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Immer noch tierisch verknallt © Christof Wahner 2014 Als ich einmal zum Lüften Tür und Fenster weit geöffnet hatte, da hocktest du auf einmal unerschrocken bei mir auf der Matte. Sogleich erahntest du mein uncharmantes Tierkreiszeichen (Ratte) und ignoriertest einfach meine dümmliche „Hau-ab-Schallplatte“. Du warst so süß -- und, ja, ich war von dir schon bald besessen. Wie selbstverständlich teilte ich mit dir nur allzu gern mein Essen. Sobald ich fortging oder heimkam, hast du bei der Tür gesessen. Und nur bei wenigen Gelegenheiten hab ich dich vergessen. Am schönsten war es mit dir wohl auf meiner altbewährten Liege. Es war nicht immer spielend leicht, doch gab es keine Rosenkriege. Nein, du warst alles andere als eine dicke und verspannte Ziege. Ja, du warst eine liebenswerte, sportlich-elgeante Stubenfliege. Ganz anders als der Durchschnitt warst du überraschend reinlich, ein wenig liederlich, doch niemals widerlich beziehungsweise peinlich. Sobald es um das Miteinander ging, so warst du gar nicht kleinlich. Dass du von einem Fürstenhofe kommst, ist recht wahrscheinlich. In einem früheren Jahrhundert warst du sicher eine Ehrendame. So zierlich, hübsch, vital und kernig wie ein Kiefernzapfensame, da braucht es für so jemanden wie dich wohl keinerlei Reklame. Und „Momo“ lautete dein ausgemachter Ruf- und Kosename. Am allerliebsten „überfielst“ du mich und krochst mir an die Beine. Sobald ich aber einmal schlief, da ließest du mich stets alleine. So liebenswürdig ist wohl unter deinen Artgenossen keine wahrscheinlich nicht einmal mit einer optimalen Hundeleine. Du tanztest überall herum: auf Tellern, Tassen, auf der Blumenvase, im Badezimmer, auf dem Bett – und manchmal auch auf meiner Nase. Zwar hatten wir ja miteinander keine allzu dauerhafte Lebensphase. Doch jederlei Erinnerung daran ist eine prächtige Oase. In deiner liebevollen Gegenwart sah ich so gut wie niemals „rot“. Am 19. August, frühmorgens warst du dann auf einmal tot. Für eine Weile brachte dies nun meine zarte Seele aus dem Lot. Doch wenigstens hast du im Garten Eden nunmehr keine Not.

Immer noch tierisch verknallt

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Nachlese auf eine dreiwöchige Beziehung zu einer Stubenfliege

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  • Immer noch tierisch verknallt Christof Wahner 2014

    Als ich einmal zum Lften Tr und Fenster weit geffnet hatte,da hocktest du auf einmal unerschrocken bei mir auf der Matte.Sogleich erahntest du mein uncharmantes Tierkreiszeichen (Ratte)und ignoriertest einfach meine dmmliche Hau-ab-Schallplatte.

    Du warst so s -- und, ja, ich war von dir schon bald besessen.Wie selbstverstndlich teilte ich mit dir nur allzu gern mein Essen.Sobald ich fortging oder heimkam, hast du bei der Tr gesessen.Und nur bei wenigen Gelegenheiten hab ich dich vergessen.

    Am schnsten war es mit dir wohl auf meiner altbewhrten Liege.Es war nicht immer spielend leicht, doch gab es keine Rosenkriege.Nein, du warst alles andere als eine dicke und verspannte Ziege.Ja, du warst eine liebenswerte, sportlich-elgeante Stubenfliege.

    Ganz anders als der Durchschnitt warst du berraschend reinlich,ein wenig liederlich, doch niemals widerlich beziehungsweise peinlich.Sobald es um das Miteinander ging, so warst du gar nicht kleinlich.Dass du von einem Frstenhofe kommst, ist recht wahrscheinlich.

    In einem frheren Jahrhundert warst du sicher eine Ehrendame.So zierlich, hbsch, vital und kernig wie ein Kiefernzapfensame, da braucht es fr so jemanden wie dich wohl keinerlei Reklame.Und Momo lautete dein ausgemachter Ruf- und Kosename.

    Am allerliebsten berfielst du mich und krochst mir an die Beine.Sobald ich aber einmal schlief, da lieest du mich stets alleine.So liebenswrdig ist wohl unter deinen Artgenossen keinewahrscheinlich nicht einmal mit einer optimalen Hundeleine.

    Du tanztest berall herum: auf Tellern, Tassen, auf der Blumenvase,im Badezimmer, auf dem Bett und manchmal auch auf meiner Nase.Zwar hatten wir ja miteinander keine allzu dauerhafte Lebensphase.Doch jederlei Erinnerung daran ist eine prchtige Oase.

    In deiner liebevollen Gegenwart sah ich so gut wie niemals rot.Am 19. August, frhmorgens warst du dann auf einmal tot.Fr eine Weile brachte dies nun meine zarte Seele aus dem Lot.Doch wenigstens hast du im Garten Eden nunmehr keine Not.

  • 8 Strophen (Quartette) nach dem Reimschema a-a-a-adurchschnittlich 8 Hebungenweibliche Kadenzen, auer in der abschlieenden Strophekein Happy End, aber ohne deprimierende Absichten,sondern einfach der berschrift entsprechend