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StudienabschlussarbeitenFakultät für Geschichts- und
Kunstwissenschaften
Barth, Sophia:
Maria Almas-Dietrich
Bachelorarbeit, Sommersemester 2014
Gutachter: Fuhrmeister, Christian
Fakultät für Geschichts- und KunstwissenschaftenInstitut für KunstgeschichteKunstgeschichte
Ludwig-Maximilians-Universität München
https://doi.org/10.5282/ubm/epub.41206
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung S. 1
2. Forschungsstand S. 2-4
3. Kaiserreich/Weimarer Republik S. 5-8
4. Nationalsozialismus S. 9-20
5. Nachkriegszeit S. 21-24
6. Fazit S. 25-29
7. Literaturverzeichnis S. 30-34
8. Archivalienverzeichnis S. 34-36
9. Abbildungsverzeichnis S. 36-40
1
1. Einleitung
Die 1892 als Metzgertochter geborene Maria Almas-Dietrich starb 1971 als allseits
anerkannte „Grande Dame des Münchner Kunsthandels“, wie es in ihrem Nachruf 1
heißt. Dort wird sie allerdings auch mit dem vieldeutigen Begriff „elastisch“
charakterisiert, und man kann sich fragen, ob damit lediglich auf die große
Anpassungsfähigkeit angespielt wird, die für einen solchen Aufstieg aus eher
bescheidenen Verhältnissen zu prominenter sozialer Stellung notwendig ist. Die
vorliegende Arbeit hat das Ziel, die Vita dieser Frau möglichst detailliert zu
rekonstruieren.
Bei der Recherche zum Thema fällt jedoch auf, dass Almas-Dietrich trotz ihrer
bedeutenden Rolle im NS-Kunsthandel, v.a. für den Aufbau von Hitlers
Kunstsammlung in Linz, in der einschlägigen Sekundärliteratur wie eine Statistin
behandelt wird, für die nur spärliche und zudem teils widersprüchliche Informationen
vorliegen. Im Kapitel Forschungsstand (S. 2-4) wird diese Problematik genauer
erörtert; zudem werden die Relevanz der Archivaliensowie der kritische Blick darauf
hervorgehoben und eine Zusammenschau des für diese Arbeit ausgewerteten Materials
gegeben.
Die Lebensspanne von Almas-Dietrich ist gekennzeichnet von gewaltigen politischen
und gesellschaftlichen Umbrüchen, die Millionen ihrer Zeitgenossen zum Verhängnis
wurden, nicht jedoch ihr. In der starren Ordnung der Kaiserzeit beginnend führt ihr
Weg anscheinend bruchlos durch die Katastrophe des 1. Weltkriegs und durch das
Chaos der krisengeschüttelten Weimarer Republik in die Diktatur des NS-Regimes,
setzt sich selbst nach dessen Niederlage im 2. Weltkrieg im von den Alliierten
kontrollierten Nachkriegsdeutschland fort, um schließlich mit dem Status der „Grande
Dame“ zu enden. In drei Kapiteln, die die Zeitabschnitte vor (S. 5-8), während (S. 9-
20) und nach (S. 21-24) der NS-Herrschaft umfassen, wird diese Karriere
nachgezeichnet.
Die dabei gewonnenen Einsichten erlauben im Fazit (S. 25-29), diese erstaunliche
Erfolgskontinuität als Zusammenspiel von Zeitumständen und der nunmehr
konkretisierten „Elastizität“ der Maria Almas-Dietrich zu erklären.
Anzumerken ist, dass eine Darstellung ihrer Geschäftstätigkeit im Detail angesichts
des beschränkten Umfangs einer Bachelorarbeit nicht möglich ist.
1 r.m.-m., Sie war die Grande Dame des Kunsthandels, in: Münchner Merkur, Nr. 264, 16.11.1971 aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria.
2
2. Forschungsstand
Das 1991 erschienene Buch „Kunstraub und Kunstschutz. Eine Dokumentation“ des
deutschen Rechtsanwalts Günther Haase ist die erste Publikation, die sich intensiver
mit Almas-Dietrich befasst. Für die Bachelorarbeit wurde die zweite, auf zwei Bände
erweiterte Auflage aus dem Jahr 2008 verwendet.2 Band 1 dokumentiert ausführlich
die NS-Kunstpolitik und deren Folgen, Band 2 listet eine große Zahl von
Originaldokumenten hierzu auf. Haases Arbeit bildet eine solide Basis für die
Beschäftigung mit dem NS-Kunsthandel im Allgemeinen und Almas-Dietrich im
Speziellen.
Die nächste Erwähnung von Almas-Dietrich findet sich in dem Buch „Der Raub der
Europa. Das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich“ (1994) der
Amerikanerin Lynn H. Nicholas, das hauptsächlich Informationen zu Almas-Dietrichs
Aufstieg im NS-Kunsthandel bietet. Die Autorin stützt sich weitgehend auf
Originaldokumente aus der NS- und Nachkriegszeit aus den National Archives in
Washington.3 Abgesehen von einer kurzen Anmerkung in „Kunstraub und
Sammelwahn. Kunst und Politik im Dritten Reich“ (1999; US-Ausgabe 1996), einem
Buch des amerikanischen Historikers Jonathan Petropoulos,4 lieferte die
Literaturrecherche nach Almas-Dietrich im 20. Jahrhundert keine weiteren Funde. Im
Jahr 2000 publizierte Petropoulos schließlich „The Faustian Bargain. The Art World
in Nazi Germany“, worin Almas-Dietrich mehrmals im Zusammenhang mit anderen
NS-Kunstakteuren, vor allem deren Nachkriegsaktivitäten erwähnt wird.5
2005 legte der Historiker Hanns Christian Löhr das Buch „Das Braune Haus der
Kunst. Hitler und der ‚Sonderauftrag Linz‘“ vor.6 In Rezensionen wurde ihm ein
unkritischer Umgang mit nicht verlässlichen Quellen vorgehalten, der zu zahlreichen
Fehlern geführt habe.7 Insbesondere finden sich hier zu Almas-Dietrich sonst nirgends
angeführte, zweifelhafte – weil nicht belegte – Details.
Horst Keßlers Monografie „Karl Haberstock. Umstrittener Kunsthändler und Mäzen“
(2008)8 befasst sich zwar hauptsächlich mit Haberstock als einflussreichem Funktionär
der „Verwertungskommission“ und Haupteinkäufer in Frankreich für das
2Haase 2008.
3 Nicholas 1995. 4 Petropoulos 1999. 5 Petropoulos 2000. 6 Löhr 2005. 7 http://www.perlentaucher.de/buch/hanns-c-loehr/das-braune-haus-der-kunst.html. 8 Keßler 2008.
3
„Führermuseum“, hebt aber mehrmals die Konkurrenz von Haberstock und Almas-
Dietrich hervor und macht deren zentrale Rolle im NS-Kunsthandel deutlich.9
2010 folgte die Monografie „Sonderbeauftragter des Führers. Der Kunsthistoriker
und Museumsmann Hermann Voss (1884-1969)“ der Kunsthistorikerin Kathrin Iselt.10
Voss’ Biografie, insbesondere seine Tätigkeit als Direktor der Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden und als Sonderbeauftragter für Linz, wird detailliert
geschildert und größtenteils durch Archivalien belegt. Diesem Buch sind v.a. genauere
Informationen zu Almas-Dietrichs Ankäufen für die Linzer Sammlung zu entnehmen.
Einen fundierten Überblick zu Almas-Dietrichs Biografie und Geschäften erhält man
in Birgit Schwarz’ Buch „Geniewahn: Hitler und die Kunst“ (2011).11 Schwarz
erörtert darin hauptsächlich die Übertragung von Hitlers Ideologie des Genie-
gedankens auf die Kunst und streift dabei Almas-Dietrich v.a. wegen ihrer zahlreichen
Bild-Verkäufe an Hitler. In Hinsicht auf Almas-Dietrichs Förderer und Freund
Heinrich Hoffmann gibt Heike Görtemakers Monografie „Eva Braun. Leben mit
Hitler“ (2011) einen guten Einblick.12
Bezüglich Detailliertheit und Quellenwert sind besonders die Publikationen von
Haase, Schwarz und Nicholas hervorzuheben, auf die sich diese Bachelorarbeit neben
den Archivalien vornehmlich stützt. Bei allen Autoren stößt man aber mehr oder
weniger häufig auf ungenaue, nicht belegte oder gar nachweislich unzutreffende
Angaben. Die Uniformität der Darstellung und wiederholte Fehler selbst bei
biografischen Kerndaten deuten darauf hin, dass einige Autoren die bereits vorhandene
Sekundärliteratur zu Almas-Dietrich nicht nur unvollständig ausgewertet haben,
sodass ihnen Widersprüche gar nicht auffallen konnten, sondern auch auf eigene,
intensive Archivarbeit, die sie davor bewahrt hätte, verzichtet haben, womöglich, weil
Almas-Dietrich nicht im Fokus ihrer Arbeit stand.
Die Recherche nach Originaldokumenten zu Almas-Dietrich im Rahmen dieser
Bachelorarbeit stellte sich tatsächlich als aufwändig heraus. Die Angabe des
Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, es gäbe keine
Unterlagen zu ihrer Galerie im Staatsarchiv München, dem Bayerischen
Hauptstaatsarchiv München und dem Wirtschaftsarchiv München,13 bestätigte sich
aber nicht. Im Staatsarchiv befindet sich ein Akt, der auf eine Devisenprüfung der
9 Keßler 2008, S. 23-24. 10 Iselt 2010. 11 Schwarz 2011. 12 Görtemaker 2011. 13http://80.245.147.94/003_menue_links/e0_ov/d0_provenienz/b0_dokumentationen/druck/Druck_Kunstwerk.php?id_kunstwerk=335.
4
Galerie im Mai 1939 verweist.14 Im Wirtschaftsarchiv liegen drei Einzelfälle der
Industrie- und Handelskammer zu München15 sowie drei – wenn auch kleine –
Korrespondenzen mit der Kunsthandlung Böhler. Ferner konnten im Stadtarchiv
München mehrere Zeitungsausschnitte16 zur „Almas“-Galerie Maria Dietrich, ihre
Einwohnermeldekarte17, ein Geburten18- und Heiratsregisterauszug19 sowie ihre
Gewerbekarte20 eingesehen werden.
Als besonders ergiebige Quelle erwies sich die Datenbank „Fold3 – Holocaust
Collection“, die in Zusammenarbeit mit den National Archives und dem United States
Holocaust Memorial Museum über zwei Millionen Dokumente online zur Verfügung
stellt.21 Für die Bachelorarbeit wurden mehrere OSS-Reports22 (Linz-23, Haberstock-24,
Hoffmann-25 und Buchner-Report26) und die Befragung von Almas-Dietrich aus der
Serie der Restitution Research Records27 verwendet. Außerdem wurden Materialien
der Bundesarchive Berlin und Koblenz sowie die im Zentralinstitut für
Kunstgeschichte archivierten Zeitschriften „Kunst dem Volk“ und „Weltkunst“
gesichtet.
Wie bereits bei der Sekundärliteratur ist ein kritischer Blick auch bei den Archivalien
unerlässlich, besonders bei denen mit NS-Bezug. Mit Verschleierung, Vertuschung
und subjektiver Verzerrung der Fakten aus verschiedensten Motiven aber auch
Schreibfehlern und Erinnerungstäuschungen muss hier gerechnet werden.
14 StAM, OFD 2292, Devisennachschau bei Maria Almas-Diamant, Kunst- und Antiquitätenhandlung, 30. Mai 1939. 15 BWA, K1/XX 64 b, Akt 1, Fall 29; BWA, K1/XV A 10 c, Akt 267, Fall 59; BWA, K1/XV A 10 c, Akt 264, Fall 33. 16 StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 17 StadtAM, EWK 65 D 834, Dietrich Maria. 18 StadtAM, Standesamt München I 1892/5447, Dietrich Maria. 19 StadtAM, Standesamt München IV 1921/2003, Dietrich Maria. 20 StadtAM, Gewerbekarte, Dietrich Maria. 21 http://www.zikg.eu/bibliothek/aktuelles/fold3. 22 OSS = Office of Strategic Services. 23 NARA, RG 239, M1782, Consolidated Interrogation Report (CIR) No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945. 24 NARA, RG 239, M1944, Detailed Interrogation Report (DIR) No. 13, Karl Haberstock, 15. September 1945. 25 NARA, RG 239, M1944, Detailed Interrogation Report (DIR) No. 1, Heinrich Hoffmann, 01. Juli 1945. 26 NARA, RG 239, M1944, Detailed Interrogation Report (DIR) No. 2, Ernst Buchner, 31. Juli 1945. 27 NARA, RG 260, M1946, Restitution Research Records (RRR), Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46.
5
3. Kaiserreich/Weimarer Republik
Maria Dietrich wurde am 28.06.1892 als Tochter eines Metzgers in der Sternstraße im
Münchner Stadtteil Lehel geboren.28 Einige Autoren geben an, sie sei die uneheliche
Tochter eines Juden gewesen.29 Diese These ist falsch, denn laut ihrem
Geburtenregisterauszug war ihr Vater Heinrich Anton Georg Dietrich protestantisch.
Seine Ehefrau Maria Dietrich, geborene Krach, war katholisch30 und ließ ihre Tochter
ebenfalls katholisch taufen.31 Vermutlich hatte Maria zumindest einen neun Jahre
älteren Bruder Sebastian, der ebenfalls Metzgermeister war. Dies kann man ihrem
Heiratsregisterauszug von 1921 entnehmen, in dem er als Zeuge angeführt wird und
denselben Wohnsitz wie sie angibt (Schellingstr.96).32
Für ihre Kindheit und frühe Jugend klafft eine biografische Lücke, weil dieser
Zeitabschnitt in den späteren Befragungen durch die Nationalsozialisten bzw. die
Amerikaner wohl für irrelevant gehalten wurde. Da sie niemals angab, eine höhere
Schule oder gar die Universität besucht zu haben, kann man davon ausgehen, dass sie
mit 14 Jahren die Volksschule beendete. Vermutlich half sie spätestens ab diesem
Zeitpunkt in der väterlichen Metzgerei mit, da sie später angab, während des 1.
Weltkriegs habe sie die Metzgerei geführt, sei für Einkauf, Verarbeitung und Verkauf
zuständig gewesen.33 Unvorbereitet wäre ihr dies sicher nicht möglich gewesen. Für
diesen Betrieb existieren laut Auskunft der zuständigen Handwerkskammer für
München und Oberbayern keine Unterlagen mehr.
Als 17-Jährige lernte sie während des Faschings den zwanzig Jahre älteren Arthur
Reinheimer kennen, einen amerikanischen Juden deutscher Abstammung, Tabak-
händler von Beruf und Hauptaktionär des Münchner Hotels Excelsior. Am 27.10.1910
brachte sie seine uneheliche Tochter Wilhelmine (Mimi) zur Welt. 34 Reinheimer zog
zwar einige Zeit später zurück nach Frankfurt am Main, von wo seine Familie
stammte, doch nach Aussage Dietrichs blieb ihr Verhältnis bis zu seinem Tod 1938
freundschaftlich; er akzeptierte die Vaterschaft vor dem Vormundschaftsgericht
München35 und kam seinen gesetzlichen Verpflichtungen nach. 1921 machte er ihr
28StadtAM, Standesamt München I 1982/5447, Dietrich Maria.
29 vgl. Haase 2008, S. 133; Schwarz 2011, S. 149. 30 StadtAM, Standesamt München I 1892/5447, Dietrich Maria. 31 BArch Berlin-Lichterfelde, (ehem. BDC), PK, VBS 1, Personalakte NSDAP, Almas-Diamant Maria. 32 StadtAM, Standesamt München IV 1921/2003, Dietrich Maria. 33 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 48. 34 BArch Berlin-Lichterfelde, (ehem. BDC), PK, VBS 1, Personalakte NSDAP, Almas-Diamant Maria. 35 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 23.
6
einen Heiratsantrag, den sie aber ablehnte, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine
Liebesbeziehung mit Ali Almas hatte.36
Ali Almas, ein am 01.05.1883 in Jalta auf der Krim geborener Türke jüdischen
Glaubens, war ein Freund Reinheimers und ebenfalls Tabakhändler.37 Informationen
zu seiner Person sind spärlich und weichen bereits bei seinem Namen und Beruf
voneinander ab. So wird er in verschiedenen Quellen als Ali Almas-Diamant38
bezeichnet. Ausgehend von einem Schreiben der Industrie- und Handelskammer
München aus dem Jahr 1933, in dem er als Elias (Ali Almas) Diamant39 angeführt
wird, ist anzunehmen, dass er seinen türkischen Namen Ali Almas in Elias Diamant
eindeutschte, da Diamant die deutsche Übersetzung des türkischen Wortes
Almas/Elmas ist. Neben seiner Tätigkeit als Tabakhändler soll er zudem als
Kunsthändler, Teppichexperte, Schriftsteller40 und Maler41 gearbeitet haben.
Anscheinend betätigte sich Maria Dietrich bereits ab 1917 im Kunst- und Antiquitäten-
bzw. Orientteppich-Handel42 in einem von Ali Almas geführten Geschäft in der
Gabelsbergerstr. 3. 43 Zumindest anfänglich hat sie dort unter seiner Anleitung
Teppiche repariert44, die ein Hauptzweig des Geschäfts waren.45 Am 13.12.21 meldete
sie unter derselben Adresse erstmals ein eigenes Gewerbe als Händlerin mit Teppichen
und Antiquitäten an.46
Kurz danach, am 21.12.21, heirateten Ali Almas und Maria Dietrich.47 Angaben, sie
habe seitdem den Doppelnamen Almas-Dietrich getragen48, sind unzutreffend.
Ausgehend von den Archivalien hieß sie während ihrer Ehe Maria Diamant.49 Durch
die Eheschließung war sie nach türkischem Gesetz dazu verpflichtet, die türkische
Staatsbürgerschaft und den jüdischen Glauben ihres Mannes anzunehmen.50
36 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 48. 37 BWA, K1/XX 64 b, Akt 1, Fall 29. 38http://www.badv.bund.de/DE/OffeneVermoegensfragen/Provenienzrecherche/Provenienzen/Daten/9000_9999/9217.html. 39 BWA, K1/XX 64 b, Akt 1, Fall 29. 40 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 48. 41http://www.badv.bund.de/DE/OffeneVermoegensfragen/Provenienzrecherche/Provenienzen/Daten/9000_9999/9217.html. 42 Anonym, Jubiläum im Hause Almas München, in: Weltkunst, Nr. 13, 01.07.1962, S. 13. 43 BWA, K1/XX 64 b, Akt 1, Fall 29. 44 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 48. 45 sm., Frau Maria Dietrich-Almas 70 Jahre alt, Export-Club, Nr. 3, 1962 aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 46 StadtAM, Gewerbekarte, Dietrich Maria. 47 StadtAM, Standesamt München IV 1921/2003, Dietrich Maria. 48 Schwarz 2011, S. 150. 49 BWA, K1/XV A 10 c, Akt 264, Fall 33. 50 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 23.
7
In den Folgejahren erweiterte sie ihr Geschäftsspektrum und spezialisierte sich auf
Maler der Münchner Schule wie etwa Spitzweg, Defregger und Kaulbach.51 Nach
ihren Angaben war sie geschäftlich erfolgreich, eine wohlsituierte Frau, die in einer
gemieteten Villa lebte und ein teures Auto der Oberklasse, einen Horch Achtzylinder,
fuhr.52
Parallel dazu scheint sie sich zunehmend von Ali Almas emanzipiert zu haben. Im
Protokoll einer Befragung von 1946 wird angegeben, dass sich das Paar bereits 1924
geschäftlich und privat trennte.53 Sie selbst erklärte aber 1945, ihre Beziehung zu
Almas habe bis 1926 bestanden.54 Diese Version scheint plausibler, denn erst am
06.12.1926 verlegte sie ihren Kunst- und Antiquitätenhandel von der
Gabelsbergerstraße in die Ottostraße 1b.55 Die von ihr direkt nach der Trennung
angestrebte Scheidung scheiterte an Differenzen zwischen deutschem und türkischem
Recht56 und sollte erst etliche Jahre später zustande kommen. Informationen über Ali
Almas’ Verbleib und Tätigkeit nach der Trennung liefert ein Schriftwechsel der
Industrie- und Handelskammer München (IHK München) mit dem Verband des
Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels e.V. und der Polizeidirektion München
1933. Anlässlich einer Prüfung seines Aufenthalts und Geschäftsgebarens wird
erwähnt, dass er zu diesem Zeitpunkt weiterhin die Kunsthandlung in der
Gabelsbergerstr. 3 führte. Der Verband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels
e.V. teilt zudem mit, dass Almas kein Mitglied sei, sein Geschäft folglich wenig
Bedeutung habe und er hauptsächlich in Paris arbeite.57
Wenn man die Zeitumstände berücksichtigt, lässt sich dieses dürre Faktengerüst der
ersten vier Lebensjahrzehnte von Maria Almas-Dietrich durch einige Überlegungen
ergänzen. So war das Lehel zum Zeitpunkt ihrer Geburt durchaus nicht mehr ein
Arme-Leute-Viertel, hatte vielmehr ab Mitte des 19. Jahrhunderts durch städtebau-
liche Maßnahmen unter Maximilian II. und Bevölkerungszuwachs eine Aufwertung
zum beliebten Wohngebiet erfahren.58 Von der rasanten Urbanisierung im Gefolge der
Industrialisierung profitierten insbesondere Lebensmittelbetriebe, also auch
51 Anonym, Jubiläum im Hause Almas München, in: Weltkunst, Nr. 13, 01.07.1962, S. 13. 52 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 24. 53 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 48. 54 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 23. 55 StadtAM, Gewerbekarte, Dietrich Maria. 56 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 50. 57 BWA, K1/XX 64 b, Akt 1, Fall 29. 58 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen/muenchner-stadtteile-das-lehel-die-alte-dame-1.1093565.
8
Metzgereien,59 da immer mehr Menschen in den Ballungszentren versorgt werden
mussten. Wahrscheinlich verbrachte sie also ihre Kindheit und Jugend materiell
gesichert im kleinbürgerlichen Milieu. Dass sie als Minderjährige mit einem 20 Jahre
älteren Mann sexuellen Kontakt hatte, und zwar offenbar bereits nach sehr kurzer
Bekanntschaft wie der Geburtstermin beweist, widersprach der geltenden Moral
diametral. Eine uneheliche Geburt führte dementsprechend normalerweise zu sozialer
Ächtung. Auch das 1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch unterstellte einer
unehelichen Mutter Unmoral und diskriminierte in allen betreffenden Paragraphen
sowohl die Frau als auch das Kind.60 Die Leitung der Metzgerei ab 1914 weist darauf
hin, dass zumindest ihre Familie in dieser Lage weiter zu ihr stand. Unklar ist, was
ihren Vater an der Führung seines Geschäfts hinderte, da er aufgrund höheren Alters
vermutlich nicht eingezogen wurde; beim Bruder allerdings war dies wahrscheinlich
der Fall. In Kriegszeiten bedeutete die Leitung einer Metzgerei angesichts von
Lebensmittelknappheit, Schwarzmarkt und Rationierung eine Machtposition. Diese
Rolle war also geeignet, ihre Stigmatisierung als ledige Mutter mehr als zu
kompensieren und ihr Selbstbewusstsein so zu stärken, dass sie erneut eine Beziehung
zu einem für damalige Verhältnisse unkonventionellen Mann aufnehmen konnte, der
ihr den Branchenwechsel ermöglichte. Die Bandbreite der ihm zugeschriebenen
Betätigungen weist auf einen sehr vielseitigen Mann, von dem eine Frau mit
Volksschulabschluss sicherlich mehr als nur Teppichknüpfen lernen konnte. Ihre nun
rasch aufeinander folgenden Schritte von der Hilfskraft 1917 zur eigenständigen
Kunsthändlerin 1926 lassen Lernfähigkeit, Zielstrebigkeit und enormen Ehrgeiz
erkennen. Später wurde von ihr gesagt, sie sei in dieser Hinsicht „fünf Männern
ebenbürtig“61 gewesen. Diese Eigenschaften können andererseits durchaus zu
Kollisionen mit dem türkisch-jüdischen Ehemann geführt haben, da in diesen beiden
Kulturkreisen traditionell Frauen eher eine dem Mann untergeordnete Rolle im
häuslichen Bereich zugewiesen wird. Die Trennung bereits nach wenigen Jahren
deutet jedenfalls auf gravierende Differenzen. Spätestens ab 1926 entspricht sie als
beruflich selbstständige, finanziell erfolgreiche, autofahrende Frau mit einer recht
freien Einstellung zur Sexualität dem Typus der emanzipierten „Neuen Frau“62.
59 Fesser 2000, S. 17. 60 http://library.fes.de/gmh/main/pdf-files/gmh/1967/1967-11-a-652.pdf. 61 Nicholas 1995, S. 47. 62 http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/alltag/frau/.
9
4. Nationalsozialismus
Die „Goldenen Zwanziger Jahre“ zwischen 1924 und 1929 endeten abrupt mit der
Weltwirtschaftskrise. Es folgte eine Zeit der Massenarbeitslosigkeit und politischen
Wirren, die schließlich die Nationalsozialisten an die Macht brachten. Die Ernennung
Hitlers zum Reichskanzler am 30.01.1933 verhieß für Almas-Dietrich in jeder
Hinsicht nichts Gutes. Eine emanzipierte Frau jüdischen Glaubens und türkischer
Nationalität mit einer „halbjüdischen“ Tochter konnte sich keine großen Chancen
ausrechnen unter dem Regime eines Mannes, der die Emanzipation der Frau für eine
„Erfindung des jüdischen Intellekts“63 hielt, das Ideal der Frau in einem ganz auf den
häuslichen und sozialen Bereich beschränkten „Muttertum“64 sah und eine rassistisch-
antisemitische Ideologie vertrat.
Unmittelbar nach der Machtübernahme begannen „wilde Aktionen“ der national-
sozialistischen Parteibasis, die diese Ideologie durch brutale Übergriffe auf jüdische
Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte in die Tat umsetzten.65 Almas-Dietrich gibt an,
auch ihr Geschäft sei mit dem Judenzeichen gebrandmarkt und bis Ende März 1933
boykottiert worden; erst die Intervention des türkischen Konsuls habe dies beendet.66
Letzteres legt jedoch einen anderen Ablauf nahe: da die Auslandspresse auf die
„wilden Aktionen“ mit heftiger Kritik reagierte, beschloss die NS-Parteileitung, diesen
„Gräuelnachrichten“ entgegenzuwirken und den „Volkszorn“ durch einen
reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte ab 01.04. in geordnete Bahnen zu lenken.67
In Punkt 2 des offiziellen Boykottaufrufs wurde ausdrücklich der Boykott auf
„deutsche Juden“68 beschränkt, was dem türkischen Konsul eine Handhabe gab, bei
den Behörden zu intervenieren. Wie er auf die Marodeure der ersten Monate hätte
Einfluss nehmen können, ist dagegen unklar. Es ist also plausibler, dass Almas-
Dietrich zwar kurzzeitig vom offiziellen „Geschäftsboykott“ am 01.04. betroffen war,
nicht aber von den vorangegangenen Ausschreitungen.
Wahrscheinlich trugen diese aber wesentlich dazu bei, dass sie bereits am 28.02.1933
den Austritt aus der israelitischen Religionsgemeinschaft vor dem Amtsgericht
München IV erklärte und fortan als freireligiös galt.69 Absolute Sicherheit bot dieser
Schritt aber nicht, da sich die Nationalsozialisten aufgrund der verheerenden
63 http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/GERMAN67.pdf. 64 Görtemaker 2011, S. 72-73. 65 http://www.hagalil.com/deutschland/ost/judentum/nsverfolgung.html. 66 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 23. 67 http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/. 68 http://www.digam.net/expo/ns-revolution-1933/judenboykott-1933/bilder/33-04-01.jpg. 69 BArch Berlin-Lichterfelde, (ehem. BDC), PK, VBS 1, Personalakte NSDAP, Almas-Diamant Maria.
10
Außenwirkung ihrer Straßenaktionen nun auf legislative Maßnahmen besannen. Am
22.09.1933 wurde das „Reichskulturkammergesetz“ erlassen, das alle Kunsthändler
zur Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste (RdbK) verpflichtete.
Am 01.11.1933 folgte die „Erste Verordnung zur Durchführung des Reichskultur-
kammergesetzes“70, deren Paragraph 10 den Ausschluss aus der RdbK ermöglichte,
wenn „die in Frage kommende Person die für die Ausübung ihrer Tätigkeit
erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht besitzt“71. Diese offene Formu-
lierung wurde in den folgenden Jahren missbraucht, um jüdische oder anderweitig
missliebige Kunsthändler „legal“ aus der Branche zu verdrängen.72 Almas-Dietrich
konnte zwar weiterhin ihrer Tätigkeit nachgehen, doch muss dieser Willkürparagraph
angesichts ihrer für Nationalsozialisten anrüchigen Familienkonstellation wie ein
Damoklesschwert über ihr gehangen haben. Wirtschaftlich kann es ihr aber nicht allzu
schlecht gegangen sein, denn sie kaufte 1934 ein Grundstück im vornehmen Münchner
Stadtteil Bogenhausen für den Bau einer eigenen Villa.73 Ab 15.11.1935 war sie dort
in der Gustav-Freytag-Str.5 gemeldet.74
Das Jahr 1934 hielt zudem ein für ihre zukünftige Karriere bedeutendes Ereignis
bereit. Sie lernte den Fotografen Heinrich Hoffmann kennen. Angeblich kam er bei
einem Streifzug durch Münchner Kunsthandlungen zufällig auch in ihre.75 Hoffmann
war ein angesehener Presse- und Porträtfotograf, der in München das Atelier
„Photohaus Hoffmann“ leitete. Von einer amerikanischen Bildagentur beauftragt traf
er Hitler angeblich erstmals 1922. Görtemaker geht davon aus, dass Hoffmann seitdem
mit Hitler befreundet war, also lange bevor seine Fotografien zu Propagandazwecken
für die NSDAP eingesetzt wurden. Die enge Zusammenarbeit mit der Partei bei der
Inszenierung Hitlers führte dazu, dass sein in „NSDAP-Photohaus Hoffmann“
umbenanntes Unternehmen expandierte. Mit den Jahren entwickelte sich zwischen
dem Fotografen und Hitler eine so enge Beziehung, dass Hitler sich bei Hoffmanns
Familie „wie zu Hause“76 fühlte und seinen Leibfotografen in Kunstfragen trotz dessen
Unkenntnis zurate zog.77 Beide hatten den gleichen Kunstgeschmack mit einer
Vorliebe für Gemälde des 19. Jh. mit Historien- und Genredarstellungen. Diese
Gemeinsamkeit scheint die Voraussetzung für die zukünftige Zusammenarbeit und
70 Kat. Ausst. Gute Geschäfte 2011, S. 120. 71 http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=1933&page=923&size=45. 72 Enderlein 2006, S. 75. 73 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 50. 74 StadtAM, EWK 65 D 834, Dietrich Maria. 75 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 24. 76 Görtemaker 2011, S. 14-24. 77 Ebd., S. 175.
11
Freundschaft mit Almas-Dietrich zu sein, die sich ebenfalls auf die deutsche Malerei
des 19. Jh. spezialisiert hatte.78 Hoffmann betonte später, sein Verhältnis zu Hitler sei
rein freundschaftlicher Natur gewesen. Er sei weder in offizieller Position am Aufbau
der Linzer Sammlung beteiligt gewesen noch habe er Bilder für Hitler gekauft. Er
beschrieb seine Rolle als „desinterested middleman“, der Hitler lediglich Gemälde
empfahl.79
Die erste Begegnung mit Hoffmann war möglicherweise nicht ganz so zufällig, wie es
Almas-Dietrich darstellte. Eva Braun arbeitete seit 1929 in Hoffmanns Atelier, wo sie
im selben Jahr Hitler kennenlernte.80 Die spätere Geliebte Hitlers war andererseits mit
Almas-Dietrichs Tochter Mimi befreundet.81 Denkbar ist also auch, dass Hoffmann
durch Mimi auf Almas-Dietrich aufmerksam wurde oder sie den Kontakt zu ihm sogar
gezielt über ihre Tochter herbeiführte.
Laut Almas-Dietrich kam ihr erster Kontakt zu und Verkauf an Hitler 1936 über
Hoffmann zustande. Eines nachts habe er sie angerufen und darum gebeten, mit einer
Auswahl von Bildern in seine Privatwohnung zu kommen. Neben Hoffmann habe sie
dort Hitler erwartet, um die Werke zu besichtigen und schließlich auch einige zu
kaufen.82 Belegt ist, dass sie ihm in diesem Jahr u.a. das Gemälde „Toteninsel“ (1883)
von Böcklin für 85.000 RM verkaufte.83 Die „Toteninsel“, ein Hauptwerk der
deutschen Malerei des 19. Jh., war eines der Lieblingsbilder Hitlers und für das
Reichskanzlerpalais bestimmt.84 Dieser Verkauf war aber tatsächlich nicht der erste an
den Reichskanzler, denn bereits am 18.10.1935 erwarb sie für ihn das Porträt „Kaiser
Wilhelm und Kaiser Friedrich“ (ca. 1888) von Franz v. Lenbach, das in Hitlers
Arbeitszimmer hängen sollte.85 Almas-Dietrichs Darstellung des Erstkontaktes 1936
ist folglich unzutreffend, wurde aber von mehreren Autoren der Sekundärliteratur
übernommen.86 Im selben Jahr stellte Almas-Dietrich beim Münchner Stadtrat einen
Antrag auf Wiedereinbürgerung, der aber von Oberbürgermeister Fiehler, einem Alt-
Parteigenossen, aus „verständlichen Gründen“87 am 31.10.1936 abgelehnt wurde.
78 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 55. 79 DIR No. 1, Heinrich Hoffmann, 01. Juli 1945, Page 5-6. 80 Görtemaker 2011, S. 18-19. 81 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 53-54. 82 Ebd., Page 52. 83 Schwarz 2011, S. 152. 84 Ebd., S. 262. 85 Ebd., S. 151. 86 vgl. Görtemaker 2011, S. 176; Nicholas 1995, S. 47. 87 Zitat der Gauleitung München-Oberbayern 1939 zur Gesamtbeurteilung der Person Maria Almas-Diamant. Wahrscheinlich handelt es sich bei den „verständlichen Gründen“ um ihre Ehe mit einem Juden und ihre „halbjüdische“ Tochter; BArch Berlin-Lichterfelde, (ehem. BDC), PK, VBS 1, Personalakte NSDAP, Almas-Diamant Maria.
12
Auch ihre Beschwerde gegen diesen Bescheid an die Bayerische Regierung wurde am
19.04.1937 verworfen.88
Mehr Erfolg hatte sie mit ihrer schon seit Jahren schwebenden Scheidungs-
angelegenheit. Am 30.01.1937 wurde wenigstens von deutscher Seite ihrem Antrag
stattgegeben.89 Ob ihr Kontakt zu Hitler dabei eine Rolle spielte, muss offen bleiben.
Allerdings spricht der deutliche Anstieg ihrer Ankäufe für Hitler, der sich z.B. anhand
der Einlieferung eines großen Gemäldekonvoluts in der Reichskanzlei Ende 1937
belegen lässt90, dafür, dass sich der Kontakt intensiviert hatte. Es ist schwer vorstellbar,
dass Hitler eine Frau in seiner Umgebung geduldet hätte, der man aufgrund der
Nürnberger Gesetze von 1935 „Rassenschande“ durch die Ehe mit einem Juden
vorwerfen konnte.91 Wie nahe Almas-Dietrich Hitler kam, zeigt ein Foto anlässlich der
Hochzeit von Marianne Schönmann im August 1937, auf dem sie neben ihm zu sehen
ist (Abb. 1).92 Marianne Schönmann war als Freundin von Hoffmanns Ehefrau mit
Hitler schon länger bekannt und Teil des „Berghof-Kreises“.93
1937 erzielte Almas-Dietrich bei einem Umsatz von 309.561 RM einen Gewinn in
Höhe von 47.531 RM, was einer Gewinnmarge von gut 15% entspricht. 1938 kam es
zu einem sprunghaften Anstieg: der Umsatz kletterte auf 2.514.920 RM, der Gewinn
auf 447.270 RM, die Gewinnmarge auf 18%.94 Diese Einkommensexplosion
verdankte sie in erster Linie Hitlers in diesem Jahr gestartetem Großprojekt der
Umgestaltung von Linz. Nach der Annexion Österreichs am 12.03.1938 begann Hitler
offiziell mit der Planung einer „neuen Stadt“ Linz. Die Entscheidung für diesen
Standort war keinesfalls willkürlich. Hitler hatte zu Linz eine emotionale Beziehung,
da er dort mit seiner geliebten Mutter ab 1905 gelebt hatte und zur Schule gegangen
war.95 Nach dem „Anschluss“ ernannte er Linz sogar zu seiner „Patenstadt“, die seiner
besonderen Obhut unterstellt war96 und die er auf Kosten von Wien politisch und
kulturell aufwerten wollte.97 Wien war ihm ein Dorn im Auge: dort war er als junger
Mann zweimal an der Akademie der bildenden Künste abgelehnt worden98, und auch
88 StadtAM, EWK 65 D 834, Dietrich Maria. 89 StadtAM, Standesamt München IV 1921/2003, Dietrich Maria. 90 Schwarz 2011, S. 215. 91 http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/nuernberg/. 92 Görtemaker 2011, S. 175. 93 Ebd., S. 170. 94 StAM, OFD 2292, Devisennachschau bei Maria Almas-Diamant, Kunst- und Antiquitätenhandlung, 30. Mai 1939. 95 Löhr 2013, S. 8. 96 Ebd., S. 24. 97 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 12. 98 Petropoulos 1999, S. 115.
13
jetzt widersetzten sich die Direktoren der Wiener Kultureinrichtungen seinem Willen.
Sie weigerten sich nämlich, das am 31.05.1938 erlassene „Gesetz über (die)
Einziehung entarteter Kunst“99 anzuwenden, da ihnen damit das Entscheidungsrecht
über die beschlagnahmten Kunstwerke in Österreich entzogen worden und auf „den
Führer und Reichskanzler“ übergegangen wäre. Formal waren sie im Recht, da das
Gesetz ausdrücklich das Land Österreich ausnahm.100 Hitlers Pläne sahen nicht nur
vor, aus der 55.000 Einwohner zählenden Stadt durch Bevölkerungszuwachs um das
fünf- bis sechsfache eine Metropole zu machen101, sie sollte auch das Kulturzentrum
des Reichs werden.102
Dafür wurde eine Reihe von kulturellen Einrichtungen von Hitlers Lieblings-
architekten Albert Speer konzipiert, deren Zentrum das „Führermuseum“ am Opern-
platz werden sollte.103 Das Museum sollte öffentlich zugänglich sein und sich in seiner
Qualität mit den Museen in Frankfurt oder Köln messen können.104 Als Basis sollte
Hitlers Privatsammlung, bestehend aus Gemälden seiner Münchner und Berliner
Wohnungen, dienen.105 Bei diesen Bildern handelte es sich vornehmlich um Werke
Alter Meister und deutscher Maler des 19.Jh., die Hitler größtenteils von Almas-
Dietrich und Haberstock gekauft hatte.106 Für den Aufbau der Sammlung initiierte
Hitler den sog. „Sonderauftrag Linz“, als dessen erster Sonderbeauftragter Hans Posse
ernannt wurde und dessen Leiter er selbst war.107 Posse war dafür verantwortlich,
einerseits hundert Gemälde aus der Privatsammlung für das geplante Museum
auszusuchen und andererseits weitere Kunstwerke zu erwerben, die in den folgenden
Jahren auf das „Führermuseum“ und andere Museen des Reichs verteilt werden
sollten.108 Da die Beschaffung einer solchen Menge von Kunstwerken für ihn alleine
nicht machbar gewesen wäre, wurden zusätzlich Kunsthändler und –agenten
engagiert. Die von ihnen erworbenen oder beschlagnahmten Werke sollten im Depot
des Führerbaus in München zwischengelagert werden.109 Letzteres erschwerte den
Erwerb von Kunst in Österreich erheblich, da seit 1918 die Ausfuhr von Kunst aus
Österreich generell verboten war und im Einzelfall einer Genehmigung der
99 Kat. Ausst. Gute Geschäfte 2011, S. 120. 100 Petropoulos 1999, S. 113. 101 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 12. 102 Iselt 2010, S. 162. 103 Iselt 2010, S. 162. 104 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 13. 105 Schwarz 2011, S. 245. 106 Iselt 2010, S. 163. 107 Koldehoff 2009, S. 124. 108 Kat. Ausst. Gute Geschäfte 2011, S. 176-178. 109 Haase 2002, S. 47.
14
Denkmalbehörde bedurfte. Dass Almas-Dietrich von Anfang an Neuerwerbungen für
den Sonderauftrag tätigte110, belegen zwei Schriftstücke, die sie der Wiener
Denkmalbehörde am 11.06.1938 vorlegte. Darin hieß es, dass „sie im Auftrag des
Führers reise und die von ihr ausgeführten Bilder für ihn bestimmt seien“, ferner „sie
berechtigt sei, Kunstwerke aus jüdischem Besitz zu kaufen und ohne denkmal-
behördliche Genehmigung auszuführen“. Indem Hitler seine Händler mit solchen
Legitimationen ausstattete, konnte zumindest in einem Teilbereich das öster-
reichische Gesetz unterlaufen werden. Nur kurze Zeit danach, am 18.06.1938, erließ
Hitler den „Führervorbehalt“, der sein Erstzugriffsrecht auf beschlagnahmte Bilder in
Österreich legitimierte.111
Bei der Auswahl der am Sonderauftrag Linz beteiligten Kunsthändler scheint Hitler
nicht auf deren Parteizugehörigkeit bestanden zu haben. Überliefert ist sogar seine
Bemerkung „ein unabhängiger Geist ist dafür nur förderlich“112. Personen, die in die
Nähe Hitlers kommen konnten, wurden aber mit Sicherheit überprüft; insbesondere
solche, die ihn – wie Almas-Dietrich anlässlich einer Gemäldepräsentation – direkt in
der Reichskanzlei aufsuchen konnten113. Möglicherweise ist eine Befragung von
Almas-Dietrich durch die Gestapo 1938 in diesem Zusammenhang zu sehen. Eine
andere Erklärung findet sich jedenfalls nicht. Sie selbst gab später an, sie sei bei
diesem Verhör durch ihre türkische Staatsbürgerschaft geschützt gewesen. Nach
deutschem Recht war sie zwar seit 1937 von Ali Almas geschieden, die türkischen
Behörden bewilligten die Scheidung jedoch erst Dezember 1938.114 Da sie damit die
türkische Staatsbürgerschaft verlor und ihr Gesuch auf Wiedereinbürgerung bereits
1937 abgelehnt worden war, galt sie ab Ende 1938 als staatenlos.115
Die endgültige Scheidung von Ali Almas hatte für Almas-Dietrich weitere
Konsequenzen.116 Ausgehend von einer Mitteilung des Polizeipräsidiums München
vom 17.03.1939 gab das Amtsgericht München Registergericht am 22.03.1939 die
Information an die IHK München weiter, dass sie ihren Mädchennamen Dietrich
wieder angenommen habe und nicht mehr berechtigt sei, die türkische Übersetzung
ihres früheren Namens „Diamant“ (Almas) zu tragen. Anlass für diesen Vorgang war
110 Einige Autoren gehen davon aus, dass sie erst ab 1943 für den Sonderauftrag arbeitete, vgl. Kat. Ausst. Gute Geschäfte 2010, S. 179. 111 Schwarz 2011, S. 238. 112 Haase 2002, S. 52. 113 Nicholas 1995, S. 45. 114 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 50. 115 BArch Berlin-Lichterfelde, (ehem. BDC), PK, VBS 1, Personalakte NSDAP, Almas-Diamant Maria. 116 Der Inhalt des folgenden Absatzes stützt sich auf BWA, K1/XV A 10 c, Akt 264, Fall 33.
15
Almas-Dietrichs Antrag bei der IHK München auf Änderung des bisherigen
Firmennamens „Maria Diamant (Almas)“ in „Almas“ Galerie, Maria Dietrich. Die
IHK München wandte sich in dieser Sache zudem sowohl an Adolf Weinmüller, den
Vorsitzenden des „Bundes deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler e.V.“117 als auch
direkt an die RdbK mit der Frage, ob gegen die Bezeichnungen „Galerie“ und v.a. „den
jüdischen Charakter des Namens Almas“ Einwände bestünden. In den Unterlagen sind
Informationen über ihre Kunst- und Antiquitätenhandlung in der Ottostr. 1b enthalten.
In dem Geschäft arbeiteten demnach Almas-Dietrich, ihre Tochter Mimi und ein
kaufmännischer Angestellter auf einer Gesamtfläche von ca. 60 qm, die sich auf drei
Räume verteilten. Außerdem nutzte sie zwei Räume im Führerbau für eine ständige
Kunstausstellung, die Hitler von Zeit zu Zeit besuchte. Dieser Sachverhalt verweist
auf ihre wichtige Rolle bei der Beschaffung von geeigneten Kunstwerken für das
„Führermuseum“ und andere NS-Bauten. Als Ergebnis ihrer Erkundigungen teilte die
IHK München am 19.06.1939 der RdbK mit, dass das Registergericht den
Namenszusatz „Almas“ für die Kunsthandlung ablehne, weil sie auch nicht berechtigt
sei, die türkische Übersetzung von Diamant darin aufzuführen. Almas-Dietrich
erwiderte daraufhin, dass das Wort „Almas“ für sie lebensnotwendig sei, da ihr
Kundenkreis und die Fachwelt sie nur unter diesem Namen kenne und dessen
Streichung zum Ruin ihrer Firma führen würde. Sie fügte hinzu, dass sie selbst rein
arischer Abstammung sei, schon seit 12 Jahren von Ali Almas getrennt lebe und nur
wenige Kunden von der Ehe mit ihm gewusst hätten. Folglich sei Almas nicht als
jüdischer Nachname, sondern als ihr Geschäftsname bekannt. Die Bedenken aus
judenrechtlicher Sicht, derartige Unternehmen und Namen müssten „aus der
Erinnerung des deutschen Volkes verschwinden“, seien in ihrem Fall also
unberechtigt. Daneben wies sie darauf hin, dass sie auf die Unterstützung setzen
könne, „welche ihr vom Führer ständig und dauernd zuteil werde“. Am 10.08.1939
entschied die IHK München daraufhin, dass Diamant als „offensichtlich jüdischer
Name“ nicht mehr als Firmenname genutzt werden dürfe, aber gegen „Almas“ nichts
einzuwenden sei, da dieser Name in Deutschland nicht zwangsläufig als Judenname
aufgefasst werde. Aufgrund der ständigen Gemäldeausstellung im Führerbau dürfe der
Zusatz „Galerie“ auch verwendet werden.118
117 Zum Bund deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler e.V., vgl. Hopp 2012, S. 37-48. 118 BWA, K1/XV A 10 c, Akt 264, Fall 33.
16
Wahrscheinlich ist auch eine Anfrage der Reichskulturkammer bei der Gauleitung
München-Oberbayern vom 02.05.1939119 durch Almas-Dietrichs Antrag auf
Änderung des Firmennamens ausgelöst worden. Man interessierte sich für ihre
„politische Zuverlässigkeit und sonstigen charakterlichen Eigenschaften“. Die
Gauleitung antwortete darauf am 14.06.1939, dass sie zwar kein Mitglied der NSDAP
oder anderer Parteiorganisationen sei, aber „aus ihrem ganzen sonstigen Verhalten
vielmehr zu schließen ist, dass sie mindestens vom Zeitpunkt der Machtergreifung ab
auf nationalsozialistischem Boden steht“. Sie habe der Nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt (NSV) 20.000 RM gespendet, sei also „sehr gebefreudig“. Ferner wird
auf ihre „enge Freundschaft mit der Frau von Generalfeldmarschall Göring und der
Familie des Gauleiters und Staatsministers Adolf Wagner sowie des
Bildberichterstatters Hoffmann“ hingewiesen. Aus diesen Angaben kann man
zumindest für den Zeitraum bis Mitte 1939 nicht schließen, dass Almas-Dietrich eine
fanatische Nationalsozialistin und Mitglied der NSDAP und SS gewesen sei, wie es
Löhr ohne Angabe von Belegen tut120. Auch für die Zeit nach 1939 finden sich keine
diesbezüglichen Belege. Almas-Dietrich bestritt in den Nachkriegsbefragungen
jegliche Mitgliedschaft in NS-Organisationen.121 Letztendlich kann diese Frage nicht
sicher beantwortet werden, da Almas-Dietrichs Aussagen in diesem Report nicht
zwangsläufig wahrheitsgetreu sein müssen. Von der NSDAP-Gauleitung wurde sie
aber durchaus wohlmeinend eingeschätzt. Dies mag eine Rolle dabei gespielt haben,
dass einem anscheinend erneut von ihr gestellten Wiedereinbürgerungsantrag am
15.01.1940 stattgegeben wurde.122
Ende 1939123 verlegte Almas-Dietrich ihre Galerie in das repräsentative Cramer-Klett-
Palais Ottostr. 9, das ihr zwölf großzügig geschnittene Räume bot124 und der
zunehmenden Bedeutung der Galerie im NS-Kunsthandel sicher eher entsprach als die
beengten Räumlichkeiten in der Ottostr. 1b. Ab 1940 war es ihr nämlich möglich, im
besetzten Frankreich direkt tätig zu werden.125 Wie Karl Haberstock verfügte sie über
eine große Anzahl von Kontaktmännern in Paris, die ihr von Verkaufswünschen
119 Die Zitate dieses Absatzes stammen aus BArch Berlin-Lichterfelde, (ehem. BDC), PK, VBS 1, Personalakte NSDAP, Almas-Diamant Maria. 120 Löhr 2005, S. 127. 121 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 54. 122 StadtAM, Gewerbekarte, Dietrich Maria. 123 Kein eindeutiges Umzugs-Datum bekannt. Einschätzung aus den Anzeigen in der Zeitschrift „Kunst dem Volk“. 124 sm., Frau Maria Dietrich-Almas 70 Jahre alt, in: Export-Club, Nr. 3, 1962, aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 125 Hopp 2012, S. 216.
17
berichteten.126 Neben ihrem Chefeinkäufer, dem deutschen Händler Victor Mandl127,
kooperierte sie u.a. mit den französischen Kunsthändlern Paul Callieux, Etienne
Donath, Edouard Larcade128 und Yves Perdoux.129 Ein weiterer Agent war Bruno
Lohse, ein deutscher Kunsthändler, der bis Kriegsende für die Erweiterung der
Privatsammlung Hermann Görings verantwortlich und ab 1941 dem „Einsatzstab
Reichsleiter Rosenberg“ (ERR) als stellvertretender Direktor zugeordnet war.130 Diese
Organisation gehörte zur Hauptabteilung III des Außenpolitischen Amtes der NSDAP
und hatte unter Führung des Reichsleiters Alfred Rosenberg die Aufgabe, Kunst aus
besetzten Gebieten zu beschlagnahmen. Besonders aktiv war der ERR in Frankreich,
wo er an mehr als 50 Orten Kulturgüter konfiszierte. Die entsprechende Anordnung
Hitlers an den Militärbefehlshaber von Paris vom 30.06.1940 besagte, „neben den im
französischen Staatsbesitz befindlichen Kunstschätzen auch die in privatem,
vornehmlich jüdischem Besitz befindlichen Kunst- und Altertumswerte vor
Verschleppungen bzw. gegen Verbergung einstweilen in Verwahrung der
Besatzungsmacht sicherzustellen.“131 Almas-Dietrich kann aufgrund fehlender
Verkaufsunterlagen132 nur ein Geschäft mit dem ERR nachgewiesen werden. Sie
tauschte dabei zwei kleinformatige portugiesische Bilder des 15. Jh. gegen das
Gemälde „Sicht auf Honfleur“ von Pissarro aus der Sammlung von Frau Heilbronn.
Nach dem Krieg gab sie an, nicht gewusst zu haben, dass der ERR ausschließlich mit
beschlagnahmtem Kulturgut gehandelt hatte.133 Insgesamt soll sie in Frankreich
zwischen 1940 und 1944 320 Kunstwerke von 109 Händlern gekauft haben.134
Im Gegensatz zu den anderen Kunsthändlern hatte Almas-Dietrich das Privileg, direkt
an Hitler bzw. Martin Bormann, den Chef der Parteikanzlei, verkaufen zu dürfen, ohne
das Einverständnis von Posse und später Voss einzuholen.135 Die Bezahlung wurde
daher meist nicht vom Sonderauftrag abgewickelt, sondern direkt von Hans Heinrich
Lammers, dem Chef der Reichskanzlei, beglichen.136 Neben dem großen Netzwerk in
Frankreich besaß Almas-Dietrich gute Kontakte zu Münchner Kunsthändlern, wie z.B.
126 Haase 2008, S. 134. 127 NARA, RG 260, M1946, Restitution Research Records (RRR), Statements of Art Dealers, 1945-50, Page 167. 128 Iselt 2010, S. 288. 129 Haase 2008, S. 134. 130 Koldehoff 2009, S. 91. 131 Haase 2002, S. 80-85. 132 Görtemaker 2011, S. 176. 133 Haase 2008, S. 134. 134 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 188-190. 135 Nicholas 1995, S. 213. 136 Görtemaker 2011, S. 176.
18
der Galerie Eysser und Maria Gillhausen137, die für sie als Lieferanten arbeiteten.
Außerdem nutzte sie die Bestände des Münchener Kunsthändlers Julius Böhler, der
Galerie Heinemann und des Berliner Auktionshauses Hans W. Lange, die alle selbst
an den Sonderauftrag lieferten, sich aber nicht mit ihr messen konnten.138 Ihr
wahrscheinlich größter Konkurrent war Karl Haberstock, der gut mit Hans Posse
befreundet war und ihm schon vor 1938 viele Gemälde deutscher Maler des 19. Jh.
verkauft hatte.139 In seiner Funktion als Sonderbeauftragter, die er Haberstocks
Fürsprache bei Hitler zu verdanken hatte, erwarb Posse 169 Werke von ihm.140 An
Almas-Dietrich war ihm dagegen anscheinend nicht viel gelegen. Zum einen missfiel
es ihm, dass sie ohne seine Genehmigung Kunst an Hitler verkaufen durfte.141 Zum
anderen galt Dietrich im Kreis ihrer Kollegen als unqualifiziert; Haberstock erwähnte,
dass er sich im Gegensatz zu ihr durch Qualität auszeichne und sie auf Quantität
setze.142
Selbst wenn man als Motiv für diese Aussage berufliche Rivalität annimmt, enthält sie
doch den wahren Kern, dass Almas-Dietrichs Kunstkenntnisse bruchstückhaft waren.
Viele ihrer Einlieferungen stellten sich als Fälschungen heraus. 143 In ihrer Buchhaltung
tauchte oft der Vermerk „herabgesetzt weil falsch“ auf.144 1942 teilte Bormann ihr mit,
dass Hitler ein von ihr vermitteltes Aquarell des Wiener Malers Rudolf von Alt145 als
„unverschämte Fälschung“ bezeichnet habe.146 Am 01.05.1942 verpflichtete Bormann
sie zu einer genaueren Prüfung ihrer Gemälde, da ein ihm zugesandtes Bild eine
Fälschung sei. Einen Monat später schickte Posse ein angebliches Gemälde von
Boucher an sie zurück, weil es sich ebenfalls um ein Duplikat handelte.147 Dr. Ernst
Buchner, der Direktor des Bayerischen Staatsmuseums, berichtete, er habe sie einmal
„aus seinem Büro geworfen“, als sie ihm zu viele gefälschte und zweitklassige Bilder
brachte.148 Wahrscheinlich verbreitete Buchner diese Geschichte, weil er sich
einerseits vor den alliierten Befragern von ihr distanzieren und andererseits seine
Überlegenheit demonstrieren wollte. Tatsächlich scheint er ein gutes Verhältnis zu ihr
137http://www.badv.bund.de/DE/OffeneVermoegensfragen/Provenienzrecherche/Provenienzen/Daten/9000_9999/9217.html. 138 Löhr 2005, S. 128. 139 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 28. 140 Koldehoff 2009, S. 123. 141 Haase 2008, S. 125. 142 Keßler 2008, S. 35. 143 Nicholas 1995, S. 48. 144 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 62. 145 Hitler bezeichnete sich selbst als Spezialist für den Maler, vgl. Schwarz 2011, S. 237. 146 BArch B 323/159, Bormann an Maria Dietrich, 11.05.1942. 147 Haase 2008, S. 135. 148 DIR No. 2, Ernst Buchner, 31. Juli 1945, Page 10.
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gehabt zu haben, da er sich oft in Kunstfragen von ihr konsultieren ließ. Almas-
Dietrich revanchierte sich dafür, indem sie seiner Institution 1941 ein Gemälde des
schottischen Malers John Lewis Brown „as an expression of thanks for art historical
information“ schenkte.149
Trotz ihrer Fehlkäufe blieb Almas-Dietrich gut im Geschäft und erzielte 1941 ein
Einkommen von 570.000 RM. Im Vergleich zu anderen Kunsthändlern forderte sie
extrem hohe Provisionen, meist bis zu 50%. Im Linz-Report sind außerdem 38 Fälle
mit 100% und 6 mit über 300% angegeben.150 Im März 1943 sollte sich ihre berufliche
Position stärken, denn nachdem Posse an Krebs gestorben war, wurde Hermann Voss
von Hitler zu dessen Nachfolger ernannt.151 Im Gegensatz zu Posse stand Voss dem
Geschäftsgebaren Haberstocks kritisch gegenüber152 und kaufte von ihm keine Bilder
mehr.153 Stattdessen favorisierte er fortan Almas-Dietrich. Ihre Verkäufe an Voss für
den Sonderauftrag weisen hohe Gewinnspannen auf, wie man den Belegen des BArch
Koblenz entnehmen kann. Beispielsweise kaufte sie am 29.03.1943 bei Hans W.
Lange ein Gemälde von Stuck für 19.000 RM und verkaufte es im selben Monat für
24.000 RM an Linz.154
Vor dieser für sie positiven Entwicklung sah sich Almas-Dietrich im Februar 1943
allerdings mit einer anscheinend bedrohlichen Befragung durch die Gestapo in
München konfrontiert: „…after sharp grilling of more than four hours her friend
Hoffmann came to her rescue“. 155 Über Anlass und Inhalt dieses Verhörs ist nichts
bekannt. Möglicherweise spielte aber Almas-Dietrichs „halbjüdische“ Tochter Mimi
dabei eine Rolle. Sie hatte beantragt, ihren arischen Verlobten, den Juristen Detmar
tho Rahde, heiraten zu dürfen. Trotz der Fürsprache von Eva Braun, die ungeachtet
eines Kontaktverbots weiter über ihre Schwester Grete mit Mimi in Verbindung
stand156, wurde dieser Antrag von Bormann im Dezember 1942 abgelehnt.157 Mimi, die
von ihrer Mutter sonst im Hintergrund gehalten wurde, bei Anwesenheit wichtiger
Kunden in der Galerie sich sogar zurückziehen musste,158 könnte dadurch die
Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten erregt haben. In Anbetracht der seit Oktober
149 Petropoulos 2000, S. 38. 150 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 60. 151 Iselt 2010, S. 163. 152 Haase 2008, S. 122. 153 Koldehoff 2009, S. 123. 154 BArch B323/583, Al-Di 0574, Almas an Voss, 03.1943. 155 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 51. 156 Ebd., Page 54. 157 Ebd., Page 50-51. 158 Ebd., Page 54.
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1941 laufenden Deportation von deutschen Juden im Rahmen der „Endlösung“159 war
dies lebensgefährlich. Denkbar ist auch, dass Almas-Dietrichs Einlieferung von
Fälschungen einige Spitzenfunktionäre verärgert hatte, und man sie durch
Einschüchterung zu einem sorgfältigeren Vorgehen veranlassen wollte.
Das folgende Jahr sollte schwere Rückschläge für sie bringen. In der Nacht des
20.04.1944 wurde Almas-Dietrichs Galerie durch Bomben der alliierten Luftwaffe
komplett zerstört.160 Anscheinend führte sie danach die Geschäfte von ihrer Privat-
wohnung aus weiter161, zumindest bis drei Monate später auch dieses Haus in der
Gustav-Freytag-Str. 5 schwer getroffen wurde.162 Sie hatte zwar bereits vorher Teile
ihres Galeriebestands und die komplette Wohnungseinrichtung in 12 Ausweichlager
gebracht,163 doch durch den Verlust vieler ihrer Kunstwerke und das nahende Ende des
Sonderauftrags Linz schrumpfte ihr Einkommen 1944 auf 216.000 RM. Im Endeffekt
machte sie durch ihre Geschäfte mit dem Sonderauftrag von 1940 bis zu diesem Jahr
einen Gewinn von 616.470 RM. 164 Die Gesamtzahl der von ihr für Linz gelieferten
Bilder differiert je nach Quelle stark. Nach Meinung des amerikanischen
Kunstschutzoffiziers Lane S. Faison im Jahr 1945 vermittelte Almas-Dietrich 270
Bilder.165 Löhr kam bei seinen Nachforschungen im Münchner Collecting Point aber
zu einer wesentlich größeren Zahl, nämlich auf insgesamt 930 Kunstwerke.166
Über ihre Geschäftstätigkeit 1945 ist nichts bekannt. Es ist wahrscheinlich, dass sie in
der chaotischen Endphase des 2. Weltkriegs zum Erliegen kam. Ebenso wenig weiß
man über Almas-Dietrichs Aufenthaltsort in dieser Zeit; möglicherweise hat sie sich
aus dem weitgehend zerstörten München in die nahegelegene Kleinstadt Grafing
zurückgezogen167. Sie selbst gab an, ab Anfang 1945 für ein dreiviertel Jahr „leidend
und meist bettlägerig“ gewesen zu sein. Außerdem wurde ihr Wagen Anfang 1945
beschlagnahmt und ihrer Tochter „wegen Arbeitseinsatzes nachgespürt“. 168 Diese
Formulierung legt nahe, dass sich Mimi in den letzten Kriegsmonaten versteckt hielt.
159 https://www.dhm.de/lemo/html/wk2/holocaust/. 160 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 24. 161 StadtAM, Gewerbekarte, Dietrich Maria. 162 sm., Frau Maria Dietrich-Almas 70 Jahre alt, in: Export-Club, Nr. 3, 1962, aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 163 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 24. 164 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 60. 165 Ebd. 166 Löhr 2005, S. 127. 167 http://www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Beteiligte/A/Almas-Dietrich,%20Maria.html?nn=5150&cms_lv2=5338&cms_lv3=25666. 168 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 23-24.
21
5. Nachkriegszeit
Bereits 1942 traf die US-Regierung mit der Gründung des OSS Vorkehrungen für die
Nachkriegszeit. Aufgabe des OSS war, versteckte Transaktionen von Vermögens-
werten durch die Nationalsozialisten zu erfassen und deren Verwendung zur
Finanzierung von Untergrundaktivitäten nach Kriegsende zu verhindern. Die enge
Zusammenarbeit des OSS mit der 1943 gegründeten Roberts Commission169 führte
1944 zur Etablierung der Art Looting Investigation Unit (ALIU), die den Auftrag
erhielt, „to collect and disseminate information on the looting, confiscation and
transfer by the enemy of art properties in Europe“. Insbesondere erstellte ALIU Listen
von potentiell am Kunstraub beteiligten Personen. Unmittelbar nach Kriegsende
begannen die Amerikaner in mehreren Zentren mit deren Befragung und richteten
Sammelstellen für auf Raubkunst verdächtige Kunstwerke, die Central Collecting
Points, ein.170
Almas-Dietrichs erste Befragung fand am 18.08.1945 in Velden statt.171 Möglicher-
weise stand sie danach unter Hausarrest in Grafing.172 Im Rahmen der Nach-
forschungen zu Linz folgten mehrere Vernehmungen in München im Oktober und
November.173 Als sich in diesen Befragungen ihre Rolle als einer der Hauptlieferanten
abzeichnete, intensivierten die Amerikaner die Nachforschungen. Zwischen 28.01.
und 20.02.1946 wurden Almas-Dietrich und ihre inzwischen verheiratete Tochter fast
täglich befragt und die meisten ihrer Lager inspiziert.174 Um eine Kontrolle zur
Bestandsaufnahme dieser Ausweichlager hatten sich Almas-Dietrich und ihre Tochter
unter Einschaltung eines Rechtsanwalts bereits 1945 vergeblich bei der
Militärregierung, Section Fine Art, bemüht, nachdem ihnen zu Ohren gekommen war,
dass zumindest eines bei Prien im Juni 1945 geplündert worden war.175 Die
Befragungen der beiden Frauen mündeten in die Empfehlung, Almas-Dietrich für
einen unbestimmten Zeitraum die Lizenz der Amerikanischen Militärregierung, die
Kunsthändler zwischen 1945 und 1949 benötigten176, nicht zu erteilen. Als
Begründung wurde angeführt, „a person who profited for years from her close
169 Roberts Commission = the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historic Monuments in War Areas. 170 http://www.archives.gov/research/microfilm/m1944.pdf. 171 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 10. 172 http://www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Beteiligte/A/Almas-Dietrich,%20Maria.html?nn=5150&cms_lv2=5338&cms_lv3=25666. 173 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 10. 174 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 47. 175 Ebd., Page 25. 176 Petropoulos 2000, S. 110.
22
connection with Hitler should not be allowed to operate for some time to come“. Die
in den diversen Lagern befindlichen, im Ausland erworbenen Kunstgegenstände
sollten in den Münchner Collecting Point gebracht und auf ihre Provenienz hin
untersucht werden. Da man die Tochter nicht für die Handlungen ihrer Mutter
bestrafen wollte, gestand man Mimi tho Rahde im Fall eines Antrags eine Lizenz zu,
allerdings eingeschränkt auf den Handel mit Kleinkunst, Möbeln und Teppichen.
Außerdem sollte sichergestellt werden, dass Almas-Dietrich nicht mit Hilfe ihrer
Tochter weiter im Kunsthandel tätig werden konnte.177
Wie letztere Empfehlung umgesetzt werden sollte, wurde nicht gesagt. Es ist auch
nicht anzunehmen, dass sie jemals realisiert wurde. Jedenfalls gibt es keinen Hinweis
darauf, dass amerikanische oder deutsche Stellen Almas-Dietrich in der Folgezeit
größere Aufmerksamkeit schenkten. Da die Ablehnung einer Lizenzerteilung
ausdrücklich mit ihrem Status als Nutznießerin des NS-Regimes begründet worden
war, hätte sie eigentlich als „Belastete“ einem Entnazifizierungsverfahren unterzogen
werden müssen. Ob dies der Fall war, ist unbekannt. Die auf der Potsdamer Konferenz
beschlossene Entnazifizierung wurde in der amerikanischen Besatzungszone zwar
zunächst streng gehandhabt, aber bereits am 05.03.1946 wurde die Durchführung mit
dem „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus“ auf die
deutschen Behörden und die von ihnen einzurichtenden Spruchkammern übertragen.
Im Zuge des Kalten Krieges stellten die Amerikaner 1948 die Überwachung des
Entnazifizierungsprogramms in ihrer Besatzungszone ganz ein.178 Aufgrund ihrer
NSDAP-Mitgliedschaft und ihres Verhaltens im Dritten Reich stärker kompromittierte
Kunsthändler wie Lohse, Haberstock und Hofer wurden zwar konsequenter zur
Rechenschaft gezogen, teilten sich sogar zeitweise dieselbe Zelle,179 wurden dadurch
aber nicht effektiv daran gehindert, spätestens ab Anfang der 1950er ihre Geschäfte
wieder aufzubauen.180 München knüpfte dadurch in der Nachkriegszeit an seine Rolle
als Zentrum des Kunsthandels im Dritten Reich an.181
Almas-Dietrich und die o.g. Kunsthändler bildeten ein neues Netzwerk und zumindest
einige von ihnen verkauften Kunst, deren Provenienz höchstwahrscheinlich
fragwürdig war.182 Der Raubkunst-Experte Marc Masurovsky geht davon aus, dass
177 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 59. 178 http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_46003. 179 Petropoulos 2000, S. 94. 180 Petropoulos 2000, S. 110. 181 Petropoulos 1999, S. 235. 182 http://www.zeit.de/kultur/kunst/2013-11/Gurlitt-Interview-Historiker-Petropoulos.
23
„certain individuals used what they stole as their pension“.183 Bruno Lohse kann hierfür
als Paradebeispiel gelten. Da er nicht mehr als Kunsthändler arbeiten durfte, verhalf
er ab den 1950ern wohlhabenden Deutschen als „Kunstberater“ zum Aufbau ihrer
Sammlungen.184 Die in seinem Besitz befindliche Raubkunst versteckte er in einem
Schließfach in der Schweiz, das erst zwei Monate nach seinem Tod 2007 durch die
Züricher Staatsanwaltschaft geöffnet wurde. Man kann davon ausgehen, dass sich in
der Schweiz nach dem Krieg noch wesentlich mehr Werke befanden, denn von den
1950ern bis in die 1970er war es nicht außergewöhnlich, dass europäische und
amerikanische Kuratoren Kunst aus schweizerischen Schließfächern erwarben, ohne
sich nach der Provenienz zu erkundigen.185
Wie Lohse etablierte sich auch Almas-Dietrich erneut herausragend in der Münchner
Kunstszene. Als gute Bekannte von ihm und Hoffmann gehörte sie dem neuen
Netzwerk aus alten Kollegen an186 und pflegte, wie eine Fotografie von Hoffmann
1950 zeigt, nach dem Krieg weiterhin die Kontakte (Abb. 2). Ebenfalls 1950, ein Jahr
nachdem die Lizenzpflicht aufgehoben worden war, wurde ihre neue Galerie im Haus
Wittelsbacherplatz 6, Eingang Briennerstraße, eröffnet: „Mit neuem Mut und neuer
Energie begann dann ihre Tochter Frau Tho Rahde, die Firma wieder aufzubauen, und
die Jubilarin unterstützte sie mit Rat und Tat“. 187 Diese Formulierung legt nahe, dass
die neue Galerie von beiden Frauen gemeinschaftlich geführt wurde. In den
repräsentativen Räumlichkeiten verkauften sie nun vorrangig Kleinkunst des 18. Jh.,
aber auch Möbel und Gemälde.188 Später warben sie hauptsächlich mit Antiken
Einrichtungen des 18. Jh. (Abb. 3).189 Als 1956 die erste Deutsche Kunst- und
Antiqutitätenmesse (DKAM) von Konrad Bernheimer im Haus der Kunst veranstaltet
wurde, hatte Frau Dietrich erneut einen so guten Ruf, dass sie dort einen prominenten
Standplatz erhielt.190 Auch zwei Jahre später wurde ihr Messestand (Abb. 4) unter 70
anderen Ausstellern für eine Abbildung in der Weltkunst „Zum Abschluss der III.
Deutschen Kunst- und Antiquitätenmesse“ ausgewählt und ein Foto von Mimi tho
183 Petropoulos 2000, S. 279. 184 http://cr8tiveshft.com/looted-art/. 185 http://www.zeit.de/kultur/kunst/2013-11/Gurlitt-Interview-Historiker-Petropoulos. 186 Ebd. 187 sm., Frau Maria Dietrich-Almas 70 Jahre alt, in: Export-Club, Nr. 3, 1962, aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 188 Anonym, Galerie Almas München in neuem Gewande, in: Weltkunst, Nr. 14, 15.07.1958, S. 8. 189 Anzeige Galerie Almas Maria Dietrich Mimi tho Rahde, in: Alte und Moderne Kunst, Nr. 77, 1964, aus: http://mak01.intranda.com/viewer/image/1368451208783_0001/60/. 190 C. Herchenröder, Artikel „Sammellust und neuer Wohlstand“, 05.05.06 aus: http://www.handelsblatt.com/panorama/kultur-literatur/60-jahre-kunsthandel-sammellust-und-neuer-wohlstand/2649772.html.
24
Rahde im Gespräch mit Staatsminister Dr. Ankermüller publiziert (Abb. 5).191 Wie ein
weiterer Artikel aus der Weltkunst im selben Jahr 1958 berichtet, gestaltete Mimi tho
Radhe die Galerie anlässlich der 800-Jahr-Feier Münchens um (Abb. 6). Interessant in
diesem Artikel ist eine Bemerkung, die Kunstobjekte der Galerie wiesen „ausnahmslos
eine stichhaltige Provenienz“ auf.192 In Anbetracht der Aussage Petropoulos’,
Kunstsammler und Kuratoren hätten bis in die 1970er kein Interesse an der Provenienz
von Werken gehabt193, ist diese Erwähnung außergewöhnlich und riecht förmlich nach
Rechtfertigung. Höchstwahrscheinlich war Almas-Dietrich sehr daran gelegen, der
Öffentlichkeit einen seriösen und fachkundigen Eindruck zu vermitteln. Ihre
Vergangenheit wurde nicht publik, sie führte eine „international bekannte und
angesehene Galerie“.194 Dafür präsentierte sie sich wie auch Haberstock195 als
Mäzenin, die den Münchner Museen zu besonderen Anlässen Kunst stiftete;
beispielsweise erhielt das Bayerische Nationalmuseum zu ihrem 75. Geburtstag eine
Meißner Wackelpagode (ca. 1770). Zu ihrem 70. Geburtstag wurde sie von Prof.
Conrad Hommel porträtiert (Abb. 7);196 er war ein erfolgreicher Maler in der NS-Zeit,
der u.a. Porträts von Hitler und Göring anfertigte und 1937 Jurymitglied der Großen
Deutschen Kunstausstellung war.197 Almas-Dietrichs Bild wurde in Zeitungen
veröffentlicht, ohne Hommels Vergangenheit zu erwähnen. Vergangenheits-
bewältigung war im Deutschland des Wirtschaftswunders offensichtlich kein Thema.
Noch 1971 wurde in ihrem Nachruf ihre Tätigkeit für das NS-Regime schamhaft
verharmlost: „Das offizielle Deutschland von damals schien sie als eine Art
Hoflieferantin zu betrachten“.198 Von kritischen Fragen verschont starb Maria Almas-
Dietrich am 11.11.1971 in Dachau199, bekannt als „Grande Dame und Seniorin des
Münchner Kunsthandels“.200 Zu ihrem Gedenken hing bis Anfang der 2000er eine
Messing-Gedenktafel am Gebäude der ehemaligen Galerie.201
191 Anonym, Zum Abschluss der III. Deutschen Kunst- und Antiquitätenmesse, in: Weltkunst, Nr. 22, 15.11.1958, S. 5-8. 192 Anonym, Galerie Almas München in neuem Gewande, in: Weltkunst, Nr. 14, 15.07.1958, S. 8. 193 http://www.zeit.de/kultur/kunst/2013-11/Gurlitt-Interview-Historiker-Petropoulos. 194 Anonym, Jubiläum im Hause Almas München, in: Weltkunst, Nr. 13, 01.07.1962, S. 13. 195 Zu Haberstocks Rolle als Mäzen, vgl. Keßler 2008. 196 sm., Frau Maria Dietrich-Almas 70 Jahre alt, in: Export-Club, Nr. 3, 1962 aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 197 Ronge 2010, S. 35. 198 r.m.-m., Sie war die Grande Dame des Kunsthandels, in: Münchner Merkur, Nr. 264, 16.11.1971 aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 199 Standesamt Dachau 1971/357, Dietrich Maria. 200 r.m.-m., Sie war die Grande Dame des Kunsthandels, in: Münchner Merkur, Nr. 264, 16.11.1971 aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria. 201 http://cr8tiveshft.com/looted-art/.
25
6. Fazit
Wenn man aus heutiger Sicht den Blick auf Almas-Dietrichs Biographie richtet,
insbesondere auf ihre Karriere im Dritten Reich, ist man versucht, harte Urteile zu
fällen. Stellt man sich allerdings vor, all das am eigenen Leib zu erfahren, was einem
Menschen, der 1892 zur Welt kam, in den folgenden Jahrzehnten bevorstand, fällt das
Urteilen nicht mehr so leicht. Die bereits von Brecht den Nachgeborenen empfohlene
Nachsicht wird sich in diesem Fazit dergestalt bemerkbar machen, dass eine eindeutige
Festlegung bei der Interpretation von Motivationen und Persönlichkeitszügen nicht
erzwungen wird.
Das in ihrem Nachruf hervorgehobene Attribut „elastisch“, laut Duden beim
Menschen gleichbedeutend mit flexibel bzw. anpassungsfähig, kennzeichnete sicher
nicht nur sie, sondern fast alle Überlebenden dieses Zeitabschnitts voller existentieller
Abgründe. Versteht man darunter lediglich die überlebensnotwendige Fähigkeit aller
Lebewesen, sich wechselnden Umweltbedingungen anzupassen, ist der Begriff auf das
Individuum bezogen wenig aussagekräftig. Erst die Analyse der einzelnen
Eigenschaften, die in ihrer Summe zur Anpassung befähigen, ergibt ein individuelles
Bild. Hinzu kommt eine sehr unterschiedliche Bereitschaft zur Flexibilität, die von
jenen, die sich gar nicht oder nur widerwillig adaptieren, bis hin zu jenen reicht, die
sich aus Nützlichkeitserwägungen schnell und bedenkenlos der jeweiligen Lage
anpassen. Letztere werden laut Duden als Opportunisten bezeichnet. Doch selbst diese
stärkste Ausprägung der Anpassungsfähigkeit schützt nicht davor, vom Blitz
erschlagen oder von einer Bombe zerfetzt zu werden. Glück muss man auch haben. In
diesem Sinn werden im Folgenden die Charaktermerkmale und glücklichen Umstände
skizziert, die Almas-Dietrich ihre erfolgreiche Anpassung in sehr verschiedenen
politischen Systemen ermöglichten.
Von Menschen, die sie persönlich kannten, sind nur spärliche Äußerungen zu ihren
Eigenschaften überliefert. Noch am prägnantesten sind die Einschätzungen der
amerikanischen Befrager. Sie beschreiben sie als „eine ziemlich ermüdende,
neurotische Person, deren Stimmung beständig zwischen Depression und
Überschwänglichkeit schwankt“. Ohne nachdrückliche Führung neige sie zu
Abschweifungen, beginne bereits bei der geringsten Provokation, zu weinen und sich
voller Selbstmitleid in endlosen Variationen darüber zu beklagen, wie grausam das
Schicksal sie behandelt habe. Auf ein wenig Zuspruch hin ändere sich ihre Stimmung
augenblicklich und sie prahle dann mit ihren geschäftlichen Erfolgen. Die
hervorstechendste Triebkraft ihres Charakters sei Ehrgeiz, dem eine außerordentliche
26
Arbeitsfähigkeit zur Seite stehe. Fast alle zu ihrer Person Befragten hätten ihre
unerschöpfliche Energie betont. Als Geschäftsfrau habe sie den Ruf der Zuver-
lässigkeit genossen. Ihre größte Stärke sei das Verkaufen. Sie habe nur geringe Finanz-
und noch geringere Kunstkenntnisse.202 Sie sei eine schlichte Geschäftsfrau, im
Umgang gesellig und nötigenfalls vulgär.203
Durch affektlabiles Verhalten, endlose, selbstmitleidige Schicksalsanklagen unter
Tränenausbrüchen und Weitschweifigkeit ermüdete Almas-Dietrich ihre Vernehmer
anscheinend so sehr, dass sie bei wirklich kritischen Punkten nicht intensiv
nachforschten. So akzeptierte man ihre Angabe, die Beziehung zu Hitler sei rein
geschäftlich gewesen, nur zu Hoffmann sowie zu Eva Braun und deren Schwester habe
ein freundschaftliches Verhältnis bestanden. Dass sie sich zumindest bei einer
Gelegenheit auf die ständige Unterstützung Hitlers berufen hatte und ihr von der
Gauleitung München eine enge Freundschaft mit Görings Ehefrau und der Familie des
Gauleiters Wagner attestiert worden war, blieb unentdeckt. Almas-Dietrichs
enervierendes Auftreten könnte also als bewusst eingesetztes Ablenkungsmanöver
interpretiert werden und ließe auf strategisches Denken und ausgeprägte manipulative
Fähigkeiten schließen. In diesem Fall hätte sie sich aber sicher nicht dazu verleiten
lassen, mit ihren geschäftlichen Erfolgen zu prahlen, was im Endeffekt zur
Verweigerung einer Lizenz führte. Dieser unwillkürliche Fehler deutet darauf hin, dass
sie eher intuitiv in bedrängter Situation die Rolle der schwachen, zur Hysterie
neigenden Frau einnahm, was erfahrungsgemäß den sich überlegen fühlenden Mann
milde stimmt.
Der im Report erwähnte Ehrgeiz gepaart mit Arbeitsfähigkeit und Energie mani-
festiert sich durchgängig in Almas-Dietrichs Lebenslauf. Versteht man unter Ehrgeiz
den unbedingten Willen zum sozialen Aufstieg, lässt sich bereits die Beziehung der
17-Jährigen zum wohlhabenden Amerikaner Reinheimer in diesem Sinn inter-
pretieren. Da sie nicht aus einem verwahrlosten Milieu stammte, waren ihr die rigiden
Moralvorstellungen der Kaiserzeit mit Sicherheit vertraut. Wenn sie sich trotz des
Risikos der sozialen Ächtung darüber hinwegsetzte, erscheint sexuelle Umtriebigkeit,
für die sich in ihrem späteren Leben kein Anhalt findet, als zu schwaches Motiv.
Ausschlaggebend könnte eher die Hoffnung gewesen sein, von der Gehilfin in der
Metzgerei zur Frau eines reichen Mannes aufzusteigen. Sicherlich war ihr auch
bewusst, dass sie die Führung der väterlichen Metzgerei, die unermüdlichen
202 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 49. 203 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 52.
27
Arbeitseinsatz erforderte, allein der Ausnahmesituation des Krieges zu verdanken
hatte. Mit Ali Almas lernte sie gegen Kriegsende prompt einen Mann kennen, der ihr
den beruflichen Umstieg ermöglichte. Der Status der Gehilfin im Geschäft des
Ehemanns befriedigte sie aber nicht, sodass sie sich bereits nach wenigen Jahren von
ihm trennte und als „Neue Frau“ ihre eigene Kunsthandlung eröffnete. Hoffmann, der
ihren größten Karrieresprung einleitete, lernte sie womöglich auch nicht ganz zufällig
kennen; zumindest könnte sie die Kontakte ihrer Tochter zu Eva Braun genutzt haben,
um ihn auf sich aufmerksam zu machen. Als der Zugang zu Hitler erst einmal gebahnt
war, gab sie sich alle Mühe, diese Position durch enormen Arbeitseinsatz immer weiter
auszubauen. So wird berichtet, dass sie nach einer Gemäldepräsentation in der
Reichskanzlei per Flugzeug nach München eilte, um Hitler nach dessen Ankunft mit
seinem Privatzug sofort wieder weitere Bilder im Führerbau präsentieren zu können.204
Als während Posses Amtszeit Haberstock zeitweilig der Haupthändler Hitlers war,
habe sie bei ihren Verkäufen sogar „weniger an einen Verdienst gedacht (…) als an
die Befriedigung ihres krankhaften Ehrgeizes durch die Rückeroberung ihrer alten
Position“.205 Selbst die ihr in der NS-Zeit vorenthaltene öffentliche Anerkennung als
„Grande Dame des Kunsthandels“ erkämpfte sie sich in der Nachkriegszeit, ob durch
ihre „frauliche Vitalität“206, geschicktes Mäzenatentum oder Ausnutzung der alten
Netzwerke sei dahingestellt.
Finanziell wurde ihre Tätigkeit für Hitler und andere NS-Größen allerdings fürstlich
belohnt. Ihre privilegierte Stellung, die ihr nicht nur den Verkauf enorm vieler Bilder,
sondern auch außerordentlich hohe Provisionen ermöglichte, bescherte ihr z.B. 1941
ein Jahreseinkommen von 570.000 RM. Zu dieser Zeit verdiente ein Arbeiter
durchschnittlich 1.500 RM, ein General der Wehrmacht 20.000 RM pro Jahr207 und
selbst dem Reichskanzler standen insgesamt nur 48.000 RM pro Jahr zu. Hitler musste
trotzdem nicht auf Almas-Dietrich neidisch sein, da er für die Bildrechte seines
Konterfeis auf Briefmarken und durch die Tantiemen für „Mein Kampf“ hohe
zweistellige Millionenbeträge kassierte und sich zudem das Steuerzahlen ersparte.208
Nun kann man einem Händler sein Profitstreben schlecht vorwerfen; verblüffend ist
allerdings die Unverfrorenheit, mit der Almas-Dietrich trotz ihrer sehr angreifbaren
204 Nicholas 1995, S.47. 205 RRR, Statements of Art Dealers: Interrogation, 1945-50, Page 167-168. 206 sm., Frau Maria Dietrich-Almas 70 Jahre alt, in: Export-Club, Nr. 3, 1962 aus: StadtAM, Personen, 84/27, Dietrich-Almas Maria.207 http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Soldat/Besoldung.html.208 http://www.welt.de/kultur/history/article13703272/Hitler-zahlte-keine-Steuern-und-war-Multimillionaer.html.
28
familiären Situation agierte. Überhöhte Provisionen und häufige Ankäufe von
Fälschungen beendeten jedenfalls nicht ihre Geschäftsbeziehung zu Hitler. Mit ihr
hatte er eine Händlerin, die zwar wenig Fachkenntnisse, aber ein gutes Gespür für
seinen Geschmack besaß.209 Wenn er von ihr vorgelegte Bilder als Fälschungen
monierte, konnte er sich als der Kunstkenner profilieren, als den er sich selbst sah.210
Auch wenn er sich manchmal über sie ärgerte, unterstellte er ihr sicherlich keine
Betrugsabsichten, denn das hätte im NS-Regime, in dem bei kleinsten Vergehen die
Todesstrafe drohte211, gravierende Folgen gehabt. Womöglich festigte auch die
gemeinsame kleinbürgerliche Herkunft das Geschäftsverhältnis. Almas-Dietrichs
ungeschliffene Manieren waren ihm, der selbst erst in den 20er Jahren von einigen
Gesellschaftsdamen „salonfähig“ gemacht werden musste212, sicher nicht fremd. Ihr
weit verzweigtes Zulieferernetz garantierte zudem nicht versiegenden Nachschub für
sein Lieblingsprojekt. Dass die dafür von ihr geforderten überdurchschnittlichen
Provisionen akzeptiert wurden, ist ungewöhnlich. Offenbar wurde ihre kompro-
mittierende Familiensituation von den Nationalsozialisten, die in dieser Hinsicht sonst
nicht zurückhaltend waren, nicht benutzt, um ihre Preise zu drücken. Möglicherweise
waren ihnen die Preise egal; Götz Aly weist nach, dass durch finanztechnische Tricks
im Devisenhandel der Kunstkauf im besetzten Ausland letztlich aus der Staatskasse
der jeweiligen Länder finanziert wurde.213 Eine andere Erklärung könnte sein, dass
Almas-Dietrichs Verbindungen zur NS-Elite tiefer reichten als von ihr dargestellt.
Dafür spricht, dass sie Eva Braun mit Unterwäsche aus Paris versorgte214 und
zumindest in einem Fall über Insiderwissen verfügte: Voss gab später zu Protokoll,
bereits vor seiner Ernennung zum Sonderbeauftragten habe Almas-Dietrich bei einem
Essen „geheimnisvoll darauf angespielt, dass ich bald eine viel bessere Stellung als
meine gegenwärtige haben werde“. 215
Die Beziehung zu NS-Größen herzustellen und durch Gefälligkeiten zu pflegen,
gelang ihr gut. Neben Kontaktfreudigkeit und Umgänglichkeit bewies sie dabei ein
gutes Gespür für Menschen, die ihr nützlich sein konnten. Abgesehen von der
Hauptperson Hoffmann gilt dies bereits für Ali Almas. Weltanschauliche Über-
zeugungen oder religiöse Bindungen scheinen sie dabei nie behindert zu haben, waren
209 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 55. 210 Ronge 2010, S. 20. 211 Ebd., S. 19. 212 Schad 2009, S. 43. 213 http://www.zeit.de/2013/48/nazi-kunstkauf-devisenhandel. 214 RRR, Dietrich, Maria Almas: Interrogation, 1945/46, Page 54. 215 CIR No. 4, Linz. Hitler’s Museum and Library, 15. Dezember 1945, Page 61.
29
also nicht in ihr gefestigt. Ihre Religionswechsel je nach Situation und die offenbar
überzeugende Darstellung, von Anfang an „auf nationalsozialistischem Boden“
gestanden zu haben, belegen, dass sie zu opportunistischem Verhalten fähig war.
Wenigstens für die NS-Zeit sollte man aber nicht zu hart urteilen. Auch wenn sie die
Bedrohung ihrer Person nach dem Krieg sicherlich überbetonte, war zumindest ihre
Tochter andauernd in einer sehr unsicheren Lage. Als „jüdischer Mischling 1. Grades“
genoss sie zwar eine gegenüber „Volljuden“ bevorzugte Behandlung, jedoch drängten
radikale Antisemiten innerhalb der NSDAP zunehmend darauf, dies zu ändern, was
aber nicht geschah.216 Insgesamt bewährte sich Almas-Dietrichs konsequentes
Bemühen um Nähe zu NS-Größen als Schutz vor dem Regime sehr gut.
In jedem Lebensabschnitt musste sie jedoch auch Glück haben. Die ihr durch den 1.
Weltkrieg zugefallene Position als Leiterin einer Metzgerei kompensierte ihren
jugendlichen Fehltritt. Die Beziehung zu Ali Almas eröffnete ihr eine neue berufliche
Perspektive. Die geglückte enge Verbindung zu Hoffmann ermöglichte ihren Erfolg
im Dritten Reich. Ihr daraus resultierender Makel wiederum wurde für die Amerikaner
durch den Makel, den das NS-Regime bei ihr gesehen hatte, abgemildert und spielte
im die Vergangenheit verdrängenden Nachkriegsdeutschland keine Rolle.
Auf ihrem Zenit als „Grande Dame des Kunsthandels“ genoss sie nicht nur materiellen
Erfolg, sondern auch gesellschaftliche Wertschätzung. Maria Almas-Dietrich konnte
ihren Ehrgeiz also befriedigen. Dazu verhalfen ihr unermüdliche Arbeitsbereitschaft,
Wagemut bis zur Unverfrorenheit, ein gutes Gespür für vorteilhafte persönliche
Beziehungen, Kontaktfreudigkeit und die Bereitschaft zu opportunistischem
Verhalten. Die hinzukommenden glücklichen Umstände sorgten dafür, dass diese
Eigenschaften auch erfolgreich zur Wirkung gelangen konnten. Alles in allem könnte
ihr Leitmotiv lauten: „Nicht nur überleben, sondern Wohlleben“.
216 Löw 2012, S. 502.
30
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