II BGB (s.o. Folie 22)

BGH NJW 2007, 835; BGH ZIP 2008, 460: Entbehrlichkeit der Nachfrist i.d.R. bei

arglistiger Täuschung durch den Verkäufer

bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§ 283 S. 1 BGB)

– beide Arten (Nachbesserung + Nachlieferung) müssen nachträglich

unmöglich geworden sein AGL: §§ 437 Nr. 2, 280 I 1, III, 283 BGB

– bei anfänglicher Unmöglichkeit sachmängelfreier Lieferung § 311a BGB

in den Fällen des § 440 BGB s.o. Folie 57

beim Rückgriff des Unternehmers in Veräußerungskette (§ 478 I BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufs- und Rückgaberecht bei

Verbraucherverträgen – Übersicht

1. Hintergrund von Widerrufs- und Rückgaberechten

2. Voraussetzungen

a) Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts

b) Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts

3. Rechtsfolgen

a) Wegfall der Bindung an den Vertrag

b) Entstehung eines Rückgewährschuldverhältnisses

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Hintergrund

Grundsatz: „pacta sunt servanda“

Verträge sind rechtsverbindlich und zu erfüllen

Ausnahme: Widerrufs- und Rückgaberecht eines Verbrauchers bei

bestimmten Verträgen

Verbraucher kann sich durch einen einseitigen Akt vom Vertrag lösen

Sinn und Zweck: Schutz des Verbrauchers

insbesondere vor Überrumpelung bei Haustürgeschäften und vor übereilter

Kaufentscheidung ohne Prüfung der Ware bei Fernabsatzverträgen

Page 32: examenskurs_vertragsrecht_folien_2008

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Bestehen eines Widerrufs- oder

Rückgaberechts

Fünf Fälle im BGB

Allgemeines Vertragsrecht

Haustürgeschäfte (§§ 312 f. BGB) s.u. Folien 64 - 66

Fernabsatzverträge (§§ 312b ff. BGB) s.u. Folien 67 - 69

Besonderes Vertragsrecht

Verbraucherdarlehensverträge (§§ 491 ff. BGB) vgl. hierzu die

Vorlesung Bankrecht

Ratenlieferungsverträge (§ 505 BGB) wenig klausurrelevant

Teilzeit-Wohnrechteverträge (§§ 481 ff. BGB) wenig klausurrelevant

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufs- oder Rückgaberecht bei

Haustürgeschäften (§§ 312 f. BGB)

1. Voraussetzungen des Haustürgeschäfts (§ 312 I BGB)

Vertrag zwischen Unternehmer i.S.v. § 14 BGB und Verbraucher

i.S.v. § 13 BGB über eine entgeltliche Leistung

Existenzgründer = Verbraucher (BGHZ 162, 253)

- Wortlaut des § 13 BGB: Zweckrichtung entscheidend

- Existenzgründer begibt sich bewusst in den unternehmerischen Verkehr

- Umkehrschluss aus § 507 BGB

Aber: Verbraucher bei Vorbereitung der Existenzgründung

(BGH ZIP 2008, 27)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufs- oder Rückgaberecht bei

Haustürgeschäften (§§ 312 f. BGB)

1. Voraussetzungen des Haustürgeschäfts (§ 312 I BGB)

Bestimmung zum Vertragsschluss durch

mündliche Verhandlungen am Arbeitsplatz / in Privatwohnung

( Anruf am Arbeitsplatz / in der Privatwohnung)

anlässlich einer Freizeitveranstaltung

überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln oder auf öffentlichen

Verkehrsflächen

Mitursächlichkeit der „Haustürsituation“ für späteren Vertragsschluss

ist ausreichend

überschießende Umsetzung der Richtlinie

(Richtlinie stellt auf Vertragsschluss in der Haustürsituation ab)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufs- oder Rückgaberecht bei

Haustürgeschäften (§§ 312 f. BGB)

2. Ausnahmen (§ 312 III BGB)

Verbraucher bestellt den Unternehmer vorher zum Arbeitsplatz / in die Privatwohnung

nicht bei einer durch den vorherigen Anruf des Unternehmens provozierten Bestellung zum Arbeitsplatz / in die Wohnung

unmittelbarer Leistungsaustausch bis 40 Euro

Willenserklärung von einem Notar beurkundet

z.B. notarieller Kaufvertrag über eine Immobilie

Richtlinie: Verträge über den Verkauf von Immobilien

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufs- oder Rückgaberecht bei

Fernabsatzverträgen (§§ 312b ff. BGB)

1. Voraussetzungen des Fernabsatzvertrags (§ 312b I, II BGB)

Vertrag zwischen Unternehmer i.S.v. § 14 BGB und Verbraucher

i.S.v. § 13 BGB über die Lieferung von Waren oder die

Erbringung von Dienstleistungen (§ 312b I 1 BGB)

zum Existenzgründer s.o. Folie 64

Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln i.S.v. § 312b II BGB im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems (§ 312b I 1 BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufs- oder Rückgaberecht bei

Fernabsatzverträgen (§§ 312b ff. BGB)

2. Ausschluss der Anwendbarkeit

Ausschluss für bestimmte Vertragstypen (§ 312b III BGB)

Fernunterricht Fernunterrichtsschutzgesetz

Teilzeitwohnrechte § 481 ff. BGB

Versicherungen

Grundstücke / Grundstücksrechte + Errichtung von Bauwerken

Auslieferung von Lebensmitteln, Getränken etc.

Unterbringung (Hotel), Beförderung (Taxi), Lieferung von Speisen (Pizza-Service), Freizeitgestaltung (Konzertticket)

Automatenverträge + öff. Fernsprecher

Dauerschuld- oder Wiederkehrschuldverhältnisse (z.B. Girover-trag; Buchclub) Anwendung nur auf die erste Vereinbarung (§ 312b IV BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufs- oder Rückgaberecht bei

Fernabsatzverträgen (§§ 312b ff. BGB)

3. Ausschluss des Widerrufs- und Rückgaberechts

Erlöschen des Widerrufsrechts (§ 312d III BGB)Finanzdienstleistung bei vollständiger Erfüllung

sonst. Dienstleistung bei Ausführungsbeginn auf Kundenwunsch

Ausschluss für bestimmte Verträge (§ 312d IV BGB)Ware nach Kundenspezifikation / verderbliche Ware

entsiegelte Audio- und Videoaufzeichnungen, Software

Zeitungen / Zeitschriften / Illustrierte

Wett- und Lotterie-Dienstleistungen

Vertragschluss in der Form der Versteigerung (§ 156 BGB)

Finanzmarktprodukte mit Kursschwankungen

keine Doppelung bei Widerrufsrecht nach Verbraucherkreditrecht (§ 312d V BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Widerrufsrecht Rückgaberecht

Grundsatz: Widerrufsrecht i.S.v. § 355 BGB

vgl. §§ 312 I 1, 312d I 1 BGB

Ausnahme: Rückgaberecht i.S.v. § 356 BGB bei entsprechender

Vereinbarung aufgrund eines Verkaufsprospekts

nach §§ 312 I 2, 312d I 2 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen

bei Haustürgeschäften und bei Fernabsatzverträgen zulässig

vgl. § 356 I BGB zu den Anforderungen an den Verkaufsprospekt und an

dessen Einbeziehung in den Vertrag

Ausübung des Widerrufs- bzw.

Rückgaberechts

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Ausübung des Widerrufsrechts

– Widerrufserklärung (§ 355 I 2 BGB) –

Rechtsnatur: einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung

Form: Textform i.S.v. § 126b BGB oder Rücksendung der Sache

Begründung ist nicht erforderlich

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Ausübung des Widerrufsrechts

– Widerrufsfrist (§§ 355 I-III, 312d II BGB) –

Grundsatz: 2 Wochen ab ordnungsgemäßer Belehrung (§ 355 I 2, II BGB)

Ausnahmen

Belehrung erst nach Vertragsschluss Frist = 1 Monat (§ 355 II 2 BGB)

Vertrag bedarf der Schriftform Fristbeginn erst, wenn Verbraucher geeignetes

Schriftstück erhält (§ 355 II 3 BGB)

Fernabsatzvertrag Frist beginnt erst, wenn Informationspflicht gemäß § 312c II

BGB erfüllt ist, bei Warenlieferungen nicht vor Eingang beim Empfänger, bei

Dienstleistungen nicht vor Vertragsschluss (§ 312d II BGB)

Höchstfrist von sechs Monaten nach § 355 III 1, 2 BGB (wegen Ausnahme-

regelung in § 355 III 3 BGB von marginaler praktischer Bedeutung)

rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung genügt

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Ausübung des Rückgaberechts

(§ 356 II BGB)

Rückgabe

Rücksendung der Sache bzw.

Rücknahmeverlangen in Textform i.S.v. § 126b BGB

(§§ 356 II 2, 355 I 2 BGB)

Rückgabefrist

wie Widerrufsfrist, Fristbeginn jedoch nicht vor Erhalt der Sache

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Rechtsfolgen

Wegfall der Bindung an den Vertrag (§ 355 I 1 BGB)

Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses (§§ 357, 346 f.,

312d VI BGB), das Zug-um-Zug zu erfüllen ist (§§ 357 I 1, 348 BGB)

Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer

s.u. Folie 75

Ansprüche des Unternehmers gegen den Verbraucher

s.u. Folie 76

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Ansprüche des Verbrauchers

gegen den Unternehmer

Rückgewähr des erhaltenen Entgelts (§§ 357 I 1, 346 I BGB)

im Normalfall der Geldzahlung: Rückzahlung

Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen (§§ 357 I 1, 346 I BGB)

bei Geldzahlung: ersparte Schuldzinsen oder tatsächlich erwirtschaftete Zinsen

Wertersatz für vorwerfbar nicht gezogene Nutzungen (§§ 357 I 1, 347 I BGB)

bei Geldzahlung: Wertersatz für vorwerfbar nicht erwirtschaftete Zinsen

Ersatz notwendiger Verwendungen + wertsteigernder Aufwendungen (§§ 357 I 1, 347 II BGB)

Hinweis: Außerdem besteht möglicherweise ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen

aus §§ 288, 286 BGB, wobei Verzug unter den Voraussetzungen der §§ 357 I 2, 3, 286 III

BGB auch ohne Mahnung eintritt.

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Ansprüche des Unternehmers

gegen den Verbraucher

Rückgewähr der empfangenen Leistung (§§ 357 I 1, 346 I BGB)

bei Sachleistungen durch Rücksendung (§ 357 II 1 BGB) bzw. durch Rücknahme-verlangen (arg. § 356 II 1 BGB), wobei Rücksendung auf Gefahr und grds. auch auf Kosten des Unternehmers erfolgt (§ 357 II 2, 3 BGB)

statt der Rückgewähr ist ggf. Wertersatz zu leisten (§§ 357 I 1, 346 II, III, 357 III, 321d VI BGB)

Herausgabe tats. gezogener Nutzungen o. Wertersatz (§§ 357 I 1, 346 I, II BGB)

Wertersatz für vorwerfbar nicht gezogene Nutzungen (§§ 357 I 1, 347 I BGB)

Ersatz notwendiger Verwendungen + wertsteigernder Aufwendungen

(§§ 357 I 1, 347 II BGB)

Hinweis: Außerdem besteht möglicherweise ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen aus §§ 288, 286 BGB, wobei Verzug unter den Voraussetzungen der §§ 357 I 2, 3, 286 III BGB auch ohne Mahnung eintritt.

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Verbundene Geschäfte

(§ 358 BGB, § 9 VerbrKrG)

Verbraucher

BankVerkäufer

KreditvertragKaufvertrag

Zahlung

Überlassung von Kreditformularen

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Verbundene Geschäfte

(§ 358 BGB, § 9 VerbrKrG)

1. Verbundenes Geschäft

a) Vertrag über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer

anderen Leistung

b) Kredit dient der Finanzierung des anderen Vertrags + beide Verträge

bilden eine wirtschaftliche Einheit

c) unwiderlegliche Vermutung wirtschaftlicher Einheit

(§ 358 III 2 BGB; früher: § 9 I 1 VerbrKrG)

Unternehmer finanziert selbst die Gegenleistung

bei Drittfinanzierung: Kreditgeber bedient sich bei Vorbereitung

und Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags der Mitwirkung

des Unternehmers

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Verbundene Geschäfte

(§ 358 BGB, § 9 VerbrKrG)

2. Keine Bindung an das verbundene Geschäft nach Widerruf des

anderen Vertrags – § 358 II 1 BGB (§ 9 II 1 VerbrKrG)

a) Fehlende Bindung i.S.v. § 9 VerbrKrG

keine Bindung an den verbundenen Kaufvertrag bei Widerruf des Kreditvertrags nach § 7 VerbrKrG (Abs. 2)

b) Fehlende Bindung i.S.v. § 358 BGB

keine Bindung an den Kreditvertrag bei Widerruf des verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder Erbringung einer anderen Leistung (Abs. 1)

keine Bindung an den verbundenen Vertrag über die Lieferung eine Ware oder Erbringung einer anderen Leistung bei Widerruf des Kreditvertrags (Abs. 2, Satz 1)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Verbundene Geschäfte

(§ 358 BGB, § 9 VerbrKrG)

3. Rückforderungsdurchgriff bei Widerruf – 358 IV 3 BGB(§ 9 II 4 VerbrKrG)

a) bei Zufluss des Kreditbetrags zum Unternehmer vor dem Widerruf tritt der Kreditgeber im Verhältnis zum Verbraucher in die Rechte und Pflichten des Unternehmers ein

b) Rechtsfolgen:

Verbraucher kann den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises mit dem Anspruch des Kreditgebers auf Rückzahlung des Kredits verrechnen

Anspruch Verbraucher Kreditgeber auf Rückzahlung einer an den Unternehmer geleisteten Anzahlung + der an den Kreditgeber geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Verbundene Geschäfte

(§ 358 BGB, § 9 VerbrKrG)

4. Einwendungsdurchgriff – § 359 BGB (§ 9 III VerbrKrG)

Verbraucher kann Kreditrückzahlung verweigern, soweit ihm Einwendungen gegen den Unternehmer des verbundenen Geschäfts zustehen

Hauptfall: Mängel der Kaufsache /des finanzierten Werks

Nacherfüllungsverlangen: Verweigerung der Kreditrückzahlung erst nach Fehlschlagen der Nacherfüllung (Satz 3)

Rücktritt: Recht, die Zahlungen einzustellen

Minderung: Minderung des Betrags oder der Anzahl der Raten

Schadens- /Aufwendungsersatz: ZBR in Höhe des Anspruchs; Aufrechnungsmöglichkeit str.

Nichtigkeit des finanzierten Vertrags: Fehleridentität ist vorrangig vor Einwendungsdurchgriff

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gesamtschuld

1. Voraussetzungen (§ 421 BGB)

Anspruch gegen mehrere Schuldner

Gläubiger darf die Leistung lediglich einmal fordern

Identität des Leistungsinteresses

keine völlige Identität erforderlich (Bsp.: Haftung für Baumängel im

Verhältnis zw. Architekt + Bauunternehmer: Schadensersatz bzw.

Nachbesserung)

Gleichstufigkeit (Gleichrangigkeit) der Verpflichtungen, str.

Tilgungsgemeinschaft fehlt nach h.M. im Verhältnis zw.

Schadensverursacher + Versicherer bzw. Unterhaltspflichtigem

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gesamtschuld

2. Entstehungsgründe (Beispiele)

gemeinschaftliche vertragliche Verpflichtung zu einer teilbaren

Leistung (§ 427 BGB) – Zweifelsregelung

mehrere Schuldner einer unteilbaren Leistung (§ 431 BGB)

gemeinschaftliche unerlaubte Handlung (§ 840 BGB)

Haftung von Mitbürgen untereinander (§ 769 BGB)

Aber: Verhältnis zw. Hauptschuldner + Bürge grunds. Subsidiarität

Haftung der GbR- /oHG-Gesellschafter untereinander (§ 128 HGB)

Aber: Verhältnis zw. Gesellschaft + Gesellschafter Akzessorietät

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gesamtschuld

3. Gesamtwirkung

Erfüllung und Erfüllungssurrogate (§ 422 I BGB)

Aber: Drittaufrechnung nicht möglich (§ 422 II BGB)

Erlass, wenn das Schuldverhältnis aufgehoben werden soll

(§ 423 BGB)

Gläubigerverzug (§ 424 BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gesamtschuld

4. Einzelwirkung (§ 425 BGB)

(Fälligkeits-)Kündigung

z.B. eines Darlehens gemäß § 488 III BGB

Kündigung von Dauerschuldverhältnissen

Verzug, insbesondere Mahnung

Verschulden

subj. Unmöglichkeit der Leistung in der Person einesGesamtschuldners

Verjährung, Neubeginn, Hemmung + Ablaufhemmung

Vereinigung der Forderung mit der Schuld (Konfusion)

rechtskräftiges Urteil

§ 129 HGB bei akzessorischer Haftung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gesamtschuld

5. Regress (§ 426 BGB)

eigenständiger Ausgleichsanspruch (Abs. 1)

im Zweifel zu gleichen Teilen

Ausnahme z.B. § 840 II BGB

Regress aus übergegangenem Recht – cessio legis (Abs. 2)

bei fehlender Gleichstufigkeit (s.o. Folie 82) oft ebenfalls cessio legis,

aber vollständiger Übergang (z.B. § 67 VVG a.F. bzw. § 86 VVG n.F.)

Bedeutung des § 426 II BGB neben § 426 I BGB insbesondere bei

bestehenden Sicherheiten (§§ 401, 412 BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

FB§ 823 BGB

X-GmbH

L

§ 823 BGB

§ 831 BGB

Gesamtschuld – Fall 1

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Gestörte Gesamtschuld – Fall 2

AB§ 823 BGB

X-GmbH

L

§ 823 BGB

§ 831 BGB

Unfall-versicherung

Beiträge

Anspruch auf Ausgleich des Personen-schadens

Beachte: §§ 104, 105 SGB VII

≠ Schmerzensgeld

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Fehlende Störung des

Gesamtschuldnerausgleichs – Fall 3

SB§ 823 BGB

X-GmbH

L

§ 823 BGB

§ 831 BGB

§ 1664 BGB: GesetzlicheHaftungsmilderung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Regresskreisel – Fall 4

KB§ 823 BGB

X-GmbH

L

§ 823 BGB

§ 831 BGB

VertraglicheHaftungsbeschränkung

?

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Regresskreisel – Fall 4

KB§ 823 BGB

X-GmbH

L

§ 823 BGB

§ 831 BGB

VertraglicheHaftungsbeschränkung

?

1.

2.

3.

§ 426 BGB

2.

§ 426 BGB

3.

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Culpa in contrahendo (c.i.c.) – Übersicht

1. Hintergrund

2. Voraussetzungen

a) Vorvertragliches Schuldverhältnis

b) Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht

c) Vertretenmüssen

3. Rechtsfolge

4. Sonderfall: Einbeziehung Dritter

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Hintergrund

1. Entwicklung der c.i.c.

vor der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 nicht gesetzlich geregelt,

aber gewohnheitsrechtlich anerkannt (BGH NJW 1979, 1983)

seit der Schuldrechtsreform normiert in §§ 311 II, III, 241 II, 280 I BGB

2. Grundgedanken der c.i.c.

Einheitlicher Grundgedanke wohl nicht formulierbar; mehrere Erklärungs-

ansätze, die je nach Fallgruppe im Vorder- bzw. Hintergrund stehen

Schutz von Rechtsgütern (v.a. bei Schutzpflichtverletzungen)

Vertrauensschutz (v.a. bei Aufklärungspflichtverletzungen)

besondere Berufshaftung (v.a. bei der Haftung Dritter)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Vorvertragliches Schuldverhältnis

(§ 311 II BGB)

1. Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1)

Vor.: kommunikativer Kontakt im Hinblick auf ein mögliches Geschäft

Beispiele: (Vor-)Gespräche, Schriftwechsel, einseitige Kontaktaufnahme durch Werbeprospekt o.ä.

2. Anbahnung eines Vertrages (Nr. 2)

Vor.: Kontakt im Hinblick auf ein mögliches Geschäft, bei welchem „…der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechts-güter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut…“

Beispiel: Person betritt fremde Geschäftsräume im Hinblick auf ein mögliches Geschäft

(nach a.A. reicht Betreten zu ungeschäftlichem Zweck [z.B. das Unterstellen bei Regen] oder gar zu kriminellem Zweck [z.B. Diebstahlsabsicht] aus)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Vorvertragliches Schuldverhältnis

(§ 311 II BGB)

3. Ähnlicher geschäftlicher Kontakt (Nr. 3)

Vor.: geschäftlicher Kontakt, der mit den Situationen der Ziff. 1, 2

vergleichbar ist

Beispiele: bisher ist nicht abschließend geklärt, ob neben den

Ziff. 1, 2 überhaupt ein eigenständiger Anwendungsbereich für

Ziff. 3 verbleibt

(genannt werden: Gefälligkeitsverhältnisse mit rechtsgeschäftlichem

Charakter [z.B. Bankauskünfte], rechtmäßige wettbewerbsrechtliche

Abmahnungen [z.B. aufgrund des UWG], Kontakt durch bevorstehendes

gemeinsames Geschäft [z.B. zwei Personen beabsichtigen den

gemeinsamen Verkauf einer Sache])

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

1. Schutzpflichten

a) Pflichteninhalt: Vermeidung von Schäden an Leben, Gesundheit,

Eigentum und sonstigen Rechtsgütern nach den Geboten der

verkehrserforderlichen Sorgfalt

b) Beispiele:

Die Kundin eines Selbstbedienungsladens rutscht auf einem seit

mehreren Stunden in dem Laden herumliegenden Salatblatt aus

(BGHZ 66, 51).

Die Kundin eines Warenhauses wird von einer umfallenden

Linoleumrolle getroffen, die ein Angestellter aus Unachtsamkeit

umgeworfen hat (RGZ 78, 239).

Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht

(§ 241 II BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

2. Aufklärungspflichten

a) Verletzung durch positives Tun

Pflichteninhalt: Vermeidung der Irreführung durch wahrheitswidrige

Informierung

Beispiele: Falschangaben eines Verkäufers über die Vorzüge des

Kaufobjekts (vgl. die Fallbesprechung im Anschluss)

b) Verletzung durch Unterlassen

Pflichteninhalt: Vermeidung der Irreführung durch unterbliebene

Aufklärung trotz bestehender Aufklärungspflicht

Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht

b.w.

Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht

(§ 241 II BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht

(1) Informationsasymmetrie: ein Teil verfügt über Informationen, über die der andere Teil nicht verfügt

(2) Erkennbares Informierungsinteresse: die Informationen sind für den anderen Teil in erkennbarer Weise von Bedeutung

(3) Überwiegen des Informierungsinteresses: der andere Teil kann aufgrund der Umstände des Einzelfalles eine Aufklärung erwarten

- besonders große Informationsasymmetrie

- besonders große Bedeutung der Information für den anderen Teil

- fehlende Möglichkeiten des anderen Teils, die Information auf andere Weise zu erlangen

- Dauerhaftigkeit der angestrebten Geschäftsbeziehung

Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht

(§ 241 II BGB)

Page 50: examenskurs_vertragsrecht_folien_2008

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Beispiel: Verschweigen, dass die verkaufte Maschine in den

vom Verkäufer vermittelten Betriebsräumen wegen

entgegenstehender Unfallverhütungsvorschriften nicht

betrieben werden darf (BGH NJW 1985, 1769)

Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht

(§ 241 II BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

3. Sonstige Rücksichtnahmepflichten

Die Verletzung einer sonstigen Rücksichtnahmepflicht ist v.a. in

zwei Fällen anerkannt:

Grundloser Abbruch von Vertragsverhandlungen, nachdem

der Eindruck erweckt wurde, der Vertrag werde mit Sicherheit

zustande kommen (BGH NJW-RR 1989, 627)

Verantwortlichkeit für die Unwirksamkeit eines abgeschlosse-

nen Vertrages (BGH NJW 1965, 812)

Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht

(§ 241 II BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Vertretenmüssen (§§ 276, 278 BGB)

Wird nach § 280 I BGB vermutet (vgl. § 280 I 2 BGB:

„Dies gilt nicht…“)

Fehlt, wenn weder eigenes Verschulden (§ 276 BGB)

noch Verschulden eines Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB)

gegeben ist

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Rechtsfolge: Schadensersatz

1. Schutzpflichtverletzung

a) Anspruchsinhalt: Herstellung des Zustandes vor der

Pflichtverletzung (§ 249 I BGB) bzw. Zahlung des dafür

erforderlichen Betrages (§ 249 II BGB)

b) Beispiele

Zahlung der Schäden, die einer Kundin durch den Sturz über ein

verkehrswidrig in einem Selbstbedienungsladen herumliegendes

Salatblatt verursacht wurden (BGZ 66, 51)

Zahlung der Schäden, die einer Kundin durch den unachtsamen

Umgang eines Angestellten mit einer schweren Linoleumrolle

verursacht wurden (RGZ 78, 239)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

2. Aufklärungspflichtverletzung

a) Negatives Interesse

Anspruchsinhalt: Rückabwicklung des Vertrages

Beispiel: Anspruch eines Hausgrundstückskäufers auf Rückerstattung

des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung

des Grundstücks, wenn er über das die Nachtruhe störende schikanö-

se Verhalten der Nachbarn getäuscht wurde (BGH NJW 1991, 1673)

b) Vertragsanpassung, str.

Anspruchsinhalt: Rückerstattung der Wertdifferenz

Beispiel: Anspruch auf anteilige Rückerstattung des Kaufpreises,

wenn ein Grundstückkäufer über den Fortbestand der Aussicht, die

von dem Hausgrundstück aus besteht, getäuscht wurde

Rechtsfolge: Schadensersatz

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Rechtsfolge: Schadensersatz

c) Konkurrenzprobleme

(1) Verhältnis des Anspruchs auf das negative Interesse in Form der

Vertragsaufhebung zur Arglistanfechtung nach § 123 I Alt. 1 BGB

BGH: Anspruch besteht neben dem Anfechtungsrecht aus

§ 123 I Alt. 1 BGB, wobei sich die Verjährung des Anspruchs

allein nach §§ 195, 199 BGB und nicht nach der Anfechtungsfrist

des § 124 BGB richtet (BGH NJW 1998, 302 und 898)

a.A.: Vorrang der Arglistanfechtung, da ansonsten das

Vorsatzerfordernis des § 123 I Alt. 1 BGB und die

Anfechtungsfrist des § 124 BGB unterlaufen würden

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Rechtsfolge: Schadensersatz

c) Konkurrenzprobleme

(2) Verhältnis zu den Sachmangelrechtsbehelfen beim Kauf

(§§ 434 ff. BGB)

BGH: sofern ein Sachmangel vorliegt, gehen die §§ 434 ff. BGB

grundsätzlich vor (BGHZ 60, 319); nur bei Vorsatz des Verkäufers

daneben c.i.c. (BGH NJW-RR 1990, 970; anders jetzt Palandt/Grüne-

berg, BGB, 67. Aufl. 2008, § 311 Rdn. 15); möglich außerdem SchE

wegen Verletzung eines selbständigen Beratungsvertrags, sofern ein

solcher angenommen werden kann (BGH NJW 1997, 3227)

a.A.: Anspruch aus c.i.c. steht selbständig neben den §§ 434 ff. BGB,

weil kein Grund erkennbar ist, warum (ausgerechnet) der Verkäufer

gegenüber anderen Schuldnern hinsichtlich der Haftung aus c.i.c.

privilegiert werden sollte

© 2008 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 106

EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

3. Sonstige Rücksichtnahmepflichten

a) Abbruch von Vertragsverhandlungen

Anspruchsinhalt: negatives Interesse

Beispiel: Ersatz der Aufwendungen, die eine Partei gerade deswegen

gemacht hat, weil die andere Partei den Vertragsschluss als sicher

hingestellt hat (BGH NJW-RR 1989, 627)

b) Verantwortlichkeit für Vertragsunwirksamkeit

Anspruchsinhalt: positives Interesse in Geld ( in Natur)

Beispiel: Zahlung des Betrages zum Erwerb eines vergleichbaren

Ersatzobjektes; nicht jedoch Anspruch auf nachträglichen Abschluss

eines (wirksamen) Vertrages (BGH NJW 1965, 812)

Rechtsfolge: Schadensersatz

Page 54: examenskurs_vertragsrecht_folien_2008

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Sonderfall: Einbeziehung Dritter

Dritter = Person, die nicht Partei des sich anbahnenden

Vertrages werden sollte

Differenzierung: Einbeziehung als

Schuldner (Haftung eines Dritten)

Gläubiger (Anspruchsberechtigung eines Dritten)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Haftung eines Dritten

1. Voraussetzung: vorvertragliches Schuldverhältnis zu dem in

Anspruch genommenen Dritten (§ 311 III 1 BGB)

2. Konkretisierung in § 311 III 2 BGB:

a) Inanspruchnahme besonderen Vertrauens

besondere persönliche Gewähr für die Seriösität und die Erfüllung

des Geschäfts (Vorfeld einer Garantie)

Geschäftsführer einer GmbH nimmt grundsätzlich nur das normale

Verhandlungsvertrauen in Anspruch Anspruch gegen die GmbH

b) Erheblicher Einfluss auf die Vertragsverhandlungen oder den

Vertragsschluss

maßgebliche Einwirkung auf den Willensentschluss des anderen Teils

Page 55: examenskurs_vertragsrecht_folien_2008

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

c) Beispiele für § 311 III 2 BGB

Kraftfahrzeughändler, der Fahrzeug in fremdem Namen verkauft,

aber im Rahmen der Verhandlungen wie ein Verkäufer auftritt

(BGHZ 79, 281)

anders bei einem Gutachter, der während der Verhandlungen den

Vertragsgegenstand falsch bewertet

nach h.M. keine Haftung aus c.i.c., sondern aus dem

Gutachtervertrag i.V.m. den Grundsätzen über den Vertrag mit

Schutzwirkung zugunsten Dritter (BGHZ 127, 378)

Haftung eines Dritten

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

3. Sonstige Fälle (vgl. § 311 III 2 BGB: „…insbesondere…“)

Hauptfall: unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse des Dritten

Problem: Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH

nicht ausreichend: Mehrheits-/Alleingesellschafter

BGH früher: Bürgschaft oder dingliche Sicherheit Aushöhlung der

Haftungsbeschränkung aus § 13 II GmbHG

BGHZ 126, 181: Rückkehr zur Rspr. des RG: „procurator in rem suam“

BGH NJW-RR 2001, 1611: Haftung aus einem selbständigen Garan-

tieversprechen, sofern ein solches angenommen werden kann.

BGH NJW-RR 2002, 1309: GmbH wird nur zum Schein als

Auftraggeber vorgeschoben

Haftung eines Dritten

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© 2008 Professor Dr. Georg Bitter – Universität Mannheim 111

EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Anspruchsberechtigung eines Dritten

1. Voraussetzung: vorvertragliches Schuldverhältnis des Dritten zu der

in Anspruch genommenen Partei des vorvertraglichen Schuldverhält-

nisses (§ 311 III 1 BGB)

2. Konkretisierung (siehe allgemein zum VSD noch unten Folien 114 ff.)

Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

bestimmungsgemäße Leistungsnähe des Dritten

berechtigtes Einbeziehungsinteresse einer der Parteien

Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Einbeziehungsinteresse

Schutzbedürfnis = keine eigene Vertragsbeziehung

Beispiel: Ein 14 Jahre altes Mädchen begleitet seine Mutter beim Einkauf

und rutscht auf einem Salatblatt aus (vgl. BGHZ 66, 51).

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Haftung eines Dritten (§ 311 III BGB)

D

Gl.

S

AGLVertrag oder

vorvertraglichesSchuldverhältnis

AGL

§ 311 III BGB

(vorvertragliches)Schuldverhältnis

Schaden!

(z.B. GmbH) (z.B. Geschäftsführer)

Page 57: examenskurs_vertragsrecht_folien_2008

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Gl.D

S

Vertrag

Anspruchsberechtigung eines Dritten

(Vertrag zugunsten Dritter)

AGL

eigener Leistungsanspruch (§ 328 I BGB)

ggf. eigene Sekundäransprüche

(Auslegung: § 328 II BGB)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Gl.D

S

AGL Vertragoder

vorvertraglichesSchuldverhältnis

Anspruchsberechtigung eines Dritten

(Vertrag mit Schutzwirkung zug. Dritter)

AGLVertrag mit Schutzwirkung

kein Anspruch auf die Hauptleistung

Einbeziehungsinteresse

Schaden!

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Vertrag mit Schutzwirkung

zugunsten Dritter

1. Rechtsgrundlage: ergänzende Vertragsauslegung

2. Voraussetzungen

a) bestimmungsgemäße Leistungsnähe des Dritten

Dritter muss Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein

wie der Gläubiger selbst

b) berechtigtes Einbeziehungsinteresse

„Wohl und Wehe“ = Gläubiger schuldet dem Drittem Schutz + Fürsorge

Rechtsbeziehung mit personenrechtlichem Einschlag (insbes.

familienrechtliches, arbeitsrechtliches Verhältnis)

Gläubiger hat besonderes Interesse an der Einbeziehung des Dritten,

das im Vertrag anerkannt wird (z.B. Gutachter-/Expertenhaftung)

nicht: Kaufvertrag zw. Hersteller + Händler zugunsten des Endverbrauchers

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Vertrag mit Schutzwirkung

zugunsten Dritter

2. Voraussetzungen (Fortsetzung)

a) Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Einbeziehungsinteresse

keine Kenntnis von Namen + Zahl der Dritten erforderlich

b) Schutzbedürfnis = keine eigene Vertragsbeziehung

inhaltsgleicher Anspruch gegen den Gläubiger oder einen Dritten

3. Rechtsfolgen

a) eigener vertraglicher Schadenersatzanspruch des Dritten

anders bei der DSL: Vertragpartner liquidiert den Drittschaden

(s.u. Folien 117 ff.)

b) Haftungsbeschränkungen (§ 334 BGB analog)

i.d.R. Anrechnung von Mitverschulden des Gläubigers (Ausnahme:

Abbedingung des § 334 BGB – auch stillschweigend)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Drittschadensliquidation

Gl.D

S

AGLVertragoder Delikt

zufällige Schadensverlagerung

Schaden!

„Der Schaden wird zur AGL gezogen“

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Drittschadensliquidation

1. Voraussetzungen

a) Anspruchsberechtiger ohne Schaden

b) Geschädigter ohne Anspruch

eigener vertraglicher Anspruch (z.B. aus VSD) schließt DSL aus

c) zufällige Schadensverlagerung

Fallgruppen s.u. Folien 119 ff. / Achtung: nicht bei Verkaufsketten

2. Rechtsfolge

h.M.: Anspruchsberechtigter kann den Schaden des Dritten liquidieren

a.A.: Lehre vom normativen Schaden: Schaden ist aus der Person des

Anspruchsberechtigten zu bestimmen (unter Ausblendung der

Gefahrverlagerung auf den Dritten s.u. Folie 122)

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Drittschadensliquidation– Fallgruppen –

1. Mittelbare Stellvertretung

typischerweise Fälle der Kommission oder Spedition

mbr. Stellvertreter hat keinen Schaden, weil er dem Hintermann selbst

nicht haftet: aus § 667 BGB kann der Auftraggeber nur herausverlangen,

was der Beauftragte tatsächlich aus der Geschäftsbesorgung erlangt

Gefahrtragung des Auftraggebers/Hintermanns

Rechtsprechung betr. vorwiegend vertragliche Ansprüche (Schäden aus

Nicht- bzw. Schlechtleistung des Dritten)

Deliktsansprüche bei Rechtsinhaberschaft des mbr. Stellvertreters

Beachte: ggf. Erwerb des Hintermann durch Geschäft für den, den es angeht

2. Treuhand

Wie Fallgruppe 1 Rechtsträgerschaft für fremde Rechnung

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Hintermann Mittler Dritter

„Treu-gut“

„Treu-gut“

„Erwerbstreuhand“Rspr.: keine Treuhand i.e.S.

z.B. Kauf

Auftrag

Mittelbare Stellvertretung

§ 433 I BGB

Dritter

RG-Verletzungi.S.v. § 823 I BGB

Schaden!

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Treugeber TreuhänderTreuhand

Treu-gut

Treu-gut

Übertragungstreuhand= Treuhand i.e.S. (Rspr.)

Treuhand i.e.S.

Dritter

DritterAnspruch

(vom Treugeberan den Treuhänderabgetreten = unmbr.

übertragen)

Schaden!

RG-Verletzungi.S.v. § 823 I BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Drittschadensliquidation

– Fallgruppen –

3. Obligatorische Gefahrentlastung

Vertragspartner/Rechtsinhaber hat keinen Schaden, weil ihm ein Dritter

trotz fehlender oder mangelhafter Lieferung den vollen Kaufpreis schuldet

(Gefahrübergang auf den Käufer/Gläubiger)

Versendungskauf: § 447 BGB ( § 474 II BGB)

Annahmeverzug des Gläubigers (§ 326 II 1 Alt. 2 BGB)

Vertragspartner/Rechtsinhaber hat keinen Schaden, weil er die Sache

ohnehin an den Dritten ohne Gegenleistung zu übertragen hatte und er

von dieser Verpflichtung gemäß § 275 BGB befreit wird

Vermächtnis

Schenkung

Alternativlösung: Lehre vom normativen Schaden

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Käufer Verkäufer

Ware

Versendungskauf (§ 447 BGB)

Dritter

Transporteur

Ware

Transportvertrag= Werkvertrag

Kaufvertrag mit VersendungsabredeSchaden!

§ 421 I 2 HGB

RG-Verletzungi.S.v. § 823 I BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Käufer VerkäuferKaufvertrag mit Holschuld

Ware

Gefahrübergang nach § 326 II 1 Alt. 2 BGB

Dritter

Aufforderung zur Abholung der Ware= wörtliches Angebot i.S.v. § 295 BGB

Schaden!

RG-Verletzungi.S.v. § 823 I BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Bedachter Beschenkter

Erbe Schenker

Anspruch auf Übereignung

verschenkter / vermachter Gegenstand

Vermächtnis + Schenkung

Dritter

§ 275 BGBSchaden!

RG-Verletzungi.S.v. § 823 I BGB

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

Drittschadensliquidation

– Fallgruppen –

4. Obhut für fremde Sachen

Besitzer (B) gibt eine ihm fremde Sache des Eigentümers (E) in die

Obhut seines Vertragspartners (V), der sie schuldhaft schädigt

E hat zwar aufgrund seines Eigentums an der Sache eigene deliktische

Ansprüche gegen V, aber keine vertraglichen Ansprüche

B hat hinsichtlich seiner vertraglichen Anspruchsgrundlage keinen

Schaden, da er die Sache dem E nur in ihrem jeweiligen (nunmehr

von V beschädigten) Zustand herauszugeben hat

Fälle

Aufbewahrung, Einlagerung, Indepotgabe fremder Gegenstände

Gast bringt beim Gastwirt fremde Sachen ein (§ 701 BGB)

Schädigung angemieteter Sache durch Vertragspartner des Mieters

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT Obhut für fremde Sachen

BE

Schaden!

V

z.B. Verwahrungsvertrag

LagervertragDepotvertrag

Herausgabeanspruch E gegen Bentfällt, soweit die Sache von V

zerstört / beschädigt wird

Sache

Sache

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EXAMENSKURSVERTRAGSRECHT

© 2008

Prof. Dr. Georg Bitter

Universität Mannheim

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht,

Bank-, Börsen- und Kapitalmarktrecht

Schloss, Westflügel W 241/242

68131 Mannheim

www.georg-bitter.de