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Fernando Lehner: Der Chef der Matterhorn Gotthard Bahn über vergangene und künftige Herausforderungen der Eisenbahn. Seite 4 Tourismus: Der ehemalige Zermatter Kur- direktor Amadé Perrig lebt für den Touris- mus. Ein Gespräch. Seite 5 Porträts: Die Bahn befördert Tag für Tag Menschen. Touristen, Einheimische, Junge und Alte. Vier Kurzporträts. Seite 7 Nostalgiefahrt: Eine Bahnreise von Visp nach Zermatt in historischen Bildern. Mit Halt an fast allen Stationen. Seite 8 Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.ch Jubilaumszeitung Spezialausgabe 125 Jahre Bahnstrecke Visp– Zermatt Am 18. Juli 1891 wurde die 35 km lange Gesamtstrecke der Visp - Zermatt -Bahn eröffnet. 125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt Fortsetzung nächste Seite >> JUBILÄUMSPROGRAMM Seien Sie dabei! Das Jubiläum wird am Freitag, 22. Juli 2016, in Zermatt auf der Matterhorn Plaza bei ei- nem öffentlichen Fest mit einem bunten mu- sikalischen Programm und dem Auftritt von «Trauffer der Alpentainer» als Höhepunkt ge- feiert. Essens- und Getränkestände bieten den Besuchern kulinarische Köstlichkeiten. Zudem ist der aus dem Jahre 1910 stammen- de «Steam Pub» ein Bestandteil der Jubiläums- feierlichkeiten. Dafür wurde der Barwagen der ehemaligen BVZ Zermatt-Bahn auf die Matterhorn Plaza transportiert. 15.00 Uhr Musikalische Unterhaltung mit der Oberwalliser Partyband FAB4 17.30 Uhr Auftritt der Zermatter Band WintersHome 19.30 Uhr Live-Konzert von Trauffer der Alpentainer Extrazug: 23.00 Uhr ab Zermatt nach Visp/ Brig mit Halt an allen Stationen! Reisen damals, reisen heute Vor 125 Jahren fuhr der erste Zug von Visp nach Zermatt. Die Bahn hat das Tal verändert und geöffnet. Vor 1891 war es schwer hinein- und hinauszukommen. Für Fremde wie für Einheimische. G oethe kam nicht. Miss Jemima Morrell auch nicht. Beide liessen Matterhorn und Zermatt auf ihren Reisen durch das Wallis rechts liegen. Miss Morrell, eine Ban- kiers-Tochter aus Yorkshire, buchte 1863 in London bei Thomas Cook die erste Pauschal- reise, die der britische Reiseveranstalter mit Ziel Schweiz organisiert hatte: Drei Wochen Wal- lis, Berner Oberland, Luzern und Rigi für 19 Pfund, 17 Schilling und Sixpence. Warum war in dieser «First Conducted Tour» Zermatt nicht enthalten? – Ganz einfach: Das Dorf und sein Berg waren vom Gruppentourismus noch nicht entdeckt, weil weder eine kutschentaugliche Fahrstrasse noch eine Eisenbahn in das Mat- tertal hinaufführten. Ohne Verkehrsverbindung keine Reisegruppen. Und wie sah es bei Johann Wolfgang von Goethe aus? Er bereiste die Schweiz dreimal als Individualtourist mit kleiner Entourage (ein, zwei deutsche Begleiter und lokale Füh- rer). Goethe besuchte dabei oft Täler und Ort- schaften, die wenig begangen wurden. Auf sei- ner zweiten Schweizer Reise im Jahre 1779 ritt der 30-jährige Dichter, Geheimrat und Minister aus dem Herzogtum Sachsen das Rhonetal auf- wärts. Er war von Genf über Chamonix nach Martigny gekommen. Im gebirgigen Grenz- gebiet traf er überraschend auf bewaffnete Schmuggler, die einen Warnschuss abgaben, um deutlich zu machen, wer hier das Sagen hatte. Mag sein, dass es deshalb Goethe nach diesem Schreck in Martigny doppelt behagte. Dort, im Grand-Maison, wo nur zahlungskräftige Frem- de nächtigten, liess er sich mit 29 Gängen und guten Weinen verköstigen. Dem Dichterfürsten aus Weimar standen auf seinen Reisen viele Tü- ren offen. Gut möglich, dass ihm der berühm- te Naturforscher Horace Bénédict de Saussure, den er 1779 in Genf besuchte, von den Vispertä- lern, von Zermatt und vom Matterhorn erzählte. Matterhorn, Monte Rosa, Gornergrat und all die vielen Viertausender um Zermatt faszinierten de Saussure ein Leben lang. Das Klein Matterhorn hatte er als Erster bestiegen. Doch für Goethe war die Kletterei aufs «Horu» und andere Zermatter Viertausender nichts. Er reiste umsichtig und ging keine unvernünftigen Risiken ein. Zudem war er 1779 spät dran. Die warmen Herbsttage waren längst vorbei. Der Oktober neigte sich dem Ende zu. Noch im November wollte Goethe über den Furkapass und durch die Schöllenenschlucht nach Luzern gelangen. Bei einem frühen Wintereinbruch wäre ihm, seinen Pferden und seinem Gepäck der Weg über die Furka versperrt. Das wollte er vermeiden. Also kam ein Abstecher nach Zermatt, der ihn zwei Reise- und ein oder zwei Aufenthaltstage gekostet hätte, nicht infrage. Goethe zog von Visp weiter in Richtung Furka. Die Naturforscher kommen Von Visp nach Zermatt gab es noch Jahr- zehnte nach Goethes Schweizer Reisen kei- ne kutschentaugliche Fahrstrasse. Im unteren Talstück, zwischen Stalden und St. Niklaus, war es am engsten und steilsten. Die Vispa schoss dort durch eine wilde, tief eingeschnittene Schlucht. Bis zur Eröffnung der Visp-Zermatt- Bahn im Jahr 1891 war Zermatt nur zu Fuss oder im Sattel eines Maultieres auf einem schmalen Saumpfad zu erreichen. Neun bis zehn Stunden benötigte man von Visp nach Zermatt. Doch nicht immer war der Weg begeh- bar. Überschwemmungen, Rüfen und Lawinen beschädigten den Pfad fast jedes Jahr. Und dennoch besuchten nach 1820 immer mehr Menschen das Vispertal. Es waren Na- turforscher, Geologen, Botaniker, Mineralogen, Landschaftsmaler und Kartografen. Sie brauch- ten nur eine bescheidene Infrastruktur. Ihnen genügte es, wenn sie ein Bett bei einem Dorf- bewohner bekamen. In Zermatt, schon damals der grösste Ort im Tal, gab es bis ins 19. Jahr- hundert hinein nur ein Massenlager für Säumer, die mit ihren Maultieren Waren von Visp her- aufbrachten oder über den Theodulpass nach Süden ins italienische Aostatal zurückkehrten. Ab 1838 liess sich erstmals von einer Herberge sprechen, als der Zermatter Wundarzt Josef Lauber in seinem Haus drei Gastzimmer einrichtete. Wie bescheiden der Fremdenverkehr damals war, zeigt das Gästebuch, das der Zermatter Pfarrer Gottsponer führte. Zwischen 1830 und 1851 übernachteten insgesamt 104 Fremde im Pfarrhaus, darunter einige klingende Namen in- und ausländischer Forscher und Gelehrter. Diese Gäste waren nicht zu unterschätzen. Mit ihren viel gelesenen Berichten und Reisebe- schreibungen machten sie Ort, Tal und Berge in ganz Europa bekannt. Sie sorgten dafür, dass der Fremdenverkehr langsam, aber ste- tig zunahm. Neue Gasthäuser wie das «Monte Rosa» oder das «Mont Cervin» öffneten ihre Türen. Auch in den kleineren Dörfern des Ta- les entstanden Herbergen. Die Zahl der Säu- mer, die ihre Maultiere für den Transport von Gütern und Personen anboten, vermehrte sich. Immer mehr Burschen und Männer offerier- ten in Stalden, St. Niklaus, Randa oder Zermatt den Fremden ihre Dienste als Führer, Träger oder Quartiermacher. Mit ihnen warteten Blu- menmädchen auf die Reisenden und streckten ihnen Sträusse aus Alpenrosen oder blauem Enzian entgegen, gegen Entgelt natürlich. Wie Wespen seien die Maultiertreiber jeweils auf die Fremden zugeschossen, berichtete 1863 Miss Jemima Morrell von ihrer Schwei- zer Reise: «Wir wurden von den aufdringlichen Gesellen buchstäblich belagert, bedrängt und umkesselt.» Das geschah in Weggis. War es in Zermatt anders? Der britische Bergsteiger Edward Whymper beschrieb 1865 eine ähnliche Situation: «An der Mauer vor dem Monte-Ro- sa-Hotel sitzen gewöhnlich zwei Dutzend Füh- rer, gute, schlechte und mittelmässige, Franzo- sen, Schweizer und Italiener. Sie rechnen auf Verwendung und schauen nach Touristen aus, warten auf neue Ankömmlinge und berechnen die Zahl der Franken, die sich ihnen aus der Ta- sche ziehen lässt.» Whymper war es dann auch, der die Entwicklung von Zermatt massgeblich beeinflusste. Seine siebenköpfige Alpinisten- gruppe hatte 1865 das Matterhorn besiegt. Mit seinen 4 478 Metern Höhe hatte der Berg wäh- rend Jahrhunderten als unbesteigbar gegolten. Seine markante Form und die majestätische Al- leinstellung in der Alpenkette verschafften dem Berg eine singuläre Position – bis heute. Doch beim Abstieg

Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 Jubilaumszeitung · 2016. 7. 13. · Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 2 125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt 125 Jahre

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  • Fernando Lehner: Der Chef der Matterhorn Gotthard Bahn über vergangene und künftige Herausforderungen der Eisenbahn. Seite 4

    Tourismus: Der ehemalige Zermatter Kur-direktor Amadé Perrig lebt für den Touris-mus. Ein Gespräch. Seite 5

    Porträts: Die Bahn befördert Tag für Tag Menschen. Touristen, Einheimische, Junge und Alte. Vier Kurzporträts. Seite 7

    Nostalgiefahrt: Eine Bahnreise von Visp nach Zermatt in historischen Bildern. Mit Halt an fast allen Stationen. Seite 8

    Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.ch

    JubilaumszeitungSpezialausgabe 125 Jahre Bahnstrecke Visp– Zermatt

    Am 18. Juli 1891 wurde die 35 km lange Gesamtstrecke der Visp - Zermatt -Bahn eröffnet.

    125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt

    Fortsetzung nächste Seite >>

    JUBILÄUMSPROGRAMM

    Seien Sie dabei!Das Jubiläum wird am Freitag, 22. Juli 2016, in Zermatt auf der Matterhorn Plaza bei ei-nem öffentlichen Fest mit einem bunten mu-sikalischen Programm und dem Auftritt von « Trauffer der Alpentainer» als Höhepunkt ge-feiert. Essens- und Getränkestände bieten den Besuchern kulinarische Köstlichkeiten.

    Zudem ist der aus dem Jahre 1910 stammen-de «Steam Pub» ein Bestandteil der Jubiläums-feierlichkeiten. Dafür wurde der Barwagen der ehemaligen BVZ Zermatt-Bahn auf die Matterhorn Plaza transportiert.

    • 15.00 Uhr Musikalische Unterhaltung mit der Oberwalliser Partyband FAB4

    • 17.30 Uhr Auftritt der Zermatter Band WintersHome

    • 19.30 Uhr Live-Konzert von Trauffer der Alpentainer

    Extrazug: 23.00 Uhr ab Zermatt nach Visp/Brig mit Halt an allen Stationen!

    Reisen damals, reisen heute

    Vor 125 Jahren fuhr der erste Zug von Visp nach Zermatt. Die Bahn hat das Tal verändert und geöffnet.

    Vor 1891 war es schwer hinein- und hinauszukommen. Für Fremde wie für Einheimische.

    Goethe kam nicht. Miss Jemima Morrell auch nicht. Beide liessen Matterhorn und Zermatt auf ihren Reisen durch das Wallis rechts liegen. Miss Morrell, eine Ban-kiers-Tochter aus Yorkshire, buchte 1863 in London bei Thomas Cook die erste Pauschal-reise, die der britische Reiseveranstalter mit Ziel Schweiz organisiert hatte: Drei Wochen Wal-lis, Berner Oberland, Luzern und Rigi für 19 Pfund, 17 Schilling und Sixpence. Warum war in dieser «First Conducted Tour» Zermatt nicht enthalten? – Ganz einfach: Das Dorf und sein Berg waren vom Gruppentourismus noch nicht entdeckt, weil weder eine kutschentaugliche Fahrstrasse noch eine Eisenbahn in das Mat-tertal hinaufführten. Ohne Verkehrsverbindung keine Reisegruppen.

    Und wie sah es bei Johann Wolfgang von Goethe aus? Er bereiste die Schweiz dreimal als Individualtourist mit kleiner Entourage (ein, zwei deutsche Begleiter und lokale Füh-rer). Goethe besuchte dabei oft Täler und Ort-schaften, die wenig begangen wurden. Auf sei-ner zweiten Schweizer Reise im Jahre 1779 ritt der 30-jährige Dichter, Geheimrat und Minister aus dem Herzogtum Sachsen das Rhonetal auf-wärts. Er war von Genf über Chamonix nach Martigny gekommen. Im gebirgigen Grenz-gebiet traf er überraschend auf bewaffnete Schmuggler, die einen Warnschuss abgaben, um deutlich zu machen, wer hier das Sagen hatte. Mag sein, dass es deshalb Goethe nach diesem Schreck in Martigny doppelt behagte. Dort, im Grand-Maison, wo nur zahlungskräftige Frem-de nächtigten, liess er sich mit 29 Gängen und guten Weinen verköstigen. Dem Dichterfürsten aus Weimar standen auf seinen Reisen viele Tü-ren offen. Gut möglich, dass ihm der berühm-te Naturforscher Horace Bénédict de Saussure, den er 1779 in Genf besuchte, von den Vispertä-lern, von Zermatt und vom Matterhorn erzählte. Matterhorn, Monte Rosa, Gornergrat und all die vielen Viertausender um Zermatt faszinierten de Saussure ein Leben lang. Das Klein Matterhorn hatte er als Erster bestiegen.

    Doch für Goethe war die Kletterei aufs «Horu» und andere Zermatter Viertausender nichts. Er reiste umsichtig und ging keine unvernünftigen Risiken ein. Zudem war er 1779 spät dran. Die warmen Herbsttage waren längst vorbei. Der Oktober neigte sich dem Ende zu. Noch im November wollte Goethe über den Furkapass und durch die Schöllenenschlucht nach Luzern gelangen. Bei einem frühen Wintereinbruch wäre ihm, seinen Pferden und seinem Gepäck der Weg über die Furka versperrt. Das wollte er vermeiden. Also kam ein Abstecher nach Zermatt, der ihn zwei Reise- und ein oder zwei Aufenthaltstage gekostet hätte, nicht infrage. Goethe zog von Visp weiter in Richtung Furka.

    Die Naturforscher kommenVon Visp nach Zermatt gab es noch Jahr-zehnte nach Goethes Schweizer Reisen kei-ne kutschentaugliche Fahrstrasse. Im unteren Talstück, zwischen Stalden und St. Niklaus, war es am engsten und steilsten. Die Vispa schoss dort durch eine wilde, tief eingeschnittene Schlucht. Bis zur Eröffnung der Visp-Zermatt-Bahn im Jahr 1891 war Zermatt nur zu Fuss oder im Sattel eines Maultieres auf einem schmalen Saumpfad zu erreichen. Neun bis zehn Stunden

    benötigte man von Visp nach Zermatt. Doch nicht immer war der Weg begeh-bar. Überschwemmungen, Rüfen und Lawinen beschädigten den Pfad fast jedes Jahr.

    Und dennoch besuchten nach 1820 immer mehr Menschen das Vispertal. Es waren Na-turforscher, Geologen, Botaniker, Mineralogen, Landschaftsmaler und Kartografen. Sie brauch-ten nur eine bescheidene Infrastruktur. Ihnen genügte es, wenn sie ein Bett bei einem Dorf-bewohner bekamen. In Zermatt, schon damals der grösste Ort im Tal, gab es bis ins 19. Jahr-hundert hinein nur ein Massenlager für Säumer, die mit ihren Maultieren Waren von Visp her-aufbrachten oder über den Theodulpass nach

    Süden ins italienische Aostatal zurückkehrten.

    Ab 1838 liess sich erstmals von einer Herberge sprechen, als der Zermatter Wundarzt Josef Lauber in seinem Haus drei Gastzimmer einrichtete.

    Wie bescheiden der Fremdenverkehr damals war, zeigt das Gästebuch, das der Zermatter Pfarrer Gottsponer führte. Zwischen 1830 und 1851 übernachteten insgesamt 104 Fremde im Pfarrhaus, darunter einige klingende Namen in- und ausländischer Forscher und Gelehrter. Diese Gäste waren nicht zu unterschätzen. Mit ihren viel gelesenen Berichten und Reisebe-schreibungen machten sie Ort, Tal und Berge in ganz Europa bekannt. Sie sorgten dafür,

    dass der Fremdenverkehr langsam, aber ste-tig zunahm. Neue Gasthäuser wie das «Monte Rosa» oder das «Mont Cervin» öffneten ihre Türen. Auch in den kleineren Dörfern des Ta-les entstanden Herbergen. Die Zahl der Säu-mer, die ihre Maultiere für den Transport von Gütern und Personen anboten, vermehrte sich. Immer mehr Burschen und Männer offerier-ten in Stalden, St. Niklaus, Randa oder Zermatt den Fremden ihre Dienste als Führer, Träger oder Quartiermacher. Mit ihnen warteten Blu-menmädchen auf die Reisenden und streckten ihnen Sträusse aus Alpenrosen oder blauem Enzian entgegen, gegen Entgelt natürlich.

    Wie Wespen seien die Maultiertreiber jeweils auf die Fremden zugeschossen, berichtete 1863 Miss Jemima Morrell von ihrer Schwei-zer Reise: «Wir wurden von den aufdringlichen Gesellen buchstäblich belagert, bedrängt und umkesselt.» Das geschah in Weggis. War es in Zermatt anders? Der britische Bergsteiger Edward Whymper beschrieb 1865 eine ähnliche Situation: «An der Mauer vor dem Monte-Ro-sa-Hotel sitzen gewöhnlich zwei Dutzend Füh-rer, gute, schlechte und mittelmässige, Franzo-sen, Schweizer und Italiener. Sie rechnen auf Verwendung und schauen nach Touristen aus, warten auf neue Ankömmlinge und berechnen die Zahl der Franken, die sich ihnen aus der Ta-sche ziehen lässt.» Whymper war es dann auch, der die Entwicklung von Zermatt massgeblich beeinflusste. Seine siebenköpfige Alpinisten-gruppe hatte 1865 das Matterhorn besiegt. Mit seinen 4 478 Metern Höhe hatte der Berg wäh-rend Jahrhunderten als unbesteigbar gegolten. Seine markante Form und die majestätische Al-leinstellung in der Alpenkette verschafften dem Berg eine singuläre Position – bis heute. Doch beim Abstieg

  • Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.chJubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.ch

    125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt 32

    von Whympers Team stürzten vier Mitglieder in die Tiefe. Whymper und die beiden Zermat-ter Bergführer Taugwalder (Vater und Sohn) überlebten. Das dramatische Geschehen er-regte über Europas Grenzen hinaus Aufmerk-samkeit und machte Ort und Berg auf einen Schlag weltweit bekannt. Mit diesem Ereignis nahm das Wettrennen der Alpinisten nochmals zu. Überall in den Alpen wollten Bergsteiger als Erste auf unbestiegenen Bergen ankommen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts notierte man in den Alpen 210 Erstbesteigungen, in der zweiten bereits 1010. Im Mattertal waren die Erstbesteigung des Matterhorns sowie die Er-öffnung der Visp-Zermatt-Bahn im Jahre 1891 ausschlaggebend für die beschleunigte touristi-sche Entwicklung.

    Im EisenbahnfieberDieser wachsende Zustrom von Fremden führ-te in den Alpen zu einer zweiten Euphorie – der Eisenbahneuphorie. Die Projekte schossen nur so aus dem Boden, von der Westschweiz bis in die Ostschweiz. Seriöse und unseriöse Projek-te waren dabei, solide Investoren und windige Spekulanten, erfahrene Ingenieure und risiko-freudige Unternehmer.

    Die Konzession für die Schmalspurbahn ins Mattertal erhielten zwei Banken, von denen die eine, die Basler Handelsbank, beachtliche Er-fahrungen mit Infrastrukturbauten im In- und Ausland – beispielsweise durch die Finanzie-rung der elektrischen Beleuchtung von Paris – hatte. Die Bankhäuser setzten beim Bau auf kundige Ingenieure und Planer wie Ernest von Stockalper, Julien Chap-puis und Xaver Imfeld. Die Initianten rechneten für die Bahn mit Bau-kosten von 5,4 Millionen Franken – ein erhebli-cher Betrag, wenn man bedenkt, dass 1891 die Eidgenossenschaft im ganzen Land gerade mal Investitionen von 1,57 Millionen tätigte. Die Bahngesellschaft rechne-te jährlich mit mindestens 12 000 Passagieren. Aufgrund des starken Ausbaus von Schiene und Strasse im Wallis, in der Schweiz und in Europa gingen die Betreiber davon aus, dass die Passagier- und Güterzahlen kontinuierlich ansteigen würden. Und genau so kam es.

    Nicht erstaunlich, dass mit dem Erfolg der Visp-Zermatt-Bahn weitere touristische Er-schliessungsprojekte auftauchten. Nur wenige Jahre später nahm die Gornergrat Bahn den Be-trieb auf. Die hochalpine Zahnradbahn führte von Zermatt 9,3 km hinauf auf den 3 089 Me-ter hohen Gornergrat, von wo aus die Touris-ten eine spektakuläre Rundumsicht auf Monte Rosa und Matterhorn geniessen konnten.

    Per Bahn aufs Matterhorn?Das nächste Ziel liess nicht lange auf sich war-ten – schon bald darauf gingen bei den Bun-desbehörden mehrere Konzessionsgesuche zur Errichtung einer Bahn auf die Spitze des Matterhorns auf 4 478 Metern ein. Zwei Ge-suche stammten aus Zermatt, eines aus Biel.

    Am schnellsten war der Bieler Buchdrucker Leo Heer-Bétrix, der zusammen mit dem Ob-waldner Ingenieur Xaver Imfeld ein technisch ansprechendes Projekt ausgearbeitet hatte. Das zweite Gesuch kam vom Walliser Nationalrat Rothen und von Kantonsingenieur Zen Ruffi-nen. Das dritte Gesuch trug als Absender die Namen der Gemeinde Zermatt und von Al-exander Seiler, dem Begründer der gleichnami-gen Zermatter Hotel-Dynastie.

    Und siehe da: Eisenbahndepartement und Bundesrat winkten das erste Gesuch schlank durch. National- und Ständeräte hörten laut der «Berner Volkszeitung» den Ratsberichterstat-tern in «ehrfurchtsvollem Schweigen» zu und genehmigten die Vorlage 1892 diskussionslos. Damit hatten der Buchdrucker Leo Heer-Bétrix und Ingenieur Xaver Imfeld die Konzession im Sack. Doch unerwartet starb der Bieler Unter-nehmer, die Konzession gelangte via Erbgang an Witwe und Sohn des Verstorbenen. Das Projekt verlor an Schwung und geriet immer mehr ins Stocken.

    1905 nahm Mitkonzessionär Xaver Imfeld einen neuen Anlauf. Doch es war zu spät. Die Zeit der visionären Bahnprojekte war vorbei. Als nämlich Imfelds neu aufgelegter Plan zum Bau einer Bahn auf das Matterhorn in der Öffentlichkeit bekannt wurde, erhob sich schlagartig heftiger Widerstand gegen die Bahn auf den Matterhorngipfel. Der Schweizer Alpen-Club, der Heimatschutz,

    mehrere naturforschen-de Gesellschaften und viele Naturfreunde mel-deten sich lautstark und protestierten gegen den massiven Eingriff am «majestätischsten Gip-fel» der Schweiz. In ei-ner Volkspetition an den Bundesrat formulier-ten 68 356 Unterzeich-ner einen ultimativen Grundsatz: «Die Gipfel unserer Hochalpen sind das ideale Eigentum des

    ganzen Schweizervolkes und somit unverkäuf-lich!» Seit 1848 hatte es bis dahin noch nie eine Petition mit einer vergleichbar grossen Unter-schriftenzahl gegeben. Der öffentliche Druck wirkte, das Projekt verschwand für immer in den Schubladen der Behörden.

    Und heute?Es ist keine Übertreibung, wenn man feststellt, dass das realisierte Bahnprojekt – die Visp-Zer-matt-Bahn – das Mattertal wirtschaftlich und sozial fundamental verändert hat. Es hat mitge-holfen, den Tourismus zu öffnen und die Reise-möglichkeiten neuen Bevölkerungskreisen zu-gänglich zu machen: Vor 1891 entstammten die Reisenden meist den europäischen und schwei-zerischen Oberschichten und dem vermögen-den Bürgertum. Die dichteren, schnelleren und günstigeren Verkehrswege ermöglichten nach und nach das Reisen für alle sozialen Schichten. Die Bahn hat auch wirtschaftlichen Wandel ge-bracht: Sie zerstörte Arbeitsplätze eines alten, sich dem Ende zuneigenden Zeitalters und schuf im Gegenzug neue Berufe und moderne Arbeitsplätze. Mit der Bahneröffnung verlo-

    ren mehrere Fuhrunternehmen und viele Säu-mer mit ihren Maultieren die Arbeit, denn die Bahn lieferte schneller, billiger und viel grössere Tonnagen. Und sie sorgte für neue Berufe wie Stationsbeamte, Güterarbeiter, Kondukteure, Lokführer, Wagenreiniger, Techniker, kaufmän-nische Angestellte und manches mehr.

    Und die Fremden schliesslich, die dank der Bahn in wachsender Zahl ins Tal strömten, führten im Vispertal zu einem Aufschwung der touristischen Infrastruktur, der Hotellerie, des Gastgewerbes.

    Der Wandel lässt sich in einigen Zahlen aus-drücken: 1900 zählte Zermatt 741 Einwohner; 2015 sind es 5 628 (ohne Touristen). Die Visp-Zermatt-Bahn fuhr 1891 in den Sommermo-naten täglich dreimal bergwärts und dreimal talwärts. Heute fahren an jedem Werktag 31 Regionalzüge von Visp nach Zermatt – das gan-

    ze Jahr und mit ganz anderen Reisezeiten: 1890, also vor der Bahneröffnung, brauchte ein Stadt-berner drei ganze Tage, um auf den Gornergrat zu gelangen; mit dem Dampfzug genügten nach der Bahneröffnung neuneinhalb Stunden. Heu-te ist der Stadtberner bereits in weniger als drei Stunden auf dem Gornergrat.

    Was wohl Goethe und Miss Jemima Morrell dazu sagen würden? Von Martigny herkom-mend, würden sie diesmal womöglich in Visp einfach nach rechts abbiegen. In Zermatt an-gekommen, würde Goethe, der auch ein Na-turforscher war, untersuchen, ob es da oben immer noch 888 Arten von Schmetterlin-gen gibt, wie ihm berichtet worden war. Und Miss Jemima Morrell würde ihm dabei helfen und mit einem Schmetterlingsfänger um ihn herumtanzen und sich wundern, warum sie in Zermatt ihren Regenmantel und Regenschirm so selten benötigt. | ut

    Miss Jemima Morrell.

    Anton Furger mit einem Modell des «Steam Pub»

    Johann Wolfgang von Goethe.

    «Die Gipfel unserer Hochalpen sind das ideale Eigentum des ganzen Schweizer- volkes und somit unverkäuflich!»

    Blumenmädchen bieten ankommenden Touristen Sträusse an.

    Die Faszination Modelleisenbahn ist bis heute ungebrochen. Detailge-treu und in liebevoller Handarbeit bauen Fans auf wenigen Quadrat-metern massstabgetreue Modell-eisenbahnanlagen nach. Zu ihnen

    gehört Anton Furger, den die Sam-melleidenschaft im zarten Alter von nur fünf Jahren gepackt hat. Nicht verwunderlich, war doch auch sein Vater bereits ein begeisterter An-hänger von Modelleisenbahnen und hat seinem Sohn das Hobby quasi mit in die Wiege gelegt. Inzwischen hat der ehemals in der Elektro-branche tätige Visper seine Leiden-schaft zum Beruf gemacht. Sein Modelleisenbahngeschäft in Visp feiert in diesem Jahr bereits sein

    20-jähriges Bestehen.

    Grenzenloses HobbyNeben vielen Stammkun-den begrüsst Furger in seinem Geschäft auch re-gelmässig internationale Touristen. Auf der Suche nach speziellen Reise-andenken halten sie in der Kleegärtenstrasse und interessieren sich in erster Linie für die Nachbauten von Schwei-zer Bahnen. Besonders hoch in der Gunst ste-hen derzeit vor allem die Modelle mit Bezug zur Eröffnung des Gott-

    hard-Tunnels. Zum 125-Jahr-Jubilä-um der Bahnstrecke Visp–Zermatt erwartet der passionierte Sammler jedoch auch wieder eine verstärkte Nachfrage nach Modellen der BVZ. So wie dies bereits 1991 der Fall war, als die Bahn ihr 100-Jahr-Jubiläum feierte. Mit einem Glänzen in den Augen berichtet Furger von den Fei-erlichkeiten vor 25 Jahren. Damals war er gleich an mehreren Tagen mit seinen Modelleisenbahnen vor Ort und denkt noch heute mit Freude an den Austausch mit den zahlreichen Besuchern zurück.

    Das Krokodil auf RädernFragt man den Visper nach seinem Lieblingsobjekt, muss man nicht lange auf eine Antwort warten. Denn wie für die meisten seiner Sammlerfreunde gibt es auch für Furger ein Objekt, welches ihm be-sonders am Herzen liegt. Für den Visper ist es das Gotthard-Kroko-dil-Spur-1-Modell. Der Wagenkas-ten dieser ab 1919 in einer Auflage von 46 Stück gebauten Lok wurde aus drei Teilen zusammengesetzt, um ihn für die engen Kurven auf steilen Strecken fahrbar zu machen. Und auch wenn die Entstehung des

    Spitznamens nie abschliessend ge-klärt wurde, dürften die Dreitei-lung der Lokomotive in «Schnau-ze», «Körper» und «Schwanz», die grüne Farbgebung sowie die an den Gang eines Krokodils erinnernden rotierenden Bewegungen der Kup-pelstangen entscheidend dazu bei-getragen haben. Heute zählen die Modelle der inzwischen legendären Lok über die Grenzen der Schweiz hinaus zu den beliebtesten Samm-lerobjekten. Doch auch aktuelle Fahrzeuge stossen bei den Anhän-gern von Modelleisenbahnen auf Begeisterung. Damit auch diese als massstabgetreue Nachbauten auf den Markt kommen, steht Furger in regelmässigem Austausch mit den Produzenten. Und freut sich, genau wie seine Kundschaft, über jedes weitere Modell, welches er seiner Sammlung hinzufügen kann. | nm

    WEITERE INFORMATIONEN

    Auf der Webseite von Anton Furger fin-den Sie u.a. einen Online-Shop und weitere Informationen zu seinem Geschäft in Visp: www.furgerantongmbh.ch

    Ungebrochene FaszinationAls die Visp-Zermatt-Bahn (VZ) am 18. Juli 1891 ihren Betrieb aufnahm, umfasste der Fuhrpark insge-samt vier Dampflokomotiven. Obwohl die damaligen Modelle bereits seit vielen Jahren ausgedient haben, stehen die massstabgetreuen Nachbauten dieses Typs bei Sammlern weiterhin hoch im Kurs. Auch bei Anton Furger, einem passionierten Modelleisenbahnsammler aus Visp.

    Evolution statt RevolutionWaren die Uniformen früher mass-geschneidert, werden die Kleider-stücke heute in Standardgrössen gefertigt. Bei der Auswahl von Schnitten und Materialien muss dabei auf viele Aspekte geachtet werden. So spielen die Temperatur-schwankungen aufgrund der Hö-henunterschiede bei der Wahl des Materials eine grosse Rolle. Dieses muss nicht nur kälteresistent, son-dern gleichzeitig atmungsaktiv sein. Bei der Selektion einer neuen Kol-lektion gilt daher die Devise «Evo-lution statt Revolution».

    Seit dem Start der Sommersaison 2013 tragen die Mitarbeitenden der Matterhorn Gotthard Bahn eine Uniform, welche mit typisch schwei-zerischen Symbolen wie Matterhorn, Edelweiss, Alphorn und Schweizer Fahne verziert ist. Dass dieses Design bei den Fahrgästen gut ankommt, zeigen zahlreiche Kundenrückmel-dungen. Dem Unternehmen ist die-ses Feedback sehr wichtig. Denn für die jährlich mehr als sechs Millionen Reisenden aus dem In- und Ausland gehört das Erscheinungsbild der An-gestellten zum Gesamterlebnis. | nm

    Die Matterhorn Gotthard Bahn ist für ihre attraktive Uniform bekannt. Sie ist die Visiten- karte des Unternehmens und wird circa alle zehn Jahre durch eine neue Kollektion ersetzt. Bestand diese in den Anfangsjahren aus Mass- anfertigungen, setzt das Unternehmen heute auf konfektionierte Kleidungsstücke. Diese Ent-wicklung tut der Beliebtheit der Uniformen bei den Reisenden jedoch keinen Abbruch. Denn für die Fahrgäste gehört die Dienstbekleidung der Mitarbeitenden zum Gesamterlebnis «Bahn».

    Andere Zeiten, andere Uniformen: Eine Zugsabfertigerin und eine Zugsbegleiterin.

    1893

    1890

    1906

    1891

    1886

    1898

    Der erste Zug Die Bauarbeiten verlaufen in Etappen.

    Zuerst das Teilstück Visp–Stalden. Dann Stalden–St. Niklaus. Um den

    knappen Zeitplan einzuhalten, werden die Arbeiten auch im Winter weiter-

    geführt. Am 3. Juli 1890 fährt der erste Dampfzug von Visp nach Stalden.

    Offizielle EröffnungDas dritte Teilstück von St. Niklaus nach Zermatt ist vollendet. Am 18. Juli geht die gediegene Eröffnungsfeier über die Bühne. Das Mattertal ist jetzt an das europäische Schienennetz angeschlossen. Vorerst von Juni bis September – im Winter ruht der Bahnbetrieb. Einen Wintertourismus gibt es im Mattertal (noch) nicht.

    Projekt genehmigtDie Bundesbehörden erteilen die Konzes-sion für den Bau einer Schmalspurbahn zwischen Visp und Zermatt. Auflage: Die Einheimischen müssen billigere Billette erhalten als die Auswärtigen.

    Simplon-Tunnel eröffnetMit dem Simplon-Tunnel zwischen

    Brig und Iselle erhält das Wallis eine Verbindung von und nach Italien.

    Von dort strömen weitere Touristen- scharen ins Mattertal.

    Zermatt leuchtetDie Bahn hatte mehrfach positive

    Wirkung auf Zermatts Infrastruktur: 1893 gab es erstmals elektrisches Licht. Neue Hotels aller Kategorien nahmen

    den Betrieb auf. 1900 wurde die Wasser- versorgung und Kanalisation auf den

    Stand der modernen Technik gebracht.

    Immer weiter hinaufDie Gornergrat Bahn nimmt ihren Betrieb auf. Mehrere Tausend schwei-zerische und italienische Arbeiter haben die hochalpine Bahn zu einem der heute beliebtesten alpinen Aus- flugsziele in kürzester Zeit gebaut.

  • Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.chJubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.ch

    125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt 54

    Die Erlebnisbahn hat ZukunftFernando Lehner, CEO der Matterhorn Gotthard Bahn und der BVZ Holding, über Pionierleistungen von damals und Herausforderungen von heute.

    Herr Lehner, benutzen Sie persönlich die Matterhorn Gotthard Bahn?Selbstverständlich. Ich nutze unse-re Bahn sehr oft. Beruflich bin ich regelmässig in Zermatt oder in An-dermatt, da fahre ich immer mit dem Zug hin. Wenn ich am Wochenende

    mit meiner Familie wandern oder Ski fahren gehe, sind wir in der Regel auch mit der Bahn unterwegs.

    Haben Sie einen Lieblings- abschnitt?Oh, da stellen Sie mir eine schwierige Frage. (überlegt) Nein, für mich hat jeder einzelne Streckenabschnitt sei-nen Reiz. Die Landschaft entlang der gesamten Strecke von der Surselva durch das Goms und das Mattertal bis nach Zermatt, inmitten der ur-sprünglichen und einzigartigen Berg-welt, ist einfach faszinierend. Ein-drückliche Drei- und Viertausender wechseln sich ab mit weiten Tälern. Da liesse sich noch so viel ergän-zen …

    Die Landschaft hat sich glücklicherweise nicht gross verändert. Heute feiern wir das 125-Jahr-Jubiläum der Strecke von Visp nach Zermatt. Eine Pionierleistung? Das Mattertal ist steil, eng und zer- klüftet. Dennoch hat man es ge- schafft, in diesem Umfeld ein Bahn- trassee zu bauen. Mit den Mitteln, die man im vorletzten Jahrhundert zur Verfügung hatte, kann man durchaus

    von einer Pionierleistung reden, die allerhöchsten Respekt verdient.

    Wie fühlt es sich heute an?Ich bin sehr glücklich und auch stolz darauf, dass ich heute die Matterhorn Gotthard Bahn als Nachfolgerin der Visp-Zermatt-Bahn mit einem gross-artigen Team führen und weiterent-wickeln darf.

    Welchen Meilenstein in der Geschichte der Visp-Zermatt-Bahn finden Sie besonders erwähnenswert?Die Bahn hat mit 125 Jahren auf dem Buckel selbstverständlich viele Mei-lensteine hinter sich. Von einem tech-nischen Standpunkt aus betrachtet, war das Jahr 1929 aber wahrschein-lich das bedeutendste: Alle Dampf-lokomotiven wurden durch Elektro-fahrzeuge ersetzt. Dadurch konnten die Fahrzeiten deutlich reduziert wer-den, was natürlich ein grosses Plus für die Reisenden war.

    Die heutigen Herausforde rungen einer Bahn sehen wohl etwas anders aus als damals?Ja. Sie sind auf den ersten Blick auch etwas weniger spektakulär. Aber die

    Anforderungen an den Betrieb sind beispielsweise stark gestiegen. Wer hätte noch vor 100 Jahren gedacht – als ausschliesslich im Sommer Züge fuhren – dass wir heute das ganze Jahr im Halbstundentakt durchfah-ren?

    Weshalb ist der Halbstundentakt so anspruchsvoll? Seit Dezember 2014 verkehren zwi-schen Visp und Zermatt täglich 190 Züge, eine immense Zahl für ein wei-testgehend einspuriges Streckennetz. Diese Verdichtung des Fahrplans stellte uns wie erwartet vor eine Rei-he operativer und logistischer Her-ausforderungen. Die Zahlen zeigen jedoch, dass sich die Anstrengungen gelohnt haben.

    Inwiefern spielt auch das restliche Schweizer Bahnnetz für die MGBahn eine Rolle?Wir sind mit dem Knoten Visp sehr gut in die Schweizer Bahnlandschaft eingebunden. Seit der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels ist die Nach-frage auf dem Netz der MGBahn von Visp in Richtung Zermatt um 45 Pro-zent und von Brig in Richtung Fiesch um 37,5 Prozent gestiegen.

    Welche grossen Veränderungen stehen der MGBahn noch bevor?Aus heutiger Sicht geht es weniger um grosse Einzelfälle oder Meilensteine, sondern mehr um laufende Optimie-rungen auf allen Ebenen. Wir sind beispielsweise permanent dabei, die Zuverlässigkeit und die Sicherheit in und um unsere Züge zu verbessern. Nächstes Jahr werden wir zudem alle Bahnhöfe behindertengerecht ausge-baut haben und weitere Doppelspur-abschnitte in Betrieb nehmen.

    Wie sehen Sie die Zukunft der MGBahn?Ich sehe unsere Zukunft positiv. Wir haben eine wunderbare Natur und Angebote, die das ganze Jahr über at-traktiv sind, nicht nur im Sommer oder Winter. Mit der Gornergrat Bahn und dem Glacier Express haben wir zwei weltbekannte touristische Topproduk-te. Wir dürfen uns aber nicht darauf ausruhen. Nur tolle Landschaften, eindrückliche Gebirgszüge und ma-lerische Ortschaften genügen nicht. Es braucht nachhaltig in Erinnerung bleibende Ferienerlebnisse mit echten Mehrwerten – daran arbeiten wir täg-lich, in enger und guter Zusammenar-beit mit unseren Partnern. | ks

    Fernando Lehner: «Wir optimieren auf allen Ebenen.»

    Amadé Perrig. Für Zermatt immer auf Achse.

    Herr Perrig, Sie sind auch nach 45 Jahren im Tourismus uner-müdlich für Zermatt und den Glacier Express im Einsatz. Ja, ich lebe sechs Monate im Jahr in den USA, die anderen sechs in Zermatt. Der Tourismus ist meine Leidenschaft, mein ganzes Herz-blut steckt darin. Mit Zermatt und dem Glacier Express darf ich zwei Topprodukte vertreten. Für mich stellt das ein enormes Privileg dar.

    Was hat sich in den vier Jahr-zehnten verändert? Sind die Touristen anspruchsvoller geworden?Ja und nein. Die Grundbedürfnis-se sind die gleichen geblieben. Sie kommen wegen der Landschaft, der frischen Luft, den Erlebnissen in den Bergen. Das Angebot muss heute allerdings viel breiter sein. Und verändert hat sich auch das Reiseverhalten. Früher war die An-reise ein Teil der Ferien. Heute ist dies nur noch ein Transport von A nach B, der reibungslos und schnell funktionieren muss.

    Erfüllt die Matterhorn Gotthard Bahn diesen Anspruch?Ja, absolut. Wenn ich den Reisean-bietern in den USA beispielsweise erkläre, wie das Parkhaus Matter-horn Terminal in Täsch funktio-niert, wie von dort das Gepäck problemlos in ihr Hotel im auto-

    freien Zermatt gelangt, dann stau-nen sie nur noch. Sie können sich das schlicht nicht vorstellen. In den vielen Jahren hat sich übrigens noch nie ein amerikanischer Gast darüber beschwert, dass er sein Auto eine Woche lang nicht gese-hen hat. Und zu Hause können sich die meisten Amerikaner ein Leben ohne Auto nicht vorstellen.

    Ist der Glacier Express nicht das Gegenstück zum schnellen Reisen von A nach B?Ja. Er ist einzigartig, denn mit die-ser Erlebnisbahn kann man die Al-pen am besten erkunden. Man fährt gemächlich an unterschiedlichen Landschaften, Kulturen und Archi-tekturen vorbei. Die Amerikaner flippen aus, wenn ich ihnen davon erzähle. Die Reise, die erstklassige Verpflegung, weisse Tischtücher. Diese Erlebnisbahn muss unbe-dingt weiter ausgebaut werden. Sie bringt allein Zermatt rund 250 000 Übernachtungen im Jahr. Die Mat-terhorn Gotthard Bahn hat also eine dreifach wichtige Rolle: als Zubringerin, als Erlebnisbahn und auch als Cargobahn.

    Wie hätte sich Zermatt ohne die Bahnverbindung entwickelt?Schwer zu sagen. Aber Zermatt wäre sicher nicht das Zermatt, das wir heute kennen. Und Zermatt wäre heute nicht autofrei. Das gros-

    se Glück für das Mattertal war, dass der Zug vor den Autos erfunden und deshalb die Visp-Zermatt-Bahn zuerst gebaut wurde. Und als nach dem Ersten Weltkrieg im Wallis zahlreiche Strassen in die Täler gebaut wurden, entschied der Staatsrat, dass Zermatt ja schon eine Verbindung habe und es des-halb keine Strasse brauche. Zweimal haben also äussere Faktoren dieses heute so wichtige Unterscheidungs-merkmal begünstigt.

    Ist das autofreie Zermatt als Verkaufsargument noch von Bedeutung?Absolut. Sogar mehr denn je. Denn gegenüber früher hat die Bahn den Reisekomfort und den Service aus-gebaut und die Fahrzeiten stark ver-kürzt. Viele internationale Gäste reisen mit dem Flugzeug nach Genf, Zürich oder Mailand, steigen dort in den Zug um und haben in Visp aus-gezeichnete Anschlüsse. Und nicht zu vergessen: Diese Gäste kommen oft aus Grossstädten oder grossen Agglomerationen. Sie suchen also Ruhe, saubere Luft und wollen jede Hektik vermeiden. In Zermatt bie-ten wir genau das.

    Sie glauben an die Zukunft des autofreien Ferienorts mit der Bahn als Zubringerin?Ja. Und alle im Tourismus tätigen Leute im Wallis sollten noch viel

    mehr auf solche Aspekte setzen. Wir haben so viele Vorteile auf un-serer Seite. Wir müssen sie nur mit Herzblut nach aussen tragen und besser vermarkten. Dazu braucht es gut ausgebildete Leute und vor al-lem Konstanz in der Marktbearbei-tung. Denn der Aufbau von erfolg-reichen Netzwerken dauert Jahre. Kaputt gemacht sind sie hingegen in Kürze, beispielsweise wenn es zu viele Wechsel in wichtigen Positio-nen gibt. | kb

    «Ohne Bahn wäre Zermatt nicht Zermatt»Amadé Perrig, ehemaliger Kurdirektor von Saas-Fee und Zermatt, ist seit 45 Jahren im Tourismus tätig. Er kennt wie kein anderer die internationalen Märkte und weiss, was Zermatt der frühen Erschliessung mit der Bahn verdankt.

    «O altes grandioses Haus»Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die Zeit des Alpinismus einen ersten Höhepunkt. Hotels wurden gebaut, vor allem in Zermatt. Doch auch die Gemeinde St. Niklaus hatte grosse Pläne und baute ihr eigenes Grand Hotel. Eine Geschichte von grossen Hoffnungen und bitteren Enttäuschungen.

    1925 schrieb die Visp-Zermatt-Bahn-Gesell-schaft in ihrem Reiseführer, es sei schwer vor-stellbar, sich das damalige bunte Treiben von St. Niklaus zu vergegenwärtigen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Blütezeit des Alpinismus übernachteten ganze Karawanen in Zaniglas, wie das Dorf auf Walliserdeutsch ge-nannt wird, das auf halber Strecke zwischen Visp und Zermatt liegt. Die rund 35 km und 1000 Höhenmeter vom Tal bis ins Bergdorf waren zu-nächst nur per Fussweg begehbar und in einem einzigen Tag unmöglich zu bewältigen.

    Der Alpinismus brachte Geld, Ideen und Ta-tendrang ins Mattertal. In St. Niklaus lebte eine beachtliche Anzahl an hervorragenden Berg-führern, die mit Alpinisten aus der ganzen Welt gutes Geld verdienten. So eröffnete die Burger-gemeinde St. Niklaus 1868, nur drei Jahre nach der Erstbesteigung des Matterhorns, das Grand Hotel. In der ersten Zeit lief das Hotel bestens: In den rund 60 Betten übernachteten Bergstei-ger, Gepäck- und Sesselträger, Fuhrleute und Bergführer. Eine Übernachtung kostete damals einen Franken.

    Doch das Hotel sollte zu einem «Schicksalsbau» werden. Die Finanzierung wurde Jahr für Jahr schwieriger und das Hotel wechselte unzählige Male den Besitzer. Drückende Schulden und zwei Weltkriege waren für das Grand Hotel verhee-rend. Und auch die Bahnstrecke Visp–Zermatt

    spielte eine Rolle: Die ursprünglich zweitägige Reise konnte plötzlich in knappen drei Stunden bequem im Zug zurückgelegt werden. Die Anzie-hungskraft des Matterhorns war für die von weit her gereisten Alpinisten wohl zu gross, um eine Pause in St. Niklaus einzuplanen.

    Heute existiert das Grand Hotel nicht mehr. Es lag längere Zeit im Besitz der Elektrogeräteher-stellerin Scintilla AG und wurde schlussendlich 1977 abgerissen. | ks

    «O altes, grandioses Haus, wie siehst du jetzt so trostlos aus!

    Warst früher einst St. Niklaus‘ Stolz, aus Stein gebaut und nicht aus Holz!Bot’st Gästen aus der weiten Welt

    Einst Kost und Bett um gutes Geld...»

    Auszug aus einem Gedicht des Pfarrers Karl Burgener

    zur Geschichte des Grand Hotels

    Unübersehbar – das Grand Hotel in St. Niklaus.

    1923Einstieg bei Furka-Oberalp-BahnNach dem Ersten Weltkrieg erholt sich der Tourismus nur langsam. Für die erst teilweise gebaute Brig- Furka-Disentis-Bahn zu langsam – sie meldet Konkurs an. Die Visp-Zermatt-Bahn engagiert sich in einem Syndikat für den Weiterbetrieb der Nachbarbahn, stellt die fehlenden Streckenabschnitte fertig und führt während einiger Zeit auch die 1925 sanierte und neugegrün-dete Furka-Oberalp-Bahn.

    1914Der Erste WeltkriegAm 28. Juli bricht der Erste Weltkrieg aus. Er bringt den Tourismus im Mattertal fast ganz zum Erliegen. Viele Hotels schliessen. 1914 fahren täglich sechs Züge berg- und talwärts. 1918 sind es noch zwei.

    1931120 000 Bäume für die BahnBei St. Niklaus gefährden immer wieder Lawinen aus Richtung der Alp Jungen die Bahnstrecke. Präventiv wird ein Schutz- wald mit 120 000 Bäumen gepflanzt.

    1930Schmalspurnetz von Ost nach WestMit dem lange umstrittenen Bau eines Schmalspurgleises von Visp nach Brig wird die letzte Schmalspurlücke geschlossen. Damit besteht die Mög-lichkeit, von St. Moritz nach Zermatt zu fahren – und umgekehrt. Ein attraktives Angebot, das bis heute die Touristen aus allen Ländern begeistert: Mit dem Glacier Express – der 1930 seine Jungfernfahrt hatte – in rund acht Stunden über 291 Brücken und durch 91 Tunnels.

    1929Dampfloks ade!

    Die Strecke Visp–Zermatt wird elektrifiziert. Damit verschwinden die Dampfloks aus dem Mattertal

    und machen Platz für leistungsfähigere elektrische Lokomotiven. Die Um-

    stellung kostet rund 1,7 Mio. Franken.

    1934Kein Winterschlaf mehr

    Die Visp-Zermatt-Bahn nimmt nach einigen Probeläufen den ganzjährigen

    Betrieb auf. Zuvor waren umfangreiche Schutzbauten errichtet worden, um

    Strecke und Züge vor Lawinen zu sichern.

    1939Der Zweite Weltkrieg bricht ausAuch diesmal stoppt der Zustrom aus- ländischer Gäste schlagartig. Doch sind die Folgen weniger gravierend als im Ersten Weltkrieg. Dank der Erwerbsersatzordnung kann sich die Schweizer Bevölkerung weiterhin Ferien und Ausflüge leisten. Zudem gibt es viele Militärtransporte. Fazit: Die Fahrgastzahlen nehmen bei der VZ kontinuierlich zu und erreichen 1945 einen neuen Rekord.

  • Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.chJubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.ch

    125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt 76

    Einen Bahnwagen oder eine Lokomotive für den Zahnradbetrieb zu bauen, erfordert be-sonderes Fachwissen. Das 1942 gegründete Familien unternehmen Stadler Rail hat sich dieses akribisch angeeignet und wurde so zum wichtigsten Infrastrukturpartner der Matter-horn Gotthard Bahn. Drei Premieren aus Sicht von Stadler Rail im Überblick:

    1984 Leichter pendelnIm Oberwallis verfolgte die damalige Brig-Visp-Zermatt-Bahn (BVZ) ein Projekt, um für den Gepäcktransport zwischen dem Ende der öffentlichen Strasse in Täsch und dem auto-freien Kurort Zermatt eine kundenfreundliche, leistungsfähige und gleichzeitig wirtschaftliche Lösung zu finden. Die Firma Stadler entwickel-te den ersten Niederflurwagen in der Schweiz und stellte Wagen in enger Zusammenarbeit mit dem technischen Fachdienst der BVZ bin-nen zwei Jahren fertig.

    1999 Noch mehr pendelnDie damalige BVZ bestellte 1999 zwei dreiteili-ge Züge des Typs BDSeh 4/8. Am 19. Dezem-ber 2002 verliess der erste der beiden das Werk der Stadler Bussnang AG. Auf Rollschemeln der SBB verladen, wurde der Zug ins Wallis überführt. Ab Anfang 2003 nahmen die bei-den neuen Züge der BVZ den Dienst auf der Strecke Täsch–Zermatt auf. Neu für einen Zahnradtriebzug waren das Panoramafenster-Abteil im mittleren Kasten-teil und zeitgemässer Komfort wie z.B. eine Klimaanlage.Die leistungsstarken Triebzüge können schnel-ler bergwärts und talwärts verkehren und erlau-ben einen dichteren Takt zwischen Täsch und Zermatt.

    2000 Kraftpaket auf ZahnrädernDie BVZ bestellten im Jahre 2000 die erste Zahn-rad-Adhäsions-Lokomotive HGm 2/2, welche

    Stadler in der Schweiz ausliefern durfte. Mit einer Funkfernsteuerung ausgestattet kann sie im Winter auch die Schneeschleuder schieben. Für den Fall eines kompletten Fahrleitungsaus-falls der normalerweise mit 11 kVAC (Kilovolt Wechselspannung) betriebenen Linie könnte die Lokomotive auch einen Fahrgast-Notbe-trieb mit Personenwagen aufrechterhalten. Sie befördert auf der 125 ‰ steilen Strecke maxi-mal 50 Tonnen Anhängelast. Die Bremsausrüs-tung entspricht den Schweizer Vorschriften für Zahnradbahnen. | jk

    Ein Duo mit ZugkraftSeit über 30 Jahren setzt die Matterhorn Gotthard Bahn auf Stadler Rail. Der führende Hersteller von Schienenfahrzeugen aus Bussnang hat für das Walliser Verkehrsunternehmen bereits drei Innovationen entwickelt.

    Pendeln leichter gemacht: Der erste Niederflur-wagen in der Schweiz (1984).

    Eine Lok für viele Fälle: Die erste von Stadler gebaute Zahnrad-Adhäsions-Diesellokomotive HGm 2/2 für ein Schweizer Bahnunternehmen (2000).

    Mehr Züge zwischen Täsch und Zermatt dank dem ersten Zahnrad-Niederflur- und Panoramatriebzug in der Schweiz (1999).

    Seit über 125 Jahren schlängelt sich die Visp-Zer-matt-Bahn beziehungsweise heute die Matterhorn Gotthard Bahn durch das zerklüftete Visper- und Mattertal hinauf nach Zermatt. Immer wieder musste der Betrieb unterbrochen werden, weil die raue Na-tur Schäden verursachte. Das verheerendste Unglück geschah im Jahr 1991, genau 100 Jahre nach der In-betriebnahme der Bahn. Frühmorgens, am 18. April lösten sich riesige Felsmassen und verschütteten die Vispa, Teile des Weilers Lerch und rund 100 Meter des Bahntrassees. Nur drei Wochen später verschütte-te ein erneuter Bergsturz weitere 250 Meter der Bahn sowie die Strasse. Das gestaute Wasser der Vispa überschwemmte schliesslich auch den Bahnhof. So-fort wurde eine neue Streckenführung geplant und das neue, insgesamt 2860 m lange Bahntrassee konn-te am 1. August 1991 eröffnet werden. Ein schwe-res Gewitter führte am 8. August jedoch erneut zur Verstopfung des neu ausgehobenen Flussbettes der Vispa. Der Bahnhof wurde innerhalb einer Woche zum zweiten Mal überschwemmt. Am 10. August konnte der Bahnbetrieb definitiv wieder aufgenom-men werden.

    Bereits rund 100 Jahre früher, 1892, kam es aufgrund von Wildwasser zum ersten Streckenunterbruch bei den Schnellen der Kipfenschlucht. Darauffolgten im-mer wieder Unwetter, Schneeschmelzen, Murgänge und Lawinenniedergänge, die zu Hochwasser, Unter-brüchen und Störungen führten. Bevor die Bahn im Jahr 1934 definitiv den Ganzjahresbetrieb aufnahm, wurde viel Geld in Galerien und Tunnel, Umfahrun-gen, neue Brücken und Lawinenverbauungen inves-tiert. Oberhalb von St. Niklaus wurden in diesem Zu-sammenhang sogar 120 000 Bäume gepflanzt.

    Die Sicherheit und der Schutz der Bahnstrecke blieben natürlich auch in den Folgejahren immer ein wichti-ges Thema. Wissenschaftler bewachen die Berge mit den neusten technologischen Mitteln. Heute sichert ein ausgeklügeltes und weit verzweigtes Netzwerk von Sensoren, Lasern und Frühwarnsystemen die Talschaf-ten. Zahlreiche Organisationen arbeiten dabei Hand in Hand, rund um die Uhr: die Bahn, Fachkräfte des Kantons Wallis und der Gemeinden. Denn es bleibt eine Tatsache: Im hochalpinen Raum ist die Natur un-berechenbar. | kb

    Rund um die Welt mit der Matterhorn Gotthard BahnInternationale Touristen, Schweizer Ausflügler, einheimische Pendler, nostalgische Eisenbahnliebhaber… Diese Menschen trifft man an einem ganz normalen Tag in der MGBahn Richtung Zermatt. Eindrücke eines Streifzugs im Sommer 2016.

    Lawinen, reissende Bäche und BergstürzeNaturgewalten sind ein ständiger Begleiter der Visp-Zermatt-Bahn. Grössere und kleinere Betriebsunterbrüche fanden in regelmässigen Abständen statt. Doch das gravierendste Naturereignis in der Geschichte der Bahn bleibt der Bergsturz von Randa.

    Leopold Borter, ehemaliger Lokführer, NatersTausende Male legte Leopold Bor-ter die Strecke zwischen Visp und Zermatt zurück und genoss stets den besten Ausblick auf die Berg-welt. Er arbeitete von 1970 bis 1995 als Lokführer bei der dama-ligen Brig-Visp-Zermatt-Bahn und erfüllte sich damit einen Buben-traum. Im Laufe der Zeit kannte er jede Kurve, jede Brücke, jeden Fel-sen – langweilig wurde ihm dabei nie. Auch gab es in den 70er-Jah-ren wegen der vielen hydraulischen Hebel im Führerstand reichlich Handarbeit. Über die Jahre verein-fachten modernere Prozesse die Arbeit der Lokführer beträchtlich. Ab 1992 liess sich Leopold Borter nebenbei umschulen und über-nahm fortan administrative Aufga-ben. Er war unter anderem für die Arbeitsplanung der Lokführer ver-antwortlich. Doch auch bis zu sei-ner Pensionierung 2004 half er im-mer wieder gerne im Führerstand aus. Nur am Computer zu sitzen, wäre dann doch etwas zu langweilig gewesen.

    Dora Schenk und Elsbeth Stettler, Freundinnen, Kanton Bern Einmal im Monat unternehmen die Freundinnen einen Tagesausflug. Die Destination wird jeweils spon-tan bestimmt. Aufgrund des erwar-teten Sommertages entschieden Dora Schenk und Elsbeth Stettler, nach Zermatt in die Höhe zu fah-ren. Das Wallis bereisen sie immer wieder gerne, denn man werde auch als «Üsser-Schwiizer» immer sehr freundlich aufgenommen. Die Da-men bezeichnen die Region gar als zweite Heimat, allerdings liegt ihr letzter Besuch der Matterhorn-Ge-meinde bereits über 20 Jahre zu-rück. Am Mattertal fasziniert sie die Landnutzung und die kleinen Häuschen an den steilen Hängen, das finde man sonst nirgends. Dank der Autofreiheit seien die frische Luft und die ruhige Atmo-sphäre ein grosses Plus des Berg- dorfes. Das Reisen mit der MG-Bahn sei heute mit den modernen Wagen sehr angenehm geworden. Und mit dem Blick aus dem Fens-ter sei auch immer wieder etwas Neues zu entdecken.

    Sameer Agarwal und Familie, Neu-Delhi (Indien)Bereits vor Jahren besuchte Sa-meer Agarwal die Schweiz im Anschluss an eine Geschäftsreise. Sie gefiel ihm damals so gut, dass er beschloss, seine Lieblingsplätze auch seiner Frau und den Kindern zu zeigen. Es wird auch dieses Mal bestimmt nicht seine letzte Rei-se bleiben. Zwei der sieben Tage im Land haben sie in Zermatt verbracht. Sie genossen das char-mante Dorf und die Schönheit der Schweizer Natur mit ihrem einma-ligen Panorama, die in wunderba-rem Kontrast zu der indischen Mil-lionenmetropole Neu-Delhi steht. Die Berge seien hier zum Greifen nah und die Leute sehr freund-lich. Sie unternahmen hauptsäch-lich Dorfspaziergänge, denn für längere Wanderungen seien die Kinder noch etwas klein. Was die Familie an der MGBahn beson-ders schätzt, sei der grossräumige Platz für das Gepäck und der Nie-derflureinstieg. Das erleichtere das Reisen mit grossen Koffern und Kindern enorm.

    Pink und Nat, Ehepaar, Bangkok (Thailand)Von Bangkok nach Zermatt. Ein-mal im Leben das Matterhorn mit eigenen Augen bestaunen, das stand zuoberst auf der Liste ih-rer einwöchigen Schweizer Reise. Sie hätten lange gespart, dafür sei ihre Vorfreude umso grösser. Das schöne Postkartenwetter erheitert die Mienen der selbstständigen Modedesignerin Pink und ihres Mannes Nat, so können sie ihren Familien den weltberühmten Berg von der schönsten Seite zeigen. Während ihres Aufenthalts ge-hören Wanderungen zum Tages-programm, wenn auch nur klei-ne, denn das steile Gelände sind sie nicht gewohnt. Auf der Zug-fahrt weichen ihre Blicke kaum vom Fenster. Verzaubert sind sie von der fremden Landschaft, der Aussicht und von den unzähligen Brücken und Tunneln. Sie schät-zen das perfekte ÖV-System in der Schweiz, denn in Thailand seien die Züge stets überfüllt und nie pünktlich, das sei bei der MGBahn ganz anders. | ms

    Randa und der grosse Bergsturz.

    1961Die erste MillionErstmals durchbricht die Visp-Zermatt-Bahn bei den beförderten Personen die Millionengrenze.

    2016

    2014

    Ein bedeutender Walliser Arbeitgeber

    An 365 Tagen im Jahr engagieren sich rund 620 Mitarbeitende der

    MGBahn für ihre Fahrgäste und Kunden. Und für eine optimale Dienstleistung.

    Im Halbstundentakt nach ZermattDie MGBahn führt Ende 2014 zwischen Zermatt und Fiesch den Halbstundentakt ein.

    2003

    1982Glacier Express fährt auch im Winter1982 wird der Furka-Basistunnel eröffnet. Damit kann der Glacier Express, der bisher nur in den Sommermonaten zwischen Zermatt und St. Moritz fuhr, auch im Winter verkehren.

    Die FusionDie beiden grossen Walliser Schmalspur-

    bahnen, BVZ und FO, fusionieren zur Matterhorn Gotthard Bahn. Der Zusam-

    menschluss löst neue Dynamik aus. So wird der Pendelzugterminal Täsch grundlegend umgebaut und erweitert.

    Gleiches gilt für den Bahnhof Visp. In Brig wird der Umstieg von der SBB auf die MGBahn kundenfreundlicher gestaltet.

    1962

    1966

    TapetenwechselDas alte VZ-Logo mit dem Matterhorn wird durch das BVZ-Logo ersetzt.

    Bahnhof Zermatt zerstörtAm 4. Januar wird der Endbahnhof

    durch eine Lawine massiv beschädigt. Schritt für Schritt wird der Bahnhof

    Zermatt um- und neugebaut. Eine Schutzmauer von 300 Metern Länge

    und neue starke Dächer über den Gelei-sen bieten heute Schutz vor Lawinen.

  • Jubiläumsausgabe 18. Juli 2016 www.mgbahn.ch

    125 Jahre Bahnstrecke Visp – Zermatt8

    NOSTALGIEFAHRT

    Von Visp nach ZermattSeit 125 Jahren fahren Züge hinauf und hinab. Zuerst mit Dampf, dann mit Elektrizität. Die Bahn beschleunigte den Wandel im Mattertal – und hat sich selbst immer wieder gewandelt.

    ImpressumHerausgegeben von der MGBahnPartner: Stadler, Furrer+Frey, Sersa, SiemensRedaktion: open up AG für Kommunikation und PRLayout, Druck und Korrektorat: Mengis Druck AGBilder: Archiv MGBahn, Sammlung Burgergemeinde Zermatt, Gemeinde Randa, Foto Klopfenstein Adelboden, Clemenz Bernhard Stalden. Zeichnung von J. Weber, 1984 (Bibliothek SBB)

    VISP

    Das Krokodil kommt1930 gab die Dampflok «Monte Rosa» ihre Abschiedsvorstellung. Danach fuhren E-Loks wie das Krokodil von Visp nach Zermatt.

    STALDEN

    Schnappschuss gefällig?Bis heute ist die Kirche von Stalden ein Sujet, das von den Touristen häufig fotografiert wird. Heute einfach ohne Dampffahne.

    ZERMATT

    Grosse HäuserZermatter Bahnhofstrasse um 1903. Die «Villa Margherita» und das Seiler-Hotel «Mont Cervin» zählen zu den ersten Adressen.

    TÄSCH

    Ein Dorf wie aus dem BilderbuchEng stehen die Häuser des alten Täsch und bilden einen Halbkreis um die Dorfkirche. Im Westen und Süden beginnt die neue Zeit mit grösseren Häusern.

    RANDA

    Musikanten, spielt!Das Mattertal kennt ein reiches Vereinsleben. Seit 1912 existiert zum Beispiel die Musikgesellschaft «Weisshorn» in Randa.

    Die Visp-Zermatt-Bahn von 1891 …• hat eine Streckenlänge von

    35,08 km und überwindet bis nach Zermatt 955 Höhenmeter. Mit der Verlängerung bis nach Brig im Jahre 1930 umfasst die Strecke 43,98 km.

    • ist eine Schmalspurbahn mit einer Spurbreite von 1 000 Millimetern (die Normalspurbahnen verfügen über 1435 mm).

    • weist an den steilsten Stellen vor Stalden und vor Zermatt eine Steigung von 12,5 Prozent auf.

    • wurde durch Investitionen der Privatbank Masson, Chavannes & Cie in Lausanne und der Basler Handelsbank finanziert.

    • kostete für die damalige Zeit die immense Summe von rund fünf Millionen Franken, wobei der Löwenanteil auf die Trassierung der Geleise, die Kunstbauten und die Schienen entfiel (3,5 Mio.). Für Landenteignungen waren 347 500 Franken vorgesehen.

    • hatte bei der Eröffnung 1891 vier Dampflokomotiven, zwölf Personenwagen und zehn Güterwagen. Die Loks hiessen «Matterhorn», «Monte Rosa», «Mischabel» und «Gornergrat».

    • investierte bei den Gebäuden die grössten Beträge in die beiden Endbahnhöfe: Das Stationsge-bäude in Zermatt kostete 40 000, jenes von Visp 30 000 und die Zwi-schenstationen je 15 000 Franken.

    • verlangte 1905 für ein Retourbillett Visp–Zermatt 40 Franken in der 1. Klasse und 16 Franken in der 2. Klasse.

    • beförderte im ersten Betriebsjahr 1891 bereits 33 695 Personen und 2 075 Tonnen Güter. 2015 trans-portierte die Bahn 3 200 000 Per-sonen und 41 300 Tonnen Güter.

    • brach bereits im Eröffnungsmonat Juli einen Rekord und beförderte in nur zwei Wochen 8824 Reisende. Dies entsprach über das ganze Jahr gesehen 26 Prozent der Fahrgäste.

    • hatte zehn Tunnel mit einer Ge-samtlänge von 304 Metern. Heute bringen 15 Tunnel und Galerien mit einer Länge von 3 029 Metern viel zusätzliche Sicherheit.

    • überquert die Vispa mit sieben Brücken in Metallkonstruktion, die zwischen 27 und 35 Meter lang sind. Der markanteste Kunstbau der Strecke ist der 65 Meter lange steinerne Viadukt, der sich in luftigen 50 Metern über die Mühle-bach-Schlucht zwischen Stalden und Kalpetran spannt. Heute zählt die Strecke Brig–Zermatt 41 Brücken mit einer Gesamtlänge von 583 Metern.

    • benötigte von Visp nach Zermatt im Dampfbetrieb eine Fahrzeit von zwei Stunden und 35 Minuten. Die Geschwindigkeit betrug 30 km/h auf offener Strecke und 10 km/h auf den Zahnstangenrampen. Heute beträgt die Fahrzeit von Visp bis Zermatt mit den modernen Pendelzügen noch 65 Minuten.

    Hätten Sie es gewusst?

    Zermatt

    Täsch

    Randa

    St. Niklaus

    Stalden

    Visp

    ST. NIKLAUS

    Zwei BahngenerationenUm 1970, als das Bild entstand, war der Pendelzug links topmodern. Heute ist er ebenso Geschichte wie die Dampflok.