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1
Inhaltsverzeichnis
Danksagung ............................................................................ 3
Unsere Erwartungen und Gründe der Teilnahme ............. 4
Arbeitsbericht ....................................................................... 5
Einleitung ............................................................................... 7
Werner T. Schaurte – Das Leben einer „Schraubenikone“ ... 8
Firmengeschichte Bauer und Schaurte ............................... 10
Entnazifizierung – Was ist das? ......................................... 13
Skandale um Werner T. Schaurte ...................................... 15
Treffen mit NS-Größen ...................................................... 16
Mitgründer des SA-Werkssturm ........................................ 18
Beschäftigung von Zwangsarbeitern bei B&S ................... 19
Das Entnazifizierungsverfahren – der Hauptskandal ....... 21
Der Prozess ........................................................................ 22
Die Reaktionen .................................................................. 34
Unsere Reaktion ................................................................. 35
Unser Fazit ........................................................................... 37
Quellenverzeichnis ............................................................... 39
2
Ein Beitrag von
(von l. nach r.)
Carla Tiefenbacher
Julian Di Benedetto
Nils Schuppenhausen
Niklas Tauch
3
Danksagung
Ganz zu Anfang unserer Arbeit möchten wir uns bei allen Personen bedanken,
die sich freiwillig dazu entschieden haben, uns bei unserer Arbeit mit Rat und
Tat zur Seite zu stehen.
Als erstes zu nennen ist unser Tutor und tatkräftiger Unterstützer Herr Michael
Kahlki, der, obwohl er uns zu Anfang von dem Thema abriet, alles getan hat,
damit wir mit einem guten Gefühl unsere Arbeit fertig stellen konnten.
Wichtiger Ansprechpartner für uns war der Leiter des Neusser Stadtarchivs,
Herr Dr. Jens Metzdorf, mit dem wir intensive Diskussionen und produktive
Gespräche über dieses kritische Thema geführt haben.
Nicht zu vergessen ist unsere ehemalige Deutschlehrerin Frau Nicola Tönnissen,
die sich die Mühe gemacht hat, unsere Arbeit Korrektur zu lesen.
Außerdem möchten wir Herrn Dr. Max Tauch, dem Großvater von Niklas, für
seine Geduld danken und seine unermüdliche Begeisterung für unser Thema, da
er ein wahnsinnig großes Allgemeinwissen hat.
Besonderen Dank möchten wir Herrn Dr. Heinz-Günther Hüsch aussprechen,
der sich als Zeitzeuge dazu bereit erklärt hat, mit uns über dieses Thema ein
Interview zu führen. Durch ihn haben wir einen aufschlussreichen Einblick in
die Neusser Denkweise während der Nachkriegszeit erhalten.
Der Förderverein des Marie-Curie-Gymnasiums stiftet freundlicherweise die
ersten Exemplare unserer Arbeit. Auch dafür einen herzlichen Dank.
Als letztes möchten wir uns bei keiner Geringeren als unserer Schulleiterin Frau
Emmy Tressel dafür bedanken, dass sie uns durch diverse Schulbefreiungen
unter Anderem ermöglicht hat eine Exkursion in das Landesarchiv Düsseldorf
zu unternehmen, sodass wir neue und aufschlussreiche Quellen nutzen konnten.
Von unserer Seite nochmals einen herzlichen Dank.
Sollten wir jemanden bei unserer Danksagung vergessen haben, so tut es uns
leid und wir hoffen auf ihr Verständnis.
4
Erwartungen & Grund der Teilnahme
CARLA TIEFENBACHER:
Mein Grund der Teilnahme am Geschichtswettbewerb ist, ist der, dass ich es
schon immer toll fand, eine neue Herausforderung für mich zu finden.
Deswegen ist der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten genau das
Richtige für mich.
Zu gewinnen ist natürlich cool, aber auch ganz schön schwierig. Aber da ich
meine Erwartungen wie immer übertreffen will, sind meine Erwartungen in
erster Linie ein produktives Arbeiten, keine Probleme zu bekommen, viele neue
und gute Ideen zu bekommen und ein zufriedenstellendes Ergebnis.
JULIAN DI BENEDETTO:
So ein Thema ist doch immer toll: etwas Schwieriges, eine neue
Herausforderung und dabei lerne ich auch noch etwas! Das ist der Grund meiner
Teilnahme an dem Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten.
Ich hoffe auf ein tolles Ergebnis, das uns allen Spaß machen wird, und ein
Ergebnis, das sehr gut und zufriedenstellend ist.
NIKLAS TAUCH:
Mich reizt der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten in gewisser Weise,
da ich gerne etwas über meine Heimatstadt Neuss herausfinden will. Außerdem
finde ich es toll, etwas Neues auszuprobieren, und ich fände es toll, wenn ich
eine neue Herausforderung meistern kann.
Natürlich wünscht sich jeder am besten abzuschneiden. Für das bestmögliche
Ergebnis kämpfen meine Gruppe und ich deshalb für diesen Wunsch.
NILS SCHUPPENHAUSEN:
Ich persönlich nehme an dem Wettbewerb teil, da mich die Geschichte unserer
Stadt Neuss schon immer interessiert hat und dieser Wettbewerb uns eine
Chance gibt, genauer darüber zu forschen und sich zu informieren. Ich erwarte
und hoffe, die Geschichte sowie die Situation in der Firma Bauer und Schaurte
selbst kennen lernen.
5
Arbeitsbericht
Durch Herrn Kahlki, unseren Lateinlehrer, haben wir von dem Geschichts-
wettbewerb erfahren. In mehr als zwei Stunden erzählte er uns, wie interessant
und toll der Wettbewerb sei. Er meinte, es sei eine schwere Herausforderung
und dass es viel Arbeit und Zeit benötige. Außerdem erzählte er uns von
unserem jetzigen Thema. „Ein schwieriges Thema, aber ein tolles und ein
interessantes, welches jedoch nicht für Anfänger geeignet ist“, meinte Herr
Kahlki im September des Jahres 2010 zu unserer Lateinklasse. Also jetzt musste
nur noch unsere Gruppe zusammengestellt werden, denn dieses Thema wollte
sich niemand von den Teilnehmern aus unserer Schule entgehen lassen. Dann
war auch schon unsere Gruppe festgelegt, natürlich von uns Schülern selbst. Sie
bestand aus 4 Personen: Niklas, Julian, Nils und Carla. Nach kurzen
Abklärungen mit Herrn Kahlki bekamen wir dann auch das Thema.
Bei unserem ersten Treffen am 21.09.10 ging es zuerst um Abklärungen und
wichtige Informationen, die uns Herr Dr. Metzdorf, Leiter des Neusser
Stadtarchives, erzählte. Dies geschah im Neusser Stadtarchiv.
Das zweite Treffen war interessanter. Denn am 25.09.10 erklärte uns Herr
Kahlki bei sich zu Hause, was es alles zu erledigen galt, gab uns einen
vorläufigen Zeitplan und wir machten uns in den nächsten Wochen auch an die
Arbeit. Der erste Tag, an dem wir zusammen recherchierten, war am 28.09.10
mit dem Material des Stadtarchives, das man uns bereitgelegt hatte. An diesem
Tag haben wir nur an unserer Einleitung gearbeitet (also: Firmengeschichte;
Biografie).
Am 5. und am 6. Oktober recherchierten wir weiter über die Biografie Werner
T. Schaurtes und der Firmengeschichte. Jedoch waren wir nicht komplett, denn
unser Gruppenmitglied Nils war in der Zeit in der Neusser Stadtbibliothek, um
dort ebenfalls etwas herauszufinden. Das Problem jedoch war, dass es nur ein
Buch gab und uns dieses bereits im Stadtarchiv zur Verfügung gestellt worden
war. Es gab also außer im Neusser Stadtarchiv zunächst keine Möglichkeit, an
einem anderen Ort etwas zu finden. Also musste uns etwas einfallen.
Aufgrund der Herbstferien ging es dann erst am 26. Oktober 2010 weiter, an
dem wir dann auch unsere Einleitung beenden wollten. Es gelang uns, die
Biografie und die Firmengeschichte fertigzustellen. Wir dachten, dass damit die
Einleitung fertig wäre, aber dann, nach einem Gespräch mit Herrn Dr. Metzdorf,
stellte sich uns die Frage: Was ist eine Entnazifizierung? Also noch einmal rein
ins Internet und eine Definition aufschreiben.
Am 9.11.10 wollten wir die Einleitung endgültig abschließen, dies gelang uns
auch. Also besprachen wir, wie es weiter gehen sollte. Was sollte denn in
unseren Hauptteil hineinkommen, was war der Skandal? Nach einer längeren
Absprache mit Herrn Kahlki am 13.11.10 war uns klar, was wir machen müssen.
Er meinte, dass wir uns die Entnazifizierungsakte einmal anschauen sollten.
6
Also beschlossen wir, dass Niklas und Nils zum Landesarchiv nach Düsseldorf
mussten. Auch war ein Termin ausgemacht. Am 1.12.10 bekamen Nils und
Niklas unterrichtsfrei und gingen dafür nach Düsseldorf, wo sie die
Entnazifizierungsakte durcharbeiteten.
Eine Woche später, am 08.12.10, wurden die Ergebnisse unserer
Landesarchivarbeit schriftlich festgehalten.
Am 11. und am 12.12.10 arbeiteten wir weiter an dem Hauptteil, an den Titeln,
am Thema Treffen mit Adolf Hitler und Hermann Göring und Zwangsarbeitern.
Wir haben uns an dem Tag bei Julian getroffen und uns ebenfalls im Internet
umgeschaut.
Am 13.01.11 fuhren Niklas und Nils erneut zum Landesarchiv nach Düsseldorf,
um dort vorher bestellte Kopien der Akte abzuholen. Außerdem wurde es
langsam Zeit, Zeitzeugen zu suchen und zu kontaktieren. Das Suchen war nicht
schwer, eher bestand das Problem darin, dass sie sich einfach nicht mehr
meldeten und sich auch nicht zu irgendeinem Skandal äußern wollten. An dieser
Stelle wollen wir keine Namen nennen, jedoch muss man sagen, dass es
merkwürdig ist, dass auf die Frage eines Skandals am Telefon nur die Antwort
„Hä, was für ein Skandal?“ kam. So standen uns nur Herr Hüsch und Frau
Panzer zur Verfügung.
Mit diesen war auch schnell ein Termin vereinbart, wobei man jedoch sagen
muss, dass Frau Panzer ziemlich diplomatisch war. Jedoch haben wir bei beiden
Zeitzeugen etwas herausgefunden.
Auch konnte Niklas am 30.01.11 viele Informationen von Frau Panzer erfahren.
Denn diese war eine gute Freundin Christian Schaurtes, des Sohns von Werner
T. Schaurte.
Am 01.01.11 interviewten wir Herrn Hüsch, der sich als sehr hilfreich erwies.
Wir brauchten ihm nur vier Fragen zu stellen und er erzählte uns am laufenden
Band alles, was er wusste, wofür wir ihm sehr dankbar sind, dabei schweifte er
nicht vom Thema ab.
Nun hatten wir nur zwei Zeitzeugen; uns fehlte noch etwas und das Ende rückte
immer näher. Erstmals trugen wir die ganzen neuen Informationen, die wir
durch die Auswertung der Interviews am 09.02.11 bekommen hatten, in unsere
bereits geschriebenen Texte ein. Am 10.02 trugen wir alles zusammen und
bemerkten, wie viel uns noch fehlte. Denn der Hauptteil bestand bis dahin nur
aus wenigen Elementen. Also brauchten wir ein klares Konzept und eine genaue
Aufteilung. Dies brachte uns einen entscheidenen Schritt voran, denn nur 3 Tage
später waren fast alle Texte fertig. Als wir uns dann am 16.02.11 bei Hernn
Kahlki zur Generalbesprechung trafen, fehlten uns noch folgendes: Titelblatt,
Danksagung, Inhaltsverzeichnis, Quellenverzeichnis, Arbeitsbericht,
Erfahrungsberichte und die Reaktionen auf das Entnazifizierungsverfahren.
Diese Masse an fehlenden Dokumenten überzeugte Herrn Kahlki uns am
17.02.11 ab der vierten Stunde an vom Unterricht zu befreien, damit wir unsere
Arbeit auch noch rechtzeitig fertig bekommen würden.
7
Einleitung:
a) Werner T. Schaurte – Das Leben einer „Schraubenikone“
b) Die Firmengeschichte von Bauer & Schaurte (B&S)
c) Entnazifizierung – was ist das?
8
Werner T. Schaurte – Das Leben einer „Schraubenikone“
Er zählte zu den herausragendsten Industriellen des Dritten Reiches, das von
ihm geführte Unternehmen in Neuss galt als NS-Musterbetrieb: Werner Theodor
Schaurte, allgemein Werner T. Schaurte genannt. Am 22. Mai 1893 wurde er in
Düsseldorf als Sohn von Christian Schaurte und dessen Ehefrau geboren. Sein
Vater war der Begründer der Schraubenfabrik Bauer und Schaurte, die der Sohn
später übernahm. Auch hatte er eine jüdische Herkunft, die später noch zu
Konflikten mit den Nazis hätten führen können.
Seine Kindheit verbrachte Werner T. Schaurte auf der Lauvenburg bei Kaarst,
einem bereits im 15. Jahrhundert erwähnten Landsitz, an dessen Stelle gegen
Ende des 19. Jahrhunderts Christian Schaurte das in historisierenden Stilformen
gehaltene und heute noch bestehende „Gut Lauvenburg“ errichten ließ. 1911
begann Werner T. Schaurte sein Ingenieurstudium an dem renommierten
„Massachusetts Institute of Technology“ in Boston und Cambridge (USA), das
er 1914 abschloss. Zu Beginn des ersten Weltkriegs meldete er sich als
Freiwilliger. Am 17. Januar 1917 übernahm er im Alter von 24 Jahren die Firma
des gerade verstorbenen Vaters, die Schraubenfabrik Bauer und Schaurte die auf
der Further Straße in Neuss1
lag. Das Unternehmen – offiziell „Rheinische
Schrauben- und Mutternfabrik AG, Bauer und Schaurte“ – war am 1. Juli 1876
von Christian Schaurte gemeinsam mit dem aus Köln stammenden Georg Bauer
gegründet worden.
Am 28. November 1917 heiratete Werner T. Schaurte die gleichaltrige
Charlotte Luise Staudt. 1919 zog das Ehepaar zur Lauvenburg, wo beide ein
Gestüt gründeten.
Werner T. Schaurte zählte 1919 zu den Mitbegründern des
Arbeitgeberverbandes und war lange Zeit Mitglied der Volksversammlung der
Industrie- und Handelskammer (IHK). 1933 wurde ihm von der Technischen
Universität Darmstadt in Anbetracht seiner „Hervorragenden Leistungen auf
dem Gebiete der Herstellung und Verbesserung der Schrauben“2 die Würde
eines Dr. Ing. h. c. zuteil. Im gleichen Jahr wurde er Neusser Schützenkönig3.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges befand sich Werner T. Schaurte auf der
Jagd in Kanada, was zu seiner Internierung führte. 1942 konnte er im Rahmen
eines Austauschs nach Neuss zurückkehren. Die Firma war zwischenzeitlich von
einem kommissarischen Betriebsleiter geführt worden. Aufgestiegen zum
Vizepräsident der NS-Wirtschaftskammer, betätigte er sich nunmehr auch in
NS-Rüstungsausschüssen. Von den Alliierten wurde er daher am Kriegsende der
Firmenleitung enthoben und zunächst als nicht entnazifiziert eingestuft.
Ein Jahr nach der Währungsreform gründete Werner T. Schaurte 1949 den
deutschen Reiter- und Fahrer Verband, der ihn zum Ehrenpräsidenten ernannte.
9
Die Firma, die sich zusehends erholte, übertrug er seinen Sohn Christian
Schaurte. Am 25. Juni 1978 starb Werner T. Schaurte, der sich zuletzt noch
durch wissenschaftliche Forschungen über das afrikanische Nashorn weltweit
einen Namen gemacht hatte, im Alter von 85 Jahren.
_________________ 1 Düsseldorfer Nachrichten/Ausgabe Neuss, 22.5.1973
2 Neuß-Grevenbroicher Zeitung, 17.1.1967
3 Düsseldorfer Nachrichten/Ausgabe Neuss, 22.5.1973
Literatur:
Manfred Müller, Neuss unterm Hakenkreuz
Zeitungsartikel des Neusser Stadtarchives
10
Firmengeschichte Bauer und Schaurte
Das Unternehmen Bauer und Schaurte offiziell Rheinische Schrauben und
Mutternfabrik Bauer und Schaurte wurde am 1. Juli 1876 von dem aus dem
Sauerland stammenden Christian Schaurte und dem Kölner Georg Bauer
gegründet. Kurze Zeit später wurde das Werk in Neuss errichtet. Die Fabrik
sollte Schrauben sowohl für private Zwecke wie auch für Industriebedarf
herstellen. Ausschlaggebend für den Standort einer Furtherstraße durfte die
unmittelbare Nachbarschaft zum Bahnhof wie auch zum Neusser Hafen
gewesen sein.
Bauer und Schaurte um 1948
Die Schraubenproduktion in Neuss begann mit ca. 20 Arbeitskräften. Von Jahr
zu Jahr stieg die Zahl der Beschäftigten kontinuierlich an. „1885 hatte sie das
Zehnfache, 1995 das Zwanzigfache und 1905 das Dreißigfache erreicht“1. 1906
starb Mitgründer Georg Bauer, Christian Schaurte übernahm die alleinige
Leitung. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges blieb nicht ohne wirtschaftlich
negativen Folgen für das Unternehmen. 1906 war die Zahl der Mitarbeiter auf
297 gesunken. 1916 verstarb Christian Schaurte. Zuvor hatte er das
Unternehmen seinem Sohn Dr. Werner T. Schaurte übertragen. Nach dem
11
Kriegsende erlebte die Firma ab 1990 erneut einen Aufschwung. Die Zahl der
Beschäftigten stieg schnell wieder an, 1929 erreichte sie mit 1800 Beschäftigten
ihren vorläufigen Höhepunkt. „Das Unternehmen zählte zu dieser Zeit zu den
größten Industriebetrieben Deutschlands“2 und war in der Normierung von
Schrauben deutschlandweit führend.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten erhöhte sich, bedingt durch den
Bedarf für Rüstungszwecke, erneut die Produktion von Schrauben. Die
Neuentwicklung der VERBUS- und INBUS-Schrauben brachte der Firma 1936
in Paris die Anerkennung mit dem Grand Prix. 1937 konnte die erste
Produktionsstraße für Schrauben in Betrieb genommen werden. 1938 begann die
serienmäßige Fertigung von Schrauben für PKW-Motoren. Bereits früher
vorhandene Auslandskontakte brachten den Auftrag für die Fertigung von 24%
aller Schrauben für die britische Flugzeugindustrie.
Der 1939 – im Jahr des Kriegsausbruchs- erzielte Umsatz von einer Million
Reichsmark steigerte sich 1940 auf 32 Millionen Reichsmark. Doch sehr bald
zeigten sich die Folgen des Krieges: 122 Bomben der Alliierten fielen auf das
Werk und brachten die Produktion zum Erliegen. Bei Kriegsende waren 65%
der Werksanlagen zerstört, am 14. Mai 1946 betrug die Zahl der Beschäftigten
lediglich 35. Werner T. Schaurte – zeitweise in Kanada interniert- wurde die
Betriebsleitung entzogen3.
Bedingt durch den starken Bedarf des Wiederaufbaus stieg die Anzahl der
Beschäftigten im Laufe des Jahres 1947 wieder an, zumal die Besatzungsmacht
eine neue Produktionsgenehmigung erteilt hatte. 1949 trat Christian Schaurte in
die Firmenleitung ein. 1952 gelang die Errichtung eines Zweigwerkes
südwestlich von Johannesburg. Die stetige Aufwärtsentwicklung führte in den
1980er Jahren erneut zu einer Beschäftigtenanzahl von rund 1300 Mitarbeitern.
Am 1. Januar 1980 fusionierte das Unternehmen mit den Karcher
Schraubenwerken in Beckingen und wurde zur „Bauer und Schaurte Karcher
GmbH“. 13 Jahre später, im Juli 1993, musste die GmbH Konkurs anmelden,
das Verfahren wurde im Oktober 1993 eröffnet. Valois Industries S.A. aus Paris
kauften das Unternehmen auf. Doch der Erfolg blieb aus. Am 1. April 1996
kaufte der amerikanische Konzern Textron Inc. die Vorgängergesellschaft. Am
12
29. Januar 2007 wurde Textron Inc. in Acument GmbH & Co. OHG umbenannt.
Die Firma, die nach wie vor die Schraubenproduktion betrieb, galt als der
bedeutendste und größte Hersteller von Automobilindustrie und musste im
August 2009 das Insolvenzverfahren für die Standorte in Deutschland und damit
auch in Neuss beantragen.
So sieht das Werk heute aus: von Acument Global übernommen
__________________ 1 Jens Metzdorf und Michael Schmitt: (Hrsg.): Die Furth entdecken. Neuss 2010, S.14.
2 Helene Panzer im Zeitzeugeninterview
3 Dr. Hüsch im Zeitzeugeninterview
Literatur:
Magazin „Dunkelziffer“ Nr.5, 1988.
Stadtarchiv Neuss Jens Metzdorf und Michael Schmitt: (Hrsg.): Die Furth entdecken
13
Entnazifizierung – Was ist das?
Entnazifizierung ist ein Oberbegriff für die ,,Säuberung" Deutschlands von
Spuren des Nationalsozialismus nach dem zweiten Weltkrieg, ausgehend von
den drei Siegermächten England, USA und der Sowjetunion. Die Siegermächte
hatten sich vorgenommen, alle Reste des Nationalsozialismus, z.B.
Straßennamen, Fahnen und Schilder, aus der Öffentlichkeit zu entfernen. Alle
NS-Gesetze wurden aufgehoben und die NSDAP und sämtliche Unter- und
Hilfsorganisationen verboten. Außerdem ging man im
Entnazifizierungsverfahren massiv gegen NS-Verbrecher vor.1
Jede Besatzungszone hatte eine andere Vorgehensweise im Bezug auf die
Entnazifizierungsverfahren.
In der US-Zone folgte man erst rigoros dem auf der Potsdamer Konferenz
beschlossenen
Schema:
Es gab fünf Kategorien:
1. Hauptschuldige( Kriegsverbrecher)
2. Belastete(Aktivisten)
3. Minderbelastete
4. Mitläufer
5. Entlastete
Die in öffentlichen Prozessen verhängten Strafen reichten von Geldbußen und
Wahlrechtsbeschränkung über Vermögensentzug und Amtsenthebung bis hin zu
Gefängnishaft, Internierung in Arbeitslagern( in einzelnen Fällen bis zu zehn
Jahre) und der Todesstrafe. Zur Durchführung der Prozesse wurden sog.
,,8 Befreiungsministerien" und ,,Spruchkammern“ gegründet. 2 Über die
Notwendigkeit, einen Prozess zu beginnen, wurde mithilfe von Fragebögen
entschieden. Jeder Bürger musste einen dieser Fragebogen ausfüllen, auf dem
unter anderem nach der Zugehörigkeit zur NSDAP, der Bekleidung eines Amtes
und der Tätigkeit in NS- Hilfsorganisationen gefragt wurde.3
Fragebogenfälschung wurde strengstens bestraft; die Amerikaner waren im
Besitz der NSDAP-Mitgliederkartei und konnten somit die Richtigkeit der
Aussage zumindest stellenweise überprüfen.
In der Sowjetischen Zone wurde die Entnazifizierung mit dem Umbau des
Systems in einen
Sozialstaat kombiniert: Über 500 000 Menschen wurden ihre Positionen
enthoben und durch Kommunisten ersetzt. Bekannte NS-Verbrecher bestrafte
die sowjetische Geheimpolizei mit Freiheitsentzug und Speziallagerhaft.
14
Die englischen und französischen Besatzer folgten den aufgestellten Regeln der
Entnazifizierung nicht so streng. Da die französische Besatzungszone offiziell
zu der amerikanischen gehörte, gab es auch hier das rigorose System, allerdings
wurde mit weit weniger Elan gearbeitet. Sowohl englische als auch französische
Besatzer gaben dem Aufbau von Wirtschaft und Verwaltung Vorrang vor der
politischen Kontrolle.
Die Ausführung des Entnazifizierungsverfahrens im Allgemeinen brachte einige
Probleme mit sich:
1. Die Einstufung in fünf Kategorien führte dazu, dass die Gruppe der zur
verurteilenden viel zu groß, die Gruppe der verfügbaren Juristen im Vergleich
dazu aber zu gering bemessen war.
2. Denunziationen und Verleumdungen häuften sich. Aufgrund dieser Tatsache
musste vor jeder Verurteilung sehr genau nachgeforscht werden. Das führte zu
mehr Arbeit für die ohnehin schon überarbeiteten Juristen.
3. Sogenannte ,,Persil-Scheine" erschwerten die Verurteilung. Diese ,,Persil-
Scheine" waren Zeugenaussagen oder eidesstattliche Erklärungen, in denen
Angehörige oder Bekannte des Angeklagten bestätigten, dass der Beschuldigte
keineswegs Verbindung zum Nationalsozialismus hatte. Diese Aussagen
ermöglichten es, einem Urteil zu entgehen, sich also gewissermaßen
,,reinzuwaschen".
4. Für den Wiederaufbau benötigte man Personen in Führungspositionen.
Besonders Engländer und Franzosen griffen also ungern auf die Maßnahme der
Amtsenthebung zurück.
Im Zuge des Kalten Krieges wurden am 3l.März 1948 alle
Entnazifizierungsverfahren eingestellt, viele Prozesse gegen Schwerbelastete
waren allerdings noch nicht abgeschlossen und damit viele Schuldige noch nicht
verurteilt.
Insgesamt lehnte die Bevölkerung Entnazifizierungsverfahren ab und empfand
sie als zusätzliche Belastung in Anbetracht des mit reichlich Mühen beladenen
Wiederaufbaus.
Auch bei den neu gegründeten Parteien war das Entnazifizierungsverfahren sehr
unbeliebt, denn selbst in ihren Reihen gab es einige, die auf eine NS-
Vergangenheit zurückblickten. Im Endeffekt bekamen die Siegermächte also
keine nennenswerte Hilfe und Unterstützung von Seiten der Bevölkerung.
_________________ 1 http://www.hdg. de/lemo/ht
2 http://www.lsg.musin.de/geschichte/geschichte/lkgA/erfassunS:n/entnazif izierung.htm
3 http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/sub image.cfm?image id=1012&language=german
4
http ://www.wikipedia.org/wiki/Entnazifizierungsverfahren
15
Skandale um Werner T. Schaurte a) Treffen mit NS-Größen
b) Mitgründer des SA-Werkssturms bei B&S
c) Beschäftigung von Zwangsarbeitern bei B&S
16
Treffen mit NS-Größen
Adolf Hitler Redet mit Werner T. Schaurte auf einer Automobilmesse
Adolf Hitler und Hermann Göring: zwei bedeutsame Namen des
Nationalsozialismus. Während der Herrschaft Hitlers (1933 bis 1945) war
Werner T. Schaurte auf einer Automobilmesse zusammen mit diesem
fotografiert worden. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurde über
dieses Foto diskutiert. Die Sache verlief im Sande. Hitler hatte sich angeblich
nicht für Schaurte interessiert und dieser nicht für Hitler. Man war der
Auffassung, dass es einzig und allein um die Produktion der kriegswichtigen
Schrauben gegangen war. Ein Skandal?
17
Werner T. Schaurte mit Hermann Göring
Wohl intensiver war die Beziehung Schaurtes zu Hermann Göring. Nicht zuletzt
durch seinen politischen Aufstieg, aber auch durch Heirat vermögend geworden,
leistete Göring sich eine Yacht. „Auf diese lud er Freunde, Verwandte und
Bekannte ein. Werner T. Schaurte zählte zu diesem Kreis“1. Im
Entnazifizierungsverfahren Schaurtes spielte dies keine Rolle. Ebenfalls ein
Skandal?
Wir sind der Meinung: Zumindest hätte darüber nach dem Kriege im
Entnazifizierungsverfahren gesprochen werden müssen. Aus unserer Sicht war
die Unterschlagung der engen Beziehungen Schaurtes zu Größeren des Dritten
Reiches fragwürdig, ja, wir sind der Auffassung: skandalös! Man wusste davon,
hat aber geschwiegen! Die Schrauben waren wichtiger!
_________________ 1 Frau Hella Panzer im Zeitzeugeninterview erzählte uns von Hermann Göring und
Schaurtes Beziehung zu ihm
Literatur:
Magazin Dunkelziffer 5/88 im Neusser Stadtarchiv
18
Mitgründer des SA-Werkssturm in B&S
Die SA war die sogenannte „Sturm-Abteilung“ den Nationalsozialisten. Ihre
Vorläufer war die „Ordnertruppe“, die die Versammlungen der Partei vor 1933
gegen Gegner verteidigte und die die nationalsozialistischen Ideen nach außen
zu vertreten hatte. Am 4. November hatte sie ihren ersten großen Auftritt: 46
nationalsozialistische Ordner schlugen bei einer Massenversammlung im
Münchener Hofbräuhaus etwa 1000 Teilnehmer einer kommunistischen
Kundgebung zum Saal hinaus. Ab dann nannte Hitler seine Ordner „zur
dauernden Erinnerung“1 Sturmabteilung.
Am 28. Januar 1923 übergab Adolf Hitler anlässlich des ersten Reichparteitages
im München der SA die ersten vier von ihm selbst entworfenen Standarten. Sehr
bald darauf bildete sich auch in dem Unternehmen Bauer und Schaurte ein SA-
Sturm, auch „Werkssturm“ genannt, mit eigener Fahne.
Als Dienstanzug zog man das „Braunhemd“. Der Gruß bestand aus dem
erhobenen, gestreckten Arm. Erster oberster SA-Führer war der Leiter des
Gaues Ruhr, Franz von Pfeffer. In den späten 1920er und früheren 1930er
Jahren bildete die SA den Saalschutz bei Veranstaltungen der Partei oder trat
demonstrativ in der Öffentlichkeit auf. Es gab auch eigene SA-Musikkapellen.
Bekannt wurde der Berliner Sturmführer Horst Wessel, denn das Lied „Die
Fahne hoch“, das im Dritten Reich im Anschluss an das Deutschlandlied
gespielt und gesungen wurde.
Am 2. September 1930 übernahm Hitler selbst die Führung der SA. In der
Weimarer Republik wurde die SA am 13. April 1932 im gesamten Reichsgebiet
verboten. Das Verbot wurde im Juni 1932 aufgehoben. Den Höhepunkt fand die
Bewegung der SA am 30. Januar beim Marsch durch das Brandenburger Tor in
Berlin.
Nach dem Sommer 1933, als SS-Einheiten die SA-Führungsspitze ermordet
hatten, verlor sie in der weiteren Zeit des Nationalsozialismus sehr stark an
Bedeutung.
_________________ 1 Meyers Lexikon, 8.Auflage Leipzig 1942, Seite 763
Litearatur:
Uwe Neirich Neuss im 3. Reich, 2. Auflage
19
Beschäftigung der Zwangsarbeiter in B&S
Deutschlandweit wurden Zwangsarbeitern in Firmen eingesetzt. Diese waren
Kriegsgefangene und Kommunisten (eher wenige).
Auch in Neuss griffen mehrere Firmen auf die Möglichkeit der Beschäftigung
billiger Arbeitskräfte, so genannte Zwangsarbeiter, zurück. Die deutschen
Arbeiter standen zunächst den ausländischen Arbeitern eher skeptisch
gegenüber, sahen sie doch in ihnen eine Gefährdung ihrer eigenen
Unabkömmlichkeit. Später kam es jedoch zu persönlichen Kontakten mit
Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen am Arbeitsplatz. Durch die „Verordnung
zum Schutz der deutschen Wehrkraft“ vom November 1939 wurde dies streng
verboten.
Auch in dem Neusser Unternehmen Bauer und Schaurte arbeiteten bis 1945
ausländische Zwangsarbeiter. Sie stammten aus über zehn Nationen. In der
Mehrzahl waren es polnische, ukrainische, russische und französische
Kriegsgefangene. Sie waren in drei Lagern untergebracht, die sich auf der
Futterstraße 24 bis 26, der Marienstraße 79 und dem Weißenberger Weg 4
befanden.
Kennzeichnend für die Haltung des Firmeninhabers gegenüber den
nationalsozialistischen Machthabern ist die Tatsache, dass Werner T. Schaurte
bereits am 1. Mai 1933 seinen betrieblichen SA-Sturm persönlich zur
Maikundgebung auf dem Neusser Marktplatz mitführte. Hinter der
Hakenkreuzfahne marschierten damals 115 von insgesamt 800 Mitarbeitern, die
den Weg in den SA-Sturm gefunden hatten. Eine von ihnen gehaltene
Ansprache schloss Schaurte mit den Worten: „man wolle gläubig an die neuen
Aufgaben herangehen und im alten Bauer und Schaurte-Geist am
Wiederaufstieg der Nation mitwirken.“1
Trotz des Ansehens als NS-Musterbetrieb kam es jedoch auch bei Bauer und
Schaurte zu Kontakten zwischen dem Stammpersonal und den Zwangsarbeitern
bzw. zwischen den „Fremdmitarbeitern“. Im Mai 1941 musste die Neusser
Kriminalpolizei in der Firma ermitteln. „Vieler Fabrikarbeiterinnen waren
angezeigt worden, sich mit französischen Kriegsgefangenen eingelassen zu
haben.“2
In Neuss wurde die Tatsache, dass Zwangsarbeiter bei Bauer und
Schaurte beschäftigt waren, nicht als Skandal angesehen, schließlich war man
abhängig von dieser Firma in ihrer Rolle als zweitgrößter Arbeitgeber in Neuss.
Die Aussage eines Zeitzeugen, Herr H.G. Hüsch, beschreibt die Einstellung des
Neusser Bürgertums zu Werner T. Schaurte: „ Schaurte war ein genialer Mann!“
Er traf auf breite Unterstützung von Seiten der Bevölkerung und niemand
konnte bzw. wollte etwas ändern.
20
_________________ 1 Peter Diesler (Hrsg.) „Dunkelziffer“, Magazin 5/88. Stadtarchiv Neuss
2 Manfred Müller, Neuss unterm Hakenkreuz, Essen 1988, S. 159
Literatur:
Manfred Müller, Neuss unterm Hakenkreuz, Essen 1988
Peter Diesler (Hrsg.) „Dunkelziffer“, Magazin 5/88. Stadtarchiv Neuss
21
Das
Entnazifizierungsverfahren
-
Der Hauptskandal
a. Der Prozess
b. Die Reaktionen
c. Unsere Reaktion
22
Entnazifizierungsprozess - Dr. Werner T. Schaurte-
Der Entnazifizierungsprozess ging über viele Phasen, bis er beendet wurde.
Diese Phasen sind hier aufgezählt und vorher veranschaulicht, um sich dies
besser vorstellen zu können:
Der 1. Punkt ist das, worum es in dem Verfahren überhaupt geht: War man
deutscher Nationalsozialist, wenn ja, wie schlimm war es.
Der 2. Punkt ist der Anfang des Verfahrens: Anwaltsschreiben, Ladungen und in
diesem Fall eine Stellungnahme des britischen Werksentnazifizierungskomitee.
Der 3. Punkt ist der Hauptteil des Prozesses: Der Fragebogen und dessen
Entscheidung (nächster Punkt).
Der 4. Punkt ist das Schreiben des endgültigen Ergebnisses (der Einstufung).
Und in dem 5. Punkt sind die Reaktionen aufgeschrieben (gehört nicht zum
eigentlichen Entnazifizierungsprozess).
23
Anfang des Prozesses
4.März 1947: Zwei Fragen, die vor dem Fragebogen geklärt werden mussten
1: Darf Rechtsanwalt Dr. Vossen als Vertreter von Herrn Schaurte auftreten,
weil er sich hierdurch im Gegensatz stellt zu einem früheren Beschluss.
Stellungnahme: Der anwesende Herr Dr. Vossen hat erklärt, dass er in der
Sache Schaurte nicht mehr öffentlich in Neuss auftreten wird, soweit der
Hauptausschuss Neuss in Frage kommt, bei dem die Sache augenblicklich
schwebt.
2: Ob das Komitee Kreuels für die Abfassung des Vorschlages gewesen ist und
ob mehr als zwei Herren bei der Abfassung des Beschlusses mitgewirkt haben.
Stellungnahme: Der Fall Schaurte wird an das Komitee Güde gegeben mit der
Bitte, um Prüfung und eingehende Stellungnahme des Fragebogens. Ebenfalls
ist hier zu prüfen, ob das Komitee zuständig ist, nachdem für die Fa. Bauer und
Schaurte das Permit erteilt worden ist. Als großes Industrieunternehmen kommt
wahrscheinlich als zuständiges Komitee eher ein Werkkomitee in Frage.
11. April 1947: Werkentnazifizierungskomitee ~siehe nächste Seite~
22.April 1947:Eine Firma interessierte sich für B&S und versuchte, ein Mitglied
des Entnazifizierungshauptausschusses mit 50.000 RM zu bestechen, um gegen
Herrn Schaurte zu stimmen, Schaurte habe dem Mitglied des Ausschusses
jedoch schon 200.000RM geboten, um für ihn zu stimmen. Da das Komitee-
Mitglied aber gegen Herrn Schaurte war, reichten ihm 100.000RM um gegen
Herrn Schaurte zu stimmen. Das Komitee-Mitglied meldete diesen Vorfall dann
doch bei der Behörde.
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Der Hauptteil des Prozesses: Der Fragebogen
11. April.1947 wird Herr Schaurte eingeladen zur Durchführung des
Fragebogens. Dieses Gespräch fand in dem damaligen Gebäude der
Stadtsparkasse statt.
O: Oberregierungsrat Schulte-Wintrop Sch: Dr. h. c. Werner Theodor
Schaurte
In Sachen Schaurte erschien Herr Dr. Werner T. Schaurte und wurde in eigener
Sache gehört. Der Oberregierungsrat Schulte-Wintrop, Dr. F. Dessauer, Paul
Lutter, Siegmar Bloch und Adam Bongartz befragten ihn:
O: Wann sind die zum Stahlhelm gekommen?
Sch: Irgendwann 1932 durch rein wirtschaftliche Hintergründe wegen der
Massenarbeitslosigkeit. Mit Herrn Hahn bildete Werner T. Schaurte einen Kreis
von Männern, die einen Weg suchten, über die Arbeitslosigkeit hinweg zu
kommen. Schließlich kam man überein, dass wohl der richtigste Weg wäre, zu
versuchen, über den Stahlhelm die Sache der Regierung nahe zu bringen. Auf
diese Weise kam ich mit Seldte zusammen. Es ging nicht anders, als dass ich,
wenn ich von Seldte etwas bekommen wollte, zumindest Mitglied des
Stahlhelms werden musste. Für die Politik habe ich mich überhaupt nie
interessiert.
O: Wie standen sie denn damals zum Nationalsozialismus?
Sch: Durch meinen Verkehr mit Hahn stand ich zum NS in einer sehr konträren
Stellung, die innerlich verstärkt wurde durch meinen persönlichen Eindruck, den
ich von Hitler im Januar 1932 bekam.
O: Nun ist der Stahlhelm ja später zum NS gekommen. Haben sie hieraus
irgendwelche Konsequenzen dem Stahlhelm gegenüber gezogen?
Sch: Ich war ja nicht aktiver Stahlhelmer. Diese Angelegenheit hat mich damals
überhaupt nicht berührt. Ich bin lediglich zu Sitzungen in Kaarst gegangen, weil
ich ja im Herbst 1933 zum Führer des Werksturmes abgesetzt worden bin.
O: Fühlen sie sich denn gar nicht als Mitglied des Stahlhelms
Sch: Es ist möglich, dass ich angemeldet war, möglicherweise hat man mich
jedoch mit hineingezogen.
O:Nun waren ja damals die großen Bestrebungen in der Industrie. Welche
Fühlung haben sie denn dadurch zum NS bekommen?
Sch: Gar keine.
O: Wie war es mit dem Industrieclub?
Sch: Am 22. Januar 1932 sprach Adolf Hitler dort zum ersten Mal. Dadurch
wurde meine innerliche Stellung zum NS verstärkt.
O:Was veranlasste sie, nach dem Abendessen sofort fortzugehen?
Sch: Ich hatte eine Sitzung in Elberfeld.
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O: Wenn sie interessiert gewesen wären, wären sie dann wohl geblieben?
Sch: Ich hatte jemanden kennengelernt und hatte genug.
O: Als die Partei ans Ruder kam, haben sie den Werksturm gegründet. Warum?
Sch: Warum, weil ich immer der Herr in meinem Betriebe gewesen war und es
auch bleiben wollte.
O: Nach welchen Gesichtspunkten wurden die Mitglieder ausgesucht?
Sch: Sie meldeten sich freiwillig. Wenn die einigermaßen Richtung halten und
bis vier zählen konnten, dann freute ich mich, wenn sie mitmachten.
O: Fühlten sie sich denn damals schon irgendwie durch den jüdischen Einschlag
ihrer Familie behindert?
Sch: In den ersten Monaten nein. Die Schwierigkeiten begannen eigentlich erst
im Juli 1933: Da kamen die ersten Gerüchte, man will sie aus dem Betrieb
heraus haben etc. Deshalb habe ich mich damals dazu entschlossen, am
Schützenfest teilzunehmen. Ehe ich aus dem Sturm herausgeschmissen wurde,
an der Spitze des Zuges durch die Stadt marschierte.
O: Wer hat sie abgesägt?
Sch: Die Partei. Damals kam ein Mann vom Parteigericht zu mir.
O: Wussten sie etwas von der Unterstützung der Werkstürmer durch die
Industrie?
Sch: Das war mir meiner Zeit nicht bekannt. Ich wusste auch nicht, dass die SA
unterstützt wurde.
O:Welchen Einfluss hatte in ihrem Betrieb damals die NSBO?
Sch: Die NSBO versuchte, den ganzen Betrieb nach ihrer Idee aufzuziehen. Das
glaubte ich dadurch verhindern zu können, dass ich nun selber die Dinge in die
Hand nahm.
O: Welche Uniform haben sie getragen?
Sch: Das war die gleiche wie die SA-Uniform, jedoch von mir aus getragen als
Führer des Werksturms. Erst im Jahre 1935 wurden die Werkstürme aufgelöst
und die SA übernommen.
O: Wie oft und bei welchen Gelegenheiten haben sie die Uniform getragen?
Sch: 60-70 Mal nach meiner Schätzung.
O: Wie oft trat der Werksturm zusammen?
Sch: Ein bis zwei Mal pro Woche. Am Nachmittag trat er zusammen, wobei ich
die Uniform trug. Ebenfalls habe ich sie getragen, und zwar auf Wunsch des
damaligen OB, als der Schützenkönig geschossen wurde.
O: Wann sind sie sind Dr.h.c. geworden?
Sch: Im Juni oder Juli 1933.
O: Wer hat das veranlasst?
Sch: Auf der Urkunde steht: „ Aufgrund ihrer hervorragenden Leistungen auf
dem technischen Gebiet der Erzeugung von Schrauben und Muttern,
insbesondere der Erzeugung von Gewinden, etc., werden sie …“
O: Sie waren ja nun von 1935 ab in gewissem Maße verfolgt, stimmt das?
Sch: Bereits von Oktober/November ab war ich in dauernder Abwehrstellung.
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O: Sie waren ja doch später im Ausland und sind doch wieder
zurückgekommen, stimmt das?
Sch: Ich konnte nicht dableiben wie ich wollte, sondern ich wurde geschickt.
O: Haben sie nicht in ihrem Werk durch Werksauträge etc. etwas von
Aufrüstungen gemerkt?
Sch: Nein, nicht das Geringste. Wir bekamen unsere Spezifikationen für
Schrauben, die irgendwo für Motoren und Fahrzeuge gebraucht wurden.
O: Wurden ihnen bei der Ausreise nach Amerika keine Schwierigkeiten seitens
der Regierung gemacht?
Sch: Nein, nicht im Geringsten.
O: Sie mussten doch eine Genehmigung haben, speziell, weil sie Mischling sind.
Sch: Ich fuhr ja jeden Monat für einige Tage nach England, die Wiesen brauchte
ich nicht, da ich von meinem Schwager eingeladen war. Ich hatte einen Pass
gleichzeitig für In- und Ausland ohne Beschränkungen und hatte darin meine
verschiedenen Wiesen.
O:Wurden sie auch von der Gestapo diesbezüglich bespitzelt?
Sch: Ich bin in New York von sehr guten Freunden mehrmals gewarnt worden.
Ich bin sogar noch von der Internierung gewarnt worden.
Über die jüdische Versippung seiner Familie befragt, erklärte Schaurte
folgendes:
Sch: Mein Urgroßvater war Jude. Er war verheiratet mit der Tochter eines
protestantischen Pastors. Da mein Großvater bereits als kleines Kind getauft
wurde, war mein Großvater demnach nur Halbjude. Ich selbst bin Achteljude.
O: War von einer Seite der Partei aus irgendeine Anordnung gekommen, in
Falle einer Räumung der Stadt Neuss Rüstungsbetriebe zu zerstören?
Sch: Das kam vom Ministerium Speer her. Ich habe den Leuten klargemacht,
dass eine Zerstörung sinnlos sei und dass eine sogenannte Lähmung genüge. Ich
habe die Zerstörung vermeiden können.
O: Sind sie einmal von der Gestapo bedroht worden?
Sch: Ja, ich habe 1943, mal in Berlin eine unvorsichtige Bemerkung gemacht.
Ich hatte in einem Kreise gesagt, dass das Kriegsende ganz klar sein und dass
der Krieg ja nicht zu gewinnen wäre.
O: Haben sie auch in Neuss etwas mit der Gestapo zu tun gehabt?
Sch: Ich habe mich immer außerordentlich in acht genommen. Ich habe hier, mit
Ausnahme vielleicht von Dr. Flecken und Dr. Nagel keinem Menschen meine
wirkliche Meinung gesagt.
O: Was hatten sie als Bezirksobmann zu tun?
Sch: Das weiß ich nicht auswendig, ich habe das in irgendeiner Niederschrift
zusammengefasst: 1. Rationalisierung durch Konzentration, 2. Befürwortung
von Arbeitszuweisungen, 3. Begutachtungen zu Stilllegungsanträgen, 4.
Industrie-Zerstörung.
O: Wie hoch ist ihre Beteiligung am Werk?
Sch: Zurzeit rund 30%.
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O: Als die Produktion nach 1933 anzog, hatten sie doch bestimmt gewisse
Kapitalien zur Neuaufziehung der Produktion nötig. Haben sie irgendwelche
Kredite vom Reich erhalten?
Sch: Nein, sondern nur normale Bankkredite bis zum Jahre 1933.
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Das Ergebnis: Die Einstufung in Kategorie IV
8.August 1947: Gesamtausschuss in Sache Dr. Schaurte
Anwesend waren die Herren: Oberregierungsrat Schulte-Wintrop, Dr. Fritz
Dessauer, Adam Bongartz, Siegmar Bloch, Hermann Hagen, Johann Ross,
Matthias Schröder, Quirin Broich, Hubert Gross, Bernhard Bell, Theo Conrady,
Heinrich Hollmann, Paul Lutter.
Die Sitzung wurde um 17:50 Uhr eröffnet.
Als einziger Punkt stand auf der Tagesordnung der Fall Schaurte.
Die Verhandlungen waren um 23:00 Uhr abgeschlossen. Bei der Abstimmung
stimmten:
Für Kategorie drei: Hagen, Ross, Schröder, Bell und Hollmann
Für Kategorie vier: Bongartz, Bloch, Gross, Lutter
Für Kategorie fünf: Broich, Conrady, Dessauer, Ob. Reg. Rat Schulte-Wintrop
Die Herren Hollmann, Bongartz und Schulte-Windtrop werden je ein
begründetes Gutachten bis zum 16. August zu den Akten einreichen. Die
Sitzung wurde um 23:30 abgeschlossen.
Gutachten für die Einstufung in Kategorie fünf von Broich, Dessauer, Conrady
und Schulte-Wintrop:
Das Gutachten geht an diejenigen Mitglieder des Entnazifizierungsausschusses,
die in der der Sitzung vom 8. August zu dem Ergebnis gekommen, sind:
a.) Die Entlastung für Dr. Schaurte vorzuschlagen;
b.) Die Einstufung in Kategorie fünf vorzunehmen.
Hauptmerkmale sind:
1. hohes Soziales Verständnis
2. Gradheit und Offenheit, die bis zur Schroffheit führen kann
3. Impulsivität des Handelns
4. Eminentes (und) fachliches Wissen
5. Liebe zu seinem Werk, welches in der Größe, wie es vor der Zerstörung
bestand, durch seine Fähigkeiten Weltruf erlang hat.
Am Ende unterschrieben alle vier das Gutachten.
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Gutachten für die Einstufung in Kategorie vier von Bloch, Lutter, Gross und
Bongartz:
Nach sorgfältiger Prüfung der Unterlagen und nach den persönlichen
Vernehmungen kommen wir zu folgendem Beschluss:
Dr. W. T. Schaurte ist in Kategorie vier einzustufen, ohne Einschränkungen.
Begründung: folgende Punkte sind für Dr. Schaurte nach unserem Ermessen
belastend:
1.) Mitarbeit an der Gründung des Werksturmes, Tragen der Uniform auf
dem Neusser Schützenfest 1933.
2.) Eine zweite Ausführung des Spieles „ Notwende“ für alle Neusser
Betriebe hätte Dr. Schaurte unterbinden können.
3.) Die Auszeichnung des Kreisjägermeisters hätte Dr. Schaurte ablehnen
müssen.
Trotzdem glauben wir, dass Dr. Schaurte nicht aus völliger innerer Überzeugung
Nationalsozialist war, sondern wegen seiner jüdischen Abstammung und der
damit für ihn und seinen Betrieb verbundenden Gefahren diese Schritte getan
hat. Er hat auch den Beweis erbracht, dass er Antinazis, u.a. verschiedene Juden
unterstützt und zur Emigration verholfen hat. Wir beantragen daher die
Einstufung in Kategorie vier ohne Vermögens- und Kontensperre.
Gutachten für die Einstufung in Kategorie drei von Hagen, Ross, Schröder, Bell
und Hollmann:
Zu den von Dr. Schaurte vorgelegten Entlastungszeugnissen ist folgendes zu
bemerken:
1.) Die Zeugnisse der Werksangehörigen von den Angestellten und Arbeitern
ausgestellt sind subjektiv.
2.) Den Zeugnissen der Kriegsgefangenen ist keine besondere Bedeutung
beizumessen.
3.) Die Entlastungszeugnisse führender Persönlichkeiten aus dem Ausland,
geben im Wesentlichen nur Auskunft über das Verhalten Dr. Schaurtes
während des Aufenthalts.
4.) Der Ausschuss musste das hohe Bildungsniveau des Dr. Schaurtes
berücksichtigen, wobei er zu der Auffassung gelangte, dass Dr. Schaurte
irgendeinem anderen bewusst werden musste, dass der Kurs Hitlers zur
Katastrophe führt.
Der Ausschuss kommt aufgrund des angeführten Beweismaterials unter
sorgfältiger Berücksichtigung der Entlastungszeugnisse zu dem Entschluss, Dr.
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Schaurte war Aktivist. Er ist daher in die Gruppe der tätigen Aktivisten
einzureihen. Er wird in die Kategorie drei Abs. B1 eingereiht.
Protokoll der Sitzung des Gesamt-Entnazifizierungsausschusses Neuss am
Dienstag, dem 2.September 1947:
In dem Protokoll geht es um die Aussage der Frau von Dr. W. T. Schaurte, die
um das Gespräch gebeten hatte. Mit Ob.Reg.Rat Schulte-Wintrop plädierte Frau
Schaurte für ihren Mann und damit für die Fa. B&S und die Einstufung ihres
Mannes in die Kategorie der Entlasteten sprich: Kategorie vier oder fünf
Protokoll der Sitzung des Gesamt-Entnazifizierungsausschusses am Dienstag
des 10.Junis 1947:
Dies ist das letzte Protokoll in der Akte. Hier wird nochmals über die Entlastung
Dr. W. T. Schaurtes diskutiert. Anwesend sind die Herren des von dem oben
genannten Fragebogens.
15. Juni 1948 wird Dr. Werner T. Schaurte in die Kategorie vier eingestuft.
(siehe nächste Seite)
34
Die Reaktionen
Reaktion auf den Anfang des Verfahrens: Die Reaktion auf das Anwaltsschreiben und die 2 Fragestellungen ist das von
dem Werksentnazifizierungsausschuss ausgestellte Formular, was bereits
gezeigt wurde.
Reaktion auf den Fragebogen: Aufgrund deutlichen Missvertrauens einiger Personen kommt es zur Reaktion
auf den Fragenbogen von RA (RA=Rechtsanwalt) Vossen:
Mit drei Kommentaren begründete der RA von Schaurte, dass es zum großen
Fragebogen einen klaren Beweis gebe: Schaurte war kein Parteimitglied noch
Mitglied sonstiger Gliederungen mit Ausnahme des Werksturmes.
Aufgrund der Gegenaussage von RA Vossen und Paul Lutter wurde
beschlossen, folgenden Zeugen zu laden: Franz Kürten (ehemaliger
Vorsitzender des Betriebsrates von B&S vor 1933)
Nachtrag zum Protokoll : 10. Mai 1947
Im Zusammenhang mit der Erklärung des Herrn Hollmann, dass er vom
Vorstand des Ortsausschusses Anweisung habe, nicht mehr an den Sitzungen
teilzunehmen, solange kein Vertreter der Gewerkschaften im Ausschuss säße,
bemerkte der Oberregierungsrat Schulte-Wintrop, dass er sich ausschließlich
nach den Anweisungen der Militärregierung richtet, und, falls diese von ihm
verlange, auch ohne die Gewerkschaften im Falle Schaurte zu entscheiden, er
dies unbedingt tun werde. Hierauf erklärte Herr Hollmann: Falls sie dies tun
werden, können sie uns nicht mehr daran hindern, mit der Sache an die
Öffentlichkeit zu gehen. Wir sind dies den von uns vertretenen schaffenden
schuldig.
Abschrift von RA Heinrichs 23.Juni 1947.
In der 11-seitigen Ausführung von RA Heinrichs setzte sich der Anwalt für
Werner T. Schaurte ein mit der Absicht ,Werner T. Schaurte in Kategorie vier
oder fünf einzustufen. Dies begründete er so: Die Zone-Exekutiv-Anweisung
sieht in ihrer Ziffer 22 des Anhang A vor, dass in Kategorie vier einzustufen
sind „Nazi-Aktivisten ohne Rücksicht, ob sie der NSDAP eingegliedert waren
oder nicht.“ Und Ziffer 23 zeichnet auf, dass die Unbelasteten, in Kategorie fünf
einzustufen sind, solche „Personen, die aufgrund einer Prüfung ihres Falles als
unbelastet erklärt oder entlastet worden sind“.
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Reaktion der Neusser auf die Entscheidung: Durch das Interview mit Herrn Dr. Hüsch sind wir auf folgendes Ergebnis
gekommen, was die Reaktionen der Neusser Bevölkerung angeht:
Wie Herr Dr. Hüsch uns freundlicherweise im Interview berichtete, war „die
Meinung der Neusser zu fast 100 Prozent identisch. Sie fanden ihn sehr
sympathisch, da er viel für die Stadt Neuss getan hat. Unter ihnen gab es keine
große Fürsprache gegenüber der Entnazifizierung.“1 Dies wird auch durch die
Aussage von Herrn Dr. Hüsch „er war ein genialer Mann“1 sehr deutlich.
Werner T. Schaurte als Schützenkönig in SA-Uniform und mit Hitler-Gruß (wird hochgehoben)
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Herr Werner T. Schaurte bei seiner Rede im Werk vor Hakenkreuz(Mitte) und Adolf (links)
Dennoch gab es einige, Herrn Dr. Hüsch mit eingeschlossen, die in ihm mehr als
nur einen Mitläufer sahen. Für Herrn Dr. Hüsch war „Dr. Werner T. Schaurte
kein Nazi im verbrecherischem Sinne, aber jedoch auch kein Mitläufer.“1
„Werner T. Schaurte konnte sich, als er den Vogel zum Schützenkönig abschoss,
auch mit hochgestreckten Fäusten bejubeln lassen, aber doch nicht in SA-
Uniform und Hitler-Gruß!“1, berichtete uns Herr Dr. Hüsch. Auch die Ausrede,
er musste es doch tun, damit er nicht durch seiner jüdischen Herkunft gehängt
wird, bezeichnete Herr Dr. Hüsch als „irrsinnig“1.
Unsere Reaktion auf die Entnazifizierung: Unserer Meinung nach ist die Einstufung von Werner T. Schaurte in Kategorie 4
aus folgenden Gründen ein Skandal:
Anhand der gesammelten und ausgewerteten Materialien lässt sich sagen, dass
Dr. Werner T. Schaurte weitaus mehr als ein Mitläufer im Dritten Reich war.
Wir vertreten die Ansicht, dass er kein Nazi im verbrecherischen Sinne war.
Dennoch hat er sich schuldig durch die Einstellung von Zwangsarbeitern
gemacht und somit auch einen Beitrag zur Völkerunterdrückung geleistet.
Sowohl bei Göring als auch bei Hitler war er ein beliebter Ansprechpartner in
Sachen Maschinenbau, was unserer Meinung nach keine Abneigung gegenüber
dem Regime zeigt. Zu nennen ist außerdem, dass Werner T. Schaurte, nachdem
er Schützenkönig geworden war, sich als einziger mit SA-Uniform und mit
Hitlergruß feiern ließ.
Skandalös war auch, dass die Bevölkerung in der Nachkriegszeit Schaurte
immer noch als Neusser „Schraubenikone“ bezeichnet hat und die
Entnazifizierung keine große Fürsprache erhielt.
_________________ 1 Herr Hüsch im Zeitzeugeninterview
Literatur:
Entnazifizierungsakte im Landesarchiv Düsseldorf
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Das Fazit – unser Fazit vom Geschichtswettbewerb
CARLA TIEFENBACHER:
Jetzt am Ende der Arbeit kann ich sagen, was ich vorher nur vermutet hatte: Es
war eine sehr spannende Erfahrung und hat trotz der vielen Arbeit viel Spaß
gemacht. Ich habe nie das Interesse an unserem Thema verloren, auch wenn
manchmal das Gefühl aufkam, auf der Stelle zu treten. Der Teil der Arbeit, den
ich am interessantesten fand, war das Zeitzeugeninterview mit Herrn Dr. Hüsch.
Ebenso interessant, wenn auch ungemein anstrengender, waren die Gespräche
mit Herrn Dr. Metzdorf, die bevorzugt am späten Nachmittag geführt wurden.
Als wir bereits viel Konzentration und Begeisterungsfähigkeit in unsere Arbeit
investiert hatten. Neben den bereits angeführten Punkten hat mir insbesondere
unsere Gruppendynamik gefallen, da nie ernsthafte Konflikte über zum Beispiel
die Aufteilung aufgekommen sind. Nachdem ich jetzt ein halbes Jahr lang erlebt
habe, wie es ist, eine Forschungsarbeit zu schreiben, kann ich sagen, dass ich
mich schon sehr auf den oder die kommenden Geschichtswettbewerbe freue.
JULIAN DI BENEDETTO:
Obwohl ich bereits am Geschichtswettbewerb 2004/2005 in einem
Kooperationsprojekt teilgenommen habe, war es für mich eine neue Erfahrung,
da ich diesmal keine Hilfe von älteren Schülern hatte. Eine einmalige
Gelegenheit war es auch. Es war lehrreich sowie lustig, innerhalb einer Gruppe
zu arbeiten, in der es keine, wenn überhaupt nur winzige Probleme gab.
Ich hätte gerne an einem Workshop in Berlin teilgenommen. Leider hat es nicht
geklappt, sodass ich ohne große Vorkenntnisse über eine Recherche etc. arbeiten
musste. Dennoch denke ich, dass ich es gut geschafft habe, mich mit Ideen und
Anreizen in die Gruppe gut zu integrieren.
Im Großen und Ganzen kann ich schon auf mich, aber vor allem auf unsere
Gruppe stolz sein, die im letzten halben Jahr eine, wie ich finde, wirklich
sehenswerte Arbeit geschaffen hat, die für die späteren Generationen im
Stadtarchiv Neuss zugänglich gemacht wird. Ich denke, dass ich auch ein drittes
Mal am Geschichtswettbewerb teilnehmen würde, da ich mich sehr für
Geschichte interessiere.
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NIKLAS TAUCH:
Für mich war es eine besondere Freude, einmal an einem solch großen und
interessanten Arbeitsprojekt teilzunehmen. Man hat mal ganz andere Seiten
einer Recherche erlernt und somit etwas kennengelernt, was man immer gut für
seine Zukunft anwenden kann.
Als wir, ich, mit dem Wettbewerb angefangen haben, dachte ich, dass die Zeit,
die man hat, diese sechs Monate, sehr langsam vergehen würden. Doch als es in
Richtung Fertigstellung der Arbeit ging, merkte ich, dass wir doch noch nicht so
viel hatten, wodurch wir in Zeitnot gekommen sind.
Doch alles in allem lässt sich sagen, dass es mir riesig Spaß gemacht hat, in den
Archiven, sowohl in Neuss als auch in Düsseldorf zu arbeiten. Ich würde gerne
mit einer so tollen Gruppe, in der es keinen Streit gab, wieder am
Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilnehmen.
NILS SCHUPPENHAUSEN:
An dem Wettbewerb teilzunehmen war für mich eine interessante Erfahrung.
Ich habe viel über die Geschichte, unserer Stadt Neuss und den
Entnazifizierungvorgang erfahren. Es war lehrreich und gleichzeitig spaßig, in
Archiven sowie Büchereien zu arbeiten und Zeitzeugeninterviews zu führen.
Besonders gut hat mir der Zusammenhalt innerhalb der Gruppe gefallen, alle
Gruppenmitglieder haben sich gleichermaßen an unserer Arbeit beteiligt.
Ich würde jederzeit wieder an solch einem Wettbewerb teilnehmen, da man viel
für seine berufliche Zukunft und die damit verbundenen Arbeitsmethoden lernt.
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Quellenverzeichnis
Peter Diesler(Hrsg.)„Dunkelziffer“, Magazin 5/88. Stadtarchiv
Neuss
Gespräch mit der 90-jährigen Zeitzeugin und Freundin der
Familie Schaurte, Hella Panzer, Neuss
Zeitzeugeninterview mit dem Zeitzeugen und Rechtsanwalt Dr.
Heinz-Günther Hüsch
Gespräch mit Herrn Dr. Max Tauch
Die dazugehörige Literatur ist immer unter jedem Artikel angegeben