60
Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer Berücksichtigung des Immaterialgüterrechts Veranstaltung der Vereinigung Schweizerischer Unternehmensjuristen (VSUJ) 14. März 2007 Dr. Martin Bernet Dr. Fritz Blumer

Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung

von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer Berücksichtigung des

Immaterialgüterrechts

Veranstaltung der Vereinigung Schweizerischer Unternehmensjuristen (VSUJ)

14. März 2007

Dr. Martin Bernet

Dr. Fritz Blumer

Page 2: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

2

Übersicht

1. Einführung

2. Der rechtliche Rahmen

3. Die Praxis

4. Zusammenfassung | Schlussfolgerungen | Tipps

Page 3: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

3

1. Einführung

Rechtlicher Rahmen

Praktische Fälle

Besonderes im Immaterialgüterrecht

Ziele

Page 4: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

4

2. Der rechtliche Rahmen

2.1 Grenzüberschreitende Vollstreckung von Urteilen in Zivil- und Handelssachen

2.2 Anerkennung ausländischer Konkursdekrete

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht

2.4 Ein Wort zur Vollstreckung von Schiedssprüchen

Page 5: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

5

2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - Rechtsquellen

Rechtsquellen:

• IPRG

• LugÜ, revidiertes LugÜ

• (bilaterale Abkommen)

Page 6: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

6

2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - IPRG

Voraussetzungen nach IPRG (Art. 25 ff.)

• Indirekte Zuständigkeit des ausländischen Gerichts (weitgehender Schutz der "Wohnsitzgerichtsstandgarantie" (früher Art. 59 BV, heute Art. 30 Abs. 2 BV, Art. 149 IPRG)

• Kein ordentliches Rechtsmittel mehr bzw. Entscheidung endgültig Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht anerkennungsfähig

• Kein Verweigerungsgrund i.S.v. Art. 27 IPRG- Anerkennung wäre mit schweizerischem materiellen Ordre public

offensichtlich unvereinbar

- Verletzung des formellen Ordre public (gehörige Ladung, rechtliches Gehör)

Page 7: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

7

2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - LugÜ

LugÜ (Art. 26 ff.)

• grundsätzlich keine Prüfung der indirekten Zuständigkeit: keine Garantie der Wohnsitzgerichtsstandsgarantie

• keine formelle Rechtskraft vorausgesetzt; Vollstreckbarkeit genügt (Art. 30, 31, 39) grundsätzlich auch Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes

• Verweigerung der Anerkennung wegen Verletzung des materiellen Ordre public oder des formellen Ordre public

• Keine Anhörung des Urteilsschuldners vor Erlass der Vollstreckbarerklärung (Art. 34 Abs. 1)

• "Voraussetzungsloser" Anspruch auf Erlass sichernder Massnahmen (Art. 39)

Page 8: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

8

2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - EuGVO

EuGVO und rev. LugÜ

• Keine Prüfung der Verweigerungsgründe vor Erlass der Vollstreckbarerklärung, erst im "Rechtsbehelfsverfahren" (Art. 41 EuGVO)

genereller Trend:

• Erleichterung der Vollstreckung

• Abbau von Schranken

• Verbesserung der Rechtsstellung des Urteilsgläubigers

Page 9: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

9

2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung: Haager Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen

Haager Konferenz für Internationales Privatrecht

„Preliminary Draft Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters“ (30. Oktober 1999)

• Aufbau und Geltungsbereich ähnlich EuGVÜ / LugÜ

• Regelungsgehalt ähnlich EuGVÜ / LugÜ, ausser

- Ausnahmebestimmung für „Forum non Conveniens“

- Beschränkte Anerkennung bei „Punitive Damages“

Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 als erster Schritt (?)

• Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung bei vereinbartem Gerichtsstand

• Sachlicher Geltungsbereich mit zahlreichen Ausnahmen

• Beschränkte Anerkennung bei „Punitive Damages“

• Regelungen betr. Zusammenwirken mit anderen Übereinkommen

Page 10: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

10

2.1 Grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung - Diskriminierung schweizerischer Urteile

Heute: kantonale ZPO / Art. 81 SchKG

• formelle Rechtskraft des Entscheides

• Anhörung des Urteilsschuldners vor Vollstreckung

• grundsätzlich keine Möglichkeit von sichernden Massnahmen

Ab 2010 (?): Schweizerische ZPO / Art. 81 SchKG

• Verbesserung nur für Nicht-Geldurteile

• Vorläufige Vollstreckung formeller Rechtskraft möglich mit Zustimmung Rechtsmittelinstanz; gleichzeitige Anordnung von sichernden Massnahmen / Sicherheitsleistung (Art. 312 Abs. 2 E ZPO)

• Vollstreckungsgericht kann bei Gefahr der Vereitelung / wesentlichen Erschwerung ohne vorherige Anhörung der Gegenpartei sichernde Massnahmen anordnen (Art. 338 E ZPO)

• Aber: keine "voraussetzungslosen" Sicherungsmassnahmen

Page 11: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

11

2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - IPRG

Art. 166 IPRG

• Konkursdekret am Wohnsitz des Schuldners ergangen (indirekte Zuständigkeit)

• Vollstreckbarkeit (# Rechtskraft) des ausländischen Konkursdekrets

• Gegenrecht

Rechtsfolge: Schweizerischer "Mini-Konkurs"

• Nur schweizerische Vermögenswerte (Art. 170 IPRG)

• Besonderer Schutz für privilegierte schweizerische Gläubiger (Art. 172, 173 IPRG)

Page 12: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

12

2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - IPRG

Bedeutung

• Lockerung des Territorialitätsprinzips

• Verhinderung der "Selbstbedienung" einzelner Gläubiger

• Wenig attraktiv aus Sicht des ausländischen Konkursverwalters "Umgehung" durch Zusammenarbeit mit einem Gläubiger

Page 13: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

13

2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - Staatsverträge

alte Staatsverträge mit der Krone Württemberg und dem Königreich Bayern (von 1825/26 und 1834)

• Grundsatz der Universalität: keine Anerkennung des ausländischen Konkursdekrets notwendig

• Ausländischer Konkursverwalter kann direkt Auskunft über / Herausgabe von schweizerischem Vermögen verlangen

• Bei Bedarf kann er Rechtshilfe des schweizerischen Konkursamts verlangen (vgl. ZR 96 (1997) Nr. 104: Bayern)

Unklarer Status des Vertrags mit dem Königreich Sachsen von 1837, da seinerzeit von DDR nicht übernommen

Page 14: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

14

2.2 Die Anerkennung ausländischer Konkursdekrete - Staatsverträge

Schweizerisches Handelsamtsblatt Nr. 8 vom 12. Januar 2001, S. 277

Page 15: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

15

Rechtlicher Rahmen: Anerkennung ausländi-scher Konkursdekrete - die EulnsVO

Der EuGH-Entscheid im Fall Eurofood (vom 2. Mai 2006, Slg. 2006 I - 3813)

• Konkurrierende Zuständigkeit am Centre of Main Interests beansprucht von den Gerichten Italiens (Parmalat Irland (Dublin) in Konkurs der Eurofood IFSC Ltd.

• Eurofood: Beschaffung von Finanzmitteln für den Parmalat-Konzern

• Streitfrage: Ist Centre of Main Interests in Italien oder Irland (statutarischer Sitz)

• EuGH: In casu spielt Verwendung von Art. 3 Abs. 1 EuInsVO: Centre of Main Interests am statutarischen Sitz

• Offen, ob bei anderer Konstellation anders zu entscheiden wäre - i.S. der "mind of management" / "head office functions" - Konzepte

Page 16: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

16

Rechtlicher Rahmen: Anerkennung ausländi-scher Konkursdekrete - Bedeutung der EulnsVO für die Schweiz

Keine direkte Anerkennungsfähigkeit ausländischer Zuständigkeit am Centre of Main Interests

Allenfalls Zunahme der Zahl der Staaten mit Gegenrecht (Übernahme der EuInsVO ins innerstaatliche IPR, Beispiel Österreich)

EuInsVO repräsentiert Trend zur Kooperation - vgl. auch BCCI-Fall

Page 17: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

17

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht

A Besonderheiten der Vollstreckung im Immaterialgüterrecht

B Zum Spannungsverhältnis zwischen Territorialitätsprinzip und internationaler Rechtsvereinheitlichung

C Crossborder-Rechtsprechung

Page 18: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

18

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (A) Wie sind Urteile zu vollstrecken?

Urteile auf Schadenersatz | Gewinnherausgabe

• V am Sitz des Beklagten bzw. Ort des Vermögens

• Regeln für die Vollstreckung von Geldforderungen

Unterlassungsurteile

• V nur im Schutzterritorium

• Grundsätzlich NICHT VOLLSTRECKBAR

• Ersatz der Realvollstreckung durch indirekten Zwang - Art. 292 StGB

- Kantonalrechtliche Sanktionen (Astreinte etc.)

• Alternativlösung: Beseitigung | Verwertung oder Zerstörung von Erzeugnissen oder Einrichtungen

- Art. 69 PatG

- Art. 57 MSchG

Page 19: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

19

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip

Anknüpfung an das Schutzterritorium | Schutzstaat Erteilung durch eine Behörde im Schutzstaat

Allfällige Nichtigerklärung durch ein Gericht im Schutzstaat

Wirkungen des Rechts unter dem Recht des Schutzstaats (materiellrechtliches Territorialitätsprinzip), insbesondere

• Verletzungshandlungen (Verkauf, Import, Teilnahme an solchen Handlungen etc.)

• Verletzungshandlungen nur auf dem Territorium des Schutzstaats

• Schutzumfang (welche Gegenstände fallen unter ein Patent | eine Marke?)

• Schadenersatzbemessung

• -> Konsequenzen im IPR

Beurteilung von Verletzungen durch ein Gericht im Schutzstaat

Unabhängigkeit des Rechts von Rechten in anderen Territorien

Page 20: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

20

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip v. Beklagtengerichtsstand

Nichtigkeitskläger

Beklagter / Patentinhaber

CH

Forum

Territorium

Patent

DE

Page 21: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

21

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip und supranationale Schutzrechte

Europäisches Patent als Bündelpatent Europäisches Patentübereinkommen als Grundlage

Erteilung mit Wirkung für benannte Staaten

Zentrales Einspruchsverfahren

Nationale Phase: EP wirkt in jedem Staat wie ein nationales Patent (Art. 2 Abs. 2 EPÜ) – AUSSER:

• Schutzbereich richtet sich nach dem EPÜ

• Nichtigerklärung nur, wenn „europäische Nichtigkeitsgründe“ gegeben

• Schutzdauer gemäss EPÜ

• (Rechte aus dem Patent weitgehend gemäss TRIPS)

Immer noch: Beurteilung von Verletzung | Nichtigkeit durch nationale Gerichte

Page 22: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

22

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Territorialitätsprinzip und supranationale Schutzrechte

IR-Marken Madrider Übereinkommen (SR ) | Madrider Protokoll

Erlangung von Markenschutz in beliebig wählbaren Mitgliedstaaten:

• Eintragung einer nationalen Basismarke

• Schutzausdehnung durch Eintragung einer sog. IR-Marke bei der WIPO (World Intellectual Property Organization) in Genf

• Nachträglich evtl. „Refus“ durch nationale Markenämter oder Einspruch durch Inhaber von Drittmarken

Gemeinschaftsmarke (EU)

Gemeinschaftspatent ???

Page 23: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

23

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (B) Strenges Territorialitätsprinzip unter Art. 16 Ziff. 4 LugÜ für Angriffe auf Patente und Marken

Art. 16: Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschliesslich zuständig

(...)

4. für Klagen, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Warenzeichen (...) zum Gegenstand haben, die Gerichte des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt.

Besonderheit: Anerkennungs- und Vollstreckungsrichter prüft Anwendung von Art. 16 Ziff. 4

Konsequenzen:

• sog. Peacemeal Litigation, wenn z.B. ein Europäisches Patent angegriffen werden muss gegriffen werden muss

• Fragezeichen über der ganzen Crossborder Litigation (vgl. später)

Page 24: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

24

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) „Crossborder-Litigation“ - Grundsätzliches

Begriff | Ursprünge

Beurteilung der Verletzung eines „fremden“ (d.h. nicht im Gerichtsstaat gültigen) Schutzrechts durch ein nationales Gericht (Verletzung des Territorialitätsprinzips)

NL-Praxis der neunziger Jahre

• Schnelles „kort geding“-Verfahren

• Extensive Auslegung der eur. Gerichtsstandsbestimmungen

• Vorwurf: „Cowboy Judges“

Frühere Praxis, z.B. OGer LU 1958, ZBJV 95 (1959), 75ff.

• CH-Gericht am Sitz des Verletzers zuständig für Erlass eines Verbots der Markenverletzung in der Schweiz und in den Ländern der Madrider Übereinkunft, wo die IR-Marke galt

Page 25: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

25

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) „Crossborder-Litigation“ am Beklagtengerichtsstand

Grundlage für Gerichtsstand:

• Art. 2 LugÜ: „vor den Gerichten dieses Staates“ (Wohnsitz des Beklagten)

• nationale Gerichtsstandsbestimmungen (z.B. Art. 109 IPRG) zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit innerhalb des Staates

Beklagtengerichtsstand als allgemeiner Gerichtsstand im LugÜ

• gilt immer, wenn keine ausschliessliche Zuständigkeit eines anderen Gerichtsstandes

• Allenfalls anwendbar: Ausschliesslicher Gerichtsstand nach Art. 16 Ziff. 4 LugÜ

Page 26: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

26

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Crossborder-Litigations am Gerichtsstand der Beklagtenmehrheit

Grundlage: Art. 6 Ziff. 1 LugÜ: Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann auch verklagt werden,

1. wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat;

Weitere Voraussetzung gemäss Praxis des EuGH: Sachzusammenhang so eng, dass widersprechende Entscheidungen ergehen könnten (Art. 22 Abs. 3 LugÜ)

Typischer IP-Anwendungsfall: EP wird durch den Verkauf des Produktes X im mehreren Ländern verletzt.• Gleiches Patent

• Gleicher Schutzbereich

• Oft miteinander verbundene Verletzer

Page 27: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

27

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Crossborder-Litigation / Gerichtsstand am Verletzungsort

Grundlage: Art. 5 Ziff. 3 LugÜ:

Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, (…)

3. wenn eine unerlaubte Handlung (…) oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.

Nicht ausschliessliche Zuständigkeit am Ort der Handlung, welche das Schutzrecht verletzt (z.B. Ort der Herstellung, des Verkaufs)

Crossborder-Wirkung unklar (evtl. Zuständigkeit des Gerichts am Verletzungsort nur für Verletzungen im Gerichtsstaat)

Page 28: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

28

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Ende der Crossborder-Rechtsprechung?

Gegensatz zwischen Crossborder-Rechtssprechung und strengem Territorialitätsprinzip nach Art. 16 Ziff. 4 LugÜ am Beispiel:

• CH-Beklagter wird in CH beklagt wegen Verletzung des DE-Patents (klar zulässig unter Art. 2 LugÜ)

• CH-Beklagter macht geltend:

• DE-Patent ist nichtig (daher Verletzungsvorwurf unbegründet)

• CH-Gericht darf die Rechtsbeständigkeit des DE-Patents nicht überprüfen (Art. 16 Ziff. 4 LugÜ) und ist daher unzuständig

Bisherige Praxis in Kontinentaleuropa: Einrede | Einwendung zulässig

EuGH-Vorlageentscheidung GAT | LuK (Urteil v. 13. Juli 2006)

• DE-Beklagter vor LG Düsseldorf ein: Französisches Klagepatent ist nichtig

• EuGH: Art. 16 Ziff. 4 ist in dem Sinne auszulegen, dass die exklusive Zuständigkeit alle Arten von Rechtsstreitigkeiten über die Gültigkeit betrifft, unabhängig davon, ob die Frage klageweise oder einredeweise aufgeworfen wird.

Page 29: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

29

2.3 Besonderheiten im Immaterialgüterrecht (C) Zukunft der Crossborder-Rechtsprechung (?)

Folgeentscheid des HGer ZH zu GAT|LuK (sic! 2006, 854f.)

• Beklagter mit Sitz in der Schweiz wird Verletzung einer EU-Gemeinschaftsmarke vorgeworfen

• Beklagte wendet ein: Unzuständigkeit des CH-Gerichts und Nichtigkeit der EU-Marke

• HGer ZH setzt der Beklagten Frist an für Nichtigkeitsklage gegen die Gemeinschaftsmarke vor zust. Gericht

- Falls Nichtigkeitsklage erhoben wird: Sistierung des Verletzungsver-fahrens in der Schweiz

- Falls N‘klage nicht erhoben wird: Fortsetzung des Verletzungsver-fahrens, Einwand der Nichtigkeit bleibt unberücksichtigt

Zukunft: Supranationale Gerichte

• Gemeinschaftspatent | GP-Gerichtsbarkeit

• European Patent Litigation Agreement

Page 30: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

30

2.4 Ein Wort zur Vollstreckung von Schiedssprüchen (1)

Voraussetzungen der Anerkennung von Schiedssprüchen nach NYC

Auf Antrag

• Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung

• Verletzung des rechtlichen Gehörs

• Tragweite der Schiedsabrede; ne ultra vel extra petita

• Nichtbeachtung des massgebenden Schiedsverfahrens

• fehlende Verbindlichkeit des Schiedsspruchs

Von Amtes wegen

• fehlende Schiedsfähigkeit

• Verletzung des (schweizerischen) Ordre public

Page 31: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

31

2.4 Ein Wort zur Vollstreckung von Schiedssprüchen (2)

Zurückbleiben der NYC hinter dem europäischen

Anerkennungssystem (LugÜ, EuGVO)

Konkurrenz durch das neue Haager Übereinkommen über

Gerichtsstandsvereinbarungen?

Reformbestrebungen in Europa (Streichung des Ausschlusses

der Schiedsgerichtsbarkeit in EuGVO / LugÜ und/oder

Abschluss eines Zusatzprotokolls zur NYC)

Page 32: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

32

3. Die Praxis

3.1 Abschied von Illusionen, soweit noch vorhanden

3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht

3.4 Forum Running

Page 33: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

33

3.1 Abschied von Illusionen

Schutz des Beklagten in der Schweiz durch Prinzipien des IZPR

• Territorialitätsprinzip

• Wohnsitzgerichtsstand

• Zustellungsvorschriften

Page 34: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

34

3.1 Abschied von Illusionen

Schimpfen über die USA bringt nichts - wer mit den USA geschäftet, muss sich mit dem US-Rechtssystem arrangieren

Pflicht zur Inanspruchnahme der "Vorteile" des U.S. Rechtssystems

28 U.S.C. § 1782: Beweisbeschaffung in den USA für Verfahren ausserhalb der USA

Pflicht zur Teilnahme an Wertpapier-Sammelklagen in den USA für europäische institutionelle Anleger (Beispiel Royal Ahold N.V.)?

Page 35: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

35

3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders - der Fall Motorola / Uzan (BGE 129 III 626): Struktur, Vertragsverhältnisse

Motorola Inc. (U.S.) Hr. Uzan 1 Hr. Uzan 2 ("Motorola") Hr. Uzan 3 Hr. Uzan 4

Rumeli Telefon Sistemleri A.S. (Türkei)

Motorola Credit Corporation (U.S.) Telsim Mobil Telekomünihesyou("Motorola Credit") Hizmetleri A.S. (Türkei) ("Telsim")

Kreditvertrag(~ 2.7 Mrd. USD)

100 %

100 %

Kaufvertrag (Hardware

für Mobilfunknetz)

Page 36: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

36

3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders - der Fall Motorola / Uzan (BGE 129 III 626): Vermögenssituation

Telsim: ?

Rumeli: ?

US CH England Türkei D Guernsey F

Hr. Uzan 1: ? √ (Bankkonti) √ ? √ √ √

Hr. Uzan 2: ? √ (Bankkonti) - ? √ √ √

Hr. Uzan 3: ? √ (Bankkonti) - ? √ √ √

Hr. Uzan 4: ? √ (Bankkonti) √ ? √ √ √

Page 37: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

37

3.2 Das System des LugÜ in der Praxis: Die Anerkennung englischer Freezing Orders - der Fall Motorola / Uzan (BGE 129 III 626): Prozessuale Chronologie

28. Januar 2002: Klage Motorola Credit gegen Herren Uzan 1 bis 4 sowie einige von diesen kontrollierte Gesellschaften beim U.S. District Court for the Southern District of New York

30. Mai 2002: Antrag Motorola vor dem High Court of Justice in London auf Erlass einer Freezing Order gegen die Herren Uzan 1 bis 4; Erlass der Freezing Orders

12. November 2002: Antrag an Audienzrichteramt des Bezirksgerichts Zürich auf Vollstreckerklärung der englischen Freezing Orders

30. Juli 2003: Bestätigung der Vollstreckbarkeit der englischen Freezing Order in der Schweiz durch das Bundesgericht

Page 38: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

38

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (A)„Dicke Post aus Holland“

Sachverhalt

NL-Unternehmen importiert als Generalimporteur Reinigungsmittel aus den USA

CH-Unternehmen erwirbt (wie andere Distributoren in Europa) die Produkte und verkauft sie in der Schweiz

NL-Gericht sendet Klage eines US-Unternehmens an das CH-Unternehmen (formell korrekt nach HZUe):

• Vorwurf der Verletzung eines EP in der Schweiz

• Klage auf Unterlassung des Vertriebs in der Schweiz plus Schadenersatz

• Aufforderung zur Klageantwort unter Androhung eines Säumnisurteils

Page 39: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

39

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (A)„Dicke Post aus Holland“

Sitz Beklagter A

(nationale Vertriebsgesellschaft)

CH

Patentinhaber

Gerichtsstand der gemeinsamen Beklagten unter Art. 6 (1) LugÜ am Sitz des "Spider in the Web"

Forum für A, B, C

Sitz Beklagter B(Hersteller, europä-ischer Hauptsitz)

NL

Sitz Beklagter C

(nationale Vertriebsgesellschaft)

DE

Page 40: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

40

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (A)Keine „Dicke Post aus Holland“ mehr!

Vorlageentscheidung Roche Nederland BV v. Primus (EuGH vom 13. Juli 2006)

Klage gegen Roche NL plus 8 Roche-Gesellschaften mit Sitz in CH, USA etc. am NL-Gerichtsstand wegen Verletzung eines EP (1997)

Vorlage an den EuGH: Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. EuGVÜ / Zusammenhang zwischen den Ansprüchen gegen die verschiedenen Beklagten

EuGH: Bei Verletzung verschiedener Teile eines EP liegt unterschiedliche Sach- und Rechtslage in den verschiedenen Ländern vor, keine Anwendung von Art. 6 Ziff. 1 EuGVÜ

Page 41: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

41

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtengerichtsstand

BGE 129 III 295 - Sachverhalt

Inhaber des EP mit Sitz in Graubünden (chemische Industrie)

Verletzer mit Sitz in Italien (Hersteller des patentgeschützten Produkts)

EP gültig in 8 Ländern, aber nicht in der Schweiz

Verletzer klagt vor KGer GR auf Feststellung der Nichtverletzung in ES, FR, UK, BE, NL, SE

Page 42: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

42

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtengerichtsstand – 129 III 295

Patentinhaber XHersteller Y

ESFR

UKBE

NLSE

CH (kein Patent)IT

FF

FF

FF

"Piecemeal Litigation" (Verletzungsklagen)

Page 43: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

43

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtengerichtsstand – 129 III 295

Patentinhaber XHersteller Y

ESFR

UKBE

NLSE

CH (kein Patent)IT

Forum

konzentriertes Verfahren (Verletzungsklage)

Page 44: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

44

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (B)Negative FSK am Beklagtenforum – 129 III 295

Konzentriertes Verfahren für negative Feststellungsklage

Patentinhaber XForum

CH (kein Patent)IT

ESFR

UKBE

NLSE

Hersteller Y

Page 45: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

45

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“

Ausgangslage

Industriekonzern X mit Hauptsitz in der Schweiz (X AG)

Europaweiter Vertrieb von Anlagen, die angeblich das EP des Konkurrenten M mit Sitz in Japan verletzen

Patentverletzungsverfahren gegen Tochtergesellschaft X SA in Frankreich

• M ersucht das zuständige Gericht am Sitz der X SA um Anordnung von Beweissicherungsmassnahmen

• Anordnung und Durchführung einer „Saisie descriptive“ im französischen Montagebetrieb der X SA

• Fristansetzung für die Einleitung des Hauptverfahrens

• M erhält Beweismaterial aus der „Saisie descriptive“, benötigt aber noch zusätzliche Beweismittel, die in der Schweiz bei der X AG vermutet werden

Page 46: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

46

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“

Drei Möglichkeiten für den Kläger

I. Beweissicherungsmassnahmen unter dem HBewUe

Ersuchen des französischen Gerichts an die zuständige Schweizer Zentralbehörde um Erhebung bestimmter Beweise

CH-Vorbehalt zu Art. 23 HBewUe (Unzulässigkeit von „fishing expeditions“)

Zumindest theoretisch möglich: Superprovisorische Beweissicherungsmassnahmen

Zuständigkeit kantonale Behörde in ZH:

• Zentralbehörde: Obergericht des Kantons Zürich, Zentralbehörde Rechtshilfe Zivilsachen

• Erledigung / Entscheidung über Zulässigkeit: Einzelrichter am Bezirksgericht

Page 47: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

47

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“

Drei Möglichkeiten für den Kläger

II. Vollstreckung von im Ausland verfügten Beweissicherungsmassnahmen

Französisches Gericht könnte (im Anschluss an die Saisie) Editionsverfügung erlassen

Anerkennung und Vollstreckung unter Art. 27 LugÜ

• Voraussetzung für die Vollstreckung: Anhörung des Beklagten

• „Saisie contrefaçon“: Gilt nach Aushändigung der Verfügung als kontradiktorisches Verfahren

• Funktioniert nur, wenn die X AG am französischen Verfahren beteiligt war

Zuständigkeit kantonale Behörde in ZH: Einzelrichter im summarischen Verfahren (Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich beim separatem Exequaturverfahren)

Page 48: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

48

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“

Drei Möglichkeiten für den Kläger

III. Selbständige Beweissicherungsmassnahmen unter dem CH-PatG

Vorsorgliche Massnahmen nach Art. 77 PatG

• Beweissicherungsmassnahmen als mögliche Massnahme genannt

• Voraussetzung für Massnahmen

- Glaubhaftmachung einer Rechtsverletzung

- Nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil

- (Relative Dringlichkeit)

Beschlagnahme als mögliche Beweissicherungsmassnahme

Voraussetzung: X AG oder sonstige Konzerngesellschaft in der Schweiz muss Patent verletzen

Zuständigkeit kantonale Behörde in ZH: Präsidium des Handelsgerichts

Page 49: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

49

3.3 Fälle aus dem Immaterialgüterrecht (C)„Beweissicherungsmassnahmen“

Ein Ausblick

Vorentwurf vom 29. November 2006 zu einem Bundespatentgerichtsgesetz

Art. 41

1) Die Parteien können beantragen, dass eine genaue Beschreibung der angeblich widerrechtlich angewendeten Verfahren oder hergestellten Erzeugnisse mit oder ohne Beschlagnahme angeordnet wird.

2) Die antragstellende Partei hat glaubhaft zu machen, dass ein ihr zustehender Anspruch verletzt wurde oder eine solche Verletzung zu befürchten ist.

3) Die Beschreibung mit oder ohne Beschlagnahme wird durch ein Mitglied des Bundespatentgerichts durchgeführt, nötigenfalls unter Beizug einer sachverständigen Person. Soweit erforderlich, erfolgt sie in Zusammenarbeit mit den zuständigen kantonalen Instanzen.

Page 50: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

50

3.4 Forum Running in Europa

LugÜ (Art. 21), EUGVO (Art. 27): starres System der zeitlichen Priorität der Rechtshängigkeit

Grosse Versuchung des forum running. Vgl. Anschauungsbeispiel in BGE 123 III 414 (Polly Peck)

Korrekturversuche der englischen Gerichte mittels Erlass von "anti-suit injunctions" im Falle missbräuchlicher Schaffung einer früheren Rechtshängigkeit bei unzuständigen Gerichten sind nach dem EuGH-Urteil i.S. EuGH Turner v. Grovit (27.4.2004, Rs. C-159/02, Slg. 2004, I-3565) nicht mehr möglich

("Waffengleichheit der Systeme" verbessert in Art. 30 EuGVO)

Page 51: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

51

3.4 Forum Running in Europa„Italian Torpedo“

Konstellation eines „italienischen Torpedo“

• Deutscher Hersteller befürchtet, vor deutschem Gericht vom englischen Patentinhaber wegen Verletzung eines EP in DE, FR, IT, NL beklagt zu werden.

• Deutscher Hersteller klagt vor dem italienischen Gericht auf Feststellung, dass das EP durch den Vertrieb des Produkts X in IT, DE, FR, NL nicht verletzt wird.

• Das später angerufene deutsche Gericht muss das Verfahren sistieren, bis das italienische Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hat.

- So weit IT-Gericht zuständig: Unzuständigkeit des DE-Gerichts

- So weit IT-Gericht unzuständig: Zuständigkeit des DE-Gerichts

Page 52: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

52

3.4 Forum Running in Europa„Italian Torpedo“

Kreativer Umgang der Verletzungsgerichte mit italienischen Torpedos

• Beschleunigtes Verfahren (in Italien erhebliche Fortschritte in den letzten 5 Jahren, nicht aber in Belgien)

• Erlass von einstweiligen Verfügungen ohne Rücksicht auf hängige NFSK im Ausland (Praxis in DE)

• Qualifikation der NFSK als nicht identisch mit der Verletzungsklage (FR)

• Qualifikation der NFSK als rechtsmissbräuchlich (FR, entspr. obiter dictum auch in BGE 129 III 295)

Page 53: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

53

3.4 Forum Running in Europa„Italian Torpedo“

Zukunft der Torpedos?

Unattraktiv bei schneller Verfahrenserledigung durch „Torpedo-Gericht“

Unnötig bei Gleichwertigkeit der Gerichtsverfahren

Unmöglich bei „Europäisierung“ der Patentgerichtsbarkeit

Bemerkung zum Thema negative Feststellungsklage und Torpedo

Nicht jede NFSK ist ein Torpedo

Auf NFSK ist einzutreten, falls (vgl. BGE 129 III 295)

• Zuständigkeit gegeben

• Feststellungsinteresse gegeben

• Kein Rechtsmissbrauch

Page 54: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

54

4. Zusammenfassung / Schlussfolgerungen / Tipps

Generelles

"Bunker Schweiz" ist für international tätige Unternehmen eine Illusion

Zunehmend durchlässige Systeme bieten Chancen, nicht nur Gefahren

Billiger Ausschluss des europäischen IZPR wie bei LugÜ zunehmend schwieriger

Page 55: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

55

4. Zusammenfassung / Schlussfolgerungen / Tipps

Praktische Tipps für potentielle Beklagte Sicherstellung einer korrekten Zustellung

Vermeidung einer Einlassung im ausländischen Verfahren

Planung „vorbeugender Massnahmen“

• Negative Feststellungsklagen

- Wenn Gerichtsstand gegeben

- Wenn Blockierungswirkung absehbar

• Schutzschriften gegen drohende vorsorgliche Massnahmen

- Kantonale Unterschiede

- Wenn „schlagende Argumente“ kurz gefasst werden

Page 56: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

56

4. Zusammenfassung / Schlussfolgerungen / Tipps

Trends im Immaterialgüterrecht

Rückschläge für die Crossborder-Rechtsprechung

Wirksame Massnahmen gegen Torpedos

→ Rückkehr zur „Piecemeal Litigation“

Zukunft der internationalen Prozessführung im Immaterialgüterrecht

Weitere Verbreitung von supranationalen Schutzrechten

Einrichtung supranationaler Verletzungsgerichte

Page 57: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

57

Literatur und Materialien (Auswahl) Literatur und Materialien zum schweizerischen IZPR

Bernet, Martin: Die Vollstreckbarerklärung englischer Freezing Orders in der Schweiz. Einige Bemerkungen zu BGE 129 III 626, Jusletter vom 19. Januar 2004, erhältlich unter www.weblaw.ch/jusletter

Bernet, Martin / Voser, Nathalie: Praktische Fragen im Zusammenhang mit Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile nach IPRG, SZIER 2000, 437ff.

Bundesamt für Justiz: Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, Wegleitung, 3. Ausgabe 2003 (erhältlich unter www.rhf.admin.ch)

Dasser, Felix: Punitive Damages: Vom „fremden Fötzel“ zum „Miteidgenoss“?, SJZ 2000, 101ff.

Hess-Blumer, Andri: Crossborder Litigation – und sie lebt doch! Anmerkungen zu einem Beschluss des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 13. Oktober 2006, sic! 2006, 882ff.

Meier, Isaak, Internationales Zivilprozessrecht und Zwangsvollstreckungsrecht mit Gerichtsstandsgesetz, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2005

Vogel, Oscar / Spühler, Karl: Grundriss des Zivilprozessrechts und des internationalen Zivilprozessrechts der Schweiz, 8. Aufl., Bern 2006

Volken, Paul: Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, Zürich 1996

Walter, Gerhard: Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 3. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 2002

Page 58: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

58

Literatur und Materialien (Auswahl) Literatur zum europäischen IZPR

Kropholler, Jan: Europäisches Zivilprozessrecht: Kommentar zu EuGVO, Lugano-Übereinkommen und Europäischem Vollstreckungstitel, 8. Aufl., Frankfurt a.M. 2005.

Schlosser, Peter: EU-Zivilprozessrecht, 2. Aufl., München 2003

Page 59: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

59

Literatur und Materialien (Auswahl) Rechtsquellen

LugÜ: Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, abgeschlossen in Lugano am 16. September 1988 (SR 0.275.11)

HZUe: Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, abgeschlossen in Den Haag am 15. November 1965 (SR 0.274.131)

HBewUe: Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen, abgeschlossen in Den Haag am 18. März 1970 (SR 0274.132)

Übereinkunft zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Krone Württemberg betreffend die Konkursverhältnisse und gleiche Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 12. Dezember 1825 / 13. Mai 1826 (LS 283.1)

Übereinkunft zwischen den schweizerischen Kantonen Zürich, Bern, Luzern, Unterwalden (ob und nid dem Wald), Freiburg, Solothurn, Basel (Stadt- und Landteil), Schaffhausen, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg, Genf sowie Appenzell AR und dem Königreich Bayern über gleichmässige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 11. Mai / 27. Juni 1834 (LS 283.2)

Übereinkunft zwischen den schweizerischen Kantonen und dem Königreich Sachsen über die gleichmässige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 4. / 18. Februar 1837

EuGVO: Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000, ABl. EU 2001 Nr. L 12, 1ff.

EuInsVO: Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren vom 29. Mai 2000, ABl. EG Nr. L 160, 1ff.

Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 (noch nicht in Kraft getreten; Text und Informationen zum Status erhältlich auf der Webseite der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, www.hcch.net)

Page 60: Fragen der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie von Konkursdekreten, unter besonderer

Kontaktpersonen:

Dr. Martin [email protected]

Dr. Fritz [email protected]

0080

2295

.ppt

Homburger Rechtsanwälte, Weinbergstrasse 56 | 58, CH-8006 Zürich

Telefon +41 43 222 10 00, Telefax +41 43 222 15 00

www.homburger.ch, [email protected]