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DOKUMENTE 100

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DOKUMENTE100

100 DOKUMENTEVOLKSTHEATER / URAUFFÜHRUNGvon Gerardo Naumann

Mit

NICO ARFMANNMERT BAĞCIBELARMINO BARROSFELIPA-MARIA BAUTISTANAJOUA BENZARTIMANFRED BÖGLEFELIX BOUCHÉSEMI ÇAKARMARIANA VICTORIA DEL VALLE CONTRERAHANNAH COOKEJELENA DELICHARALD DENECKENJERA DIARCHEIKE DRECHSLERJÜRGEN DÜRMEIERMONICA EISENBRAUNTHOMAS FISCHERERIKA FIXFRANK FREDEANDREAS GALANDER

THOMAS GEISSJUTTA GEMEINHARDTOTTO-HEINRICH GRUSCHWITZTHOMAS HEINTZMANNMAREN HOCHGESANDJOHANNES HUSSGÜLAY İŞCAN-PİLİÇJULIA JÄGERIBADETE KADRIJAJSUSAN KAMBECKALI KARASUSOLMAZ KESHAVARZIALEXANDER KISTFRIEDRICH KLAPPENBACHARNO KOHLEMKARIN KRAUSSGABRIELA LANGYELITZA LAYAURSULA LEUCHTE-WETTERLINGCAROLINE LÖFFLER

PREMIERE 10.5.14 KLEINES HAUSAufführungsdauer 24 Stunden, keine Pause

KATHARINA LÖFFLERPHILIPP LORCHSANDER LYBEERGERHARD MAIERELENA MAMCHURHANJA MARTÉSNADINE MONDRYAXEL MÜLLERSEBASTIAN NITKATHOMAS GEORG PFANNERCAROLINE-SOPHIE PILLINGMARTIN PÖLLPHILIPP RAUTZENBERGULRICH ROTHWEILERQWQWI (FRANK BIERLEIN, LUKAS FÜTTERER, DAVID LOSCHER, PIA MATTHES, MARKUS ZIELKE)HILTRUD SAUMERJOHANNA SAUMERMARIE SAUMER

MAYRA SCHEFFELMARTIN SCHEFFERJENNIFER C. SCHEYDTEVELINE SCHLACHTERCAROLINE SCHNAPPMARTINA SCHÖPPENTHAUMARCEL SEEKIRCHERSVETLANA SHIBAEVAJULIA SINNERFIRAS SKANDRANIMARGOT STEINMETZTATJANA STÜRMERSILVIA SZILLATLUISE VOSSSEMRA WANGLERKATHARINA WOLLETIM WÖRLEKEMAL YILDIRIMARNDT ZIMMERMANN

Regie GERARDO NAUMANN, BONN PARK, FREDERIK TIDÉN, JAKOB WEISSBühne & Kostüme SEBASTIAN HANNAKMitarbeit Bühne & Kostüme JOHANNES FRIEDLicht CHRISTOPH PÖSCHKODramaturgie MICHAEL NIJSCo-Dramaturgie & Rechercheleitung INES WUTTKERecherchemitarbeit GLORIA HASNAY, HEIDI HERZIG, LAURA MORCILLO, NATALIA SCHMIDTKünstlerische Produktionsleitung CATHARINA WASCHKETheaterpädagogik JUDITH FRANKE

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Regieassistenz MATHIAS HANNUS, ERIC NIKODYM Kostümassistenz STEFANIE HOFMANN Inspizienz NIKOLAUS NAUY Regiehospitanz MELANIE ERNST, ANNIKA GRALKE, ALEJANDRA JANUS, RAPHAEL NAGEL, JENNY TRINKLE Dramaturgiehospitanz MARCEL BOHN

Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühne HENDRIK BRÜGGEMANN, EDGAR LUGMAIR Leiter der Beleuchtung STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton HUBERT BUBSER, GUNTER ESSIG, JAN FUCHS Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Requisite CLEMENS WIDMANN Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Malsaalvorstand ANDRÉ SPIEGLER Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG Kostümdirektorin DORIS HERSMANN Gewandmeister/in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeisterei MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, BARBARA KISTNER Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske MAIKE HECK

Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.

WIR DANKEN

HeidelbergCement für den Beton

und Eventfloristik für die Blumen zur Premiere

Friedrich Klappenbach

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Theater rund um die Uhr, parallel zum Leben der Stadt, die einen 24-Stunden-Rhythmus hat. 100 Karlsruher mit 100 Dokumenten nacheinander auf einer großen Bühne: Als uns der Regisseur, Filmemacher und Autor Gerardo Naumann vor zwei Jahren vorschlug, ein VOLKSTHEATER-Projekt mit diesem Konzept zu wagen, waren wir so fasziniert wie erschrocken von der Idee. Kein Schauspieler steht 24 Stunden auf den Beinen, kein Techniker hält so lange am Steuerpult durch, kein Zuschauer kann so lange die Augen und Ohren offenhalten. Andererseits: VOLKSTHEATER nennen wir unsere neue Sparte, in der wir Menschen aus der Stadt unsere großen Bühnen über-lassen und neue Formen erproben. Denn wir sind davon überzeugt, dass sich mit Bürgern auf der Bühne eine neue Spielart des Theaters als Kunstform entwickelt.

Zum Auftakt des VOLKSTHEATERS stand in 100 Prozent Karlsruhe ein statistischer Bevölkerungsquerschnitt von 100 Karls-ruher Bürgern gleichzeitig im GROSSEN HAUS auf der Bühne. In der Produktion der Gruppe Rimini Protokoll beantworteten sie Fragen wie „Sind Sie für die Todesstrafe?“ oder „Leben Sie in 15 Jahren noch?“. Für Der Gastfreund von Franz Grillparzer hat die

ZUM PROJEKT

ICH MÖCHTE ETWAS

Regisseurin Mareike Mikat ein Haus auf den Friedrichsplatz gestellt, eine Woche lang dort gespielt, Menschen kennengelernt und diese dann als Bürger-Chor ins KLEINE HAUS geholt. In der Oper Border haben Ju-gendliche in der Regie von Ulrike Stöck ihre Flucht- und Migrationsgeschichten erzählt, und in Ich heiße ich hat Philip Taylor die Tänzer des Ballettensembles zusammen mit Schülern choreografiert.

2013 haben wir den Pariser Regisseur und Autor Pascal Rambert eingeladen, erst-mals in Deutschland zu inszenieren. Mit 40 Karlsruher Bürgern hat er sich zu offenen Schreib-Ateliers getroffen und eine Grup-pe gebildet, die live auf der Bühne eigene Texte schreiben und vortragen konnte. Mit der Gruppe hat er eine einfache, poetische Choreografie geprobt. Dazu kamen ein Chor und vier Schauspielerinnen aus dem Ensemble, die Szenen aus der Geschichte der Ökonomie gespielt haben, und der Philosoph Emmanuel Alloa, der das viel-schichtige Geschehen auf der Bühne und die Krise der Weltwirtschaft kommentier-te. So entstand Eine (mikro) ökonomische Weltgeschichte, getanzt, mit dem wir jetzt zum 1. Bürgerbühnenfestival nach Dresden eingeladen sind.

NEUES SEHEN

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Zu den 22. EUROPÄISCHEN KULTURTAGEN mit ihrem Thema „2014 – 1914 / Frieden + Krieg“ wollen wir wieder eine neue Form versuchen. Wir konfrontieren den ersten Rund-um-die-Uhr-Krieg der Geschichte, ein Krieg der Materialschlachten, der absolu-ten Überforderung, der „Masse Mensch“ mit Menschen von heute, die man sich in der friedlichen Mitte Europas als glückliche Menschen vorstellen muss.

So fällt der Startschuss: Nach Vorgesprä-chen mit Gerardo Naumann besucht Ines Wuttke Menschen, die ein Dokument und eine Geschichte haben. Ab November ste-hen ihr mit Gloria Hasnay, Heidi Herzig, Laura Morcillo und Natalia Schmidt vier Studentinnen der Hochschule für Gestal-tung zur Seite. Sie sprechen ihr Netzwerk an: Auf Symposien, bei Treffen von Zeit-zeugen, in Gesprächscafés, beim Bäcker ums Eck, am KIT und im Amtsgericht über-zeugen sie Selbständige, Wissenschaftler, Rentner, Hausfrauen und Erzieher.

Anfang Januar zieht Gerardo Naumann aus der 15-Millionenstadt Buenos Aires in eine kleine Wohnung nach Karlsruhe. In jeweils zwei Gesprächen trifft er die vom Recher-cheteam vorgeschlagenen Menschen. Er hakt nach: Wie war das genau mit den Be-grüßungen in der DDR? Wie war der Raum ausgestattet, in dem du deinen späteren Ehemann kennengelernt hast? So bringt er die zukünftigen Performer dazu, ihre Erleb-nisse genauestens und damit auch poetisch zu beschreiben. Die meisten erhalten eine Aufgabe für Zuhause: Schreib ein Gebet auf. Konzipiere einen Fall vor Gericht mit doppeltem Boden. Fotografiere den Weg zur Arbeit. Verfolge jemanden auf der Stra-ße. Denke dir das Leben deiner Tochter in dreißig Jahren aus. Ines Wuttke und Michael Nijs bearbeiten das Material und haken

immer wieder nach. Ein erster Test, ob die Person den kräftezehrenden Weg auf die Bühne gehen möchte.

Mit den Interview-Texten als Basis schreibt Gerardo Naumann jede Szene neu als Aus-arbeitung einer Erinnerung oder als fiktiona-le Überhöhung des Alltags. Kein Regisseur kann 24 Stunden Theater am Stück inszenie-ren. So kommen ab März Bonn Park, Frederik Tidén und Jakob Weiss nach Karlsruhe. Sie inszenieren die meisten Szenen – einige übergibt ihnen Gerardo Naumann ohne Text zur szenischen Entwicklung.

Vier bis 15 Proben sind zu planen pro Performer. Produktionsleiterin Catharina Waschke koordiniert Termine mit bis zu fünf Mitwirkenden für die Regisseure, die bestimmte Zeitabschnitte der Performance unter sich aufteilen.

An den langen Wochenenden um Ostern und den 1. Mai werden die Bausteine des Stückes zusammengefügt und als Reihe von kleinen Auftritten in achtstündigen Abläufen geprobt. Wir erfinden gemeinsam die Übernachtung von Zuschauern und Performern auf der Bühne während Träume vorgelesen werden, davor ein Fest mit DJ, am Morgen ein inszeniertes Frühstück. Bühnenbildner Sebastian Hannak erwei-tert seinen Entwurf für Gas I & II um einen Spielraum in Zimmergröße.

Schon vor der Premiere steht fest: Die 24-stündige Vorstellung wird eine Vorstel-lung bleiben. Kein Zuschauer, kein Performer, kein Regisseur wird das Stück am Stück erle-ben. Aber wir sind gespannt, wie die Grenzen von Theater und Leben, von Tag und Nacht, von Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen – und welche Erinnerungen bleiben: als Dokument eines Theaterexperiments.

Folgeseiten Julia Sinner, Ursula Leuchte-Wetterling

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Wenn er ins Theater kommt, überlegt sich der technische Redakteur Thomas Heintzmann genau, was er anzieht. Seine Betriebsanleitung listet auf, wie man die Theatertricks von Bühne, Licht und Ton im KLEINEN HAUS bedient.

Bauingenieurin Jennifer C. Scheydt schaut gern darauf, was Sichtbeton erzählt, und mag daher das STAATSTHEATER. Sie mischt Kies, Sand und Zement mit Wasser und lässt über Nacht eine Betonkugel aushärten.

Seit 47 Jahren wächst Gerhard Maiers Bart. Er hat ihn bereits in Baggerseen um Karls-ruhe und im Mittelmeer gewaschen, aber auch im Euphrat und im Arabischen Meer.

ZUM INHALT

RUND

Arno Kohlem gehört erst seit Probenbe-ginn zu den Bärtigen. Ob er ihn nach der Premiere wieder abrasiert?

Semi Çakar möchte Schauspieler werden. Er versucht sich mit Kemal Yıldırım an Dialogen aus Sprachlehrbüchern. Welt-rekordhalterin, Weltmeisterin und Olym-piasiegerin Heike Drechsler zeigt den beiden, was für ein Drama ein Weitsprung sein kann.

Liken, teilen, kommentieren: Die spannends-ten Filme findet Martina Schöppenthau in sozialen Netzwerken, längst nicht mehr im Fernsehen – und sie erzählt gern weiter, was sie gesehen hat.

UM DIE UHR

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Andreas Galander und Martin Scheffer haben das Bühnenbild für 100 Dokumente aufgebaut. Sie spielen beide Gitarre in der Technikerband.

Wie Martina Schöppenthau schaut auch Mariana Contrera gar nicht mehr fern, son-dern Kurzfilme im Internet.

Krieg der Geschlechter: Erika Fix und Frank Frede leben ihn am Klavier, an der Gitarre und am Akkordeon voll aus.

Solmaz Keshavarzi aus dem Iran sind die unverschleierten alten Damen in Karlsruhe aufgefallen und sie hat sie für 100 Doku-mente heimlich dokumentiert.

Karlsruhes ehemaliger Sozialbürgermeis-ter Harald Denecken entscheidet heute mit, ob Herr B., ein Asylant aus Gambia, in Deutschland bleiben darf. Er bildet sich anhand der Akten ein Urteil.

Der Geologiestudent Axel Müller wollte Eindruck machen auf Hiltrud „Jimmy“ Sau-mer, der Mitbewohnerin eines Freundes. Den ungelenken Auftritt verzieh sie ihm: Heute sind sie verheiratet. Sie schwingt sich aufs Rad um zu zeigen, wie die Familie den Alltag mit den Töchtern Johanna Sau-mer und Marie Saumer meistert.

Vorhin fuhren Erika Fix und Frank Frede sich in die Haare. Jetzt wollen sie wissen, was andere mit ihren Frisuren anstellen.

Luise Voß hält oft Diavorträge über ihre Reisen in ferne Länder. Die zweifache Mut-ter machte einen Selbstverteidigungskurs und lernte Bretter durch zu schlagen. Ihre Partnerin Margot Steinmetz ist zuständig fürs Technische und sitzt zu Hause am Rechner.

„Den Akkord kenne ich doch! Das ist der Anfang von …“ Die angehende Musik-journalistin Maren Hochgesand findet mit Urheberrechtsanwalt Nico Arfmann heraus, ab wie vielen Tönen man ein Lied erkennt – und ob man es kopieren darf. Bereits wenige Klänge erinnern Julia Sin-ner an ihren ersten Ferienjob: Autokolben schleifen in einer Fabrik.

Hey! Hallo! Bussi, Bussi! Ursula Leuchte-Wetterling musste nach ihrer Ausreise aus der DDR 1984 die Begrüßungsformen der BRD lernen. Später fand sie in ihrer 4000seitigen Stasiakte zwischen Briefen und Protokollen auch Aufnahmen aus dem Urlaub – keine Souvenirbilder sondern Zeugen der ständigen Überwachung.

1914? 1933? 70er? 80er? 90er? In „History Highway Revisited” führen die Perfor-mancekünstler Markus Zielke und David Loscher, beide Mitglied von qwqwi, durch ein Jahrhundert Musik und Geschichte.

Caroline Schnapp verirrt sich nicht durch die Zeiten, sondern auf den Gängen des Theaters. Ihre Gedanken schweifen ab, wie auf einer sehr, sehr langen Zugfahrt bis nach Wladiwostok.

Thomas Fischer hatte als Kind eine Nah-toderfahrung. Karin Krauss, Vorstand der AIDS-Hilfe, befragt ihn.

Jürgen Dürmeiers uruguayischer Freund Harry besitzt den letzten Brief eines hoff-nungslosen deutschen Soldaten in Stalingrad.

Jürgen Dürmeier lernte Katharina Wolle beim Tangotanzen kennen. Sie tanzte aber länger mit einem anderen. Sie hat gern Klarträume – da kann sie sich frei ent-scheiden.“

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Musik neben der Arbeit? Techniker Andre-as Galander und Martin Scheffer spielen eine Zugabe. Und noch eine. Und noch eine. Und eine letzte …

Ali Karasu ruft von der Arbeit aus an: Er ist Nachtwächter in der Flüchtlingsunterkunft in der Sophienstraße. In seiner Pförtner-loge schaut er Splatterfilme. Bildhauer Martin Pöll hat Ali Karasu dort kennenge-lernt. Zuhause in Südtirol hilft er auf dem Bauernhof der Eltern. Er führt vor, wie man Holz spaltet.

Vor zwei Jahren schrieb Felix Bouché einen 23seitigen Liebesbrief. Er schickte ihn nie ab, aber liest ihn jetzt vor.

Die Freundinnen Jelena Delic, Ibadete Kadrijaj und Nadine Mondry leben seit 15 Jahren in der Disco ihre Jugend.

Wollen Sie auf der Bühne tanzen? Rautzi legt für Sie auf und lädt Sie ein auf ein Bier!

Halbzeit im 24-Stunden-Theater: Sind Ihre Beine schwer, Ihr Kopf müde? Nehmen Sie sich doch eine Matratze und machen Sie es sich auf der Bühne bequem. Die profes-sionelle Traumreisende Katharina Wolle entführt sie auf eine mehrstündige Reise in die Traumwelt.

Radiowecker live: Techniker Ulrich Roth-weiler spielt Ihnen seine Melodien vor.

In „Der frühe Vogel – Ein kleinteiliger Zu-stand“ macht qwqwi aus dem Frühstück ein Hörstück. Gehen Sie ans Büffet in der Performance von Frank Bierlein, Lukas Fütterer, David Loscher, Pia Matthes und Markus Zielke!

Was wäre, wenn Sie morgen noch im Theater wären? Und am Tag drauf? Und eigentlich an jedem Tag im Jahr? Marcel Seekircher fragt sich, wie eine Zukunft unter ständiger Beobachtung ausschaut.

Bauingenieurstudent Tim Wörle wollte anders leben als seine Eltern – und führ-te zu Hause das Tischgebet ein. Dann spricht er zu Gott.

Susan Kambeck meistert den Alltag vir-tuos, nur ihren Putzfimmel kriegt sie nicht unter Kontrolle. Zur Entspannung liest sie Klatschblätter – und kommt Hollywood-schauspielern näher.

„Jetzt Ruhe auf der Rückbank!“ Kinder können ihre Eltern richtig nerven. Caroline Löffler und Katharina Löffler führen es vor.

Manfred Bögle ist auf der Spur nach dem verschwundenen 32. Strahl des Karlsruher Straßennetzes.

Physiker Friedrich Klappenbach führt ein Experiment durch: Schafft er es, aus vier Metern Entfernung eine Kerze auszublasen? Er geht bei Mephistopheles zu Rate.

Lehrerin Gülay İşcan-Piliç findet an sich zehn Ähnlichkeiten mit Friedrich Schiller.

Wer leitet den kommenden Aufstand? Auf der Suche nach einem Vorbild landen Manfred Bögle und Felipa-Maria Bautista bei Rudi Dutschke. Die Fragen stellt Günter Gaus.

Überzeuge einen Fremden, bei 100 Doku-mente auf die Bühne zu kommen! Hannah Cookes Aufgabe führte in viele Sackgassen: in ein Geschäft für Mittelalterkostüme, in

Martin Pöll

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eine Buchhandlung, zu einem Medium. Bis sie bei Tatjana Stürmer fündig wurde.

Der Schüler Sander Lybeer hat Schlimmes verbrochen. Vor Richter Arndt Zimmer-mann verteidigt Anwältin Semra Wangler ihren Mandanten gegen die Attacken von Staatsanwalt Alexander Kist. Justizfa-changestellter Johannes Huß protokolliert die Verhandlung.

Najoua Benzarti erzieht ihren Sohn Firas Skandrani allein. Der Vater macht Politik in Paris und Tunesien.

Als Mitglieder von Occupy wissen Hanja Martés und Jera Diarc, wie man einen App-le-Store besetzt. Die Ernährungs- und Haus-haltswissenschaftlerin Monica Eisenbraun fragt nach dem System der Aktivisten.

Diakon Otto Gruschwitz, Zahnarzthelferin Silvia Szillat und Tänzerin Gabriela Lang interpretieren Raymond Carvers Kurzge-schichte Kathedrale: Ein Blinder versucht zu verstehen, was eine Kathedrale ist.

In Krisen und in Glücksmomenten geht Hanja Martés am liebsten auf den Alten Flugplatz in der Nordstadt.

Mit seinem Hund Lennox schaut Natur-freund Philipp Lorch einen Dokumentar-film über Leoparden.

Johannes Huß muss vor Gericht in Hochge-schwindigkeit protokollieren. Endlich darf er aufschreiben, was er denkt und sieht.

Die Politiker im inneren Zirkel der Macht wissen um den verheerenden Einfluss, der ein einziges falsches Foto verursachen kann. Mosambikaner Belarmino Barros fragt sich, ob Bundeskanzlerin Angela

Merkel deswegen immer eine steife Ober-lippe behält.

Artist Thomas Geiss jongliert mal nicht mit Bällen, sondern mit Menschen: Sebastian Nitka, Martin Pöll und Eveline Schlachter machen Kaskaden.

Im Büro schreibt Eveline Schlachter sei-tenlange Betriebsanleitungen für Tisch-kreissägen und Industrieöfen. Wenn die Aufmerksamkeit nachlässt, streckt sie ihre Gliedmaßen auf die Musik von Tracy Bon-ham. Caroline Pilling mag eher Blümchen. Die beiden einigen sich auf Gloria Gaynor.

Wie schaut der perfekte Mann aus? Die Russin Svetlana Shibaeva weiß es genau: schön, stark und groß. Elena Mamchur übersetzt die romantischen Fantasien ihrer Freundin ins Deutsche.

Thomas Pfanner nimmt sich die Touristen-fotos vorm Karlsruher Schloss vor: Warum macht man solche Bilder? Dann findet er im Familienalbum ein Foto seines Ex-Freundes …

Julia Jäger und Mayra Scheffel sollten sich bei einem Vortrag über Träume ken-nenlernen. Sie verpassen sich und machen sich erst im Anschluss bekannt. Yelitza Laya war nicht dabei und fragt Julia Jäger über die Begegnung aus.

Silvia Szillat interessiert sich fürs Berg-steigen. Das könnte sie doch eigentlich mal mit ihrem Sohn machen. Aber der ver-kriecht sich lieber in den Keller und spielt dröhnende Musik.

Migrationsbeirätin Jutta Gemeinhardt vergleicht deutsche Politiker: Merkel, Schäuble, Kohl, …

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Zwischen Traum und Wirklichkeit, zwi-schen Realität und Fiktion: Gabriela Lang und Mert Bağcı waren auf einem Vortrag über das Unbewusste.

Der Architekt Sebastian Nitka fährt jeden Tag von Durlach mit der Straßenbahn ins Büro in der Weststadt – immer wieder vorbei an dem Haus, in dem seine ehemalige große Liebe lebt.

Jennifer C. Scheydt wollte eigentlich Shuttle-Pilotin werden, schwenkte aber auf Betontechnologie um. Der vor 24 Stun-den gegossene Mond aus Beton dürfte jetzt ausgehärtet sein.

Alle Performer schauen auf das Ergebnis.

Die aktuelle Reihenfolge und die Anfangs-zeiten der Szenen können Sie dem einge-legten Faltblatt entnehmen.

Folgeseiten Erika Fix, Frank Frede

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Am Sonntag vor der Premiere unterhielt sich Autor und Regisseur Gerardo Nau-mann mit Dramaturg Michael Nijs.

Michael Nijs Du bist in einer deutschstäm-migen Familie in Argentinien aufgewach-sen. Mittlerweile arbeitest du als Regis-seur oft in der Heimat deiner Vorfahren. Welches Verhältnis hast du zur deutschen Kultur?

Gerardo Naumann Ein kompliziertes! Mein Großvater ist nach dem Ersten Weltkrieg von Deutschland nach Argentinien überge-siedelt. Dabei hat er der deutschen Kultur den Rücken zugewandt. Dieser Schritt war eine große Befreiung für ihn: Er legte sich für seine Zukunft einen neuen Horizont zu. Er ist übrigens nur einmal nach Europa wiedergekehrt. Auch in meiner deutsch-sprachigen Schule in Buenos Aires gab es kein inniges Verhältnis zur deutschen Tradition. Die Klassiker wurden bei uns nicht gelesen. Ich habe zwar aus Interesse in die Theaterstücke reingeschaut, könnte

ZUR INSZENIERUNG

FIKTIONEN

aber heute die Handlung des Faust nicht genau wiedergeben.

Nijs In Karlsruhe bringst du einen Quer-schnitt der Gesellschaft in einem kom-pletten Tag auf die Bühne. In anderen Projekten bist du den Weg ins Theater erst gar nicht gegangen. Wie hast du in Buenos Aires ein Fließband in einer Fabrik zum Mittelpunkt einer Inszenierung gemacht?

Naumann Die Idee war, gleichzeitig ein Produkt und Kunst herzustellen. Die Zu-schauer folgten einem festen Rundgang in einer Fabrik, während die Arbeiter schuf-teten. Trotz der ungemeinen Effizienz des Fließbands – durch die Einsparung von überflüssigen Arbeitsschritten – kann man immer noch Zeit- und Bewegungsreserven finden. Für diese Momente habe ich mit den Arbeitern kleine Szenen gestaltet. Die Fabrik habe ich nicht nur in Argentinien, sondern auch in Singapur, Indien, der Schweiz, Polen und Deutschland insze-niert. Die Manager waren immer zufrieden:

DES ALLTAGS

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Denn es wurde aufgezeigt, dass es noch Effizienzreserven gab. Im Kapitalismus wird der Körper ausgebeutet und ich habe mich kritisch gefragt, ob die Kunst den Ar-beiter abermals ausbeuten kann.

Nijs Wenn du mit nicht-professionellen Darstellern arbeitest, suchst du mit ihnen nach theatralischen Situationen im Alltag. Wo wirst du fündig?

Naumann Ein Modell für mich ist das weih-nachtliche Krippenspiel, das auch Inspirati-on für meinen Dokumentarfilm Ricardo Bär war. Die Geburt Jesu wird in einer traditio-nellen Form von Laien nachgestellt. Wenn sich zum Beispiel zwei Freundinnen treffen und die eine schildert der anderen den Her-gang eines Unfalls, dann ist das auch The-ater. Denn sie setzt dabei ihre Hände ein, stellt mit der einen das Fahrrad, mit der an-deren das Auto dar. So entsteht vor ihr eine Bühne, auf der die Geschichte erzählt wird. Und im Alltag inszenieren wir uns selbst: als fleißiger Mitarbeiter, als gute Ehefrau oder als bester Kumpel. In 100 Dokumente habe ich versucht, diese unbewussten Theater-formen zu benutzen. Die Szenen entstanden dabei aus der Erfahrungswelt der Perfor-mer, aber wir haben uns auch zusammen Geschichten ausgedacht und Fiktionen entwickelt. Beim Kennenlernen habe ich beobachtet, was ich auf mein Gegenüber projiziere und wie dieser Prozess auch um-gekehrt funktioniert. Der Text spiegelt die-ses dialogische Verhältnis. Die Szenen sind auf wenige Aspekte konzentriert. So habe ich beim polnischen Architekten Sebastian Nitka die tägliche Straßenbahnfahrt zur Arbeit zum Kern seines Auftritts gemacht. Klar hätte er unzählige andere Geschichten erzählen können. Aber der Zuschauer lernt ihn durch die Details seines Arbeitswegs kennen: wie er aufsteht, wann er die Woh-

nung verlässt, welche Gedanken er sich auf der Fahrt macht.

Nijs Welche gesellschaftliche Spanne de-cken die Performer ab?

Naumann Die Performer bilden einen Querschnitt der Stadt. Vom 10jährigen Kind bis zum 80jährigen Rentner stehen alle Altersgruppen auf der Bühne. Der Familie Saumer-Müller kann man dabei zuschauen, wie sie sich in ihren Rollen als Vater, Mutter und Tochter inszenieren. Bei Naturfreund Philipp Lorch kann man beobachten, wie Mensch und Tier sich zueinander verhalten. Manche Szenen sind sehr lebendig, wie die mit Otto Gru-schwitz, andere leben von einer gedehn-ten und konzentrierten Atmosphäre, wie zwischen Julia Jäger und Mayra Scheffel. Ich hoffe, dass sie die Vorstellungskraft der Zuschauer stärken: Genauso wie die Performer sich so erleben, wie sie sich nie gesehen haben, wünsche ich mir, dass die Zuschauer Menschen so sehen, wie sie sie zuvor nie beobachtet haben.

Nijs Eine Aufführung von 100 Dokumente umspannt einen Tag und eine Nacht. Wel-ches Theater findet nachts statt?

Naumann Was passiert, wenn wir schla-fen? So wie wir uns tagsüber inszenieren, so treten wir auch im Traum auf. Wir beobachten Verwandte, Freunde oder Liebhaber. Im Traum kann man die Vorstel-lungskraft nicht aufhalten. Zudem ist es spannend, sich zu überlegen, wie nachts eine Stadt tickt, von der man sich vorstellt, sie gehe früh schlafen. Aber diese Stadt ist auch dann lebendig: Sie ist voller Ge-schichten, voller Vorstellungen, voller klei-ner Inszenierungen, die auf der Straße, zu Hause oder im Traum aufgeführt werden.

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FELIPA-MARIA BAUTISTAAuf einem Kreuzfahrtschiff verfällt ein philippinischer Kadett dem Charme eines deutschen Zimmermädchens. Das Paar wird in Deutschland auf Scheinehe geprüft, aber der Mutterpass beweist ihre wahre Liebe. Gut zwei Jahrzehnte später hält ihre Tochter Felipa Bautista das Abiturzeugnis in der Hand – trotz der schwierigen letzten Jahre nach dem Tod ihres Großvaters.

NAJOUA BENZARTINajoua Benzarti wurde in der tunesischen Hafenstadt Sousse geboren. Mit einem Diplom in Wirtschaftswissenschaften in der Tasche wanderte sie nach Deutschland aus. Sie bekam vier Kinder und lebt jetzt als Allein-erziehende mit ihrem Sohn Firas Skandrani. Die Muslimin betet fünfmal täglich und war bereits zwei Mal zur Pilgerfahrt in Mekka.

BELARMINO BARROSVier Millionen Kokospalmen wachsen in Belarmino Barros‘ Heimatstadt Quelimane. Der Mosambikaner begann mit 14 zu zeichnen und bekam 1989 ein Stipendium für ein Kunststudium in Leipzig. Er kam in ein Land fast ohne Palmen, das es kurz darauf nicht mehr gab, und verliebte sich in eine Karlsruherin. Heute ist sie die Mutter seiner beiden Kinder.

NICO ARFMANNNico Arfmann studierte Jura in seiner Heimatstadt Kiel. 1999 war er Mitbegründer einer Kieler Onlinezeitung, die 2008 nach einem Gesell-schafterstreit eingestellt wurde. Er zog nach Karlsruhe und machte sich mit einer Kanzlei für Internet- und Urheberrecht selbständig.

MANFRED BÖGLEMit 18 zog der gebürtige Freiburger nach Aachen, um in einer Buch-handlung zu arbeiten. In Karlsruhe machte er sich mit einer Fachbuch-handlung zum Gesellschaftsrecht selbständig. Eine größere Ehekrise überstand er 2004: Manfred Bögle ist jetzt 27 Jahre verheiratet und hauptberuflich Geschichtenerzähler.

MERT BAĞCIDer 18jährige Mert Bağcı wechselte vom Gymnasium auf die Elisabeth-Selbert-Schule, da er in der Mittelstufe zweimal sitzengeblieben war. Nach dem Abitur möchte er Spanisch- und Informatiklehrer werden, um dann zu habilitieren. Es stört den mehrsprachigen Schüler ungemein, dass viele ihm dies als Kind von Einwanderern nicht zutrauen.

FELIX BOUCHÉFelix Bouché erblickte das Lebenslicht im Wohnzimmer seiner Eltern. Heute schaut der Jüngste von Dreien von dort auf die Dächer der Stadt. Während eines emotional komplizierten Austauschjahres in Finnland schrieb er einen 23seitigen Liebesbrief, den er aber nie abschickte. Zur-zeit beschäftigt er sich mit Die Leiden des jungen Werther.

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JELENA DELICJelena Delic machte eine Ausbildung zur Altenpflegerin in Gaggenau. Sie arbeitet jetzt bei einem ambulanten Intensivpflegedienst und betreut Patienten, die maschinell beatmet werden. Zu ihrem Bedauern hat sie es nie auf ein Konzert von Michael Jackson geschafft. Die junge Frau lebt allein in Rheinstetten.

HARALD DENECKENDer gelernte Elektromechaniker und Pädagoge arbeitete fünf Jahre im Schulwesen im peruanischen Lima. 1994 verpasste der Karlsruher Stadt-rat den Einzug in den Bundestag, wurde aber fünf Jahre später Sozialbür-germeister. Als Mitglied der Härtefallkommission entscheidet er mit, ob abgelehnte Asylbewerber in Deutschland bleiben dürfen.

HANNAH COOKEFür das Studium der Medienkunst an der HfG wechselte Hannah Cooke von München nach Karlsruhe. Sie hat drei Mitbewohner und geht Kon-flikten um den Putzplan nicht aus dem Weg. Beim Öffnen von Liebes-schlössern an der Kölner Hohenzollernbrücke wurde Hannah von der Polizei gestellt. Ihre eigene Liebesgeschichte muss sie noch knacken.

SEMI ÇAKARDer Schüler mit türkischen, italienischen und deutschen Großeltern trai-niert in seiner Freizeit den Kampfsport Taekwondo. Es kommt vor, dass er seinem Gegner eine blutige Nase schlägt. Seit er die Hauptrolle in Semi, dem Langspielfilm seines Onkels über ein Schlüsselkind mit Migrations-hintergrund spielte, möchte der Durlacher Schauspieler werden.

JERA DIARCZusammen mit seiner Freundin Hanja Martés studiert der politische Aktivist Jera Diarc seit Anfang 2014 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste. In Karlsruhe hält das Occupymitglied sich am liebsten im Atelier auf, auch wenn es dort nach Lack, Terpentin und Zigaretten stinkt.

MARIANA VICTORIA DEL VALLE CONTRERAMariana Contrera wurde in der argentinischen Millionenstadt Córdoba geboren, wanderte aber mit ihrer Familie nach Südafrika aus. Nach dem Sturz des Apartheidregimes fühlten sie sich nicht mehr sicher und kehrten zurück. Die gelernte Friseurin folgte ihrem argentinischen Freund nach Ettlingen, aber trennte sich hier von ihm. Sie möchte Sängerin werden.

HEIKE DRECHSLERNach der Schule machte die Thüringerin eine Ausbildung zur Feinmecha-nikerin und studierte Pädagogik. Heute arbeitet sie als Gesundheitsbot-schafterin bei der Barmer GEK in Karlsruhe. Ihren Traum Primaballerina zu werden, konnte sie nicht realisieren. Sie sprang aber 1985 so weit wie keine Frau vor ihr und möchte jetzt das 100. Lebensjahr gesund erreichen.

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ERIKA FIXErika Fix kam als vierjährige Russlanddeutsche aus Kabardino-Balkarien, einer Republik im Nordkaukasus, nach Deutschland. In ihrem ersten Be-ruf im Verwaltungsdienst wurde sie nicht glücklich. Sie kam vor 8 Jahren an die Pädagogische Hochschule Karlsruhe und ist jetzt Realschullehre-rin. Von ihrem Küchenfenster schaut sie auf Birken, wie im Kaukasus.

FRANK FREDENach dem Studium wollte Frank Frede nach Berlin: Er hatte an der Staat-lichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe Freie Kunst studiert und fand in der Hauptstadt die richtigen Impulse. Vor fünf Jahren zog er aber zu seiner Freundin zurück nach Karlsruhe. Bis zum Sommer unter-richtet er Kunst an einer Schule in Bruchsal.

THOMAS FISCHERMit sechs Jahren hatte Thomas Fischer eine Nahtoderfahrung. Seine Laufbahn begann er als Klimahandwerker und Speditionskaufmann. 1999 machte er sich in der Internetbranche selbständig. Der Markt war noch nicht reif, und nach sechs Monaten ging er wieder in den Lohndienst. In der Druckerbranche war er erfolgreicher: Er hat heute drei Mitarbeiter.

JÜRGEN DÜRMEIERAn der Pädagogischen Hochschule studierte Jürgen Dürmeier auf Lehramt und ging als Assistent an die Universität Bern. Leider brachte ihm die Schul- und Universitätswelt wenig Gegenliebe entgegen. Also machte er sich als Werbetexter selbständig. Der Südweststädter reiste zweimal nach Buenos Aires, nur um Tango zu tanzen.

ANDREAS GALANDEREin Freund empfahl den Karlsruher 1991 als Techniker ans STAATSTHEATER. Er wollte nur ein paar Wochen aushelfen, da er vorhatte, seine Weltreise in Südostasien fortzusetzen. Doch er blieb und arbeitet seitdem im KLEINEN HAUS. Mit Kollegen gründete der Gitarrist die Cover-Band „Small House Sucks“. Diesen Sommer fährt er mit seiner Tochter nach Thailand.

MONICA EISENBRAUNMonica kommt aus Poughkeepsie. Die Stadt am Hudson liegt 140 km nördlich von New York. Sie studierte Haushalts- und Ernährungswissen-schaften in Mönchengladbach. Jetzt wohnt die Oekotrophologin in der Sophienstraße. Ihre warme Stimme setzt sie gern im Chor ein.

THOMAS GEISSThomas Geiss arbeitet als Verwaltungswirt bei der Stadt Karlsruhe, hat aber Vollzeit mit der Organisation der European Juggling Convention zu tun. Im Sommer 2015 werden bei diesem weltweit größten Jongliertref-fen einige Tausend Artisten eine Zeltstadt in der Günther-Klotz-Anlage ihr Zuhause nennen. Wenn Thomas selber auftritt, heißt er Tassilo Timm.

Philipp Lorch

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MAREN HOCHGESANDIm Orchester, in der Band oder mit der Familie: Musik ist das halbe Leben von Maren Hochgesand, die Klavier, Gitarre und Klarinette kombiniert. Vor allem die Klavierstücke von Chopin mag sie. Die junge Frau aus Hochstetten studiert Musikjournalismus. In ihrer Vierer-WG in der Ost-stadt stört sie der zu schmale Küchentisch.

JOHANNES HUSSJohannes Huß wohnt bei seinen Eltern in Stutensee. Mit 16 begann er eine Ausbildung zum Justizfachangestellten und lernte, in Hochge-schwindigkeit Schreibmaschine zu schreiben. Nun führt er bei Prozessen am Karlsruher Amtsgericht Protokoll. Einmal begegnete er sogar einem früheren Klassenkameraden auf der Anklagebank.

THOMAS HEINTZMANNThomas Heintzmann hat in Karlsruhe studiert, aber keinen Abschluss erreicht. Als technischer Redakteur arbeitet er mit Eveline Schlachter im Rheinhafen. Die Ehen des vierfachen Vaters wurden nach 4 und 18 Jah-ren geschieden, aber er ist grade frisch verliebt. Mit seinen Modellautos hat er viele Preise gewonnen.

JUTTA GEMEINHARDTDie Karlsruherin heiratete vor fast dreißig Jahren einen Belgier. Der Ein-fachheit halber wollte sie die belgische Staatsangehörigkeit annehmen. Doch es musste gerichtlich festgestellt werden, ob sie nicht in einer Scheinehe lebte. Sie bestand die Prüfung und bekam den Pass sowie später einen Sohn. Heute leben die drei in der Weststadt.

GÜLAY İŞCAN-PİLİÇVor 30 Jahren übersiedelten die Eltern von Gülay İşcan-Piliç von der Türkei nach Karlsruhe. In der neuen Heimat wurde ihre Tochter geboren. Sie studierte auf Lehramt und unterrichtet jetzt Deutsch und Mathematik an der Pestalozzischule. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann und Sohn in Durlach.

OTTO-HEINRICH GRUSCHWITZDer Durlacher wurde 1934 geboren. Er ist somit der älteste Teilnehmer von 100 Dokumente. Im Krieg verlor er seine Mutter und kam in ein Pflegeheim. Er wurde Bäcker, musste aber 45jährig wegen einer Mehlallergie den Be-ruf aufgeben. Daraufhin studierte er Theologie und arbeitete als evangeli-scher Diakon. Infolge des Wechsels bezieht er nur eine kleine Rente.

JULIA JÄGERNach dem Abitur zog es Julia Jäger aus Künzelsau in die weite Welt, um ein Praktikum an der Deutschen Privatschule Omaruru in Namibia zu machen. Später kehrte sie nach Afrika zurück, diesmal mit ihrem Ab-schluss als Ergotherapeutin in der Tasche. Sie fand es schwer, sich dort zu integrieren, und arbeitet jetzt in einer Praxis in Karlsruhe.

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SOLMAZ KESHAVARZISolmaz Keshavarzi wuchs mit vier Schwestern in Teheran auf. Ihre Mut-ter ist Krankenschwester, ihr Vater Arbeiter: „Eine ganz normale Familie also!“ In ihrer Heimatstadt hat sie Malerei studiert. Vor vier Jahren kam sie nach Karlsruhe, um an der Hochschule für Gestaltung in Kunstge-schichte zu promovieren. Danach will sie als Kuratorin im Iran arbeiten.

ALEXANDER KISTDer Südbadener kam für sein Rechtsreferendariat nach Karlsruhe. Eigentlich wollte er Richter werden, doch der junge Familienvater stellte fest, dass die Rolle des Rechtsanwalts ihm besser passt. Seine Oma wür-de ihm gerne einen Arzttisch vererben, aber das Prunkstück passt nicht in seine Kanzlei.

ALI KARASUNachts arbeitet Ali Karasu als Wächter in der Flüchtlingsunterkunft in der Sophienstraße. Er lebt seit seiner Scheidung allein in Karlsruhe. Seine Eltern kamen als Gastarbeiter nach Deutschland, überlegen aber, zurück in die Türkei zu ziehen. 1998 wurde Alis Bruder dorthin abgescho-ben.

IBADETE KADRIJAJAls kleines Kind kam sie mit ihren Eltern vom Kosovo nach Niedersachsen. Nach dem Tod ihrer Eltern zog sie nach Berlin, schlug sich mit Nebenjobs durch, um dann an der Schauspielschule ihr Talent zu entdecken. Sie spielt und unterrichtet jetzt u. a. beim Werkraum in der Südstadt. Wenn sie nicht grade mit ihren Freundinnen feiern geht, joggt sie im Oberwald.

FRIEDRICH KLAPPENBACHFiete Klappenbach wechselte von Heidelberg nach Karlsruhe, um am KIT eine Promotionsstelle in der Klimaforschung anzutreten. Im April 2014 führte er Experimente auf dem Forschungsschiff Polarstern durch. Nach einem Monat auf dem Atlantik genießt er den festen Boden seiner Karlsruher WG. Eines Tages möchte er in der weltbesten Fachzeitschrift „Nature“ publizieren.

SUSAN KAMBECKIhre Karriere begann Susan Kambeck in der Tabakbranche: Als Einkäuferin besuchte sie jahrelang Händler und Plantagen in ganz Europa. Heute arbei-tet die zweifache Mutter mit ihrem Ehemann in der gemeinsamen Filmpro-duktionsfirma in Grünwinkel. Auch wenn sie täglich 20 Minuten staub-saugt, ihren Putzfimmel bekommt sie noch immer nicht unter Kontrolle.

ARNO KOHLEMVor drei Jahren zog Arno Kohlem von Freiburg nach Karlsruhe. Der Neuankömmling gründete zusammen mit einer Texterin aus der Schweiz ein Blog, auf dem sie besondere Geschäfte oder Lokale vorstellen. Seine langjährige Freundin musste sich an den Bart gewöhnen, den er sich für die Aufführungen wachsen ließ.

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URSULA LEUCHTE-WETTERLING„Ich komme aus einem fernen Land“, sagt die Sozialgerontologin: 1984 erhielt sie die langersehnte DDR-Ausreisegenehmigung. Ihre Stelle als Leh-rerin hatte sie da wegen mangelnder Linientreue längst verloren. Nach der Wende sah sie ihre 4000seitige Stasiakte ein und staunte über die staatli-che Exegese ihrer Briefe. Heute wohnt sie in einem Hermann-Billing-Bau.

CAROLINE LÖFFLERCaroline Löffler ist die jüngste von Zweien. Sie geht in die 5. Klasse der Realschule Karlsbad und liest am liebsten die Bücher aus der Serie Pony-hof Liliengrün. Reiten und Voltigieren tut sie auch im echten Leben. Sie kann sich vorstellen, später auf einem Bauernhof zu leben.

YELITZA LAYADie Venezolanerin verliebte sich als 23jährige Buchhalterin in einen Deutschen. Sie zog zu ihm nach Karlsruhe und studierte sechs Semester Volkswirtschaftslehre in Heidelberg. Nach neun Jahren wurde die Ehe geschieden, aber Yelitza ist sich jetzt sicher, in Deutschland bleiben zu wollen. In der Band „Caramelo“ singt sie die Musik ihrer ersten Heimat.

KARIN KRAUSSKarin Krauss ist gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau. Ende der 80er setzte sie sich als Telefonberaterin für die AIDS-Hilfe Karlsruhe ein. Sie wurde in den Vorstand gewählt und leitete den Verein viele Jahre als Geschäftsführerin. Sie wäre gern Ärztin geworden.

KATHARINA LÖFFLER1996 zog Katharina Löffler zu ihrem Freund nach Karlsruhe. Heute sind sie verheiratet und leben mit Sohn und Tochter in Karlsbad. Katharina genießt jeden Moment der Stille und fährt deswegen lieber mit dem Auto als mit der S-Bahn in die Stadt. Sie arbeitet als selbständige Werbetex-terin von Zuhause aus.

GABRIELA LANGGabriela Lang wurde in Stuttgart geboren. Als Kind wollte sie Schrift-stellerin werden, machte aber aus einer anderen Leidenschaft ihren Beruf: Sie ist Tänzerin und Choreografin. Ihr Traum wäre es, 1000 Karls-ruher in einer Open-Air-Gruppenchoreografie anzuleiten.

PHILIPP LORCHAm liebsten hält Philipp Lorch sich im Wald auf, aber auch Kajakfahren und Surfen gehören für ihn zu einem perfekten Tag – leider nicht immer möglich in Karlsruhe. Er träumt davon, eines Tages mit Frau und Kind nach Alaska auszuwandern. Ein Dreamteam bildet er mit seinem Vierbei-ner Lennox, der ihn auf dem Skateboard durch die Südstadt zieht.

Alexander Kist

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HANJA MARTÉSHanja Martés kam für ihr Malereistudium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste nach Karlsruhe. Die gebürtige Hamburgerin vermisst hier vor allem den Regen. Vor vier Jahren lernte sie Jera Diarc kennen, mit dem sie auf der Bühne von der Besetzung eines Apple-Stores berichtet. Diesen Sommer machen sie ihren ersten Urlaub seit vier Jahren.

NADINE MONDRYVor eineinhalb Jahren verließ Nadine Mondry ihre Heimat Berlin, um in Karlsruhe eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen. Ohne Kaffee schafft sie es nicht auf die Arbeit. Sie hatte mit mehreren Liebeskrisen zu kämpfen, aber vor allem der Tod ihres Vaters war ein einschneidendes Ereignis. Nadine bezeichnet sich als Hedonistin.

ELENA MAMCHURSeit zwei Jahren wohnt Elena Mamchur in Karlsruhe. Anfangs fand die Russin es schwer, sich in der deutschen Gesellschaft zu integrieren, zumal sie als studierte Sozialarbeiterin keinen Job fand. Jetzt macht sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin in Rastatt. Wenn sie fertig ist, möchte sie in einem Wohnheim für behinderte Kinder arbeiten.

SANDER LYBEERSander Lybeer ist noch Schüler, aber den Jakobsweg ist er bereits vier Mal gegangen. Einmal pilgerte er mit seiner Mutter Jutta Gemeinhardt. Doch auch alleine machte der 18-Jährige sich schon auf den Weg ins nordspanische Santiago de Compostela. Er erreichte jedes Mal das Ziel, doch der Religion ist er dadurch nicht näher gekommen.

AXEL MÜLLERAxel Müller kommt aus Wermelskirchen im Bergischen Land. Er studierte Geologie und spezialisierte sich auf den Wasserhaushalt. Mittlerweile arbeitet er beim Technologiezentrum Wasser in Hagsfeld. Vor 14 Jahren heiratete er Hiltrud Saumer. Sie leben zusammen mit den beiden Töch-tern Marie und Johanna Saumer in der Weststadt.

GERHARD MAIERGerhard Maier kommt aus Königshütte, heute Chorzów in Schlesien. 1950, da war der Vater noch in Kriegsgefangenschaft, musste er mit der Mutter und den beiden Brüdern die Heimat verlassen. 1980 war der Bartträger bei Freunden auf Kreta zu Gast. Dort schenkte er einer Frau seine besondere Aufmerksamkeit: Seit dem Tag ist er mit der Karlsruherin zusammen.

SEBASTIAN NITKAEr wurde in Oberschlesien geboren und zog für sein Architekturstudium nach Deutschland. Nachdem er in Karlsruhe seinen Abschluss gemacht hatte, erhielt er ein Jobangebot aus der Schweiz. Er kam mit den Kolle-gen nicht klar und kündigte die Stelle nach nur wenigen Monaten. Jetzt arbeitet er in einem Büro in der Weststadt und entwirft Haltestellen.

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PHILIPP RAUTZENBERGPhilipp Rautzenberg machte eine Ausbildung zum Erzieher in Bühl und fand vor zweieinhalb Jahren in Karlsruhe Arbeit. Mit Musik beschäftigt er sich schon seitdem er 10 war: als Straßenmusiker, in einer Band, als Hip-Hop-Produzent. Mit seiner Freundin gründete er das Label „Niller Records“. Wenn er auflegt, dann nur als „Rautzi“ und nur mit Vinyl.

ULRICH ROTHWEILERNach einer Lehre als Siebdrucker und Gemälderestaurator zog der Karls-ruher nach München, um das Restaurieren von Möbeln zu lernen. Er sang in einer Jazzband und war parallel in der Münchner Punkszene unterwegs. 1992 kam er als Aushilfskraft zur Beleuchtung des KLEINEN HAUSES. Er ist seit 20 Jahren Bühnentechniker und spielt in der Band „Small House Sucks“.

MARTIN PÖLLAuf dem Hof in Südtirol ist die Landwirtschaft für Martin Pöll und seine 11 Geschwister Alltag: Sie helfen den Eltern mit dem guten Dutzend Kühe und auf dem Acker. Martins Vater ist gelernter Holzbildhauer, und diese Leidenschaft vererbte er seinem Sohn. Der studiert jetzt an der Kunst-akademie Bildhauerei.

THOMAS GEORG PFANNERTom Pfanner wuchs mit einem Bruder in Vorarlberg und England auf. Vor zwei Jahren kam er nach Karlsruhe, um Kunst- und Kulturmanagement zu studieren. Ganz fremd war es hier nicht für ihn, denn seine deutsche Großmutter hatte ihren badischen Akzent nie abgelegt. Für seinen Ex-Freund komponierte er ein Klavierstück.

QWQWI2010 wurden die HfG-Studenten Frank Bierlein, Lukas Fütterer, Andy Goralczyk und David Loscher vom Goethe-Institut in Shanghai zu einer Konzertreise eingeladen. 2012 trat Pia Matthes der Gruppe „qwqwi“ bei. Bei 100 Dokumente treten die Soundkünstler ohne Andy Goralczyk aber mit ihrem Kommilitonen Markus Zielke auf.

CAROLINE-SOPHIE PILLINGIm Kino Schauburg jobbt Caroline Pilling für ihr Kunst- und Kulturmana-gementstudium an der Karlshochschule. Die dreizehnjährige Dauerkrise ihrer Schulausbildung hat sie damit endlich überwunden. Die leiden-schaftliche Akrobatin würde gerne ein Jahr in einem fahrenden Zirkus arbeiten.

HILTRUD SAUMERBereits als Kind konnte Hiltrud Saumer ihren Vornamen nicht leiden. Als sie elf war, trug sie auf einer Karnevalsfeier eine Matrosenmütze, auf der in großen Lettern „Jimmy“ stand. Seitdem trägt sie diesen Spitznamen mit Stolz. Jahre später studierte sie am KIT Chemie und gründete mit Axel Müller eine vierköpfige Familie.

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MARTIN SCHEFFERSeit er 14 ist, spielt Martin Scheffer Musik. Angefangen hat er als Gitar-rist und Bassist. Er singt am liebsten Songs von „The Cure“, „R.E.M.“ oder Neil Young, wenn er nicht als Techniker im KLEINEN HAUS arbeitet. Neulich gründete er mit seinem Kollegen Andreas Galander eine Band – bislang ohne Namen.

JENNIFER C. SCHEYDTDer Jugendtraum der Saarländerin war es, Astronautin zu werden. Mit diesem Wunsch schrieb sie einen Brief an den Shuttlepiloten Paul F. Wetzel und bekam zu ihrer eigenen Überraschung eine Antwort samt Autogrammfoto. Ihre Leidenschaft für Technik ist bis heute ungebrochen: Die junge Mutter arbeitet als Betontechnologin bei HeidelbergCement.

MAYRA SCHEFFELMayra Scheffel wurde in Brasilien geboren, kam aber schon im Alter von drei Jahren nach Deutschland. Sie arbeitet als Lektorin und Übersetzerin für Englisch, Portugiesisch und Spanisch. Bis heute bereut sie es, für ein Praktikum in Madrid, dem Wohnort ihres damaligen Freundes, ein Volontariat im Suhrkamp Verlag abgelehnt zu haben.

JOHANNA SAUMERJohanna Saumers Familie hat vor drei Monaten Zuwachs bekommen: Ne-ben Mama Hiltrud Saumer, Papa Axel Müller, Schwester Marie Saumer und den drei Hasen zählt die rumänische Hündin Lucy jetzt zum Haushalt. Damit ging ein langgehegter Wunsch in Erfüllung.

EVELINE SCHLACHTERNach der Scheidung ihrer Eltern wollte Eveline Schlachter nichts wie weg aus dem Schwarzwald. Ein kleiner Kulturschock blieb der Südbade-nerin in Karlsruhe nicht erspart. Sie studierte auf Lehramt, machte sich aber mit Thomas Heintzmann selbständig als technische Redakteurin. Sie wäre gern Archäologin geworden.

MARIE SAUMERMarie Saumer redet den ganzen Tag. Sogar wenn sie eigentlich Zähne putzen soll, kommt es vor, dass sie mit der Bürste im Mund kichernd durch die Wohnung rennt. Den Konflikten mit ihrer Schwester Johanna geht Marie aus Prinzip nicht aus dem Weg. Den Auftritt im Theater mit ihrer Meerjungfrauenflosse sieht sie als Sprungbrett für eine Rolle im Film.

CAROLINE SCHNAPPEine Freundin von Caroline Schnapp hatte versucht, ihren Freund zu ver-führen, was dazu führte, dass die Freundschaft beendet wurde und jeder Single war. Sie fuhr für 18 Monate nach Istanbul, unterrichtete Deutsch, verliebte sich und steht heute an einem Scheidepunkt ihrer Fernbezie-hung. Wenn sie nicht Rennrad fährt, singt Caroline bei den „Vo:caleras“.

Johannes Huß

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JULIA SINNERJule Sinner kam 2005 nach Karlsruhe, um Kunst zu studieren. Jedes Mal, wenn sie Zigarrenrauch einatmet, erinnert die Künstlerin sich an ihre ersten Lebensjahre in den Vereinigten Staaten. Heute macht sie den Auslandsvertrieb für einen Parfümeur aus Bulach, ist aber auch im Atelier anzutreffen.

FIRAS SKANDRANIFiras Skandrani ist in Karlsruhe geboren, aber er verbindet tunesische mit französischen Wurzeln. Als im Urlaub ein Dieb ins Auto einbrechen wollte, bekam er richtig Angst. Mittlerweile ist der Schüler geübt im ko-reanischen Kampfsport Taekwondo. Er lebt zusammen mit seiner Mutter Najoua Benzarti.

SVETLANA SHIBAEVAAn Karlsruhe gefällt Svetlana Shibaeva das dynamische kulturelle Leben. Die vielen jungen Leute erinnern sie an ihre Heimatstadt, die Kultur-metropole Sankt Petersburg. Die Ingenieurin für Wasserwirtschaft hat zwar einen Aufenthaltstitel samt Arbeitserlaubnis. Sie hat es trotzdem schwer, in ihrer neuen Heimat eine Stelle zu finden.

MARTINA SCHÖPPENTHAU1996 zog Martina Schöppenthau nach Karlsruhe „weil es hier wärmer und grüner ist als in Berlin und weil es hier Arbeit für mich gab.“ Jetzt wohnt die Erzieherin in der Südstadt und schaut von ihrem Küchenfens-ter auf die Bäume im Innenhof. Eines Tages möchte Martina an einen Ort verreisen, wo niemand sie kennt.

MARGOT STEINMETZMargot Steinmetz war Verwaltungswirtin und musste aus gesundheit-lichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand gehen. Die leidenschaftliche Zitherspielerin nimmt sich jetzt die Zeit für ihr Instrument und für Boule-partien am Schloss. Sie bedauert es, noch immer keinen Volkswagen Campingbus zu besitzen.

MARCEL SEEKIRCHEREr arbeitet als Sozialpädagoge bei der Stadt Karlsruhe. Dort übernimmt er die Leitung von Jugendprojekten. Er liest gerne Science-Fiction-Ro-mane. Seine größte Krise bisher war die harte Trennung von einer Frau, die er sehr liebte. Manchmal verheddert er sich beim Diskutieren: Dann nimmt er nur um der Diskussion willen abwegige Standpunkte ein.

TATJANA STÜRMERAnfang 2014 brauchte Tatjana Stürmer eine neue Bleibe. Hannah Cooke, die von Gerardo Naumann die Aufgabe bekommen hatte, über ausgehängte Zettel jemanden für 100 Dokumente zu engagieren, fand ihr Wohnungsge-such in der Stadtbibliothek. Wenn Tatjana morgens aus dem Fenster schaut, sieht sie ihren Nachbarn frühstücken: mit T-Shirt, aber ohne Unterhose.

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ARNDT ZIMMERMANNMit Frau und Kind lebt Arndt Zimmermann seit 2010 in Karlsruhe. Im Innenhof ihrer Mehrfamilienwohnung baut der Hobbykoch sein eigenes Gemüse an. Seinen Beruf übt Arndt am Zirkel aus: Er ist Richter am Amtsgericht. Den Ausgleich zu den Verbalattacken in den Verhandlun-gen findet er in der japanischen Kampfkunst Aikidō.

KATHARINA WOLLE„Ein Mann, zwei Kinder, eine Katze“, so beschreibt Katharina Wolle ihren Haushalt. Die gebürtige Berlinerin kam vor 12 Jahren nach Karlsruhe um Kunst zu studieren, gründete eine Familie und blieb. Sie hat gelernt, ihre Träume zu lenken. Die Oneironautin (Traumreisende) hält in ihrem Traum-tagebuch mehr als 5000 Träume fest.

SEMRA WANGLERSemra Wangler hat eine Kanzlei mit Schwerpunkt Jugendstrafrecht, da-neben berät sie Jugendliche ehrenamtlich. Ihre neuen Mandanten sind oft Kumpels von Jugendlichen, die sie bereits verteidigt hat. Nach einer Verhandlung fragte Gerardo Naumann sie, ob sie auch auf der Bühne einen Angeklagten verteidigen wollte.

SILVIA SZILLATSilvie Szillat ist verheiratet und hat zwei Kinder. Als ihr Sohn anfing, Post-Metal auf seiner Gitarre zu spielen, brauchte sie eine Weile, um sich an die laute Musik zu gewöhnen. Die Zahnarzthelferin hat eine Leidenschaft fürs Renovieren und Gärtnern. Einen Tick wird sie nicht los: Solange dreckiges Geschirr in der Küche rumsteht, fängt sie nicht an zu kochen.

TIM WÖRLETim Wörle wuchs mit einer Schwester in einem nicht sehr gläubigen Elternhaus auf. In der Pubertät fing der Ettlinger an, sich für Religion zu interessieren. Er setzte durch, dass Zuhause vor dem Essen gebetet wird. In seiner Freizeit engagiert sich der Bauingenieurstudent beim Christlichen Verein Junger Menschen.

LUISE VOSSNach langer Zeit im Norden lebt Luise Voß seit 1980, dem Jahr ihrer Scheidung, wieder an ihrem Geburtsort Karlsruhe. Mit ihrer Partnerin Margot Steinmetz wohnt sie in der Waldstadt. Die zweifache Mutter träumt von Tauchgängen im Korallenriff, ist aber eher im Hardtwald unter alten Bäumen anzutreffen.

KEMAL YILDIRIMKemal Yıldırım ist Kurde. Deswegen wurde er als ehrgeiziger junger Mann vor dreißig Jahren bei der Stadtverwaltung in Araban entlassen. Er versuchte sein Glück als Student in der Schweiz, kehrte aber in den 90ern in die Türkei zurück. Als erfolgreicher Geschäftsmann bekam er ein Arbeitsvisum für Deutschland. Er entschied sich zu bleiben.

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BONN PARK Regie

1987 in Berlin geboren, wuchs Bonn Park in Berlin, Korea und Paris auf. Neben dem Stu-dium der Slawistik an der Humboldt-Univer-sität arbeitete er als Regisseur und Autor beim Jugendtheater P14 an der Volksbühne Berlin. Dort hatte auch sein in New York und Berlin gedrehter Film Walburga Pre-miere. Von 2010 bis 2014 studierte er Sze-nisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Sein erstes abendfüllendes Stück, Die Leiden des jungen Super Mario in 2D – erster Teil der Superstartrilogie Gut&Böse, gewann 2011 den Innovations-preis des Heidelberger Stückemarkts. Im gleichen Jahr kam am STAATSTHEATER KARLSRUHE das Auftragswerk 2289: Johnny Kilometà und die Beerdigung von Faust beim Dramatikerfestival Stadt der Zukunft zur Uraufführung. In der Spielzeit 2014/15 inszeniert Mina Salehpour sein neuestes Stück Traurigkeit & Melancho-lie – oder der aller aller einsamste George aller aller Zeit am Theater Bonn.

GERARDO NAUMANN Autor & Regie

Der Regisseur, Filmemacher und Autor Gerardo Naumann, geboren 1974 in Buenos Aires, stammt aus einer deutsch-argentini-schen Familie. 2010 entwickelte er die Vor-stellung Die Fabrik, in der Werksmitarbeiter während der Arbeit in ihren beruflichen Alltag einführen. Dieses Konzept setzte er u. a. in einer Waffelfabrik in Indien, einer Druckerei in Singapur und einem Merce-des-Werk in Berlin um. Bei Una obra útil (Ein nützliches Stück) rekonstruierten 2008 zwei Schauspieler und zwanzig Statisten den Inhalt eines im Müll gefundenen Tage-buchs. Für das Schauspiel Hannover ließ er 2012 in Die Aufführung das Theater und seine Mitarbeiter selbst zum Gegenstand seiner Inszenierung werden. Zusammen mit Nele Wohlatz drehte er in einer deutschen Kolonie im Norden Argentiniens den preis-gekrönten Dokumentarfilm Ricardo Bär. Er erhielt Lehraufträge an der norwegischen Akademi for Scenekunst und an der Staatli-chen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe.

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FREDERIK TIDÉN Regie

Frederik Tidén, 1987 in Stockholm geboren, studierte Theaterregie an der Otto-Falcken- berg-Schule in München und an der Zür-cher Hochschule der Künste. Bereits wäh-rend des Studiums realisierte er Projekte an den Münchner Kammerspielen, bei der Young Actors Week in Salzburg, beim Heidelberger Stückemarkt und in Mexiko. 2011 war er mit Schuld und Sühne nach Dostojewski zum Körber Studio Junge Regie nach Hamburg eingeladen. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE inszenier-te er im gleichen Jahr die Uraufführung von Rike Reinigers Zigeuner-Boxer. Das Stück über Johann Trollmann, Sinto und Boxer im Dritten Reich, wurde im An-schluss auf Festivals wie Kaltstart Ham-burg und Kaas & Kappes Duisburg gezeigt. Am Theater Münster inszenierte er Der Wind macht das Fähnchen von Philipp Löhle und zuletzt unter dem Titel I Can‘t Imagine Tomorrow drei Einakter von Tennessee Williams.

JAKOB WEISS Regie

Jakob Weiss, Jahrgang 1984, arbeitete als Bühnenbildner an der Schaubühne Berlin, am Staatstheater Stuttgart und am Theaterdiscounter Berlin. 2010 gab er am Berliner Theater im Kino sein Regiedebut mit Juli von Iwan Wyrypajew. Seit 2011 inszeniert er am Schauspiel Hannover. Dort folgten auf Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahr-tausends von PeterLicht mit Delhi, ein Tanz ein weiteres Stück von Iwan Wyry-pajew und mit Das Scheining nach Stanley Kubrick eine Filmbearbeitung. Am Berliner Ballhaus Ost brachte er Zusammenstoß – Voraussichtlich groteske Oper für den Weltuntergang von Kurt Schwitters auf die Bühne. Dort eröffnet er im Herbst 2014 als Teil des Kollektivs „SUPERzusammen-hang“ das mehrjährige Episodenprojekt Superpolis. Arbeiten von Jakob Weiss wurden eingeladen zu Festivals wie Kalt-start Hamburg und 100° Berlin.

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SEBASTIAN HANNAK Bühne & Kostüme

Sebastian Hannak studierte Bühnen- und Kostümbild in Stuttgart bei Jürgen Rose und Martin Zehetgruber. Während des Studiums war er Assistent und Mitarbei-ter u. a. bei Klaus-Michael Grüber, John Neumeier und Johann Kresnik. Er arbeitete mit Regisseuren wie Christof Nel, Michael von zur Mühlen, Simon Solberg, Thomas Krupa und Florian Lutz. Bühnenbilder von ihm wurden zum Raum des Jahres nomi-niert und ausgestellt, u. a. auf der Prager Quadriennale 2007. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE entwarf er die Bühne für Mar-tin Nimz‘ Inszenierung Jakob der Lügner, Tim Plegges Ballett Momo, sowie 2013/14 für den Ballett-Abend Mythos. Das Bühnen-bild von 100 Dokumente ist eine Weiter-entwicklung seines Entwurfs für Gas I & II von Georg Kaiser. Zum Spielzeitauftakt 2014/15 stattet er die Romanbearbeitung von Hesses Glasperlenspiel im KLEINEN HAUS aus.

JOHANNES FRIED Mitarbeit Bühne & Kostüme Johannes Fried assistierte im Mai 2013 Sebastian Hannak bei Gas I & II von Georg Kaiser in der Regie von Hansgünther Heyme, einer Koproduktion des STAATS-THEATERS KARLSRUHE mit den Ruhr-festspielen Recklinghausen. Seit Beginn der Spielzeit 2013/14 ist er fester Bühnen-bildassistent in Karlsruhe. Er arbeitete mit Künstlern wie Frank Philipp Schlößmann und Ralf Käselau in der Oper sowie Christine von Bernstein und Flurin Borg Madsen im Schauspiel zusammen. Zur Eröffnung der Karlsruher Literaturtage 2013 gestaltete er im KLEINEN HAUS die Bühne für den Kampf der toten gegen die lebenden Dichter im Poetry Slam – Dead or Alive.

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INES WUTTKE Co-Dramaturgie & Rechercheleitung Ines Wuttke, geboren 1984 in München, studierte Medienkunst, Szenografie und Kunstwissenschaft in Karlsruhe und Zü-rich. 2013 wechselte sie ans Institut für Angewandte Theaterwissenschaften in Gießen. Während des Studiums arbeitete sie u.a. mit Dominic Huber, Beatrix von Pil-grim und Andreas Liebmann. 2012 wurde sie für eine Einzelausstellung im Bahnwär-terhaus der Villa Merkel nach Esslingen eingeladen. Als Teil des Performance-Kollektivs „Rattehawaii“ war sie 2013 beim Festival Frauenperspektiven vertreten. Zuletzt realisierte sie mit Strategien des Zuschauens ein Stadtraumprojekt auf der Karlstraße. Im Rahmen der Reihe Südbüh-ne für alle des Theaterhauses Gessneral-lee ist ihre ortsspezifische Performance Spiel und Ritus im Juli 2014 in Zürich zu sehen.

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IMPRESSUM

HERAUSGEBER BADISCHES STAATSTHEATERKARLSRUHE

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REDAKTIONMichael Nijs

KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net

GESTALTUNG Danica Schlosser

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BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE 13/14Programmheft Nr. 182www.staatstheater.karlsruhe.de

Silvia Szillat

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