Gefangenen Info #361

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #361

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    april/mai 2011 nr. 361 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Aktuelles zum Revisions-verfahren im Fall Oury Jalloh

    Weitere Angriffe auf Solidari-ttsstrukturen - Ein berblick

    Zur Repression gegentamilische Exilorganisationen

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    nachdem die letzte Ausgabe sich mageblich um den 18. Mrz gedreht hat, spiegelt sichin dieser Ausgabe beinahe die gesamte Bandbreite der Repression wieder: Von Beuge-haftandrohungen, neuen 129b Prozessen, der Kriminalisierung unserer Strukturen undmehreren geplanten Prozessen gegen Mitglieder der Roten Hilfe International bis hin zurSituation der politischen Gefangenen in Palstina, was anlsslich des jhrlichen Aktions-tag fr die palstinensischen politischen Gefangenen am 17.04. - der Schwerpunkt dieserAusgabe ist.

    Wie ihr also seht hat sich seit der letzten Ausgabe einiges getan. Anlsslich der drohendenbzw. schon laufenden Prozessen in Belgien, Spanien und der Schweiz gegen Mitglieder derRHI ruft das Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen zur Solidaritt und zu einemAktionstag am 19.06. - dem Tag des revolutionren Gefangenen auf. brigens: Vom16.06. - 18.06. wird es im Rahmen des 19.06. Veranstaltungen zur Geschichte der belgischenStadtguerilla in Stuttgart, Magdeburg und Berlin geben.Weiterhin fr uns aktuell und ein besonderes Anliegen sind natrlich die Zeugenvorladungender ehemaligen Militanten: Gegen Siegfried Haag und Roland Mayer wurden 6 Monate Beu-gehaft angeordnet, was in den nchsten Wochen vom Bundesgerichtshof geprft werdenwird. Aus diesem Grund ruft das Netzwerk zur Solidaritt und zu vielfltigen Aktionen auf,falls der BGH die Androhung besttigen sollte.Ausserdem hat Ende Mrz hat in Dsseldorf ein 129b Prozess gegen 4 angebliche Mit-glieder der LTTE angefangen und am 19. Mai beginnt der mittlerweile 4. 129b-Prozessgegen angebliche Mitglieder der DHKP-C. Hierfr rufen wir zu einer Prozessdelegation am19. Mai,9:15 Uhr vor dem OLG Dsseldorf des 5. Strafsenat, Kapellweg 36, auf.

    Besonders froh sind wir ber die vielen Briefe, die wir von den Gefangenen erhalten haben,die ihr ab Seite 16 abgedruckt findet. Dieses Mal auch zum ersten mal Briefe unserer kur-dischen Genossen Baris Sever und Beytullah Yildiz!Hierbei ist auch noch besonders anzumerken, dass unser langjhriger Begleiter GnterFinneisen in den nchsten Wochen verlegt werden wird. Er soll auf eine Sicherheitsstation,Sicherheitsstufe 1 untergebracht werden. Also wieder in Isolation. Ab Mai ist seine Adressedann:

    Gnther FinneisenJVA RosdorfAm Groen Sieke 837124 Rosdorf

    Noch eine organisatorische Angelegenheit: Bei uns auf dem Konto sind einige Zahlungeneingegangen, die wir leider nicht zuordnen konnten, da weder Rechnungsnr. oder ein Namezu identifizieren war. D.h. wenn ihr bereits bezahlt habt und trotzdem von uns eine Mahnungerhaltet, dann seht uns das nach und setzt euch mit uns in Verbindung, so dass wir dieAngelegenheit klren knnen.

    In diesem Sinn:Ein Angriff auf eineN von uns ist ein Angriff auf alle!Hoch die internationale Solidaritt!

    Die Redaktion

    P.S.: Die JVA Rohrbach verhindert seit einiger Zeit, dass Sadi zpolat Infomaterialien zuge-sendet bekommt. Mit der Begrndung, dass diese Sympathiebekundungen zugunsten derOrganisation Freiheit fr alle politischen Gefangenen enthalten, die Inhaftierte u.a. ermun-tern knnen, Widerstand gegen die Ordnung in den JVAs zu leisten.Auch die JVA Gelsenkirchen hndigt Gefangenen Infos nicht mehr an Inhaftierte aus. Grundhierfr ist laut Stellungnahme: Derartige Zeitschriften knnen die Sicherheit und Ordnung

    einer JVA massiv gefhrden. Aufrufe zum Kampf gegen das politische Regime in einerZwangsgemeinschaft mit verschiedenen Nationalitten, Religionen und politischer Orientie-rungen kann in einer derart beengten Situation zu ungeahnten Folgen fhren.

    Natrlich werden wir auch weiterhin versuchen den Gefangenen die Materialien zukommenzu lassen und hoffen, dass die Infos die besagte Wirkung (Ermunterung zu Widerstand,Gefhrdung der Sicherheit und Ordnung) nicht verfehlen.

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel-lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei

    Bestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgRedaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

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    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Seite 3

    Die Militanten der RHI verteidigen!

    Schwerpunkt

    Interview mit Addameer

    Zur Situation der palstinensischen

    Gefangenen Frauen

    Inland

    Aktuelles zum Revisionsverfahren imFall Oury Jalloh

    Zur Repression gegen Buch- undInfolden

    Weitere Angriffe gegen Soli-Strukturen

    Keine Beugehaft fr ehemalige RAF-

    Militante!

    Zur Repression gegen tamilische Exil-organisationen

    Aktivitten zum langen Marsch gegenIsolation

    Aufruf zur Prozessdelegation

    Gefangenenvorstellung: David Gilbert

    International

    Hunger- und Durststreik der 300

    Mumias Todesurteil nicht verfassungs-konform

    Gefangene

    Brief von Baris Sever, Beytullah Yildizund Tommy Tank

    Brief von Tommy Tank und FarukEreren

    Brief von Nurhan Erdem

    Gruwrter zum 18.03 von ThomayMeyer Falk, Gnther Finneisen undTommy Tank

    Feuilleton

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    In nchster Zeit beginnen in Belgien und in der SchweizProzesse gegen Militante(1) die am Konstituierungspro-zess der Roten Hilfe International beteiligt sind. In Spaniennden immer wieder Prozesse statt, die in einen Zusam-menhang mit der Solidarittsarbeit bezglich PCE(r) undGRAPO stehen, zahlreiche AktivistInnen wurden bereitswegen ihrer angeblichen Mitgliedschaft in dem Comiteepor Socorro Rojo Internacional verurteilt.Wir rufen daher fr den 19.06. dazu auf sich durch vielfl-tige Aktionen mit den GenossInnen zu solidarisieren.

    Zum Hintergrund:

    Belgien, Brssel: Im 5. Juni 2008 wurden 4 Mitglieder derSR/APAPC (Rote Hilfe Belgien/Angehrigen und Freun-dInnen der kommunistischen Gefangenen) verhaftet undfr einige Wochen in Untersuchungshaft gesperrt. Einerdavon, Bertrand Sassoye, ist Mitglied des internationalenSekretariats und der Internationalen Kommission zumAufbau einer Roten Hilfe International, sowie ehemaligerMilitanter der Stadtguerilla Kmpfende KommunistischeZellen (CCC). Der Repressionsschlag fand im Rahmen derOperation Tramonto (Sonnenuntergang) statt, der sichgegen die PC P-M (politisch-militrische kommunistischePartei) in Italien richtete und sich zeitgleich in Italien undZrich abspielte.

    Die italienischen Genossen wurden in Folge ihrer Verhaf-tung zu langjhrigen Haftstrafen mit dem Vorwurf eine ter-roristische Vereinigung gegrndet zu haben, teilweise biszu 17 Jahren Haft verurteilt.Das Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft gegen dieGenossin in Zrich, welche das internationale Sekretariatder RHI fhrt und Mitglied der Kommission fr eine RHIist, ist bis heute nicht abgeschlossen. Den Verhafteten inBelgien wird vorgeworfen Kontakte zu der PC P-M gehabtzu haben. Bertrand Sassoye wird in Folge dessen auch einVersto gegen seine Bewhrungsauagen vorgeworfen.Im Laufe dieses Jahres wird nun entschieden, ob, obwohldie Aktenlage sehr dnn ist, der Prozess gegen die 4 ab-gehalten werden kann.

    Schweiz, Zrich: Zwischen Ende der 90er bis heute kames in der Schweiz zu ber 60 kleineren und greren Pyro-Anschlgen mit internationalistischer und klassenkmpfe-rischer Ausrichtung. Viele davon richteten sich gegen die

    Unterdrckung fortschrittlicher Kmpfe z.B. in Indien, ge-gen die Repression gegen die PCE(r)/GRAPO in Spanienund einige fanden in Begleitung von Kampfmanahmenpolitischer Gefangener statt. Andere richteten sich gegenRepressionsorgane in der Schweiz, wie z.B. gegen denschweizerischen Geheimdienst. Die dazu erschienen Er-klrungen wurden alle mit Revolutionre Perspektive un-terzeichnet. Die schweizerische Bundesanwaltschaft wirftnun einer Genossin der internationalen Kommission frden Aufbau einer Roten Hilfe International einen Teil dieserAnschlge vor. Der Prozess soll vor dem Bundesstrafge-richt in Bellinzona stattnden, wo Verfahren ab einer Strafevon 2 Jahren verhandelt werden.Es ist nicht der erste Versuch, die Genossin mittels Knastin ihrem Handeln als Kommunistin zu hindern. Der genaueTermin des Prozesses steht noch nicht fest. Sicher ist,dass er in den nchsten Monaten stattnden wird.

    Italien: Zwei GenossInnen der CCCPSRI (GenossInnenfr den Aufbau einer Roten Hilfe Italien) wurden zusam-men mit 9 anderen AktivistInnen im November 2010 zueiner Haftstrafe von 2 Jahren verurteilt, weil sie die Paroledie Fabrik ttet uns, der Staat steckt uns in den Knast,Biagi und DAnton sind uns scheissegal gerufen haben.Die Parole bezieht sich auf Anschlge der Brigatte Ros-

    se auf die beiden letztgenannten. Das Urteil ist noch nichtrechtskrftig, da momentan noch eine Berufung gegen dasUrteil luft.

    Spanien: Bereits seit Jahren bendet sich das Comiteepor Socorro Roji Internacional (kurz: SRI) auf der An-titerror Liste Spaniens und erfhrt dementsprechendeRepression: Zahlreiche politisch Aktive, darunter auch einAnwalt, wurden und werden immer wieder verhaftet. Dut-zende wurden bereits mit dem Vorwurf Solidaritt organi-siert zu haben zu Haftstrafen verurteilt. (Das Comitee porSocorro Rojo Internacional (kurz: SRI) ist in Spanien eineeigenstndige Struktur, die sich im Zusammenhang mit derUntersttzung politischer Gefangener vorwiegend jenender PCE(r) und GRAPO strukturiert hat und orientiert sichan dem Aufbauprozess fr eine RHI)

    Aus diesen drei Fllen wird die internationale Dimensionder Verfolgung von Widerstand und Solidaritt deutlich: Mitallen Mitteln soll eine erstarkende Bewegung geschwcht,zerschlagen oder prventiv verhindert werden und das iminternationalen Rahmen. Zwar ist klar, dass diese Repres-sionsschlge nicht Produkte einer internationalen Aktionsind, dennoch wird deutlich, dass egal ob in Belgien, Spa-nien oder in der Schweiz genauso wie in der BRD oderanderen europischen Lndern es eine Zusammenarbeit

    der politischen Repressionsorgane gibt, Aufstnde oderaufkeimenden Widerstand prventiv zu bekmpfen, Be-wegungen zu kriminalisieren, zu isolieren und ihre Aktivi-stInnen Mundtod zu machen.

    Daraus wird auch die Notwendigkeit deutlich internationalSolidaritt aufzubauen, sich mit den Genossen und Ge-nossinnen zu solidarisieren, sie zu untersttzen und dasverknpfende Band des gemeinsamen Kampfes aufzu-nehmen, um gegen ihre Repression unsere Solidaritt alsWaffe einzusetzen, da die Angriffe sich gegen den Wider-stand an sich richten und somit auch gegen uns.

    Als radikale Linke mssen wir uns diesen Angriffen ent-gegenstellen und diese Angriffe durch unsere Solidarittins Leere laufen lassen, indem wir unsere GenossInnennicht alleine lassen, sondern Seite an Seite mit ihnen siegegen diese Angriffe und damit ihre politische Identitt ver-teidigen. Es ist weder das erste, noch wird es das letzte

    Mal sein, dass sich die Repression des Systems gegenmilitante RevolutionrInnen, AntikapitalistInnen, Antiimpe-rialistInnen und AntifaschistInnen richtet sei es in der BRDoder in einem anderen Land. Der Kampf gegen den Kapi-talismus ist legitim und Klassensolidaritt ist unsere Waffegegen ihre Repression!

    Daher rufen wir dazu auf am diesjhrigen 19.06. - dem Tagder revolutionren Gefangenen sich mit den Militantender Roten Hilfe International durch vielfltige Aktionen rundum den 19.06. solidarisch zu zeigen. Seien es Demons-trationen oder kleinere Aktionen: Nutzen wir die Waffe derSolidaritt!

    Betroffen sind einige gemeint sind wir alle:Internationale Klassensolidaritt aufbauen!Kapitalismus zerschlagen!

    Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen(1) Whrend der Begriff Militante in Deutschland nur in Ver-bindung mit Brand- und sonstigen Anschlgen in Verbindunggebracht wird ist in anderen Lndern der Begriff der Militanteneine Beschreibung fr politische AktivistInnen, die sich bewusstund tatkrftig fr einen revolutionren Umsturz einsetzen, ohnedabei Mittel und Wege diesen zu erreichen auszuschlieen.

    Der 19. Juni Tag der revolutionren Gefangenen

    Der historische Bezugspunkt des 19.06. ndet sich in

    Lateinamerika.

    1985 kam es in Peru zu groen Gefangenenrevolten,die sich gegen die betriebene Isolierung von politischenGefangenen durch die Aufteilung in kilometerweit vonei-nander entfernte Gefngnisse, sowie gegen die geplanteEinfhrung von Hochsicherheitsknsten richteten.

    Die Kmpfe dauerten bis zum 19. Juni 1986 an, als dassozialdemokratische Regime, unter Billigung der Sozia-listischen Internationale angefhrt von Willi Brandt, mehrals 300 Gefangene des maoistischen PCP-Sendero Lu-minoso ttete und die Gefangenenkmpfe blutig nieder-schlug.

    Die Angehrigenorganisation der CCC-Gefangenen(APAPC, Assoziation der Angehrigen und FreundInnender kommunistischen Gefangenen) in Belgien griff die-

    sen Tag erstmals 1997 mit einer Konferenz in Brsselauf.

    In den Folgejahren gab es unter internationaler Betei-ligung weitere Treffen, die einen gegenseitigen Aus-tausch und eine Koordination von Aktivitten hinsichtlicheiner effektiveren Solidarittsarbeit fr die revolutio-nren Gefangenen weltweit frderten.

    Die CCC-Gefangenen haben mit einer von ihnen formu-lierten Plattform 1999, sowohl fr die Solidaritts- undAngehrigenstrukturen drauen, als auch fr ein koor-diniertes Agieren der Gefangenen in den Knsten Eck-punkte gesetzt, die zur Untersttzung der Gefangenen-kmpfe wesentlich waren.

    Eckpunkte zur Untersttzung der Gefangenen:- Schluss mit Folter und Isolation

    - Freilassung haftunfhiger Gefangener- Information ber die Gefangenen und ihren Kampf- materielle Untersttzung der Gefangenen- internationale Solidaritt in den Gefangenenkmpfen(bspw. bei Hungerstreiks)

    Eckpunkte fr den Aufbau einer gemeinsamen Gefan-genen-Plattform:- Solidaritt ist eine Waffe!- Das Recht zur Revolte!- Ohne Gerechtigkeit kein Frieden!- Weder Reue noch Kapitulation!- Ein Angriff gegen eineN von uns ist ein Angriff gegenalle

    Sie richteten sich damit an alle revolutionren, kommu-nistischen, anarchistischen oder antiimperialistischenGefangenen weltweit.

    In der Plattform 19. Juni waren zeitweise ber 100 Ge-fangene aus Spanien, der Trkei und Belgien organi-siert.

    april/mai 2011 gefangenen info 3

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Ein Angriff gegen eineN von uns ist ein Angriff gegen alle!19. Juni 2011: Die Militanten der RHI verteidigen!

    www.political-prisoners.net

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    Anfang Mrz reiste ein Aktivist von Addameer

    Mahmoud Hassan durch Deutschland

    und berichtete auf Veranstaltungen ber die

    aktuelle Situation der palstinensischen poli-

    tischen Gefangenen und die politische Arbeit

    von Addameer einer palstinensischen Ge-

    fangenenhilfsorganisation. Wir nutzten die Ge-

    legenheit und fhrten fr euch ein Gesprch

    mit Mahmoud...

    GI: Vielleicht knntest du zu Beginn kurzetwas ber Addameer erzhlen, wann habtihr euch gegrndet und worin besteht eureArbeit?

    Mahmoud: Unsere Organisation Addameerwurde 1992 von linken Personen gegrndet.Wir sind eine Organisation, welche die Inhaf-tierten verteidigt und ihnen hilft. Unser Sitz be-ndet sich in Ramallah. Wir sind unabhngigund gehren keiner Partei an.Unsere Arbeit besteht hauptschlich darin diepolitischen Gefangenen zu verteidigen und ih-nen auch in den israelischen Militrgerichtenbeizustehen. Wir bieten vor allem rechtliche

    Untersttzung und organisieren Aktionen inSolidaritt mit den Gefangenen. Momentanluft zum Beispiel eine Kampagne unter demMotto Break the Silence, welche hauptsch-lich ber die Situation der weiblichen Gefange-nen berichtet.Darber hinaus versuchen wir unsere Aktivi-tten auf internationaler Ebene auszuweiten.So fanden Aktionen in Holland und Frankreichstatt. Auch eine Kampagne zur Abschaffungder Isolationshaft wird von uns organisiert. Wirwerden auch versuchen, an der nchsten Ta-gung der Menschenrechtskommission in Genfteilzunehmen, um auch dort ber die Situationvon politischen Gefangenen zu berichten. Eine

    weitere wichtige Kampagne zielt auf die Been-digung der Administrativhaft.

    GI: Knntest du uns kurz erklren, was Ad-ministrativhaft bedeutet?

    Mahmoud: Administrativhaft wird ohne ein Ur-teil und auch ohne ein Gericht verhngt. Jede/rPalstinenserIn kann davon betroffen sein, nurweil er/sie PalstinenserIn ist. Es bedarf kei-nen wirklichen Grund und keinen Nachweiseiner bestimmten Tat, es kommt einem Verhin-derungsgewahrsam gleich. Diese Administra-tivhaft wird auf 6 Monate festgesetzt und kann

    jeder Zeit verlngert werden. Es wird von einer

    militrischen Verwaltungsbehrde verhngt,ein Richter wird nur darber informiert.Wenn es denn einen konkreten Grund gebensollte, wird eine geheime Akte an den Richtergegeben und nur Angehrige des Militrge-richts haben Einsicht. Der/die Angeklagte undVerteidigerInnen bekommen keine Einsicht,so dass eine Verteidigung unmglich gemachtwird. Derzeit sind 221 Gefangene davon be-troffen, darunter drei Frauen. Lenan Abu Ghal-ma (1) bendet sich auch darunter.In den vergangenen Jahren saen 2000 Ge-fangene in Adminstrativhaft.GI: Knntest du einen berblick ber die

    Situation der Gefangenen geben und unssagen, wie viel Menschen in israelischenGefngnissen derzeit inhaftiert sind?

    Mahmoud: Vorneweg mchte ich sagen, dass

    fr uns alle palstinensischen Gefangene poli-tische Gefangene sind. Wir differenzieren nichtzwischen den Gefangenen. Derzeit gibt es ca.6000 politische Gefangene, unter ihnen ben-den sich 300 Kinder. Vielleicht kurz zur Erkl-rung: In Palstina gilt ein Mensch bereits mit16 Jahren als erwachsen, d.h. es sitzen ber300 Kinder unter 16 Jahren in israelischen Ge-fngnissen.Ungefhr 789 der palstinensischen poli-tischen Gefangenen sind zu einer lebenslan-gen Haft verurteilt, von denen sind auch meh-rere zu mehreren lebenslnglichen Haftstrafenverurteilt. Frau Ahlam Tamimi zum Beispiel istzu 16x lebenslnglich, Marwan Barghoti ist zu5x lebenslnglich + 20 Jahre und Saddat zu 30Jahren verurteilt.Kommen wir zu den Bedingungen der Gefan-genen. Sie werden in Isolationshaft gestecktund haben keinen Kontakt zu anderen Ge-fangenen, sie drfen auch keine Besuche derFamilien erhalten, ebenso drfen sie nicht tele-fonieren. Der/die Gefangene ist 23 Stunden al-lein auf Zelle und verlsst diese auch nur allein.Sie drfen auch keine arabischen Zeitschriftenbekommen, wenn dann nur Zeitungen auf he-

    brisch. Bcher zum lesen ist ebenfalls ausge-schlossen. Es gibt Gefangene, die jahrelangunter solchen Bedingungen inhaftiert sind. EinGefangener beispielsweise sitzt seit 7 Jahrenin Isolationshaft.Nach dem letzten Gazakrieg wurde Goldstonedamit beauftragt, einen Bericht (2) ber dieLage der Palstinenser anzufertigen. Selbst erhat festgestellt, dass alle Gefangene politischeGefangene sind und freigelassen werden ms-sen.GI: Wie sieht speziell die Situation von

    weiblichen Gefangenen aus, kannst du unsdarber berichten?

    Mahmoud: Es gibt insgesamt zwei Gefng-nisse fr Frauen. In Hasharon gibt es eineseparate Abteilung fr Frauen. Hier sitzen 22Frauen ein. In Damon gibt es einen reinenFrauenknast, dort werden aber auch Kinderinhaftiert. 1999 gab es ein parlamentarischesKomitee, welches festgestellt hat, dass dieserKnast nicht ein mal fr Tiere geeignet wre.

    GI: Gibt es dort hauptschlich mnnlicheWrter?

    Mahmoud: Ja leider, denn viele Frauen leidenunter Missbrauch und Vergewaltigung. Es gibtauch zahlreiche Frauen, die gezwungen wer-den, sich nackt von den Mnnern untersuchen

    zu lassen (strip searches).

    GI: Gibt es Frauenorganisationen, die sichausschlielich um weibliche Inhaftiertekmmern?

    Es gilt nach wie vor, die Freilassung allerpolitischen Gefangenen weltweit zu fordern

    (Mahmoud Hassan - Addameer)

    red.

    4 gefangenen info april/mai 2011

    Administrativhaft in Zahlen

    im November 2010 befanden sich 110 Hft-linge seit ein bis zwei Jahren in Administrativhaft

    27 Palstinenser wurden permanent ber 2bis 5 Jahre in Administrativhaft gehalten

    Zwischen 1987 und 1992 wurde 14.000 malAdministrativhaft angeordnet

    2009 wurden nur 3,6 % alle Anordnungen zurAdministrativhaft vom Militrrichter abgelehnt

    2007 wurden circa 63 % aller Administrativ-haft durch den Militrrichter genehmigt und an-geordnet

    in den Jahren 2005 bis 2007 waren durch-schnittlich 765 Hftlinge in Administrativhaft

    Im September 2010 befanden sich 6257 Pal-stinenser in israelischer Haft.

    Darunter sind: 190 in Administrativhaft

    280 Kinder

    12 Mitglieder des legislativen Rates

    38 Frauen

    792 zu lebenslnglich verurteilt

    118 verurteilt zu mehr als 20 Jahre

    313, welche vor der Zustimmung zum Oslo-vertrag, inhaftiert wurden

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    Mahmoud: Ja, es gibt verschiedene Frauen-organisationen, die versuchen Untersttzungspeziell fr die gefangenen Frauen zu leisten.

    GI: Kannst uns sagen, welchen Anteil linke/revolutionre Gefangene an den 6000 Ge-fangenen ausmachen?

    Mahmoud: Ich wei es nicht genau, denn wirmachen keine Unterschiede. Aber ich glaube,

    allein die P.F.L.P. hat ca. 500 Gefangene.

    GI: Wie sieht es mit Widerstand der Gefan-genen in den Knsten aus? Ist es fr dieGefangenen mglich Gefangenenkollektivezu bilden?

    Mahmoud: Der Hungerstreik ist das letzte Mit-tel, was die palstinensischen Gefangenenhaben um Widerstand zu leisten. Es gab seit1967 mehrere Hungerstreiks. Seitdem sind inisraelischen Knsten 193 Gefangene ermordetworden. Beim letzten Todesfall zum Beispielhaben Wrter mit Gummigeschossen undscharfer Munition geschossen. Loay Aschkarwurde mit einem Kopfschuss gettet. An die-sem Tag wurden auch 20 weitere Gefangeneverletzt. Der Bruder von Loay Aschkar wurde

    freigelassen, als er auf Grund von Folter ge-lhmt war - nun sitzt er im Rollstuhl.

    GI: Finden die Hungerstreiks in allenKnsten statt?

    Mahmoud: Es ist blich, dass die Hunger-streiks in mglichst allen Knsten stattnden.Doch die Israelis versuchen die Gefangenenzu spalten , so dass z.B. jeglicher Kontakt aus-geschlossen bleibt. Auch die Wrter versuchenfalsche Informationen raus zugeben, damit derHungerstreik wieder aufhrt. Sie sagen dannbeispielsweise, dass der Hungerstreik lngstvorbei sei...Rechtsanwlte bekommen bei Hungerstreikskeinen Zugang zu den Gefangenen, auchJournalisten wird der Zugang zu den Gefng-nissen verwehrt.

    GI: Wie werden diese Hungerstreiks orga-

    nisiert?

    Mahmoud: UnsereGefangenenbewe-gung ist sehr gutorganisiert, es wirdeine Fhrung (setztsich aus mehrerenGefangenen zu-sammen) gewhlt.

    Diese trifft dann dieEntscheidung, obz. B. Hungerstreiksdurchgefhrt wer-den oder nicht.

    GI: Knntest aufdie Organisierungder Gefangenenein bisschen ge-nauer eingehen?

    Mahmoud: Ihrmsst euch dasso vorstellen, innerhalb eines Gefngnissesgibt es verschiedene Abteilungen und jedeAbteilung whlt seine eigene Fhrung. Dieseversucht dann mit Fhrungen anderer Abtei-lungen und Gefngnissen zu kommunizieren.Dadurch, dass die Gefngnisleitungen keineKontakte unter den Gefangenen erlauben,wurden verschiedene Methoden entwickelt,wie Gefangene trotzdem kommunizieren kn-nen. Dieser Weg braucht aber sehr lange undso kann es sein, dass selbst die Wahl einerFhrung in einem Abteil mehrere Monate inAnspruch nimmt.

    GI: Vielleicht noch zu den Hintergrndender Hungerstreiks - was waren denn die

    letzten Forderungen?

    Mahmoud: Grnde fr die Hungerstreiks gibtes sehr viele, sei es das Besuchsverbot vonFamilien, die weitere Ausbeutung & Unterdr-ckung der Gefangenen oder die Folter. DerGrund fr den Hungerstreik 2004 war: Stopptdie Nacktuntersuchungen!. Die Gefangenenwurden zwei mal am Tag nackt durchsucht, einmal auf dem Weg zum Gericht und dann wie-der auf dem Weg zum Gefngnis. Am 7. April2010 gab es einen ffentlichen Hungerstreikgegen die schwierigen Verhltnisse innerhalbder Gefngnisse. Dieser richtete sich gegendas Besuchsverbot, dass die Gefangenen kei-ne Bcher und auch keine medizinische Ver-sorgung bekommen.

    GI: Kommen wir zur letzten Frage, wie kn-nen wir und unsere LeserInnen euch unddie palstinensischen Gefangenen unter-sttzen?

    Mahmoud: Jede/r, der / die Mglichkeit hatsollte mal unsere Website unter www.adda-meer.info besuchen, dort ndet ihr weitere In-formationen ber unsere Arbeit und ber dieSituation der palstinensischen Gefangenen.Verbreitet also Informationen! Wer Gefange-nen direkt schreiben mchte, kann das berAddameer tun, wir werden die Briefe an die

    Gefangenen weiterleiten. Ihr knnt natrlichauch Protestschreiben an die israelische Bot-schaft oder das israelische Auenministeriumschreiben und die Aufhebung der Isolation for-dern.Darber hinaus ist am 17. April der Tag der

    palstinensischen Gefangenen, der Tag andem wir uns fr die Rechte der Gefangenen

    einsetzen. Es werden weltweit verschiedeneAktionen stattnden und diese gilt es zu unter-sttzen.Es gilt nach wie vor, die Freilassung aller po-litischen Gefangenen weltweit zu fordern unddafr auch einzutreten, um die Gefangenen zuuntersttzen.Es gibt auch ein Projekt, das versucht poli-tische Gefangene weltweit mit einander zuverbinden, doch es gibt groe Schwierigkeitenund es ist schwer fr Gefangene, dies zu rea-lisieren. Ich rufe auch dazu auf, den Kontaktzwischen deutschen und palstinensischenGefangenen herzustellen.

    Das Interview wurde mit Mahmoud Hassan

    von Addameer gefhrt.

    (1) Lenan Abu GhalmaLenan Abu Ghalma sitzt seit Juli 2010 in Ad-ministrativhaft in Hasharon. Sie wurde imRahmen einer Massenverhaftung gegen diePFLP mit ihrer Schwester festgenommen. IhreSchwester ist mittlerweile entlassen.

    (2) Goldstone BerichtIm Auftrag des UN-Menschenrechtsrates un-tersuchte die United Nations Fact Finding Mis-sion on the Gaza Conict unter Federfhrungdes sdafrikanischen Richters Richard Gold-stone den Gazakrieg mit seinen Folgen. ImSeptember 2009 wurde dieser verffentlicht.

    Redaktion

    april/mai 2011 gefangenen info 5

    700.000 Palstinenser wurden seit 1967inhaftiert, darunter sind 10.000 Frauen

    50.000 wurden seit der Al-Aqsa Intifadainhaftiert

    2000 Folterflle allein im Jahr 2008

    seit 2001 ber 600 Meldungen von Folterund Misshandlung bei ISA-Vernehmungen

    Zwischen Mrz 2002 und Oktober 2002wurden 15.000 Palstinenser im Zuge vonMassenverhaftungen festgenommen

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Seit der Besetzung palstinensischer Gebiete

    durch Israel im Jahr 1967 ist die palstinen-sische Bevlkerung massivsten Angriffen durchdie israelischen Militrgerichte und ihrer Gesetz-gebungen ausgesetzt.In den letzten 44 Jahren wurden geschtzte700.000 Palstinenser durch das Militr inhaf-tiert. Dies entspricht ca. 20% der palstinen-sischen Gesamtbevlkerung.Von besonderer Hrte ist die Situation der diepalstinensischen Frauen in den Gefngnissenausgesetzt sind. Als Frauen sind sie in denGefngnissen geschlechtsspezischen psy-chischen und krperlichen Foltermethodenausgesetzt die auch vor dem Hintergrund derbesonderen Sozialisierung der Frauen in derarabischen Welt gesehen werden mssen und

    die von den israelischen Behrden gezielt ange-wendet werden.

    Dazu gehren sowohl unterschiedliche ge-sundheitliche Ausgangspositionen und Kon-sequenzen fr die Frauen, wie Schwanger-schaften, Vergewaltigungen, Entzndungen imGenitalbereich, Geschlechtskrankheiten oderdauerhafte und sehr schmerzhafte Menstrua-tionsblutungen, als auch unterschiedliche For-men von seelischem Stress.In den 44 Jahren der Besatzung wurden 10.000Frauen durch das israelische Militr festgenom-men und inhaftiert.Aktuell sind 38 politische Gefangene Frauen in

    den Gefngnissen eingeschlossen, 18 in Has-haron (Tel Mond), 19 in Damoon (Carmel Moun-tain), 1 in Neve Tirza (Ramle).

    Die meisten der Gefngnisse wurden unter bri-tischem Mandat von 1922- 1948 gebaut und

    sind somit in katastrophalen Zustand. Es gibt

    wenig bis gar keine medizinische Behandlung,keine psychologische Betreuung, wenig undsehr schlechte Nahrung, verunreinigtes Wasser,keine Mglichkeiten zur Bildung, kein natr-liches Licht, die Zellen sind berbelegt und be-fallen von Insekten, Feuchtigkeit im Winter undstarke Hitze im Sommer.Viele der Frauen leiden daher an Gewichtsver-lust, Schwcheanfllen, Eisenmangel und An-mie, Rheuma, Asthma, Diabetes, Nieren- undAugenerkrankungen, Hautkrankheiten, Sichel-zellenanmie und Krebs.Nach einer Studie von Addameer tragen 38%der Frauen bleibende Schden von Erkran-kungen davon weil sie im Gefngnis nicht be-handelt wurden. Gynkologische Stationen und

    arabisch sprechende weibliche Spezialistinnenfehlen komplett.

    Auerdem sind die gefangene Frauen, wiealle palstinensischen Gefangenen der oftmalsrassistischen Brutalitt der Gefngnisbehrdenausgesetzt.Hinzu kommt die sexistische Gewalt der vorwie-gend mnnlichen Wrter und teilweise auch vonzu Besuch kommenden mnnlichen Familien-mitgliedern.Die gefangenen Frauen werden vergewaltigt,gefoltert, geschlagen, gedemtigt, drangsaliert,beleidigt, stundenlang unter der heien Sonneoder bei Regen an einem kalten Tag, ihnen wird

    der Schlaf entzogen, sie werden isoliert, ihreZellen werden dauerhaft mit Trnengas befeu-ert oder unter Wasser gesetzt, ihre Familienbe-suche werden kontinuierlich verweigert, Briefeerhalten sie nur einmal in 3 Monaten. Auch sindsie harten Leibesvisitationen und Razzien aus-gesetzt. Diese werden meistens um Mitternachtoder am frhen Morgen durchgefhrt. Dabeiwird Trnengas in die Zellen gefeuert und dieFrauen werden nackt gefesselt. Dann werdensie von den Wrtern geschlagen. Ihre persn-lichen Sachen wie Familienfotos, Briefe, Kleider,Medikamente und andere Gegenstnde werdenihnen weggenommen oder zerstrt.Hinzu kommen Bedrohungen und psycholo-gischer Mibrauch der israelischen Gefngnis-

    behrden die gezielt ngste palstinensischerFrauen ausnutzen indem sie auf patriarchaleNormen sowie Geschlechterstereotypen in be-stimmten Bruchen der palstinensischen Ge-sellschaft anspielen.Auch schwangere Frauen werden festgenom-

    men oder werden durch die Vergewaltigungen

    von Wrtern zur Zeit ihrer Inhaftierung schwan-ger.Diese Frauen bekommen weder mehr Nahrungnoch medizinische oder psychologische Be-handlung.Schwangere gefangene Frauen werden nur un-ter hchsten Sicherheitsvorkehrungen, mit Hn-den und Fen in Eisenketten gefesselt zumKrankenhaus transportiert. Dann werden dieFrauen an Betten gekettet, solange bis sie imGeburtensaal sind, und sofort wieder angekettetwenn die Geburt vorbei ist.In der Zeit von 2003 2008 wurden allein 4 Fllebekannt in denen Frauen ihre Kinder in den Ge-fngnissen bekommen mussten.Auch hier gibt es sowohl vor als auch nach

    der Geburt keine medizinische Behandlunggeschweige denn Geburtenhilfe. Die Kinderwachsen zusammen mit den Mttern in den Ge-fngniszellen auf und werden wenn sie 1 oder 2Jahre alt sind den Mttern weggenommen.

    Dies sind aber nicht die einzigen Situationen mitdenen schwangere palstinensische gefangeneFrauen konfrontiert sind, wie zum Beispiel derFall der ehemaligen politischen GefangenenFatema Younis Azzeq zeigt.

    Sie wurde im Mai 2007 an einem Checkpointvon israelischen Soldaten festgenommen alssie gerade mit ihrem achten Kind schwangerwar. Sie musste sich ausziehen und wurde be-schimpft, geschlagen und getreten. Dann wur-den ihr die Augen verbunden und sie wurde indas Ashkelon Verhr Zentrum gebracht. Dortwurde sie intensiver krperlicher und seelischer

    Folter ausgesetzt. Sie war whrend des gesam-ten Verhrs an einen Stuhl gefesselt, wurdeextremer Klte ausgesetzt, ihr wurde der Schlafentzogen und sie wurde wiederholt geschlagen.Diese andauernde Gewalt fhrte zu starken Blu-tungen im Unterleib. Im Januar 2008 wurde sie

    - Die Rolle palstinensischer politischer Gefangener Frauen ist eng verknpft mitdem Kampf fr die Selbstbestimmung Palstinas -

    red.

    6 gefangenen info april/mai 2011

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    Schreibt den palstinensischen politischen Gefangenen Frauen!

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    dann in ein Krankenhaus gebracht wo ihr SohnYoussef geboren wurde.Direkt nach der Geburt wurde er ihr weggenom-men und sie sah ihn tglich nur zweimal zumstillen. Whrend der ganzen Zeit war sie an ihrBett gekettet und durfte keinen Besuch oderanderen Kontakt haben weder zu ihren Fami-lienangehrigen oder ihrem Ehemann noch zuihrem Anwalt.

    Auch die Art und Weise der Festnahmen undInhaftierungen der palstinensischen politischenGefangenen Frauen fungieren als Teil von indi-viduellen und auch als Teil von gegen die ganzeFamilie gerichteten Foltermethoden.Dies zeigt das Beispiel der politischen Gefange-nen Qahira Saeed As-Saadi.Am 8. Mai 2002 wurde Qahira von israelischenSoldaten festgenommen nachdem am Tag da-vor zwei andere Familienmitglieder bereits inhaf-tiert wurden.Sie wurde geschlagen, ber den Boden ge-schleift und an den Haaren gezogen whrendihre vier Kinder zusehen mussten.Nachdem sie in das Al Moskobiyyeh Verhr Zen-trum gebracht wurde, wurde auch sie gefoltert

    und vergewaltigt.Ihr wurde erzhlt dass ihre 10 und 16 Jahre al-ten Tchter auch inhaftiert wurden und sie siesolange vergewaltigen wrden bis Qahira denForderungen der Behrden nachkommt.Whrend der ersten zwei Jahre ihrer Inhaftie-rung wurde ihren Kindern verboten ihre Mutterzu besuchen. Bis heute darf die lteste Tchtersie nicht besuchen.Eine weitere gngige Methode der Behrdenist es die Gefangenen geographisch von ihrenAngehrigen zu isolieren. Das hat den Zweckdie Besuche einzudmmen und hat gleichzeitigschwere psychische Auswirkungen sowohl aufdie Gefangenen als auch auf die Angehrigen.Ein Besuch bei Gefangenen bedeutet fr dieAngehrigen die berwindung gleich mehrererMauern, wie den Checkpoints, den Gefngni-seingang und den Gefngnisinneren Schleusenund damit verbunden schwere Schikanen wie

    wiederholte Strip Searches durch die Soldaten.

    Die Haftzeit hinterlsst an den Frauen sowohlkrperliche als auch seelische Spuren.So beschreibt eine weitere ehemalige Gefan-gene: Seit ich aus dem Gefngnis entlassenwurde, gehe ich nicht viel raus. Ich muss immerdie Tren von den Rumen in denen ich sitzeschlieen. Meine Familie ist berzeugt dass dasein Effekt des Gefngnisses ist. Es gibt keineInstitutionen die mir nach der Entlassung gehol-fen haben, niemand hat mich nach meinen Ge-fhlen gefragt, weder ob ich irgendwas brauchenoch ob ich Hilfe bei dem Wiederaufbau meinerBeziehung zu meiner Familie brauche.

    Diese drei Beispiele stehen exemplarisch fr dieallgemeine Situation der palstinensischen ge-fangenen Frauen.

    Doch trotz dieser Realitten wurde ihre Situationoft von den politischen Bewegungen drauenvernachlssigt, ihre tagtglichen Bedingungenim Gefngnis nicht thematisiert und Forde-rungen nach ihrer Freilassung sind nicht formu-liert worden.Doch whrend dieser Zeit haben die palstinen-sischen politischen Gefangenen Frauen kontinu-ierlich Methoden des Widerstandes entwickelt.Seit der ersten Intifada haben sie sich den Be-handlungen im Gefngnis widersetzt, sie habenkollektive Hungerstreiks organisiert, sich gegen-seitig untersttzt und zusammen gekmpt. Auch

    auerhalb der Gefngnisse haben sie im ganzenbesetzten Gebiet groe Demonstrationen koor-diniert und Sit-Ins abgehalten.Mit diesen Formen des Widerstandes haben siesich starke Instrumente geschaffen, um ihrenBedrfnissen Gehr zu verschaffen und die Situ-ation der palstinensischen gefangenen Fraueninternational bekannt zu machen.

    Einige Resultate dieser Kmpfe sind die heu-tigen Frauenorganisationen wie die Union of Pa-

    lestinian Women Committees (UPWC) und diespeziell fr die Rechte fr palstinensische poli-tische gefangenen Frauen kmpfende WomensOrganization for Political Prisoners (WOFPP).

    Sie wurde whrend der ersten Intifada 1988 voneinigen Frauen gegrndet die sich im Kampfgegen die israelische Besatzung zusammenge-schlossen haben.Die WOFPP sieht ihre Aufgabe darin die poli-tischen Gefangenen Frauen zu untersttzenund die Freilassung aller politischen Gefange-nen die gegen die israelische Besatzung ge-kmpft haben oder dem Kampf beschuldigt wer-den zu propagieren.Ihre Untersttzung besteht in der berwachungder Bedingungen der die politischen Gefange-nen Frauen ausgesetzt sind und im Widerstandgegen die Unterdrckung ihrer Rechte.

    red.

    april/mai 2011 gefangenen info 7

    Hasharon Gefngnis (Tel Mond)Even Yehuda

    P.O. Box 740 330 Israel

    -Wafaa elBis, inhaftiert seit dem 20. Juni 2005.-Abeer Odeh, inhaftiert seit dem 09. August 2009. Sieleidet an vielen schweren gesundheitlichen Problemen

    aber eine angemessenen medizinische Versorgung wirdihr bis heute verweigert-Ahlam el Tamimi, inhaftiert seit dem 14. September2001, Rima Daraghmah, inhaftiert seit dem 28. Juli2004, Nilly Safadi, 33 Jahre alt, inhaftiert seit dem 11.November 2009,Die Gefngnisleitung verweigert ihnen ihre Mnner,ebenfalls politische Gefangene, besuchen zu knnen.-Irina Sarahna, inhaftiert seit dem 23. Mai 2002. Ihre Mut-ter und ihre lteste tochter haben sie am 15. Mrz 2011das erste Mal seit 9 Jahren besuchen drfen. Ihrem Mannwurde es verboten seine Tochter zu sehen.-Kahera elSaadi, inhaftiert seit dem 30. Mai 2002. Erstnach 1 Jahren erlaubten die Behrden dass ihre Toch-ter sie besuchen darf.

    Unter Administrativhaft im Hasharon Gefngnis:

    -Hanaa Shalabi, inhaftiert seit dem 14. September 2009.Im Mrz 2011 wurde ihre Haft um weitere 4 Monate ver-

    lngert.-Kifah Katash, 37 Jahre alt, inhaftiert seit dem 01. August2010. Im April 2011 wurde ihre haft um weitere 4 Monateverlngert.-Aliya Jabri, 30 Jahre alt, ist eine Lehrerin von Hebron.Sie wurde am 15. Februar 2011 um 2 Uhr Nachts verhaf-

    tet und zu einem Verhr Zentrum in Qirvat Arba gebracht.Dann wurde sie zu dem Ofer Zentrum gebracht undeinem Verhr unterzogen. Am 2. Mrz 2011 wurde sie inAdministrativhaft in das Hasharon Gefngnis gebracht.-Samha Hijaz, 39 Jahre alt, ist eine Mutter von 6 Kindernvon elMazra elSharqiya, Ramallah Bezirk. Sie wurde am08. Februar 2011 verhaftet und am 20. Februar ins Has-haron Gefngnis verlegt.

    -Amal Taqataqa, 22 Jahre alt, von Bet Fajar, RamallahBezirk wurde im Mrz 2011 verhaftet. Sie wurde zu 3 Mo-naten Haft und einer Geldstrafe von 2000 NIS verurteilt.

    Damoon Gefngnis (Carmel Mountain)P.O. Box 98

    Daliyat Ha-CarmelIsrael

    -Ramia Abu Samara, 31 Jahre alt, von Yata, HebronBezirk, wurde am 16. Dezember 2010 verhaftet. Am 30.Mrz 2011 wurde sie gegen ihren Willen aus dem Da-moon Gefngnis in das Hasharon Gefngnis verlegt.Daraufhin trat sie in einen Hungerstreik um wieder zu-rckverlegt zu werden. Die Gefngnisleitung schloss siedann in eine Isolationszelle in der sie 24 Stunden amTag mit einer kamera berwacht wurde. Als ein Soldatihr sagte dass sie schlielich ins Damoon Gefngnis

    zurckverlegt wird beendete sie am 03. April 2011 ihrenHungerstreik.

    Anfang Januar 2011 trat eine Gruppe von politischen Ge-fangenen Frauen (Duaa elJayusi, Woroud Qasem, AishaGhanimat and Somoud Qaraja)in einen Hungerstreik. Sie streikten aus Solidaritt mit Li-nan Abu Ghalma die sich ebenfalls in einem Hungerstreik

    befand um in das Damoon Gefngnis zurckverlegt zuwerden. (Am 16. Januar wurde Linan Abu Ghalma in dasDamoon Gefngnis zurckverlegt)Die Gefngnisbehrde berzog die 4 Frauen daraufhinmit einer Reihe von Zwangsmanahmen:Sie erhielten Besuchsverbote und der Strom in den Zel-len wurde ihnen abgestellt, sodass sie in dunklen Zellenund ohne Heizung waren. Auerdem entzogen sie den

    Frauen fr 3 Tage den Schlaf.

    -Aysha Ghanimat, 20 Jahre alt, von Surif, Hebron Be-zirk wurde am 02. September 2009 verhaftet. Seit demerlauben die Behrden ihrer Mutter nicht sie zu besuchen.-Faten elSaadi, wurde am 8. Mai 2008 verhaftet. Erstnach 8 Monaten gaben die Behrden ihrer Mutter eineeinmalige Besuchserlaubnis.-Suad Nazal, 24 Jahre alt, von Qalqilya, wurde am 23.August 2009 verhaftet. Erst nach 2/3 ihrer Gesamtstrafeerlaubten die Behrden ihrer Mutter sie zu besuchen.-Hanan elHamuz, 41 Jahre alt, Mutter von drei Kindern,aus dem Aza Flchtlingslager, Bethlehem Bezirk, wurdeam 11. Oktober 2010 verhaftet. Am 23. Mrz 2011 wurdesie zu 30 Monaten Haft und einer Geldstrafe von 3000NIS verurteilt.

    Neve Tirza Gefngnis (Ramle)

    PO BOX 22972100 RamlehIsrael

    -Maryam elTarabin, von Jericho, wurde am 24. Januar2005 verhaftet. Im Mrz 2011 wurde sie aus dem Has-haron Gefngnis in eine Isolationszelle in das Neve TirzaGefngnis verlegt.

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    8 gefangenen info april/mai 2011

    Wei ich nicht mehr. Ich kann mich nicht erinnern. Das Mauern der Polizei setzt sich ungebrochen auch imRevisionsverfahren im Fall Oury Jalloh fort

    red.

    Der ursprnglich fr Oktober 2010 anberaumte Pro-zess im Fall Oury Jalloh begann nach einer angeb-lichen Erkrankung des Angeklagten PolizeibeamtenAndreas Schubert letztlich erst im Januar 2011 imLandgericht Magdeburg.

    Seit dem sind nun einige Prozesstage vergangenund die sich abzeichnende Tendenz ist desastrs

    wenngleich wenig berraschend. Denn so erin-nert dieses Verfahren vielerorts an den zur Farceverkommenen ersten Prozess vor dem LandgerichtDessau-Rolau: Auch in diesem Prozess prsen-tieren die vorgeladenen Polizeibeamt/innen nebenoffenkundig einstudierten und wenig aussagekrfti-gen Antworten eine fadenscheinige kollektive Am-nesie auf detaillierte und offenbar nicht-antizipierteRckfragen. Es ist die altbekannte Strategie desMauerns, die sich in Endlosschleifen aus wei ichnicht mehr und ich kann mich nicht mehr erinnerngebrdet. Es bleibt abzuwarten, ob die vorsitzendenRichter/innen und Schfnnen sich auf dieses Spiel

    der Vertuschung und dem demonstrierten Unwillenzur Aufklrung einlassen werden und dann Gefahrlaufen, am Ende wie schon Richter Steinhoff desLandgerichts Dessau-Rolau mit doppelter Zungesprechen zu mssen: Denn obgleich die Schandedes 7. Januars 2005 zum Himmel schreit, bedientsich Unrecht des Rechts, wenn die Verantwortlichenungestraft davon kommen.Wie es anfangs nicht anders zu erwarten war, hatsich der Angeklagte jeglicher Stellungnahme ent-zogen. Doch bereits am dritten Prozesstag nderteer seine Strategie. Nachdem der Verteidiger von A.Schubert eine Stellungnahme abgegeben hatte, indieser er den Tod von Oury Jalloh als tragischenSchicksalsschlag auslegte, uerte sich der An-geklagte ebenfalls zu den Geschehnissen am 7.

    Januar 2005. Die darauf folgende Vernehmungzog sich ber Stunden. Die Befragung, seitens derJustiz, sttzte sich offensichtlich auf Versumnisseder Dienstvorschriften, nicht etwa auf unterlasseneHilfeleistung bzw. vorsetzlichen Mord.

    Am siebten Prozesstag, dem 4. Mrz 2011, deu-tete sich an, dass auch die vorsitzenden Richter/innen die Verhhnung der Strategie durch die Zeug/innen erkennen. Vernommen wurde der Polizeibe-amte Schulze einer jener, der Oury Jalloh zuletztlebend gesehen und die Gewahrsamszelle Num-mer 5 kontrolliert hatte. Zunchst begann Schulzedie Ereignisse des 7. Januar 2005 zu schildern,wobei sich seine Aussagen auffallend mit jenenglichen, die er vor einigen Jahren gemacht hat-

    te. Die detaillierten Rckfragen der Richter/innenund Nebenklagevertreter/innen lieen sich dannnicht mehr mit einstudierten Antworten begegnen,und so whlte Schulze vermehrt das altbekanntewei ich nicht mehr bei Fragen der Nebenkla-gevertreterin sogar oftmals, bevor diese ihre Fragen

    berhaupt zu Ende stellen konnte. Die Farce derVernehmung fand dann einen ersten Hhepunkt,als sich der Zeuge Schulze in seinem eigenenNetz aus Lgen verstrickte. Hatte er zunchst derNebenklagevertreterin verneint, jemals an einem

    Treffen von Zugehrigen der Polizei in Vorbereitungauf den damaligen Prozess vor dem LandgerichtDessau-Rolau teilgenommen zu haben, erinnerteer sich dann jedoch bei der Vernehmung durch dieVerteidiger des Angeklagten Schuberts doch an einsolches Treffen. Dabei soll den Polizeibeamt/innengesagt worden sein, bei Gericht das auszusagen,was man wisse. Auf die verwunderte Rckfrageder Nebenklagevertreterin, ob er das vorher nichtgewusst habe, wei auch Schulze keine Antwortmehr, ersucht das Gericht um eine Pause und blickthilfesuchend in den Zuschauerraum. Dort sitzt einVertreter vom Bezirkspersonalrat der Polizeidirek-tion Sachsen-Anhalt Ost. Er nahm bereits an denvorherigen Prozesstagen teil aus frsorgerecht-lichen Grnden, wie er am vierten Prozesstag im

    Zeugenstand verkndete. Das bedeutet soviel wiePausengesprche mit dem Angeklagten Schubert,oder, wie am siebten Prozesstag, mit dem ZeugenSchulze. Die von Schulze beantragte Pause wirdihm vom Gericht gewhrt, doch im Zuschauerraumkommt es zu Tumulten als kritische Beobachter fest-stellen, dass jener Vertreter des Bezirkspersonalratdem Zeugen Schulze auf die separate Wartechefolgen will, was aber erfolgreich verhindert werdenkonnte. Befrchtet wurden strategische Absprachenwhrend der Pause nicht zu Unrecht, wie sichnach der Pause herausstellen soll. Denn so wurdeein Aktivist in den Zeugenstand gerufen, der seinenUnmut whrend der Pause kundgegeben hatte. ImZeugenstand kritisierte er zunchst den offenkundigbefangenen Staatsanwalt. Dieser mache seine Ar-

    beit nicht die Anklageschrift ist eine Schande undmsse gendert werden. Und dann teilte er demGericht mit, dass er am Morgen des siebten Prozes-stages mitbekommen hatte, wie jener Vertreter desBezirkspersonalrates dem Zeugen Schulze riet, beiSchwierigkeiten eine Pause zu verlangen einenRat, den Schulze offenkundig beherzte.

    Einen zweiten Hhepunkt der Farce dargebotendurch den Zeugen Schulze ergab sich daraus,dass erneut kritische Beobachter im Zuschauer-raum gesehen hatten, wie Schulze whrend derVernehmung des Aktivisten im Warteraum telefo-nierte. Zwar sagte die Richterin, dass dieser dasauch drfe, allerdings leugnete Schulze dies, alsseine Vernehmung fortgesetzt wurde. Die Neben-

    klagevertreterin fragte Schulze, ob man sein Handyanschauen knne, was er bejahte. Als er dann abersein Handy herausholte, begann er wirr auf demHandy herumzudrcken. Obgleich alle Anwesendenim Saal dies sahen, leugnete er, Tasten gedrckt zuhaben. Wie sich am achten Prozesstag heraus-

    stellte, hat das Gericht einen Durchsuchungsbefehlbeantragt, um alle Handys Schulzes zu prfen. DasErgebnis der Auswertung wird besttigen, dass ergelogen hat.Wie wichtig es ist, dem Rechtssystem Deutschlandsgegenber misstrauisch zu sein, belegte dann auchdie Vernehmung des Zeugen durch den Staatsan-walt. Die Aussagen Schulzes haben eindeutig ge-zeigt, dass es ein polizeiinternes Treffen vor(!) demProzess in Dessau gab, und somit interne Abspra-chen nahe legt. Mit seiner Vernehmung lenkte derStaatsanwalt jedoch die Aufmerksamkeit auf ein vonihm selbst anberaumtes Treffen von Mitgliedern derPolizei whrend(!) des laufenden Prozesses, wasangeblich dazu dienen sollte, das Mauern der Po-lizeibeamt/innen zu beenden. Nicht nur versuchteer damit den Zeugen zu schtzen, sondern auchdavon abzulenken, dass es offenkundig mehrereBemhungen gab, die Wahrheit zu vertuschen undAbsprachen zu treffen. Das Sprechen des Staatsan-waltes von einem Unglck, das am 7. Januar 2005passiert sein soll, gibt der Verhhnung, wie sie diePolizeibeamt/innen demonstrieren, den Rest. Denndas, was an jenem Tag passierte, war nichts weni-ger als institutionell gedeckter rassistischer Mord.Dies alles erscheint umso absurder, wenn mansich vor Augen fhrt, dass gut zwei Jahre vor demTod von Oury Jalloh bereits eine andere Person,der obdachlose Mario Bichtemann, in der gleichenZelle aus ungeklrten Umstnden ums Leben kam.Auch an diesem Tag war der Angeklagte Schubertder agierende Dienstgruppenleiter, PolizeibeamtinHpfner seine rechte Hand und entsprechendeKontrollgnge wurden unter anderem auch vonJrgen Semmler durchgefhrt, der nun am achtenProzesstag im Zeugenstand anwesend war und mitseiner Aussage den Angeklagten weiter belastete:Als nmlich der zweite Vorsitzende Caspari denZeugen Semmler mit dem Fall Mario Bichtemannkonfrontierte, sagte dieser aus, dass ihm bei derKontrolle des Mannes u.a. aufgefallen war, dass ernicht mehr zu wecken gewesen sei und er an demGesundheitszustand des Gefangenen stark zwei-

    felte. Als er seinen Vorgesetzten Schubert darberinformierte, hielt dieser es nicht fr ntig, sich direktin die Gewahrsamszelle zu begeben, um sich vomZustand des Mannes selbst ein Bild zu machen undentsprechende Manahmen einzuleiten.Als die Befragung des Zeugen Semmler auf Grundeiner angeblichen Erkrankung von Schubert erstvier Wochen spter fortgesetzt wurde, erinnertesich der Zeuge auch an einen Drogenabhngigenaus Kthen, der eingesperrt wurde und dem es soschlecht ging, dass er, Semmler, Schubert sagte, erwrde diesen nicht unbeaufsichtigt lassen, worauf-hin Schubert dies ablehnte mit der Begrndung,dass er weiter seinen Dienst verrichten solle. Aufdie Frage hin, ob es nicht schon nach dem Tod vonM. Bichtemann und sptestens nach dem von Oury

    Jalloh berlegungen gab, wie dieses zu verhindernsei, gab Semmler dennoch zur Antwort: Oury Jallohwar fr mich kein Fall, das war eine normale Kontrol-le einer Gewahrsamszelle. Und zur Frage, ob es dakein Interesse von ihm an Aufklrung gegeben ht-te: Nee, was da passiert ist, war ein mittleres Wun-der. Das ist schon alles tausendmal durchgekaut

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    worden und wer was gehrt hat, dass da etwa einFeuerzeug da war und gefunden wurde. Wie sonstsoll s brennen, als durch Feuerzeug, Streichhlzeroder Voodoo.

    Am dreizehnten Prozesstag wird der Zeuge TorstenBock vernommen. In seiner ersten ssigen Erzh-lung zu den Ereignissen am 07.01.2005 erklrtedieser zweimal im Gewahrsamstrakt gewesen zusein, um seinen Kollegen Ulrich Mrz aufzusuchen.Das erste Mal war er am Morgen unten, um ihm

    eine fachliche Frage zu stellen. Nachdem er vonseinem Streifeneinsatz ins Revier zurckgekom-men war, ist er dann ein zweites Mal runter gegan-gen. Er wollte den Ulli fragen, ob er mit zum Mit-tagessen kommen wrde. Er fand Mrz zusammenmit Udo Scheibe in der Zelle 5, an der Matratze desan Hnden und Fen xierten Oury Jalloh vor. Aufdie Frage der Richterin, was die beiden dort mach-ten, erklrte Bock, dass es fr ihn offensichtlich war,das sie ihn noch mal abtasteten und durchsuchten.Mrz sagte zu Bock, das er noch zu tun htte. Weiles fr Bock ersichtlich war, das es noch eine Weiledauern wrde, verlies er den Gewahrsamsbereich.Nach seiner Wahrnehmung hat sich Oury Jallohzu diesem Zeitpunkt ruhig verhalten und sich nichtverbal geuert. Auch war er der Meinung, dass

    die Hosentaschen von Oury Jalloh nach auen ge-krempelt waren. Als Bock dann vom Essen aus derKantine zurck kam, brannte es bereits.

    Das Gericht war sichtlich berrascht von dieserZeugenaussage und unterbrach die Sitzung fr ei-nige Minuten, mit der Bitte, dass Torsten Bock denZeugenstand nicht verlassen solle. Nach der Pauseerffnete der zweite Vorsitzende dem Zeugen, dasssich durch seinen Bericht eklatante Widersprchezu den Aussagen von Mrz und Scheibe ergebenhaben.Diese hatten behauptet seit der Ingewahr-

    samnahme des Oury Jalloh am Morgen gegen 9.00Uhr nicht mehr im Zellentrakt gewesen zu sein.

    Aufgrund dieser neuen Erkenntnis gibt die Neben-klgerin eine entscheidende Erklrung zu Protokoll.Sie fhrt an, das wenn man der Aussage des Zeu-gen Bock glauben kann, sich folgendes ergibt:Erstens, entgegen der Bekundungen des ZeugenMrz und Scheibe waren beide gegen Mittag nocheinmal im Gewahrsamstrakt.Zweitens, Oury Jalloh wurde in der Gewahrsams-

    zelle Nummer 5 noch einmal untersucht und unteranderem hiermit ausgeschlossen, dass sich einFeuerzeug in dessen Hosentaschen befand.

    Das lsst die Schlussfolgerung zu, dass die ZeugenMrz und Scheibe zu der Ursache, die zum Tod desOury Jalloh gefhrt habe, mehr wissen drften, alssie als Zeugen hier bereit waren zu sagen. () DieAussage legt darber hinaus sehr nahe, dass dieTheorien von den Selbstentzndungen des OuryJallohs ausgeschlossen werden mssen.

    Trotz allem erwarten wir auch von dem laufendenRevisionsverfahren keine Aufklrung und Gerech-tigkeit. Der brgerliche Staat versucht vielmehr sei-ne augenscheinliche Rechtsstaatlichkeit zu bewah-

    ren und liefert deshalb auch einen Schauprozessab. Sowohl die Anklageschrift des Staatsanwaltesals auch die Fragen seitens der Justiz spiegelndies deutlich wieder. Fr uns ist klar, dass dies keintragischer Schicksalsschlag war und auch keineunterlassene Hilfeleistung, sondern ein rassistischmotivierter Mord! Denn Oury Jalloh ist kein Einzel-fall. Erinnert sei hier an die unzhligen Opfer an deneuropischen Auengrenzen, in den Abschiebe-knsten und die Opfer rassistischer Polizeigewalt.

    Oury Jalloh Das war Mord!

    In den Jahren 2009 und 2010 gab es zahlreicheDurchsuchungen in den Berliner Buch, und In-folden M99, Oh 21 und Schwarze Risse und imMnchner Cafe Marat durch das jeweilige Lande-skriminalamt. Allein im Jahr 2010 fanden siebenRazzien statt. Begrndet wurden diese mit demVerdacht der Beihilfe der Anleitung zu Straftaten(130a STGB) und dem Versto gegen das Waf-fengesetz ( 40 WaffG -Verbotene Waffen inklusivedes Verbotes, solche herzustellen oder zu ihrer Her-stellung aufzurufen).

    Die durchsuchten Lden sollen in ihren Rumenunter anderem die Zeitschriften Interim, Prisma undRadikal ausgelegt haben.

    Um der Repression zu begegnen vernetzten sichdie betroffenen Buchlden in der Initiative Un-zensiert lesen. Nachdem die ffentlichkeit, unteranderem durch mehrere sehr gut besuchte Infor-mationsveranstaltungen, ber die Situation unddie Hintergrnde des Verfahrens informiert werdenkonnte gab es zahlreiche solidarische Reaktionenunter anderem im Rahmen eines von ber 1000Personen und Gruppen unterzeichneten Aufrufes.

    Am 18.2. sowie am 8.3. diesen Jahres fanden nunvor dem Amtsgericht in Berlin Tiergarten die Ver-handlungstage des Prozesses gegen einen derangeklagten Buchhndler statt.Die erschienenen Prozessbesucher wurden schi-kaniert durch umfangreiche Sicherheitskontrollen,

    in einem vom sonst blichen Eingang abgetrenntenBereich. Dies bedeuteten fr sie die genaue Durch-suchung der Kleidung sowie das Kopieren ihrerPersonalausweise. Dadurch wurden sicherlichviele potentiell Interessierte abgeschreckt und derangeklagte Buchhndler auf vorverurteilende Wei-

    se quasi als besonders gefhrliche Persnlichkeitdargestellt.Trotz allem kamen zu beiden Tagen zahlreiche Be-sucher um den Prozess kritisch zu beobachten.Doch es fanden dann lange nicht alle InteressiertenEinlass denn der Verhandlungssaal war denkbarklein gewhlt. Daher gab es, zumindest am 18.2.,eine lautstarke Kundgebung vor dem Gericht beiwelcher viele Zitate von Autoren verlesen wurdendie im Lauf der vergangenen Jahrhunderte vonstaatlicher Zensur betroffen waren.Das Berliner Staatsanwaltschaft versuchte an bei-den Tagen die Ansicht durchzusetzen das Buch-hndler prinzipiell fr den Inhalt der bei ihnen aus-liegenden Medien verantwortlich zu machen wren.

    Die Richter konnten dem so nicht folgen und fandenauch keine ausreichenden Anhaltspunkte fr dasweiterfhren des Prozesses daher wurde er am 2.Verhandlungstag eingestellt.Htte die Staatsanwaltschaft mit ihrer Forderungrecht behalten wrde dies zuknftig eine kritischeMedienlandschaft stark behindern. Denn Buch-hndler aber auch Betreiber von Lden, Cafes undKneipen mssten dann, in die Rolle der Zensorengedrngt, in vorrauseilendem Gehorsam alles vonihnen Vertriebene und bei ihnen Ausliegende ersteinmal auf eine eventuelle strafrechtliche Relevanzhin berprfen.

    Daneben stellen die Durchsuchungen der Lden ei-nen massiven staatlichen Angriff auf eine kritische,

    linke Infrastruktur dar. Sie werden benutzt umMenschen einzuschchtern, durch die Beschlag-nahmung von Computern und Literatur Arbeit zubehindern und um linke Strukturen auszuforschenz.B. indem die Personalien aller bei den Durchsu-chungen Anwesenden aufgenommen werden.

    Zur Repression gegen Buch- und Infoldenred.

    Bernburg: In der Nachtzum 26. April sollte in Bern-burg (Sachsen-Anhalt) eineAbschiebung stattnden.25 Menschen konnten diesemithilfe einer Blockade derTore, die sie mit Schlssern

    absperrten, verhindern. Miteinem Transparent mit der

    Aufschrift Abschiebung ist Mord standensie die Nacht ber vor dem Asylbewerbe-rInnenheim. Die BewohnerInnen brachtenihnen dankend Tee bis sie am frhen Mor-gen von dem Erfolg ihrer Aktion hrten undaufbrachen. Was mit der bedrohten Familieweiter passiert ist leider unklar. (red.)

    Sehnde: Werner Braeuner,Gefangener in der JVASehnde bei Hannover, wur-de 2001 wegen der Ttung

    des Verdener Arbeitsamts-direktors zu einer 12-jh-rigen Haftstrafe verurteilt.Es gibt Hinweise auf die

    Verunreinigung seines Knast-Essens u.a.mit Exkrementen. Dies bewegte ihn dazubeim niederschsischen Justizministeriumdie Barauszahlung des Essensgeldes zu be-antragen um sich selbst versorgen zu kn-nen. Der Antrag wurde abgelehnt woraufhinWerner Braeuner in Erwgung zieht in denHungerstreik zu treten. (red.)

    Hannover/Griechenland:Im Rahmen der Kampagne

    Solidaritt mit Sven, Ste-fan und Tim erklrten sichgriechische AktivistInnenmit den drei angeklagtenAntifaschisten aus Hanno-ver solidarisch. Sie malten

    ein Transparent, das sie als Solidaritts-Bot-schaft nach Deutschland schickten.Sven, Stefan und Tim wird vorgeworfen miteinigen Anderen eine Gruppe Nazis ange-griffen zu haben, die vor einer Kneipe in derhannoveranschen Nordstadt pbelten. EinGroteil der Gruppe bestand aus bekanntenGesichtern der rtlichen Naziszene. (red.)

    Berlin: Die Regierungskoa-lition von CDU/CSU undFDP verabschiedeten ei-nen Gesetzesentwurf nachdem straffllig gewordeneJugendliche direkt nachdem Vergehen eine Haft-strafe verben mssen.Das betrifft sowohl jeden

    Verurteilten auf Bewhrungsstrafen als auchjeden der nur Sozialstunden ableisten muss.Diese rigorose Schikane trifft vor allem Erst-straftter.Als Aufhnger dient ein berfall in der Ber-

    liner U-Bahnstadtion Friedrichstr. auf einenTouristen. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #361

    10/20

    Neben der redaktionellen Arbeit musste die Existenzund damit das Fortbestehen des Infos auch immer vorGericht verteidigt werden, um damit das Leben vorallem der Gefangenen aus der RAF vor staatlichenbergriffen hinter Gittern zu schtzen. Heute sind esvor allem die Eingesperrten aus trkischen und an-deren migrantischen Zusammenhngen, die diesenSonderhaftbedingungen und -gesetzen ausgesetztsind. Es bedeutet immer Kampf auf allen diesen Ebe-

    nen, den Weggesperrten einen unzensierten Raumzu geben fr ihre politischen Vorstellungen bis hin zurihrer Freiheit!Aus der Prozesserklrung vom 11. 10. 2010

    Das Gefangenen Info (GI) wird seit 2009 vom Netz-werk Freiheit fr alle politischen Gefangenen heraus-gegeben. Unsere Zeitschrift existiert seit 1989, seitdem letzten Hungerstreik der Gefangenen aus derRAF und des anti-imperialistischen Widerstandes.Rund 30 Verfahren gab es gegen unser Organ, dieAngriffe konnten wir bis auf 2 Verurteilungen immersiegreich berstehen.Letztes Jahr erkmpften wir vor dem Landgericht inBerlin einen Freispruch dank zahlreicher Solidarittaus dem In - und Ausland. Es war uns aber auch be-

    wusst, dass die Attacken der Justiz, Polizei und Ge-heimdienste gegen uns und andere Solidarittsstruk-turen weiter gehen.So wurde im letzten Jahr an einem PKW von Aktivi-stInnen aus unserer Struktur ein GPS-Ortungsgertgefunden. Dieses war im Trger hinter dem hinterenStofnger mit Hilfe von Magneten befestigt. DerPeilsender besa eine eigene und leicht wechselbareStromversorgung (Akku mit seperatem Anschluss),weshalb wir davon ausgehen, dass es fr lngereZeit an dem Fahrzeug befestigt war und auch bleibensollte. Der Peilsender bendet sich derzeit bei einemAnwalt. Wir gehen davon aus, dass der Grad derBespitzelung unserer Struktur aber auch andererAntirepressionsstrukturen - jedoch noch viel weitrei-chender ist.

    Ein anderer praktischer Ausdruck der Behinderung un-serer Arbeit sind die stndigen Beschlagnahmungenbzw. Nichtaushndigungen unserer Zeitung an Ge-fangene. So wurden z. B. im letzten Sommer TommyTank, einem politischen Gefangenen aus Torgau, 3Ausgaben des Gefangenen Infos fr 14 Tage be-schlagnahmt und dem Verfassungsschutz vorgelegt.Die Ausgabe Nr. 356 erreichte zahlreiche kurdischeund anti-faschistische Inhaftierte nicht und wurde andie Redaktionsadresse zurckgeschickt.Vereinzelt haben Gefangene immer wieder um dieAushndigung des Gefangenen Infos zu kmpfen.Dem wegen 129b eingesperrten Gefangenen Sadizpolats wurde die Korrespondenz vom SozialenZentrum Magdeburg durch den Bundesgerichtshof(BGH) beschlagnahmt. Geschickt wurde ihm Hinter-grundmaterial zum erfolgreichen Prozess gegen un-sere Zeitschrift.Begrndet wurde die Beschlagnahme durch dasBGH damit , dass das GI erstmalig 1989 anlsslichdes Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF alsHungerstreik Info in Erscheinung getreten ist undes sei eine Waffe der Solidaritt um gegen die zu-

    nehmende Repression gegen politische Gefangeneaufmerksam zu machen und somit besser gegen dieUnterdrckung agieren zu knnen.Ebenso werden die HerausgeberInnen des GI, dasNetzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen,angegriffen, weil es sich als Zusammenschluss ver-steht, um sich organisierter gegen die herrschendenVerhltnisse besser wehren zu knnen.In unserer Zeitschrift verffentlichen wir hug Briefe

    von Gefangenen, damit die Leserinnen und Lesersich ansatzweise ein Bild von ihr/ihm machen knnen.Ansatzweise heit in diesem Fall, weil unter den herr-schenden Knastbedingungen die Kommunikations-mglichkeiten stark eingeschrnkt sind.Diese Beispiele zeigen, dass wir den Herrschendenein Dorn im Auge sind und wir uns nicht abschreckenlassen in unserer Arbeit. Deshalb lsst der Staats-schutz nicht locker und startet weitere Angriffe:In der Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 8. Mrzerscheint ein Artikel Ein politischer Gefangener, derTommy und alle angreift, die sich solidarisch zu ihmverhalten.Die Kontakte, die er im Knast aufgebaut hat,werden alle der Linksextremen Szene zugeordnet.Diese Bezeichnung ist typischer Polizeijargon, der dieVoraussetzung fr weitere Kriminalisierung ist.

    Fr Weggesperrte ist der Knast schon sehr einschnei-dend und wenn Tommy bei seiner Verlegung vonLeipzig nach Torgau anfangs 3/4 seiner Unterlagenund Gegenstnde vorenthalten wurden, ist das eineweitere Verschrfung. Zu Recht hatte er diese repres-sive Situation in Torgau als Methode charakterisiert,neu angekommene Gefangene zu brechen.Die LVZ vom 8.3. hetzt weiter, so scheint Tommy T.in einem Jahr Knast...... zum gefestigten Genossenkonvertiert zu sein.Da sie ihn trotz seiner noch ber 2 Jahre anstehen-dem Knast nicht brechen konnten, kommt da deswe-gen auch in den Presseorganen Wut und Aggressivittrber.Er setzt sich solidarisch mit Faruk Ereren auseinan-der, der in der Trkei 8 Jahre lang schwer gefoltertwurde und dem jetzt lebenslnglich und die Ausliefe-

    rung in die Trkei droht. Daraus macht die LVZ, ersympathisiert mit einem Linksterroristen, der wegenAnschlgen auf die trkische Justiz und Polizei.... mitzwlf Todesopfern angeklagt war. Kein Wort davon,dass diese Aussage durch blutige Folter in der Trkeierpresst worden ist und alle Antrge dazu von der Ver-teidigung vom zustndigen Senat in Dsseldorf abge-schmettert wurden. Das macht mal wieder die Zusam-menarbeit und somit die Kumpanei von deutscher undtrkischer Justiz und Polizei offen.In einem anderen Schreiben tauscht sich Tommy T.mit einem Aktivisten aus dem Umfeld der Roten Ar-mee Fraktion (RAF) aus - Thema: die Kranzniederle-gung an den Grbern der ersten RAF-Generation umAndreas Baader und Gudrun Ensslin. (LVZ)Hier wird zum einen der Aktivist, der ihm von derKranzniederlegung berichtete, durch eine VS-Klassi-zierung diffamiert und kriminalisiert und Tommy na-trlich ebenso. Was nicht erwhnt wird, ist, dass nichtnur Andreas und Gudrun auf ungeklrter Weise denKnast nicht berlebt haben, sondern noch 7 weiterepolitische Gefangene. Gerade weil diese Haftbedin-gungen und Todesumstnde heute von den Herr-

    schenden ignoriert und verzerrt werden, ist es immerwichtig, auf diese Ereignisse hinzuweisen. Zu Rechthaben wir das als Revolutionre Geschichte verteidi-gen und aneignen bezeichnet.Auch strt es die LVZ, dass Tommy auf einer Liste vonpolitischen Gefangenen steht, die auf der Homepagedes Netzwerks und auch im GI verffentlicht wird. Zieldieser Liste ist es, dass zu diesen Eingesperrten ausunseren Bewegungen Kontakt aufgenommen wird.

    Einfach Solidaritt zeigen mit den Weggesperrten,was einfach klingt und selbstverstndlich fr uns allesein sollte. Konsequent fr uns ist auch, dass dasNetzwerk Briefe von Tommy und anderen Gefange-nen auf seiner Homepage verffentlicht, denn wir un-tersttzen die politischen Gefangenen auf politischer,

    juristischer und menschlicher Ebene und stehen hinterihnen in ihrem Widerstand fr ihre Freiheit, gegen in-humane Haftbedingungen...(Aus dem Selbstverstndnis des Netzwerks.)

    Auch seine Anwltin und die Rote Hilfe Leipzig krie-gen ihr Fett weg. Letztere weil sie eine gut besuchteVeranstaltung zu Tommy in Leipzig anlsslich des 18.Mrz, dem Tag des politischen Gefangenen, organi-siert haben. In diesen Zusammenhang greift die LVZ

    auch die Ortsgruppen der Roten Hilfe aus Magdeburgund Halle an, weil sie ebenso Veranstaltungen zuTommy gemacht haben. Gefangenen eine ffentlicheStimme zu geben, sollte selbstverstndlich fr Solida-rittsstrukturen sein. Das ist bestimmt auch einer derGrnde, warum die RH vom VS beobachtet wird.

    Angriffe gegen AktivistInnen im Prozess gegenVerena Becker

    Am 10. Mrz, kurz vor dem Ende des Verhandlungs-tages in Stuttgart, entrollten drei AktivistInnen im Ge-richtsaal ein Transparent mit der Aufschrift Solidarittmit den 10 ehemaligen Militanten aus der RAF underklrten Damals wie heute: Terrorist ist der, derverhungern lsst, bombardiert und verhaftet. Dazuwurde die Parole Freiheit fr alle politischen Gefan-

    genen! gerufen.Die drei Menschen wurden aus dem Gerichtsaal ent-fernt und nach kurzzeitiger Ingewahrsamnahme vorden Strafsenat gestellt. Die 3 GenossInnen wurden

    jeweils zu 150 Euro verdonnert, von denen bereits di-rekt nach dem Prozess ca. 200 Euro von solidarischenPersonen gespendet wurden.An diesem Tag waren Gnter Sonnenberg, StefanWisniewski, Rolf Heiler und Waltraud Liewald imProzess gegen Verena Becker als ZeugInnen vor-geladen. Insgesamt waren bisher 11 Ex-Militante ausder RAF geladen und alle verweigerten die Aussage.Gegen zwei von ihnen, Siegfried Haag und RolandMayer, wurde Beugehaft von 6 Monaten beantragt.Der Terrorismusexperte der ARD, Holger Schmidt,bezeichnete die 3 GenossInnen, die im Gerichtsaalintervenierten, als RAF-Fanklub und gab auch dasAlter, Vornamen und Anfangsbuchstaben der Nachna-men auf dem SWR Terrorismus Blog vom 10. 3.2011 preis.Das nchste Mal werde es nicht so glimpich abge-hen, mahnte der Vorsitzende noch.(ebenda)

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    10 gefangenen info april/mai 2011

    Weitere Angriffe auf Solidarittsstrukturen - ein kurzer berblickred.

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    april/mai 2011 gefangenen info 11

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Rheinbach: Peter Scherzlist Bundesvorsitzender derInteressenvertretung Inhaf-tierter. Er wird aufgrund sei-ner vllig legalen Inan-spruchnahme vonGrundrechten seitens des

    Vollzugs seit Jahren mitHunderten Willkr-und Schi-kaneakten berzogen. Ganz offensichtlichsoll Peter Scherzl mundtot gemacht und anihm gleichzeitig zudem ein Exempel statuiertwerden, um andere Gefangene einzuschch-tern und sie so von Klagen und Strafanzeigengegen die vielfach von oben gedeckteRechtsbeugung im Strafvollzug abzuhalten.(red.)

    Berlin: Die Berliner Polizeihat am 5.4. gewaltsam eineProtestaktion von KurdInnenauf dem Alexanderplatz ver-

    hindert. Eine Woche langsollte mit einem Demokra-tischen Lsungszelt berdie Unterdrckung des kur-dischen Volkes in der Trkei

    und die Forderungen der kurdischen Frei-heitsbewegung nach kulturellen, demokra-tischen und sozialen Rechten informiert wer-den. Obwohl ein Pavillon angemeldet war,wurde das Zelt von der Polizei demontiertund beschlagnahmt. Die deutschen Justizbe-hrden stellen sich somit in die Linie ihrer tr-kischen Kollegen. (red.)

    Leipzig: Nach mehreren

    Hausdurchsuchungen inBrandenburg und Sachsenam Morgen fanden sich ge-gen Abend zwischen 500und 600 Menschen zu einerDemonstration zusammenum diese unter dem MottoGegen die Kriminalisierung

    linker Strukturen ffentlich zu thematiesie-ren. Die Durchsuchungen fanden im Rahmenmehrerer Verfahren um 129 statt bei denenden Beschuldigten nach monatelanger Tele-kommunikations-berwachung vorgeworfenwird an Aktionen beteiligt gewesen zu seindie sich vorrangig gegen Nazis richteten.(red.)

    Weilheim: Am 11.04.2011standen zwei Genossen ausdem Raum Oberbayern vordem Weilheimer Amtsge-richt. Vorgeworfen wurde ih-nen gefhrliche Krperver-letzung obwohl sie sich 4Monate zuvor mit einem ag-gressiven Rassisten kon-

    frontiert sahen, der sie mit einem Messer be-drohte und jagte. Die Haftstrafen von 10Monaten Knast ohne Bewhrung und 2 Wo-

    chen Jugendarrest plus 40 Sozialstunden ka-men zustande als die Beiden versuchten denAngreifer mithilfe eines Pfeffersprays abzu-wenden.Die Strafmae schlagen damit weitber die Forderungen der Staatsanwaltschafthinaus. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Aufruf zur Solidaritt: Weg mit den Beugehaftandro-hungen gegen zwei ehemalige Militante aus der RAF!

    Der Vorsitzende Richter ist brigens Hermann Wie-land, der die 5 trkischen Linken im 129b-Verfahrenzu hohen Strafen verknackte.Trotz der fortlaufenden Diffamierungen und Umdeu-tungen unserer Geschichte war Solidaritt von jn-geren GenossInnen mit den vorgeladenen lterenGenossInnen mglich und wurde auch ffentlich. Daswar auch einer der Grnde, warum die Staatsschutz-presse darber vor Wut schumte und die Justiz beiweiteren Aktionen mit hrteren Sanktionen drohte.Wir lassen uns durch gezielte Angriffe des Staats-

    schutzes, der Geheimdienste und ihrer medialenGesinnungsjournalistInnen in unserer politischen Ar-beit natrlich nicht abschrecken, denn unsere Arbeitmacht deutlich, wie wichtig Solidaritt ist - die ihnenfremd,somit suspekt ist und Angst macht.Sinngem drckte das Mao mal so aus: Wenn derFeind uns bekmpft, ist das gut und nicht schlecht.

    Da die politische Gefangenschaft aus den existie-renden Verhltnissen hervorgeht, d. h. die Gefng-nisse die Reaktion des kapitalistischen Systemsgegen den Widerstand fr Gerechtigkeit sind, vertrittdas Netzwerk die Auffassung, dass die Solidaritt mitden politischen Gefangenen integraler Bestandteil al-ler politischen und sozialen Kmpfe sein muss. Undda uns heute Ausbeutung und Repression in weltweitverschrfter Form entgegentritt, sieht das Netzwerkdie Notwendigkeit, diese Solidaritt ber die Grenzenhinweg zu strken und die internationale Solidaritt als

    unsere Antwort auf ihre Repression einzusetzen.

    So steht es in der Prambel des Netzwerk, aber esgilt fr alle, die fr eine freie und egalitre Gesellschaftkmpfen.

    No pasaran!

    www.political-prisoners.net

    Seit dem 30. September 2010 luft in Stuttgart dermedial gro inszenierte Prozess gegen das frhereRAF-Mitglied Verena Becker. Hintergrund des Ver-fahrens ist die Erschieung des damaligen General-bundesanwalt Buback im April 1977 durch das RAF-Kommando Ulrike Meinhof. Buback, ein ehemaligesNSDAP-Mitglied, war in seiner Funktion direkt verant-wortlich fr die Verschrfung der Isolationshaftbedin-

    gungen und den Tod von vier Gefangenen aus derRAF: Holger Meins, Katharina Hammerschmidt, Sieg-fried Hausner und Ulrike Meinhof.

    Vorgeladen und im Verena Becker-Prozess als Zeu-gen aussagen sollten die 11 frheren RAF-Mitglieder:Gnter Sonnenberg, Stefan Wisniewski, Rolf Heiler,Waltraud Liewald, Knut Folkerts, Brigitte Mohnhaupt,Sieglinde Hofmann, Rolf Clemens Wagner, IrmgardMller, Siegfried Haag und Roland Mayer.Bisher wurde den als Zeugen und Zeuginnen vor-geladenen ehemaligen Militanten aus der RAF dasAussageverweigerungsrecht nach 55 StPO zuge-sprochen. Bei Siegfried Haag und Roland Mayerwurde das Aussageverweigerungsrecht jedoch nichtanerkannt. Die beiden waren seit November 1976bereits inhaftiert und sollen so die Argumentationdes Senats und der Bundesanwaltschaft sich somitdurch Aussagen nicht selbst belasten knnen.Infolge dessen wurde gegen sie durch den Senat 6Monate Beugehaft und eine Geldstrafe von 300 Euroverhngt. Da sie gegen die Anordnung Beschwerdeeinlegten, ist die Vollstreckung bis zur berprfungdurch den Bundesgerichtshof (BGH) ausgesetzt unddie beiden benden sich noch auf freiem Fu.Voraussichtlich innerhalb der nchsten Wochen ent-scheidet der BGH dann darber ob die Beugehaftgegen Siegfried Haag und Roland Mayer vollstrecktwird.

    Revolutionre Geschichte verteidigen Der momentan laufende Prozess gegen Verena Be-cker soll dazu dienen, ein weiteres Mal mit der Ge-

    schichte der RAF abzurechnen, indem diese diffa-miert und letztlich entpolitisiert wird. Vor Gericht stehtalso nicht Verena Becker alleine, sondern auch dieGeschichte und Politik der RAF und damit verbundendie revolutionren Kmpfe in der BRD und weltweit.Die RAF verstand sich als Befreiungsbewegung imKontext mit den Kmpfen im Trikont und in den Metro-

    polen. Sie stand fr Aufrichtigkeit, Mut und Hoffnung,auch unter schwierigen Bedingungen zu agieren undwar fr viele Linke ein wichtiger Bezugspunkt.

    Daher mssen wir die RAF als Bestandteil unsererGeschichte der Geschichte der revolutionren Lin-ken begreifen und verteidigen. Dass auch 33 Jahrenach der Aktion gegen Buback und 12 Jahre nach

    der Ausung der RAF, noch immer seitens der Herr-schenden versucht wird die Geschichte der RAF inihrem Sinne umzudeuten, verdeutlicht wie wichtig esfr den Staat ist auch den Teil der Geschichte fr sichzu vereinnahmen.

    Damit wird auch deutlich welchen Sinn und Zweckdie Vorladungen der Ehemaligen Militanten aus derRAF haben sollte: Sie sollten zu Staatszeugen wer-den und aktiv dabei helfen die eigene Geschichte zuverleugnen und im Sinne der Herrschenden endlichabzuschlieen.

    Solidaritt organisieren - Tag XSiegfried Haag und Roland Mayer sollen als Militanteaus der RAF abgestraft werden, letztlich damit auchdas Bild des RAF-Schreckens aufrecht erhalten undmit dem bewaffneten Kampf abgerechnet werden. Dasie, wie auch andere ehemalige Militante oder Akti-vistInnen der revolutionren Linken, ProtagonistInnenlinker Geschichte sind, ist es die Aufgabe von uns als revolutionre Linke sie zu verteidigen und An-griffe gegen diese zurckzuschlagen.

    Daher rufen wir dazu auf, dass wenn der BGH dieBeugehaft besttigen sollte, am Wochenende nachder Entscheidung mit unterschiedlichsten Aktionenden Protest gegen diese Entscheidung auf die Straezu bringen und sich mit Siegfried Haag und RolandMayer solidarisch zu zeigen.

    Revolutionre Geschichte aneignenund verteidigen!

    Keine Beugehaft gegen Siegfried Haag undRoland Mayer!

    Aktuelle Informationen auf:www.political-prisoners.netwww.nullaenito.jimdo.com

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #361

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    12 gefangenen info april/mai 2011

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Inzwischen sind 4 Personen mit dem Vorwurfder Mitgliedschaft in der tamilischen LTTE (Li-beration Tigers of Thamil Eelam) nach 129bwegen Mitgliedschaft in einer auslndischenterroristischen Organisation und in diesemZusammenhang wegen Versto gegen 34Auenwirtschaftsgesetz in der BRD inhaftiert.In Pressemitteilungen wirft die Generalbun-desanwaltschaft dem 35-jhrigen VijikanendraV. S. vor Deutschlandverantwortlicher derLTTE zu sein, der 33-jhrigen Sasitharan M.und der 39-jhrigen Koneswaran T. sollen inleitenden Funktionen fr nanzielle Angele-genheiten verantwortlich gewesen sein. Sasi-tharan M. soll auerdem das Bro der TamilCoordination Comitee (TCC) in Oberhausengeleitet haben. Auerdem sollen sie angeblich3 Millionen Euro Spendengelder an die Fh-rungsspitze der LTTE in Sri Lanka weiterge-leitet und u.a. fr Waffenverkufe verwendethaben. Dem gesondert verfolgten 35-jhrigenAgilan W. wird vorgeworfen, Waffen, Waffen-

    zubehr und Ausrstung fr den bewaffnetenKampf der LTTE beschafft zu haben und frmehr als 370.000 Euro Gegenstnde fr denmilitrischen Bedarf und ihren Transport nachSri Lanka organisiert zu haben. Auerdem soller fr ffentlichkeitsarbeit und Spendenkam-pangen verantwortlich sein das Tamil Coor-dination Comitee (TCC) wird per Anklagekon-strukt als Teil der LTTE bezeichnet und damitkriminalisiert. Die Schweizer Bundeskriminal-polizei verhaftete auerdem im Januar 201110 weitere Personen mit dem Vorwurf der Mit-gliedschaft in der LTTE Schweiz und durch-suchte in diesem Zusammenhang 23 Objekte.Den Verhafteten wird ebenfalls v.a. das Sam-meln von Spenden und die Zugehrigkeit zueiner kriminellen Organisation vorgeworfen.In einem vergleichbaren Verfahren kam es inFrankreich bereits im November 2009 durchdas Tribunal de Grande Instance de Paris zuVerurteilungen.

    Die LTTE ist eine Organisation, die wegenihres bewaffnet gefhrten Kampfes fr eineGleichstellung der ethnischen Minderheit derTamilen in Sri Lanka verfolgt und endgltigzerschlagen werden soll. Im Kampf gegendie Antiterrorparagraphen wollen wir auf eineSolidarisierung mit den Angeklagten und ge-gen ihre Isolierung und Kriminalisierung hin-wirken, da sie sich als national-revolutionre

    Befreiungsbewegung verstehend fr legitimeZiele einsetzt. Fr den Groteil der Diaspora-Tamilen, die nach den Pogrom von 1983 inder ganzen Welt verstreut als Flchtlinge le-ben, ist die LTTE aus der Erfahrung der Un-terdrckung und Entrechtung in ihrer Heimat

    die wichtigste Organisation zur Durchsetzungihrer Forderungen.Im Mai 2009 fhrte die singhalesische Re-gierung unter Prsident Rajapakse mit Un-tersttzung von chinesischem und indischemMilitr einen Krieg gegen die LTTE mit un-vorstellbarer Grausamkeit und Brutalitt undwurde dafr international als Sieger ber eineder weltweit gefhrlichsten Terrorgruppengefeiert. Die LTTE versuchte vor dem Kriegin den Jahren zwischen 2002 bis 2006 berVerhandlungen mit der Regierung Lsungenim Konikt zwischen der singhalesischenBevlkerungsmehrheit von 75% und der ta-milisch sprechenden Minderheit von 25% zuerarbeiten. Whrend den Verhandlungen gin-gen die LTTE auch von ihrem ursprnglichenZiel eines eigenen Staates zurck, zugunsteneines fderal organisierten multi-ethnischenStaates, und erhoffte sich auch ber Kontaktedurch europische Staaten Untersttzung. Diesinghalesische politische Elite entschied sich

    fr die militrische Zerschlagung der LTTEund durch den Krieg sollte die wichtigste Orga-nisation der tamilischen Bevlkerung zerstrtund ihren Forderungen endgltig der Bodenentzogen werden. Mit dem juristischen Mittelder Verfolgung mit dem Antiterrorparagraphen129b wird durch die deutsche Jusitz die Poli-tik des reaktionren Regimes in Sri Lanka aktivuntersttzt und fortgesetzt, die Verfolgungenin der Schweiz und die Verurteilungen in Fran-kreich weisen auf ein europaweit koordiniertesVorgehen gegen tamilische Exilstrukturen hin.

    Zur Repression gegen tamilischeExilorganisationen

    Die Wurzeln der LTTE gehen auf die seit den1930er Jahren in Sri Lanka existierende Ar-beiter- und Bauernbewegung zurck, welchesich auch in marxistisch-leninistischen Part-eistrukturen organisierte und eine ethnischeSeparation nicht kannte. Nach der Unabhn-gigkeit Sri Lankas 1948 setzte sich der in dersinghalesischen Bevlkerung vorhandenesinghalesisch-buddhistische NationalismusStck fr Stck durch. Getragen wurde dieseEntwicklung auch von der (singhalesisch do-minierten) sozialistischen Partei Sri Lankas(LSSP), welche 1964 eine Koalition mit der(singhalesischen) chauvinistisch-rassistischenSLFP einging. Auch die maoistisch geprgteJVP versuchte ber eine anti-tamilische Rhe-torik an die vorhandenen Ressentiments anzu-knpfen und wurde spter zur strksten ideolo-gischen Triebkraft in ihrer Forderung nach derZerschlagung der LTTE. Als Gegenbewegungformulierte die tamilische Linke eigene natio-nale Ziele der tamilischen Minderheit. 1976wurde auf einer Konferenz von tamilischenParteien und Gruppen erklrt, dass die tami-

    lische Befreiungsbewegung ihre Forderungnach einem eigenen Staat nicht mehr nur ge-waltfrei nach den Prinzipien Mahatma Gandhiserreichen knne und es wurde mit der Bildungrevolutionrer Untergrundbewegungen nachdem Vorbild der lateinamerikanischen Gueril-las begonnen.Einen besonderen Platz innerhalb der entste-henden Guerillagruppen nimmt die LTTE ein,welche in den spten 70er und 80er Jahrenzur Sammlungsbewegung der srilankischenTamilen wurde. Die Mitglieder der LTTE sindnicht hauptschlich Studenten aus der akade-mischen Mittelschicht der Metropole Jaffna,sondern Fischer aus dem Umland. Die LTTEhat mit dem traditionellen Kastenwesen gebro-chen und stellt die Forderung nach vollstn-diger Befreiung von jeglicher sozialer Segrega-tion von Geburt an. (Selbst) Gandhi hat nichtan der Kastengesellschaft Indiens gerttelt. Inden von ihr kontrollierten Gebieten baute dieLTTE Kooperativen zur Selbstversorgung derAgrar- und Fischergesellschaft und zur Bildungund Erziehung auf. Auf Initiative der singhale-sischen Regierung hin wurde die LTTE mitBeschluss des Rats der Europischen Unionseit Juni 2007 auf die EU-Terrorliste gesetzt.Das kollektive Bewusstsein des tamilischenBevlkerung hat durch den Krieg eine tiefe De-mtigung erfahren. Dennoch ist der Wille zur

    Befreiung ungebrochen, was zahlreiche Initia-tiven der mehr als 1 Million im Ausland leben-den Tamilen zeigen. Sie zwangen zuletzt denPrsidenten Rajapakse zur vorzeitigen Abreiseaus London, weil er sich sonst einer Anklageals Kriegsverbrecher gegenber gesehen ht-te.

    Quellen:- Gedanken von Velupillai Pirabakaran, Vakai-Verlag,Deutschland 2010- Balasingham, Anton, Liberation Tigers und der Be-feiungskampf fr Thamil Eelam, 1983, www.human-rights.de/ftp/pub/balasingham_pamphlet.pdf- Shnlein, Karl, Zur Geschichte der Arbeiterbewe-gung in Sri Lanka. Unter besonderer Bercksichti-gung kolonialer Einwirkungen auf die Gesellschaft Sri

    Lankas, Kln 1984http://wapedia.mobi/de/Liberation_Tigers_of_Tamil_Eelam, Liberation Tigers of Tamil Eelam,- Stoppt die vlkermrderische letzte Offensive ge-gen die Tamilen, http://www.arbeitermacht.de/info-mail/421/tamilen.htm

    red.

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #361

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    april/mai 2011 gefangenen info 13

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Italien: In den frhen Mor-genstunden des 06. Aprilrckten ber 300 Poli-zistInnen in 60 Objekte undWohnungen in vielen Std-ten in Italien ein, um Durch-suchungen und Verhaf-

    tungen durchzufhren. Dieanarchistischen Aktivi-

    stInnen werden beschuldigt Mitglieder einersubversiven Vereinigung mit umstrzle-rischen Zielen zu sein. Konkret geht eswohl um Aktionen gegen den Abschiebe-knast von Bologna, Angriffe auf Banken, De-monstrationen und die Explosion einigerselbst gebauter Sprengstze vor dem Ener-giekonzern Eni. (red.)

    Italien: Die Groe Kammerdes Europischen Ge-richtshofs fr Menschen-

    rechte hat den Mrder vonCarlo Guiliani und denStaat Italien freigespro-chen. Der damals 23-jh-rige Aktivist war whrendder Proteste gegen den G8-

    Gipfel 2001 in Genua von dem damals22-jhrigen Carabinieri Mario Placanica auseinem Jeep heraus erschossen worden.Nach dem Urteil des Gerichts kam es vom18. bis zum 22. Juli 2001 in Genua zu kei-nen Verletzungen der Menschenrechte. DieAngehrigen von Carlo Guiliani wollen wei-ter juristisch vorgehen. (red.)

    Spanien: 36 antifaschi-stische und kommuni-stische Gefangenen derPCE(r), GRAPO und derSRI haben am 08. April ih-ren Hungerstreik beendet.Sie begannen ihn am 01.April mit dem Ziel, die Isola-tionshaft des Generalsekre-

    trs der PCE(r), Manuel Perez MartinezArenas, zu beenden und die stndigen An-griffe auf die Gefangenen zu thematisieren.Durch den Hungerstreik und zahlreiche So-lidarittsmeldungen und Aktionen waren die

    Behrden gezwungen, Arenas Isolation zubeenden. Daraufhin wurde der Hungerstreikbeendet. (red.)

    Frankreich: Das AfricaHouse in Calais, ein groesbesetztes Fabrik-Gelndein dem zurzeit 80 Men-schen ohne Papiere leben,wurde am 31. Mrz teilwei-se gerumt. Alle Bewohnerwurden von der Polizei aus

    dem Gebude vertrieben und Teile des Ge-budes zerstrt. Tglich werden Menschenwillkrlich von der Strae weg festgenom-

    men. Calais ist ein Sammelplatz fr Flcht-linge ohne Papiere, die ber den rmelkanalillegal nach England einreisen wollen. Wei-tere Informationen: http://calaismigrantsoli-darity.wordpress.com/ (red.)

    Kurzmeldungen international

    Anlsslich des Tages der politischen Gefange-nen am 18. Mrz fand zwischen dem 9. Mrzund dem 18. Mrz eine Rundreise durch 9Stdte der BRD statt, bei der die Aufhebung derIsolationshaft, der viele politische Gefangeneausgesetzt sind -besonders die wegen 129bInhaftierten - gefordert wurde.Organisiert wurde die Tour von der Anato-lischen Fderation unter dem Motto Einhun-

    dertausend Stimmen gegen Isolationshaft, diein den Stdten Dsseldorf, Kln, Duisburg, Mn-ster, Nrnberg, Stuttgart, Hamburg, Magdeburgund Berlin Halt machte.

    Es gab in den Orten Kundgebungen, Infostn-de, Unterschriftensammlungen und Veranstal-

    tungen ber den Themenkomplex Isolation.

    Auch wurde das Verfahren gegen Faruk Ererenin Dsseldorf von einer Delegation beobachtet.Der Abgeordnete der Linken des nordrhein-westflischen Landtages, Ali Alatan, erklrtesich nach einem Gesprch mit Mitgliedern des

    Marsches bereit, Faruk zu besuchen.

    Neben Faruk wurden 4 weiteren Gefangenen,die wegen 129b verhaftet worden sind, wieCengiz Oban, Nurahn Erdem, nal Kaplan D-zyar und Sadi zpolat diverse Postkarten ge-schrieben und Plakate in den Knast geschickt.

    Der Lange Marsch endete mit der Teilnahme ander Solidarittskonferenz fr die politischen Ge-fangenen in Berlin am 19. Mrz.

    Fazit:Der zweite Lange Marsch fand dieses Mal imZusammenhang mit dem 18. Mrz, dem Tagdes politischen Gefangenen, statt. So konnten

    die Forderungen wie die Aufhebung der Isola-tion und die Beendigung der Kriminalisierungvon migrantischen AkivistInnen aus der Trkeibekannter gemacht werden. Der Druck reicht al-lerdings noch nicht aus, um die Repression ins-gesamt zurck zu drngen. Daran muss weiterintensiv gearbeitet werden.

    Zum Langen Marsch gegen Isolation

    Ein weiterer 129b Prozess...gegen angebliche Mitglieder der DHKP-C beginnt

    Der Prozess gegen Sadi zpolat und nal Ka-plan Dzyar wird am Donnerstag, den 19. Mai,9:15 Uhr vor dem OLG Dsseldorf des 5.Straf-senat, Kapellweg 36, beginnen. Vorgeworfenwird ihnen mit Hilfe d