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Studienseminar für Gymnasien in Fulda 1 Glossar zum Unterrichtsentwurf Liebe Lehrerinnen und Lehrer im Vorbereitungsdienst, liebe Mentorinnen und Mentoren, viele Missverständnisse resultieren aus einer unscharfen Sprache. Dieses Glossar soll zur Ver- ständigung über Schlüsselbegriffe beitragen, die das Studienseminar für Gymnasien Fulda in der Ausbildung als wesentlich erachtet. In der Handreichung zum Unterrichtsentwurf sind die entsprechenden Begriffe mit einem * gekennzeichnet. Da sich Fachsprache verändert und sich auch die Ausbilderinnen und Ausbilder unterschiedli- chen Didaktiken und pädagogischen Schulen verpflichtet sehen, kann diese Zusammenstel- lung nur die Vielfalt darstellen und für diese sensibilisieren. Suchen Sie also das Gespräch und thematisieren Sie Termini, die von denen Ihres Studiums abweichen oder die wir in den Modulen unterschiedlich verwenden. Helfen Sie uns mit konkreten Vorschlägen, unser gemeinsames Vokabular stetig abzugleichen und zu erweitern, damit wir im Seminar eine gemeinsame Sprache sprechen! Ihre Ausbilderinnen und Ausbilder am Studienseminar für Gymnasien in Fulda

Glossar zum Unterrichtsentwurf - Hesse · Studienseminar für Gymnasien in Fulda 3 Diagnose Mit der Kompetenzorientierung hat sich die diagnostische Grundhaltung von der leistungs-messenden

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Studienseminar für Gymnasien in Fulda

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Glossar zum Unterrichtsentwurf

Liebe Lehrerinnen und Lehrer im Vorbereitungsdienst,

liebe Mentorinnen und Mentoren,

viele Missverständnisse resultieren aus einer unscharfen Sprache. Dieses Glossar soll zur Ver-

ständigung über Schlüsselbegriffe beitragen, die das Studienseminar für Gymnasien Fulda in

der Ausbildung als wesentlich erachtet. In der Handreichung zum Unterrichtsentwurf sind die

entsprechenden Begriffe mit einem * gekennzeichnet.

Da sich Fachsprache verändert und sich auch die Ausbilderinnen und Ausbilder unterschiedli-

chen Didaktiken und pädagogischen Schulen verpflichtet sehen, kann diese Zusammenstel-

lung nur die Vielfalt darstellen und für diese sensibilisieren.

Suchen Sie also das Gespräch und thematisieren Sie Termini, die von denen Ihres Studiums

abweichen oder die wir in den Modulen unterschiedlich verwenden.

Helfen Sie uns mit konkreten Vorschlägen, unser gemeinsames Vokabular stetig abzugleichen

und zu erweitern, damit wir im Seminar eine gemeinsame Sprache sprechen!

Ihre Ausbilderinnen und Ausbilder

am Studienseminar für Gymnasien in Fulda

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Studienseminar für Gymnasien in Fulda

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Inhalt

Seite

- Diagnose

- Didaktisches Zentrum

- Elementarisierung

- Exemplarität

- Handlungsorientierung

- Individualisierung & Differenzierung

- Induktion & Deduktion

- Kompetenzen, Standards, Indikatoren

- Kompetenzmodelle

- Interdependenter Lernzyklus

- Lehr-Lern-Modell

- Lernaufgabenmodell

- Modell moderne Fremdsprachen

- Prozessmodell Hessen

- Kontextbezug

- Lehrkraft-Selbstverständnis

- Lernende mit spezifischen Voraussetzungen

- Materialanalyse

- Methodische Sicht- und Tiefenstruktur

- Phasierung

- Problematisierung

- Erarbeitung

- Präsentation

- Reflexion

- Sicherung

- Präkonzepte/ Subjektive Theorien

- Psychologische Lernvoraussetzungen

- Sachanalyse

- Thema

- Unterrichtseinheit & Unterrichtssequenz

Literatur

Impressum

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Diagnose

Mit der Kompetenzorientierung hat sich die diagnostische Grundhaltung von der leistungs-

messenden Selektionsdiagnostik hin zur Förderdiagnostik als Ausgangspunkt und Begleitung

von Lernprozessen verschoben. Man unterscheidet daher:

- Formative Diagnostik ist bewertungsfrei und dient z. B.:

- der lernprozessbegleitenden Selbstreflexion der Lernenden,

- als Grundlage von Beratungsgesprächen und/oder der Unterrichtsevaluation,

- zur individuellen Förderung im Rahmen eines Förderplans,

- am Ende einer Einheit/ zur Vorbereitung einer Klassenarbeit,

- am Ende des Schuljahres als Überblick über grundlegende Kompetenzen,

- in Vorbereitung für kommende Schuljahre bzw. zur Unterrichtsevaluation.

- Summative Diagnostik dient der Leistungsbewertung (meist am Ende von bewer-

tungsfreien Lernprozessen in Verbindung mit einer Notenvergabe).

Bereiche, zu denen genaue Informationen erhoben werden können sind z. B.:

- Kenntnis und Anwendbarkeit fachlicher Inhalte (fachinhaltlich/ fachmethodisch),

- überfachliche (personale/ methodische/ soziale/ sprachliche) Kompetenzen,

- Interessen, Motivation, Lerntypen.

Mittel der Diagnose sind z. B.:

- freie oder kriteriengeleitete Beobachtung im Unterricht,

- Selbstauskunft der Lernenden in einem Vieraugengespräch oder im Plenum,

- kriteriengeleitete Erhebungen (Frage-, Diagnosebogen, Kompetenzraster …),

- Auswertung von Lernprodukten (Aufsatz, Präsentation etc.),

- Testung mit anschließender Ergebniskontrolle.

Grundsätzlich sind vor allem bei den nicht sofort dokumentierten Diagnosen wahrnehmungs-

psychologische Implikationen wie Erwartungshaltungen, Effekte des Vergessens und der

Überlagerung oder situationsbedingte Einflüsse zu berücksichtigen.

Didaktisches Zentrum

Das didaktische Zentrum formuliert in einem Dreischritt die Antwort auf das Problem/die Fra-

ge der Stunde bzw. Reihe (> Thema):

Die Lernenden erweitern ihre Kompetenz… (= Kernkompetenz) WOZU?

indem sie… (= Handlung/Setting) WIE/WOMIT?

und so erkennen, dass… (= Lernertrag/Erkenntnis) WAS?

Die Kernkompetenz wird in einer konkreten Handlungssituation von den Lernenden selbst-

ständig erarbeitet und führt zu einer/einem beobachtbaren Erkenntnis/Lernertrag, z.B.:

- Lerngegenstand: Karl der Große

- Thema: Karl – der Große?!

- didakt. Zentrum: Die Lernenden erweitern ihre Urteilskompetenz, indem sie in

Partnerarbeit aus verschiedenen Textquellen konkrete Indizien

für die Ambivalenz der Herrschaft Karls des Großen herausarbei-

ten und ihre individuelle Bewertung Karls d. Gr. reflektieren.

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Kompetenzaufbau (Kernkompetenz):

Die SuS erweitern ihre Bewertungskompetenz, um ein begründetes Urteil zu fällen,

Unterrichtsaktivität (Setting):

indem sie in einer rollengeleiteten Podiumsdiskussion verschiedene Standpunkte/ Perspektiven kennen lernen und einnehmen

Konkreter Lernzuwachs (Erkenntnis/ Fähigkeit):

und begründen, dass die Präimplantationsdiagnostik (PID) sowohl Vor- als auch Nachteile für die Betroffenen, ihre Mitmenschen und die Ge-sellschaft hervorbringen wird.

Elementarisierung

ist die Kernaufgabe der didaktischen Reduktion und besteht (nach Bleichroth) aus drei we-

sentlichen Elementen:

- Vereinfachung des Fachinhalts durch Vermindern des Niveaus, bis er für Schüler und

Schülerinnen verständlich ist,

- Bestimmung des Elementaren durch Freilegung des Wesentlichen, Grundlegenden,

des inhaltlichen Kerns des Fachinhalts,

- Zerlegung des Inhalts in einzelne Elemente, die in einer logischen Abfolge den Lern-

vorgang strukturieren.

Elementarisierung in der Religionspädagogik (nach Nipkow/Schweitzer) folgt fünf Fragerich-

tungen, die sich wechselseitig durchdringen und ergänzen:

- nach der elementaren Struktur: Hier geht es im Sinn der didaktischen Reduktion da-

rum, den Kern der Sache/das Wesentliche an einem Thema aufzuspüren.

- nach den elementaren Zugängen: Hier sollen die Weltzugänge und Verstehens-vo-

raussetzungen der Lernenden eruiert werden, die den Zugang zum Thema erleich-

tern/erschweren (z. B. entwicklungspsychologische Voraussetzungen),

- nach den elementaren Erfahrungen: Hier sollen die die Erfahrungen auf der Seite des

Fachgegenstandes und gleichzeitig die Erfahrungsbezüge zur Lebenswelt der Schüle-

rinnen und Schüler bedacht werden.

- nach den elementaren Zugängen/Formen des Lernens: Hier geht es um die Frage

nach den Lehr- und Lernformen, anhand derer der Gegenstand möglichst „interes-

sant, fragwürdig, zugänglich, begreiflich, anschaulich“ (Klafki) wird.

- nach den elementaren Wahrheiten: Welche existenziellen Fragen, welche Sicht auf

Mensch und Wirklichkeit wirft der Gegenstand auf, mit denen sich die Lernenden

auseinandersetzen und mit denen sie in Dialog treten sollen?

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Exemplarität

ist ein didaktisches Prinzip, in dessen Mittelpunkt die didaktische Reduktion steht. An einem

repräsentativen Unterrichtsgegenstand, in dem etwas 'Fundamentales' verdichtet ist, kann

ein allgemeiner Sach- oder Sinnzusammenhang erschlossen werden. Schülerinnen und Schü-

ler gewinnen durch die 'Fallanalyse' Erkenntnisse, die sie dann auf analoge Unterrichtsgegen-

stände übertragen können.

Bsp. Geschichte: Die Französische Revolution enthält alle Merkmale einer bürgerlichen Revo-

lution und ist damit exemplarisch für bürgerliche Revolutionen. Die Lernenden erarbeiten sich

die Merkmale und können sie dann z. B. auf die Amerikanische, Englische Revolution übertra-

gen. Sie erarbeiten sich dann Gemeinsamkeiten und/oder Unterschiede.

Handlungsorientierung

„Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer/ der Lehrerin und den Schülerinnen und Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Gestaltung des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Hand-arbeit der Schülerinnen und Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht wer-den können.“ (Jank und Meyer 1991, S. 354)

Ein verbreitetes Missverständnis besteht darin, einen Unterricht bereits als handlungsorien-tiert zu bezeichnen, in dem die Schülerinnen und Schüler praktisch arbeiten. Wenn diese Auf-gabe losgelöst von eigenen Planungen der Lernenden, also gewissermaßen im Auftrag des Lehrers erfolgt, kann man gerade nicht von Handlungsorientierung sprechen. Bader bringt dies wie folgt auf den Punkt: „Handlungs-orientierung des Unterrichts und Hantieren im Un-terricht sind nicht dasselbe.“ (Bader 1989)

Handlungsorientierter Unterricht ist stets ganzheitlich angelegt. Das Lernen geschieht mit Kopf, Herz, Hand und allen Sinnen.

Handlungsorientierter Unterricht ist stets schülerorientiert. Der Unterricht geht von den Er-fahrungen und Interessen der Schülerinnen und Schüler aus. Er belässt sowohl Planung als auch Erarbeitung und Auswertung des Lernprozesses so weit wie möglich in Schülerhand. Er befähigt somit die Lernenden, sich selbstverantwortlich und eigenständig Wissen anzueignen, Probleme zu lösen und in Handlungen zu erproben.

Handlungsorientierter Unterricht ist stets produktorientiert angelegt. Am Ende des Unter-richts sollte ein Handlungs- bzw. Lernprodukt stehen, das präsentiert, ausgewertet und reflek-tiert werden kann.

Handlungsorientierter Unterricht ist aber zugleich auch prozessorientiert. Der Lernprozess sollte im Blick formativer und summativer Diagnostik sein. Die Handlungen der Lernenden, die oft im Team abgestimmt sein müssen und von der Planung über die Erprobung bis hin zur Auswertung reichen, stehen im Zentrum des Lernprozesses. Sie erwerben die Lernenden ne-ben fachlichen vor allem auch personale, methodische und soziale Kompetenzen.

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Individualisierung & (Binnen-)Differenzierung

Beide Begriffe werden teilweise synonym benutzt, obgleich sie voneinander unterschieden

werden sollten.

Die pädagogische Forderung nach einer Individualisierung des Unterrichts vor dem Hinter-

grund eines konstruktivistischen Lernverständnisses und zunehmend heterogenerer Lern-

gruppen trifft auf unterrichtsorganisatorische Rahmenbedingungen (Lerngruppengröße,

Raumgröße, etc.), die die Umsetzung erheblich erschweren.

Möglich wird ein weitgehend individualisierter Unterricht, der nach Leistung, Lerninteresse,

Lerntypen, Lerntempo, Sozialform etc. differenziert, in offenen Unterrichtsformen wie Statio-

nenarbeit, Lerntheken, (Wochen-) Planarbeit und Projektunterricht.

Die Konzepte unterscheiden sich in den jeweiligen Freiheitsgraden; gemeinsam ist ihnen, dass

sie den Lernenden durch eine dominierende materiale Steuerung mehr Eigenverantwortung

für ihre Lernprozesse übertragen. Diese ermöglicht wiederum eine Veränderung der Rolle der

Lehrkraft, da sie mehr Freiräume für Diagnostik und individuelle Lernberatung erhält.

Differenzierung ist ein didaktisches Prinzip und eine methodische Vorgehensweise, die auch

in konventionellen Unterrichtssettings angewendet werden kann. Im Prinzip können alle un-

terrichtsrelevanten Parameter differenziert gestaltet werden, in Bezug auf Lernaufgaben sind

das vor allem folgende Kategorien:

- Quantität (Pflicht- und Zusatzaufgaben), oft dann auch nach Lerntempo,

- Qualität bzw. Leistungsvermögen und Lernvoraussetzungen,

- Inhalt, auch gekoppelt an Lerninteresse, z. B. arbeitsteilige Aufgabenstellung,

- nach der methodischen und/ oder medialen Darbietung, die bestimmten Lernstilen

bzw. Lerntypen gerecht werden soll,

- nach Sozialformen.

Diese Art der Binnendifferenzierung von Unterricht erfolgt weitgehend durch die Lehrkraft

und erzeugt daher nach wie vor eine stark lehrerzentrierte Unterrichtssteuerung, die die Ei-

genverantwortung und Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler nur begrenzt fördern

kann.

Ein erfolgreiches Konzept, das auch unterrichtsökonomisch vertretbar ist, sind gemeinsame

anspruchsvolle bzw. komplexe Lernaufgaben mit einem differenzierten bzw. gestuften Hilfs-

angebot. Diese gestuften Hilfen können von den Lernenden unterschiedlich genutzt werden

und ermöglichen ihnen somit individuelle Lernwege.

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Induktion & Deduktion

induktiv

deduktiv

vom Konkreten zum Allgemeinen vom Allgemeinen zum Konkreten

z.B.

im Fach

Physik

Zu mehreren Einzelbeobachtungen b1, b2, b3... findet man eine allgemeinere Regel oder ein neues Gesetz (A), aus dem b1, b2, b3... folgen.

Mathematisch-logisches Schema: A => b1, b2, b3

z. B.: Finden eines Gesetzes aus Be-obachtungen oder Messungen in einem naturwiss. Experiment

Durch logische Schlussfolgerungen aus be-kannten allgemeinen Gesetzmäßigkeiten o-der Eigenschaften (A, B) werden neue Ge-setze, Regeln oder spezielle Eigenschaften gefunden (C).

Mathematisch-logisches Schema: A, B => C

z. B. mathematische Herleitung eines neuen Gesetzes aus Bekanntem

z. B. im

Fach

Deutsch

Lernende proben in Kleingruppen ihre

geplanten Referate und geben sich

Tipps. Im reflektierenden Vergleich

werden grundsätzliche Aspekte der

Rhetorik (Tempo, Betonung, …) erkannt

und für die Überarbeitung formuliert.

Grundsätzliche Aspekte der Rhetorik wer-

den (z. B. im Lehrgang) der Lerngruppe vor-

gestellt, in einzelnen Übungen (z. B. Statio-

nenarbeit) erprobt und schließlich auf das

individuelle Referat übertragen.

Kompetenzen, Indikatoren, Standards

- Kompetenz = Koordinierung von Einzelleistungen zwecks Lösung eines Problems - Indikator = beobachtbares Verhalten, das auf Kompetenzerwerb hinweist - neben den fachspezifischen Kompetenzen, die in den Bildungsstandards festgeschrieben

sind, sollen im Unterricht auch überfachliche gefördert werden:

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Kompetenzmodelle

- Interdependenter Lernzyklus

- Lehr-Lern-Modell nach Leisen

1 Auseinandersetzung mit kompe-

tenzorientierten Lernzielen

2 Selbst- und/oder Fremddiagnose

3 Förder- und Arbeitsplanung

4 vielfältige Lernangebote

5 Impulse 6 förderorientierte Lernbegleitung

7 Lernstandsüberprüfung

8 Reflexion 9 Evaluation der Lerneinheit

10 Lernprozess adäquat fortsetzen

Lernpro-

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- Lernaufgabenmodell z. B. im Fach Kunst:

- Modell moderne Fremdsprachen

A. Dorst 2018

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- Prozessmodell Hessen

Kontextbezug

bedeutet (nach Muckenfuß) einen für Lernende sinnstiftenden Kontext. Der Bezug des Unter-

richtsgegenstands zu Alltag und Lebenswelt der Lernenden wird hergestellt. Der Unterricht

geht vom Kontext aus.

Lehrkraft-Selbstverständnis

Wenn Lernende vermehrt dazu angehalten werden sollen, Fachwissen anzuwenden, Prob-

leme zu lösen und Lernstoff durchdacht zu erschließen und anzuwenden, muss sich die Lehr-

kraft die Frage stellen: Wieviel arbeite ich und wieviel arbeiten meine Schülerinnen und Schü-

ler? D.h., wie und wann kann ich offenes, schüleraktives und selbstständiges Lernen fördern

und wann sind instruktive/frontale Phasen sinnvoll oder gar unverzichtbar? Welche Funktion

übernehme ich als Lehrkraft bei der jeweiligen Unterrichtsform und wie kann ich diese pro-

fessionell gestalten?

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Lernende mit spezifischen Voraussetzungen

Generell hat jedes Kind und jede/r Jugendliche spezifische Voraussetzungen – bestimmte

Schülerinnen und Schüler brauchen aus unterschiedlichen Gründen jedoch eine ganz beson-

dere Zuwendung, z. B. wenn …

sie aufgrund von Krankheit lange Zeit gefehlt haben,

sie eine Hochbegabung oder besondere Teilbegabung (intellektuell, musisch-künstle-

risch, sozial, psychomotorisch) besitzen,

ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt wurde (ADHS, Lernschwäche, Au-

tismus, chronische Krankheit/ Behinderung …),

ihre Sprachkenntnisse in Deutsch begrenzt sind,

sie sich in einer besonderen persönlichen Situation befinden (Trennung der Eltern, Tod

naher Angehöriger, Umzug, Flucht …).

Materialanalyse

ist eine auf das Material fokussierte Präzisierung der Sachanalyse und der didaktischen Ana-

lyse, indem sie das Potenzial und die Schwierigkeiten der gewählten Texte, Bilder, Karten, Sta-

tistiken, Noten etc. und deren Bearbeitung unter (vorwiegend) didaktischen Gesichtspunkten

darstellt. Daher ist sie auch bei einem kurzen Entwurf unabdingbar. Erfordernisse und Form

ergeben sich aus den Spezifika der jeweiligen Fächer.

Beispiel aus dem Fach Geschichte:

Text Lernchancen Schwierigkeiten Did.-meth. Entscheidungen

'Immer der Beste zu

sein …' (J. Burckhardt)

Homer, Ilias

Textlänge, Leerstellen,

Komplexität, Fremdwörter

Kürzung, Skizze, kurze Erläute-

rung, Lehrervortrag

Methodische Sicht- und Tiefenstruktur (nach Hopf, Schecker, Wiesner)

- Methodische Sichtstruktur betrifft alles Methodische, das man im Klassenzimmer direkt

beobachten kann, wenn man hereinkommt. Dazu gehören Methodenwerkzeuge, Sozial-

formen, Kommunikationsformen, Medieneinsatz, Aufgabenstellungen und -formate, Lern-

materialien.

- Methodische Tiefenstruktur beschreibt den gedanklich-logischen Weg, auf dem die in den

didaktischen Überlegungen getroffenen didaktischen Entscheidungen methodisch umge-

setzt werden – welche Schritte die Lernenden durchlaufen um das Ziel zu erreichen. Dazu

gehören Problemorientierung, naturwissenschaftliche Erkenntniswege, Einordnung der

Lernschritte nach einem Kompetenzmodell, Anwendung von Fachmethoden, Niveaudiffe-

renzierung und Progression.

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Sichtstruktur Tiefenstruktur

Beispiel aus dem Fach Französisch:

Unterrichtszusammenhang: Stufe E

Unterrichtsstunde/Thema: Le peer-feedback à l’écrit – méthode utile pour améliorer des médiations?

Didaktisches Zentrum: Die Lernenden erweitern ihre Sprachlernkompetenz und ihre funktional kommunikativen Kompe-

tenzen im Bereich Schreiben, indem sie als Experten in Kleingruppen zu Sprachmittlungen ihrer Mitschülerinnen und Mit-

schüler kriteriengeleitet Feedback geben, und so mit Hilfe des ihnen gegebenen Feedbacks ihr Sprachlernverhalten und ihre

Schreibprozesse reflektieren und optimieren.

Methodische Überlegungen: Im Einstieg werden die Lernenden dazu aufgefordert den Inhalt des Ar-

tikels „Deutschlands brave Jugend“ in zwei Sätzen zusammenzufassen. Dabei dürfen sie sich zunächst

in einer Murmelphase mit dem Sitznachbarn verständigen. Dies dient dazu, auch leistungsschwäche-

ren Lernenden Sicherheit und die Möglichkeit zu geben, sich auf eine sprachliche Äußerung vorzu-

bereiten. Ein inhaltlicher Einstieg bietet sich an, um den Jugendlichen den Inhalt des Artikels noch

einmal zu vergegenwärtigen. Die Plenumsphase im Anschluss dient dazu, ein gemeinsames Aus-

gangsplateau zu schaffen und allen die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern. Zur Auswahl stand

ebenfalls ein Einstieg mit dem Zitat „Anpassen, konsumieren, Klappe halten. Das ist die heutige Ju-

gend“, welches aus der Online-Kommentarspalte zum Artikel entnommen wurde. Dieses wäre nach

einer Murmelphase im Plenum diskutiert worden. Da die Diskussion über ein Zitat jedoch eine hohe

Anforderung für die Lerngruppe darstellt und gerade im Einstieg auch leistungsschwächeren Lernen-

den die Möglichkeit gegeben werden sollte, erst einmal im Französisch-Unterricht anzukommen,

wurde sich gegen diese Alternative entschieden. – Die Erarbeitung findet in von der Lehrperson ein-

geteilten, leistungsheterogenen Gruppen von vier Personen statt. Diese verfassen in einem Papier-

Chat kriteriengeleitet mit Hilfe eines Feedbackbogens Anmerkungen zu den Sprachmittlungen ihrer

Mitschülerinnen und Mitschüler. Der Feedbackbogen zirkuliert mit der Sprachmittlung gemeinsam in

der Gruppe. Jede/r ist entweder Experte für Inhalt, Struktur oder Sprache. Alternativ zum Papier-

Chat hätte auch eine Schreibkonferenz als Methode gewählt werden können. Der Papier-Chat ist je-

doch von Vorteil, da die Jugendlichen so fokussierter und konzentrierter an einem Text arbeiten

können. Die Lehrperson hält sich während der Erarbeitungs-Phase im Hintergrund, beobachtet,

macht sich gegebenenfalls Notizen zu den Arbeitsprozessen und steht bei Fragen und Problemen

den Lernenden zur Seite. Die Einteilung in leistungsheterogene Gruppen wurde gewählt, da die

Feedback-Kategorien sich in ihrem Schwierigkeitsgrad unterscheiden. Zudem werden die Lernen-

den entlastet, da sie sich so gezielt um eine Kategorie kümmern können. (…) Dabei dürfen sie auf

Formulierungshilfen aus der vorherigen Stunde zurückgreifen. Sollte ein/e Schüler / Schülerin bereits

frühzeitig mit seiner/ihrer Kategorie fertig sein, so ist sie/er dazu angehalten eine weitere Kategorie

zu kommentieren. So wird eine Über- respektive Unterforderung vermieden und der Differenzie-

rung Rechnung getragen. (…) Gegen Ende der Erarbeitung sollen die Lernenden die Anmerkungen

ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler lesen und gegebenenfalls bei Unklarheiten die Verbesserungs-

vorschläge diskutieren. Dies führt zu einer tieferen Auseinandersetzung mit den Anmerkungen. – In

der anschließenden mündlichen Reflexion (….)

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Sichtstruktur Tiefenstruktur

Beispiel aus dem Fach Biologie:

Unterrichtszusammenhang: Cytologie – Zellen haben komplexe innere Strukturen

Unterrichtstunde/Thema: Wie entstanden die Eukaryoten? – Ein Modell zur Endosymbiontentheorie entwickeln

Didaktisches Zentrum: Die Lernenden erweitern ihre Kompetenzen im Bereich Erkenntnisgewinnung und Fachmethoden, indem sie aus einem Infotext Argumente für die Endosymbionten-Theorie entnehmen und mithilfe dieses Wissens ein Mo-dell entwickeln, um so die Entstehung der Chloroplasten und Mitochondrien in heutigen eukaryotischen Zellen zu erklären.

Methodische Überlegungen: In dieser Stunde erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler den Vor-gang der Endosymbiontentheorie zur Entstehung der Mitochondrien und Chloroplasten und die Be-funde, welche die Endosymbiontentheorie unterstützen. Die Unterrichtsstunde folgt dem dedukti-ven Verfahren in Verbindung mit dem Prozess der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, da die Lernenden mithilfe eines Textes die Endosymbiontentheorie erarbeiten und dieses Wissen auf ein Modellexperiments anwenden, um den Vorgang der Endosymbiontentheorie zu erklären. Bei dem deduktiven Verfahren wird von etwas Allgemeinem wie die allgemeine Theorie zur Entste-hung von Mitochondrien und Chloroplasten in Eucyten auf etwas Besonderes wie die Durchfüh-rung eines Modellexperiments geschlossen. Grundlage für dieses deduktive Verfahren bietet eine Anleitung für das Modellexperiment und ein Arbeitsblatt zur Endosymbiontentheorie, welche die Ler-nenden bei der Durchführung des Modellexperiments sowie bei der Erläuterung dieses in Bezug auf die Endosymbiontentheorie benötigen. Generell dient das Modellexperiment als konkretes An-schauungsobjekt, wodurch die Schülerinnen und Schüler aufgrund des hohen Abstraktionsgrades dieses naturwissenschaftlichen Prozesses unterstützt werden sollen. Aufgrund ihres psychologi-schen Entwicklungsstandes nach Piaget sind sie zwar zu abstrakten Denkprozessen fähig, allerdings haben noch einige Schülerinnen und Schüler Schwierigkeiten sich biologische Prozesse vorzustel-len.

Beispiel aus dem Fach Physik:

Unterrichtszusammenhang: Elektrische Felder

Unterrichtsstunde/Thema: Herleitung und experimentelle Überprüfung des Coulomb-Gesetzes

Didaktisches Zentrum: Indem die Lernenden den Zusammenhang zwischen elektrischer Feldstärke und Abstand von einer Punktladung herleiten und diesen experimentell überprüfen, erarbeiten sie das Coulomb-Gesetz. Damit erweitern sie ihre Fachkompetenz zur mathematischen Beschreibung der Kraftwirkung einer elektrischen Ladung auf eine andere.

Methodische Überlegungen: In der Stunde erarbeiten die Lernenden das elektrische Feld einer Kugel (bzw. Punktladung) in einer deduktiven Methode. Das deduktive Vorgehen wird hier gewählt, da die Lernenden allein aus den Ergebnissen eines Versuchs keine Möglichkeit haben, die Abhängig-keit der Feldstärke mit 1/𝑟2 vom Abstand zu finden. Nur die theoretischen Überlegungen können eine solche Abhängigkeit begründen und plausibel machen. Grundlage für das deduktive Vorgehen bildet ein Arbeitsblatt (siehe Anhang), das die Lernenden bei den Überlegungen in Gruppenarbeit un-terstützen soll. Auf dem Arbeitsblatt wird zuerst das Gedankenexperiment mit einem kurzen Text und einer Abbildung eingeleitet. Anschließend finden die Lernenden drei Aufgaben. In der ersten Aufgabe soll eine Gleichung für die Feldstärke hergeleitet werden. In der zweiten Aufgabe erläu-tern sie dann, warum dieses Ergebnis auf eine Punktladung übertragen werden kann. Die dritte Aufgabe bildet eine Verbindung zum Experiment, da die Lernenden aus den bisherigen Überlegun-gen Vermutungen zu den Ergebnissen des Experiments ableiten. Zu Beginn der Stunde wird der Auf-bau des Experiments noch einmal kurz wiederholt, indem die Lernenden kleine Schilder mit den Be-zeichnungen der Geräte zu den entsprechenden Versuchsteilen zuordnen. Damit die bisherigen Strukturen aufgebrochen werden, werden die Gruppen durch Abzählen gebildet. So arbeiten die Ler-nenden mit anderen Lernenden, die nicht ihre Sitznachbarn sind. Zudem werden dadurch leistungs-heterogene Gruppen gebildet. Die Lernenden können also voneinander profitieren und sich die In-halte erklären.

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Studienseminar für Gymnasien in Fulda

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Sichtstruktur Tiefenstruktur

Beispiel aus dem Fach Geschichte – Klasse 9

Unterrichtszusammenhang: Die Französische Revolution und die Zeit Napoleons – Aufbruch in die moderne Gesellschaft?

Unterrichtsstunde/Thema: Die Hinrichtung Ludwigs XVI. – notwendig im Sinne der Revolution oder Verstoß gegen die Men-

schen- und Bürgerrechte?

Didaktisches Zentrum: Die Schülerinnen und Schüler erweitern ihre Urteilskompetenz, indem sie in Partnerarbeit kontro-

verse Quellen zur Hinrichtung Ludwigs XVI. analysieren und so mithilfe einer Diskussion beurteilen, ob die Hinrichtung im

Sinne der Revolution gerechtfertigt oder ein Verstoß gegen die Menschen- und Bürgerrechte war.

Methodische Überlegungen: Anhand des problemorientierten Einstiegs (Zitat Angela Merkel) soll bei den Lernenden ein Konflikt evoziert werden, auf dessen Grundlage sie Fragen formulieren, die sie im Plenum äußern und austauschen. Die Lernenden können auch bereits Hypothesen über mögliche Antworten aufstellen. Hierbei soll die Redekette zum Einsatz kommen, so dass die Lehrkraft sich zu-rückziehen und beobachten kann. Die Lernenden können sich so zunächst frei untereinander äußern und selbst entscheiden, wen sie drannehmen. Dies funktioniert in der Klasse gut, da die Lernenden auch sonst stillere Klassenmitglieder einbeziehen und auch der Austausch zwischen Jungen und Mäd-chen relativ problemlos abläuft. Alternativ wäre ein Einstieg gewesen, der das Bild zur Hinrichtung Ludwigs XVI. in Kontrast zu Auszügen aus den Menschen- und Bürgerrechten zeigt. (…) Dem Einstieg mit Gegenwartsbezug wurde hier auch der Vorzug gegeben, da er die Lernenden in ihrer Lebenswelt „abholt“ und die Aktualität des Themas aufzeigt. (…) – Die Erarbeitungsphase dient als Grundlage für die Beantwortung der Stundenfrage bzw. Überprüfung der Vermutungen. Sie erfolgt nach dem Think-Pair-Share-Modell. Die Lehrkraft nimmt die Einteilung in zwei Gruppen vor. Die Lernenden wer-den hier nicht einbezogen, da die Teams sich ohnehin später aufgrund des Lerntempos bilden. Zu-nächst lesen die Lernenden in Einzelarbeit die ihnen zugeteilte Quelle und analysieren Positionen so-wie Argumente von Robespierre bzw. de Sèze. So kann sich jede/r Lernende zunächst ungestört der Quellenanalyse widmen. Anschließend suchen sie sich gemäß ihres Arbeitstempos mithilfe des Lern-tempoduetts einen etwa gleichschnellen Lernpartner aus der anderen Gruppe. Die Lernenden können hier die Bushaltestelle-Symbole an der Tafel nutzen oder sich per Handzeichen verständigen. In den Teams tauschen sie in Partnerarbeit ihre Ergebnisse aus. So müssen sie die Ergebnisse ihrer Analyse noch einmal reorganisieren und so darstellen, dass sie vom Mitschüler, der die Quelle nicht bearbei-tet hat, verstanden werden. Eine Alternative wäre gewesen, dass jede/r Lernende beide Quellen liest, allerdings besteht hier die Gefahr, dass sich nicht tiefergehend mit den Positionen beschäftigt wird und ggf. sogar Fehlvorstellungen entwickelt werden. Das Lerntempoduett begegnet diesen Schwierigkei-ten, da die Lernenden sich im sozialen Interaktionsprozess mit beiden Positionen tiefergehend aus-einandersetzen müssen und so ein differenzierteres Urteil fällen können. (…) Am Ende dieses Ar-beitsschrittes kennen sie die Position und Argumentation beider Quellen und haben sich dazu eigene Stichworte notiert. Anschließend diskutieren die Lernenden bereits in Partnerarbeit die Darstellungs-absichten von Robespierre und de Sèze. Diese kooperative Phase fördert die Kommunikations- und Teamfähigkeit. (…) Die Präsentation der Ergebnisse erfolgt im Plenum unter der Dokumentenkamera. – So können die anderen Lernenden ihre Ergebnisse abgleichen und ggf. vervollständigen. – In einer anschließenden Reflexion positionieren die Lernenden sich auf einer Meinungslinie im Klassenraum, ob sie die Hinrichtung Ludwigs XVI. für gerechtfertigt oder für einen Verstoß gegen die Menschen- und Bürgerrechte halten, womit schnell ein Meinungsbild der Klasse eingeholt werden kann. So müssen sich alle Lernenden positionieren und ein Sachurteil fällen. Einige Lernende begründen ihre Position auf der Meinungslinie, wodurch eine Diskussion entsteht (Minimalziel). Gleichzeitig können die Ler-nenden so ihre Erkenntnisse mit den Vermutungen/Hypothesen vom Beginn der Stunde abgleichen und diese falsifizieren oder verifizieren. Anschließend erweitert die Lehrkraft die Diskussion auf eine allgemeine Ebene bzw. die Gegenwart. Die Lernenden diskutieren im Plenum ausgehend vom Ein-stiegszitat ihre generelle Position zur Frage der Hinrichtung/Todesstrafe bei politischen Umstürzen und fällen ein Werturteil (Maximalziel)

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Studienseminar für Gymnasien in Fulda

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Phasierung

Jeder Lernprozess folgt bestimmten Phasen, die hinsichtlich Tempo und Intensität individuell

sehr unterschiedlich verlaufen können, sich jedoch in der Abfolge gleichen und modellhaft

dargestellt werden können:

- Problematisierung: Jedes Denken beginnt mit einem (positiv verstandenen) 'Problem',

das uns z. B. in Form einer Frage (Ergebnis der letzten Stunde), einer Irritation (Be-

obachtung, Experiment …) oder gezielten Provokation (durch die Lehrkraft) herausfor-

dert. Die Lernaufgabe trägt das Forschungsinteresse in der Regel über mehrere Se-

quenzen, jedoch beginnt jede Sequenz mit der Überlegung, welchem (Teil-) Problem

heute in welcher Weise nachgegangen werden soll.

- Erarbeitung: Informierendes, anregendes, widersprüchliches Material fordert zur

selbstständigen Auseinandersetzung mit dem Problem heraus, so dass sich die Lernen-

den zum Lerngegenstand individuell positionieren wollen. Die Erarbeitung mündet da-

her weniger in eindeutige Lösungen, sondern häufiger in individuellen Haltungen und

Erfahrungen, offenen Fragen, dem Widerständigen.

- Präsentation: Die Arbeitsprodukte werden einem Gegenüber (Plenum, Team, Lehr-

kraft etc.) veranschaulicht (in Wort/ Bild), gesammelt (Heft, Tafel …) und (gemeinsam

oder individuell) gesichtet.

- Reflexion: Die Diversität der Produkte fordert eine vergleichende Diskussion, so dass

sie aus der Distanz in einem größeren fachlichen Kontext bewertet und in Erkenntnisse

auf Anforderungsebene 3 überführt werden können. Ein antizipiertes Tafelbild hilft,

die Diskussion zielgerichtet zu moderieren, denn nicht jeder Stundenteil kann und

muss thematisiert werden.

- Sicherung: Jede Stunde endet mit der Dokumentation der Erkenntnisse/ Lernerträge,

damit sie für den weiteren Lernprozess zur Verfügung stehen.

Präkonzepte/Subjektive Theorien

Lernen baut auf Vorwissen auf, das im Unterricht aktiviert und der Lernstoff in sinnvoller

Weise darauf bezogen werden muss. Dieses Vorwissen besteht aus außer-unterrichtlichen,

alltäglichen Erfahrungen, aus denen sich subjektive Theorien/ Präkonzepte entwickeln ( Hy-

pothese als Denkwerkzeug!). Präkonzepte sind in den Gedächtnisstrukturen oft so tief etab-

liert, dass sie nur schwer nachhaltig überschrieben werden können und wir besonders in

Stresssituationen (Klausuren, UB …) in die vertrauten Denk- und Handlungsmuster zurückfal-

len, auch wenn wir andere kennen. Das Aufbrechen von Präkonzepten benötigt im Unterricht

daher viel Zeit und Geduld, denn die Lernenden müssen im konstruktivistischen Sinne diesen

Schritt selbst vollziehen und die neuen Muster mehrfach wiederholen und trainieren, um sie

zu ritualisieren.

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Psychologische Lernvoraussetzungen

Bei der Darstellung der entwicklungspsychologischen Aspekte im Rahmen der Lern-vorausset-

zungen zeigt sich, dass bei der Auswahl des Unterrichtsgegenstandes/ des Themas, der Mate-

rialien sowie des methodischen Vorgehens lernpsychologische Grundlagen bezogen auf die

Lerngruppe berücksichtigt wurden. Dabei sollten die entwicklungstheoretischen Grundlagen

berücksichtigt werden, die für die konkrete Lerngruppe/ einzelne Lernende und das Stunden-

vorhaben relevant sind, z. B.:

- Argumentation auf Grundlage von Jean Piaget (Kognitive Entwicklung):

- Veranschaulichung des Zuckeranteils im Ketchup mit Zuckerwürfeln in Biologie,

- Einbeziehung der Familiengeschichten der Lernenden in Geschichte;

- Argumentation auf Grundlage von Erik H. Erikson (Psychosoziale Entwicklung):

- nicht die erreichte Höhe beim Hochsprung ist das Erfolgskriterium in Sport, sondern

die selbstständige Erarbeitung anderer Kriterien,

- Spendenaktion im Anschluss an eine Einheit zu Folgen von Erdbeben in PoWi;

- Argumentation auf Grundlage von Lawrence Kohlberg (Moralische Entwicklung):

- Rollenspiel in Deutsch zur Schuldfrage in Goethes 'Faust',

- Üben einer offenen Debatte, in der alle die gleichen Rechte besitzen.

Sachanalyse

Hier zeigt sich, dass der gewählte Unterrichtsgegenstand/das Thema sach(-fach)lich korrekt

durchdrungen wurde und bezogen auf die in der gewählten Einheit/Stunde gesetzten Aus-

schnitte/Schwerpunkte verdichtet und strukturiert dargestellt ist. Hierbei ist ggf. die eigene

Position innerhalb einer fachwissenschaftlichen oder fachdidaktischen Diskussion vorzustel-

len und zu begründen. Wann ist die Darstellung der eigenen Position erforderlich? Beispiele:

- In Französisch steht der Gebrauch der Vergangenheitszeiten im Mittelpunkt. Hierzu

gibt es eindeutige Regeln. Eine eigene Positionierung ist nicht möglich.

- In Deutsch gibt es für den Umgang mit einem literarischen Text verschiedene 'Lesar-

ten'; in Geschichte wird die Einordnung eines geschichtlichen Ereignisses kontrovers

diskutiert. Wo und wie positionieren Sie sich und warum?

Auch eine Methode kann Gegenstand der Sachanalyse sein, z. B. wenn im Fremdsprachenun-

terricht das Erlernen von Textproduktionstechniken gleichberechtigt oder stärker im Fokus

steht als der literarische Text. Dann soll dargestellt werden, auf welche Theorien und Techni-

ken der Textproduktion warum Bezug genommen wird. So kann es möglicherweise zwei

Stränge in der Sachanalyse geben.

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Thema (nach TZI-Mina Schneider-Landolf)

Damit ein Unterrichtsgegenstand eine Relevanz für Lernende bekommt, zu ihrem Anliegen

wird, wird er didaktisiert, d. h. es wird ein Fokus gesetzt, der Neugierde weckt, Denken initiiert,

Lernen ermöglicht. Dieses sprachlich präzise formulierte Erkenntnisinteresse nennt man 'The-

ma', z. B.:

- Das Schneeglöckchen > Warum kann ein Schneeglöckchen im Schnee blühen?

- Absolutismus > Die Entstehung eines modernen Staates?

- Joseph Beuys > Genie oder Betrüger?

- Les nouveaux médias – chances et risques

- Cœur de pirate : L’amitié, l’amour – et l’internet

(Zum KCGO-Thema E.1: Le cercle familial et amical)

Damit wird das Thema ein Instrument, das Folgendes leistet:

- Es ist ein Denkanstoß, der herausfordert, zur Auseinandersetzung anregt und so einen

persönlichen Zugang zum Lerngegenstand ermöglicht.

- Es leitet und zentriert den Lernprozess, individuell und gruppendynamisch.

- Es wird zu einem gemeinsamen Gesprächsanlass und lädt zum Austausch, zur Ausei-

nandersetzung untereinander ein.

- Je nach Setzung können die Themen auf der Sachebene, der persönlichen/emotiona-

len Ebene zur Problemlösung führen oder eine Auseinandersetzung zwischen ver-

schiedenen Sichtweisen innerhalb der Gruppe initiieren.

Im didaktischen Zentrum wird das Thema beantwortet.

Unterrichtseinheit & Unterrichtssequenz

Eine Unterrichtseinheit (auch: Unterrichtsreihe) umfasst mehrere Stunden zu einem Stoffge-

biet und baut sich aus Unterrichtssequenzen auf, die z. B. im Lernaufgabenmodell die einzel-

nen situativen Anforderungen oder im Lern-Lehrmodell die einzelnen Schritte umfassen. Wie

viele Unterrichtsstunden eine Sequenz oder Einheit umfassen, hängt vom Fach und vom The-

mengebiet ab.

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Literatur

Diagnose:

- L. Paradies: Diagnostizieren, fordern und

fördern. Cornelsen. Berlin 2011

- Friedrich Jahresheft. G. Becker: Diagnosti-

zieren und fördern. Seelze 2006

- Zeitschrift Pädagogik 12/2009: Diagnosti-

zieren und fördern. Beltz. Weinheim

- Zeitschrift Pädagogik 2/2012: Fördernde

Bewertung. Beltz. Weinheim

Didaktisches Zentrum:

- http://arbeitsplattform.bildung.hes-sen.de/lsa/modulkonferenz/modulkonf_ ghrf/070918_Bonsen_Hey_Kompetenzori-entierung.pdf, 21.1.2018

Elementarisierung:

- W. Bleichroth: Elementarisierung, das Kernstück der Unterrichtsvorbereitung. NiU 91/1 S.4

Elementarisierung Religion:

- F. Schweitzer, K.-E. Nipkow: Religionsun-terricht und Entwicklungspsychologie - Elementarisierung in der Praxis, Gütersloh 1995, S. 173 ff.

Handlungsorientierung:

- Hans Aebli: Denken, das Ordnen des Tuns, Klett-Cotta: Stuttgart 1993

- Werner Jank und Hilbert Meyer: Didakti-sche Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor: Berlin 1991

- Reinhard Bader: Handlungsorientierung des Unterrichts, in: Die berufsbildende Schule 11, 1989, S. 643-645

- Wolfgang Ruppert: Handlungsorientierung im Biologieunterricht, in: Unterricht Biolo-gie 273 (April 2002), S. 4-10

Individualisierung & Differenzierung:

- Th. Bohl, D. Kucharz: Offener Unterricht

heute. Beltz. Weinheim 2010

- L. Paradies: Individualisieren im Unter-

richt. Cornelsen. Berlin 2017

- Biologie/ Chemie/ Physik - Aufgaben mit

gestuften Hilfen. Friedrich. Seelze 2008

- Zeitschrift Pädagogik 11/2010: Binnendif-

ferenzierung konkret. Beltz. Weinheim

Interdependenter Lernzyklus:

- P. Heiniger (Pädagogische Hochschule Thurgau): Qualitätsentwicklung in der Ausbildung. Qualifizierung durch die Lehr-kräfteakademie. 2014

Kompetenzen:

- J. Leisen: Kompetenzorientiert unterrich-ten. Fragen und Antworten zu kompetenz-orientiertem Unterricht und einem ent-sprechenden Lern-Lehr-Modell. In: Unter-richt Physik 213/214. Jg. 2001. S. 4-10

Kontextbezug:

- Muckenfuß: Themen oder Kontexte als Strukturelemente. Plus Lucis 2/03. S. 4-10

Lernaufgabenmodell/ Lernaufgabenparcours: - E. Leupold: Französisch lehren und lernen.

Kallmeyer/ Klett. Seelze 2010, S. 352ff - W. Steveker: Zeitgemäß unterrichten. In:

K. Sommerfeldt: Spanisch-Methodik. Handbuch für die Sekundarstufe I und II. Cornelsen. Mannheim 2011. S. 23-48.

Methodische Sicht- und Tiefenstruktur:

- Hopf, Schecker, Wiesner (Hrsg.): Physikdi-daktik kompakt. Aulis 2011. S. 88ff

- A. Gold: Guter Unterricht. Vandenhoeck und Ruprecht. Göttingen 2015

Präkonzept:

- D. Wahl: Lernumgebungen erfolgreich ge-

stalten. Klinkhardt. Bad Heilbrunn 2013

Phasierung: - J.P. Guilford: Intelligence, Creativity and

Their Educational Implications. 1968 - J. Funke: Problemlösendes Denken. In:

Kohlhammer Standards Psychologie. 1. Auflage. Kohlhammer. Stuttgart 2003

Thema:

- M. Schneider-Landolf: Thema. In: M. Schneider-Landolf, J. Spielmann, W. Zitter-barth: Handbuch Themenzentrierte Inter-aktion (TZI). Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen 2009. S. 157-163.

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Impressum Studienseminar für Gymnasien Fulda Josefstraße 22-26 36039 Fulda 0661/8390351 [email protected] https://sts-gym-fulda.bildung.hessen.de/index.html Leitung: Martin Böhne, Iris Fischer AutorInnen: Katrin Bretschneider, Ute Deistler, Dr. Anja Dorst, Klaus Elster, Iris Fischer,

Melanie Hohmann, Sabine Menzel, Jana Möhrke, Heiko Reeg, Stefanie Woyth-Gutberlet

Layout: Dr. Anja Dorst

Fulda, Januar 2018

Überarbeitung: September 2019