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Höhere Mathematik 3 (vertieft) für Luft- und Raumfahrttechnik (LRT) und Materialwissenschaften (MaWi) Prof. Dr. Frederik Witt basierend auf dem Skript von Prof. Dr. Michael Eisermann Institut für Geometrie und Topologie, Universität Stuttgart www.mathematik.uni-stuttgart.de/fak8/igt/witt Wintersemester 2016/17 (Stand 27. September 2016) Für die Mitteilung von Unklarheiten und Fehlern aller Art sowie für Verbesserungsvorschläge bin ich stets dankbar!

Höhere Mathematik 3 (vertieft) · Die HM3 baut auf der HM1/2 auf und führt diese fort mit den Zielen: Die Studierenden verfügen über grundlegende Kenntnisse der Integralrechnung

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Höhere Mathematik 3 (vertieft)für Luft- und Raumfahrttechnik (LRT)und Materialwissenschaften (MaWi)

Prof. Dr. Frederik Witt

basierend auf dem Skript von Prof. Dr. Michael Eisermann

Institut für Geometrie und Topologie, Universität Stuttgartwww.mathematik.uni-stuttgart.de/fak8/igt/witt

Wintersemester 2016/17(Stand 27. September 2016)

Für die Mitteilung von Unklarheiten und Fehlern aller Artsowie für Verbesserungsvorschläge bin ich stets dankbar!

Themen der HM1/2: Voraussetzung 101

Lineare Algebra und Geometrie:Reelle und komplexe Zahlen R ⊂ CEuklidische Vektorräume Rn, Cn

Matrizen & lineare Gleichungssysteme Ax = y

Eigenvektoren und Diagonalisierung Av = λv

Normalformen für Quadriken x2 − y2 = 1

Analysis:Konvergenz von Folgen und Reihen

∑∞k=0 ak

Funktionen, Grenzwerte und Stetigkeit limx→x0 f(x)

Differential- und Integralrechnung´ ba f(x) dx = [F ]ba

Differentialrechnung mehrerer Variablen ∂x∂yf = ∂y∂xf

Vektorfelder, Wegintegrale und Potentiale rot grad f = 0

Auf die Beherrschung dieser Techniken können Sie stolz sein.Sie brauchen dies als Handwerkszeug im Studium und später im Beruf!Ich muss und werde diese Grundfertigkeiten für die HM3 voraussetzen.

Themen der HM3: Zielsetzung 102

Die HM3 bietet viel und verlangt viel in kurzer Zeit (37 Termine):

Mehrdimensionale Integration (4)´Rn f(x) dx

Integralsätze (7)´B df =

´∂B f

Fourier–Analysis (5) f(t) ∼∑ ck eikt

Wahrscheinlichkeitsrechnung (7) P (A|B) =P (A ∩B)

P (B)

Gewöhnliche Differentialgleichungen (8) u′(t) = f(t, u(t))

Partielle Differentialgleichungen (6) ∂t u(t, x) = ∂2x u(t, x)

Diese mächtigen Techniken sind in Anwendungen allgegenwärtig.Jedes der drei letzten Themen verdient seine eigene Vorlesung. . .Sie bekommen alles als „Best-of“ in einem einzigen Semester!

Literatur 103

Lesen Sie in Lehrwerken zur Höheren Mathematik und wählen Siedas für Sie passende aus. Sie können mit folgenden anfangen:

K. Meyberg, P. Vachenauer:Höhere Mathematik 1 & 2. Springer Verlag

G. Bärwolff: Höhere Mathematik. Spektrum Verlag

E. Kreyszig: Advanced Engineering Mathematics. Wiley

Mathematik Online: www.mathematik-online.org(umfangreiche Übungsaufgaben, Tests, Skripte)

W. Kimmerle, M. Stroppel: Lineare Algebra und Analysis.(Zur Wiederholung der mathematischen Grundlagen)

H. Heuser: Lehrbuch der Analysis 1 & 2. Teubner(Zur Vertiefung der mathematischen Grundlagen)

Ziel der Höheren Mathematik 1-3 ist es, eine solide Grundlage zu legen und Ihnen den Einstiegin weiterführende Lehrwerke zu ermöglichen. Auf dieser Grundlage werden Sie anschließend jenach Ihrem Werdegang und individuellen Bedarf Ihre Kenntnisse selbstständig weiter ausbauen.

Lernziele 104

Die HM3 baut auf der HM1/2 auf und führt diese fort mit den Zielen:Die Studierenden verfügen über grundlegende Kenntnisse derIntegralrechnung für Funktionen mehrerer Veränderlicher,gewöhnliche und partielle Differentialgleichungen,Fourier-Reihen und Fourier-Integrale sowie Stochastik.Sie sind in der Lage, die behandelten Methoden selbstständig,sicher, kritisch und kreativ anzuwenden.Sie besitzen die mathematische Grundlage für das Verständnisquantitativer Modelle aus den Ingenieurwissenschaften.Sie können sich mit Spezialisten aus dem ingenieurs- undnaturwissenschaftlichen Umfeld über die benutztenmathematischen Methoden verständigen.

Insbesondere bedeutet dies: Sie brauchen effiziente Methoden und solide Grundlagen. Um eineMethode selbstständig, sicher, kritisch und kreativ anzuwenden, müssen Sie sie verstehen!

Wochenplan 105

Vorlesung und Vortragsübung:wöchentlich Mo 8:00 – 9:30 V 7.02→ V 57.03wöchentlich Di 8:00 – 9:30 V 57.03wöchentlich Di 17:30 – 19:00 V 7.02→ V 38.01

Drei pro Woche, bis Januar insgesamt 37 Termine

Vorlesung und Vortragsübung:wöchentlich Do 8:00 – 9:30 2 Übungsgruppenwöchentlich Do 11:30 – 13:00 5 Übungsgruppenwöchentlich Do 15:45 – 17:15 5 Übungsgruppenwöchentlich Fr 15:45 – 17:15 2 Übungsgruppen

Ankündigungen, Sprechstunden, etc. auf der Vorlesungsseite:www.igt.uni-stuttgart.de/eiserm/lehre/2015/HM3

Semesterplan 106

Vorlesung: ab Dienstag, 13.10.2015

Gruppenübungen: ab Donnerstag, 15.10.2015Anmeldung 13.10. ab 13:30, siehe Vorlesungsseite

Scheinklausuren: 28. November und 16. Januar

Abschlussklausur: 24. Februar 2016

Der Übungsschein ist Voraussetzung für die Abschlussklausur:Anwesenheit und aktive Mitarbeit in der Übungsgruppe,Mindestens zweimaliger erfolgreicher Vortrag in der Übung,Bestehen der beiden Scheinklausuren zu den Übungen.

Ihre Übung ist der Schlüssel zu Ihrem Erfolg — und daher Pflicht!Ihre 2h Gruppenübung müssen Sie so effizient wie möglich nutzen!

Lernen braucht Zeit und Ruhe. 107

Ruhe! Vorlesung ist Lernzeit.

Dies ist Ihre Vorlesung. Bitte arbeiten Sie konzentriert mit!Wenn Sie eine Frage haben, dann fragen Sie bitte mich.

Wenn jemand stört, dann sorgen Sie bitte für Ruhe.

Ein hoher Turm braucht eine breite Basis. 201

y

x

LastG0

r(x)

Der

Eiff

eltu

rmin

Par

isam

Abe

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s14

.08.

2013

,Höh

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4m

Der

Bur

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0m,B

ildqu

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iped

ia.o

rg

Aufgabe: Konstruieren Sie eine Säule aus einem Material konstanterDichte %, so dass der Druck (Last pro Fläche) überall konstant p ist.Beton % = 3g/cm3, Last G0 = 4600kN, Radius r0 = 1m, Höhe 300m.(Das Modell ist allzu vereinfacht aber illustriert immerhin das Prinzip.)

Ein hoher Turm braucht eine breite Basis. 202

Lösung: In Höhe x haben wir den Radius r(x) gemäß Skizze.Die Fläche ist A(x) = πr(x)2, das Volumen V (x) =

´ xh=0 πr(h)2 dh,

das Gewicht G(x) = g%V (x), der Druck G(x)/A(x)!

= p. Insgesamt:

g% ·ˆ x

h=0πr(h)2 dh

!= p · πr(x)2

Ableiten dieser Integralgleichung ergibt unsere Differentialgleichung:

g% πr(x)2 = 2p πr(x) r′(x).

Diese ist elementar lösbar. Wir trennen die Variablen und integrieren:

r′(x)

r(x)=g%

2p=⇒

ˆ x

0

r′(h)

r(h)dh =

ˆ x

0

g%

2pdh =⇒ ln r(x)− ln r0 = x

g%

2p

Wir erhalten somit r(x) = r0 exg%/2p. Der Radius wächst exponentiell!Zahlenbeispiel: p ≈ 1500kN/m2, r(x) = 1m · ex·0.01/m, r(300m) ≈ 20m.Die Druckfestigkeit liegt je nach Beton zwischen 10 und 100N/mm2.

Wozu dient Mathematik? 203

R e a l i t ä t / A n w e n d u n g

1. EmpirieBeobachtung / Experiment

Erfahrungen, Probleme, Ziele

4. AnwendungInterpretation der Ergebnisse

Überprüfung des Modells

?

anpassen

überprüfen

T h e o r i e / M a t h e m a t i k

2. Modellgrundlegende EigenschaftenFormulierung von Axiomen

modellieren abstrahierenauswählen vereinfachen

3. Theorieaufbauende Eigenschaften

Regeln, Sätze, Beweise

analysieren

folgern

konkretisieren kalibrierenspezialisieren anpassen

Newtons Himmelsmechanik 204

Aufgabe: Formulieren Sie die Bewegungsgleichung von n Planetenmit Masse mk > 0, Position uk(t) ∈ R3 und Geschwindigkeit vk(t) ∈ R3.Lösung: Newtons Gravitationsgesetz ergibt die Differentialgleichungen

uk = vk, vk = fk(u) :=∑

j 6=kγ mj

uj − uk|uj − uk|3

.

Die Anfangssdaten uk(0) und vk(0) zur Teit t = 0 sind vorgegeben.Als Lösung gesucht ist die Bewegung (u1, v1, . . . , un, vn) : [0, T [→ R6n.Erlaubt ein so komplexes System immer genau eine Lösung? Ja, das ist der zentrale E&E-Satz!Kollision oder Explosion sind möglich: Eventuell existiert die Lösung nur für kurze Zeit T > 0.Für manche Startwerte sind Lösungen periodisch, oder fast: Zu unserem Glück! Dieses Systemist nicht-linear und kann sich chaotisch verhalten; nur Näherungen können wir noch berechnen.Die Hoffnung dabei ist: Unsere Näherung approximiert den wahren Verlauf präzise genug.

Den Fall n = 2 lösen Kegelschnitte: Ellipsen, Parabeln, Hyperbeln.Für n ≥ 3 lässt sich dieses DGSystem i.A. nicht geschlossen lösen!Euler–Verfahren: diskrete Zeitschritte 0 = t0 < t1 < t2 < t3 < . . . ,

uk(ti+1) ≈ uk(ti) + vk(ti) · (ti+1 − ti)vk(ti+1) ≈ vk(ti) + fk(u) · (ti+1 − ti)

Die Kontinuitätsgleichung der Strömungslehre 205

Ziel: Wie verhalten sich Strömungen?

Luft- und Wasserströmung um die Kanarischen Inseln

Wir beobachten eine Strömung in einem Gebiet Ω ⊂ R3

über ein Zeitintervall I = [t0, t1]. Hierbei sei ~v : I × Ω→ R3

das Geschwindigkeitsfeld und % : I × Ω→ R die Massendichte.Im Strömungsbereich werde Masse weder erzeugt noch vernichtet.Die Massenstromdichte ~f = %~v beschreibt den Massenfluss.

Die Kontinuitätsgleichung der Strömungslehre 206

Die Strömungslehre untersucht die Bewegung aller fluiden Medien.Sie ist grundlegend für die Meteorologie, beim Bau von Flugzeugen,Schiffen, Autos, bis hin zu Verbrennungsmotoren. Alles fließt!Im Vergleich zu Flüssigkeiten sind Gase leicht komprimierbar, ihreDichte ist etwa 1000mal geringer, ihre thermische Ausdehnung größer.Für ihre Bewegung aber gelten weitgehend die gleichen Gesetze!(zumindest bei nicht allzu großen Drücken und Geschwindigkeiten)

Strömungslehre(Fluiddynamik)

inkompressibel(Hydrodynamik)

kompressibel(Aerodynamik)

mit Reibung(Navier–Stokes)

ohne Reibung(Euler–Gleichung)

Wir wenden uns hier der allgemein gültigen Kontinuitätsgleichung zu.

Die Kontinuitätsgleichung der Strömungslehre 207

Aufgabe: Welche Beziehung folgt aus der Massenerhaltung?(1) Sei K ⊂ Ω ⊂ R3 kompakt, etwa ein Würfel. Formulieren Siedie Massenbilanz für K in Worten und als Volumen-/Flussintegrale.(2) Formen Sie dies um zu einem einzigen Volumenintegral.(3) Folgern Sie hieraus die zugehörige Differentialgleichung.(4) Was folgt für inkompressible Strömungen, also für % = const?

Lösung: (1) Die über die Randfläche S = ∂K ausströmende Massegeht der Gesamtmasse in K verloren. Als Integralgleichung formuliert:

‹S=∂K

(%~v q~n) dS +d

dt

˚K%dK = 0

(2) Wir wollen beide Integrale auf dieselbe Form bringen, um siezusammenfassen zu können. Dies gelingt mit dem Satz von Gauß:‹

S=∂K(%~v q~n) dS =

˚K

div(%~v) dK

Die Kontinuitätsgleichung der Strömungslehre 208

Wir dürfen die Ableitung unters Integral ziehen dank Kompaktheit desIntegrationsbereichs K und Stetigkeit des Integranden ∂%/∂t:

d

dt

˚K%dK =

˚K

∂%

∂tdK

Wir erhalten zusammenfassend ein einziges Volumenintegral:˚

K

[div(%~v) +

∂%

∂t

]dK = 0

(3) Diese lokale Massenbilanz gilt für jedes Kompaktum K ⊂ Ω.Das gilt genau dann, wenn der (stetige!) Integrand verschwindet:

div(%~v) +∂%

∂t= 0

Diese Kontinuitätsgleichung ist grundlegend für die Strömungslehre.(4) Für inkompressible Strömungen gilt % = const und somit div~v = 0.Anschaulich: In jedes Volumen K fließt ebensoviel hinein wie heraus.

Die Navier–Stokes–Gleichungen 209

Für inkompressible Strömungen gilt % = const und somit div~v = 0.Es handelt sich um eine grundlegende Erhaltungsgleichung.Diese beschreibt allerdings die Bewegung keineswegs vollständig.Dazu werden weitere Erhaltungsgrößen wie Impuls / Energie benötigt.Die Impulserhaltung führt zu den Navier–Stokes–Gleichungen:Sei ~γ(t) die Bahn eines Teilchens der Strömung, d.h. ~γ(t) = ~v(t, ~γ(t)).Newtons Gesetz „Kraft = Masse × Beschleunigung“ besagt hier:

% ~γ(t) = ~F(t, ~γ(t)

)Einsetzen und ausrechnen der linken Seite nach Kettenregel:

d2γi(t)

dt2=

dγi(t)

dt=

dvi(t, ~γ(t))

dt=∂vi∂t

+

n∑k=1

∂vi∂xk

∂γk∂t

=∂vi∂t

+

n∑k=1

∂vi∂xk

vk

Dies heißt substantielle Ableitung oder auch konvektive Ableitung.Auf der rechten Seite setzt sich die Kraft ~F zusammen aus Reibung,Druck und äußeren Kräften wie zum Beispiel der Gravitation.

Die Navier–Stokes–Gleichungen 210

Die Navier–Stokes–Gleichungen für inkompressible Flüssigkeiten:

Massenerhaltung: div~v =

n∑k=1

∂vk∂xk

= 0

Impulserhaltung:∂vi∂t

+

n∑k=1

vk∂vi∂xk

= ν∆vi −1

%

∂p

∂xi+ fi

Diese n+ 1 Gleichungen beschreiben die Strömung einer inkompressiblen Flüssigkeit (d.h. mitkonstanter Dichte %) zur Zeit t ∈ I am Ort ~x ∈ Ω in der Ebene (n = 2) oder im Raum (n = 3).Die erste Gleichung besagt, dass die Flüssigkeit inkompressibel ist ?? , die letzten n sindNewtons Bewegungsgesetz: Links steht die Beschleunigung, als konvektive Ableitung ?? derStrömungsgeschwindigkeit ~v : I × Ω→ Rn. Rechts stehen die Kräfte durch die Reibung mitViskositätskonstante ν, den Druck p : I × Ω→ R sowie die äußere Kraft ~f : I × Ω→ Rn.

Dies sind n+ 1 Gleichungen zweiter Ordnung. Gesucht sind die n+ 1 Funktionen ~v und p.Gegeben ist hierbei die äußere Kraft ~f sowie Anfangsgeschwindigkeiten ~v(0, ~x) für ~x ∈ Ω.Im zweidimensionalen Fall ist die Lösbarkeit bewiesen, im dreidimensionalen Falle nicht!Die Navier–Stokes–Gleichungen illustrieren die Schwierigkeit partieller Differentialgleichungen:Über dreidimensionale Lösungen weiß man allgemein wenig, z.B. sind Existenz und Regularitätnoch ungeklärt — trotz größter Anstrengungen. Das Clay Mathematics Institute hat dies 2000 alseines der sieben Millenium-Probleme ausgelobt, mit einem Preisgeld von 1 Million Dollar.

Fouriers Wärmeleitungsgleichung 211

Ziel: Wie berechnet man den Wärmefluss in einem Körper?

Bild

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le:M

omo

Wärmebilanz für K = Kaninchen bei t = Winter

Wir betrachten ein Gebiet Ω ⊂ R3 und ein Zeitintervall I = [t0, t1] undsuchen eine Beziehung zwischen Wärmeleistungsdichte q : I × Ω→ R,Wärmedichte u : I × Ω→ R und Wärmefluss ~f : I × Ω→ R3.

Fouriers Wärmeleitungsgleichung 212

Aufgabe: (1) Sei K ⊂ Ω ⊂ R3 kompakt, etwa ein Würfel. FormulierenSie die Wärmebilanz für K in Worten und als Volumen-/Flussintegrale.(2) Formen Sie dies um zu einem einzigen Volumenintegral.(3) Folgern Sie hieraus die zugehörige Differentialgleichung.(4) Vereinfachen Sie schließlich durch die Annahme ~f = −κ∇u.

Lösung: (1) Für jedes Kompaktum K ⊂ Ω gilt die Wärmebilanz:

Von den Wärmequellen in K zugeführte Energie= Zuwachs der in K enthaltenen Wärmeenergie+ Wärmefluss über den Rand von K nach außen

Als Integralgleichung formuliert bedeutet dies:˚Kq(t, x) dx =

d

dt

˚Ku(t, x) dx+

‹S=∂K

~f(t, x) q~ndS

Alle Funktionen seien so oft stetig differenzierbar wie in der folgenden Rechnung benötigt.Ich greife hier schon mal vor: q sei stetig, f einmal stetig diff’bar, u zweimal stetig diff’bar.

Fouriers Wärmeleitungsgleichung 213

(2) Mit Gauß verwandeln wir Flussintegrale in Volumenintegrale:‹S=∂K

~f(t, x) q~ndS =

˚K∇ q ~f(t, x) dx

Dank Kompaktheit dürfen wir die Ableitung unters Integral ziehen:d

dt

˚Ku(t, x) dx =

˚K

∂tu(t, x) dx

Wir erhalten zusammenfassend ein einziges Volumenintegral:˚K

[∂

∂tu(t, x) +∇ q ~f(t, x)− q(t, x)

]dx = 0.

(3) Diese lokale Wärmebilanz gilt für jedes Kompaktum K ⊂ Ω ⊂ R3.Das gilt genau dann, wenn der (stetige!) Integrand verschwindet:

∂tu(t, x) +∇ q ~f(t, x) = q(t, x)

Diese Gleichung gilt überall dort, wo etwas entsteht (q), gespeichert wird (u) und fließt (~f ).Die Wärmeleitungsgleichung heißt deshalb auch Diffusionsgleichung und tritt in vielfältigenAnwendungen auf. Wir werden Sie am Ende der Vorlesung mit Fourier–Theorie lösen können.Spezialfall: Für q = 0 sowie u = % und ~f = %~v erhalten wir erneut die Kontinuitätsgleichung.

Fouriers Wärmeleitungsgleichung 214

(4) Wärme fließt von warm nach kalt, also ~f = −κ∇u. Einsetzen:

∂tu(t, x) +∇ q [−κ∇u(t, x)]

= q(t, x)

Mit dem Laplace–Operator ∆ = ∇ q∇ schreiben wir dies kurz

∂tu− κ∆u = q mit ∆ = ∂21 + ∂22 + ∂23 .

Physikalische Begründung: Wärme ist (etwas vereinfacht) proportional zur Temperatur,also u = c T mit Wärmekapazität c. Sie fließt proportional zur Temperaturdifferenz,also ~f = −k∇T mit Wärmeleitfähigkeit k. Demnach gilt ~f = −κ∇u mit κ := k/c.

Wir erhalten so Fouriers berühmte Wärmeleitungsgleichung:

∂u

∂t− κ∆u = q mit ∆ =

∂2

∂x21+

∂2

∂x22+

∂2

∂x23

Dies ist eine lineare partielle Differentialgleichung in u (links) mit Inhomogenität q auf derrechten Seite. Sie beschreibt, wie sich die Wärme in einem Körper ausbreitet. Joseph Fourier(1768–1830) hat sie in seiner Arbeit Théorie analytique de la chaleur 1822 erstmals eingehenduntersucht und hierzu die nach ihm benannte Fourier–Theorie entwickelt, mit der wir uns nochausgiebig beschäftigen werden. Gegeben ist meist q, gesucht ist u. Wie sehen Lösungen aus?Im homogenen Fall ohne Quellen (q = 0) können wir die Fundamentallösung angeben! ??

Mars & Venus Express 215

Missionen der ESAStart Jun. 2003 in BaikonurMars-Orbit ab Jan. 2004→ Suche nach WasserStart Nov. 2005 in BaikonurVenus-Orbit ab Apr. 2006→ Atmosphäre der Venus

Orbiter: Masse 633kg plusTreibstoff (MMH+NTO)Acht Steuertriebwerkemit jeweils 10N SchubFortsetzung oder Ende:Wie lange reicht der Sprit?

Siehe en.wikipedia.org/wiki/Mars_Express und /Venus_Express

Venus Express: Wieviel Treibstoff ist im Tank? 216

Aus Steuermanövern errechnete Masse für 366 Tage bis 31.12.2012.

unplausibel: leichter als leer

unplausibel: schwerer als voll

Tag

Masse/kg

−350 −300 −250 −200 −150 −100 −50 0

600

620

640

660

680

700

720

740

760

Mathematische Statistik: Konfidenzintervalle 217

Jahresmittelwert der Gesamtmasse mit 3σ–Konfidenzintervall.

If people do not believe that mathematics is simple,it is only because they do not realize how complicated life is.

(John von Neumann) Tag

Masse/kg

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Mathematische Statistik: lineare Regression 218

Regressionsgerade mit Konfidenzintervallen: 1σ, 2σ, 3σ.

It is difficult to make predictions,especially about the future.

Tag

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