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IKONOGRAFIE UND IKONOLOGIE VO Methoden der Kunstvermittlung, 13/11/17 Mag. Luka Leben

Ikonografie und ikonologie

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Page 1: Ikonografie und ikonologie

IKONOGRAFIE UND IKONOLOGIE

VO Methoden der Kunstvermittlung, 13/11/17

Mag. Luka Leben

Page 2: Ikonografie und ikonologie

Klassischer Dreischritt der Bildanalyse von Erwin Panofsky im Zeitraum von 1930-1955 entwickelt (mit Aby Warburg)

Vorikonographische Beschreibung – PRIMÄRES/NATÜRLICHES SUJET: Der Bestand des Bildes wird allein aufgrund des Weltwissens erfasst: Menschen, Tiere, Gegenstände, Orte und deren Gestik, Mimik, evtl. Beziehung werden beschrieben

01

Ikonografische Analyse – SEKUNDÄRES/KONVENTIONELLES SUJET: Kulturell verankertes Hintergrundwissen (aus schriftlichen Quellen) wird in die Analyse einbezogen: Attribute, Figurenkonstellationen, fixe Bildmotive werden analysiert (Welche Figuren sind dargestellt? Woran kann man sie erkennen?)

02

Ikonologische Interpretation – GEHALT / BEDEUTUNG: Die Bedingungen unter welchen ein SUJET aufgegriffen wurde (politischer, ökonomischer, kultureller Kontext) werden interpretiert (Wofür könnte z.B. eine Darstellung des aus dem brennenden Troja flüchtenden Aeneas mit seinem alten Vater in Zeiten internationaler Migrationsbewegungen stehen?)

03

Page 3: Ikonografie und ikonologie

JUDITH ODER SALOME? (Francesco Maffei 17.Jh.)

1. Vorikonographische Beschreibung?

2. Ikonographische Analyse: Frau + abgeschlagener Kopf +

Schüssel = Salome mit dem Kopf Johannes des Täufers

3. ACHTUNG: Das SCHWERT kommt in Darstellungen der Salome

(und im biblischen Text) NICHT vor!

Frau + abgeschlagener Kopf + Schwert –

Schüssel = Judith und Holofernes

4. Wenn man die Motivgeschichte verfolgt, stellt man fest, dass in

Dt. und Nord-Italien im 17. Jh. einige Darstellungen von Judith

und Holofernes MIT Schüssel existieren, aber KEINE von Salome

MIT Schwert.

Page 4: Ikonografie und ikonologie

HANDS ON: KUNSTGESCHICHTE

Joachim Penzel, Müchen: kopaed 2017; S. 180-214

Page 5: Ikonografie und ikonologie

FRAGEN:

■ Welche Rolle spielen Stil / bilderische Technik / Pinselduktus / Farbauftrag etc.?

■ Welche Rolle spielen Komposition / Dynamik / Bewegung / Raumtiefe etc.?

■ Welchen Stellenwert hat die Erarbeitung von Fachvokabular / Ausdrucksweise?

■ Welche Relevanz haben die christlichen/mythologischen Texte, auf die zur

Erschließung benötigt werden, für das aktuelle Leben der Schüler*innen?

■ Wodurch kann man den Nutzen der Kenntnis von Ikonografien und Motivtraditionen

etc. legitimieren?

Können / sollen die bei Penzel beschriebenen Methoden die klassische

(verbale) Bildanalyse ersetzen? Unter welchen Umständen (nicht)?

Page 6: Ikonografie und ikonologie

IKONOGRAFIE empfohlen für 9./10. Schulstufe

1

Bedeutung: “Ikon” – griechisch: Bild/Zeichen, “graphein” – gr: schreiben

2

Ziel: WORTSINN bzw. SACHSINN von Bildern erfassen

3

Tätigkeit:

Beschreibung der Bildinhalte

4

Identifikation:

- Figuren

- Gegenstände

- Orte

5

Quellen:

Texte, die

dieselben

Inhalte

behandeln,

wie die

Kunstwerke

6

Geeignet für:

gegenständ-

liche

Gemälde,

Skulpturen/

Plastiken/

Reliefs

7

Fragen:

Wer ist bei welcher Hanldung an welchem Ort dargestellt? Gibt es Attribute? Quellen?

Page 7: Ikonografie und ikonologie

Grundprinzip:

Für die westliche (europäische) Kunstgeschichte ist sind die christliche Glaubenslehre

(Bibel, Heiligenlegenden, etc.) und die antiken Mythen (v.a. griechisch, römisch) sowie

Personifikationen abstrakter Begriffe (Friede, Gerechtigkeit, Liebe, Hoffnung, Neid,…)

von besonderer Bedeutung.

Da das Leben der Heiligen aus Legenden, die wie Biographien funktionierten, bekannt

war, konnten wichtige Aspekte davon bei der Darstellung der Heiligen in Form von

Bildzeichen symbolisiert werden. (Selbiges gilt für Gestalten aus Mythen etc.). Diese

ATTRIBUTE sind Schüler*innen heute kaum mehr bekannt. Um Bildinhalte zu

erschließen, müssen also Hilfestellungen gegeben werden, damit die Attribute als

Hinweise “interpretiert” werden können.

Page 8: Ikonografie und ikonologie

UNTERRICHTs- IDEE

• Evtl. Fächerübgergreifend mit Religion jeweils eine

männliche und eine weibliche Gewandtfigur mit

Drehscheibe für Attribute anfertigen

• Kann auf der Rückseite beschriftet und bis zur

Matura genutzt werden (z.B. auch bei Besuchen von

Sakralbauten etc.) – Penzel, 2017, S. 183

Page 9: Ikonografie und ikonologie

Identifikation von Heiligenfiguren

Da die kunsthistorischen Darstellungen der Heiligen (männliche oder weibliche

GEWANDFIGUREN) sich in Hinblick auf ihre äußere Erscheinung (Proportionen, Mode,

Frisuren, Mimik, etc.) stark ähneln, können sie im Grunde nur aufgrund ihrer Attribute

identifiziert werden. Man könnte theoretisch sogar auf die Darstellung der

menschlichen Figur verzichten und allein die Attribute darstellen – der Inhalt bliebe für

Eingeweihte verständlich.

z.B.: Paulus- Schwert, Petrus – Schlüssel, Nikolaus – drei goldene Kugeln,

Bartholomäus – Messer, Katharina (Wagenrad), Barbara (Turm), Agnes (Schaf),

Margarete (Drache)

Page 10: Ikonografie und ikonologie

Motivgeschichte

■ Traditionell werden Motive aus biblischen oder mythologischen Geschichten auch in

Kunstwerken aufgegriffen, um einen bestimmten Sachverhalt oder eine Emotion

glaubhaft zu vermitteln. Diese allgemein bekannten ARCHETYPEN werden oft auch

unbewusst (ohne, dass z.B. Schüler*innen die Motivgeschichte kennen) verstanden.

■ Beispiele: Maria mit Kind – Mutterliebe;

■ Aeneas rettet seinen Vater aus dem brennenden Troja – Opferbereitschaft, Liebe der

Kinder zu ihren Eltern

■ David besiegt Goliath – Sieg gegen einen überlegenen Gegner

Page 11: Ikonografie und ikonologie

UNTERRICHTSIDEE

-Archetypische Motive mit Medienbildern vergleichen

-Anlegen einer Bildersammlung zu einem bestimmten Motiv

-z.B. fächerübergreifend mit Literaturunterricht, Geschichte Abb. Rechts: Penzel, 2017, S. 185

ZUR DISKUSSION:

1. Welche anderen archetypischen Motive gibt es?

Wofür könnten sie stehen?

2. Wie kommen die Medienbilder ins Spiel?

-Zur Verfügung stellen?

-Selbst suchen lassen?

-Analog oder digital?

-Google Bild-Suche?

-Forschung zu Medienbild-Ikonen?

Page 12: Ikonografie und ikonologie

Methode: Erschließung des Bildsinns durch UMDEUTUNG

■ Ironie und Persiflage: Überhöhung und Übertreibung

■ Wenn man Bilder durch minimale Eingriffe umdeuten will, muss man zunächst den

Bildsinn in all seinen Dimensionen erfassen.

■ Z.B. Durch Einfügen von Bild- oder Textelementen, durch Entfernen von

Bildelementen oder durch Collage (Siehe Assoziations-Methoden) kann eine

ironisierende bzw. humoristische Wirkung erreicht werden

■ Möglich ist auch eine Aktualisierung, in der besonders darauf geachtet wird, wie

Gesten, Körperhaltungen, Geschlechterbeziehungen etc. heute verstanden

werden,…

Page 13: Ikonografie und ikonologie

Penzel, 2017, S. 191

Collage nach “Die

Freiheit führt das Volk”

(Delacroix)

Page 14: Ikonografie und ikonologie

Methode: Transmediale Appropriation ■ APPROPRIARE (lat.) – erwerben, sich aneignen

■ These 1: Es ist (alltagskulturell) in Mode, sich der Kunst, Künstlern oder

Kunstwerken in anderen medialen Formaten anzuähern (z.B. Verfilmungen von

Künstlerbiografien) (Gerrit Höferer 2017)

■ These 2: Seit den 1960ger Jahren wir auch innerhalb der Kunst selbst oft der

Rahmen der bildenden Kunst verlassen: Kunstwerke sind oft selbst eher Ereignisse,

die ehemaligen Rezipient*innen treten als Akteuere auf: Selbsterleben,

Verkörperung, Agency (Handlungmacht) und Rollentausch ermöglichen auf

Empathie basierende Problemlösungen (Ficher-Lichte 2004)

Film-Beispiele nach

Gerrit Höferer (Penzel,

2017, S. 192)

Page 15: Ikonografie und ikonologie

UNTERRICHTs IDEEN - TABLEAUX VIVANT: SS reinszenieren ein

Kunstwerk, wobei jede(r) sich einen

Satz/ eine Geste/ eine kurze Handlung

überlegt, die charakterisitisch für seine

Figur ist

- Möglichkeit: Umsetzung als Stop-

Motion Animation

- Künstler*innen-Selfies: Überblendung

von Beamer-Projektionen

(Künstler*nnen-Selbstportraits) und

SS, die deren Pose, Ausdruck etc.

einnehmen Variante: Standbilder aus Filmen über Künstler (hier

z.B. Van Gogh) auf den Körper projizieren

Page 16: Ikonografie und ikonologie

Die Freiheit

führt das Volk

E. Delacroix

Page 17: Ikonografie und ikonologie

GERRIT HÖFERER:

Page 18: Ikonografie und ikonologie

IKONOLOGIE 9./10. Schulstufe

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Bedeutung des Kunstwerks im Kontext

■ Griechisch: “Ikon” – Bild, “Logos” – Wort

■ Weltwissen in Bezug auf kulturhistorische Situationen bzw. aktuelle Ereignisse, die den Hintergrund zur Entstehung eines Werkes bilden, ist gefragt (Politik, Ökonomie, Mythen, VORbilder (Motivgeschichte,…), Alltagskultur)

■ Im Bild nehmen relevante Informationen des jeweiligen kulturhistorischen Kontextes in komprimierter Form Gestalt an (Metapher vom Bild als “Schwamm”)

■ Die Ikonologie fragt nicht nur nach der Bedeutung, sondern auch nach der Funktion/Aufgabe eines Kunstwerks, u.A. z.B.: Gibt es Beziehungen zu politischen oder alltagskulturellen Ereignissen der Entstehungszeit? Welches Wissen/welche Informationen hatten Einfluss auf die Entstehung?

■ Quellen: Historische Schriften, Amtsdokumente, Chroniken, Zeitungsberichte, (heute z.B. auch Internetmedien), evtl. Korrespondenzen (Briefe)

Page 20: Ikonografie und ikonologie

Wissenskontexte sichtbar machen

Werke der Gegenwart und Vergangenheit gehen aus vielschichtigem Wissen hervor und verweisen in ihrem symbolischen Aufbau selbst wiederum darauf. Die folgenden Methoden sollen Schüler*innen dabei helfen, die Genese des Werkes vor dem jeweiligen Wissens-Hintergrund nachzuvollziehen.

■ ICONIC CONCEPT MAPPING

■ Schaubilder

■ Strukturbilder

■ Infografiken

■ Sketch Notes

http://www.integrale-kunstpaedagogik.de/wissen-in-bildern.html

Page 21: Ikonografie und ikonologie

ICONIC CONCEPT

MAP

Page 22: Ikonografie und ikonologie

ICONIC CONCEPT MAP II

Page 23: Ikonografie und ikonologie

Werkinterpretation als Geschichte/Prozess

■ Bilder präsentieren Inhalte immer SYNCHRON (gleichzeitig), Geschichten (verbal) haben eine DIACHRONE Struktur (zeitliche Abfolge).

■ Da es sich beim Bildsinn und bei dessen Deutung vor dem jeweiligen Kontext um Inhalte handelt, die man nacherzählen kann, bietet sich eine Umsetzung des Bildgeschehens als Geschichte an.

■ Penzel empfiehlt bildnerische Techniken, die, die Inhalte des Originals eher ABSTRAHIEREND wiedergibt (z.B. Scherenschnitt). Somit kann die inhaltliche Ebene von der ästhetischen (Darstellungsweise, Technik, Komposition, etc.) isoliert betrachtet werden.

■ Geeignet ist diese Art der Werkinterpretation v. a. bei Bildern, deren Aufbau relativ komplex und vielschichtig ist, in denen also z.B. mehrere Dinge gleichzeitig erzählt/verhandelt werden (z.B. Pieter Bruegel: ,,Der Sturz des lkarus”, Georges de la Tour: ,,Der Falschspieler mit dem Karoass”, Jan van Eyck: ,,Die Arnolfini-Hochzeit”)

Page 24: Ikonografie und ikonologie

ORIGINALE Der Falschspieler mit dem Karo Ass – G. de la Tour

Die Arnolfini Hochzeit – P. Brueghel

Page 25: Ikonografie und ikonologie

SCHATTENTHEATER/ STOP MOTION

In vereinfachter

Darstellungsweise werden

unterschiedliche Aspekte des

Originals aufgegriffen und (neu)

interpretiert.

Was im Bild gleichzeitig präsent

ist, wird in der Umsetzung als

Schattenspiel oder Stop Motion

Schritt für Schritt enthüllt.

Die Wissenskontexte werden

nicht SYNCHRON, sondern

DIACHRON dargeboten (wie in

einer Erzählung).

Siehe: Penzel 2017, S. 207/209

Page 26: Ikonografie und ikonologie

POLITISCHE IKONOGRAFIE ■ Analyse künstlerischer Inszenierungen von Herrschaft

■ Gemälde, Druckgrafik, öffentliche Denkmäler

■ Politische Geschichte wird mittels der Bilder (und Quellentexte) rekonstruiert

■ z. B. Heiratspolitik als Bestandteil feudaler Herrschaft anhand von Portraits nachvollziehen (die im Vorfeld von Hochzeiten oftmals zu den zukünftigen Partnern (bzw. an die Höfe von deren Familien) verschifft wurden

■ Evtl. fächerübergreifend mit Geschichte und politische Bildung

Page 27: Ikonografie und ikonologie

INTERPRETATION VON RÄUMEN

■ Auch mit historischen Gebäuden, z.B. Sakralbauten

wurden Inhalte vermittelt. Die einzelnen Bauelemente

haben dabei symbolische Funktionen: So können z.B. die

zwölf Säulen, die Haupt- und Seitenschiffe treffen, die

zwölf Apostel symbolisieren, ein Fenster im Chor das

göttliche Licht usw.

■ Mittels eines Modells, kann diese inhaltlich-symbolische

Ebene herausgearbeitet werden. Nicht Ähnlichkeit mit

dem Original, sondern eine Visualisierung der Bedeutung

der einzelnen Bauteile wird angestrebt, so wie sie einst

von den Gläubigen wahrgenommen wurden.

Penzel 2017, S. 212

Page 28: Ikonografie und ikonologie

FRAGEN:

■ Welche Rolle spielen Stil / bilderische Technik / Pinselduktus / Farbauftrag etc.?

■ Welche Rolle spielen Komposition / Dynamik / Bewegung / Raumtiefe etc.?

■ Welchen Stellenwert hat die Erarbeitung von Fachvokabular / Ausdrucksweise?

■ Welche Relevanz haben die christlichen/mythologischen Texte, auf die zur

Erschließung benötigt werden, für das aktuelle Leben der Schüler*innen?

■ Wodurch kann man den Nutzen der Kenntnis von Ikonografien und Motivtraditionen

etc. legitimieren?

Können / sollen die bei Penzel beschriebenen Methoden die klassische

(verbale) Bildanalyse ersetzen? Unter welchen Umständen (nicht)?