Gefangenen Info #324

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #324

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    Gefangenen InfoC 10190 8.5.2007 Preis: 1,55 324

    Hervorgegangen aus demAngehrigen Info. Das

    Angehrigen Info entstand imHungerstreik der politischen

    Gefangenen 1989.

    Mumia Abu-Jamal: Anhrung am 17. Mai

    Um Leben und TodAm Donnerstag, 17. Mai um 9 Uhr 30, fin-det beim 3. Bundesbezirksberufungsgerichtdie wohl wichtigste Anhrung im langenKampf fr das Leben und die Freiheit desafroamerikanischen Journalisten MumiaAbu-Jamal statt, der seit fast einem Viertel-jahrhundert im Todestrakt in Pennsylvaniasitzt wegen des angeblichen Mordes an demPolizisten Daniel Faulkner. Vom Ausgangder Anhrung hng ab, ob Abu-Jamal einneues (faires) Verfahren bekommt, hinge-

    richtet wird oder den Rest seines Leben hin-ter Gittern verbringt.

    Der Philadelphia-Justiz war Abu-Jamalein Dorn im Auge, weil er die rassistischeBrutalitt der Polizei ans Licht brachte.

    Im frhen Morgen des 9. Dezembers 1981bemerkte Abu-Jamal, der nebenbei als Ta-xifahrer arbeitete, wie sein Bruder von Faul-kner zusammengeschlagen wurde. Als erseinem Bruder zur Hilfe eilte, kam es zu ei-ner Schieerei, in dessen Verlauf der Polizist

    gettet und Abu-Jamal lebensgefhrlichverletzt wurde.

    Abu-Jamal wurde des Polizistenmordesangeklagt und im Juli 1982 in einem vonRichter Albert Sabo rassistisch gefhrtenProzess zum Tode verurteilt. In seinem Pl-doyer fr die Todesstrafe fhrte der Staats-anwalt Abu-Jamals politische Ttigkeit alsMitglied der Black Panther Party Anfang der70er Jahre auf. Der Prozess wurde von einerHasskampagne der rechtsgerichteten Poli-zeigewerkschaft Fraternal Order of Police(FOP) begleitet, in der Sabo Ehrenmitglied

    war.Im Laufe der Jahre konnte Abu-Jamals da-

    maliges Verteidigerteam beweisen, dass dieAuswahl der Geschworenenjury rassistischmanipuliert, Zeugen massiv bedroht undeingeschchtert und entlastende Beweiseunterschlagen wurden. Die Pennsylvania-Justiz weigerte sich nicht nur, diese Bewei-se anzuerkennen und Abu-Jamal mindestenein neues faires Verfahren zu gewhren, son-dern arbeitete aktiv daran, dies zu verhin-dern. Der pensionierte 74-jhrige RichterSabo wurde fr die Berufungsanhrungenin den Jahren 1995-97 wieder aktiviert, umber sein eigenes Urteil und rassistisches Verhalten im ursprnglichen Prozess zurichten. Sabo lehnte jeden Beweis, jedenZeugen und den kleinsten Vorwurf eines un-fairen Verfahren als unglaubhaft ab. Eben-so das Oberste Gericht Pennsylvanias.

    Ende der 90er Jahre hatte Abu-Jamals al-le Berufungsmglichkeiten im BundesstaatPennsylvania ausgeschpft, der nchste ju-ristische Schritt war ein Antrag beim Bun-

    Anmerkungen zurRolle der MedienIm Mrz wurde schon festgestellt, dass es

    Funktion der Medien ist, die Sonderhaftbe-dingungen der Gefangenen aus der ehe-maligen RAF weiterhin zu vertuschen undihre psychische und physischen Auswir-kungen zu tabuisieren. Von Rache, Vergel-tung und Siegerjustiz wird nicht Abstandgenommen. Wir wollen das jetzt in dennchsten Zeilen an einigen Beispielen nocheinmal etwas verdeutlichen und darber

    hinaus einige Hintergrnde benennen, diein der Debatte bewusst herausfallen und

    nicht nur von den Medien, sondern auchvon der herrschenden Klasse verschwiegenwerden. In der aktuellen Debatte geht esnicht nur um eine Abrechnung mit der seit1998 aufgelsten RAF, sondern es ist auchdie heutige Linke gemeint. Die Botschaftlautet: Antagonistischer Widerstand gegendie europische Gromacht BRD ist nichterlaubt und wird kriminalisiert, das war da-mals vor 30 Jahren so und ist heute nichtanders.

    Die Medien instrumentalisieren auchMenschen, die sich selbst als Opfer be-zeichnen, aktuell jetzt bei einer mgliche

    Freilassung von Christian Klar.Zum Beispiel auch Frau Keller, die sich

    im Oktober 1977 in der entfhrten Luft-hansamaschine Landshut befand.Keine schnelle Begnadigung vom Ter-

    roristen Klar, stand ja schon hufig in Bild. Anfang Februar druckte das Blatt einenBrief aus dem Bundesprsidialamt. Die

    Adressatin des Briefes war eine gewisse Be-ate Keller. Sonderlich aufwendig drfte dieRecherche nicht gewesen sein. Schlie-lich arbeitet Frau Keller selbst als Telefoni-stin fr Springer. (FR 10.2.)Weiterhin schrieb die FR: Es war nicht

    der erste Brief, der den Prsidenten in Sa-chen RAF ereilte ... bislang war keiner da-

    von an die ffentlichkeit gedrungen. Dashat sich nun gendert ... da (sie) ausge-

    Freiheit fr Christian Klar jetzt!

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    desgericht. In ihrem Berufungsantrag fhr-te Abu-Jamals Verteidigerteam einen 29Punkte umfassenden Katalog von Rechts-und Verfassungsverletzungen auf. Zwei Jah-re spter, am 18. Dezember 2001, gab Bun-desrichter William H. Yohn seine Entschei-dung bekannt: Der Todesurteil wird vorlu-fig ausgesetzt, weil Sabo die Geschworenen

    nicht ausreichend ber die Bercksichtigungvon mildernden Umstnden beim Todesur-teil belehrt hatte - ein reiner Verfahrensfeh-ler. Dem Staatsgericht von Philadelphia setz-te Yohn eine Frist von 180 Tagen, neu berdas Strafma zu verhandeln. Geschehe diesnicht, werde nach Ablauf des halben Jahresdie Strafe auf seine Weisung hin automa-tisch in Lebenslnglich umgewandelt. Eben-so wie die Pennsylvania-Gerichte lehnteYohn jeden Hinweis auf eine politische oderunfaire Justiz ab. Alle anderen 28 Punktewies er zurck.Abu-Jamals Anwaltsteam fochten Yohns

    Entscheidung an, ebenso die Staatsanwalt-schaft Philadelphias die Aussetzung der To-desstrafe.

    In Dezember 2005 ordnete das Bundesbe-rufungsgericht eine Anhrung an, in derber vier Punkte verhandelt wird, ob 1) derStaatsanwalt Abu-Jamals verfassungsmi-ge Rechte whrend seines Schlusspldoyer verletzt hat, 2) die Ablehnung mglicherJurymitglieder durch den Staatsanwalt ras-sistisch begrndet war und 3) Abu-Jamalaus rassistischen Motiven ein neues Verfah-ren verwehrt wurde, auerdem darf dieStaatsanwaltschaft fr die Wiedereinset-zung der Todesstrafe pldieren.

    Seit Bekanntgabe der Terminierung derAnhrung mobilisiert die Solidarittskam-pagne in den USA, um Abu-Jamal beizu-stehen. Um 8 Uhr 30, eine Stunde vor Be-ginn der Anhrung, fngt eine Kundgebungvor dem Gericht an, und am Tag zuvor fin-det eine Demonstration mit Live-Music statt.In Chicago findet eine Mobilisierungsver-anstaltung am 6. Mai und am 12. Mai einevon den New York City Writers Union or-ganisierte Veranstaltung mit Frances Gol-din, Rosmari Mealy und Julia Wright statt.

    Am 12. Mai ab 13 Uhr findet auch in Ber-lin eine Demonstration in der Nhe der US-Botschaft statt, und am 26. Mai eine Kund-gebung vor dem US-Konsulat in Hamburg. Am 15. April organisierten junge Hip-

    Hopper eine Solidarittskonzert und wie inden Jahren zuvor demonstrierten Hundertevon Menschen in Philadelphia fr die Frei-heit von Mumia Abu-Jamal an dessen Ge-burtstag, 24. April. Unter den Rednern warder Polizist Sgt. DeLacy Davis von BlackCops Against Police Brutality (schwarz Bul-len gegen Polizeibrutalitt)Aber Sgt. Davis war nicht der einzige Po-

    lizist an dem Tag auf der Strae. Seit 1981lsst die Kill-Mumia-Fraktion unter der Lei-tung der FOP keine Gelegenheit aus, um ge-gen Abu-Jamal zu opponieren und seineHinrichtung zu fordern. Am 24. April orga-

    nisierten sie eine Gegendemonstration, undzivil gekleidete auerdienstliche Polizistenauf Motorrder versuchten, wie bei anderenMalen auch, die Demonstration zu stren.

    Der Veranstaltungsort des Hip-Hop-Kon-zerts musste kurzfristig verlegt werden. In

    der Woche vor dem Konzert setzte die FOPden Clubbesitzer unter Druck, die Veran-staltung abzusagen. Als dieser sich weiger-te, drohte ihm die Polizei zwei Tage vor demKonzert mit 16 Anklagen, die ihm Tausen-de von Dollar gekostet htten. Aus Angstsagte er das Konzert kurzfristig ab.Aber auch die Philadelphia-Staatsanwalt-

    schaft ist sehr einfallsreich, wenn es darumgeht, Abu-Jamals mgliche Freilassung zuverhindern. In April stellte sie einen Antragbeim 3. Bundesbezirksberufungsgericht,dass alle Richter dieses Bezirksgericht sichfr befangen erklren, weil die Frau vonGouverneur Ed Rendell Richterin an diesemGericht ist. Rendell war 1982, zur Zeit Abu-Jamal Gerichtsprozess, der Oberste Staats-anwalt. Laut AP argumentiert die Staatsan-waltschaft, dass, sollte das Gericht gegen Abu-Jamal entscheiden, dieser behauptenknnte, das Gericht sei befangen, und dieStaatsanwaltschaft mchte Abu-Jamal kei-ne Berufungsgrnde liefern. Abu-Jamals Anwalt Robert Bryan hlt

    diese Argumentation fr blanken Unfug,denn das dreikpfige Richtergremium istnoch nicht ernannt worden, auerdem hat

    er keine Einwnde gegen Frau Rendell undstellte einen Gegenantrag. Die wahren Grn-de fr den Antrag sind: 1) den Anhrungs-termin zu verschieben und 2) vor allem dieAnhrung einem anderen, konservativerenBezirksgericht zu bertragen. Laut Bryan istgerade das 3. Bundesbezirksgericht als fairbekannt, besonders wenn es um Fragen desGrundgesetzes geht.Am 20. April gab das Gericht Bryan Recht

    und lehnte den Antrag der Staatsanwalt-schaft ab. Auerdem stimmte das Gerichtseinem Antrag auf Verlngerung der An-hrungszeit von einer halben Stunde auf ei-

    ne Stunde zu (gilt auch fr die Staatsan-waltschaft). Verschiedene Brgerrechtsor-ganisationen, die eine Interesse am Ausgangder Anhrung bekundet haben, werden vomGericht angehrt.

    Mumia Abu Jamal Fortsetzung S. 1 Freiheit fr Christian Klar (Forts. S. 1)

    rechnet fr Deutschland grten Boule-vard-Verlag arbeitet.

    Ein weiteres Beispiel ist die Polizisten-witwe Sigrun Schmid, deren Mann Nobert1971 von Gerhard Mller erschossen wur-de. In einem lngeren Artikel der Sddeut-schen Zeitung vom 16. Mrz polterteSchmid: Es darf keine Gnade fr die Gna-

    denlosen geben und meint damit die nochinhaftierten Gefangenen aus der RAF. Sieverfasste einen Brief an den Bundesprsi-denten Khler und unterzeichnete ihn na-mentlich mit dem Zusatz Polizistenwitwe.

    Untersttzt wird sie von ihrem Lebenge-fhrten Klaus Lohmann. Ein ehemaliger Po-lizist, befasst mit dem Aufspren von Ter-roristen. Spter sattelte er um und wurdeJournalist beim NDR.

    Noch einige Bemerkungen zu GerhardMller: Er war RAF-Mitglied und wurdespter zum Kronzeugen, deshalb wurde erfr die Ttung des Polizisten Schmid nicht

    belangt. Der damalige Bundesjustizmini-sters Vogel hatte einen Sperrvermerk berdiese Akte verhngt, weil es dem Wohl derBRD schaden wrde, wenn ihr Inhalt an dieffentlichkeit gelangen wrde (IrmgardMller, Seite 82 in RAF, das war fr unsBefreiung). Mllers Aussagen brachtenIrmgard lebenslnglich ein.

    Bild hetzt fast tglich besonders expo-niert gegen noch inhaftierte und freigelas-sene ehemalige Mitglieder der RAF.

    Sie waren und bleiben Mrder! meintder Kommentator Einar Koch am 25.4 inBild. Der vom Kronzeugen Boock denun-zierte Stefan Wiesniewski, der schon 21Jahre wegen RAF-Aktivitten weggesperrtwar, wird von Bild regelrecht ausspioniert:Fotos von seiner Wohnung und Briefkastenund bisher unbekannte persnliche Datenwerden verffentlicht.

    Zu Peter Jrgen Boock ist auch noch ei-niges mehr anzumerken: Er war in den sieb-ziger Jahren Mitglied der RAF und belogseine GenossInnen, indem er vorgab, er lei-de unheilbar an Darmkrebs und bentigteeine Unmenge an Medikamenten, um sei-ne Schmerzen zu betuben. In Wirklichkeit

    war er drogenabhngig . Mehrere Mitglie-der wurden wegen der Beschaffung dieserMittel verhaftet. 1981 wurde Boock festge-nommen und kooperiert seitdem mit der Ju-stiz und den Medien. Aktuell hat er ver-mutlich einen Exklusivvertrag mit demSpiegel. Er vergleicht heute die RAF u.a. mitNazis. Genaueres zu ihm haben damals Ge-fangene aus der RAF in der Konkret 10/88

    verffentlicht.Franz Josef Wagner, seit 2001 Chefko-

    lumnist bei Springer, lsst in der Bild vom25.4. seinen Aggressionen gegen Christianfreien Lauf: Wre er im offenen Vollzug als

    Bhnenarbeiter ttig, ... wrden wir unstreffen ... Ich nehme an, dass ich Ihnen denInhalt meines Sektglases ins Gesicht scht-te ... In ist, einen Mrder zu hofieren, outist, einen Mrder zu verachten. Diese ge-

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    waltttigen und wtenden Zeilen erinnernan die Hetze der Springergazetten vor 40Jahren gegen die Angehrige der Auer-parlamentarischen Opposition, die das At-tentat auf Rudi Dutschke 1968 mit ausl-sten. An deren Sptfolgen verstarb Rudi1979.

    Heute hetzen viele Bltter immer noch.Eine Vereinfachung und Verharmlosungwre es aber, das nur auf Springer zu re-duzieren. ... da werden Noch-Inhaftierteper Foto und Kopf-ab-Hetze dem Mob an-gedient; werden ehemalige politische Ge-fangene mittels halbseitigen Fahndungsfo-tos und aus dem Zusammenhang gerisse-nen Zitaten wieder in den Knast geschrie-ben; werden einem Gefangenen nach ei-nem Vierteljahrhundert Haft nicht einmaldie gngigen humanen Standards ge-whrt. Schrieb die junge Welt vom 5.5.07treffend.

    Jngste Hetze gab es gegen Ralf Reinders,ehemaliger Gefangener aus der Bewegung

    2.Juni, auf einer Berliner 1.Mai Kundge-bung hatte er historische Fakten zu den vonder RAF der erschossenen Generalbundes-anwalt Siegfried Buback und den Kapitali-stenmultifunktionr Hanns Martin Schley-er benannt. Letzterer war Mitglied in derNSDAP seit 1937 und Handlanger des SS-Massenmrders Reinhard Heydrich in derbesetzten Tschechoslowakei (junge Welt5.5), und Buback war Mitglied seit 1940.Spter war er in seiner Funktion alsChefanklger der Republik mitverantwort-lich fr Verschrfung der Isolationshaftbe-dingungen und den Tod u.a. von den Ge-

    fangenen Holger Meins und Ulrike Mein-hof.Es ist aber nicht nur Hetze, sondern es

    existiert auch Angst bei den Mchtigen, wasauch oft von der Linken vor lauter Repres-

    sion nicht wahrgenommenwird, zeigt der Kommentar

    vom Hamburger Abendblattvom 5.5.: Es gibt sie noch,die Gespenster der Vergan-genheit. Wer gedacht hat, sieseien verschwunden, hatsich geirrt. Das wird schlag-artig klar, wenn ein Ewigge-striger, wie Ex-Terrorist

    Ralf Reinders, mit ewigge-strigen Parolen seine Auto-nomen-Freunde ... begeistert... Das wre eine fatale Ent-wicklung, die neue Anhn-ger anziehen knnte. IhreBefrchtung ist, dass jungeund alte Linke zusam-menkmen, um gemeinsamaus der Geschichte lernenund damit besser agieren zuknnen.

    Dass Publikationen mitPolizeibehrden zusammen-

    arbeiten, wird offensichtlichz.B. bei politischen Verhaf-tungen oder Demonstratio-nen: Oft wird kritiklos die

    Meinung der Sicherheitsorgane bernom-men.

    Es gab frher in den siebzigen Jahren

    auch noch krassere Vorflle, so deckte derSpringerverlag den VS-Mitarbeiter EgonGiordano, der als Betriebsrat eben dort inHamburg ttig war. Giordano war Mitgliedder alten KPD, belastete alte GenossInnen,und war spter in verschiedenen linksradi-kalen Zusammenhngen ttig. Seine Poli-zeimitarbeit und seine linken Bezge wa-ren der Fhrungsetage bestimmt nicht un-bekannt. Illegale aus der RAF hatten Kon-

    takt zu ihm und Ziel des Staatsschutzes wares, diese zu erfassen und mglichst vieleMitglieder zu verhaften. Das scheiterte An-fangs der achtziger Jahre, weil die Illega-len der Polizei damals entkommen konn-ten.

    Die Medien positionieren sich, wie be-schrieben, auf verschieden Ebenen gegendie Freilassung von Christian Klar, indemsie die Fakten verdrehen, verschleiern oderunterdrcken.

    Es sollte gefordert werden, das alle poli-zeilichen und geheimdienstlichen Archivegeffnet werden, um zum Beispiel die Er-

    eignisse der Stammheimer Todesnacht am18. Oktober 1977 transparent zu machen.

    Dass Christian nach ber 24 Jahren Knastkeinen Tag lnger mehr drin bleiben sollte,msste eigentlich Forderung aller Linkensein, da er einer von uns ist!

    Wolfgang

    Brief von Skriye Akarvom 29.3.07Lieber...Woher ich die Diskussion ber die RAF

    mitkriege? Ich empfange hier ARD undZDF. Soeben habe ich mir z.B. Maybrit Ill-ners Sendung zum Thema RAF ange-schaut.

    Die ganze Diskussion ist hetzerisch undvllig unsachlich. Aber an diesem Punktgeben sie den Grund ganz offen zu: Wirmchten nicht, dass sich die Jugend in-spirieren lsst. Genau darum versuchensie (die Medien), Ex-RAF-Mitglieder, wie gewhnliche Kriminelle und unverbes-serliche Mrder(innen) darzustellen. Siefrchten, dass Klar eine Signalwirkung

    haben knnte. Weil ihn 24 Jahre Knasteben nicht beugen, seine berzeugungnicht ndern konnten.Auf der anderen Seite ist da auch eine

    unbndbare Rachsucht mit im Spiel.Der dritte und vielleicht wichtigste

    Grund fr die Hetzjagd gegen Klar unddie anderen ist die simple Situation, in derwir uns gegenwrtig befinden und wel-che er in der Rosa-Luxemburg-Konferenzzur Sprache brachte. Der Kapitalismus istnun mal veraltet und die Welt ist ge-schichtlich reif fr ein neugeborenes Le-ben. Der Kapitalismus bringt derMenschheit nun mal Tod und Verderbenund sonst nichts, wenn man mal von ei-ner privilegierten Elite absieht, der sieRuhm, Glanz und Reichtum bringt. Gera-

    de im Zeitalter der Globalisierung trifftdas mehr denn je zu. Darum auch die Ag-gressivitt gegenber seinem Gruwort.Denn Globalisierung ist nicht anderes alsder Abbau des Sozialstaates und die Rck-kehr zum wilden Kapitalismus.

    Die ganze Diskussionen um Klar sind solcherlich. Der hat schon 24 Jahre abge-sessen. Was soll der ganze Wirbel um die2 verbliebenen Jahre! 24 Jahre! Das mussman sich mal vorstellen! Und die auchnoch unter Sonderhaftbedingungen.Mein Gott! ....

    Seit Ende April befindet sich Skriye

    wie auch die anderen 3 Gefangenen, diein Belgien inhaftiert waren, wieder auffreien Fu.

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    Psychologische Kriegs-fhrung gegen GefangeneDie weltweite Front gegen Imperialismusund Zionismus wrde sich ber die Freilas-sung von Christian Klar aus dem Gefngnisfreuen. Ich knnte drauf verzichten. Es istnicht ein rechter Unionsabgeordneter, dersich so uerte. Es ist vielmehr der Mitarbei-

    ter der grnennahen Heinrich Bll-Stiftungaus Saarbrcken, der in einem Leserbrief inder Monatszeitung Konkret vom Mai 2007seinen Wunsch nach lebenslangem Wegsch-lieen von Klar Ausdruck verleiht. Zuvor hal-luziniert Spter die RAF als eine Art Nach-folge der SS, der es hauptschlich darum ge-gangen sei, so viele Juden wie nur mglichzu ermorden und Krieg gegen Israel zufhren. Nun ist schon seit mehr als 10 Jah-ren eine schonungslose Debatte ber be-stimmte frhe Erklrungen, z.B. zum An-schlag auf die israelischen Sportler bei derMnchner Olympiade gefhrt worden. Dort

    ist sehr viel Richtiges und auch in Richtungder RAF Kritisches gesagt worden. Diese De-batte ist notwendig und richtig. Doch sie hatnichts mit Spters Rundumschlag zu tun.

    In dieselbe Richtung geht ein zweiseitigerBeitrag von Uli Krug, Mitarbeiter bei der neo-konservativen Zeitung Bahamas in der Jun-gle World 18/2007. Dort beteiligt er sich ander seit Jahren laufenden Kampagne vonStaat und auch einigen Ex-Linken, dass esfr die Gefangenen in Stammheim eine Iso-lationshaft nie gegeben habe und die Hun-gerstreiks der Gefangenen gefhrt wurden,um Hafterleichterungen zu verhindern. SeinHauptvorwurf lautet, die Gefangenen httensich mit KZ-Hftlingen und Naziopferngleichgesetzt. Dabei unterschlgt Krug daspolitische Klima jener Jahre. In Teilen dernoch im NS-System sozialisierten Menschenwurde politische Opposition mit Vernich-tungsphantasien im wortwrtlichen Sinnebedacht. Vergasen und ab ins KZ warengelufige Beschimpfungen. Daher war esnicht verwunderlich, dass die Gefangenenhier Vergleiche zogen. Gerade zur Isolations-haft aber wurden in der Regel kaum Verglei-che zu NS-Gefngnisse und Konzentrations-lagern gezogen. Die Gefangenen betonten

    vielmehr, dass sie fr diese neue Art der Re-pression neue Worte und Begriffe findenmssten.

    Spter und Krug verschweigen, dass es inden 90er Jahren eine schriftliche Debatte mitGefangenen aus RAF und Widerstand sowieIngrid Strobl ber Antisemitismus, Antizio-nismus, Israel etc. gegeben hat. Diese Debat-te war auch in der Konkret abgedruckt. Esgab Mitte der 90er Jahre auch einen Brief-wechsel zwischen Christian Klar und der ant-ideutschen Gruppe ak kassiber. Damit wurdeeben nicht Kritik als Waffe gegen die Gefan-

    genen genutzt. Die Beitrge von Spter undKrug hingegen sind der spezifisch exlinke Teileiner psychologischen Kriegsfhrung gegendie letzten Gefangenen.

    Peter Nowak

    Solidaritt mit GabrielPombo da Silva

    Das ist ein dringender Appell, Protestbrie-fe in die JVA Aachen zu schicken gegen diekontinuierliche Isolation von Gabriel Pom-bo da Silva.

    Gabriel, zu 13 Jahren Knast verurteilt imAachen4-Prozess, braucht unsere Solida-ritt. Es scheint so als wollten die deutschen

    Verantwortlichen Gabriel noch mehr iso-lieren als zuvor. Zur Erinnerung: Seit sei-ner Inhaftierung Ende Juni 2004 in Aachenmuss Gabriel 23 Stunden am Tag allein ineiner Zelle sein, quasi isoliert von allen an-deren Gefangenen. Vier Mal im Monat kanner Besuch fr jeweils 45 Minuten haben.Nun hat sich rausgestellt, dass auch Briefe

    von und fr Gabriel verschwinden, dassBriefmarken, die ihm zugeschickt werden,nicht ausgehndigt werden. Die Bcher und

    CDs an ihn werden einbehalten. Seit ln-gerer Zeit schon konfiszieren sie Geld vonGabriel Knastkonto, so dass er nur mit ei-nem festgelegten Minimum an Geld imKnastladen einkaufen kann.Was es fr Gabriel bedeutet, nicht lesen

    und kommunizieren zu knnen, schrieb erkrzlich in einem Brief: Lesen half mir 14Jahre Folter aller Art zu berstehen, es ret-tete mich vor Menschenfeindlichkeit und

    Wahnsinn. Was wollen sie von mir. Glau-ben sie, dass sie mich mit dem Abschnei-den von den Quellen der Kultur, Kunst, Ge-fhlen und Beziehungen, von denen ichtrinke, umdrehen knnen in eine Art Mu-mie, so wie sie es eine sind. Vergessen sie,dass Erinnerungen, dass das Gedchtnis,das Denken nicht niedergebrannt werdenkann, wie sie es in der Zeit des InquisitorsTorquemadas versuchten, wie Goebbels esim faschistischen Deutschland mit derBcherverbrennung versuchte.

    Gabriel braucht, wie jeder andere Gefan-gene, wie Menschen eben berhaupt, tiefesoziale Kontakte fr die Kommunikation,um am sozialen Leben teilhaben und poli-tisch mitdiskutieren zu knnen. Das exi-

    stierende System von Macht und Gier zer-strt mehr und mehr das individuelle, so-ziale Bewusstsein. Am Knastsystem ist dasbesonders drastisch zu sehen.

    Der Versuch Gabriel mehr und mehr zuisolieren, soll seine Persnlichkeit und sei-ne politische Identitt zerstren. Das mugestoppt werden.Wir rufen alle auf, Briefe, Faxe, E-Mails

    in die JVA Aachen zu schicken. Das ist, waswir jetzt und direkt tun knnen. Die Adres-sen der JVA findet Ihr weiter unten.Solidaritt mit Gabriel und allen Gefange-nen im Kampf!

    Stoppt die Isolationsfolter!

    JVA AachenDr. Hans-Joachim GriesKrefelder Str. 251

    52070 AachenTelefon: 0241 9173-0Fax: 0241 9173-273E-mail: [email protected]

    Joss momentane Situation:Trennscheibenbesuch

    Jose Delgado kommt aus der spanischenanarchistischen Bewegung und war dort 24Jahre eingekerkert. Er ist im Aachener 4-Prozess im Herbst 2005 zu 14 Jahren ver-urteilt worden.Jos wurde letzten Monat durchsucht, undes wurde Gras bei ihm gefunden. Auf Nach-fragen antwortete er, dass er es im Knastgekauft htte. Er wird wahrscheinlich einenProzess deswegen bekommen.Auf jeden Fall drfen die Menschen, die

    zuletzt bei Jos auf Besuch waren, nun nichtmehr zu ihm, da der Knast sie verdchtigt,

    das Gras hineingeschmuggelt zu haben. Frwie lange, ist nicht klar bisher.Weiterhin bestraft der Knast Jos mit Be-

    suchen, die nur noch hinter Trennscheibestattfinden drfen (fr drei Monate) undweniger Geld fr seinen Einkauf. Jos warsich noch nicht sicher, ob er solche Besu-che haben wollte, auch als eine Art von Pro-test. Auf jeden Fall mchte er im Momentnicht, dass Leute ihm Geld schicken.

    April 07

    Berlin

    Bericht ber Antiknast-kundgebung

    Am Abend des 3. Mai versammelten sichum die 50 Personen vor der JVA Berlin-Mo-abit, um ihre Solidaritt mit den Gefange-nen der Walpurgisnacht und des 1. Mai zuzeigen. Es wurden Gre an die Inhaftier-ten bersandt, Redebeitrge vorgetragenund Musik gespielt. Die Kundgebung soll-te den 20 Personen, die nach den Maifest-spielen einen Haftbefehl bekommen haben

    und jetzt in Untersuchungshaft sitzen, undauch allen anderen Gefangenen zeigen,dass sie nicht alleine sind und nicht ver-gessen werden. Es hat sich mal wieder ge-zeigt, wie wichtig es fr die Gefangenen ist,dass mensch laute Kundgebungen vor dem

    Berlin auf einer der 1.Mai-Demonstratio-

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    Knast abhlt, da die Gefangenen sich dar-ber freuen, zumindest fr ein paar Stun-den, die Mglichkeit zu haben ein bisschenMusik und sowohl ein paar Sprechhrenzuzuhren. Dies wurde mit Hnden, die ausden Gittern herauskamen begrt.Wieder einmal hat sich unsere Annahme

    besttigt, dass es zu mehr Festnahmen alsim letzten Jahr kommen wird, sprich, eswurden dieses Jahr insgesamt 236 Perso-

    nen festgenommen. Dies ist eine Zustand,den wir nicht ungehrt hinnehmen werden.Zu erwhnen ist noch das bliche Desin-

    teresse von vielen Leuten, wenn keine/r ih-rer FreundInnen im Knast sitzt. Trotzdemmuss mensch weiter versuchen, das ThemaKnast als allgemeines Problem zu themati-sieren und gegen die Abschaffung allerZwanganstalten kmpfen!

    Ihr seid drinnen fr uns - Wir sinddrauen fr euch!!!Fr eine Gesellschaft ohne Knste!!!http://www.abc-berlin.net

    Besuch bei Mustafa AtalayBericht von dem dritten Besuch beiMustafa Atalay

    Am Dienstag, den 17. April, fand der drit-te Besuch in der JVA Hannover statt. Zuerst

    musste ein Antrag beim zustndigen Rich-ter gestellt werden und danach ein Terminmit dem BKA abgesprochen werden, wasinsgesamt 3 Monate dauerte.

    Seit seiner Festnahme im November wardas erst sein dritter Besuch. Die Einlasskon-trollen waren sehr streng: Sie wurden abge-tastet, die Schuhe mussten ausgezogen wer-den und die Besucherin musste ihre Pulloverhochziehen. Der Besuchsraum ist unten imKeller. Die Luft dort ist folglich sehr schlecht,stickig und muffig. Der Weg vom Einlass biszum Besuchsraum ist relativ weit und dieBesucherInnen knnen andere Gefangene

    sehen. Reden, z.B. Gren, wrde sofort zumAbbruch des Besuchs fhren. Das Besuchs-zimmer ist zirka zehn Quadratmeter gro.Die Kommunikation wird durch eine Trenn-scheibe behindert und die Verstndigung ist

    nur per Mikrofon mglich. Anwesend wa-ren ein Dolmetscher und kontrolliert wur-den das Gesprch jeweils durch einen Be-amten der JVA und des BKA.

    Obwohl die anderen Besucher eine Stun-de erhielten, wurde dieses Mal nur eine hal-be Stunde genehmigt. Die Gesprchsthemenwurden vorgegeben: Nichts zum anstehen-den Prozess, nur persnliche Dinge solltenbesprochen werden.

    Gesundheit: Mustafas Zustand gibt Anlasszu Sorge, denn er sieht sehr mitgenommenaus, blass und hat abgenommen. Da er nichtDeutsch spricht, konnte er den Arzt nicht ver-stehen, der ihm was ber seine Beinbe-schwerden mitteilen wollte. Zustzlich leideter an leichter Diabetes. Zensur: Selbst diebrgerliche Zeitung Milliyet erhlt er mit

    Verzgerungen von 3-4 Tagen. Kleidungsar-tikel wurden vom Knast nicht angenommen,weil angeblich die Genehmigung fehlte.

    In seiner Zelle befindet sich ein kleinesFenster, deshalb kann er nur einmal am Tagfr 5 Minuten die Sonne wahrnehmen. Nach

    diesen Strahlen sehnt er sich tglich! Auchvom Knastbetrieb kriegt er nichts mit, dennes herrscht ziemliche Stille in seiner Zelle,da er hermetisch isoliert auf einer Sicher-heitsstation weggeschlossen ist. Umschlussmit anderen Gefangenen befrwortet selbstdie Bundesanwaltschaft, was aber die Ge-

    fngnisleitung ablehnt.

    Razzien in KlnRepression gegen Kurdinnen und Kurdenund ihre Einrichtungen wird fortgesetzt

    Whrend Bundeskanzlerin Angela Merkelgemeinsam mit dem trkischen Ministerpr-sidenten Recep Tayyip Erdogan die dies-

    jhrige Hannover-Messe erffnet hat und diepositiven deutsch-trkischen Wirtschaftsbe-

    ziehungen lobt, wird anderenorts wieder ein-mal massiv gegen Kurden vorgegangen. Soin den frhen Morgenstunden in Kln, wodie Polizei den kurdischen Verein Mala Kur-da gewaltsam aufgebrochen und durch-

    sucht hat.Gleichzeitig fanden ebenfalls in Kln

    Durchsuchungen in 41 Wohnungen statt. Ei-ne Person wurde zwecks erkennungsdienst-licher Behandlung zur Polizeiwache ge-bracht und anschlieend wieder freigelassen.

    Offensichtlich stehen diese Razzien im Zu-sammenhang mit Ermittlungen gegen eini-ge Kurden wegen angeblichen Verstoes ge-gen das Vereinsgesetz. Azad und Yek-kom

    verurteilen das massive polizeiliche Vorge-hen gegen kurdische Vereine und ihre Mit-glieder. Diese Razzien fgen sich ein in die

    Verfolgungsmanahmen der letzten Monatein anderen Bundeslndern oder auch inFrankreich. Sie weisen auf ein Konzept hin,das die Zerschlagung kurdischer Organisie-rung und Strukturen zum Ziel hat und dassich deckt mit einer umfassenden Strategiegegen die kurdische Bewegung. Europa undinsbesondere Deutschland hat aus politi-schen, wirtschaftlichen und militrischen Er-wgungen heraus eine fhrende Rolle in derstrafrechtlichen Verfolgung von Kurdinnen

    und Kurden bernommen.Dies offenbart eine Politik, die keinen

    Spielraum lassen will fr friedliche und kon-struktive Konfliktlsungen. Sie setzt auf Zu-spitzung, Provokation und signalisiert denKurdinnen und Kurden, dass die praktizier-te Verfolgungsstrategie in der Trkei auch

    von den politisch Verantwortlichen inDeutschland untersttzt wird. Ministerprsi-dent Erdogan wirds zufrieden sein.Gemeinsame Erklrung von AZAD undYEK-KOM, Dsseldorf, den 18. April 2007

    Sakine Cansiz wieder frei !Das Hanseatische Oberlandesgericht Ham-burg lehnte am 25. April die Auslieferungder kurdischen Politikerin Sakine Cansiz indie Trkei ab. Der Haftbefehl wurde aufge-hoben und die Kurdin aus dem HamburgerGefngnis entlassen.

    Die trkischen Justizbehrden hatten ihrMitgliedschaft in der Organisation PKK/Kongra-Gel ab 1988 in der Provinz Tunceli

    vorgeworfen. Das reichte dem Gericht nichtaus, um einer Auslieferung zuzustimmen.Die vorgelegten Unterlagen der trkischenJustizbehrden, insbesondere ein von derOberstaatsanwaltschaft Malatya erstellterBericht vom 23. Februar 2007, sei bei wei-tem nicht geeignet gewesen, den der Fest-nahme zugrunde liegenden Haftbefehl"wirksam zu ergnzen". Es fehle "jeglicheSachverhaltsschilderung", auch sei darin"keine nach Zeit, Ort und Art der Begehungkonkret beschriebene Straftat, die der Ver-folgten zur Last gelegt wird", enthalten. So-mit htten die Dokumente in keiner Weiseden Mindestanforderungen an den europi-

    schen Rechtsstandard im Hinblick auf Aus-lieferungsersuchen entsprochen. Deshalbhabe das Gericht einer berleitung der vor-lufigen in eine formelle Auslieferungshafteine Absage erteilen mssen.

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    Rainer Dittrich

    Erklrung zuraktuellen gesund-heitlichen Lage

    Am 24.1.2007 kam es nach der Ankndi-

    gung, dass der groe widerstand beendetwird, zu einem ausfhrlichen Gesprchzwischen mir und der verantwortlichen Ge-fngnisrztin im Lazarettbereich. Whrenddieses Gesprchs versuchte die rztin im-mer wieder, eine Untersuchung bei mirdurchzusetzen. Auf Grund der langen Er-fahrungen lehnte ich das ab, und bestanddarauf, dass ich von den Vertrauensrztenin der Universittsklinik Lbeck behandeltwerde.

    Nach etwa 1 Stunde sagte diese rztinmir zu, dass meine Forderung genehmigtwird.

    Die Zusicherung war:1.) Untersuchung durch den Leiter der

    Schmerzambulanz der Uni-Klinik Lbeck;2.) Untersuchung durch den Internisten

    der Uni-Klinik;3.) Untersuchung durch den Neurologen

    der Uni-Klinik;4.) Genehmigung von Zusatzessen.Der Sachstand vom 23.23.2007 ist fol-

    gender:Die Untersuchung durch den Leiter der

    Schmerzambulanz fand wie zugesagt am3.2.2007 in der Uni-Klinik statt. Die damitzusammenhngenden Behandlungsemp-fehlungen gingen noch am gleichen Tag andie Gefngnisrztin durch einen Beamtender Sicherheitsgruppe.

    Die Untersuchung durch den Internistenfand am 16.2.2007 im gesicherten Bereichdes Gefngnislazaretts statt.

    Das Ergebnis dieser Untersuchung wardie Feststellung des Zustands von Magenund Darm.Am Ende dieser Untersuchung, bei der der

    Leiter des Lazaretts anwesend war, wurdemir zugesichert, dass eine abschlieendeBeurteilung durch den Neurologen statt-

    finden wird.Dies ist bis heute nicht geschehen.Die zugesicherte Zusatznahrung wurde

    und wird mir vorenthalten. Auf nachfragedurch den Rechtsanwalt vom 13.02.2007kam von der Gefngnisleitung am27.02.2007 folgender Beschluss:

    Der AnstaltsleiterStrafgefangene Dittrich, Rainer

    *12.2.1952 in Quedlinburghier: beantragte ZusatzkostSehr geehrter Herr Santen (Rechtsan-

    walt), in Beantwortung ihres Schreibens

    vom 13.02..2007 teile ich Ihnen mit, dasslaut Aussage der fr Herrn Dittrich zustn-digen Anstaltsrztin, Frau Dr. Sandmann,bei dem Gefangenen in Hinblick auf die Be-endigung seines Hungerstreiks am

    25.01.2007 ein langsamer Kostaufbau indi-ziert sei, keinesfalls jedoch Zusatzkost. Siefhrt weiter aus, dass die derzeitige Kalori-enzufuhr des Herrn Dittrich bei ca. 2700kcal lge, eine hyperkalorierte Ernhrungnicht erforderlich sei.

    Diese medizinische Verordnung dientletztlich der gesundheitlichen Wiederher-stellung ihres Mandanten, was in seinemsSinne ist.

    Mit freundlichem GruIm AuftragHoffmann (Traktleiterin)

    Der letzte Satz ist an Zynismus kaum zubertreffen.

    Dass ich dieses Zusatzessen dringendbentige, ergibt sich aus der Tatsache, dassich mehrmals am Tag das Essen wieder aus-kotze. Dieser umstand ist der Gefng-nisrztin genau bekannt.

    Um die augenblickliche gesundheitlicheLage zu umreien, fhre ich die einzelnenPunkte auf:

    durch die deme im linken Lungenflgelfllt das Atmen schwer;

    die linke Niere schmerzt und scheint nichtso richtig zu arbeiten;

    die linke Krperhlfte ist fast vollstndigtaub;

    die Sehkraft auf dem linken Auge ist ein-geschrnkt;

    die Erinnerungslcken weiten sich aus,der Gedchtnisverlust ist bengstigend;

    keine Konzentrationsfhigkeit mehr unddas Finden der Worte beim Sprechen flltschwer;

    das Hren links ist eingeschrnkt; ein bestndiger dumpfer Ton auf beiden

    Ohren; die erst nach 12 Jahren genehmigte Ope-

    rationen an der Wirbelsule im August1999 und im Januar 2000 wurden durchdie gezielte Nicht- und Falschbehandlungim Lazarett vllig konterkariert. Das hatzur Folge, dass ich austherapiert binund keinerlei Besserung in diesem bereichzu erwarten habe;

    das Schreiben musste ich fast vllig ein-stellen. Kontakte nach drauen somit nurnoch ber die sprlichen Telefonate.

    das stndige Kotzen ist unverndert; der Hals- und Rachenraum ist somit stetsentzndet:

    die starken permanenten Kopfschmerzenstellen ein immer greres Problem dar;

    die Wassereinlagerungen in den Gelen-ken sind zurckgegangen und dadurchauch die Schmerzen;

    die Zhne, das Zahnfleisch und der Kie-fer sind sehr in Mitleidenschaft gezogen;

    das schlafen ist nur unter Schwierigkei-ten mglich.Fazit: begonnen hatte ich den groen Wi-

    derstand mit einem Krpergewicht von 75

    kg, bei 1.70 Krpergre.Bei Beendigung des Kampfes betrug meingewicht am 25.02.2007 noch 42 kg.

    Ich gehe auf Grund der fehlenden Be-handlung allein den Weg zur Wiederher-

    stellung der Gesundheit, so gut das nochmglich ist.

    Dieser zustand ist gewollt durch die Ver-antwortlichen, und er ist zutiefst politischerNatur.Wir werden deshalb keine Mobilisierung

    fr mich von drauen starten. Es sei denn,es wird fr unser gesamtes Gefangenen-kollektiv in Aktion getreten.

    Mit fest erhobener Faust und die gefalle-

    nen Genossinnen und genossen im Herzengeht mein revolutionrer Gru aus der Ge-fngniszelle an euch alle.Rainer DittrichLbeck 23.3.2007

    Knast in Meppen

    Nackt ausziehen vorder TV Kamera!

    Auch wenn ich selbst ber kein Fernseh-gert verfge, so berichten mir doch Drittegelegentlich ber Berichte, die im Fernse-hen laufen.

    Im Frhjahr 2006 schrieb mir ein Insas-se aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Sehn-de (Niedersachsen), er habe im Fernseheneinen Bericht gesehen, wie ein Gefangenerder JVA Meppen (Niedersachsen) bei einernchtlichen Razzia, die von einem Privat -TV- Kamerateam begleitet worden sei, sich

    vor der Kamera der Filmcrew und den Wr-ter habe nackt ausziehen mssen.

    Da ich, selbst in Haft sitzend, wei, wiewenige Gefangene bereit sind, sich zu be-schweren, hielt ich es fr sinnvoll, beimLandtag sowie der Justizministerin nach-zufragen, ob das wohl eine Abu-Ghraib-Light-Veranstaltung gewesen sei; wir erin-nern uns sicher alle an die US- Wrter, diein Abu Ghraib u.a. Gefangene nackt foto-grafierten.

    Es dauerte fast ein Jahr, bis der Dssel-dorfer Landtag (Eingabe Nr. :03072/01/15) mir mitteilte, man habe mei-ne Petition der Regierung als Materialberwiesen; dies heit, man stellte ihr an-

    heim, die Eingabe zum Anlass zu nehmen,ggf. Richtlinien zu erlassen. Kurz gesagt,man sah mein Vorbringen fr berechtigt an.

    Denn wie sieht die Rechtslage aus? 84Absatz 2 Strafvollzugsgesetz gibt dem Per-sonal das Recht, Gefangene zu durchsu-chen, auch unter vollstndiger Entklei-dung; jedoch drfen keine weiteren Gefan-genen anwesend sein. Zudem ist dasSchamgefhl zu schonen.

    Es versteht sich - eigentlich - von selbst,dass, wenn keine Mitgefangenen anwesendsein drfen, dies erst Recht fr anstaltex-terne Personen und insbesondere Kamera-

    teams gilt.Mit Bescheid vom 18.04.2007 (Az.: 4514E Meppen 305. 16/06) teilte mir Dr.Berckhauer vom Justizministerium Nord-rhein-Westfalen nunmehr mit, man habe

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    meine Eingabe zum Gegenstand einer Fort-bildung gemacht. Jedoch sei den Wrtern,welche die Filmaufnahmen 2006 duldeten,kein Vorwurf zu machen, da diese - Zitat die Situation rechtlich nicht berblicktund daher auch nicht erkannt (htten), dasssie die Aufnahme htten unterbrechenmssen. Aber man werde dafr sorgen,dass sich keine hnlich belastende Situati-on fr beteiligte Gefangene ergeben.

    Im Grunde stellte das Ministerium demJVA-Personal ein (geistig-intellektuelles)Armutszeugnis aus, denn die konkrete Si-tuation war rechtlich glasklar. Auch wenn es zugegebenermaen

    keiner exorbitanten Geisteskrfte bedarf,um als Wrter in einer Anstalt ttig zu sein,beinhaltet die mehrjhrige Ausbildungdoch auch rechtliche Rahmenbedingungen.Und nach den Bildern nackter Gefangeneraus Abu-Ghraib (Irak), die die Welt er-schtterten, muss auch dem letzten Wrterklar sein, dass es gegen die Menschenwr-de verstt, diesen im Angesicht eine Ka-

    merateams eines Fernsehsenders einer mit vollstndiger Entkleidung verbundenenDurchsuchung zu unterziehen!Thomas MeyerFalk c/o JVA Z. 3117,Schnbornstrasse 32, 76646 Bruchsalhttp://www.freedom-for-thomas.de

    betr.: zu Gefangenen Info 322

    SicherungsverwahrungSehr geehrte Redaktion,

    Gefangener, mchte ich an den Beitrag vonThomas Meyer-Falk im GI 322 anschlieenund genauer aufzeigen, wieso die nachtrg-lich angeordnete Sicherungsverwahrungbeinahe ausschlielich ein disziplinarischesTerrorinstrument des Strafvollzugs ist undnicht zum Schutz der Allgemeinheit vorweiteren Straftaten beitrgt. Anarcho mit 6 Jahren Knasterfahrung

    unter so der offizielle Justizjargon be-sonders gefhrlichen Kriminellen und in

    einem Hochsicherheitsknast einsitzend,existiert er meines Wissens nach tatsch-lich: brandgefhrlicher krimineller Ab-schaum, der extrem gewaltttig und unthe-rapierbar und fr den die Sicherungsver-wahrung (SV) daher die einzig angemes-sene Lebensform ist.

    Solcherart Horror wrde ich auf hch-stens 20 je 1 Million Personen der mnn-lichen Gesamtbevlkerung schtzen. Diewenigsten davon sitzen im Knast, weil dieder Justiz immer durchs Netz schlpfen und das geradezu regelhaft, wie sich leichtzeigen lsst.

    Die medizinische Fachwelt identifiziertden brandgefhrlichen kriminellen Ab-schaum als den untherapierbaren nar-zitischen Borderliner vom Typ Schauspie-lerpersnlichkeit. Doch in der Praxis kn-

    nen forensische Psychiater oder gar derStrafvollzug diesen Typ kaum diagnosti-zieren, da er sich machtbewehrter Autorittgegenber unterwrfig, brav und uerlichangepasst verhlt, was im brigen auch beiden harmloseren Varianten der Borderline-Persnlichkeitsstrung (BPS) auffllt.

    Letztere Strung geht auf eine chronischebererregtheit des Gehirns zurck, von derin Deutschland um 1 Million Menschen be-

    troffen sind. Die BPS prdestiniert zu Ttig-keiten, bei denen blinder Gehorsam we-sentlich zhlt. hne BPSlerInnen liee sichbuchstblich kein Staat machen, insbeson-dere wenn an dessen Repressionsorgane ge-dacht wird. In ihren harmloseren Variantenist die BPS staatstragend, weswegen sie sei-tens von Justiz und Gesellschaft erkennbarignoriert wird: Peinlicherweise ist der vor-bildliche Staatsuntertan die Persnlich-keitsstrung mit der Krankheits-Nr. 301.83nach DSM-IV(APA) !

    Im Strafvollzug gilt daher ausgerechnetder brandgefhrliche kriminelle Abschaum

    hufig als vorbildlicher, wenn nicht net-ter Gefangener und wird kriminologischgnstig prognostiziert. Die in aller Regel aufInitiative/Wunsch des Strafvollzugs hin an-geordnete nachtrgliche SV erhalten statt-dessen vielfach harmlose kleinkriminellePrgelknaben, jedoch solche, die im Voll-zug eben nicht vorbildlich, brav und un-terwrfig sind. Das ist nackter Disziplinie-rungsterror, und diese grell inkompetenteJustizpraxis soll nun auch auf den Ju-gendvollzug ausgeweitet werden.Auch wenn sie es knnten, wrden Staat

    und Justiz die wirklich gefhrlichen Krimi-nellen nicht per SV aus dem Verkehr zie-hen. Denn der Abschaum, seine spekta-kulren Straftaten und die zugehrigenSchlagzeilen in der Boulevardpresse ver-helfen staatlicher Repression und Kontrol-le zu Legitimitt, und das verbreitete Bilddes Kriminellen lsst sich nun wunder-bar berzeichnen in Richtung monstr-ser Figur.

    (Infos zu BPS bei: www.wilhlem-gries-singer-institut.de/veroeffenlichungen/bor-derline; siehe auch die Arbeiten des Neu-rologen und Professors fr Strafrechts an

    der UNI Bremen; Dr. Lorenz Bollinger, so-wie der Leiterin an der Uniklinik Rostock,Dr. Sabine Herpertz)Mit solidarischen GruWerner Braeuner

    JVA SehndeSchnedebruch 831319 Sehnde

    Warnung vor geflschten RoteHilfe-AnrufenIn letzter Zeit haben verschiedene Leute An-rufe von Personen erhalten, die sich als Er-mittlungsausschuss, bzw. Rote Hilfe ausgege-ben haben. In diesen Telefonaten wurden diebetreffenden Personen gefragt, ob sie Mitglie-der der Roten Hilfe seien, oder sie wurden auf-

    gefordert Angaben zu persnlichen Daten zumachen.

    Solche Anrufe sind nicht von uns!Wir stellen hiermit in aller Deutlichkeit klar,

    dass weder die Rote Hilfe, noch der EA zumZweck der Mitgliederwerbung oder zum Da-tenabgleich Leute anruft. Wir warnen davor,am Telefon persnliche Daten weiterzugebenoder irgendwelche Aussagen zu Mitglied-schaften zu machen. Es ist nicht auszusch-lieen, dass der Staatsschutz oder Nazis ver-suchen auf diesem Weg an Infos zu kommen.Wenn ihr solche Anrufe erhaltet, gebt dies

    bitte an eure Ortsgruppe der Roten Hilfe wei-

    ter.Wenn Ihr auf Nummer sicher gehen wollt:

    Die Rote Hilfe ist ber die auf der Internetsei-te (rote-hilfe.de) und auf der Zeitung/ Flug-blttern verffentlichten Post-, Email- Adres-sen und Telefonnummern zu den angegebe-nen Zeiten erreichbar. Wenn Ihr angerufenwerdet, dann knnt Ihr eurerseits darauf be-stehen unter der offiziellen Roten Hilfe-Tele-fonnummer zurckzurufen.Rote Hilfe e.V., OG Mnchen

    G8-Gipfel: nach Festnahmevon 100 Fahrraddemonstran-tInnen in Utrecht/ NL:

    Vier Personen weiter-hin in HaftOffensichtlich im Vorfeld geplante Aktionder Polizei

    100 TeilnehmerInnen einer friedlichenFahrraddemonstration im Rahmen der Fahr-radkarawanen gegen den G8-Gipfel wurdengestern in Utrecht in einer geplanten und ge-waltsamen Polizeiaktion festgenommen, weilsie nicht auf dem Fahrradweg gefahren seien.Bis tief in die Nacht wurden sie unter widri-gen Bedingungen - berbelegte Zellen, keine

    Verpflegung - festgehalten, ihre Fahrrder be-schlagnahmt. Bis heute sitzen weiterhin vierPersonen in Haft, davon wird eine mit Ab-schiebung bedroht und eine soll weitere zwei

    Wochen festgehalten werden.Das Karawane-Infobro protestiert gegen

    diese Kriminalisierung von Protestaktionen im

    Vorfeld des G8 Gipfels in Heiligendamm undruft zu Solidarittsaktionen auf bis alledraussen sind.

    Eine Person befindet sich in sogenannterAuslnderhaft und wird mit Abschiebung be-

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    droht, eine weitere wollen die Behrden we-gen einer unbezahlten Geldstrafe zwei Wo-chen in Haft behalten.

    Bisher hatten die vier verbliebenen Festge-nommenen keinen Anwaltkontakt und ihr

    Aufenthaltsort ist nicht bekannt.Ein weiterer Karawaneteilnehmer wurde

    freigelassen, erhielt aber seinen Ausweis nicht

    zurck, der von der Auslnderpolizei be-schlagnahmt wurde. Zur Zeit finden Vorbe-reitungen fr Solidarittsaktivitten statt.

    HintergrundNach der Festnahme einer komplettenFahrraddemonstration gegen den bevorste-henden G8 Gipfel mit rund 100 Teilnehme-rInnen in Utrecht befinden sich vier Personen

    weiterhin in Haft, darunter mindestens zweiMitglieder der Fahrradkarawane Gr8chao-skaravaan.

    Die Karawane und einige UntersttzerInnenbefanden sich am frhen Samstag Nachmit-tag auf dem Weg aus der Stadt als die Polizeisie mit gezogenen Schlagstcken einkesselteund unter dem Vorwand, sie seien nicht aufdem Fahrradweg gefahren und wrden den

    Straenverkehr behindern, festnahm. Der Po-lizeibergriff ereignete sich ohne Vorankn-digung und sehr schnell, wobei u.a. ein mo-biles Sonderkommando zum Einsatz kam .

    Die Karawane geht aufgrund der guten Vor-

    bereitung und der Anzahl der anwesenden Po-lizeikrfte von einer eindeutig im Vorfeld ge-planten Aktion aus.

    Dieser Einsatz und auch die Gewaltttig-keit, mit der die Polizei gegen die friedlicheFahrraddemonstration vorging, sind fr nie-derlndische Verhltnisse vollkommen unty-pisch erklrt Antje, eine Teilnehmerin der Ka-

    rawane. Wir finden keine andere plausibleErklrung dafr, als dass auf diese Weise ver-sucht werden soll, den Protest gegen den G8-Gipfel schon im Vorfeld zu kriminalisieren undeinzuschchtern.

    Die DemonstrantInnen waren bis spt in dieNacht in berbelegten Zellen bei geringer Sau-erstoffzufuhr und ohne Essen festgehaltenworden. Ihre Fahrrder waren beschlagnahmt

    und abtransportiert, dieSchlsser aufgebrochenund die Rder selbst zumTeil beschdigt worden,ein Groteil konnte aberheute wieder abgeholtwerden. Die Festgenom-men erhielten ANzeigewegen Schweren Ein-griffs in den Straenver-kehr und wurdenwhrend der Haftschlecht behandelt,mehrere Personen be-richteten, wie Polizeibe-amte ihnen gedroht ht-ten das heute war nochtolerant, aber wenn ihrmorgen an der Aktionteilnehmt, werdet ihr unsrichtig kennenlernen.Gemeint war eine anti-rassitische Besichtigung

    des Abschiebelagers in Zeist, an der die Kara-wane heute teilnehmen sollte. Die AktivistIn-nen haben sich jedoch nicht einschchternlassen - obgleich viele nach der Nacht im Ge-fngnis zu erschpft waren, hat sich eine klei-ne Abordnung zum Abschiebelager begeben.

    Derweil finden in Utrecht und anderen Std-ten Vorbereitungen fr Solidarittsaktionenstatt. AktivistInnen hatten bereits gestern zu

    internationalen Solidarittsaktionen aufgeru-fen. Die Grenze fr Festnahmen wird immerfadenscheiniger, der ganze Vorgang zeigt, dass

    jeglicher Protest gegen den G8 Gipfel uner-wnscht ist und bereits im Vorfeld kriminali-

    siert werden soll. Das ist ein massiver Grund-rechtseingriff, den wir nicht hinnehmen wer-den. Wir haben zu Solidarittsaktionen auf-gerufen, bis alle Gefangenen frei sind und ih-re Fahrrder zurckgegeben wurden sagt

    Andree Narres vom Infobro der Fahrradka-rawanen.

    Die Fahrradkarawane wollte spter eigent-

    lich in Nimwegen eintreffen, wo heute derAuftakt der lokalen Aktionstage gegen denG8-Gipfel stattfindet. Nun wird wohl zumin-dest ein Teil der Karawane in Utrecht bleiben,bis sich die Situation der inhaftierten Kara-wanemitglieder klrt. Andree Narres: DieBehrden lassen anscheinend nichts unver-sucht, um den Zeitplan der Karawane zustren. Es gibt auerdem die Befrchtung, dader Karawane durch diese Kriminalisierungdie Einreise nach Deutschland erschwert wer-den soll. Ein absurdes Szenario: Einreisever-bot wegen Radfahren abseits der Fahrradwe-ge! meint Andree Narres.

    Deutschland will im Vorfeld des G8 Gipfelsdas Schengener Abkommen vorbergehendauer Kraft setzen um die Einreise von De-monstrantInnen zu be- und verhindern.

    Insgesamt finden sechs Fahrradkarawanenstatt, um im Vorfeld des G8-Gipfels durch Ak-tionen und Veranstaltungen in verschiedeneneuropischen und deutschen Stdten auf denProtest zum bevorstehenden G8 Gipfel auf-merksam zu machen und Protestthemen wieMigration, Biotechnologie, Umwelt, Land-wirtschaft, soziale Gerechtigkeit und Brger-rechte sowie bestehende Kmpfe in diesen Be-reichen an die ffentlichkeit zu bringen.Informationen ber die Gr8chaoskaravaan- westeuropische Fahrradkarawane gegenden G8-Gipfel:http://dissentnetzwerk.org/wiki/Bicycle-Caravan_%22West%22Presseerklrung des Fahrradkarawanen In-

    fobros in Rostock

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    UnserRhythmusgegen ihrenRhythmusJean-Marc Rouillan im Interview mit derRoten Hilfe - verffentlicht in der Sonder-beilage der Jungen Welt zum 18.03. (hierin ungekrzter Version), Teil II

    Die HaftbedingungenVon Anfang an und ber viele Jahre EurerHaft ward ihr einer sehr speziellen Be-handlung von Totalisolation ber Teilisola-

    tion mit zahlreichen Besuchs- und Postbe-schrnkungen ausgesetzt. Wie habt ihrEuch dagegen gewehrt?

    Seit dem ersten Tag unserer Verhaftun-gen haben sie Sonderhaftbedingungen ge-gen uns ausgearbeitet, diese sollten unsschwchen und erreichen, dass wir uns vomrevolutionren Kampf, den wir drauen ge-fhrt hatten, distanzieren.Wir vier (Nathalie, Joelle, Georges und

    ich) haben uns entschieden, uns dagegenzur Wehr zu setzen und auf dem Terrain zukmpfen, auf dem der Staat tgliche Folterund spektakulre Repression Hand in Handgehen lie. Nach zwei langen Hungerstreiksgelang es uns, einen Raum von Gemein-schaft untereinander zu erkmpfen (wirkonnten uns treffen, einander schreiben, re-

    volutionre Zeitungen erhalten ...). Wir ha-ben nicht aufgegeben und whrend all derJahre haben wir uns dazu bekannt, zurkommunistischen Guerilla gehrt zu haben.

    Wir haben die Grundlagen unseres Enga-gements niemals in Frage gestellt. Durchunseren Widerstand hat der Staat verstan-den, dass er uns nicht brechen und whrendder letzten Prozesse nicht als Stimme des

    Abschwrens wrde benutzen knnen.Wie sieht dein Alltag im Knast aus?

    Ich bin heute in einem fast normalen Voll-zug in einem Hochsicherheitsgefngnis.Natrlich gibt es hier verschrfte berwa-chung in Bezug auf politische Zensur, undbei denen, die Besuchsantrge stellen, wer-den polizeiliche Ermittlungen durchge-fhrt, aber das hat mit dem, was wir frherdurchlebt haben, nichts mehr zu tun. IhrZiel ist nicht mehr dasselbe. Sie brauchenkeine Folter mehr und auch keine soforti-ge Zerstrung. Sie haben Zeit. Obwohl wir

    unsere Mindesthaftzeit hinter uns haben,behalten sie uns noch so lange, bis wir ent-weder unseren politischen Ideen ab-schwren oder von Medizinern zu Todge-weihten erklrt werden.

    Siehst Du Parallelen zur Haft der Gefange-nen aus der RAF?

    Selbstverstndlich der Staat hat trotzder kulturellen Unterschiede, die es zwi-schen beiden Lndern gibt, auf das gleicheProblem in der gleichen Art und Weise rea-giert. Der Staat hat die Konfrontation aufdem Terrain der politischen Haft um uns

    vier herum erffnet. Mit unseren Verurtei-

    lungen wie auch mit der Vernichtungspo-litik durch die Haft hat er einen klaren Tren-nungsstrich zwischen dem kompatiblen po-litischen Raum und der Kriminalisierung

    von Menschen aus dem Widerstand gezo-gen, die es zu eliminieren gilt.Wir wurden nicht in den 70er Jahren ver-

    haftet, sondern gegen Ende der Offensive derGuerillas. Es ist klar, dass wir ansonsten dasgleiche Schicksal erlitten htten wie die er-ste Gruppe der Gefangenen aus der RAF. ()

    Was sind die Ziele des Staates und siehstDu Widersprche innerhalb des Staatsap-

    parates und in der herrschenden Klasse?Seit fast zwei Jahrzehnten gab es keiner-

    lei Widerspruch im Staatsapparat und in derfhrenden Bourgeoisie und auer von die-sen Krften wurden wir von allen Seiten

    verurteilt; von der institutionellen bis zurradikalen Linken. Wenn die radikale Linke

    vom System als selbsternannte Revolu-tionre geduldet werden wollte, war sie ge-zwungen, uns zu verurteilen.

    Mittlerweile rcken einige gesellschaftli-che Bereiche von der Verbissenheit, die ge-genber uns besteht, ab. Das ist ein erster

    Schritt, um mit dem nationalen Konsens zubrechen, den es im Hinblick auf unsere Ver-nichtung im Knast gibt. Das alles bleibtnatrlich im Moment im gesetzlichen Rah-men der unpolitischen Normalisierung. In-dem sie sich auf das Recht berufen, pran-gern sie an, dass wir weiterhin in Haft sind:Sie haben ihre Strafe verbt. Weiter ge-hen sie nicht, da die politischen Rahmen-bedingungen, mit denen unsere Haft zu-sammenhngt, extrem blockiert sind. Sicheinen Schritt vor zu wagen, wrde bedeu-ten, den bisherigen Konsens anzugreifenund die Spielregeln in Frage zu stellen und

    erneut die Frage aufzuwerfen, welcheKmpfe und welche Widerstnde gegen-ber den autoritren Regimes im imperiali-stischen Zentrum mglich sind. Das istheutzutage ein groes Tabu.

    Aber es ist mglich, dass sich dieserStandpunkt weiterentwickelt, wenn mit der

    Ablehnung von Freilassungen immer deut-licher wird, dass es in unserem Fall nie ei-ne juristische Frage gab, sondern dass allesnur der Verschleierung der politischen Re-pression gegen nichtkompatible Opposi-tionelle diente. Diesen Menschen wird be-wusst werden, dass der Staat mit der Re-pression gegen uns vom ersten Tag bis heu-

    te die Idee von revolutionrem Widerstandkriminalisiert und verfolgt.Dieser Standpunkt wird sich um so

    schneller entwickeln, wenn die Solida-rittsbewegung, die in den 20 Jahren ent-standen ist, breite militante Bewegungen imSchneeballsystem erreicht.

    Die politische PraxisWas denkst Du ber die Entstehung der

    Antiglobalisierungsbewegung und ber ih-re Praxis, z.B. ber Attac?

    In der Antiglobalisierungsbewegungsteckt alles und nichts gleichzeitig. Es gibt

    darin sozialdemokratische berbleibselebenso wie Mode - Libertre, parteiloseKommunisten und Kommunisten aus durchund durch revisionistischen Parteien. Aberdas Wichtige dieser Bewegung liegt in ih-rer Bedeutung als Volksuni. Diese Bewe-gung studiert mehr oder weniger gut dieEntartungen des transnationalen kapitali-stischen Systems und seiner neoliberalenHerrschaft. Was das angeht, kann man be-haupten, dass diese Bewegung mit der dog-matischen Lethargie der radikalen Linkender 80er und frhen 90er Jahre gebrochenhat. Das war eine Linke, die eher von t-nenden ideologischen Reden und ihren Ho-kuspokusplnen zum Aufbau totgeborenerParteien angetan war als von einer Unter-suchung des Kapitalismus und der Wider-sprche, die zu erwarten waren.

    Nach der Eliminierung der revolutionrenGuerillas und der am weitesten entwickel-ten Krfte der Bewegung sind die Globali-sierungsgegner praktisch die Einzigen, diedie Probleme von Globalisierung und Pre-karisierung aufgreifen. Dabei haben sie stetssehr darauf geachtet, revolutionre Lsun-gen fr diese Probleme auen vor zu lassen.

    Sie weigern sich z.B., eine wesentliche Tat-sache zu thematisieren: Der Neoliberalismusist das heutige Gesicht des weltweiten Kapi-talismus und des Imperialismus. Wenn siedie Vision einer mglichen Rckkehr zu ei-nem regulierten Kapitalismus vertreten, be-trgen sie ihre Anhnger. Auch wenn sie be-haupten, dass es mglich sei, mit ein paarkosmetischen Reformen eine Lsung zu fin-den, wo doch der Neoliberalismus das Mo-dell ist, das die imperialistische Bourgeoisieerdacht hat, um den Fortbestand der Pro-fitraten und des weltweiten Kapitals im All-gemeinen zu sichern.

    Der Kapitalismus kann nur durch Aus-weitung von Ausbeutung und Unter-drckung berleben. Das bedeutet eine ver-strkte Abhngigmachung der Massen desSdens von Lohnarbeit, intensivere Aus-

    Gerichtsentscheid erst nachden Wahlen!Die Entscheidung ber die Freilassung

    von Nathalie Mnigon auf Bewhrungwurde auf den 10. Mai verschoben.

    Die Entscheidung war fr den 25.4. an-gekndigt. Aus materiellen Grnden,wie es lapidar vom Gericht hie, wurdesie nun verschoben.

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    beutung der Arbeitskraft, eine neue welt-weite Arbeitsteilung ... Und das, was durchkonomischen und finanziellen Drucknicht erreicht werden kann, setzt der Kapi-talismus mit Krieg und einer erneutenKompradisierung (erneute Kolonialisie-rung, Schaffung von Homelands und Pro-tektoraten ...) durch, was eine erneute ge-waltsame Aneignung der wesentlichenRohstoffquellen mglich macht ...

    Die Barbarei des Systems liegt nicht amneoliberalen Modell, sondern an der Ful-nis des Kapitalismus selbst.Auf dieser Grundlage hat sich die An-

    tiglobalisierungsbewegung als unfhig er-wiesen, die geringste praktische und orga-nisatorische Lsung anzubieten. Sie sta-gniert im Unpolitischen und stellt sich na-iv auerhalb der Kmpfe um die Macht. Siemacht daraus sogar eine Tugend. Von Fo-rum zu Forum dreht sie sich im Kreis und

    vertritt fortwhrend eine Position, dienichts mehr anklagt. Die Praxis der An-tiglobalisierungsbewegung beschrnkt sich

    auf eine Komplizenschaft mit der refor-mistischen Linken allgemeiner ausge-drckt, auf Demonstrationen des me-tropolitanen Protestlertums.

    In den 90er Jahren, als mehr oder we-niger die Vorstellung vom Ende des So-zialismus akzeptiert wurde, hat die An-tiglobalisierungsbewegung es aufgege-ben, den Klassenwiderspruch in der ka-pitalistischen Welt zu sehen. Das ist nichtweiter erstaunlich, weil diese Bewegungim Wesentlichen aus dem Mittelstandhervorgegangen ist und von klassen-bergreifenden politischen Krften um-geben ist. Und so war diese Bewegungzu keinem Zeitpunkt in der Lage, die un-mittelbaren und die langfristigen Inter-essen der Mehrheit der Menschheit zuvertreten. Ich spreche vom prekren Prole-tariat. Es ist sogar noch schlimmer, denn dieTendenz zur Negation des Proletariats ist derEckpfeiler dieser Foren.

    Vor einiger Zeit wurden die sozialen Kmp-fe in Frankreich von zwei Bewegungen ge- prgt, die zwei sozial unterschiedlicheGruppen betrafen. Das waren zum einen die

    Bewegung der jungen Prekren aus denBanlieues und zum anderen die Bewegungder Schler und Studenten. Siehst Du eineneue Qualitt des Klassenkampfes in Frank-reich?

    In den Banlieues und bei den Studentenwar innerhalb eines Jahres eine Auswei-tung der Bewegung zu beobachten, die esauf niedrigerem Niveau bereits seit zehnoder fnfzehn Jahren gibt. Aber kann mandeshalb von einer neuen Qualitt des Klas-senkampfes sprechen? In diesen beiden Be-wegungen gegen die Prekarisierung, die aus

    vllig unterschiedlichen Grnden gefhrt

    werden, drckt sich keinerlei Bewusstseinber ihre Klassenlage und die darin liegen-den Mglichkeiten aus. Es taucht darin kei-ne einzige revolutionre Forderung auf.Wir konnten verfolgen, wie schnell die

    Bewegung der Studenten von politischenInstitutionen eingekreist und aufgesogenwurde, von denen sie behauptet hatte, dasssie mit ihnen nichts zu tun habe (korpora-tistische Gewerkschaften und linke Partei-en). Angesichts der Prekarisierung befr-wortet die Studentenbewegung eine Reiheflankierender Manahmen, die mit den Pro-

    jekten der Mitbestimmungsorgane zusam-menfallen. Im Gegensatz zur Studentenbe-

    wegung von 1968 geht es ihr nicht darum,ihre Proletarisierung im Dienst der gesam-ten Klasse in Widerstand zu verwandeln.Im Gegenteil, sie versucht Garantien dafrzu erhalten, um nicht in die Kategorien vonPrekaritt abzurutschen, in denen sich dieJugendlichen aus den Banlieues befinden.Die Studentenbewegung hat positiv auf dasauf Konsens ausgerichtete Konfliktmana-gement reagiert. Ihre Revolte war mit demSystem kompatibel und war folglich inte-grierbar. Und sie wurde integriert.

    Die Revolte in den Banlieues wurde hin-gegen sofort als nicht-kompatibel erklrt,

    und der Ausnahmezustand wurde verhngt(1968 wurde das von der gaullistischen Re-gierung selbst mitten im Aufstand nicht ge-tan). Der Aufstand wurde verteufelt und alsGanzes abgewiesen, selbstverstndlich beiden Linken und auch bei den Gauchisten,die eine vorsichtige Zurckhaltunguerten; eine unbeschreibliche Heuchelei.Einige von ihnen kritisierten die Gewalt-

    handlungen der Jugendlichen aus den Vor-stdten, um sich dem Innenminister anzu-schlieen, indem sie Banden von Krimi-nellen und den Druck von Islamisten aus-machten. Und wie zu den schlimmsten Zei-ten im 19. Jahrhundert taten sich alle Ver-fechter der guten Gesellschaft auf der kom-patiblen Seite zusammen und behandeltendie gefhrliche Klasse mit Verachtung.

    In Debatten der Linken wie denen der Be-wegung wurde der Klassenhintergrund derEreignisse geleugnet und sich auf Rander-scheinungen beschrnkt (die provozieren-den uerungen des Innenministers ber

    Krcher-Hochdruckreiniger und den Ab-schaum, Bandengehabe, Revierverteidi-gung zum Dealen usw.), ohne vom Heran-reifen eines allgegenwrtigen Rassismus zusprechen, der aus einer kolonialistischen

    Kultur entstammt und dessen man sichnicht einmal bewusst ist: Assimilierung, Pa-ternalismus, Glorifizierung universeller

    Werte unserer guten Republik und den Wil-len, unsere Hochkultur an Protestlertum zu

    vermitteln, um diese kleinen Wilden zu er-ziehen ...

    Der Gauchismus fhrt sich wie die alteArbeiteraristokratie auf, das ist sicher. Ererkennt die Probleme, die von dem extrem

    prekarisierten und ghettoisierten neuenKlassensubjekt aufgeworfen werden, sehrgenau und wei, dass er nicht fhig oderwillens ist, aus einer revolutionren Sichtdarauf zu antworten.

    Man muss verstehen, dass die Jugendli-chen aus den Banlieues zwischen zwei Po-len hin- und hergerissen sind: der Hoffnungauf Integration in die Konsumgesellschaft(eine Sackgasse auer fr einige wenige)und der Hoffnungslosigkeit einer Klasse, diederart prekarisiert ist, dass sie ausgeschlos-sen und berflssig erscheint. Ich betone,dass das nur so scheint, denn diese allzeit

    verfgbare und wegwerfbare Arbeits-kraft drckt stndig auf den Preis der

    Arbeit und ist darin von grundlegen-der Bedeutung. (Die traditionelle Ar-beiterklasse kann nicht mehr der aus-schlieliche Kern des neuen Proleta-riats sein, man muss die Entwicklungder weltweiten prekren Klassebercksichtigen, eine Entwicklung

    von den Elendsvierteln hin zu denCits, von intensiver Arbeit hin zurMassenarbeitslosigkeit ...)

    Die augenflligste Prekaritt be-steht darin, in der Wahrnehmung deranderen und der Gesellschaft im All-gemeinen nicht mehr zu existieren.Das eigene Elend wird weggewischtund bis zum Verschwinden verleug-

    net. Die einzige Art zu existieren ist, ab undzu Brnde zu legen, das ist klar. Wenn wir zum ersten Mal in der Ge-

    schichte einigen Puristen folgten, dannmsste das Proletariat (seine prekrestenSchichten) sich seiner Lage und seiner Auf-gaben unmittelbar bewusst sein! Unsinn!

    Mit Marx erinnern wir daran, dass es nichtso wichtig ist, was das Proletariat in einem

    bestimmten Augenblick denkt und tut, son-dern das, wozu es zu sein und zu handelnbefhigt wird. Wichtig ist vielmehr die Art,wie sich das Proletariat als Klasse heraus-bildet unter den historischen Bedingun-gen von Ausbeutung und Unterdrckung ...und in seinen eigenen Kmpfen. DieseKmpfe entstehen aus seiner Spontaneittund stellen sich entschieden auerhalb desbrgerlichen sozialen Konsenses.

    Heute wachsen Elend und Prekaritt inden Vierteln immer weiter an. Innerhalb

    von 15 Jahren von 42% auf 60%, mit einerArbeitslosenrate, bei der von zwei Arbei-

    tern mehr als einer arbeitslos ist; bei denJugendlichen sind sogar zwei von dreienohne Arbeit.

    Soziale und rassistische Diskriminierung verschlimmern sich gleichzeitig in der

    Ausnahmezustand in den Banlieues

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    Schule, auf dem Arbeitsmarkt, auf demWohnungsmarkt und in der Freizeit. Zur so-zialpolitischen Negation kommt der Druckeiner gewaltttigen und rassistischen Poli-zei hinzu. Und wie die Black Panther Par-ty sagte, kennen nur die Schwarzen die au-toritren Grundlagen der Apartheidgesell-schaft.

    Je mehr die Jugendlichen in den Auen-bezirken mit Polizeistaat, sozialem Kahl-

    schlag und tglicher Erniedrigung kon-frontiert sind, desto mehr lsen sie sich vonden integrierten und berholten Protestin-stanzen, die der demokratischen Gesell-schaft zur Verschleierung und als Alibi die-nen. Sie lehnen die whlbare Linke und diefalschen Radikalitten der Witzbolde ab.Das ist normal. Die prekren proletarischenSchichten lehnen Instanzen ab, die nichtsmit ihnen zu tun haben wollen und sogarihre Existenz in diesem neoliberalen Mo-dell verleugnen. Sie haben kein Vertrauenmehr. Es ist sogar noch schlimmer,denn beide Seiten, die Linke wie die Ju-

    gendlichen aus den Vierteln, habenweder Konzepte noch das Handwerks-zeug, um sich einander anzunhern, janoch nicht einmal einander zu-zuhren.

    In den Elendsvierteln der Lnder desSdens wie in den imperialistischenMetropolen von Aubervilliers bis Los

    Angeles, von Sao Paulo bis la Cour-neuve beweist sich heute, dass gleicheUrsachen gleiche Wirkungen nach sichziehen. Die Aufstnde in den Randge-bieten der Stdte sind der unmittelba-re politische Ausdruck des prekrenProletariats und werden es auch wei-terhin sein.

    Die Mechanismen eines mglichenberganges in eine weiter vorange-schrittene Phase sind bereits zu erken-nen. Nach den Aufstnden im Novem-ber (Anm.: 2005) wurden sich einigeGruppen in den Vorstdten ihrer kol-lektiven Kraft wirklich bewusst. Ichglaube, dass das nur ein Anfang ist undder erste Schritt eines Klassenbewusst-seins, das aus der Spontaneitt derMassen entsteht.

    Um noch mal auf Marx zurckzu-kommen, so muss man sagen, dassKommunisten keine wtenden, Schei-ben einschlagenden Proletarier verur-teilen sollten, statt dessen sollten sie sichdie Frage nach einer Politik stellen, diein der Lage ist, sie an die Spitze dieser Re-

    volte zu fhren. Fr alle ernsthaften Revo-lutionre bleibt diese Fragestellung auf derTagesordnung.

    Offenbar haben Organisationen und Tradi-tionen der Linken die Kmpfe der Jugend-lichen aus den Banlieues nicht beeinflusst,

    whrend linke Jugendorganisationen undParteien an der Basis der Studentenbewe-gung eine Rolle gespielt haben. Siehst Dueine Mglichkeit zur Annherung dieserKrfte?

    Wenn ihr erlaubt, machen wir erst mal ei-ne kurze Lagebestimmung. Die Art derfrheren Linken, Politik zu machen, ist imneoliberalen Modell das institutionelle Ge-genstck zur extremen Rechten. Die frhe-re neue Linke ist durch ihr Abdriften inGewerkschafts- und Wahlkampfpolitik andie Stelle des Gauchismus getreten. DerKern dieser Bewegung (der trotz der reak-tionren Kehrtwende weiter besteht) be-

    treibt regionalistische Nabelschau. Er rich-tet sich ohnmchtig in den Verhltnissenein oder ist in einen sektiererischen Ideolo-gismus zurckgefallen.Auf allen Ebenen herrschen legalistische

    und pazifistische Haltungen vor. Immer sel-tener gibt es Aktionen, die Grenzen ber-schreiten, und noch seltener gibt es kriti-sche Brche.

    Linke Organisationen und Traditionenmssten sich kulturell revolutionieren, da-mit sie auf die proletarischen Massen aus

    den Vorstdten Einfluss haben knnten.Wie wir weiter oben schon gesehen haben,war es ihnen ber die Kompatibilitt unddie Integration in die Institutionen mglich,die studentische Revolte zurckzugewin-nen, aber mit den Jugendlichen aus denBanlieues ist das eine ganz andere Sache.Seit dem Verschwinden (Eliminierung

    durch Repression) der revolutionren anti-imperialistischen Linken ist ein tiefer Gra-ben entstanden.

    Um zu versuchen, ihn zu berwinden,bruchten sie in erster Linie ein sehr nahes

    Verhltnis zu dieser Klasse, was um soschwieriger ist, da der Groteil der Gauchi-sten aus einem relativ geschtztem Milieustammt und die Rebellen aus den Vorstd-ten nicht in die Kategorien passen wollen,die von ihren alternden Archetypen (Anm.:Urbildern) beschrieben wurden.

    Obwohl ich 20 Jahre hinter Gittern ver-bracht habe, kann ich etwas zum Ver-stndnis beitragen. Denn zum Glck ha-

    be ich hier viele dieser Jungen getroffen.Auf den Stufen von Arbeitslosigkeit undZeitarbeit ist das Gefngnis fr sie ein ob-ligatorisches Feld. Im Gegensatz zu dem,was die Gauchisten denken, drcken dieProletarier der Banlieues eine Politisierungaus, auch wenn sie chaotisch und komplexist. Sie ist die Widerspiegelung ihrer Klas-sensituation, prekr und transnational.

    Konkret heit das, dass sie vor allen an-deren politischen Themen ber die Beset-zung Palstinas und die Angriffe gegen den

    Irak reden .... Sie waren im Juli unge-mein stolz auf den Widerstand der

    Hisbollah (ob Moslems oder nicht), soals kmpfte der libanesische Wider-stand auch in ihrem Namen.

    Um nur ein Beispiel zu geben,whrend des ersten Irakkrieges warich in Fresnes im Gefngnis. Mitten inder Nacht applaudierten 4000 Gefan-gene (vorwiegend junge Mnner ausden Pariser Banlieues) den Scud-raketen gegen die amerikanische Ar-mee, Saudi-Arabien und Israel.

    Die Linke kmpft im Allgemeinenfr den Frieden oder dafr, die impe-rialistische Aggression mit Lippenbe-kenntnissen anzuklagen, aber nichtdafr, den Widerstand der Schwacheneffizient zu verstrken. In den Dis-kussionen richten sie sich gegen An-greifer und Angegriffene, indem siezum Beispiel zwischen den israeli-schen Massenbombardierungen undden Katjuschas aus dem Libanon Par-allelen ziehen! Wie soll es da nochmglich sein, mit den Jugendlichen in

    Verbindung zu treten, von denen ei-nige bereit sind, fr die Befreiung Bag-dads zu kmpfen (einige haben es ge-

    tan)? Und es sind noch viel mehr, dieverstehen, was ein tatschliches En-gagement ist, das die Kmpfe im S-

    den mit ihrer Revolte gegen das Elendhier miteinander verknpft.

    Im Laufe der Jahre sind die Jugend-lichen zu dieser Feststellung gelangt. In derMetropole hilft ihnen berhaupt keine lin-ke Organisation dabei, diese internationa-listische Politisierung in konkrete Praxisumzusetzen. Keine Gruppe vor Ort hofft aufdie Reifung ihres antiimperialistischen Be-wusstseins. Ganz im Gegenteil, als sie mitden derzeitigen Militanten zu tun hatten,

    waren die Jugendlichen von deren euro-zentristischen Positionen, ihren legalisti-schen praxislosen Gesprchen, ihrer pazi-fistischen Moral, wenn nicht sogar vonihrem unbewussten Rassismus abgestoen.

    Zum Gedenken an Holger Meins

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #324

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    Sie begngen sich nicht mit den Grenzender Solidaritt, wenn sie nur machtlose Un-tersttzung bleibt ...

    Die Solidaritt mit den GefangenenIhr seid seit 20 Jahren im Gefngnis. BistDu der Auffassung, dass die sozialen Kmp-

    fe die Chance erhhen knnen, dass ihr frei-gelassen werdet?

    Natrlich! Solange wir unserem politi-

    schen Engagement treu bleiben, das heit,solange die Regierenden uns nicht zu Kri-minellen erklren knnen, knnen nur Mo-bilisierungen und Kmpfe unsere Freilas-sung erreichen, indem sie auf politischemTerrain die Entscheidung erzwingen. Wenn wir unsere Kriminalisierung ak-

    zeptieren, unsere Vergangenheit wegwer-fen und sie kritisieren wrden, um darauseinen Vorteil zu ziehen, wrden die Rich-ter unsere Strafe als verbt erklren unduns freilassen. Vom ersten Tag unserer Haftan verlief die Erpressung gleich. Wir wur-den zu lebenslnglich verurteilt, damit der

    Staat diese Erpressung lebenslnglich fort-setzen kann. Dadurch bestimmt sie unserKnastleben in jedem Augenblick.

    Ihre Hartnckigkeit zeigt, wie sehr sie un-ser Abschwren brauchen. Und im Gegen-zug zeigt es, wie wichtig es ist, dass wir un-serem Engagement treu bleiben. Und die-ses Engagement geht weit ber unsere be-scheidenen Personen hinaus.

    Gibt es fr Nathalie, die mehrere Schlag-anflle erlitten hat, die Mglichkeit einerHaftverschonung nach dem Kouchner-Ge-setz?

    Die Freilassung von Joelle durch das Ge-richt in Arras hat die Herrschenden ber-rascht, wobei die Richter nichts weiter ge-tan haben, als das Gesetz anzuwenden. Wieihr Tod leider bewiesen hat, war das End-stadium ihrer Krankheit unbestreitbar. Biszu ihrem Tod hat das den Justizministernicht daran gehindert, das Gegenteil zu be-haupten und in den Medien gegen ihre Frei-lassung Sturm zu laufen.

    Seitdem hat der Staat die Spielregeln wie-der verndert. Es wurde eine Sonderstruk-tur (Anm.: zur Entscheidung ber Fortdau-

    er der Haft, Aussetzung der Strafe auf Be-whrung etc.) geschaffen, die unmittelbarmit den Sondergerichten in Paris verbun-den ist.

    Es ist klar, dass fr diese Sondersenate derpolitische Part ber dem Gesetz steht undes keine berraschungen mehr geben wird.

    Sind in nchster Zeit konkrete Aktionen ge-plant, um eure Forderungen auf Freilassungzu untersttzen?

    Seit Monaten luft in einem Teil der Be-wegung einiges an Mobilisierungen zur So-lidaritt. Einer der zentralen Punkte wird

    Ende Februar sein, zum zwanzigsten Jah-restag unserer Verhaftung. Die Solida-rittskomitees fr unsere Befreiung werdeneine Aktionswoche mit Demonstrationenund Aktionen durchfhren.

    Ein Brief von Marco Camenisch

    Zum 8. Mrz und 1.Mai 2007Liebe Freundinnen und Freunde, Genossin-nen und Genossen

    Mit ganzem Herzen und viel Aufmerksam-keit bin ich mit euch im ehrlich revolutionren

    Kampf fr die notwendige andere, friedliche,natrliche und gerechte, daher freiheitliche

    Welt dabei, die aus dem Nebeneinander vie-ler verschiedener Welten und Geschichten be-steht.Wieder einmal danke ich euch fr eure So-

    lidarittsarbeit fr und mit uns revolutionrenGefangenen, eine Solidarittsarbeit, die sichoffensichtlich nur wirkungsvoll entwickelnkann, wenn sie unsere unterschiedlichen re-

    volutionren Tendenzen, Methoden und An-strengungen gegen die Repression vereint.Diese Solidaritt finde ich nicht nur im spe-zifischen Rahmen wichtig, ich finde sie auch

    wichtig als Mittel und Weg zur Strkung derDiskussion und Auseinandersetzung der ver-schiedenen Richtungen und Krfte mit demZiel eines allgemeinen und gemeinsamen li-bertren Vorgehens im revolutionren Kampfund in der revolutionren inhaltlichen Be-stimmung, um einen breiten Fluss bilden zuknnen, der gengend Kraft und Tiefe hat, umunseren mrderischen Feind, nmlich Kapi-tal, Staat und Ausbeutung, endgltig zu be-siegen und die von uns angestrebte Welt aus

    vielen verschiedenen gleichwertigen Weltenund Geschichten einzurichten.

    Der 1. Mai steht vor allem fr den Kampfgegen die Ausbeutung des Menschen durchden Menschen. Weg, Inhalt und Ziel des re-

    volutionren Kampfes aller Ausgebeutetender Erde sollten, finde ich, sich jedoch voll-stndiger und viel grundlegender der Frageder sthlernen Einheit Krieg, Technologie und

    Ausbeutung stellen, dieser Einheit, die seit Be-ginn der menschlichen Zivilisation und desPatriarchats besteht und wchst. Wir revolu-tionr kmpfende Ausgebeutete und revolu-tionr kmpfende Menschen allgemein soll-ten uns dem mrderischsten und selbstmr-derischsten Ausdruck der Krise der Zivilisati-

    on, das heisst heute der globalen Krise des ka-pitalistischen Systems, grundlegend und voll-stndig stellen. Das heisst, wir sollten uns derZerstrung der Umwelt und der endgltigen

    Vernichtung der letzten Menschen, die nochmit ihr zu leben und sie zu erhalten fhig sind,also der Zerstrung unserer Lebensgrundla-gen, der laufenden Ermordung der Erde undihrer BewohnerInnen aller Arten stellen. Wirknnen diese entscheidende Frage gewissnicht den Herrschenden berlassen. Denn die

    jetzt und in der sehr nahen Perspektive wei-ter sich berstrzende Verwstung der Erdenicht sofort, grundlegend und nachhaltig in

    Frage zu stellen, aufzuhalten und umzukeh-ren wrde Folgendes heissen: dass wir fr ei-ne soziale Revolution in unseren imperiali-stischen Lndern eintreten, die sich in der glo-balen Wste ansiedeln und entwickeln soll.

    Was ich baren Unsinn finde. Ebenso wie ichdie bernahme, von den Herrschenden, desPrinzipes der schlicht technophil geprgten

    Verwaltung des Verderbens baren Unsinn fin-de. Und zwar denselben Unsinn, ob nun die-se Verwaltung des Verderbens ein Katastro-phenkapitalismus zur weiteren Profitmaxi-mierung auf Kosten von uns Unterdrcktenund Ausgebeuteten ist oder nicht, denn die

    Verwaltung und Selbstverwaltung wie auch

    immer des Verderbens oder Untergangs n-dert am Endresultat berhaupt nichts. Ver-derben, Zerstrung und Untergang hat nur ei-ne Lsung, nmlich sie radikal, schonungslosund sofort zu erkennen, aufzuhalten und um-zukehren.

    Um nicht in unserer relativen Bedeutungs-losigkeit zu verbleiben und um in dem beste-henden und zu erwartenden Katastrophens-zenario nicht in politischer und gesellschaft-licher Unglaubwrdigkeit vllig wehrlos un-terzugehen, sollten wir also dringlichst ganz-heitliche revolutionre Perspektiven ent-wickeln, vorschlagen und auf allen Ebenen

    nach und nach in die Praxis umsetzen, biszum Sieg und natrlich darber hinaus. An-gesichts der aktuellen Ereignisse und Er-kenntnisse gehrt das zu unseren primrenund wichtigsten Verantwortungen in jeder Art

    von Kampf, den wir fhren und untersttzen.Ebenso wichtig finde ich nach wie vor ei-

    ne weibliche Bestimmung und Fhrung derrevolutionren Prozesses, des Neuanfanges,selbstverstndlich nicht im Sinne und in derPerspektive eines autoritren Matriarchats das wahrscheinlich Vorlufer und Wegebe-reiter des Patriarchats war - sondern weil wirnach wie vor einen langen und schwierigen

    Weg tief aus einer allgemeinen patriarchalenPrgung und Bedingung heraus zu einer Ge-sellschaft machen mssen, wo Gleichheit derGeschlechter und das Machtgleichgewichtunter den Geschlechtern ein grundlegendsterFaktor ist. Wenn wir revolutionre Mnnerhier nicht tausend Schritte zurck machenund ihr revolutionren Frauen nicht die not-wendigen Schritte nach vorne bis zur weibli-chen bernahme des entscheidenden Wortesin der Richtungsbestimmung und Fhrungdes revolutionren Weges macht, wird uns deruns allen, Mnnern wie Frauen, eigener Zu-

    stand der durchdringenden patriarchalen Pr-gung und Mnnervorherrschaft unweigerlichvon dem notwendigen Weg und Ziel abbrin-gen, die Gleichheit der Geschlechter im Sin-ne der selbstbestimmten und gegenseitigenErgnzung, Machtausbung und Achtungherzustellen.

    Ich finde, wir knnen uns die Idee, nochweniger die sich daraus ergebende Praxis desNebenwiderspruchs weder in der Ge-schlechterfrage noch in der Umweltfrage ln-ger leisten, denn diese Ideen und diese illu-sorische Praxis sind patriarchal und zur pa-triarchalen Machterhaltung und nicht zum

    umfassenden Umbruch geeignet.Herzliche und kmpferische Grsse, ich lie-be euchmarco camenisch, Knast Regensdorf, 25.

    April 2007

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #324

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    Schnheits-korrekturenSchuldsprche im Berufungs-verfahren gegen griechische

    Stadtguerilla besttigen imWesentlichen das Urteil auserster Instanz.

    Schuldig oder nicht schuldig, lautete diegroe Frage in der vorletzten Runde des Be-rufungsverfahrens im Fall 17N. Am 246.

    Verhandlungstag verkndete das fnfkpfi-ge Richtergremium sein Urteil in insgesamt78 Anklagepunkten gegen 17 mutmalicheMitglieder der griechischen Stadtguerillaor-ganisation Revolutionre Organisation 17.November, 17N.

    27 Jahre lang, von den Weihnachtstagen

    1975 bis zum Juli 2002, hatte die Organisa-tion in Griechenland agiert, ohne dass je ei-nes ihrer Mitglieder erwischt worden wre.

    Auf das Konto der 17N gehen zahlreiche Mor-danschlge gegen von der Justiz nicht be-strafte Folterknechte der Militrjunta (1967-74), griechische Politiker und Groindustri-elle sowie US-amerikanische, britische undtrkische Geheimdienstagenten und Diplo-maten. Erst als 29. Juni 2002 eine Bombe inder Hand des Organisationsmitgliedes SavvasXiros explodierte, konnte die Polizei ihren er-sten Fahndungserfolg vorweisen. Die demSchwerverletzen noch auf der Intensivstati-on abgepressten Informationen fhrten zur

    Verhaftung weiterer 18 mutmalicher Mit-glieder der 17N. Im Dezember 2003 wurdenin erster Instanz schlielich 15 der 19 Ange-klagten zu langjhrigen Gefngnisstrafen

    von 8 Jahren bis 21 Mal lebenslnglich ver-urteilt.

    In dem seit Dezember 2005 laufenden Be-rufungsverfahren sitzen neben den in ersterInstanz Verurteilten auch zwei der damalsFreigesprochenen wieder auf der Anklage-bank.

    Diese zumindest knnen nach der Sitzungaufatmen. Weder fr den seit Mitte der Sieb-ziger im Kreuzfeuer der Behrden stehenden

    Anarchosyndikalisten Giannis Serifis, nochfr Angeliki Sotiropoulou, die einzige Frau

    auf der Anklagebank und Lebensgefhrtindes in erster Instanz zu 13 Mal Lebenslng-lich verurteilten Dimitris Koufodinas hattedas Berufungsgericht stichhaltige Beweise

    fr eine Schuld finden knnen.Von den brigen Angeklagten werden die

    meisten wohl noch fr lange Jahre hinter Git-tern leben mssen. Das genaue Strafma wirdzwar erst in einer zweiten Runde der Urteils-

    verkndung voraussichtlich innerhalb dernchsten Woche bekannt gegeben werden.Nachdem die Schuldsprche im Allgemeinendem Urteil erster Instanz und im Besonderenden Antrgen der Staatsanwaltschaft gefolgtsind, ist mit einem nicht wesentlich vom Ur-teil erster Instanz abweichenden Strafma zurechnen.

    Der Prozess selbst war von einem immen-sen Druck auf die Richter und dem Schwei-gen der Medien zu teilweise himmelschrei-enden Rechtsbeugungen im Gerichtssaal ge-kennzeichnet. Der US-Botschafter in Athenhatte mehrmals die Wichtigkeit harter Stra-fen betont, der jngste Bericht des State De-partment dagegen bemngelt, dass drei zuunter 10 Jahren verurteilte 17N-Mitgliederaus gesundheitlichen Grnden oder wegen

    Absitzend der Mindeststrafe bereits auf frei-en Fu gesetzt wurden. Auch Auenministe-rin Dora Bakogiannis, Witwe des von der 17Nerschossenen Abgeordneten Pavlos Bakogi-annis, hatte bei ihrer Zeugenaussage die

    Auenministerin hatte nur den Charakter ih-res Mannes beschreiben knnen, da sie kei-ne Augenzeugin gewesen war ebenfallsdarauf hingewiesen, dass sie eine harte Ver-urteilung der Tter erwarte. Mitglieder der Fa-milie der Auenministerin waren bei Urteils-

    verkndung anwesend. Folgerichtig wurdeIraklis Kostaris auch im Berufungsverfahrenals Tter im Mordfall Bakogiannis trotz wi-dersprchlicher Zeugenaussagen schuldiggesprochen. Das dafr in Aussicht stehende

    Lebenslnglich wirkt umso ungerechter, alsder Angeklagte in 17 von 22 ihm zur Last ge-legten Anklagen ein hieb- und stichfestes Ali-bi hatte nachweisen knnen.

    Das Urteil sttzt sich im Wesentlichen aufvor Prozessbeginn gemachte Aussagen derAngeklagten, in denen sie sich und Mitan-geklagte beschuldigen. Bis auf die drei Kron-zeugen haben alle Angeklagten diese Aussa-gen als abgepresst zurckgenommen. Das

    Gericht lie jedoch die Einwnde gegen dieVerwendung der beispielsweise Christodou-los Xiros unter der Drohung, sein nach derExplosion auf der Intensivstation liegender

    Bruder Savvas werde das Kran-kenhaus nicht lebend verlassen,abgerungenen Aussagen nichtgelten. Selbst die Savvas Xiros von

    Antiterrorspezialisten auf der In-tensivstation unter Drogeneinflussund ohne Beisein eines Anwaltesabgepressten Aussagen galten vorGericht als beweiskrftig.

    Im Interesse einer Verurteilung

    war dies ntig geworden, nachdemeine ganze Reihe von Augenzeu-gen ihre in erster Instanz noch ge-machten Identifizierungen der

    Angeklagten als Tter zurckge-nommen hatten. Von den Medienunbeachtet hatten Zeugen dem Be-

    rufungsgericht erklrt, wie ihnen Polizeibe-amte nach den Verhaftungen von 2002 bei-spielsweise ein einziges Foto vorgelegt habenmit der Bemerkung, der Gezeigte htte die Tatschon gestanden, und der Frage, ob dies derMann sei, den man am Tatort gesehen habe.

    Die Verwendung von Folteraussagen undandere schwerwiegende Verfahrensfehlerwird die Verteidigung vor dem noch ausste-henden Revisionsgericht geltend machen.Heike Schrader, Athen

    Aufstand derEingesperrtenRevolte gegen menschenunwrdige Haft-bedingungen in Griechenland

    Aufruhr herrschte Ende April in vielen Ge-fngnissen Griechenlands. In den Gefng-nissen von Larissa, Korfu, Patras, Trikalon,Chania, Nafplion, Thessaloniki, Korydallosund Malandrinon verweigerten Gefangeneam 24. April das Essen, besetzten Flure undDachterrassen und zndeten Feuer in Ge-fngnishfen an. Auslser des Aufstandeswar die Misshandlung des in im zentralgrie-chischen Malandrinon eingesperrten Anar-chisten Giannis Dimitrakis durch das Ge-fngnispersonal am 23. April. Aus Solida-ritt, aber auch aus Protest gegen die eige-

    nen Haftbedingungen schlossen sich amnchsten Tag Hunderte von Gefangenen an-derer Gefngnisse dem Aufstand in Maland-rinon an. Von den im Gefngnis von Korydal-los eingesperrten politischen Gefangenen aus

    Knast macht blindDer offensichtlich haftunfhige politi-sche Gefangene Savvas Xiros muss nacheiner Netzhautablsung am linken Au-

    ge erneut operiert werden. Der Aufent-halt in den feuchten Kellerzellen hattebei dem als Mitglied der griechischenStadtguerilla 17N Verurteilten schoneinmal zu einer Netzhautablsung ge-fhrt. rzte und Anwlte hatten seit Mo-naten gewarnt, dass eine neue Netz-hautablsung drohe. Trotzdem hatte daszustndige Gericht im Oktober vergan-genen Jahres eine zeitweise Verlegungund Behandlung des durch die vorzeiti-ge Explosion einer Bombe schwer ge-schdigten, fast blinden Savvas Xiros inein Krankenhaus abgelehnt. Ein Ent-

    scheid ber einen entsprechenden An-trag des Gefangenen beim EuropischenGerichtshof fr Menschenrechte stehtnoch aus. Heike Schrader, Athen

    Savvas Xiros, Dimitris Koufodinas, ChristodoulosXiros. Stehend im Hintergrund Vasilis Xiros

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    dem 17N-Prozess verweigerten Dimitris Kou-fodinas, die Brder Christodoulos, Savvasund Vassilis Xiros, Iraklis Kostaris, Kostas Ka-ratsolis, Thomas Serifis und Sotiris Kondylisdas Essen.

    Noch bis zum Abend des Dienstag, 24.April, wurde der Aufstand in den meisten Ge-fngnissen, nach Angabe aus Polizeikreisenunter moderatem Einsatz von Trnengas,zurckgedrngt. Zwei verletzte Gefangene

    und stundenlange Schlachten im Gefngnisvon Korydallos geben ein anderes Bild vomEinsatz der Ordnungshter. Am Mitt-wochmorgen drang die Polizei auch in dasGebude des Gefngnisses von Malandrinonein. Etwa 250 Gefangene hielten bis zumDonnerstag Nachmittag noch die Dachter-rassen des Gefngnisses besetzt, bevor sie ei-ner Rckkehr in die Zellen zustimmten.

    Die Forderungen der Gefangenen reichenvon Ablsung des Personals in Malandrinonber Verbesserung der Haftbedingungen biszu nderungen des Strafvollzugs, darunterReduzierungen der mindestens abzusitzen-

    den Zeit fr Lebenslnglich von 20 auf 12Jahre. Besonders beklagen sich die Gefange-nen in Griechenland ber menschenrechts-

    verletzende Behandlung wie Beleidigungenoder krperliche Misshandlungen durch dasGefngnispersonal, Beschwerden, die auch

    vom griechischen Ombudsmann, von Rechts-anwlten und von unabhngigen Men-schenrechtsorganisationen besttigt werden.

    Auerdem weisen die Gefangenen auf Miss-stnde wie tagelang fehlende heies Wasseroder Strom und vor allem darauf hin, dassdie Gefangenen in Zellen zusammengep-fercht werden, die fr nicht einmal die Hlf-te der eingesperrten Menschen konstruiertsind.

    Griechenland wird immer wieder von derMenschenrechtskommission der EU zur Ver-besserung der Situation in den Gefngnissenaufgefordert, in denen sogar Todesflle we-gen mangelnder medizinischer Betreuungbesonders untern den einsitzenden Drogen-abhngigen geradezu an der Tagesordnungsind.

    Das griechische Justizministerium lehntedie Forderungen der Gefangenen als gr-tenteils unerfllbar ab. Der Staat verhandeltnicht ber den Respekt fr die und die Ein-haltung der Gesetze, erklrte JustizministerPapaligouras, bevor er stattdessen Einheitender Sonderpolizei einsetzen lie.Aus dem ganzen Land, besonders aber aus

    der Landeshauptstadt Athen waren whrenddes Gefngnisaufstandes aber auch noch Ta-ge danach zu zahlreiche Solidarittsaktionenzu verzeichnen. Neben Motorraddemonstra-tionen vor die aufstndischen Knste gab esDemonstrationen in den Innenstdten, aberauch zahlreiche militante Aktionen wie Mo-lotow- und Gasbombenangriffe auf Bankenund staatliche Einrichtungen. In Athen wur-

    den zwei Polizeiwachen mit Molotow-brandstzen angegriffen und zahlreiche Po-lizeifahrzeuge verbrannt. Auch ein Wagender uruguayischen Botschaft ging in Flam-men auf. Heike Schrader, Athen

    Wer sind die faulenpfel?

    Ich habe irgendwo gelesen, dass alles inmeiner Biografie mit der Maschinenpistoleim Garten im Widerspruch steht. Es wirdimmer wieder von Doppelzngigkeit ge-sprochen. Einerseits der [Gewerkschafts-]

    Genosse, der Delegierte und andererseitsd