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n AKZENTE E. Schäfer Die Pflicht ruft! n AUFSÄTZE H. Löwe/I. M. Wallner/S. Werner Syndikusanwälte – Die ersten 500 Tage M. Hartung/J. Löwe Alternative Finanzierungswege für Anwälte D. Beck-Bever Ein Blick zurück auf wichtige gebührenrechtliche Entscheidungen des Jahres 2016 n AUS DER ARBEIT DER BRAK S. Beyrich/T. Nitschke Mitgliederstatistik zum 1.1.2017 n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BGH Schadensregulierung durch Versicherungsmakler (Anm. M. Burmann) BGH Akteneinsichtsrecht in Vorstandsprotokolle einer Rechtsanwaltskammer (Anm. A. Siegmund) BRAK MIT TEILUNGEN Zeitschrift für anwaltliches Berufsrecht JUNI 2017 48. JAHRGANG 3/2017 3/2017 S. 101–144 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln RA JR Heinz Weil, Paris www.brak-mitteilungen.de PVST 7997 Rundum-Angebot: Fachwissen und Software für Anwälte www.datev.de/anwalt Digitale Kommunikaon für Anwälte www.webakte.de

JUNI 2017 48. JAHRGANG 3/2017 - BRAK-Mitteilungen · 16.3.2017 1AGH 26/16 Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für Geschäftsführertätig-keit (LS) 137 AGH Nordrhein-Westfalen 10.2.2017

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n AKZENTEE. SchäferDie Pflicht ruft!

n AUFSÄTZEH. Löwe/I. M. Wallner/S. WernerSyndikusanwälte – Die ersten 500 TageM. Hartung/J. LöweAlternative Finanzierungswege für AnwälteD. Beck-BeverEin Blick zurück auf wichtige gebührenrechtlicheEntscheidungen des Jahres 2016

n AUS DER ARBEIT DER BRAKS. Beyrich/T. NitschkeMitgliederstatistik zum 1.1.2017

n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGBGHSchadensregulierung durch Versicherungsmakler(Anm. M. Burmann)BGHAkteneinsichtsrecht in Vorstandsprotokolle einerRechtsanwaltskammer (Anm. A. Siegmund)

BRAKMITTEILUNGENZeitschrift für anwaltliches Berufsrecht

JUNI 201748. JAHRGANG

3/20173/2017S. 101–144

BEIRATRA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, VorsitzenderProf. Dr. Matthias Kilian, KölnRA JR Heinz Weil, Paris

www.brak-mitteilungen.de

PVST 7997

Rundum-Angebot:Fachwissen und Software für Anwälte

www.datev.de/anwalt

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www.webakte.de

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INHALT

AKZENTE

E. SchäferDie Pflicht ruft! Ein Appell an den Gesetzgeber – und an Sie 101

AUFSÄTZE

H. Löwe/I. M. Wallner/S. WernerSyndikusrechtsanwälte – Die ersten 500 Tage 102

M. Hartung/J. LöweAlternative Finanzierungswege für Anwälte 107

S.-J. OttoCompliance in Rechtsanwaltskammern 112

D. Beck-BeverEin Blick zurück auf wichtige gebührenrechtliche Entscheidungen des Jahres 2016 114

A. Jungk/B. Chab/H. GramsPflichten und Haftung des Anwalts – Eine Rechtsprechungsübersicht 118

AUS DER ARBEIT DER BRAK

S. Beyrich/T. NitschkeDie BRAK in Berlin 123

H. Petersen/D. Göcke/K. GrünewaldDie BRAK in Brüssel 126

K.-L. Ting-WinartoDie BRAK International 127

S. Beyrich/T. NitschkeMitglieder der Rechtsanwaltskammern zum 1.1.2017 128

Sitzung der Satzungsversammlung 130

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

Detaillierte Übersicht der Rechtsprechung auf der nächsten Seite IV

INHALT | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

III

Alle Entscheidungen und Aufsätze in unserer Datenbankwww.brak-mitteilungen.de

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BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

BERUFSRECHTE UND -PFLICHTENBGH 21.3.2017 AnwZ (Brfg) 3/17 Nutzung der Anwaltskanzlei für eine Immobilienverwaltung 130

WERBUNGLG Köln 23.3.2017 24 S 22/16 Kein Versicherungsschutz bei vorsätzlichem Verstoß gegen

Berufsrecht (LS) 132

FACHANWALTSCHAFTENBGH 20.3.2017 AnwZ (Brfg) 11/16 Besondere praktische Erfahrungen im Medizinrecht (LS) 132

SOZIETÄTSRECHTBGH 20.3.2017 AnwZ (Brfg) 33/16 Unzulässige Beteiligung einer Partnerschaftsgesellschaft (LS) 133

VERGÜTUNGBGH 28.2.2017 I ZB 55/16 Anrechnung einer mehrfach angefallenen Geschäftsgebühr 133

RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZBGH 3.11.2016 I ZR 107/14 Schadensregulierung durch Versicherungsmakler

(m. Anm. M. Burmann) 135

SYNDIKUSRECHTSANWÄLTEAGH Nordrhein-Westfalen

16.3.2017 1 AGH 26/16 Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für Geschäftsführertätig-keit (LS) 137

AGH Nordrhein-Westfalen

10.2.2017 1 AGH 20/16 Leiter „Personal und Recht“ als Syndikusrechtsanwalt (LS) 137

AGH Nordrhein-Westfalen

28.10.2016 1 AGH 27/16 Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für Tätigkeit in einemTheater (LS) 137

ABWICKLUNG UND VERTRETUNGSächsischerAGH

13.2.2017 AGH 4/16 (I) Dauer der Abwicklung einer Kanzlei 138

PROZESSUALESNiedersächsi-scher AGH

8.11.2016 AGH 18/16 Anfechtung einer missbilligenden Belehrung durch Anwalts-gesellschaft (LS) 139

SONSTIGESBGH 20.3.2017 AnwZ (Brfg) 46/16 Akteneinsichtsrecht in Vorstandsprotokolle einer Rechts-

anwaltskammer (m. Anm. A. Siegmund) 140

IMPRESSUMBRAK-MITTEILUNGEN UND BRAK-MAGAZIN Zeitschrift für anwaltliches BerufsrechtHERAUSGEBER Bundesrechtsanwaltskammer, Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. (0 30)284939-0, Telefax (0 30)284939-11, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.REDAKTION Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (Schriftleitung), Rechts-anwalt Christian Dahns, Frauke Karlstedt (sachbearbeitend).VERLAG Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln(Bayenthal), Tel. (0221)9 3738-997 (Vertrieb/Abonnementverwaltung), Telefax(0221)9 3738-943 (Vertrieb/Abonnementverwaltung), E-Mail [email protected] Sparkasse KölnBonn (DE 87 3705 0198 0030 6021 55); Postgiroamt Köln(DE 40 3701 0050 0053 9505 08).ERSCHEINUNGSWEISE Zweimonatlich: Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember.BEZUGSPREISE Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK-Mitteilungen im Rahmen des Mitgliedsbeitrages ohne Erhebung einer besonderenBezugsgebühr zugestellt. Jahresabonnement 109 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft21,80 € (zzgl. Versandkosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54%(Steuersatz 7%) enthalten. Kündigungstermin für das Abonnement 6 Wochen vorJahresschluss.

ANZEIGENVERKAUF sales friendly Verlagsdienstleistungen, Pfaffenweg 15, 53227 Bonn;Telefon (0228)9 7898-0, Fax (0228)9 7898-20, E-Mail: [email protected].

Gültig ist Preisliste Nr. 32 vom 1.1.2017

DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 166.050 Exemplare (Verlagsausgabe).

DRUCK Schaffrath, Geldern. Hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

URHEBER- UND VERLAGSRECHTE Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sindurheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in frem-de Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Geneh-migung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andereVerfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverar-beitungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für dieveröffentlichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von derSchriftleitung bearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eige-nen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzel-kopien hergestellt werden.

IVW-Druckauflage 1. Quartal 2017: 165.900 Exemplare.

ISSN 0722-6934

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | INHALT

IV

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der schnelle Zugriff auf Informationen und die effiziente erstellung und bearbeitung vondokumenten sind für den erfolg von organisationen im rechtswesen von zentraler bedeutung.Zu den wichtigsten herausforderungen gehören heute unter anderem schnelle reaktionszeitenbei Klientenanfragen, die einhaltung gerichtlicher fristen und die erfüllung strenger Compliance-Vorgaben in bezug auf sicherheit, archivierung und auditierung.

durch die voranschreitende digitalisierung liegen immer mehr dokumente im pdf-format vor,doch gerade im rechtswesen bleibt der papieranteil am gesamten dokumentenaufkommenweiterhin hoch. für das effiziente arbeiten mit dokumenten benötigen sie in Ihrer praxis ein tool,mit dem sie sowohl papier- als auch elektronische dokumente gleichermaßen managen und aufdie darin enthaltenen Informationen schnell zugreifen können.

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AKTUELLE HINWEISE

PERSONALIA

RAK DÜSSELDORF: NEUES PRÄSIDIUM

Nach der Kammerversammlung am 26.4.2017 undder Vorstandsitzung am 2.5.2017 setzt sich das Prä-sidium wie folgt zusammen:• Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duis-

burg, Präsident• Rechtsanwalt Dr. Christian Schmidt, Krefeld, Vize-

präsident• Rechtsanwalt Karl-Heinz Silz, Goch, Schriftführer• Rechtsanwalt Dr. Philipp Voet van Vormizeele,

Neus, Schatzmeister• Rechtsanwältin Natascha Grosser, Düsseldorf• Rechtsanwalt Olaf Kranz, Düsseldorf• Rechtsanwältin Dr. Martina Lewen, Duisburg• Rechtsanwältin Andrea Post, Wuppertal

RAK SACHSEN-ANHALT: NEUES PRÄSIDIUM

Nach der Kammerversammlung am 27.3.2017 wur-den turnusmäßig Vorstandswahlen durchgeführt, inder anschließenden Präsidiumswahl. Das Präsidiumwie folgt zusammen:• Rechtsanwalt Guido Kutscher, Halle (Saale), Prä-

sident• Rechtsanwalt Torsten Hallmann, Magdeburg, Vize-

präsident• Rechtsanwalt Christian Lisec, Magdeburg, Vizeprä-

sident• Rechtsanwalt Veit Wolpert, Bitterfeld-Wolfen,

Schatzmeister• Rechtsanwältin Bettina Blau, Schönebeck, Schrift-

führerin• Rechtsanwalt Marco Dienemann, Halle (Saale), Prä-

sidiumsmitglied

RAK OLDENBURG: NEUES PRÄSIDIUM

In der Mitgliederversammlung der RAK Oldenburg am22.4.2017 standen Neuwahlen zum Vorstand und Prä-sidium an.RA Fritz Graf legte sein Amt am 22.4. nieder, so dasseine Ersatzwahl stattfand, er war von 2005 bis 2017Präsident der RAK.Das Präsidium setzt sich nun wie folgt zusammen:• Rechtsanwalt Jan J. Kramer, Oldenburg, Präsident• Rechtsanwalt Franz-Albert Duin, Aurich, Vizeprä-

sident• Rechtsanwalt Joachim Bensmann, Osnabrück, Vize-

präsident• Rechtsanwalt Hartmut Lausch, Oldenburg, Schatz-

meister• Rechtsanwalt Uwe Miermeister, Emden, Schriftführer

IM BUNDESGESETZBLATT VERKÜNDET

Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstel-lungenBGBl. I v. 9.3.2017, S. 386Gesetz zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeitund illegalen BeschäftigungBGBl. I v. 9.3.2017, S. 399Gesetz zum Abbau verzichtbarer Anordnungen derSchriftform im Verwaltungsrecht des BundesBGBl. I v. 4.4.2017, S. 626Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei An-fechtungen nach der Insolvenzordnung und nach demAnfechtungsgesetzBGBl. I v. 4.4.2017, S. 654Bekanntmachung zu den §§ 850c und 850f der Zivilpro-zessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung2017)BGBl. I v. 7.4.2017, S. 750Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstat-tung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlage-berichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)BGBl. I v. 18.4.2017, S. 802Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzernin-solvenzenBGBl. I v. 21.4.2017, S. 866Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögens-abschöpfungBGBl. I v. 21.4.2017, S. 872Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinieund zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich derrechtsberatenden BerufeBGBl. I v. 17.5.2017, S. 1121

AUS DEN ZEITSCHRIFTEN

BRAK-Mitteilungen und Anwaltsblatt sind für jeden be-rufsrechtlich Interessierten Pflichtlektüre. Nachfolgenddokumentiert das Institut für Anwaltsrecht an der Uni-versität zu Köln Aufsatzliteratur zum Berufsrecht derRechtsanwälte, Notare und Steuerberater, die in denzurückliegenden Wochen in anderen Periodika undSammelwerken veröffentlicht worden ist. Aus Platzgrün-den muss eine wertende Auswahl getroffen werden.Zusammengestellt vom Institut für Anwaltsrecht durchChristina Esser.Kontakt zur Literaturschau:[email protected] und Kanzlei (AK) Nr. 2: Cosack, Das beA Forum:So richten Sie Ihre beA richtig ein (21); Ziegler, Steuer-

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AKTUELLE HINWEISE

VI

AUS DEN ZEITSCHRIFTEN

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gestaltung Praxis-Pkw. Teil 2: Kanzlei-Pkw: Praxisfragenzu Auswirkungen von Listenpreis und täglichem Ar-beitsweg (33); Nr. 3: Cosack, Das beA Forum: Nach-richten erstellen, signieren und versenden (40); Horst,Kanzleimietvertrag. In diesen Fällen liegt bei einem Flä-chendefizit ein Mietmangel vor (50).

Anwalts Gebühren Spezial (AGS) Nr. 2: Schneider, An-walts- und Gerichtskosten bei Bewilligung von Teil-PKH (53).

Berliner Anwaltsblatt (BerlAnwBl) Nr. 1: o. Verf., Leitlini-en zur grenzüberschreitenden Tätigkeit von Rechts-anwälten (17); Deutsch, Wichtige Steueränderungenfür Kanzlei und Mandant im Jahr 2017 (36); Nr. 3: o.Verf., Kleine BRAO-Reform: Beim fünften Anlauf hat esgeklappt (77); Schwonburg, Erste Erfahrungen mit demelektronischen Anwaltspostfach und ein Vergleich mitdem alten EGVP (86); o. Verf., Berufsrecht: Geheimnis-schutz bei der Mitwirkung Dritter (88); Freundorfer,Die Zulassung von Syndikusrechtsanwälten bei derRechtsanwaltskammer Berlin (72).

Das Juristische Büro (JurBüro) Nr. 2: Klüsener, Rechts-anwaltsvergütung bei grenzüberschreitender vorläu-figer Kontenpfändung (57); Reither, Die Verhängungeiner Verzögerungsgebühr nach § 38 GKG bei der so-genannten Flucht in die Säumnis (59); Nr. 3: Enders,Änderung der Kostenfestsetzung nach, geänderter,Streitwertfestsetzung (113).

Der europäische Gerichtsverbund, Gegenwartsfragender internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, die interna-tionale Dimension des europäischen Zivilverfahrens-rechts: Wolf, Das internationale Berufsrecht der an-waltlichen Parteivertreter im Schiedsverfahren (101).

Deutsches Steuerrecht (DStR) Nr. 10: Kilian/Esser, Haf-tungskonzentrationsvereinbarungen: Instrument desRisikomanagements für Steuerberater, Rechtsanwälteund Wirtschaftsprüfer (564); Nr. 15: Ueberfeldt, Infor-mationspflichten für Steuerberater im Überblick (900).

Festschrift für Maximilian Herberger: Bertram/Gass/Speiser, Kanzleiorganisation – Vom Analogen zum Di-gitalen (129).

Kammerreport der Rechtsanwaltskammer ThüringenNr. 1: Rode, Brauchen wir die Verschriftung von Ethik-regeln? (4); Kreysa, Disziplinierung der Anwaltschaft?(5).

Kanzleiführung professionell (KP) Nr. 3: Weyand, Be-rufspflichten: Pflichtverletzungen bei der Übermittlungvon Vollmachtsdaten, Neuregelung seit 01.01.2017(41); Täuber, Kanzleimanagement: Sicher in die Cloud.So holen Steuerberater ihre Mandanten mit an Bordder Datenwolke (48); Glotz, Steuerberater in der Haf-tungsfalle: Geldwäschegesetz, Teil 2: Die „internenSorgfaltspflichten“ des GwG (51); Nr. 4: Glotz, Steuer-berater in der Haftungsfalle. Geldwäschegesetz Teil 3:Das „Know Your Customer (KYC)“ Prinzip des GwG(68); Gehm, Steuerstrafrecht. Die strafrechtliche Ver-

antwortung des Steuerberaters im Mandatsverhältnis(71); Gilgan/Otterbach, Wissenswertes rund um dieAuftragserteilung. Vom Erstkontakt bis zum lukrativenDauermandat (Beilage) (1).

Mandat im Blickpunkt – Steuern, Buchführung, Bilanzen(MBP) Nr. 3: Westhoff, Beschäftigung von Studentenund Praktikanten. Neue Vorgaben beim Werkstuden-tenprivileg (40); o. Verf., Der praktische Fall. Fortbil-dung: So setzen Sie die Kosten Ihrer Mandanten steu-ersparend ab! (47).

Mitteilungen der Rechtsanwaltskammer DüsseldorfNr. 1: Kindler, Zwei Zulassungen – eine AnwaltschaftDer Syndikusrechtsanwalt – was bisher geschah (18);Stronczek, Das beA läuft – Anwendungstipps und tech-nische Hinweise (46).

Mitteilungen der Rechtsanwaltskammer Köln (Kammer-Forum) Nr. 1: Latz, Beratung versus Aufsichtspflicht.Pflichtenkollision innerhalb der Aufgaben des Vorstan-des der Rechtsanwaltskammer (3).

Mitteilungen des bayerischen Notarvereins, der Notar-kasse und der Landesnotarkammer Bayern (MittBayNot)Nr. 2: Regler, Die notarielle Prüfungs- und Betreuungs-pflicht. Strukturfragen für Gegenwart und Zukunft(115).

Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) Nr. 5: Medi-ger, Die Erstattung von Rechtsanwaltskosten bei Hono-

AKTUELLE HINWEISE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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rarvereinbarung (245); Gössl, Verjährungshemmungbei grenzüberschreitender Streitbeilegung (251); Nr. 7:Deckenbrock/Jordans, Aktuelle Entwicklungen bei derobligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtungnach § 15a EGZPO (376).Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Nr. 7: Göcken,AUS DER ANWALTSCHAFT. Fortbildungspflicht im Fo-kus der Politik, (NJW-aktuell) (18); Nr. 9: Schmid,RECHT DIGITAL. Mandantendaten in der Cloud,(NJW-aktuell) (19); Nr. 10: Meixner, Haftungsseite.Haftung für unterbliebene Rechtsmitteleinlegung,(NJW aktuell) (18); Nr. 12: Nickel, KANZLEI & MAN-DAT. Die Behandlung der Unterhaltsfreibeträge fürEhegatten in der Prozesskostenhilfe (868); Nr. 14: Seif,Standpunkt. Rechtsanwalt + Zwangsfortbildung = Qua-litätsgewinn? (NJW-aktuell) (18); Nr. 17: Kaiser, KANZ-LEI & MANDAT. Typische Fehler in zivilprozessualenAnträgen (1223).Neue Justiz (NJ) Nr. 12: Krumm, Die Befriedigungs-gebühr des Anwalts im Bußgeldverfahren (494); Nr. 2:Schmitt, Rechtsfolgen für Vergütungsvereinbarungenbei Verstoß gegen die Hinweispflicht des § 3 Abs. 1Satz 3 RVG (59).Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG) Nr. 9: Lie-der/Hoffmann, Rechtstatsachen zur Partnerschafts-gesellschaft mit und ohne beschränkte Berufshaftung(325).NJW-Spezial Nr. 6: Dahns, Zulassungswiderruf wegenVermögensverfalls (190); Nr. 8: ders., Die (ziemlich)kleine BRAO-Reform (254).Österreichische Juristen-Zeitung (ÖJZ) Nr. 5: Völkl/Völkl,Die Haftung der rechtsberatenden Berufe im Spiegelder Rechtsprechung II/2016. Notare, Steuerberater,prozessuale Sorgfalt allgemein (200).Privacy in Germany (PinG) Nr. 2: Grupp, Outsourcingund anwaltliches Berufsgeheimnis: Ein Ende in Sicht?(55).RVG professionell (RVG prof.) Nr. 3: o. Verf., Fehlerver-meidung: Keine zusätzliche Geschäftsgebühr bei Wider-

spruch (37); Mock, Vollstreckungsrecht: Vergütungs-ansprüche im Verfahren über die Vollstreckungserinne-rung (44); ders., Nichtzulassungsbeschwerde: Sovermeiden Sie Fehler bei der Abrechnung (52); Nr. 4: o.Verf., Mahnverfahren: So sind Verhandlungen abzurech-nen (55); Schneider, Basiswissen kompakt: So sind Aus-lagen in einer Vergütungsvereinbarung zu regeln (68).

RVGreport Nr. 3: Volpert, Vermögensauskunft und Ein-holung von Drittauskünften durch den Gerichtsvollzie-her, besondere gebührenrechtliche Angelegenheitenfür den Rechtsanwalt? (82); Nr. 4: ders., Die kosten-rechtlichen Auswirkungen des EuKoPfVODG (Europäi-sche Kontenpfändung) (122).

Wissenswerte Informationen der RechtsanwaltskammerNürnberg (WIR) Nr. 1: Link, Elektronischer Rechtsver-kehr und Legal Tech – neue Herausforderungen fürdie Anwaltschaft (6).

Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP) Nr. 1: Städtler, Es-kalationsklauseln in Verträgen. Bedeutung und Gestal-tung, (Fach 2, S. 633–640) (21); Nr. 5: Geipel, Kolum-ne: Der durchschnittliche, nicht auf das jeweiligeRechtsgebiet spezialisierte Rechtsanwalt. Eine verfas-sungsrechtliche Figur für den Strafverteidiger? (211).

Zeitschrift für die Notarpraxis (ZNotP) Nr. 1: Galke, Aus-gewählte Fragen des notariellen Berufsrechts (2).

Zeitschrift für Immobilienrecht (ZfIR) Nr. 5: Singbartl/Zintl, Das Zusammenspiel von Rechtsanwalt und Notarbeim Immobilienkaufvertrag, (Teil II) (213).

Zeitschrift für Rechtsanwalts- und Notariatsangestellte(RENOpraxis) Nr. 2: Ecker, Elektronischer Rechtsver-kehr. Grundlegendes zum beA (27); Hansens, Ver-gütungsfestsetzung gegen den eigenen Auftraggeber,§ 11 RVG (32); Nr. 3: Ecker, Elektronisches Schutz-schriftenregister – Was ist seit dem 1.1.2017 zu be-achten? (54); Schrader, Gestaltung der Kanzleihome-page (55).

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AKTUELLE HINWEISE

VIII

Das FortbilDungszertiFikatDer brak· Fachkompetenz sichtbar gemacht· Orientierung für Mandanten und potenzielle Mandanten· Zur Werbung auf Briefkopf, Homepage, Visitenkartenoder in Anzeigen

Weitere Informationen unter: www.brakfortbildungszertifikat.de

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AKZENTEDIE PFLICHT RUFT!EIN APPELL AN DEN GESETZGEBER – UND AN SIE

Dass die BRAK sich in Gesetzgebungsvorhaben ein-bringt, ist nicht nur nichts Neues, es ist ihre gesetzliche

Aufgabe. Üblicher-weise entsendet siedazu Experten, dievon Ausschüssen desBundestags angehörtwerden, oder sie gibtStellungnahmen zuGesetzentwürfen ab.Manchmal muss dieBRAK sich allerdingsschon viel früher zuWort melden – wennes nämlich den an-waltlichen Grundwer-ten an den Kragengeht. Eine aktuellePressemitteilung ausdem sachsen-anhalti-nischen Finanzminis-terium macht das

notwendig: Bis zum 31.10.2017 will die Finanzminis-terkonferenz einen Gesetzentwurf vorlegen, mit demkünftig „kreative“ Steuergestaltungsmodelle anzei-gepflichtig werden sollen.

Das bedeutet: Wer einen Mandanten steuerlich so be-rät, dass er Steuern spart (und was sonst sollte derSinn steuerlicher Beratung sein?), wäre danach, unterBruch der Verschwiegenheitspflicht, gezwungen, diesauch gegen den Willen seines Mandanten den Finanz-behörden zu melden. Was von den Finanzministern derLänder als Möglichkeit gepriesen wird, Steuerschlupf-löcher zu schließen, kann – sollte das Gesetz tatsächlichso kommen – für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälteschlimmstenfalls in eine gesetzliche Nötigung zum straf-baren Parteiverrat münden. Das ist völlig inakzeptabel.Die BRAK tritt dieser Entwertung der Verschwiegenheits-pflicht, einer tragenden Säule des Anwaltsberufs, aufsSchärfste entgegen. Sie appelliert daher bereits jetzt anden (dann neu zusammengesetzten) Gesetzgeber, die-sem Vorschlag der Finanzminister nicht zu folgen.

Bei einem anderen wichtigen Thema appelliert dieBRAK dagegen an den Gesetzgeber, (endlich) aktiv zuwerden. Die Rede ist von der konkretisierten allgemei-nen Fortbildungspflicht. Zur Erinnerung: Zunächst hat-

ten Bundesjustizministerium und Bundesregierungeine Kompetenz für die Satzungsversammlung vor-gesehen, entsprechende Regelungen in der BORA zuschaffen. Der Gesetzgeber hat darauf überraschendund ohne überzeugende Gründe verzichtet. Auch dasist inakzeptabel.Die Satzungsversammlung fordert deshalb in ihrer EndeMai verabschiedeten Resolution Minister und Gesetz-geber auf, sich kurzfristig erneut mit der Konkretisie-rung der allgemeinen Fortbildungspflicht zu befassen –unter Berücksichtigung der vorgetragenen Argumente:Eine systemische Absicherung ist zur Gewährleistungder hohen Qualität anwaltlicher Beratung unabdingbar.Allein sie rechtfertigt schon eine Konkretisierung der be-reits bestehenden Fortbildungsverpflichtung. Regelun-gen zur anwaltlichen Fortbildung existieren übrigens be-reits in 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. DerGesetzgeber muss verhindern, dass die deutsche An-waltschaft den Anschluss verpasst!Ein anderer Gesetzgeber, derjenige der Anwaltschaft,war hingegen bereits tätig: Die Satzungsversammlunghat in ihrer Sitzung Ende Mai beschlossen, in § 2BORA einen neuen Absatz 7 einzufügen. Zum Schutzdes Mandatsgeheimnisses sollen Rechtsanwältinnenund -anwälte verpflichtet werden, organisatorischeund technische Maßnahmen zu ergreifen, die verhin-dern, dass Unbefugte Kenntnis von der Verschwiegen-heitspflicht unterfallenden Informationen erlangen.Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten sich alsodringend damit befassen, wie – sei es analog oder di-gital – in ihrer Kanzlei Mandantendaten verarbeitetund gesichert werden. Dass Sie nicht im ICE-Bordres-taurant Mandantenakten durchblättern oder Ihrem Re-ferendar Schriftsatzentwürfe auf seinen privaten Lap-top schicken, dürfte klar sein. Gedanken machen soll-ten Sie sich aber über die Verschlüsselung von E-Mails, Zugangsberechtigungen zu Datenbeständenoder den Schutz gegen Spyware und Viren.Mein Appell an Sie gilt dabei ganz unabhängig davon,ob der neue § 2 Abs. 7 BORA vom BMJV bestätigtwird und so in Kraft tritt. Denn eigentlich sollte alles,was die neue Regelung verlangt, längst selbstverständ-lich sein.

Ihr

Ekkehart Schäfer

AKZENTE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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BRAKMITTEILUNGEN

JUNI 2017 • AUSGABE 3/201748. JAHRGANG

Ekkehart Schäfer

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AUFSÄTZESYNDIKUSRECHTSANWÄLTE – DIE ERSTEN 500 TAGERECHTSANWALT DR. HENNING LÖWE, LL.M. (UNIV. OF GEORGIA, USA),RECHTSANWÄLTINNEN IMKE MAREILE WALLNER UND SANDRA WERNER*

500 Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuord-nung des Rechts der Syndikusanwälte ziehen die Auto-ren Bilanz. Sie zeigen auf, welche Fragen noch un-geklärt sind. Zudem geben sie einen Überblick überbesondere Fallgruppen, die sich in der Zulassungspra-xis der Kammern herausgebildet haben. Der Beitragbeschränkt sich auf die berufsrechtlichen Aspekte desGesetzes; sozialversicherungsrechtliche Aspekte, na-mentlich die Befreiung von der Versicherungspflicht inder gesetzlichen Rentenversicherung, werden nicht be-handelt.

I. RÜCKBLICK

Am 1.1.2016 ist das „Gesetz zur Neuordnung desRechts der Syndikusanwälte“ in Kraft getreten. Seit-dem gibt es Syndikusrechtsanwältinnen und Syndikus-rechtsanwälte.1 Von den Zulassungszahlen her ist dasGesetz ein Erfolg. In den ersten zwölf Monaten des Ge-setzes sind bei den Rechtsanwaltskammern bundes-weit mehr als 13.0002 Anträge auf Zulassung als Syn-dikusrechtsanwalt eingegangen.

Auffallend ist, dass es nur sehr wenige ablehnende Be-scheide gibt. Das mag daran liegen, dass nur die Un-ternehmensjuristen einen Antrag auf Zulassung stel-len, deren Antrag eine hinreichende Aussicht auf Er-folg hat. An einer zu großzügigen Handhabung desGesetzes durch die Rechtsanwaltskammern kann es je-denfalls nicht liegen; denn die Deutsche Rentenver-sicherung Bund (DRV), die gegen die Zulassungsent-scheidung der Rechtsanwaltskammern ein Rechtsmit-tel einlegen kann,3 hat nur in sehr geringem Umfangdavon Gebrauch gemacht. Dabei ist zu beobachten,dass auch die DRV in vielen Fragen erst noch ihre Liniefinden muss.

II. STATUS QUO

Zwar hat sich zu vielen Fragen schon eine Praxis he-rausgebildet, aber viele Fragen sind noch offen:

1. ZULASSUNGSPFLICHTDie zutreffende Ansicht, die eine Zulassungspflicht füralle diejenigen annimmt, die anwaltlich i.S.d. § 46 IIBRAO für einen nicht-anwaltlichen Arbeitgeber tätigsind, ist eine Mindermeinung geblieben.4 Das Für undWider soll hier nicht vertieft werden.

Der Meinungsstreit dürfte sich in absehbarer Zeit oh-nehin faktisch erledigen; die meisten Unternehmens-juristen wollen Syndikusrechtsanwalt werden, und dasnicht nur wegen der damit verbundenen Möglichkeitder Befreiung von der Versicherungspflicht in der ge-setzlichen Rentenversicherung. Sie wollen die Zulas-sung als (Syndikus-)Rechtsanwalt, um für ihren Arbeit-geber als solcher auftreten zu können. Auch die Unter-nehmen zeigen ein starkes Interesse daran, jedenfallsausgewählte Juristen explizit als Syndikusrechtsanwäl-te zu beschäftigen.

Unklar ist, wie viele anwaltlich tätige Unternehmens-juristen es ohne Zulassung als Syndikusrechtsanwaltgibt: nach den aktuellen Zahlen der BRAK vom 1.1.2017 verfügen jetzt rund 6 % der Mitglieder derRechtsanwaltskammern (auch) über eine Zulassungals Syndikusrechtsanwalt. Einzelne Schätzungen ausder Zeit vor dem 1.1.2016 waren davon ausgegangen,dass bis zu 20 % der Mitglieder einen Antrag stellenwürden. Ob es aber tatsächlich noch weitere zig-Tau-send anwaltlich i.S.d. § 46 II–V BRAO tätige Unterneh-mensjuristen ohne Zulassung als Syndikusrechtsanwaltgibt, oder ob die nicht als Syndikusrechtsanwalt zuge-lassenen Unternehmensjuristen gerade nicht anwalt-lich tätig sind, ist unbekannt.

2. ÖRTLICHE ZUSTÄNDIGKEIT DER KAMMERNFür einen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechts-anwalt ist immer die Kammer zuständig, deren Mit-glied der Antragsteller bereits ist (§ 33 III Nr. 1 BRAO).

Jedenfalls die Mehrheit der regionalen Kammernnimmt auch dann ihre Zuständigkeit an, wenn der An-tragsteller zwar Mitglied einer anderen Kammer ist, erseinen Zulassungsantrag aber mit einem Antrag auf

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* Der Autor Löwe ist Hauptgeschäftsführer, die Autorin Wallner ist und die AutorinWerner war Referentin der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg. DerText gibt nur die persönliche Auffassung der Autoren wieder.

1 Die genaue Berufsbezeichnung ist gem. § 46a IV Nr. 2 BRAO „Rechtsanwältin(Syndikusrechtsanwältin)“ und „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“, aber dasGesetz selbst verwendet den Begriff „Syndikusrechtsanwalt“, z.B. in § 46 II 2BRAO.

2 Vgl. Antragszahlen der regionalen Rechtsanwaltskammern, Stand Dezember2016, nach Schmitt, Die gesetzliche Anerkennung der Syndikusrechtsanwälte –eine Erfolgsgeschichte für die Anwaltschaft, in: BUJ, Die Neuregelung des Rechtsder Syndikusanwälte in Theorie und Praxis, 25.

3 Gem. § 46a II 3 BRAO.

4 Vgl. Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 474 (481) mit einem Überblick zum Mei-nungsstand.

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Kammerwechsel verbindet. Dann wird zunächst überden Antrag auf Kammerwechsel entschieden undnach Aufnahme in die neue Kammer über den Zulas-sungsantrag.

Es gibt immer nur eine Mitgliedschaft in einer Rechts-anwaltskammer. Weder kann jemand Mitglied zweierunterschiedlicher Kammern sein (§ 60 I 2 i.V.m. § 33III Nr. 1, 2 BRAO), noch wird jemand aufgrund der Zu-lassung als Rechtsanwalt und SyndikusrechtsanwaltDoppel-Mitglied einer Kammer. Auch Mitglieder mitDoppel- oder Mehrfachzulassung haben deshalb nurein Stimmrecht in der Kammerversammlung. Auchdurch die Einrichtung weiterer Kanzleien wird nie dieZuständigkeit einer zweiten Rechtsanwaltskammer be-gründet.5

3. UNABHÄNGIGKEIT VON DER ZULASSUNG ALSNIEDERGELASSENER RECHTSANWALTWenn jemand eine Doppelzulassung hat oder be-antragt, dann werden die jeweiligen Zulassungen un-abhängig voneinander nach den für die jeweilige Zu-lassung geltenden Regeln betrachtet. Zwar wird derBestand der Zulassungen praktisch in vielen Fällen pa-rallel verlaufen, weil z.B. ein Widerrufsgrund für dieeine Zulassung auch ein Widerrufsgrund für die ande-re Zulassung ist (z.B. beim Vermögensverfall). Aberzwingend ist das nicht: das zeigt sich leicht nachvoll-ziehbar dann, wenn die Zulassung als Syndikusrechts-anwalt widerrufen werden muss, weil die Tätigkeit, fürdie die Zulassung erteilt wurde, geendet hat. Davonbleibt die Zulassung als niedergelassener Rechts-anwalt unberührt.

Der bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber tätigeSyndikusrechtsanwalt bedarf bei gleichzeitiger Zulas-sung als niedergelassener Rechtsanwalt oder einerweiteren Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt einer Frei-stellungserklärung, damit die syndikusrechtsanwalt-liche Tätigkeit mit der Zulassung als niedergelassenerRechtsanwalt oder der weiteren Syndikustätigkeit ver-einbar ist (§ 7 Nr. 8 BRAO).6

Auch bei der Prüfung der Kanzleipflicht nach § 27BRAO zeigt sich, dass die Zulassungen als Syndikus-rechtsanwalt und die als niedergelassener Rechts-anwalt unabhängig voneinander sind. Für jede Zulas-sung ist jeweils eine gesonderte Kanzlei einzurichten(§ 46c I BRAO i.V.m. § 27 BRAO).7 Jede Kanzlei mussdie Anforderungen an eine Kanzlei erfüllen; insbeson-dere müssen die Anforderungen an die physische Prä-senz in der Kanzlei8 erfüllt werden. Dies kann insbeson-dere dann zu Problemen führen, namentlich einem Wi-derruf der Zulassung gem. § 14 III Nr. 1 BRAO, wenndie Kanzlei als niedergelassener Rechtsanwalt weit

entfernt von der Kanzlei als Syndikusrechtsanwalt ein-gerichtet wird.

4. TÄTIGKEITSBEZOGENE ZULASSUNGDie Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgt tätig-keitsbezogen: Die Zulassung erfolgt also nicht als„Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)“ sondern z.B.als „Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) für die Tätig-keit als Justiziar der Rechtsabteilung der BeispielhaftAG“. Änderungen der Tätigkeit haben deshalb auchAuswirkungen auf die Zulassung; insbesondere kanndie Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für die Tätig-keit keinen Bestand haben, wenn die konkrete Tätigkeitendet.9

Bei Beendigung der die Zulassung als Syndikusrechts-anwalt „tragenden“ Tätigkeit muss die Zulassung alsSyndikusrechtsanwalt widerrufen werden. Das ergibtsich aus § 46b II 2 BRAO, weil es dann keine Tätigkeitmehr gibt, die den Voraussetzungen des § 46 II–VBRAO entspricht. Nach § 46c I BRAO erlischt die Zu-lassung als Syndikusrechtsanwalt nach Maßgabe des§ 13 BRAO mit der Bestandskraft des Widerrufs. ZumSchutz des Rechtsverkehrs erlischt auch die Zulassungals Syndikusrechtsanwalt also – anders als die sozial-versicherungsrechtliche Befreiung von der Versiche-rungspflicht – nur durch Verwaltungsakt und nichtetwa durch Erledigung in sonstiger Weise gem. § 43II VwVfG.

5. BESONDERE FALLGRUPPEN DER ZULASSUNGIm Rahmen der von den Kammern zu entscheidendenZulassungsanträge haben sich mittlerweile einige be-sondere Fallgruppen herauskristallisiert.

a) SCHADENSSACHBEARBEITER IN VERSICHERUNGENDie erste Fallgruppe sind die als „Schadenssachbear-beiter“ bei Versicherungen tätigen Unternehmensjuris-ten. Hier äußert die Deutsche RentenversicherungBund grundsätzlich im Rahmen der Anhörung nach§ 46a II 1 BRAO Bedenken. Sie vertritt die Auffassung,dass aufgrund der Versicherungsbedingungen nur eingewisser Beurteilungsspielraum bei der Prüfung vonTatbestandsvoraussetzungen gegeben sei und daherkeine fachliche Unabhängigkeit vorläge. Dem wider-spricht der AGH Nordrhein-Westfalen in verschiedenenEntscheidungen dazu: Nach Auffassung des AGHNordrhein-Westfalen kommt die Zulassung als Syn-dikusrechtsanwalt auch für sog. Schadenssachbearbei-ter bei Versicherern und Rückdeckungsverbänden inBetracht, denn komplexe Sachverhaltsaufklärung seinicht durch die Anwendung von standardisierten Re-gelwerken zu ersetzen, sie erfordere eine individuelleGeistesleistung.10

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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5 So auch jüngst die Begründung für das „Gesetz zur Umsetzung der Berufsaner-kennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechts-beratenden Berufe“, 103 (zu Nr. 6 (§ 27 BRAO-E)).

6 A.A. Possegga, AnwBl. 2016, 723 (724).7 § 27 BRAO findet hierbei auf Syndikusrechtsanwälte mit der Maßgabe Anwen-

dung, dass die regelmäßige Arbeitsstätte als Kanzlei gilt, § 46c IV 1 BRAO.8 BGH, Beschl. v. 13.9.1993 – AnwZ (B) 33/93.

9 Zu den Fragen bei Änderung der Tätigkeit s. II.6.10 AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 34/16; AGH Nordrhein-

Westfalen, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 33/16; AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v.16.12.2016 – 1 AGH 56/16.

LÖWE/WALLNER/WERNER, SYNDIKUSRECHTSANWÄLTE – DIE ERSTEN 500 TAGE

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b) FÜHRUNGSPOSITIONENBei Antragstellern, die eine führende Position wie z.B.die eines Geschäftsführers oder Leiters einer Personal-abteilung ausüben, zweifelt die Deutsche Rentenver-sicherung Bund oft daran, dass die Tätigkeit der An-tragsteller durch ihre anwaltliche Tätigkeit geprägtist. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt aufdie einem Geschäftsführer durch Gesetz auferlegtenPflichten oder die bei Abteilungsleitern bestehendenFührungsaufgaben und die Personalverantwortung abund meint, dass diese einen Umfang einnähmen, dereine Prägung durch anwaltliche Tätigkeit ausschließe.Der AGH Nordrhein-Westfalen hat der Deutschen Ren-tenversicherung Bund auch in diesem Punkt widerspro-chen: Auch Unternehmensjuristen mit Führungsverant-wortung können als Syndikusrechtsanwalt zugelassenwerden.11 Natürlich ist in jedem Einzelfall zu prüfen,ob die anwaltlichen Tätigkeiten tatsächlich prägendsind.

c) ARBEITNEHMERÜBERLASSUNGAuch die Fälle der Arbeitnehmerüberlassung bereitenProbleme bei der Zulassung von Syndikusrechtsanwäl-ten. Denn der formale Arbeitgeber und derjenige, fürden die Tätigkeit tatsächlich erbracht wird, fallen aus-einander. Arbeitgeber im formalen Sinne ist das verlei-hende Unternehmen. Die Tätigkeit wird aber für dasentleihende Unternehmen erbracht. Deshalb berätder Unternehmensjurist nicht seinen Arbeitgeber,wenn er in der Rechtsabteilung des entleihenden Un-ternehmens tätig ist und eine Zulassung als Syndikus-rechtsanwalt für die Tätigkeit beim Entleiher scheintdeshalb ausgeschlossen.Die Lösung sollte in einer funktionalen Betrachtung ge-sucht werden: Denn funktional ist der Jurist für dasentleihende Unternehmen tätig und ist auch in dessenBetrieb integriert. Solange die fachliche Unabhängig-keit sowohl durch den Entleiher, als auch den Verleihergewährleistet ist, erscheint es sachgerecht, die Zulas-sung für die Tätigkeit beim Entleiher auszusprechen.Dafür spricht auch, dass die Zulassung als Syndikus-rechtsanwalt tätigkeitsbezogen erfolgt: und die Tätig-keit des entliehenen Unternehmensjuristen unterschei-det sich nicht von der Tätigkeit der eigenen Arbeitneh-mer des Entleihers.12

d) ÖFFENTLICHER DIENSTEine Zulassung als niedergelassener Rechtsanwalt istnach § 7 Nr. 8 BRAO zu versagen, wenn der Bewerbereine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Rechts-anwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängi-ges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oderdas Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährdenkann. Der Rechtsanwalt soll unabhängig sein vomStaat.13 Diese Unabhängigkeit ist ausgeschlossen,

wenn der Rechtsanwalt in hoheitlichen Aufgaben sei-nes Arbeitgebers tätig wird. Aber auch ohne die Wahr-nehmung hoheitlicher Aufgaben durch den Rechts-anwalt ist eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhän-gigkeit jedenfalls anzunehmen, wenn der Rechtsanwaltöffentliche Aufgaben von einer Art wahrnimmt, dassdas rechtsuchende Publikum den Eindruck gewinnenkann, die Unabhängigkeit des Anwalts sei durch Bin-dungen an den Staat beeinträchtigt.14

Zwar findet § 7 Nr. 8 BRAO auch auf Syndikusrechts-anwälte Anwendung (§ 46c I BRAO). Der Syndikus-rechtsanwalt wird aber gem. § 46 V BRAO nur inRechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig, sodass der Arbeitgeber einziger Mandant des Syndikus-rechtsanwalts ist. Ein rechtsuchendes Publikum wiebei einem niedergelassenen Rechtsanwalt, welchesdie Beeinträchtigung einer Unabhängigkeit annehmenkann, gibt es daher nicht. Somit ist bei der Zulassungvon Syndikusrechtsanwälten ein großzügigerer Maß-stab anzulegen.

Andererseits sind die Tätigkeit als Rechtsanwalt, unddamit auch die des Syndikusrechtsanwalts, von Naturaus staatsferne Tätigkeiten. Jedenfalls dort, wo der Ju-rist hoheitlich tätig werden soll, ist eine Zulassung alsSyndikusrechtsanwalt ausgeschlossen.15 Nach der Ge-setzesbegründung soll eine Zulassung für jede Tätig-keit bei einer Behörde i.S.v. § 8 I Nr. 2 RDG aus-geschlossen sein.16

e) DATENSCHUTZBEAUFTRAGTEREin bisher gerichtlich noch ungeklärter Bereich ist auchdie Zulassung eines Datenschutzbeauftragten (§ 4fBDSG) als Syndikusrechtsanwalt.

aa) INTERNER DATENSCHUTZBEAUFTRAGTERNicht jeder Datenschutzbeauftragte kann als Syndikus-rechtsanwalt zugelassen werden, denn die Tätigkeiteines Datenschutzbeauftragten setzt nicht die Befähi-gung zum Richteramt voraus, sondern nur die „erforder-liche Fachkunde“.17 Sofern der Bewerber aber diese Be-fähigung besitzt und seine Tätigkeit auch die Tätigkei-ten und Merkmale des § 46 III BRAO beinhaltet (wasgrundsätzlich möglich ist), könnte es sich um eine zulas-sungsfähige/zulassungspflichtige Tätigkeit handeln.

Fraglich ist hier jedoch die Prägung der Gesamttätig-keit als „anwaltlich“ i.S.v. § 46 III 1 BRAO. Denn lautBegründung des „Gesetz[es] zur Neuordnung desRechts der Syndikusanwälte“ muss die Tätigkeit quali-tativ eine anwaltlich geprägte Tätigkeit sein.18 DerRechtsanwalt ist als Organ der Rechtspflege19 im Auf-

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11 AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.2.2017 – 1 AGH 20/16.12 Differenzierend Then, Der Ablauf von Zulassungsverfahren – Erste Praxiserfahrung

und Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung, in: BUJ, Die Neu-regelung des Rechts der Syndikusanwälte in Theorie und Praxis, 38.

13 Schmidt-Räntsch, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 7BRAO Rn. 81.

14 Vgl. BVerfG, NJW 1993, 317 (319 f.); BVerfG, NJW 2009, 3710 (3711); BGH,Beschl. v. 10.10.2011 – AnwZ (B) 49/10; Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO,9. Aufl., § 7 BRAO Rn. 107.

15 Weiter der Hessische AGH, Urt. v. 13.03.2017 – 1 AGH 10/16.16 BT-Drs. 18/5201, 30.17 Vgl. § 4f II 1 BDSG, der sich aber nicht (allein) auf juristische Kenntnisse bezieht.18 BT-Drs. 18/5201, 19.19 Feuerich/Weyland/Brüggemann, BRAO, 9. Aufl., § 1 BRAO Rn. 3.

LÖWE/WALLNER/WERNER, SYNDIKUSRECHTSANWÄLTE – DIE ERSTEN 500 TAGE

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trag des Mandanten tätig. Ein wesentlicher Bestandteilder Aufgabe des Datenschutzbeauftragten ist jedochdie Kontrolle der öffentlichen oder nichtöffentlichenStelle (hier: seines Arbeitgebers). Anders als in einemMandatsverhältnis ist also nicht der Mandant „Herrdes dem Anwalt erteilten Auftrages“.20 Der „Mandant“unterliegt vielmehr der Kontrolle und Überwachungdes Datenschutzbeauftragten. Die Tätigkeit eines Da-tenschutzbeauftragten erscheint daher – der Qualitätnach – nicht als anwaltliche Tätigkeit.

bb) EXTERNER DATENSCHUTZBEAUFTRAGTEREinfacher zu handhaben sind die Fälle, in denen derUnternehmensjurist bei einem nichtanwaltlichen Ar-beitgeber angestellt ist und dann als „externer Daten-schutzbeauftragter“ bei Kunden seines Arbeitgebersals Datenschutzbeauftragter i.S.v. § 4f BDSG bestelltwird.In dieser Konstellation ist der Datenschutzbeauftragtenicht „in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers“tätig, wie es § 46 II 1 i.V.m. § 46 V 1 BRAO verlangt;er ist – wenn überhaupt – in Rechtsangelegenheitendes Drittunternehmens tätig, denn die Rechte seinesArbeitgebers werden durch seine Tätigkeit nicht be-rührt. Eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt kommtin dieser Konstellation nicht in Betracht.Hinzu kommt, dass möglicherweise noch ein Verstoßgegen das RDG vorliegt – dann nämlich, wenn der Ar-beitgeber durch den bei ihm angestellten Juristenseine Kunden, bei denen der Jurist als externer Daten-schutzbeauftragter bestellt ist, berät. Das nichtanwalt-liche Unternehmen darf keine umfassenden Rechts-dienstleistungen gegenüber Dritten erbringen, dennes verfügt über keine nach § 3 RDG erforderliche Er-laubnis. Und es darf Rechtsangelegenheiten Dritterauch nur in dem Umfang, in dem er selbst tätig wer-den darf, durch Angestellte erledigen lassen.21 Auchdie Anstellung eines Juristen ändert daran nichts.22

f) UNTERBRECHUNG DER TÄTIGKEITEine Zulassung kann nach § 46 II 1 BRAO nur erteiltwerden, wenn der Antragsteller „im Rahmen [seines]Arbeitsverhältnisses für [seinen] Arbeitgeber anwalt-lich tätig [ist]“. Fraglich ist also, was passiert, wenndie Tätigkeit vorübergehend nicht mehr ausgeübt wird.Auch Syndikusrechtsanwälte sind Arbeitnehmer, diesich im Unternehmen engagieren, Familien gründen,krank werden oder aus anderen Gründen eine „Aus-zeit“ von ihrer Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt neh-men. Wird der Syndikusrechtsanwalt also z.B. im Be-triebsrat aktiv, geht er in „Elternzeit“, erkrankt er län-gerfristig oder nimmt er ein Sabbatjahr, bedeutetdies, dass er seine Tätigkeit für diesen Zeitraum nichtmehr ausübt. Es ist aber im Zeitpunkt der Unterbre-chung der Tätigkeit (meist) klar, dass die ursprüngliche

Tätigkeit nach dieser Unterbrechung wieder auf-genommen werden wird.Hier stellt sich die Frage, ob die tätigkeitsbezogene Zu-lassung sobald die Unterbrechung beginnt, nach§ 46b II 2 BRAO widerrufen werden muss, weil die Tä-tigkeit faktisch nicht mehr ausgeübt wird und nur nochauf dem Papier besteht;23 eine Zulassung könnte dannnach Wiederaufnahme der Tätigkeit erneut beantragtwerden.Ein Widerruf erscheint nach § 46b II 2 BRAO grund-sätzlich möglich, denn die konkrete Tätigkeit erfüllt zudiesem Zeitpunkt nicht mehr die Anforderungen des§ 46 II–V BRAO – sie wird nämlich gar nicht mehr aus-geübt.Jedoch erscheint hier eher eine funktionale Heran-gehensweise sachgerecht.24 Denn es handelt sich nichtum die Beendigung einer Tätigkeit, sondern lediglichum eine Unterbrechung. Würde man einen Widerrufbei jeder Unterbrechung der Tätigkeit für erforderlichhalten so müsste man – überspitzt dargestellt – die Zu-lassung bereits bei jedem Urlaub widerrufen. Außer-dem streitet jedenfalls bei Mutterschutz und Elternzeitauch Art. 6 GG für diese Sichtweise.Für Zeiten der „Untätigkeit“ muss aber ein Antrag aufKanzleipflichtbefreiung (§ 29 BRAO) gestellt und einZustellungsbevollmächtigter (§ 30 BRAO) für den Syn-dikusrechtsanwalt bestellt werden.

6. ERSTRECKUNG DER ZULASSUNGEine Erstreckung der Zulassung ist dann erforderlich,wenn der Syndikusrechtsanwalt weitere Arbeitsverhält-nisse als Syndikusrechtsanwalt aufnimmt oder inner-halb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses eine we-sentliche Änderung der Tätigkeit eintritt, § 46b IIIBRAO.25 Dabei liegen einer Erstreckung die gleichenmateriellen Voraussetzungen zugrunde wie der Zulas-sung.26

Insbesondere die Frage, wann eine Änderung der Tä-tigkeit so wesentlich ist, dass eine Erstreckung der Zu-lassung erforderlich ist (§ 46b III BRAO), wird die Kam-mern weiterhin beschäftigen. Eine Legaldefinition desMerkmals „wesentlich“ hat der Gesetzgeber nicht vor-genommen. Fest steht, dass die Änderung der Tätigkeitnicht so wesentlich sein darf, dass die Merkmale eineranwaltlichen Tätigkeit entfallen. Denn dann kommteine Erstreckung nicht mehr in Betracht, sondern nurder Widerruf der Zulassung.Diese Frage ist auch deshalb so bedeutend, weil jeden-falls eine wesentliche Tätigkeitsänderung qua Gesetzzum Verlust der Befreiung von der Versicherungspflichtin der gesetzlichen Rentenversicherung für die geänder-

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20 Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 11 BORA Rn. 3.21 BT-Drs. 16/3655, 51; Deckenbrock/Henssler/Seichter, RDG, 4. Aufl., § 3 Rn. 6.22 OLG Düsseldorf, NJW-RR 2011, 120; Deckenbrock/Henssler/Seichter, RDG,

4. Aufl., § 3 Rn. 6.

23 So AGH Hamm, BRAK-Mitt 2017, 90 n.r. (Berufung anhängig beim BGH unter Az.AnwZ [Brfg] 12/17), im Fall der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied.

24 So i.Erg. auch Then, Der Ablauf von Zulassungsverfahren, in: BUJ – Erste Praxis-erfahrung und Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung, Die Neu-regelung des Rechts der Syndikusanwälte in Theorie und Praxis, 47.

25 Dazu Huff, Der Tätigkeitswechsel des Syndikusrechtsanwalts, in: BUJ, Die Neu-regelung des Rechts der Syndikusanwälte, 172–175.

26 Vgl. § 46b III i.V.m. § 46a BRAO.

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te Tätigkeit führt. Der betroffene Syndikusrechtsanwalt„wähnt“ sich also in Sicherheit, weil seine Zulassung Be-stand hat; tatsächlich ist er aber – ggf. ohne es zu mer-ken – von der Versicherungspflicht in der gesetzlichenRentenversicherung nicht mehr befreit.Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu betonen,dass die Rechtsanwaltskammern zu der Frage, obeine Veränderung in der Tätigkeit zu einem Verlustder Befreiung von der Versicherungspflicht geführthat, keine Auskunft geben können. Aus einer berufs-rechtlichen Einschätzung der Kammern auf die Anzei-ge einer Änderung in der Tätigkeit kann das Kammer-mitglied keine Rückschlüsse auf seinen sozialversiche-rungsrechtlichen Status ziehen oder gar einenVertrauenstatbestand herleiten. Denn es liegt keine be-standskräftige Entscheidung i.S.v. § 46a II 4 i.V.m.§ 46a II 1 BRAO vor.27 Es ist die Verantwortung jedesSyndikusrechtsanwalts, selbst zu beurteilen, ob die Än-derung wesentlich ist oder nicht; dies ergibt sich da-raus, dass die Erstreckung einen Antrag voraussetzt(§ 46b III BRAO). Verbindliche Auskünfte zu sozialver-sicherungsrechtlichen Fragen kann nur die DeutscheRentenversicherung Bund geben.Neben einer verbindlichen Auskunft der DeutschenRentenversicherung Bund scheint aber auch ein Erstre-ckungsantrag bei der Kammer als sicherer Weg für dieSyndikusrechtsanwälte. Denn in dem Erstreckungsver-fahren wird die Deutsche Rentenversicherung Bund an-gehört (§ 46b III i.V.m. § 46a BRAO) und diese istdann an die bestandskräftige Entscheidung der Kam-mer über den Erstreckungsantrag gebunden (§ 46b IIIi.V.m. § 46a II 4 BRAO). Die Deutsche Rentenversiche-rung Bund darf also, wenn sie die Entscheidung imVerfahren über die Erstreckung, dass keine wesentlicheÄnderung eingetreten sei, nicht angreift, später bei derBeurteilung der sozialversicherungsrechtlichen Situati-on nicht damit gehört werden, dass es eine wesentli-che Änderung gewesen sei. Es kann deshalb ratsamsein, vorsorglich einen Erstreckungsantrag zu stellen,auch wenn der Syndikusrechtsanwalt (und die Kam-mer) keine wesentliche Änderung annehmen.

7. BERUFSRECHTNeben Fragen der Zulassung spielen auch Fragen desBerufsrechts eine immer größere Rolle, wenn es umSyndikusrechtsanwälte geht. Auch wenn im Grundsatzklar ist, dass die Berufspflichten der Rechtsanwälteauch für die Syndikusrechtsanwälte gelten (weil sieRechtsanwälte sind!),28 so wird die Sache kompliziert,wenn es um Einzelfälle und die Details geht.Im Vordergrund der Diskussion stehen Fragen zur Ver-schwiegenheit und zur Wahrnehmung widerstreitenderInteressen. Im Kern geht es dabei um zwei Fragen: Zu-nächst geht es darum, ob es im Konzern unterschiedli-

che Interessen geben kann oder ob es nur ein „Kon-zerninteresse“ gibt – im letzteren Fall könnte der Syn-dikusrechtsanwalt alle Konzernunternehmen auchgegeneinander vertreten, weil sie keine widerstreiten-den Interessen haben können. Wenn man diese Sicht-weise richtigerweise verneint, stellt sich als nächstesdie Frage, ob mehrere Syndikusrechtsanwälte einerRechtsabteilung eine Berufsausübungsgemeinschaftoder wenigstens eine Bürogemeinschaft bilden; denndann gelten für sie die Regeln der Sozietätserstreckung(vgl. § 43a IV BRAO i.V.m. § 3 II BORA) mit der Folge,dass auch die Mitglieder dieser Gemeinschaft keine wi-derstreitenden Interessen wahrnehmen dürfen.Es kann jedenfalls nur davor gewarnt werden, einemSonder-Berufsrecht für Syndikusrechtsanwälte das Wortzu reden: es war das Ziel und es ist das Verdienst desGesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikus-anwälte, die Einheit der Anwaltschaft gewahrt zu ha-ben, indem die Unternehmensjuristen, jedenfalls soweitsie anwaltlich tätig sind, als vollwertige Rechtsanwälteakzeptiert und definiert wurden. Dann kann und darfdiese Einheit jetzt nicht dadurch gefährdet werden,dass es unterschiedliche Maßstäbe im Berufsrecht gibt.

III. ÄNDERUNGEN DURCH DIE KLEINE BRAO-NOVELLE

Durch die kleine BRAO-Novelle29 gab es einige Ände-rungen im Recht der Syndikusrechtsanwälte.Zunächst beseitigt die Kleine BRAO-Novelle die Pflicht,jeweils Mitglied der Kammer zu sein, in deren Bezirkdie Kanzlei der schwerpunktmäßig ausgeübten Tätig-keit liegt (§ 46c IV 2 BRAO).Daneben ist die rückwirkende Mitgliedschaft in denKammern von der größten praktischen Relevanz. Syn-dikusrechtsanwälte werden nunmehr rückwirkend mitdem Datum ihres Antrags bzw. dem Beginn ihrer Be-schäftigung als Syndikusrechtsanwalt Mitglied derRechtsanwaltskammer, je nachdem welcher Zeitpunktspäter liegt. Diese rückwirkende Mitgliedschaft soll„Versicherungsruinen“30 der Syndikusrechtsanwältevermeiden, die bisher dadurch entstehen konnten,dass sie jeweils für die Dauer des Zulassungs- bzw. Er-streckungsverfahrens Beiträge in die gesetzliche Ren-tenversicherung zahlen mussten.Was die Abspaltung der Mitgliedschaft von der Zulas-sung und insbesondere eine rückwirkende Mitglied-schaft in den Kammern bedeutet, wird die Zukunft zei-gen müssen. Auf Kammerversammlungen und ins-besondere Vorstandswahlen im Zeitraum der Fiktionkann die Rückwirkung jedenfalls keinen Einfluss haben;denn die Teilnahme- und Wahlberechtigung entschei-det sich im Zeitpunkt der Kammerversammlung. DieRückwirkung der Mitgliedschaft führt also nicht dazu,dass das Mitglied auch rückwirkend an einer in der

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27 Wenn die Kammer auf Anzeige einer Veränderung keinen Widerruf der erteiltenZulassung ausspricht, erlässt sie gerade keinen Verwaltungsakt und somit keineEntscheidung i.S.v. § 46a II 1 BRAO, geschweige denn eine bestandskräftige Ent-scheidung i.S.v. § 46a II 4 BRAO.

28 BT-Drs. 18/5201, 37.

29 BGBl. 2017 I, 1121.30 Hartmann/Horn, AnwBl. Online 2016, 255, 256.

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Vergangenheit liegenden Kammerversammlung hätteteilnehmen dürfen; eine fingierte rückwirkende Teilnah-meberechtigung kann es nicht geben.

IV. FAZIT

Auch nach gut 500 Tagen Erfahrung mit dem Gesetzzur Einführung der Syndikusrechtsanwälte sind immernoch viele Fragen offen. Dabei ergeben sich ständig

neue Erkenntnisse, die in die Behandlung zukünftigerFälle einfließen. Angesichts eines Gesetzes, das nichtwiderspruchsfrei ist, und der mannigfaltigen Konstella-tionen in der Praxis, ist nicht damit zu rechnen, dassdiese Entwicklung in absehbarer Zeit zum Stillstandkommt. Neben der Wissenschaft werden insbesonderedie Gerichte einen wesentlichen Teil dazu beitragen,offene Fragen zu beantworten und bestehende Unsi-cherheiten in der Anwendung des Gesetzes zu beseiti-gen.

ALTERNATIVE FINANZIERUNGSWEGE FÜR ANWÄLTERECHTSANWALT MARKUS HARTUNG UND RECHTSANWÄLTIN JUTTA LÖWE*

Ob und wie viel Kapital Rechtsanwälte für die Grün-dung einer anwaltlichen Praxis brauchen, ist unklar. Al-lerdings ist im Hinblick auf die zunehmenden tech-nischen Möglichkeiten klar, dass Investitionen in einevernünftige Ausstattung unausweichlich sind. Nachgeltendem Recht dürfen Anwälte aber keinen Finanz-investor an Bord nehmen, und Bankdarlehen sind oftauch keine Lösung. Der Beitrag behandelt zwei alter-native Finanzierungsarten und möchte damit eine Dis-kussion über Finanzierungswege anstoßen. DennRechtsanwälte sind im Wettbewerb mit anderenRechtsdienstleistern benachteiligt, weil ihnen aus ideo-logischen Gründen unzeitgemäße Fesseln angelegtwerden.

I. VORBEMERKUNG

Dieser Beitrag befasst sich mit Finanzierungen fürRechtsanwälte beim Auf- und Ausbau ihrer Kanzleien– aber ausnahmsweise geht es nicht um die Zulässig-keit des Fremdbesitzes, oder doch nur sehr mittelbar.Darüber ist genug geschrieben worden, und es wirdauch weiterhin darüber geschrieben werden: Manmuss nur lesen, was Hellwig1 jüngst über die BVerfG-Entscheidungen zu den Mehrheitsverhältnissen in derSache Horn und schon damals dazu verfasst hat, umzu verstehen, dass zu diesem Thema das letzte Wortnoch nicht gesprochen ist.

Das hilft Anwälten aber nicht weiter, wenn sie heutevor der Frage stehen, wie sie den Auf- und Ausbau so-wie den Betrieb ihrer Kanzleien finanzieren sollen.Grundsätzlich ist das Thema „Investitionen“ kein The-ma mit hoher Priorität, Anwälte kämpfen im Alltageher damit, ihre Kosten im Griff zu behalten, ange-

sichts steigenden Wettbewerbs und stagnierender Um-sätze. Häufig hört man auch (und zwar gerade von äl-teren und erfolgreichen Kollegen), dass Anwälte ja ge-rade in der guten Situation seien, nicht investieren zumüssen, im Gegenteil mit geringsten Kosten startenkönnten: Denn sie benötigten nur ihre juristischen sie-ben Sinne und ein Zimmer mit einem Internet-anschluss, den Rest könne man outsourcen. Darübermag man jetzt denken, wie man will, so ganz zeitge-mäß erscheint es nicht.

Unternehmerisches Handeln scheint in der Breite derAnwaltschaft nicht besonders ausgeprägt zu sein.Aber es gibt immer noch Anwälte diesseits der Groß-kanzleiwelt, die den schwierigen Anwaltsmarkt imB2C-Bereich (Business to Consumer, also Verbraucher-beratung) als unternehmerische Herausforderung be-trachten und mit einem gehörigen Maß an Idealismusden Zugang zum Recht ermöglichen wollen, und zwargerade dort, wo die unternehmerischen Früchte nichtsehr niedrig hängen. Unternehmerische Herausforde-rung bedeutet, nicht mit einem Allgemeinangebot aufMandanten warten, sondern mit klarer Spezialisierungund „Kundenfokus“ antreten und solche Bereiche alsNische entdecken, die auf den ersten Blick als kleintei-lig und unattraktiv angesehen werden. Das rechnetsich nicht unmittelbar, man muss investieren. Dafürhaben wir zwei Beispiele, gänzlich fiktiv, aber Ähnlich-keiten mit real existierenden Kanzleien sind nicht aus-geschlossen:

II. BEISPIELE FÜR FÖRDERUNGSWÜRDIGEKANZLEI-IDEEN

Beispiel 1: Kanzlei für Migrationsrecht. Dieses Rechts-gebiet gibt es nicht, auch wenn es einen Fachanwaltdafür gibt. Aber es geht um alle Rechtsfragen, mit de-nen sich Migranten und Flüchtlinge typischerweise be-fassen müssen. Das sind schwierigste Rechtsfragen fürMenschen, die sich hier auf Zeit oder auf Dauer inte-

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* Die Autorin Löwe ist Rechtsanwältin und zertifizierte Datenschutzbeauftragte inCoesfeld. Der Autor Hartung ist Rechtsanwalt in Berlin und Direktor des BuceriusCenter on the Legal Profession an der Bucerius Law School in Hamburg. Er istaußerdem Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses des DAV.

1 Hellwig, AnwBl. 2016, 776 ff.

HARTUNG/LÖWE, ALTERNATIVE FINANZIERUNGSWEGE FÜR ANWÄLTE

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grieren wollen oder müssen und z.B. mit so hochkom-plexen Regelungen wie dem Asylbewerberleistungs-gesetz kämpfen. Aber das ist längst nicht alles.Für solche Mandanten hilft oft kein Büro an der Ecke,auch nicht in der Innenstadt. Man muss die Menschen,auch Mandanten, bekanntlich dort abholen, wo siesind. Diese Menschen leben häufig in Lagern oder Be-helfsunterkünften, kommunizieren über Social Mediaund holen sich alle Informationen im Internet. Dortmüssen sie auch die anwaltlichen Leistungen finden,möglichst einfach mit einer App und ohne Hemm-schwellen. Eine erfolgreiche Kanzlei für Migrations-recht wird deutschlandweit über ein Portal eine Mi-schung aus Online- und persönlichen Dienstleistungenanbieten, nicht nur Jura, dafür mit Videoangebotenauch für die Kommunikation Mandant/Anwalt undder Hilfe von Dolmetschern, weiteren anwaltlichenund nichtanwaltlichen Kooperationspartnern und Be-zahlwegen über das Internet.Beispiel 2: Die „Hartz IV“-Kanzlei. Zielgruppe sind allediejenigen, die ohnehin wegen Hartz IV zum benach-teiligten Drittel der Gesellschaft gehören und die in ih-ren Auseinandersetzungen mit Behörden auf sich al-lein gestellt sind. Viele dieser Menschen haben zudemnoch mit der Scham zu kämpfen, auf solche Hilfen an-gewiesen zu sein. Solchen Menschen muss geholfenwerden, nicht nur irgendwie oder durch Scharlatane-rie, sondern effektiv und in hoher Qualität, eben an-waltlich.Mangels Kapital wird die Beratung und Vertretung die-ser Zielgruppen, die sich ohnehin kaum etwas leistenkönnen, häufig von bewundernswert idealistischen Kol-legen mit ausgeprägtem Helfersyndrom und einemleichten Hang zur Selbstzerstörung erledigt. Dennder Verdienst in diesen Mandaten kann durchaus un-ter Mindestlohnniveau liegen. Will ein Anwalt kosten-deckend arbeiten und dazu noch ein angemessenesEinkommen erwirtschaften, so ist er bislang gezwun-gen, die Zahl der Mandate mit niedrigen Streitwertenund der Mandanten ohne Kapital niedrig zu halten.Oder aber man betreibt solche Verfahren „industriell“.Industriell heißt: Hohe Qualität, Fokus auf wenige „Pro-dukte“, Entwicklung standardisierter und automatisier-ter Abläufe, soweit das möglich ist, hoher Einsatz vonTechnologie. Der Anwalt wird zum Entwickler und Un-ternehmer, das wäre auch für Verbraucher ein Ge-winn.Beispiel dafür wäre eine Kanzlei, die etwa wie Flight-right Verspätungsansprüche von Flugpassagierengeltend macht, oder die Mieter bei der Prüfung vonBetriebskostenabrechnungen oder Modernisierungs-zuschlägen usw. unterstützt. Solche Mandate kannman nicht kostendeckend bearbeiten, wenn man esauf die traditionelle Weise versucht. Man muss inTechnologie investieren und ein Geschäftsmodell derhohen Fallzahlen anstreben.In allen Beispielen muss investiert werden, in Techno-logie und Online-Marketing. Die Beträge sind erheb-lich, oft schon deutlich im fünfstelligen Bereich. Hinzu

kommt der Unternehmerlohn der beratenden Anwältefür die Zeit, in der sich die Kanzlei noch nicht trägt.Mit dem bei jungen Anwälten nicht unüblichen Ge-schäftsmodell (siehe oben: ein PC, ein Handy und imersten Jahr ganz sparsam und/oder von familiärerStütze leben) lässt sich das nicht bewerkstelligen.

III. KLASSISCHE FINANZIERUNG?

Finanzierungsmodelle für Anwälte gelten im Normal-fall als äußerst schlicht: Man finanziert sich aus demCash Flow und braucht daher nur eine Unterstützungfür die ersten Monate, in denen noch keine Rechnun-gen gestellt werden können. Im Regelfall ist ein An-waltsbüro auch nicht kapitalintensiv, anders als in un-seren Beispielen. Hinzu kommen gesetzliche Beschrän-kungen im Hinblick auf Finanzierungen jenseits einesBankkredits, etwa durch externe Investoren:Denn Fremdbesitz, also die Partnerschaft mit Nicht-An-wälten, gilt abgesehen von wenigen Ausnahmen alsverboten. Fremdbesitzer (schon die Begrifflichkeit irri-tiert: beruht die Konnotation zum Fremdarbeiter, zumAusländer, auf einem Versehen?) gelten als eine Ge-fährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit. Andersein Bankkredit, trotz persönlicher und unbeschränkterHaftung des Anwalts und der Gefahr, dass Kreditezur Unzeit gekündigt werden können, gerade dann,wenn man sie dringend braucht. Viele Anwälte, auchRechtsanwaltskammer-Offizielle, finden das aber lo-gisch.2

Für unsere Beispiele scheiden zwei Finanzierungswegeaus: Der klassische Bankkredit und „Oma“:Ersteres, den klassischen Bankkredit, bekommt mannicht in der erforderlichen Höhe. Man braucht Eigen-kapital, außerdem müssen Sicherheiten geboten wer-den, die man oft nicht hat. Es handelt sich auch nichtum einen übersichtlichen Betriebsmittelkredit, um dieLiquiditätsprobleme der ersten Monate zu überbrü-cken, sondern es wären hohe Investitionskredite. Wirkennen keinen Fall, in dem ein anwaltliches Start Up ei-nen solchen Kredit erhalten hätte.Letzteres, was wir „Oma“ nennen, ist die familiäre Un-terstützung, häufig im Vorgriff auf ein Erbe. Vielleichtgibt es wenige Fälle, in denen familiäre Unterstützungmit so hohen Beträgen möglich ist, aber ist es die Re-gel? Vielleicht kann etwas zum Eigenkapital beigesteu-ert werden, aber: Wer hat schon eine Oma mit Ventu-re Capital-Erfahrungen und -Ambitionen?

IV. ALTERNATIVEN

Wir stellen daher zwei Finanzierungsmodelle vor, näm-lich einmal eine Gründerfinanzierung durch den Mikro-mezzaninfonds und sodann eine Crowd-Finanzierung.Dabei schauen wir insbesondere auf das anwaltliche

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2 Ausführlich dazu Hartung, AnwBl. 2009, 704 ff.

HARTUNG/LÖWE, ALTERNATIVE FINANZIERUNGSWEGE FÜR ANWÄLTE

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Berufsrecht, denn beide Finanzierungsarten haben Ei-genschaften, auf die eine Anwaltskammer allergischreagieren könnte. Im Fall der Mikromezzaninfinanzie-rung ist das vielleicht auch nicht ganz unberechtigt.

1. STILLE GESELLSCHAFT, MIKROMEZZANIN-FINANZIERUNG

a) EINFÜHRUNGEin Mezzanin ist eigentlich ein Zwischengeschoss in ei-nem mehrstöckigen Gebäude. Wird der Begriff im Zu-sammenhang mit einer Finanzierung verwendet, ver-steht man darunter eine Mischform aus Eigen- undFremdkapital.

Dabei wird in der klassischen Variante einem Unter-nehmen wirtschaftliches oder bilanzielles Eigenkapitalzugeführt, ohne den Kapitalgebern Stimm- oder Ein-flussnahmerechte bzw. Residualansprüche wie denechten Gesellschaftern zu gewähren. Der Kapitalgebersoll sich also nicht ins Tagesgeschäft einmischen. Die-se Art der Finanzierung erfolgt als typische stille Betei-ligung und soll die wirtschaftliche Eigenkapitalbasisstärken.

Mezzanin ist also grundsätzlich eine sinnvolle Maßnah-me zur Stärkung des Eigenkapitals. Da aber der Zugangfür Unternehmen zu kleineren Mezzaninfinanzierungenkaum möglich war, wurde im Jahr 2013 der Mikromez-zaninfonds Deutschland zur Stärkung des Mittelstandsaufgelegt. Das Geld dafür stammt aus dem ERP-Sonder-vermögen3 und dem Europäischen Sozialfonds. Aus die-sem Fonds können Klein- und Kleinstunternehmen mitBeteiligungen zwischen 10.000 und 50.000 Euro ihre Ei-genkapitalbasis stärken.

b) VERGABE DER MITTEL UND EINZELHEITEN DERFINANZIERUNGDiese Art der Finanzierung wird in den einzelnen Bun-desländern auf unterschiedliche Art vergeben, häufigdurch Bürgschaftsbanken oder andere staatlich unter-stützte Förderinstitute in Zusammenarbeit mit der je-weiligen Hausbank. Die Beteiligungsverträge folgen ei-nem Mustervertrag4 und sehen im Wesentlichen Fol-gendes vor: Die stille Gesellschaft wird für maximalzehn Jahre begründet. Der stille Gesellschafter erhältjährlich einen ergebnisunabhängigen Betrag von 8 %in Höhe des Nominalbetrags der Einlage und darüberhinaus jährlich einen ergebnisabhängigen Betrag vonhöchstens 1,5 % des Einlagebetrags. An Verlustennimmt der Kapitalgeber aber nicht teil. Im Insolvenzfall

sind die Rückzahlungsansprüche gem. § 39 II InsOnachrangig.Der Kapitalgeber hat Einsichtsrechte in den Jahres-abschluss bzw. die Einnahmen-/Überschussrechnun-gen, darüber hinaus aber auch weitergehende Infor-mations- und Besichtigungsrechte, auch das „Recht,sämtliche für Beurteilungen nach den Bestimmungendes Vertrages relevante Unterlagen“ (so die Formulie-rung in § 7 II 2 des Mustervertrags) zu überprüfen.Weiterhin verspricht er, sich aus der Geschäftsführungrauszuhalten, hat aber ein Zustimmungsrecht bei we-sentlichen und unternehmensändernden Entscheidun-gen. Nach sieben Jahren muss mit der Rückzahlungder Einlage begonnen werden, in drei gleichen Jahres-raten, damit die Beteiligung nach zehn Jahren beendetwerden kann.

c) BERUFSRECHTLICHE BEDENKEN – VERSTOSS GEGEN§ 59A BRAO?Diese Beteiligungsart stößt auf den ersten Blick auf be-rufsrechtliche Bedenken: Denn ein Mikromezzanin-Geber gehört in aller Regel nicht zu den vereinbarenBerufen nach § 59a BRAO, so dass eine Gesellschaf-terstellung ausscheidet. Darüber hinaus ist die Ge-winnbeteiligung in Höhe von maximal 1,5 % der Ein-lage bedenklich, denn nach § 27 BORA dürfen Drittenicht am Ergebnis der anwaltlichen Tätigkeit beteiligtwerden.Spricht das gegen die Zulässigkeit der Mikromezzanin-finanzierung in Form der Stillen Gesellschaft? Hierreicht nicht der Platz für eine eingehende juristischeUntersuchung, aber: Man könnte gut die Auffassungvertreten, dass die Beteiligung viel eher den Charaktereines (partiarischen) Darlehens hat. Wird einem Unter-nehmen vom Investor lediglich Kapital mit der Gewinn-beteiligung als Gegenleistung überlassen, ohne einenweiteren Zweck zu erfüllen, handelt es sich in der Regelnoch nicht um eine stille Beteiligung, sondern um einpartiarisches Darlehen.Eine stille Gesellschaft läge dann vor, wenn der ge-meinsame Zweck nicht auf eine reine Gewinnerzie-lungsabsicht beschränkt ist. Vielmehr muss sich derInvestor in dem Vertrag als stiller Gesellschafter ver-pflichten, den Unternehmensgegenstand des Ge-schäftsinhabers zu fördern. Dies führt dazu, dass derStille die Rückzahlung seiner Einlage oder die Zahlungder Gewinnbeteiligung nicht zur Unzeit, also bei Liqui-ditätsengpässen oder in der Krise des Unternehmens,verlangen kann. Danach spricht mehr für das partiari-sche Darlehen, denn der gemeinsame Zweck, bezogenauf die Förderung, ist nicht ersichtlich.Allerdings stellt sich auch die Frage, ob das Sozietäts-verbot hier überhaupt einschlägig ist, denn es geht janicht um die gemeinschaftliche Berufsausübung vonKapitalgeber und Anwalt. Das legt § 59a BRAO aberzugrunde. Wo liegt der berufsrechtlich brisante Unter-schied zum Darlehen durch eine Bank? Gibt es diesenüberhaupt? Das Darlehen birgt mehr persönliche Risi-ken für den Darlehensnehmer, wegen der persönlichen

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3 Das European Recovery Program (ERP) ist ein vom Bund verwaltetes Sonderver-mögen. Es handelt sich um einen Nachfahren der Marshallplan-Finanzierung ausdem Jahr 1948, zu dessen Verwaltung und Zuteilung seinerzeit die Kreditanstaltfür Wiederaufbau (KfW) gegründet wurde; vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/ERP-Sondervermögen (Abfrage am 30.4.2017).

4 Ein Musterantrag findet sich unter http://www.mikromezzaninfonds-deutschland.de/files/mmd/downloads/Antragsfomular_für_eine_Mikromezzaninbeteiligung_ausfuellbar.pdf; ein typisches Informationsblatt unter https://www.buergschaftsbank.de/fileadmin/Dateiinhalte/Programme/Informationen_Mikromezzaningvertrag.pdf, undein Vertrag unter http://www.mbg-sachsen.de/uploads/media/Mustervertrag_Mikromezzaninbeteiligung_01.pdf.

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und unbeschränkten Haftung und der Möglichkeit derFälligstellung, wenn es eng wird.Über diese Fragen würde man aber einfacher wegkom-men, wenn die Informationsrechte von Kapitalgebernnicht so ausufernd wären – denn die Beeinträchtigungder anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht wäre auchbei liberaler Sicht auf das anwaltliche Berufsrechtnicht vertretbar. Diese Klippe könnte man nur umschif-fen, wenn der Kapitalgeber sich damit einverstandenerklären würde, auf Einsicht in Mandantenunterlagenzu verzichten. Wäre das ausgeschlossen?Vermutlich nicht. Ein Kapitalgeber will nicht wissen,mit welchem Mandanten welches Mandat bearbeitetwurde, sondern er möchte aggregierte Zahlen. Allesdas, was nicht über die Berichts- und Offenbarungs-pflicht von Rechtsanwaltsgesellschaften in Form derGmbH hinausgeht, wäre ohnehin unverfänglich. Aberdie Musterbedingungen sind anders, und das stellteine nicht einfach zu überwindende Hürde dar.

d) VERSTOSS GEGEN § 27 BORADer Ergebnisbeteiligung schließlich steht zunächst derWortlaut des § 27 BORA entgegen. Diese Vorschriftwurde geschaffen, um Beeinträchtigungen der Un-abhängigkeit des Anwalts zu verhindern – durch Büro-vorsteher oder Gewinnpools mit Unternehmen, die sichmit dem Anwalt still verbunden haben. Passt das aufdie hier vorliegenden Fälle?Abgesehen davon, dass der Gesamtbetrag der ergeb-nisbezogenen Beteiligung höchstens 750 Euro im Jahrbetragen kann: Kommt eine Vergütung für ein Darle-hen mit Rangrücktrittsvereinbarung, deren Zweck dieStärkung der Eigenkapitalbasis eines Anwaltsunterneh-mens darstellt, und die nur anfällt, wenn Gewinne er-zielt werden und darüber hinaus sehr gering ist, demAnwalt nicht sogar entgegen? Der Wortlaut steht die-ser Vereinbarung dennoch entgegen. Es handelt sichum eine einschränkende Regelung der Berufsaus-übungsfreiheit, Art. 12 GG. Was sind die vernünftigenErwägungen des Allgemeinwohls, dem Anwalt eine ris-kante Finanzierungsart zu gestatten (Bankkredit), eineweniger riskante aber zu versagen? Hier sprechen diedeutlich besseren Argumente dafür, § 27 BORA fürnicht einschlägig zu halten.Als Zwischenergebnis muss man allerdings festhalten:Die berufsrechtlichen Risiken machen diese Art der Fi-nanzierung eher unattraktiv, denn niemand möchtesich in unabwägbare Händel mit seiner Aufsichts-behörde begeben, wenn man doch alle seine Energienbraucht, um sein Anwaltsunternehmen erfolgreich auf-zubauen. Man kann jungen Kollegen nicht zumuten,erst einmal durch alle Instanzen zu streiten, bevorman überhaupt startet. Ideen sind gefragt, auch un-konventionelle: Wie wäre es, wenn die BRAK zum Kapi-talgeber wird? Mit dem beA ist die BRAK zum Techno-logie-Dienstleister geworden. Warum nicht auch dann,wenn es ums Geld geht? Ohne Mitwirkung des Gesetz-gebers ginge es natürlich nicht, denn solche Aufgabengehören de lege lata weder zum Aufgabenbereich der

BRAK noch zu dem der regionalen Kammern. Aberwäre es absolut unvorstellbar?

2. FINANZIERUNG ÜBER DIE CROWDEine zweite alternative Finanzierungsform, die sich imunternehmerischen Leben wachsender Beliebtheit er-freut, ist das Crowdfunding oder Crowdinvesting – seiteinigen Jahren auch in Deutschland bekannt, aber alsmögliche Finanzierung von Anwalts-Startups weiterhinignoriert. Das Kapital wird hier nicht durch einen odereinige wenige Kapitalgeber eingesammelt, sondern mitHilfe einer Vielzahl von Geldgebern, die die Gründungeines Unternehmens oder nur die Umsetzung eines Pro-jektes ermöglichen.5 Wirklich neu ist diese Form der Fi-nanzierung nicht. Jeder, der schon einmal in der Kircheein paar Euro in den Klingelbeutel geworfen hat, oderder sich an einer Spendenaktion beteiligt hat, war da-mit bereits Teil eines Crowdfunding-Projekts.

a) BESONDERHEITEN DER CROWD-FINANZIERUNGWesentlich an der Crowd-Finanzierung ist, dass dereinzelne Investor einen im Verhältnis zur Gesamtsum-me kleinen Beitrag leistet. Dennoch kann mit der Sum-me der Beteiligungen ein hoher Betrag finanziert wer-den.6 Das bisher vorherrschende Modell in Deutsch-land ist die Finanzierung über ein sogenanntespartiarisches Nachrangdarlehen.7

Aufgrund der Digitalisierung und der Verbreitungs-möglichkeiten durch das Internet ist das Crowdfundingeine interessante Finanzierungsmöglichkeit. Zusätzlichdient die Funding-Phase auch als Instrument zurMarktforschung.8 Finden sich genügend Begeisterte,die das Projekt unterstützen wollen, und sind dieseebenfalls bereit, Kapital zu investieren, so kann diesein Indiz für den späteren Unternehmenserfolg sein.Das Risiko für Fehlinvestitionen scheint geringer. Kannder Unternehmer seine Geschäftsidee gut verkaufenund Geldgeber akquirieren, so wird er auch das späte-re Produkt gut verkaufen können und das Unterneh-men zum Erfolg führen, so vermuten es die Geldgeber.

b) CROWDFUNDING-PLATTFORMEN UND KLEIN-ANLEGERSCHUTZCrowdfunding nutzen vorwiegend innovative Startupsder Tech-Branche.9 Verschiedene Plattformen im Inter-net dienen als Vermittler zwischen der Crowd unddem Vorhaben.10 Für die Plattformen ist es wichtig, er-

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5 Erläuterung der verschiedenen Arten des Crowdfunding in der deutschen Wiki-pedia zu den Stichworten Crowdfunding und Crowdinvesting sowie unter http://www.bafin.de/DE/Verbraucher/GeldanlageWertpapiere/Investieren/Crowdfunding/crowdfunding_node.html;jsessionid=DA2B5AE68D23F700CA4940BFFDB9E9B6.1_cid298.

6 Das bisher größte Projekt mit über 10 Mio. US-Dollar war die Pebble E-Paper-Watch, https://www.kickstarter.com/projects/597507018/pebble-e-paper-watch-for-iphone-and-android/description.

7 Herr/Bantleon, DStR 2015, 532 (533).8 Herr/Bantleon, DStR 2015, 532 m.w.N.9 S. dazu den Crowdfunding-Monitor unter https://www.fuer-gruender.de/kapital/

eigenkapital/crowd-funding/monitor/.10 Zur Marktübersicht Herr/Bantleon, DStR 2015, 532 ff.; https://www.fuer-gruender.

de/kapital/eigenkapital/crowd-funding/.

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folgreiche Finanzierungen durchzuführen. Daher gibtes verschiedene Arten der Selektion. In einigen Fällenmuss das Projekt, die Geschäftsidee, zunächst eine be-stimmte Anzahl an Unterstützern gewinnen, um über-haupt in die nächste Phase, die Finanzierungsphase,zu gelangen. Oder es wird anhand von bestimmtenKriterien ausgewählt.11

Seit den gesetzlichen Änderungen durch das Kleinanle-gerschutzgesetz (Juli 2015) besteht auch für Crowd-funding-Projekte grundsätzlich eine Prospektpflicht. Esgibt jedoch zahlreiche Ausnahmen, insbesondere wennbestimmte Beträge nicht überschritten werden.12

c) BERUFSRECHTLICHE FRAGEN – CROWDFUNDINGUND § 59A BRAODoch was sagt das anwaltliche Berufsrecht zumCrowdfunding? Ist eine Beteiligung mit einem partiari-schen Darlehen berufsrechtlich zulässig? So ohne wei-teres kann man nicht davon ausgehen.

Ebenso wie bei der Mikromezzanin-Finanzierung ist esauch bei der Crowd: Die Investoren sind nicht aus-schließlich Berufsgruppen gem. § 59a BRAO, zumindestnicht zu 100 %. Es würde aber dem Sinn und Zweck desCrowdfunding widersprechen, dieses als eine durch§ 59a BRAO verbotene Zusammenarbeit anzusehen. Eshandelt sich ja gerade nicht um eine gemeinschaftlicheBerufsausübung, sondern nur um eine gemeinschaft-liche Finanzierung. Die Investoren sollen sich natürlichfür das Start-Up und dessen Dienstleistung begeistern,aber Mitspracherechte gehen nicht weiter als das Loboder die Kritik von Mandanten. In den Verträgen sindMitwirkungsbefugnisse sowie Stimm- oder Weisungs-rechte hinsichtlich Geschäftsführung, Verwaltung undBilanzierung ausdrücklich ausgeschlossen.

d) CROWDFUNDING UND § 27 BORA?Auch die Hürde der verbotenen Gewinnbeteiligungnach § 27 BORA muss das Crowdfunding nehmen.

Um das Crowdfunding attraktiv zu gestalten, wirdhäufig eine Gewinnbeteiligung vereinbart und nichtlediglich die Rückzahlung des verzinsten Anteils. Die-se Gewinnbeteiligungen orientieren sich aber nichtan einzelnen Mandaten, sondern an dem Gesamt-ergebnis des Unternehmens. Grundlage ist die Bilanz.Auch das verdient einen vertieften Blick, ähnlich wieoben.Die Verschwiegenheitspflicht ist durch diese Finanzie-rungsform nicht gefährdet, zumindest nicht mehr alsbei andern Formen der Finanzierung. Bilanzen und be-triebswirtschaftliche Auswertungen enthalten keineMandantendaten, maximal Daten zu Lieferanten. Esist nicht anders als bei der Anwalts-GmbH: DieTransparenz- und Berichtspflichten einer GmbH ste-hen der Wahrung der Verschwiegenheitspflicht nichtim Wege.Letztlich bleiben auch beim Crowdfunding Unsicher-heiten, welche sich als Hemmschuh erweisen könnten.Man muss dann andere Wege beschreiten. Das istschade, denn Innovationen erfordern Risikokapital,das haben die letzten Jahre gezeigt. Und der Anwalts-markt braucht dringend Innovationen, am besten ausden eigenen Reihen und nicht von außen. Ist es nichtberufsrechtlich beruhigender, wenn eine Kanzlei einetransparente und regulierte Finanzierung von vielenkleinen Geldgebern wählt, als von wenigen großenMandanten abhängig zu sein?

V. ZUSAMMENFASSUNG

Was ist die Lösung? Perfekt ist das alles nicht. Eine Fi-nanzierungsart, die unter dem Damoklesschwert derberufsrechtlichen Unzulässigkeit steht, ist keine Finan-zierungsart. Aber wir haben gezeigt, dass die konkreteAusgestaltung eigentlich berufsrechtlich verträglich istoder zumindest sein kann. Wir brauchen jetzt eine Dis-kussion mit den Anwaltskammern. Es kann nicht ge-wollt sein, dass innovative Kanzleigründungsmodellenicht finanziert werden können, weil sie Elemente ha-ben, die in einiger Entfernung wie Fremdbesitz aus-sehen, es aber tatsächlich nicht sind.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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11 Herr/Bantleon, DStR 2015, 532 (533).12 Zu den Auswirkungen der Änderungen durch das kleinteilige Schutzgesetz

s. http://www.bafin.de/DE/Aufsicht/Prospekte/ProspekteVermoegensanlagen/prospektevermoegensanlagen_node.html.

HARTUNG/LÖWE, ALTERNATIVE FINANZIERUNGSWEGE FÜR ANWÄLTE

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COMPLIANCE IN RECHTSANWALTSKAMMERNRECHTSANWALT DR. SVEN-JOACHIM OTTO*

Der Beitrag beschäftigt sich mit der Notwendigkeitvon Compliance-Regelungen im Bereich der Selbstver-waltungsorganisationen am Beispiel einer Rechts-anwaltskammer. Er zeigt die rechtlichen Verpflich-tungen des Präsidiums und des Vorstands auf undvergleicht diese mit denen der Geschäftsleitungenvon öffentlichen und privaten Unternehmen. An mög-lichen Compliance-Maßnahmen werden Anti-Korrupti-ons- und Einkaufsrichtlinien näher betrachtet und an-hand eines konkreten Beispiels erläutert. Abschlie-ßend wird der Bedarf an größerer Transparenz derVorstandsarbeit der Kammern aufgezeigt und die indi-vidualisierte Veröffentlichung der Bezüge u.a. von Prä-sidium und Vorstand vorgeschlagen.

I. EINLEITUNG

In der Privatwirtschaft längst auf der Agenda und inständiger Weiterentwicklung, fristet das Thema Com-pliance im Bereich wirtschaftlicher Betätigung der öf-fentlichen Hand und bei Selbstverwaltungsorganisa-tionen immer noch ein Schattendasein. Dies vollkom-men zu Unrecht, wie die Studie „Kriminalität imöffentlichen Sektor 2010“1 von PwC zeigt. So kamdie Studie im Jahr 2010 zu dem Ergebnis, dass fastjede dritte Behörde in den vergangenen Jahren vonmindestens einer strafbaren Handlung betroffen war.In fast vier Fünfteln der Fälle war ein Beamter oderAngestellter der Behörde an der Tat beteiligt. DieDunkelziffer dürfte in diesem Bereich ebenfalls be-trächtlich sein, denn in allein jeder fünften Behördesind Mitarbeiter Bestechungsversuchen ausgesetzt.Dabei gibt es gewichtige Gründe, an das ThemaCompliance langfristig, umfassend und strategischheranzugehen.

Das Präsidium der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)führt in seinem Diskussionspapier zur Berufsethik derdeutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte2 un-ter anderem aus, dass es für Großkanzleien zwar keineeigenständigen ethischen Verpflichtungen gebe, dochmüssten sie wegen ihrer Größe und ihrer besonderenStrukturen die Einhaltung der berufsrechtlichen und be-rufsethischen Regeln und Handlungsmaximen durch zu-sätzliche organisatorische und administrative Vorkeh-rungen sicherstellen (Compliance- und Governance-An-forderungen).

II. RECHTLICHE VERPFLICHTUNGEN DESPRÄSIDIUMS UND DES VORSTANDS

Wie die Geschäftsleitung eines Unternehmens sind dasPräsidium und der Vorstand einer Rechtsanwaltskam-mer für die Führung der Kammer verantwortlich, ihnenobliegt eine Geschäftsführungs- und Organisations-pflicht. In deren Rahmen müssen sie eine Vielzahl vonBestimmungen beachten. Zunächst haben sie dafür zusorgen, dass die Kammer ihren Verpflichtungen nach-kommt und im Einklang mit der Bundesrechtsanwalts-ordnung (BRAO), Berufsordnung der Rechtsanwälte(BORA) sowie ihren eigenen Geschäfts-, Verfahrens-,Entschädigungsordnungen und Richtlinien handelt.

Der Geschäftsleitung obliegt ferner der Aufbau unddie Einhaltung eines Risikomanagements, wozu aucheine umfängliche Risikokommunikation an den Ge-samtvorstand und die Kammerversammlung gehört.Ferner bedarf es wirksamer Maßnahmen zur Korrup-tionsvorbeugung (Vier-Augen-Prinzip)3 und einer funk-tionierenden internen Revision. Bei zustimmungspflich-tigen Geschäften ist sicherzustellen und zu dokumen-tieren, dass das Präsidium die Zustimmung desjeweils zuständigen Organs einholt. Interessenskonflik-ten kann so vorgebeugt werden. Die Rechtsprechungformte zudem auf der Grundlage des Haushaltsrechtsdas Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit.4

Für die Mitglieder des Präsidiums und des Vorstands istinsbesondere ihre Amtsträgereigenschaft i.S.d. § 11 INr. 2 lit. c StGB zu berücksichtigen, welche insbesonde-re zur Relevanz von § 331 StGB (Vorteilsnahme) und§ 332 StGB (Bestechlichkeit) führt. Mit Blick auf denSchutz der finanziellen Ressourcen der RAK Düsseldorfist u.a. auf § 266 StGB (Untreue) hinzuweisen.

III. MÖGLICHE COMPLIANCE-MASSNAHMEN

1. ANTI-KORRUPTIONS-RICHTLINIEGenerell ist es daher dringend anzuraten, über denEntwurf einer Anti-Korruptions-Richtlinie in der Rechts-anwaltskammer zu diskutieren und eine solche, ange-passt an die Gegebenheiten vor Ort, zu erlassen. Sol-che existieren vielfach schon auf Bundes- und Landes-ebene und können als Vorlage genutzt werden. DerVorstand der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf hatim Februar 2017 eine „Richtlinie zur Prävention vonKorruption und Untreue“ beschlossen.

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AUFSÄTZE

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* Der Autor ist Rechtsanwalt, Partner und Leiter des Bereichs Tax & Legal PublicServices bei PricewaterhouseCoopers GmbH WPG und Mitglied des Vorstands derRAK Düsseldorf.

1 Salvenmoser/Neßler, PwC Studie: Kriminalität im öffentlichen Sektor 2010.2 BRAK-Mitt. 2011, 58; http://www.rechtsanwaltskammer-duesseldorf.de/aktuelle-

hinweise/neupage/.

3 Vgl. Grützner/Jakob, Compliance von A-Z, 2010, Vier-Augen-Prinzip; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, 2011, § 15.

4 OLG Jena, Beschl. v. 12.1.2011 – 1 Ws 352/10, BeckRS 2011, 15323 m.w.N. beiOLG Hamm, NStZ 1986, 119.

OTTO, COMPLIANCE IN RECHTSANWALTSKAMMERN

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Auch in Rechtsanwaltskammern gibt es Bereiche, diedurch unrechtmäßige oder unlautere Einflüsse gefähr-det sind. Insbesondere sind dies die Bereiche, in denenAufträge vergeben werden, über den Erlass oder Nicht-Erlass von Bescheiden (Zulassungen, Widerruf von Zu-lassungen etc.) – mit oder ohne Handlungs-/Ermessens-spielraum – entschieden wird, Kontrolltätigkeiten aus-geübt werden, Vermögensgegenstände veräußert odererworben werden, häufige Außenkontakte stattfinden.Die Richtlinie der Rechtsanwaltskammer Düsseldorfenthält klare und für jeden verständliche Anweisungen,sie behandelt Interessenkonflikte und den Schutz der fi-nanziellen Ressourcen der Kammer. Sie legt Obergren-zen für die Annahme und Gewährung von Geschenken,Bewirtungen und sonstigen Vorteilen fest. Die Richt-linie schließt Nebentätigkeiten von Kammerangestell-ten bei Mitgliedskanzleien aus und enthält Regelnund Vorschriften über die Teilnahme an Fachveranstal-tungen und Dienstreisen auf Kosten der Kammer.

2. EINKAUFS- UND BESCHAFFUNGSRICHTLINIEAn dieser Stelle sei auch auf die Möglichkeit der Imple-mentierung von Einkaufs- und Beschaffungsrichtlinienhingewiesen. Studien belegen, dass im kommunalenBeschaffungswesen durch einen strategischen EinkaufSummen in Milliardenhöhe eingespart werden kön-nen.5 Einkaufsrichtlinien dienen dazu, verbindliche Re-geln für die Beschaffung aller Güter und Dienstleistun-gen der Rechtsanwaltskammer aufzustellen.Diese Regeln reduzieren unwirtschaftliches Handelnim Einkauf und tragen zu einer sparsamen und nach-haltigen Verwendung der Mitgliedsbeiträge bei. Durchsie sollen klare Rollen und Zuständigkeiten definiert,die Lieferantenauswahl vereinheitlicht und Abläufetransparent gemacht, dokumentiert und verbessertwerden. Einkaufsrichtlinien richten sich generell andas Präsidium, den Vorstand und alle Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter der jeweiligen Kammer. Sie enthaltenWertgrenzen für die Zeichnungsberechtigung, Re-gelungen über Rahmenverträge und Ausschreibungenvon Gutachtenaufträgen sowie die Auswahl von Liefe-ranten und Dienstleistern.Die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf hat im Februar2017 auch eine Einkaufsrichtlinie erlassen. Hierbeihat sie Betragsgrenzen für bestimmte Beschaffungs-vorgänge und die Einhaltung eines strikten Vier-Au-gen-Prinzips festgelegt. Regelmäßige Bestellungen undAufträge an Anwaltskanzleien sollen in Form von zeit-lich befristeten Rahmenverträgen erteilt und vor derVergabe ausgeschrieben werden.

3. WEITERE MASSNAHMENDie Beratungspraxis rät kommunalen Unternehmen oftturnusgemäße Informationspflichten einzuführen, dievor allem transparent und systematisch mittels internerKontrollsysteme dokumentiert werden. Soweit erforder-

lich, sollte ein Compliance-Beauftragter6 oder externerOmbudsmann als umfassender Ansprechpartner allerMitarbeiter bestellt und tätig werden. Besonderes Au-genmerk ist auch auf die dauerhafte Schulung und Fort-bildung der Unternehmensorgane zu legen.

IV. TRANSPARENZ DER KAMMERTÄTIGKEIT

Dem Informationsanspruch der Kammermitgliederkommt ein besonderer Stellenwert zu. Als Pflichtmitglie-der haben sie einen Anspruch darauf zu erfahren, wofürdie Kammerbeiträge eingesetzt werden. Dies gilt ins-besondere auch für die Fragen, welche Vergütungender Präsident, der Schatzmeister und die übrigen Vize-präsidenten erhalten, wie hoch die Bürokostenpauscha-len und Sitzungsgelder der Genannten sowie aller weite-ren Vorstandsmitglieder sind und in welcher Höhe Auf-wandsentschädigungen an die Gebührengutachter derGebührenabteilung sowie die Berichterstatter derSchlichtungsabteilung bezahlt werden.Ähnliche Verpflichtungen gelten z.B. im Land Nord-rhein-Westfalen auch für landesunmittelbare rechtsfähi-ge Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffent-lichen Rechts sowie Unternehmen in der Rechtsformdes privaten Rechts, an denen das Land oder die Kom-munen unmittelbar oder mittelbar mehrheitlich beteiligtsind.7 Dort ist u.a. geregelt, dass die für die Tätigkeit imGeschäftsjahr gewährten Bezüge jedes einzelnen Mit-glieds der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates, desBeirats oder einer ähnlichen Einrichtung unter Namens-nennung, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und er-folgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mitlangfristiger Anreizwirkung, im Anhang des Jahres-abschlusses gesondert veröffentlicht werden. Im Fallvon Rechtsanwaltskammern könnten diese Angaben imJahresbericht veröffentlicht werden.

V. FAZIT

Die berufspolitischen Diskussionen der vergangenenJahre haben funktionelle Defizite der Selbstverwaltungoffenbart, die ihre Ursache auch in überkommenen Go-vernance-Strukturen, zu geringer Transparenz der Vor-stands- und Präsidiumstätigkeit und fehlender Rück-anbindung an die Kammerversammlung als dem demo-kratischen Souverän zu haben scheinen. Eine moderneGovernance-Struktur kann hingegen die Transparenzund Effizienz der Gremienarbeit verbessern, dadurchdie Selbstverwaltung stärken und so ihre Ablösungdurch eine unmittelbare staatliche Aufsicht verhindern.Schlanke Führungsstrukturen auf allen Ebenen senkenzudem die Kosten, die aus den Pflichtbeiträgen derKammermitglieder bestritten werden müssen.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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5 http://www.publicgovernance.de/docs/Studie_Kommunale_Beschaffung_im_Umbruch.pdf.

6 Vgl. Hüffer/Schneider, ZIP 2010, 55.7 Art. 1, 2 und 4 des Gesetzes zur Schaffung von mehr Transparenz in öffentlichen

Unternehmen im Lande Nordrhein-Westfalen (Transparenzgesetz) v. 17.12.2009,GVBl. NRW Nr. 44/2009 v. 30.12.2009, 949.

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EIN BLICK ZURÜCK AUF WICHTIGE GEBÜHRENRECHTLICHEENTSCHEIDUNGEN DES JAHRES 2016RECHTSANWÄLTIN UND NOTARIN DAGMAR BECK-BEVER*

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie wichtigsten vergütungsrechtlichen Entscheidungendes Jahres 2016.

I. VERFAHRENSGEBÜHR

Das Bayerische LSG1 bestätigte zwar den Grundsatz,dass jedes Klageverfahren eine vergütungsrechtlicheAngelegenheit bildet. Allerdings könne von diesemGrundsatz der Identität „behutsam“ abgewichen wer-den, so z.B. bei künstlicher Aufspaltung von „objektivZusammengehörendem“ oder – wie im entschiedenenFall – wenn es um Individualansprüche mehrerer in ei-ner Bedarfsgemeinschaft lebender Personen nach demSGB II gehe. Dies entspreche der Rechtsprechung desBSG.2

Zwei vor dem Sozialgericht anhängige Klageverfahrenkönnten dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG verkör-pern, wenn mehrere Aufträge verschiedener Auftrag-geber vorliegen, die identische Leistungszeiträume be-treffen, und es sich um eine Bedarfsgemeinschaft han-delt, die ein einheitliches Ziel hat, das wiederum aufeinem einheitlichen Lebenssachverhalt beruht.Die BRAK wird in ihrem Forderungskatalog für ein3. KostRMoG eine Klarstellung in § 17 RVG verlangen,wonach ausnahmslos jedes gesonderte gerichtlicheVerfahren eine eigene Angelegenheit darstellt. Biszum Wegfall von § 15 II 2 RVG durch das 2. Kosten-rechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG) stand diesaußer Frage.

II. TERMINSGEBÜHR

1. KEINE TERMINSGEBÜHR BEI TELEFONISCHERANFRAGE WEGEN KLAGERÜCKNAHMEDas OLG Hamburg3 entschied, dass eine Termins-gebühr nach Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 zu Nr. 3104 VVRVG nicht allein dadurch ausgelöst werde, dass derProzessbevollmächtigte des Beklagten telefonischbeim Prozessbevollmächtigten des Klägers anfragt, obeine Klagerücknahme erwogen wird, und letzterer da-rauf antwortet, dass dies noch nicht entschieden sei.Eine bloße Nachfrage, bei der der Gegner im Gesprächnicht auch zur Rücknahme der Klage bewegt werdensoll, löse keine Terminsgebühr aus.

2. KEINE TERMINSGEBÜHR FÜR BESPRECHUNGEN BEIANERKENNUNG EINES ANSPRUCHSDas OVG Berlin-Brandenburg4 verneinte den Anfall ei-ner Terminsgebühr nach Vorbem. 3 III 3 Nr. 2 zuNr. 3104 VV RVG, wenn im Rahmen von Besprechun-gen der Prozessbevollmächtigten nicht etwa ein Mei-nungsaustausch mit dem Ziel einer Einigung bzw. Erle-digung stattfindet, sondern lediglich der Beklagtenver-treter mitteilt, er werde den Anspruch anerkennen.Dann sei schon vor dem Gespräch eine Bereitschaftzur einseitigen Beendigung des Verfahrens gegebengewesen und diese Bereitschaft gerade nicht durchdie Besprechung herbeigeführt worden.

3. TERMINSGEBÜHR FÜR ANERKENNTNIS OHNEVORAUSGEGANGENE BESPRECHUNGENNach einer Entscheidung des Thüringischen LSG5 setztder Anfall einer Terminsgebühr im sozialgerichtlichenVerfahren nach Nr. 3106 VV RVG voraus, dass entwe-der der Inhalt einer Einigung zwischen den Prozess-bevollmächtigten der Parteien außergerichtlich bespro-chen wird oder – bei einem angenommenen An-erkenntnis – der Beklagte uneingeschränkt zugesteht,dass der mit der Klage geltend gemachte prozessualeAnspruch besteht. Die Abgabe lediglich eines Ver-gleichsangebots genügt dazu nicht.

4. TERMINSGEBÜHR BEI ABSCHLUSS EINESSCHRIFTLICHEN VERGLEICHS IM SOZIALRECHTDas LSG Niedersachsen-Bremen6 hat in einer vielfachkritisierten Entscheidung den Anfall einer fiktiven Ter-minsgebühr verneint, wenn sich die Parteien außer-gerichtlich schriftlich einigen und sodann die Haupt-sache für erledigt erklären. Die fiktive Terminsgebührnach Nr. 3106 S. 1 Nr. 1 VV RVG entstehe vielmehrnur, wenn der Vergleich nach § 101 I 2 SGG durchdas Gericht protokolliert werde bzw. die Parteien einenvom Gericht durch Beschluss unterbreiteten Vergleichs-vorschlag schriftlich annehmen. Ebenso hat kürzlichdas Bayerische LSG7 entschieden. Dagegen hat das So-zialgericht Neuruppin8 gegenteilig entschieden und diefiktive Terminsgebühr auch bei außergerichtlich ge-schlossenem Vergleich zuerkannt. Dabei wies das SGNeuruppin darauf hin, dass der Wortlaut von Nr. 3106S. 1 Nr. 1 VV RVG nur einen „schriftlichen Vergleich“

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* Die Autorin ist Rechtsanwältin und Notarin in Hildesheim und Vorsitzende desAusschusses Rechtsanwaltsvergütung der BRAK.

1 Bayerisches LSG, Beschl. v. 14.10.2016 – L 15 SF 229/14 E, AGS 2017, 75.2 BSG, Beschl. v. 2.4.2014 – B 4 AS 27/14 R.3 OLG Hamburg, Beschl. v. 15.6.2016 – 8 W 60/16, RVGreport 2017, 12.

4 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.9.2016 – OVG 3 K 100.16, RVGreport2017, 13.

5 Thüringisches LSG, Beschl. v. 27.10.2016 – L 6 SF 1611/15 B, RVGreport 2017,104.

6 LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 20.7.2015 – L 7/14 AS 64/14 B, AGS 2016,69.

7 Bayerisches LSG, Beschl. v. 29.11.2016 – L 15 SF 97/16 E, AGS 2017, 114.8 SG Neuruppin, Beschl. v. 16.9.2016 – S 31 SF 56/16 E, AGS 2016, 569.

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verlangt, nicht jedoch einen vor Gericht geschlossenenoder vom Gericht protokollierten Vergleich.Im Forderungskatalog der BRAK für ein 3. KostRMoGwird eine entsprechende Klarstellung in dem eigentlichschon jetzt eindeutigen Gesetzestext verlangt.

5. LÄNGENZUSCHLAG ZUR TERMINSGEBÜHR DESSTRAFVERTEIDIGERSDas OLG Celle9 befasste sich mit der kontrovers dis-kutierten Frage, welche Zeiten für die Gewährung ei-nes Längenzuschlags zur Terminsgebühr des Verteidi-gers für die Teilnahme in der Hauptverhandlung zu be-rücksichtigen sind. Nach Auffassung des OLG Cellesind Pausen von mehr als einer Stunde nicht berück-sichtigungsfähig, da unterstellt werden könne, dassder Anwalt bei derartig langen Pausen seine Arbeits-kraft anderweitig einsetze. Kürzere Pausen seien da-gegen einzurechnen – mit Ausnahme wiederum derMittagspause, die dem Anwalt persönlich und nichtdem Verfahren zugutekomme.

III. EINIGUNGSGEBÜHR

1. EINIGUNGSGEBÜHR BEI BERATUNGSHILFENach einem Beschluss des OLG Frankfurt10 fällt die Ei-nigungsgebühr nach Nr. 2508 VV RVG bereits dannan, wenn die Einigung einen nicht ganz unerheblichenTeil der Angelegenheit betrifft. Die für den Anfall derGebühren nach Nr. 1000, 1003 VV RVG entwickeltenGrundsätze zur Teileinigung seien auch hier anwend-bar. Mit der Gebühr solle die Herstellung des Rechts-friedens und die Entlastung der Gerichte honoriert wer-den. Diese Voraussetzungen seien zu bejahen, wenn ineiner urheberrechtlichen Angelegenheit, in der Scha-densersatz- und Unterlassungsansprüche geltend ge-macht werden, der Rechtsuchende ohne Anerkennungeiner Rechtspflicht eine modifizierte Unterlassungs-erklärung abgibt.Das OLG Düsseldorf11 hatte eine Einigungsgebührnach Nr. 2508 VV RVG dagegen nicht zugesprochen,da es in der dortigen Auseinandersetzung lediglichum die Realisierung eines monetären Ersatzanspruchsging und eine Verständigung nur über den Inhalt einerUnterlassungserklärung getroffen wurde.Im Forderungskatalog der BRAK für ein 3. KostRMoGwird eine klarstellende Formulierung verlangt, wonach– wie bei der Anmerkung Abs. 2 zu Nr. 1006 VV RVG –die Gebühr auch bei einer Teileinigung entstehen soll.

2. EINIGUNGSGEBÜHR BEI ÜBEREINSTIMMENDERERLEDIGUNGSERKLÄRUNGNach einem Beschluss des OLG Köln12 fällt eine Eini-gungsgebühr an, wenn die Parteien den Rechtsstreit in

der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären,dabei aber mangels Einigung über die Kostenverteilungdie Kostenentscheidung dem Gericht überlassen. Zwarfalle bei der Abgabe übereinstimmender Erledigungs-erklärungen grundsätzlich keine Einigungsgebühr an,da es sich insoweit lediglich um Prozesshandlungenhandele. Fehle es jedoch nur an einer Einigung überdie Kostenverteilung, habe man sich im Übrigen (ver-traglich) über die gesamte Streitsache geeinigt, wo-durch eine Einigungsgebühr ausgelöst werde.

IV. VERGÜTUNG FÜR EINZELTÄTIGKEITEN:ZEUGENBEISTAND

Das OLG Köln13 hat – unter Aufgabe seiner bisherigenRechtsprechung – die Vergütung für die Tätigkeit desZeugenbeistands nicht mehr den Vorschriften nachTeil 4 Abschnitt 1 VV RVG unterstellt, sondern nureine Vergütung für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301Nr. 4 VV RVG zugebilligt. Damit schließt sich auchdas OLG Köln der im Vordringen sich befindenden Auf-fassung an, wonach dem „Willen des Gesetzgebers“ zuentnehmen sei, dass der Zeugenbeistand gerade nichtwie ein Verteidiger vergütet werden soll.

Im Forderungskatalog der BRAK zu einem 3. KostR-MoG wird eine Neuregelung der Vergütung des Zeu-genbeistands unter Berücksichtigung von dessen um-fassenden Aufgaben verlangt.

V. STREITWERT BEI NEUBESTELLUNG EINESWEG-VERWALTERS

Erstmals hat sich der BGH14 zum Streitwert bei einemgerichtlichen Verfahren auf Neubestellung eines WEG-Verwalters geäußert. Danach ist auf das wirtschaftlicheInteresse abzustellen. Für die Abberufung des alten Ver-walters ist die restliche Verwaltervergütung bis zumEnde der Vertragslaufzeit anzusetzen, begrenzt durchdas Fünffache des Werts des Interesses des Klägers,also dessen Anteil an der Verwaltervergütung. Für dieNeubestellung ist die in der Gesamtlaufzeit des neuenVerwaltervertrags anfallende Vergütung anzusetzen.Bezüglich des Zeitraums, in dem sich die Laufzeiten bei-der Verträge überschneiden, ist nur einmalig die (höhe-re) Vergütung anzusetzen. Auch bezüglich der Neu-bestellung gilt die Obergrenze des fünffachen desWerts des Interesses des Klägers.

VI. PROZESSKOSTENHILFE

1. PKH BEI MEHRWERTVERGLEICHDas OLG Celle15 befasste sich mit der innerhalb derObergerichte umstrittenen Frage, welche Gebühren

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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9 OLG Celle, Beschl. v. 12.8.2016 – 1 Ws 297/16, RVGreport 2017, 16.10 OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.5.2016 – 20 W 140/15, AGS 2017, 96.11 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.8.2016 – I-10 W 116/16, AGS 2016, 591.12 OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2016 – 17 W 287/15, RVGreport 2016, 463.

13 OLG Köln, Beschl. v. 3.5.2016 – 2 Ws 138/16, RVGreport 2017, 62.14 BGH, Beschl. v. 16.6.2016 – V ZR 292/14, RVGreport 2016, 393.15 OLG Celle, Beschl. v. 13.6.2016 – 21 WF 118/16, AGS 2016, 488.

BECK-BEVER, WICHTIGE GEBÜHRENRECHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN DES JAHRES 2016

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– außerhalb des Anwendungsbereichs von § 48 IIIRVG für bestimmte Ehesachen – aus der Staatskassezu erstatten sind, wenn im Hauptsacheverfahren überweitere nicht anhängige Gegenstände eine Einigungerzielt wird. Jedenfalls, wenn das Gericht die PKH/VKH ausdrücklich auch auf den Mehrvergleich er-streckt hat, werden davon nicht nur die 1,5 Einigungs-gebühr, sondern auch die Verfahrensdifferenzgebührsowie die erhöhte Terminsgebühr umfasst. Die Bewil-ligung von PKH/VKH könne nicht auf bestimmte Gebüh-rentatbestände, z.B. nur auf die Einigungsgebühr, be-schränkt werden. Außerdem dürfe der beigeordneteRechtsanwalt nicht schlechter gestellt werden als derAnwalt einer bemittelten Partei. Ebenso hat das OLGStuttgart16 entschieden. Die gegenteilige Auffassungvertreten z.B. das LAG Hamm17 sowie das OLG Köln.18

Die BRAK verlangt in ihrem Forderungskatalog für ein3. KostRMoG eine entsprechende Klarstellung in § 48RVG.

2. UMSATZSTEUERANSPRÜCHE DES ANWALTSDas OLG München19 entschied, dass der Anwalt, derin einem PKH/VKH-Verfahren einen zum Vorsteuer-abzug berechtigten Mandanten vertritt, gegenüberder Staatskasse Anspruch auf Festsetzung der Umsatz-steuer hat. Diese gehört zu den nach Nr. 7008 VVRVG zu erstattenden Auslagen, auch wenn der Man-dant vorsteuerabzugsberechtigt ist. Ebenso wie ein An-walt gegenüber dem nicht bedürftigen, vorsteuer-abzugsberechtigten Mandanten einen Anspruch aufVergütung einschließlich Umsatzsteuer hat, gilt diesim Verhältnis des PKH-Anwalts zur Staatskasse. DieFrage der Vorsteuerabzugsberechtigung hat dem-gegenüber Bedeutung nur für die Kostenerstattungs-pflicht des Gegners. Unterliegt er, muss er die Wahl-anwaltsvergütung nur ohne Umsatzsteuer erstatten.Die Umsatzsteuer muss dagegen der bedürftige Man-dant an seinen Anwalt zahlen und sich diese vom Fi-nanzamt erstatten lassen.

3. ANRECHNUNG DER GESCHÄFTSGEBÜHR BEIBERATUNGSHILFE AUF SPÄTEREN PROZESSNach Auffassung des OLG Dresden20 ist die Geschäfts-gebühr, die ein Anwalt für seine vorgerichtliche Tätig-keit im Wege der Beratungshilfe erhalten hat, zur Hälf-te auf die Vergütung des Anwalts aus einem anschlie-ßenden gerichtlichen Verfahren nach § 49 RVGanzurechnen – und nicht etwa zunächst auf die Diffe-renz zwischen der Vergütung nach Nr. 2503 VV RVGund der Wahlanwaltsvergütung. Die nach Abs. 2 S. 1der Anmerkung zu Nr. 2503 VV RVG vorzunehmendeAnrechnung beziehe sich nicht nur auf die im Prozessverdiente Verfahrensgebühr, sondern auf sämtlicheGebühren des nachfolgenden Verfahrens.

Die in der Literatur unter Hinweis auf § 58 II RVG ver-tretene Auffassung, wonach die Geschäftsgebühr zu-nächst hälftig auf den Differenzbetrag zur Wahl-anwaltsvergütung anzurechnen ist, lehnte das OLGab und schloss sich als erstes OLG der Gegenmeinungan. Das Gericht hält § 58 II RVG nicht für einschlägig.Ähnlich umstritten ist die Anrechnungsmethode, wenndie Geschäftsgebühr nicht im Wege der Beratungshilfenach Nr. 2503 VV RVG von der Staatskasse, sondernvom Mandanten selbst gezahlt wurde.21

4. ANSPRÜCHE GEGEN DIE STAATSKASSE BEI PKH FÜRNUR EINEN VON MEHREREN STREITGENOSSENDas LSG Niedersachsen-Bremen22 befasste sich mitdem Umfang der Vergütungsansprüche gegenüberder Staatskasse, wenn nur einem von mehreren Klä-gern bzw. Streitgenossen PKH bewilligt wurde. DieFrage ist, ob der Rechtsanwalt lediglich den nachNr. 1008 VV RVG erhöhten Gebührenbetrag gegen-über der Staatskasse geltend machen kann, ob ersämtliche durch die Tätigkeit entstandenen Gebühren(natürlich ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG) mitder Staatskasse abrechnen kann oder ob ihm ein„kopfteiliger“ Vergütungsanspruch gegen die Staats-kasse zusteht, errechnet durch Teilung der Gesamtkos-ten der anwaltlichen Tätigkeit durch die Anzahl derStreitgenossen bzw. Kläger.Diese in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Fra-ge hat das LSG unter Hinweis auf die Rechtsprechungdes BGH23 zur Kostenfestsetzung gegen den Gegner imSinne der letzten Alternative entschieden. Der PKH-Ver-gütungsanspruch des Anwalts sei inhaltlich nicht iden-tisch mit dem Vergütungsanspruch gegenüber demMandanten. Der Anspruch des Anwalts gegen dieStaatskasse könne nicht höher sein als der Kostenerstat-tungsanspruch des Beteiligten gegenüber dem unterle-genen Gegner. Dieser jedoch errechne sich durch Additi-on der Gesamtkosten der anwaltlichen Tätigkeit und Tei-lung durch die Anzahl der Streitgenossen bzw. Kläger.

VII. KOSTENERSTATTUNG

1. RÜCKNAHME VON KLAGE ODER RECHTSMITTELOHNE KENNTNIS DES GEGNERSIn einem vielfach kritisierten Beschluss hat der III. Zivil-senat des BGH24 entschieden, dass ein Mandant, dereinen Anwalt mit der Verteidigung im Berufungsverfah-ren beauftragt und zu diesem Zeitpunkt ohne Wissendes Mandanten der Berufungsführer die Berufung be-reits zurückgenommen hat, die Kosten seines Anwalts,insbesondere die ermäßigte Verfahrensgebühr nachNr. 3201 VV RVG (falls der Antrag auf Zurückweisungder Berufung noch nicht eingereicht war) nicht vom

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16 OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.2.2016 – 8 WF 339/15, AGS 2016, 239.17 LAG Hamm, Beschl. v. 18.8.2015 – 6 Ta 277/15.18 OLG Köln, FamRZ 2015, 1825.19 OLG München, Beschl. v. 11.8.2016 – 11 W 1281/16, RVGreport 2016, 456.20 OLG Dresden, Beschl. v. 30.11.2016 – 20 WF 1122/16, RVGreport 2017, 102.

21 Vgl. hierzu Hansens, RVGreport 2017, 103 m.w.N.22 LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 22.6.2016 – L 7 AS 152/15 B, AGS 2017,

91.23 BGH, Beschl. v. 30.4.2003 – 8 ZB 100/02, NJW-RR 2003, 1217.24 BGH, Beschl. v. 25.2.2016 – III ZB 66/15, RVGreport 2016, 186.

BECK-BEVER, WICHTIGE GEBÜHRENRECHTLICHE ENTSCHEIDUNGEN DES JAHRES 2016

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Rechtsmittelführer erstattet verlangen kann. Laut demIII. Senat kommt es nicht auf die subjektive Kenntnisdes Mandanten von der Rücknahme der Berufung an,sondern auf die objektive Notwendigkeit der Beauftra-gung eines Anwalts zur Verteidigung gegen die Beru-fung. Diese Notwendigkeit sei im Moment der Rück-nahme des Rechtsmittels nicht mehr gegeben. Die Kri-tik an diesem BGH-Beschluss rügt vor allem, dass vomMandanten Unmögliches verlangt wird, nämlich dasser vor Beauftragung seines Anwalts sicherstellt, dassdie Berufung nicht zurückgenommen wurde.

Im Anschluss an den vorstehenden Beschluss des BGHsind weitere Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeitbei Antrags- bzw. Rechtsmittelrücknahme ohne Kennt-nis des Gegners ergangen, die der Ansicht des III. Zivil-senats widersprechen, nämlich durch das OLG Mün-chen25 sowie durch den XII. Zivilsenat des BGH.26 DasOLG München hatte in einem familiengerichtlichen Ver-fahren, gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Anord-nung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht, dem Antrags-gegner einen Kostenerstattungsanspruch nach den§§ 80 ff. FamFG zugebilligt, obwohl zum Zeitpunkt derBeauftragung des Anwalts der Antragsteller den Antragbereits zurückgenommen hatte – wovon der Antrags-gegner jedoch nichts wusste. Diesen Beschluss hat derXII. Zivilsenat des BGH27 bestätigt. Er hat die Argumen-te des III. Zivilsenats geprüft und verworfen, wobei esim Fall des XII. Zivilsenats allerdings nicht um eine Kos-tenerstattung nach § 91 I ZPO, sondern nach § 80FamFG ging, der – so der XII. Zivilsenat – eine wenigerauf die rein objektive Notwendigkeit der Aufwendungenabstellende Betrachtungsweise erlaube.

Nunmehr haben jedoch auch das OLG Stuttgart28 unddas OLG Celle29 für den Anwendungsbereich des § 91ZPO der Auffassung des III. Zivilsenats des BGH wider-sprochen und dem Berufungsbeklagten (OLG Celle)bzw. dem Antragsgegner (OLG Stuttgart) einen Kos-tenerstattungsanspruch zugebilligt, sofern sie einenAnwalt in unverschuldeter Unkenntnis der zwischen-zeitlich erfolgten Berufungs- bzw. Antragsrücknahmebeauftragt haben. Mehrere Rechtsbeschwerden zu die-sem Thema sind zurzeit beim BGH anhängig.

2. VON DER (HAFTPFLICHT-)VERSICHERUNGFINANZIERTE PRIVATGUTACHTENDer BGH30 entschied, dass die obsiegende Partei auchdann nach den allgemeinen Grundsätzen für die Erstat-tungsfähigkeit von Privatgutachten die Kosten für einPrivatgutachten zur Kostenfestsetzung anmelden kann,wenn sie nicht selbst, sondern die hinter ihr stehende(Haftpflicht-)Versicherung die Kosten des Privatgutach-tens getragen hat. Damit wurde die Senatsrechtspre-chung31 zur Erstattungsfähigkeit von – von der Haft-

pflichtversicherung ebenfalls getragenen – Kosten fürdie Vertretung durch einen Rechtsanwalt auf die Kostenfür ein Privatgutachten ausgeweitet.

VIII. VERGÜTUNGSVEREINBARUNGEN

1. SITTENWIDRIGKEIT BZW. UNANGEMESSENE HÖHEDER VERGÜTUNGAusführlich hat sich der BGH32 erneut mit der Fragebefasst, wann eine Vergütungsvereinbarung als sitten-widrig i.S.v. § 138 I BGB anzusehen ist und wann – beiverneinter Sittenwidrigkeit – eine Vergütung gleich-wohl unangemessen hoch und daher gem. § 3a IIRVG herabzusetzen ist.

Zur Feststellung, ob ein für die Sittenwidrigkeit spre-chendes auffälliges Missverhältnis zwischen anwalt-licher Leistung und vereinbartem Honorar besteht, istder sogenannte marktübliche Preis mit der vereinbartenVergütung zu vergleichen. Der marktübliche Preis istderjenige, zu dem die Anwaltsleistung aus ex-ante-Sichtim Einzelfall üblicherweise, d.h. unter Berücksichtigungvon zu erwartendem Umfang und Schwierigkeit der Tä-tigkeit im Geschäftsverkehr zu erlangen ist. Den gesetz-lichen Gebühren kommt hierfür nur Indizwirkung zu, dadiese – so der BGH – nicht in allen Fällen die adäquateVergütung für die vom Anwalt erbrachte Leistung abbil-den (sollen). Ist ein Pauschalhonorar vereinbart, ist imEinzelfall zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Abschlussesder Vergütungsvereinbarung der aus dem Pauschal-honorar zu errechnende, voraussichtliche Stundensatzmarktangemessen ist. Erst wenn das versprochene Ho-norar die marktübliche Vergütung „in krasser Weise“übersteigt, liegt Sittenwidrigkeit vor mit der Folge, dassdie Vergütungsvereinbarung nichtig ist und der Anwaltlediglich die gesetzliche Vergütung abrechnen kann.

Im zweiten Teil des Urteils befasst sich der BGH so-dann mit den Voraussetzungen für eine Herabsetzungder vereinbarten Vergütung nach § 3a II RVG. Die Ver-mutung, dass ein Honorar unangemessen hoch ist,wenn es die gesetzlichen (Höchst-)Gebühren um mehrals das Fünffache übersteigt, erstreckt der BGH aus-drücklich auch auf zivilrechtliche Angelegenheiten.Der Anwalt muss dann darlegen und beweisen, dassim Hinblick auf die Kriterien des § 14 RVG, insbeson-dere Umfang und Schwierigkeit, aber auch Erfolg derTätigkeit, das Honorar angemessen ist. Entscheidendist hier also eine ex-post-Betrachtung. Im konkret ent-schiedenen Fall sah der BGH keinen Anlass zu einerHerabsetzung nach § 3a II RVG.

2. HINWEISPFLICHTEN BEI VERGÜTUNGS-VEREINBARUNGIn einer stark kritisierten Entscheidung hat das OLGMünchen33 eine Vergütungsvereinbarung unter den

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25 OLG München, Beschl. v. 30.8.2016 – 11 WF 733/16, RVGreport 2016, 425.26 BGH, Beschl. v. 25.1.2017 – 12 ZB 447/16, RVGreport 2017, 143.27 BGH, Beschl. v. 25.1.2017 – 12 ZB 447/16, RVGreport 2017, 143.28 OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.12.2016 – 8 W 425/16, RVGreport 2017, 145.29 OLG Celle, Beschl. v. 11.1.2017 – 2 W 1/17, RVGreport 2017, 109.30 BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – VI ZB 8/16, AGS 2017, 146.

31 BGH, Beschl. v. 13.9.2011 – VI ZB 42/10, VersR 2011, 1584.32 BGH, Urt. v. 10.10.2016 – IX ZR 119/14, RVGreport 2017, 92.33 OLG München, Hinweisbeschl. v. 7.7.2016 – 15 U 1298/16, AGS 2016, 558.

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Gesichtspunkten von § 305c I BGB (überraschendeKlausel) und § 307 I 2 BGB (Transparenz) sowie§ 49b V BRAO überprüft. Der Anwalt hatte dem Man-danten auf dessen Anfrage, mit welchen Kosten er fürdie anwaltliche Tätigkeit zu rechnen habe, per E-Maileine Vereinbarung übersandt, wonach der Mandantentweder das vereinbarte Zeithonorar (Stundensatz290 Euro zzgl. weiterer Kosten) oder aber – mindes-tens – das Zweifache der gesetzlichen Vergütungzahlen muss, wobei die Auswahl der Abrechnungs-methode offensichtlich dem Anwalt bei Beendigungdes Mandats überlassen bleiben sollte. Eine konkreteBezifferung der voraussichtlichen Kosten erfolgte nicht.Der BGH sah in einer solchen Vergütungsvereinbarungkeinen Verstoß gegen die oben genannten Vorschrif-ten. Die hier wohl einschlägige Vorschrift des § 4 III 2RVG, wonach eine derartig ins Ermessen einer Ver-tragspartei gestellte Festsetzung der Vergütung dazuführt, dass die gesetzliche Vergütung als vereinbartgilt, hat der BGH nicht diskutiert.

3. VERGÜTUNGSVEREINBARUNG EINES PFLICHT-VERTEIDIGERSDas OLG Karlsruhe34 befasste sich mit den Anfor-derungen an eine Vergütungsvereinbarung, die ein

Pflichtverteidiger – was zulässig ist – mit seinem Man-danten trifft. Diese Vereinbarung muss nicht nur dieFormerfordernisse des § 3a RVG beachten, sonderndarüber hinaus eine Belehrung enthalten, dass derPflichtverteidiger auch ohne Abschluss der Verein-barung zur Fortführung der Pflichtverteidigung gesetz-lich verpflichtet ist. Unterlässt der Pflichtverteidigerdiese Belehrung, fehlt es an der erforderlichen Freiwil-ligkeit des Vergütungsversprechens.

4. BEITRITT ZUR VERGÜTUNGSVEREINBARUNGDer BGH35 hatte zu klären, welche Formerfordernissean eine Erklärung zu stellen sind, in der sich ein Drit-ter, z.B. ein Familienangehöriger, verpflichtet, für dasvereinbarte Honorar ebenfalls einzustehen. Ein solcherSchuldbeitritt bedarf zwar nach den §§ 305ff., 414BGB keiner besonderen Form. Es sind jedoch die Form-vorschriften des Hauptgeschäfts (= Abschluss der Ver-gütungsvereinbarung) i.S.v. § 3a RVG zu beachten.Dem Beitretenden muss deutlich erkennbar sein, dassauch er die Haftung nicht nur für die gesetzliche Ver-gütung, sondern für eine davon abweichende vertrag-liche Vergütung übernimmt. Insbesondere sind auchdie Anforderungen an ein deutliches Absetzen i.S.v.§ 3a I 1 RVG strikt zu beachten.

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PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS –EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHTRECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK , RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS*

In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentierendie Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungenzum anwaltlichen Haftungsrecht.

HAFTUNG

HINWEISPFLICHTEN BEI DROHENDER INSOLVENZ(…)

3. Der mit der Erstellung eines Jahresabschlussesfür eine GmbH beauftragte Steuerberater hat dieMandantin auf einen möglichen Insolvenzgrundund die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihresGeschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechen-de Anhaltspunkte offenkundig sind und er anneh-men muss, dass die mögliche Insolvenzreife derMandantin nicht bewusst ist (teilweise Aufgabe

von BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, WM 2013,802).BGH, Urt. v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, WM 2017, 383

Im Insolvenzfall sehen sich die Organe eines Unterneh-mens oft vielfältigen Vorwürfen und Ansprüchen aus-gesetzt. Insbesondere steht meist der Vorwurf imRaum, die Situation nicht richtig eingeschätzt und ver-spätet Insolvenzantrag gestellt zu haben. Die Anfor-derungen an Vorstand oder Geschäftsführer sind da-bei in der Tat sehr streng, so dass externe Berater ein-geschaltet werden. Schon bei einem konkreten Mandatzur Prüfung der Insolvenzreife ist es problematisch,welche Pflichten den Berater treffen und was das Or-gan ggf. selbst einschätzen und entscheiden muss.Noch schwieriger wird es, wenn Rechts- oder Steuer-berater im Vorfeld der Insolvenz zu eigentlich anderenThemen mandatiert werden.In diesem Fall war der beklagte Steuerberater mehrereJahre nacheinander beauftragt, die Jahresabschlüssezu erstellen. Angesichts festzustellender Fehlbeträgewies der Beklagte den Geschäftsführer der Mandantin

34 OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.3.2016 – 17 U 4/16, RVGreport 2016, 174. 35 BGH, Urt. v. 3.12.2015 – IX ZR 40/15, RVGreport 2016, 91.

* Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar beider Allianz Deutschland AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt undFachanwalt für Versicherungsrecht in München.

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darauf hin, dass er verpflichtet sei, „regelmäßig dieZahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisseder GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zah-lungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Über-schuldung vorliegt“. Erst Jahre später stellte die Man-dantin Eigenantrag.

Das OLG sah keine Pflichtverletzung des Steuerbera-ters, da im Rahmen eines allgemeinen steuerrecht-lichen Mandats keine Pflicht bestehe, den Mandantenbei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz daraufhinzuweisen, dass der Geschäftsführer verpflichtet seizu überprüfen, ob Insolvenzreife eingetreten sei, undgegebenenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen. Darü-ber hinaus habe der Steuerberater hier den Geschäfts-führer auf dessen eigenverantwortliche Prüfungspflichthingewiesen. Diese Beurteilung liegt auch auf der bis-herigen Linie des BGH: Im Urteil vom 7.3.20131 hatteder IX. Zivilsenat festgestellt, dass eine Haftung desSteuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsscha-den wegen eines unterlassenen Hinweises nur eintre-ten könne, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfungder Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt sei.

Hieran hält der Senat „nicht uneingeschränkt“ fest: DerSteuerberater habe nämlich im Rahmen seines Auftragsdafür zu sorgen, dass der Jahresabschluss mangelfreiist und die gesetzlichen Anforderungen und eröffnetenGestaltungsmöglichkeiten beachtet werden. Ein Steuer-berater hafte zwar nicht für jeden objektiv zu Unrechtauf der Grundlage von Fortführungswerten erstelltenJahresabschluss. Er dürfe jedoch dem von ihm erstelltenJahresabschluss keine Fortführungswerte zugrunde le-gen, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügungstehenden Informationen die Vermutung des § 252 INr. 2 HGB entweder widerlegt erscheine oder ernsthaf-te Zweifel bestünden, die nicht ausgeräumt werden.Da dies letztlich der Tatrichter entscheiden müsse, hatder BGH zurückverwiesen.

Auch für Rechtsanwälte interessant sind aber vor al-lem die weiteren Ausführungen des Senats: Auchwenn nämlich der vom Steuerberater erstellte Jahres-abschluss mangelfrei war, könnten den mit der Erstel-lung des Jahresabschlusses beauftragten Steuerbera-ter Hinweis- und Warnpflichten treffen, wenn er einenInsolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte An-haltspunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offen-kundig sind und er annehmen muss, dass die möglicheInsolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Ermüsse zwar keine eigene Überschuldungsprüfung vor-nehmen, jedoch sei erforderlich, dass er die maßgebli-chen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Ein-zelnen bezeichne und ihn konkret darauf hinweise,dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einermöglichen Insolvenzreife geben. Der abstrakte Hinweisauf die Prüfungspflichten des Geschäftsführers reichehierfür nicht aus. Hiermit dehnt der Senat die Hinweis-pflichten der Steuerberater erheblich aus. Noch im Ur-teil vom 7.5.20152 hatte der Senat angemerkt, dass

sich die Vertragspflichten eines Steuerberaters in derRegel auf das Steuerrecht beschränken. Bei Anwältenhat die Rechtsprechung ohnehin schon länger sehrweitgehende Hinweispflichten angenommen. Beispiels-weise im Urteil vom 26.10.20003 sah der BGH einePflicht des Anwalts, im Zusammenhang mit Vergleichs-verhandlungen den Vorstand einer Genossenschaftüber die Insolvenzantragspflicht zu belehren, wenn er-kennbare Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldungvorliege.

Die Erkennbarkeit für den Berater auf der einen Seiteund das fehlende Bewusstsein des Mandanten aufder anderen Seite führen nach ständiger Rechtspre-chung des BGH zu einer Warnpflicht des Beraters.4

Am vorliegenden Fall sieht man, dass das fehlende Be-wusstsein sehr leicht unterstellt wird. In der Realität istden Mandanten aber oft sehr wohl bewusst, dass ihrUnternehmen „pleite“ ist. Dennoch sieht der BGHeine sehr weitgehende Pflicht der Rechtsberater, die-sem latent schlechten Gewissen mit einer ausdrück-lichen Warnung zu begegnen. (ju)

REGRESSVERJÄHRUNG BEI UNTERSCHIEDLICHENVORWÜRFENDer Schadenersatzanspruch gegen den Rechts-anwalt, der pflichtwidrig eine Forderung des Man-danten hat verjähren lassen, verjährt unabhängigvon der Verjährung eines Anspruchs auf Ersatzdes Kostenschadens gegen denselben Rechts-anwalt wegen pflichtwidrigen Führens eines aus-sichtslosen Prozesses gegen einen Dritten.BGH, Urt. v. 2.2.2017 – IX ZR 91/15, NJW-RR 2017, 506

Nachdem nun schon über zwölf Jahre vergangen sind,seitdem die Sonderverjährungsvorschrift des § 51bBRAO a.F. durch die allgemeinen Verjährungsregelndes BGB abgelöst worden ist, ist es schon erstaunlich,dass sich der BGH noch immer mit Fällen zu beschäfti-gen hat, die auch mit altem Verjährungsrecht zu tunhaben. Im Kern ging es hier allerdings um die Fragedes Verjährungsbeginns, wenn mehrere Pflichtverlet-zungen geltend gemacht werden.5

Mit am 29.12.2010 beim AG Hamburg eingegangenemMahnbescheid haben die Kläger ihren Anwalt in An-spruch genommen mit der Begründung, dieser habe ei-nen von vornherein aussichtslosen Prozess geführt undzudem versäumt, eine zuvor tätige Anwältin wegen ei-ner unterlassenen Fristsetzung in Anspruch zu nehmen,so dass Regressansprüche gegen diese verjährt seien.Der unsinnige Prozess hatte begonnen mit Mahn-bescheid vom 14.12.2004, also just am letzten Tag derGeltung des § 51b BRAO a.F. Die vermisste Fristsetzunghätte bereits im Jahr 2001 erfolgen müssen.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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1 NZG 2013, 675; ebenso BGH, NJW-RR 2014, 827.

2 BGH, NJW 2015, 2326.3 BGH, NJW 2001, 517.4 Vgl. z.B. BGH, BRAK-Mitt. 1998, 219.5 Bei Beratungspflichtverletzungen von Finanzanlagenvermittlern s. dazu auch BGH,

NJW-RR 2011, 842.

JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

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Das Berufungsgericht hatte die Regressklage ins-gesamt wegen Verjährung abgewiesen. Der durch dieaussichtslose Klage ausgelöste Kostenschaden seischon mit Absendung des Mahnantrags vom 14.12.2004 ausgelöst worden, so dass noch § 51b BRAO an-zuwenden sei. Die danach zu berechnenden Fristen sei-en auch unter möglicher Berücksichtigung einer Sekun-därverjährung bei Verfahrensbeginn am 29.12.2010abgelaufen. Durch den Grundsatz der Einheitlichkeitdes Schadens führe dies zur Verjährung sämtlicher An-sprüche.

Der BGH erhebt Bedenken in zwei Richtungen. Zum ei-nen handele es sich um zwei eigenständige Pflichtver-letzungen, die auch zu einem jeweils anderen Schadengeführt haben. Daher sei für jede Pflichtverletzung ge-sondert zu prüfen, wann die Regressverjährung zu lau-fen begann und wann sie dementsprechend genau en-dete. Hinsichtlich des Kostenschadens wegen des aus-sichtslosen Prozesses sei dies zwar geschehen. Hierhabe das Berufungsgericht aber die Tatsachengrund-lagen nicht ausreichend ermittelt. Jedenfalls reiche esnicht aus, dass der Mahnbescheid vom 14.12.2004stammte. Vielmehr würde die entsprechende Gerichts-gebühr und damit ein erster Teil des dann als einheit-lich zu betrachtenden Kostenschadens erst mit Zugangdes Mahnbescheids entstehen. Gleichzeitig macht derBGH aber auch darauf aufmerksam, dass es mögli-cherweise auf das Entstehen dieser Kosten gar nichtankam, weil bereits vorher Anwaltsgebühren nachRVG entstanden sind. Der unbedingte Auftrag zur Er-stellung des Mahnbescheids sei wohl spätestens am14.12.2004 erfolgt, hierzu fehlten aber die notwendi-gen Feststellungen im Berufungsurteil. Daher wurdedie Sache komplett zurückgewiesen.

Das Berufungsgericht wird sich jetzt mit der Frage zubeschäftigen haben, wann die Ansprüche gegen diezuvor tätige Anwältin verjährt sind. Fällt dieser Tagnoch in die Zeit vor dem 15.12.2004, wäre die Verjäh-rung gegen den nun beklagten Anwalt nach altemRecht zu prüfen, daneben auch nach neuem Recht abdem 15.12.2004. Entscheidend wäre dann der frühereFristablauf. Ist die ursprüngliche Verjährungsfrist erstnach dem 14.12.2004 abgelaufen, kann also die Scha-denentstehung nur in die Zeit des neuen Rechts fallen,ist für diesen Schadenersatzanspruch auch nur neuesRecht zu prüfen. Für die Ansprüche wegen des unsinni-gen Prozesses wird es auf die Vorgaben des IX. Senatsankommen. Sollte sich dann herausstellen, dass Re-gressansprüche gegen den jetzigen Beklagten ganzoder teilweise verjährt waren, als der Mahnbescheidam 29.12.2010 zu Gericht ging, zumal der BGH hierauch noch Bedenken wegen der notwendigen Indivi-dualisierung angemeldet hat, werden die Klägerkaum umhinkommen, über weitere Regressansprüchenachzudenken – gegen den Prozessbevollmächtigen,der 2010 tätig war.

Welche Erkenntnisse kann man bereits gewinnen? Ers-tens ist immer genau danach zu fragen, welcher Vor-wurf zu welchem Schaden führt, und zwar auch bei der

Verjährungsprüfung. Und zweitens ist gerade dann,wenn mehrere Vorwürfe zusammenkommen, ein Mahn-bescheid zur Verjährungshemmung problematisch, weildie Individualisierung der Ansprüche Schwierigkeitenmachen kann. Da ist es dann sinnvoller, sogleich eineKlage mit entsprechender Begründung einzureichen.Sie muss ja zunächst nur schlüssig sein. (bc)

WARNPFLICHTEN DES RECHTSANWALTS AUCH BEIBESCHRÄNKTEM MANDAT1. Ein Rechtsanwalt, der mit der Pfändung einerForderung des Schuldners beauftragt ist, hat denMandanten nach Erwirkung weiterer Vollstre-ckungstitel gegen denselben Schuldner darauf hin-zuweisen, dass es ratsam ist, aus den weiteren Ti-teln erneut in die bereits gepfändete Forderung zuvollstrecken, sofern die Aussicht besteht, dass da-durch auch die hinzugekommenen Ansprüche we-nigstens teilweise realisiert werden können.2. Die Verjährung des Regressanspruchs gegen ei-nen Rechtsanwalt beginnt erst, wenn dem Mandan-ten ein Schaden entstanden ist; das bloße Risiko ei-nes Vermögensnachteils genügt dafür nicht. Bei ei-ner unterlassenen Pfändungsmaßnahme tritt derSchaden erst ein, wenn eine Pfändung nicht mehrerfolgreich durchgeführt werden kann.OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.1.2016 – 24 U 190/14, VersR 2017, 430

Die Klägerin macht gegen ihre früheren Anwälte Scha-densersatzansprüche aus einem Scheidungsmandatmit Folgesachen geltend. Die Anwälte hatten gegenden Ex-Mann mehrere Titel erwirkt. Im Oktober 2003erwirkten sie (nur) einen Pfändungs- und Überwei-sungsbeschluss gegen eine Lebensversicherung desEx-Mannes wegen des rückständigen und fälligen Tren-nungsunterhalts, nicht aber in der Folge weitere Pfän-dungen wegen der titulierten künftigen Ansprüche aufTrennungsunterhalt. Daher wurden knapp 60.000 Eu-ro an die neue Lebensgefährtin des Ex-Mannes aus-gezahlt. Die Klägerin macht geltend, die Anwälte hät-ten ihr zur Pfändung auch der weiteren Ansprücheaus der Lebensversicherung raten müssen. Das Land-gericht verurteilte die Anwälte überwiegend zum Scha-densersatz. Die Berufung der Anwälte blieb weitest-gehend erfolglos.Zutreffend habe das Landgericht entschieden, dassauch bei Annahme nur eines beschränkten Mandatszur Pfändung der Lebensversicherung wegen der fäl-ligen Unterhaltszahlungen eine Nebenpflicht der An-wälte bestanden habe, die Mandantin vor einem Ver-lust der weitergehenden Lebensversicherungssummezu warnen und ihr eine Pfändung auch aufgrund derweiteren Titel zu empfehlen. Es sei davon auszugehen,dass die Mandantin sich dann beratungskonform ver-halten hätte. Eine weitergehende Pfändung hätteauch zu einer weitergehenden Befriedigung der Unter-haltsansprüche geführt.Die Anwälte könnten sich nicht mit Erfolg auf Verjäh-rung berufen. Maßgeblich sei nicht die zum 15.12.2004 außer Kraft gesetzte, kenntnisunabhängige Ver-

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JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

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jährungsfrist des § 51b BRAO, sondern die danach gel-tende, kenntnisabhängige Regelverjährung nach§§ 195, 199 I BGB. Der für die Anspruchsentstehungund damit den Verjährungsbeginn maßgebliche Scha-den sei nicht bereits mit Erlass des unzureichendenPfändungs- und Überweisungsbeschlusses im Oktober2003 entstanden, sondern erst zu dem Zeitpunkt, alseine weitergehende Pfändung in die Lebensversiche-rung (hier wegen der Auszahlung an die neue Lebens-gefährtin) nicht mehr möglich gewesen sei. Dies seierst unter der Geltung des neuen Verjährungsrechtsder Fall gewesen.Der Entscheidung, die auf der Linie der BGH-Recht-sprechung liegt, ist zuzustimmen. Auch bei einem be-schränkten Mandatsumfang hat der Anwalt den Man-danten auf Gefahren außerhalb des Mandatsgegen-standes hinzuweisen, wenn diese dem Anwalt bekanntoder offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungs-gemäßer Bearbeitung aufdrängen müssen.6 Dies warhier der Fall, da die Anwälte weitere Titel für die Man-dantin erwirkt hatten und ihnen positiv bekannt war,dass mit der Lebensversicherung ein weitergehender,werthaltiger Vermögensgegenstand zur Verfügungstand. Die Vermutung, dass der Mandant sich bera-tungskonform verhalten hätte, wenn es (aus Sicht desRegressgerichts) objektiv nur eine einzige vernünftigeVerhaltensweise gegeben hätte (aber auch nur dann),entspricht ebenfalls ständiger BGH-Rechtsprechung.7

Auch die Verjährungsfrage hat das OLG zutreffend be-antwortet.8 (hg)

ANWALTLICHE BERATUNGSPFLICHTEN IMRECHTSSCHUTZVERSICHERTEN MANDATEs ist nicht anzunehmen, dass ein rechtsschutzver-sicherter Mandant von einer Rechtsverfolgung ab-sieht, weil ihn sein Anwalt auf deren Aussichtslosig-keit hinweist. Vielmehr wird der vernünftig denkendeMandant abwarten, ob die Rechtsschutzversiche-rung ihm nicht doch Rechtsschutzdeckung erteilt.Es ist im Rechtsschutz-Versicherungsvertragsverhält-nis nicht Sache des Versicherungsnehmers, den Fallrechtlich zu bewerten. Dies ist vielmehr Sache desVersicherers im Rahmen der Deckungsprüfung.LG Dortmund, Urt. v. 23.3.2017 – 2 S 21/16

Und wieder ein Fall, in dem eine Rechtsschutzversiche-rung den beklagten Rechtsanwalt aus übergegange-nem Recht nach § 86 VVG auf Schadensersatz wegenanwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch nimmt: DerAnwalt hatte seine Mandantin, die Versicherungsneh-merin der Klägerin, zwar mit Rechtsschutzdeckung,aber erfolglos in einem Klageverfahren gegen einenKreditversicherer vertreten. Der Rechtsschutzversiche-rer macht geltend, dass die Klage wegen fehlender An-spruchsvoraussetzungen objektiv aussichtslos gewesen

sei, weswegen der Anwalt seiner Mandantin von derRechtsverfolgung habe abraten müssen, und verlangtvom Anwalt die Erstattung der Verfahrenskosten. DasAmtsgericht gab der Klage statt. Auf die Berufungdes Anwalts wies das Landgericht die Klage ab.

Die streitige Pflichtverletzung des beklagten Anwaltskönne nach Ansicht des Landgerichts dahinstehen,da sie jedenfalls nicht kausal für den geltend gemach-ten (Kosten-)Schaden sei. Der Rechtsschutzversichererhabe nicht konkret vorgetragen und keinen Beweis da-für angetreten, wie sich die Mandantin des Beklagten,seine Versicherungsnehmerin, bei pflichtgemäßem Ver-halten des Beklagten verhalten hätte. Auf den An-scheinsbeweis beratungskonformen Verhaltens könnesich die Mandantin und damit auch die Klägerin alsderen Rechtsnachfolgerin nur dann berufen, wenn beizutreffender rechtlicher Beratung vom Standpunkt ei-nes vernünftigen Betrachters aus allein eine bestimmteEntscheidung nahegelegen hätte.9

Im Falle einer nicht durch Falschangabe erwirkten De-ckungszusage des Rechtsschutzversicherers kommeein Anscheinsbeweis dafür, dass der rechtsschutzver-sicherte Mandant den Prozess nicht bzw. nicht in demUmfang geführt hätte, nicht zur Anwendung. Es könnegerade nicht angenommen werden, dass der rechts-schutzversicherte Mandant eines Rechtsanwalts voneiner Rechtsverfolgung absehe, wenn ihn sein Anwaltauf deren Aussichtslosigkeit hinweist. Im Gegenteilwerde der vernünftig denkende Mandant abwarten,ob die Rechtsschutzversicherung ihm nicht dochRechtsschutzdeckung erteilt.

Eine rechtliche Bewertung des Falls müsse der Ver-sicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung ge-rade nicht vornehmen, dies sei vielmehr Sache desVersicherers im Rahmen seiner Deckungsprüfung.Nachteile entstünden einem rechtsschutzversichertenVersicherungsnehmer, der bereits einen Rechtsanwaltbeauftragt habe, durch eine Deckungsanfrage nicht.Es sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass erunter diesen Umständen keinen Versuch unternehme,Deckungsschutz für die beabsichtigte Rechtsverfol-gung zu erlangen.

Die Deckungsanfrage des Beklagten an die Klägerinenthalte keine erheblichen (Falsch-)Angaben, insbeson-dere nicht zu der im Vorprozess entscheidenden Frageder Anspruchsvoraussetzungen gegenüber der Kredit-versicherung. Dies gehe zu Lasten der Klägerin, weilsie insofern vor Erteilung der Deckungszusage eineNachfrageobliegenheit gehabt habe, der sie nichtnachgekommen sei.

Leider hat das Landgericht die Revision gegen diesesBerufungsurteil nicht zugelassen. Wegen Nichterrei-chung der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO ist dieEntscheidung daher rechtskräftig. Eine höchstrichterli-che Klärung der Rechtsfragen bei der zunehmend zubeobachtenden Inanspruchnahme von Anwälten durch

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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6 St.Rspr., z.B. BGH, VersR 1999, 188.7 Etwa BGH, NJW 1993, 3259.8 Zum Verjährungsbeginn mit Schadensentstehung bei Unterlassung einer Pfän-

dung vgl. BGH, BRAK-Mitt. 2006, 24 LS bespr. von Chab; zum Übergangsrecht s.Art. 229 § 12 I 1 Nr. 3, S. 2 i.V.m. Art. 229 § 6 EGBGB. 9 St.Rspr., z.B. BGH, MDR 1994, 211.

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die Rechtsschutzversicherer der Mandanten wäredurchaus wünschenswert gewesen.

Nach inzwischen wohl sogar überwiegender Recht-sprechung sei der Anwalt bei objektiver Aussichtslosig-keit der von seinem Mandanten beabsichtigten Rechts-verfolgung nicht nur gehalten, diesen hierauf hinzuwei-sen, sondern auch verpflichtet, den Mandantendarüber zu belehren, dass der Rechtsschutzversichererfür aussichtslose Verfahren nicht eintrittspflichtig sei,und sich sogar bereits gegen eine Deckungsanfragebeim Rechtsschutzversicherer auszusprechen, weil dieAuslösung von Prozesskosten dann nicht erforderlichi.S.v. § 125 VVG sei.10 Ein „redlicher“ Versicherungs-nehmer werde in diesem Fall nicht auf gut Glück ver-suchen, das aussichtslose Verfahren durchzuführen.Entsprechendes Verhalten sei im Verhältnis zur Rechts-schutzversicherung treuwidrig.11

Die vorliegende Bewertung des LG Dortmund ist ausSicht des Verfassers zutreffend. Zum einen ist schondie Auffassung abzulehnen, dass sich aus § 125 VVGeine Obliegenheit des Mandanten ergebe, keine De-ckungsanfragen für aussichtslose Rechtsverfolgung zustellen und dass solches Verhalten treuwidrig sei. DiePrüfung der rechtlichen Erfolgsaussichten als Voraus-setzung für die Erteilung einer Deckungszusage ist imVersicherungsvertragsverhältnis allein Angelegenheitdes Rechtsschutzversicherers im Rahmen seines Ge-schäftsmodells.12

Abzulehnen ist auch die darüber hinausgehende An-nahme, dass ein Anwalt den Mandanten von sich ausdarüber belehren müsse, dass dieser für aussichtsloseKlagen keine Rechtsschutzdeckung beanspruchen kön-ne. Auch wenn der Anwalt (in der Regel gefälligkeits-halber ohne Berechnung von Kosten) die Deckungs-anfrage an den Rechtsschutzversicherer richtet, über-nimmt er damit noch keinen Auftrag, den Mandantenüber Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsver-trag zu belehren. Wenn der RechtsschutzversichererDeckungszusage erteilt, gibt es für den Mandantenauch keinen Anlass, den Anwalt mit einer entsprechen-den Prüfung zu beauftragen.

Der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversiche-rung ist nur verpflichtet, den Versicherer vollständigund wahrheitsgemäß über Tatsachen zu unterrichten.Eine rechtliche Einschätzung zu den Erfolgsaussichtenmuss der Versicherungsnehmer nicht abgeben, auchdann nicht, wenn er anwaltlich vertreten ist.13 Erstrecht darf der Anwalt es nicht dem Rechtsschutzver-sicherer mitteilen, wenn er die Erfolgsaussichten nega-tiv beurteilt. Damit würde er ja gerade den Interessenseines Mandanten zuwiderhandeln. Gegenüber demVersicherer hat der Anwalt mangels Vertragsbezie-hung auch gar keine Beratungspflichten.

Wenn die Deckungsanfrage nur schlagwortartige undergebnishaft aufgestellte und nicht durch konkrete Tat-sachen unterlegte Behauptungen enthielt, kann der Ver-sicherer nachfragen und eine Substantiierung fordern.Wenn eine solche nicht erfolgt, kann er die Deckung ab-lehnen. Selbst wenn ein anwaltliches Fehlverhalten beider Deckungsanfrage zu bejahen wäre, müsste derMandant sich dieses als Versicherungsnehmer gegen-über dem Versicherer nicht zurechnen lassen.14

Anwaltliche Beratungspflichten bestehen nur gegen-über dem Mandanten und grundsätzlich nur im Rah-men des erteilten Auftrags. Durch das Bestehen einerRechtsschutzversicherung werden die Beratungspflich-ten weder reduziert noch erweitert, letzteres insbe-sondere nicht auf die Wahrung der Interessen des Ver-sicherers. Rechtsschutzversicherer müssen ihre Interes-sen selbst wahrnehmen und selbst die Erfolgsaussich-ten einer angefragten Rechtsverfolgung prüfen. Diesdarf nicht auf die Anwälte der Versicherungsnehmerabgewälzt werden.Nach Ansicht des Autors ist in diesen Konstellationenbereits durchaus fraglich, ob überhaupt § 86 VVG an-wendbar ist: Wenn Mandanten ihren Anwalt anwei-sen, eine Klage nur dann zu erheben, wenn zuvor derRechtsschutzversicherer Deckungszusage erteilt hat,haben die Mandanten von vornherein keinen Schaden,bezüglich dessen ein Ersatzanspruch auf den Versiche-rer übergehen könnte (also anders als z.B. in der Kon-stellation, dass ein Rechtsstreit erst aufgrund eines An-waltsfehlers im Prozess verlorengeht). (hg)

FRISTEN

VORSORGLICHE BERUFUNGSEINLEGUNG1. Hätte dem Bevollmächtigten aufgrund mehr-facher telefonischer Kontaktaufnahmen bewusstsein müssen, dass der verklagte Beamte die Ein-legung einer (auf das Strafmaß beschränkten) Beru-fung durchaus in Betracht zieht, kann er sich mit derfehlenden Reaktion des Beklagten nicht zufriedengeben, sondern ist gehalten, beim Beklagten, sei-nem Mandanten, nochmals ausdrücklich wegen derWeiterverfolgung seiner Rechte Rückfrage zu halten.2. Nutzt der Bevollmächtigte im Kanzleibetrieb E-Mail-Korrespondenz, muss er zu versandten E-Mailsin derartigen Fällen eine Lesebestätigung fordern.3. Ein Bevollmächtigter hat bei Ausbleiben einerAntwort des Beklagten vorsorglich fristwahrend Be-rufung einzulegen.BayVGH, Beschl. v. 20.2.2017 – 16a D 16.2092Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfristwurde hier damit begründet, dass der Prozessbevoll-mächtigte innerhalb offener Frist keinen Auftrag desMandanten zur Einlegung der Berufung erhalten hatte.Erst aufgrund einer Nachfrage des Mandanten nach

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AUFSÄTZE

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10 Vgl. z.B. OLG Düsseldorf, NJW 2014, 399 bespr. von Grams, BRAK-Mitt. 2013,222; ebenso OLG Hamm, BRAK-Mitt. 2016, 278 LS bespr. von Grams.

11 So ausdrücklich OLG Düsseldorf, MDR 2016, 1176 bespr. von Grams, BRAK-Mitt.2016, 223.

12 OLG Celle, r+s 2010, 417 bespr. von Grams, BRAK-Mitt. 2010, 210.13 Harbauer, ARB, 8. Aufl. 2010, § 17 Rn. 34 f. 14 Wendt, r+s 2012, 209, 212.

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Fristablauf sei offenbar geworden, dass Berufung ein-gelegt werden sollte.Es ist eher ungewöhnlich, dass in einem solchen Fallüberhaupt der Weg über die Wiedereinsetzung ver-sucht wird. Der Prozessbevollmächtigte sah kein Ver-schulden bei sich, da das Urteil dem Mandanten zeit-nah übermittelt worden sei und sowohl auf die Frist alsauch darauf hingewiesen worden war, dass Berufungs-einlegung nur bei schriftlichem Auftrag erfolge. Da einschriftlicher Auftrag nicht vorlag, habe man noch ver-sucht, telefonisch nachzufragen, was aber misslang.Der BayVGH hat die Berufung verworfen, da ein Ver-schulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausge-räumt sei. Zwar habe der Prozessbevollmächtigte denMandanten darauf hingewiesen, dass er einen aus-drücklichen Auftrag benötige. Da ihm bekannt war,dass der Mandant das Rechtsmittel in Betracht zog,hätte eine Nachfragepflicht bestanden. Bezüglich derinsoweit versandten E-Mail hätte er Lesebestätigungenfordern müssen, um sicherzustellen, dass die Schreibenzugingen. Das Erfordernis einer Lesebestätigung istneu, entsprechende Anforderungen hat der BGH, so-weit ersichtlich, bislang nicht gestellt, sondern im Ge-genteil eine Nachfragepflicht des Rechtsanwalts außerin besonders gelagerten Ausnahmefällen verneint.15

Zusätzlich – aber insoweit als Besonderheit des konkre-ten Verfahrens – hätte der Prozessbevollmächtigte hiernach Ansicht des BayVGH auch ohne ausdrücklichenAuftrag des Mandanten fristwahrend Berufung ein-legen können und müssen, da dies wegen der Gebüh-renfreiheit im Verfahren keinerlei Risiken mit sich ge-bracht hätte. (ju)

MOTORSCHADEN AUF DEM WEG ZUM GERICHTBleibt der Anwalt mit seinem Fahrzeug wegen einesMotorschadens auf dem Weg zum Gericht liegen

und kann deshalb nicht rechtzeitig zur mündlichenVerhandlung erscheinen, muss er versuchen, diezuständige Geschäftsstelle anzurufen. Tut er dasnicht oder versucht er es unter einer falschen Tele-fonnummer, obwohl die richtige Nummer in derAkte vorzufinden gewesen wäre, ist die Säumnisnicht unverschuldet. (eigener Leitsatz)BGH, Beschl. v. 22.2.2017 – IV ZB 8/16

Gegen den Kläger erging ein zweites Versäumnisurteil,weil sein Bevollmächtigter nicht rechtzeitig zum Terminerschienen war. In der Berufungsbegründung trug dieservor, er sei mit einem Motorschaden auf dem Weg zumGericht liegengeblieben und habe mehrfach versucht,sowohl bei der Geschäftsstelle als auch bei der Zentraledes Gerichts anzurufen, aber niemanden erreichen kön-nen. Es stellte sich allerdings heraus, dass die Nummerder Geschäftsstelle, die er gewählt hatte, falsch war.Der BGH verlangt, dass der Anwalt in einem solchenFall die zuständige Geschäftsstelle anzurufen hat,wenn er diese ohne weiteres der Akte entnehmen kön-ne, hilfsweise die Zentrale. Nur wenn er dies erfolglosunternimmt (wobei nicht festgestellt wird, wie viele An-rufversuche denn verlangt werden), wäre die Säumnisunverschuldet. Da hier die falsche Nummer gewähltwurde, reichte dies zur Entschuldigung nicht aus. Da-bei würden prinzipiell die gleichen Maßstäbe geltenwie bei einem Wiedereinsetzungsantrag.Gemäß § 514 II ZPO kann ein zweites Versäumnis-urteil nur mit der Begründung angegriffen werden,die Säumnis sei nicht schuldhaft gewesen. Ein Motor-schaden sollte daher selbst den Grund für das fehlen-de Verschulden darstellen, nicht die Frage, ob undggf. welche Stelle man als Anwalt anzurufen hat,wenn man mit seinem Wagen liegengeblieben ist. Letz-teres mag die Höflichkeit gegenüber den anderen Ver-fahrensbeteiligten gebieten, kann aber für sich alleinkeinen Grund dafür darstellen, dass die Säumnis nunnicht mehr entschuldigt ist. (bc)

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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AUS DER ARBEIT DER BRAKDIE BRAK IN BERLINRECHTSANWÄLTINNEN STEPHANIE BEYRICH UND DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL., BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK auf nationaler Ebene von Märzbis April 2017.

BRAO-„REFORM“: ENDLICH DURCH, ABER KEINGROSSER WURFAm 23.3.2017 hat der Bundestag das nationale Um-setzungsgesetz zur europäischen Berufsanerkennungs-

richtlinie (vgl. Presseerklärung Nr. 2 v. 8.3.2017) be-schlossen. Die BRAO-Reform bringt wichtige Klar-stellungen für Syndikusrechtsanwälte und für das be-sondere elektronische Anwaltspostfach, die die BRAKausdrücklich begrüßt (Presseerklärung Nr. 2 v. 8.3.2017). Insbesondere wurde eine rückwirkende Mit-gliedschaft des Syndikusrechtsanwalts in der Rechts-anwaltskammer zum Zeitpunkt seines Zulassungs-antrags geregelt.

15 BGH, NJW 2006, 2779.

BEYRICH/NITSCHKE, DIE BRAK IN BERLIN

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Bedauerlich ist aus Sicht der BRAK, dass die Satzungs-versammlung nun doch keine Ermächtigungsgrund-lage erhält, um die allgemeine anwaltliche Fortbil-dungspflicht zu konkretisieren; auch eine Regelung inder BRAO selbst wird es nicht geben. Über die fürFachanwälte ohnehin geltende Fortbildungspflichtnach § 43a VI BRAO hinaus wurde kein Bedürfnis ge-sehen, entsprechende Pflichten für alle Rechtsanwältein Gesetzesform zu gießen.

Die Satzungsversammlung hat aber die Kompetenz er-halten, die Pflichten bei Zustellungen von Anwalt zuAnwalt zu regeln. Die vorbereitete Änderung von§ 14 BORA (vgl. Presseerklärung Nr. 16 v. 22.11.2016) wurde von der Satzungsversammlung am19.5.2017 bestätigt. Außerdem wird die Briefwahl zuden Vorständen aller Rechtsanwaltskammern ab dem1.7.2018 verpflichtend und kann auch elektronischdurchgeführt werden. Der Bundestag ist allerdingsdem Vorschlag des Rechtsausschusses gefolgt, nachdem die Rechtsanwaltskammern, unabhängig vonder Briefwahl, auch eine Stimmabgabe in der Kam-merversammlung vorsehen können. Mit der Regelungzu § 1 II RDG ist der Gesetzgeber der Forderung derBRAK gefolgt, sich gegen eine Öffnung des Anwen-dungsbereiches zu wenden, sofern eine Rechtsdienst-leistung für Bürger in der Bundesrepublik aus einemanderen Staat heraus auf dem Gebiet des deutschenRechts erfolgen soll.

Das Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungs-richtlinie ist im Grundsatz am Tag nach seiner Ver-kündung, also am 18.5.2017 in Kraft getreten(BGBl. 2017 I, 1121), Ausnahmen gibt es aber u.a. hin-sichtlich des beA und der Briefwahlen. Die BRAK hateine Synopse zu den Änderungen der BRAO und desEuRAG erstellt, die auf der BRAK-Website (http://www.brak.de/fuer-anwaelte/berufsrecht/) abrufbar ist.

NEUE PUBLIKATIONEN ZUM STEUERRECHTZwei neue Leitfäden hat der Ausschuss Steuerrecht derBRAK publiziert, die über die BRAK-Website (http://www.brak.de/die-brak/organisation/ausschuesse/ausschuss-steuerrecht/) abrufbar sind: Die erste Publikati-on betrifft die Lohnversteuerung von Beiträgen zur Be-rufshaftpflichtversicherung. Die Praxishinweise be-leuchten die verschiedenen Fallkonstellationen, die zu-letzt die Finanzrechtsprechung beschäftigten, wennArbeitgeber ihren angestellten Rechtsanwälten dieseBeiträge erstatteten. Der zweite Leitfaden betrifft dieGewerblichkeit anwaltlicher Tätigkeit. Diese ist, sofernnicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft aus-geübt, grundsätzlich von der Gewerbesteuer befreit.Bereits kleine Anteile gewerblicher Tätigkeit führenaber zur Gewerbesteuerpflicht der gesamten Kanzlei-leistung. Anhand von Praxisbeispielen wird erläutert,wie Rechtsanwälte sich verhalten sollten, um nicht indie Gefahr der Abfärberegelung des § 15 III Nr. 1EStG zu geraten (s. auch Buhmann/Stange, BRAK-Ma-gazin 4/2017, 16).

BRAK-INFORMATION RVG NEU ERSCHIENENEnde März ist ein überarbeiteter Neudruck der Bro-schüre „BRAK-Information RVG“ erschienen. Zahlreicheseit März 2015 in Kraft getretene RVG-Änderungen(zum Stand 2017) sind eingearbeitet worden. Nebendem Gesetzestext des Kostenrechtsmodernisierungs-gesetzes enthält das Heft zahlreiche Tabellen zu an-waltlichen und gerichtlichen Gebühren. Die Broschürekann zum Preis von 3,76 Euro zzgl. 7 % MwSt.(4,02 Euro) und zzgl. Versand nach Aufwand bei derBRAK unter [email protected] angefordert wer-den.

KOORDINIERUNG DER JURISTENAUSBILDUNGDie BRAK hat zum Bericht des Ausschusses der Kon-ferenz der Justizministerinnen und Justizminister zurKoordinierung der Juristenausbildung („Harmonisie-rungsmöglichkeiten für die juristischen Prüfungen: Be-wertungen und Empfehlungen“) Stellung genommenund sich den Empfehlungen des Ausschusses mit weni-gen, aber wichtigen, Ausnahmen angeschlossen (Stn.8/2017, Februar). Sie bemängelt u.a., dass das Inter-nationale Privatrecht kein Bestandteil des Pflichtstoffssein soll; zudem solle das Berufsrecht verstärkt berück-sichtigt werden.

„RICHTER AUF ZEIT“ ALS GESETZLICHER RICHTERDie BRAK hat auf Ersuchen des BVerfG zu einem Ver-fassungsbeschwerdeverfahren ausführlich Stellung ge-nommen (Stn. 9/2017, Februar). Die Verfassungs-beschwerde betrifft ein Eilverfahren zur Anordnungder aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einendie Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italiengem. § 34a I 1 AsylG anordnenden Bescheid. Sie rügteinen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter nachArt. 101 I 2 GG, weil das Verwaltungsgericht durch ei-nen Einzelrichter entschieden habe, der dort als „Rich-ter auf Zeit“ i.S.d. § 17 VwGO Dienst tue. Richter aufZeit in der Ausgestaltung des § 18 VwGO seien abernicht Richter i.S.d. Art. 97 GG und könnten deswegenauch nicht gesetzlicher Richter i.S.d. Art. 101 I 2 GGsein. Nach Auffassung der BRAK ist die Verfassungs-beschwerde begründet.

GESUNDHEITSSORGE UNTER EHEGATTEN UNDLEBENSPARTNERNMit seinem Ende November 2016 vorgelegten Gesetz-entwurf zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeitenunter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenhei-ten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegen-heiten möchte der Bundesrat erreichen, dass Partnersich auch außerhalb von rechtlicher Betreuung undVorsorgevollmacht beistehen können, wenn einer derbeiden nicht mehr selbst handlungsfähig ist (BT-Drs.18/10485). Daher soll für eine gesetzliche Annahmeder Bevollmächtigung zwischen Ehegatten bzw. Le-benspartnern geschaffen werden; ein entgegenstehen-der Wille soll ins Zentrale Vorsorgeregister eingetra-gen werden können. Die BRAK äußert in ihrer Stellung-

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

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BEYRICH/NITSCHKE, DIE BRAK IN BERLIN

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nahme Bedenken wegen des Risikos des Missbrauchs(Stn. 10/2017, März). Stattdessen solle die Verbrei-tung von Vorsorgevollmacht und Patientenverfügungals rechtssicheres Instrument zur Erfassung des Wil-lens der betroffenen Person in der Bevölkerung weitergefördert werden.

EINFÜHRUNG EINES WETTBEWERBSREGISTERSMit dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einesWettbewerbsregisters möchte das Bundesministeriumfür Wirtschaft und Energie sicherstellen, dass öffent-liche Auftraggeber und Konzessionsgeber vor der Ver-gabe öffentlicher Aufträge oder Konzessionen abfra-gen, ob bei einem Unternehmen zwingende Aus-schlussgründe i.S.v. § 123 GWB oder bestimmtefakultative Ausschlussgründe i.S.v. § 124 GWB vorlie-gen, und das Unternehmen daher auszuschließen istoder ausgeschlossen werden kann. Die BRAK hat zudem Gesetzentwurf Stellung genommen (Stn. 14/2017, März). Sie begrüßt das gesetzgeberische Anlie-gen, regt jedoch an, den Kreis der öffentlichen Auftrag-geber und Konzessionsgeber zu erweitern, die in denAnwendungsbereich des Wettbewerbsgesetzes fallen.

AUSGESTALTUNG DES STRAFVERFAHRENSDas Bundesministerium der Justiz und für Verbrau-cherschutz hat eine Expertenkommission zur Reformdes Strafprozesses eingesetzt, in der auch die BRAKmitwirkt. Die Kommission hat Empfehlungen dazu for-muliert, wie Verfahren effektiver und praxistauglichergestaltet werden können, ohne Verfahrensrechte ab-zubauen und den Schutz des Beschuldigten zu beein-trächtigen. Dahinter blieb schon der Referentenent-wurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistaugli-cheren Ausgestaltung des Strafverfahrens zurück (Stn.24/2016, August). Dies gilt erst recht für den nunmehrvorliegenden Regierungsentwurf. Zahlreiche Empfeh-lungen der Expertenkommission zur Stärkung der Be-schuldigtenrechte wurden nicht aufgegriffen, wie dieEinbeziehung des Beschuldigten in das Verfahren zurAuswahl eines Sachverständigen, das Anwesenheits-recht des Verteidigers bei einer mit dem Beschuldigtendurchgeführten Tatortrekonstruktion oder auch dasAntragsrecht des Beschuldigten bei Beiordnung einesVerteidigers im Ermittlungsverfahren. Die BRAK hat er-neut Stellung genommen (Stn. 17/2017, März).

SCHUTZ VON GEHEIMNISSENDie Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zurNeuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei derMitwirkung Dritter an der Berufsausübung schwei-gepflichtiger Personen vorgelegt. Er sieht u.a. Änderun-gen der BRAO sowie des § 203 StGB vor. Die ohnehinbestehende Berufspflicht, Mitarbeiter zur Verschwie-genheit zu verpflichten, wird in das Gesetz übernom-men. Zudem werden Voraussetzungen und Grenzenfür den Zugang von Dienstleistern zu Geheimnissenfestgelegt. Eine Offenbarung von Geheimnissen imRahmen der Befugnisnormen der BRAO soll dann kei-

nen Verstoß gegen die berufsrechtliche Verschwiegen-heitspflicht und auch kein unbefugtes Offenbaren i.S.v.§ 203 StGB darstellen. Mitwirkende Personen sollen indie Strafbarkeit nach § 203 StGB einbezogen werden.Die BRAK begrüßt die Regelungsvorschläge grundsätz-lich, sieht bei einzelnen Punkten aber noch Überarbei-tungs- und Änderungsbedarf. Insbesondere das Merk-mal der „Erforderlichkeit“ i.S.v. § 203 III 2 StGB-E er-scheint zu vage und unbestimmt (Stn. 18/2017,März). Zudem werden in § 43 BRAO-E und § 203StGB-E uneinheitliche Begrifflichkeiten verwendet.

NOCHMALS: NEUE HINWEISPFLICHTEN ZUR AUSSER-GERICHTLICHEN STREITBEILEGUNGAus aktuellem Anlass sei nochmals an die neuen Hin-weispflichten zur außergerichtlichen Streitbeilegung er-innert. Laut im Internet kursierenden Meldungen sollenzwischenzeitlich die ersten Abmahnungen erfolgen. Be-reits seit Anfang 2016 müssen Rechtsanwälte auf ihrenWebsites einen Link zur europäischen Online-Streit-beilegungsplattform sowie ihre E-Mail-Adresse angeben,wenn sie Online-Dienstverträge mit Verbrauchern anbah-nen bzw. abschließen. Eine weitere Hinweispflicht kamhinzu: Seit dem 1.2.2017 müssen alle Rechtsanwälteauf ihren Websites und/oder in ihren Mandatsbedingun-gen leicht zugänglich, klar und verständlich auf die Mög-lichkeit der Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfah-ren vor der zuständigen Verbraucherstreitbeilegungsstel-le hinweisen. In bestimmten Fällen greift diese Pflichtbereits, bevor eine Streitigkeit entstanden ist; nachdemeine Streitigkeit entstanden ist, trifft sie alle Rechtsanwäl-tinnen und Rechtsanwälte. Die BRAK hat ein Infoblatthierzu erstellt, das auf der BRAK-Website unter http://www.brak.de/fuer-anwaelte/berufsrecht/ abrufbar ist.

5. SOLDAN MOOT – RICHTER UND JUROREN GESUCHT!Der Soldan Moot zur anwaltlichen Berufspraxis wird2017 bereits zum fünften Mal vom Institut für Prozess-und Anwaltsrecht der Universität Hannover gemeinsammit Soldan Stiftung, BRAK, DAV und Deutschem Juris-ten-Fakultätentag den Wettbewerb für Jurastudierendeausgerichtet; er findet vom 11.–14.10.2017 in Hanno-ver statt. Erwartet werden bis zu 40 Teams. Daher sollder Wettbewerb um weitere Finalrunden erweitert wer-den (www.soldanmoot.de). Zur Durchführung des Wett-bewerbs werden Volljuristen gesucht, die als Richtermündliche Verhandlungen leiten oder als Juroren dieLeistungen in den mündlichen Verhandlungen bewer-ten. Interessierte melden sich bitte bei RechtsanwältinKristina Trierweiler, LL.M. ([email protected]).

AUSBILDUNGSZAHLEN IN DEN FREIEN BERUFENAuf den ersten Blick positiv zeigt sich die Entwicklungder Ausbildungsverträge in den freien Berufen und ins-besondere auch in der Rechtsanwaltschaft. Dies folgtaus der Ausbildungsstatistik des Bundes der Freien Be-rufe (BFB) zum 31.3.2017. Im Erhebungszeitraum wur-den von den Kammern der freien Berufe 10.933 neueAusbildungsverträge registriert – 8,3 % mehr als im

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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Vorjahreszeitraum. Bei den Rechtsanwaltskammerngab es insgesamt einen Zuwachs von 2,7 %. Auffälligist – und dies ist leider kein neuer Befund – die starkeDiskrepanz zwischen den alten und den neuen Bundes-ländern: Während in den alten Bundesländern 6,2 %mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden alsim Vorjahreszeitraum, verzeichnen die neuen Bundes-länder einen drastischen Rückgang um 26,6 % (s.auch Grasshoff, BRAK-Magazin 3/2017, 3).

NEUER BRAK-AUSSCHUSS KARTELLRECHTMehr als 30 Fachausschüsse arbeiten bei der BRAK.Ihre Aufgabe ist es insbesondere, Stellungnahmen zuGesetzentwürfen und Gutachten zu einzelnen berufs-politischen Fragestellungen für das Präsidium vorzu-

bereiten. Häufig nehmen Ausschussmitglieder auchals Experten an Anhörungen in Ministerien oder imParlament teil. Sie werden auf vier Jahre berufen undarbeiten ehrenamtlich. Die BRAK hat einen neuen Aus-schuss für Kartellrecht eingerichtet. In der Berufungs-periode vom 22.3.2017 bis 31.12.2019 gehören demneuen Ausschuss folgende Mitglieder an: Rechts-anwalt Dr. Matthias Karl, Stuttgart; RechtsanwaltDr. Andreas Lotze, Essen; Rechtsanwalt Dr. Moritz Wil-helm Lorenz, Berlin; Rechtsanwalt Dr. Martin Schwarz,Mainz; Rechtsanwältin Dr. Dominique Wagener,Frankfurt, und Rechtsanwalt Dr. Markus Marcell Wirtz,Düsseldorf. Die BRAK dankt den Kolleginnen und Kolle-gen für ihre Bereitschaft, in dem neuen Kartellrechts-ausschuss mitzuwirken!

DIE BRAK IN BRÜSSELRECHTSANWÄLTINNEN HANNA PETERSEN, LL.M, DOREEN GÖCKE, LL.M.,UND KATRIN GRÜNEWALD, LL.M, BRAK, BRÜSSEL

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK zu europarechtlichen Themenvon März bis April 2017.

KONSULTATION ZUR BEILEGUNG VON INVESTITIONS-STREITIGKEITENIn ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Konsultationder Europäischen Kommission zur Reform der Beile-gung von Investitionsstreitigkeiten (Stn. 19/2017,März) weist die BRAK auf die beachtlichen Kosten hin,die bei der Schaffung eines eigenen permanenten In-vestitionsgerichts für jedes Investitionsschutzabkom-men entstehen würden. Viele dieser Gerichte würdenferner nicht regelmäßig Fälle haben. Die BRAK fordert,dass auch Rechtsanwälte die Möglichkeit bekommensollten, als Schlichter rekrutiert zu werden. Dadurchentstünde eine gute Balance zwischen den Interessender Staaten und denen der Investoren. Für kleine undmittlere Unternehmen wäre es sinnvoll, eine Art Pro-zesskostenhilfe einzuführen, eine zentrale Anlaufstelleund ein Instrument zu schaffen, das ihnen auch nachihrem Investment die nötige Hilfe gewährt.

RICHTLINIENVORSCHLAG ÜBER PRÄVENTIVE RESTRUK-TURIERUNGSRAHMENIn ihrer Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag derEuropäischen Kommission über präventive Restruktu-rierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmenzur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, In-solvenz- und Entschuldungsverfahren (Stn. 21/2017,April) spricht sich die BRAK für eine klare und eindeuti-ge Definition des Anwendungsbereichs eines vorgela-gerten Restrukturierungsverfahrens aus. Keinesfallssollten Unternehmen, die bereits insolvent oder akut

insolvenzgefährdet sind, von einem solchen Instrumenterfasst werden. Darüber hinaus sollte die Gruppe derGläubiger klar definiert und auf Geldkreditgläubigerbeschränkt werden. Hinsichtlich der Gewährung einerzweiten Chance ist die BRAK der Ansicht, dass eine sol-che an ein Wohlverhalten der Person geknüpft werdensollte. Sie fordert ferner, dass auch Rechtsanwälten,die über insolvenz- und sanierungsrechtliche Praxis-erfahrung verfügen, die Möglichkeit eingeräumt wird,als Richter eines Spruchkörpers auf diesem Gebiet er-nannt oder gewählt werden zu können.

KONSULTATION ÜBER DIE SCHAFFUNG EINER SÄULEDER SOZIALEN RECHTEIn ihrer Stellungnahme zur öffentlichen Konsultationder Europäischen Kommission über die Errichtungeiner europäischen Säule der sozialen Rechte (Stn.13/2017, März) begrüßt die BRAK das Vorhaben derEuropäischen Kommission, den Mitgliedstaaten einenLeitfaden zur weiteren Angleichung der Rechte im Be-reich Beschäftigung und Soziales an die Hand zu ge-ben. Sie weist darauf hin, dass in den Bereichen Abfin-dungen bei Kündigungen und dem Übergang zu unbe-fristeten Verträgen in Deutschland praxisbewährteRegelungen bestehen und negative Auswirkungen aufdiese möglichst vermieden werden sollten.

Am 26.4.2017 hat die Europäische Kommission nun ih-ren Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Säulesozialer Rechte veröffentlicht. Diese ist in die BereicheChancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, faire Ar-beitsbedingungen sowie Sozialschutz und soziale Inklusi-on gegliedert und enthält 20 Grundsätze und Rechte zurUnterstützung der Entwicklung der Arbeitsmärkte undSozialsysteme in den Mitgliedstaaten. Nicht mehr ent-

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

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halten ist die von der BRAK kritisierte Zielvorgabe, dassKündigungen generell mit einer Abfindung verbundensein sollen. Die Umwandlung in unbefristete Arbeitsver-träge soll entgegen dem ersten Vorschlag der Europäi-schen Kommission nur noch gefördert werden. Auchdies hatte die BRAK in ihrer Stellungnahme kritisiert.

EGMR FOLGT BRAK AMICUS CURIAE INTERVENTIONAm 27.4.2017 hat der EGMR in seinem Urteil in derSache Rechtsanwalt Prof. Dr. Sommer ./. Bundesrepu-blik Deutschland festgestellt, dass eine Einsicht in dasAnwaltskonto des Beschwerdeführers rechtswidrigwar. Im zugrundeliegenden Fall hatte die Staats-anwaltschaft Bochum Informationen über das Ge-schäftskonto des Beschwerdeführers rückwirkend übermehr als zwei Jahre erlangt, diese zur Akte in einemStrafverfahren gegen dessen Mandanten genommenund es abgelehnt, diese Informationen an ihn heraus-zugeben oder zu vernichten. Hintergrund war, dassdie Verlobte des Mandanten das Verteidigerhonorari.H.v. 1.500 Euro auf das Konto des Beschwerdeführersüberwiesen hatte. Die Kontodaten einschließlich derNamen von überweisenden Mandanten wurden zur Er-mittlungsakte genommen, in die Verteidiger andererMitbeschuldigter Einsicht hatten.In seinem Urteil stellt der EGMR unter Bezugnahmeauf §§ 160a, 161 StPO nun fest, dass ein Verstoß ge-gen Art. 8 der EMRK (Achtung des Berufsgeheimnissesund des Privatlebens) vorliegt. Er begründet dies mitdem weiten Umfang des Auskunftsersuchens, der Of-fenlegung und der fortgesetzten Speicherung der per-sonenbezogenen Daten sowie der Unzulänglichkeitder Verfahrensgarantien. Der Eingriff war nicht im Sin-ne des Art. 8 II EMRK „gesetzlich vorgesehen“ undnicht „in einer demokratischen Gesellschaft notwen-dig“. Die Bundesrepublik Deutschland ist zu einer Zah-lung i.H.v. 4.000 Euro verurteilt worden.Damit folgte der EGMR den Argumenten der BRAK, diesich als Amicus-curiae-Brief an dem Verfahren beteiligteund in ihrer Stellungnahme die Auffassung vertrat, dassdie Eingriffsmaßnahme der Staatsanwaltschaft die ge-schützte Privatsphäre des Beschwerdeführers alsRechtsanwalt und Strafverteidiger, der nicht Beschuldig-ter war, einen Eingriff in Art. 8 II EMRK darstellte.

EUROPÄISCHES SEMESTER – NATIONALES REFORM-PROGRAMM DEUTSCHLAND 2017 VERABSCHIEDETDas Bundeskabinett hat am 12.4.2017 den jährlichenBericht der Bundesregierung zur Koordinierung derWirtschaftspolitik im Rahmen des Europäischen Se-mesters, sog. Nationales Reformprogramm (NRP), ver-abschiedet. Darin antwortet die Bundesregierung aufden im Februar von der Europäischen Kommission ver-öffentlichten Länderbericht für Deutschland und stelltdie von ihr umgesetzten und geplanten Maßnahmenzur Stärkung des Wettbewerbs dar. Für eine Reihevon Berufen sind bereits Lockerungen des Berufsaus-übungsrechts erfolgt und weitere Änderungen sind ge-plant. Dabei betont die Bundesregierung, dass es wei-terhin möglich sein muss, gerechtfertigte und verhält-nismäßige Regulierungen zu erhalten. Möglichepositive Wirkungen eines Abbaus von Regulierungenmüssten gegen deren Bedeutung für Qualitätssiche-rung, Verbraucherschutz oder andere wichtige Zwecke,wie die Unabhängigkeit der Berufsausübung, abge-wogen werden. Aufbauend auf dem Länderberichtund den einzelnen nationalen Reformprogrammenwird die Europäische Kommission im weiteren Verlaufdes Frühjahrs neue Länderspezifische Empfehlungenvorlegen, die anschließend vom Rat der EU verabschie-det werden.

ONLINE-PLATTFORM ZUM SCHUTZ VON MENSCHEN-RECHTSVERTEIDIGERNAm 30.3.2017 hat der EU-Unterstützungsmechanis-mus für Menschenrechtsverteidiger (European UnionHuman Rights Defenders Mechanism) einen Indexüber die Bedrohung von und Angriffe auf Menschen-rechtsanwälte gestartet. Die Mittel zur Finanzierungdes Mechanismus stammen aus dem Europäischen In-strument für Demokratie und Menschenrechte. Verwal-tet wird der Mechanismus von einem Konsortium auszwölf unabhängigen internationalen Nichtregierungs-organisationen, die über praktische Erfahrung in derZusammenarbeit mit gefährdeten Menschenrechtsver-teidigern verfügen. Der Mechanismus ist weltweit imEinsatz, mit speziellem Fokus auf abgelegene Gebiete.

DIE BRAK INTERNATIONALRECHTSANWÄLTIN KEI-LIN TING-WINARTO, BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK auf internationaler Ebene vonMärz bis April 2017.

JAPANISCH-DEUTSCHES BERUFSRECHTSFORUMIm April fand das Japanisch-Deutsche Berufsrechts-forum 2017 in Tokio statt, eine gemeinsame Veranstal-tung des Instituts für Rechtsvergleichung der Chuo

Universität, dem Institut für Anwaltsrecht der Univer-sität zu Köln, der Japan Federation of Bar Associations(JFBA), der BRAK und des DAV, unterstützt von derDeutsch-Japanischen Juristenvereinigung e.V. Das Insti-tut für Rechtsvergleichung der Chuo Universität unddas Institut für Anwaltsrecht der Universität zu Köln or-ganisierten bereits in der Vergangenheit Veranstaltun-gen zum Berufsrecht in Japan. Die BRAK kooperierteerstmals in diesem Rahmen mit den beiden Instituten.

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

127

TING-WINARTO, DIE BRAK INTERNATIONAL

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Die BRAK hat im Jahr 2008 einen Freundschaftsvertragmit der JFBA unterzeichnet. Seither findet ein regelmäßi-ger fachlicher Austausch mit der japanischen Anwalts-kammer statt. BRAK Vizepräsident RAuN Dr. UlrichWessels referierte zu Praxisproblemen der Vertretungwiderstreitender Interessen.

ROUND TABLE VERANSTALTUNG ZUM ANWALTLICHENBERUFSRECHTIm Berichtszeitraum organisierten die Vietnam Bar Fe-deration (VBF), die IRZ e.V. und die BRAK gemeinsameine Round Table Veranstaltung in Hanoi. Eröffnetwurde die Veranstaltung, zu der Rechtsanwälte ausbenachbarten Rechtsanwaltskammern und Mitgliederder diversen Ausschüsse eingeladen wurden, von Dr.Wolfgang Manig, dem stellvertretenden Botschafterder Bundesrepublik Deutschland in Hanoi, sowie durchGrußworte von dem Präsidenten der VBF Dr. Do NgocThinh und dem Vizepräsidenten der BRAK RAuN Dr.Ulrich Wessels. Thematisch stellte Dr. Wessels zu-

nächst das deutsche Kammersystem vor und gab ei-nen Überblick über das anwaltliche Berufsrecht sowiedie Qualitätssicherung. Die Vorträge bildeten eineGrundlage für eine intensive Diskussion und einenfruchtbaren Austausch.

DELEGATIONSREISE JUNGER KAMMERVORSTÄNDENACH ISRAELVom 22.–26.4.2017 fuhr eine Delegation der zehnjüngsten Vorstandsmitglieder der regionalen Rechts-anwaltskammern nach Israel. Der 2006 zwischen derIsrael Bar Association und der BRAK geschlosseneFreundschaftsvertrag sieht u.a. den Austausch zwi-schen jungen Rechtsanwälten beider Länder vor. Diediesjährige Reise ist bereits die vierte ihrer Art undfand wieder um den Gedenktag des Holocaust statt.Der ausführliche Bericht eines Teilnehmers über dieDelegationsreise kann im BRAK-Magazin nachgelesenwerden (Küverling, BRAK-Magazin 3/2017, 4).

MITGLIEDER DER RECHTSANWALTSKAMMERN ZUM 1.1.2017RECHTSANWÄLTINNEN STEPHANIE BEYRICH UND DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL., BRAK, BERLIN

Zum Stichtag 1.1.2017 hatten die 28 regionalenRechtsanwaltskammern insgesamt 165.538 Mitglie-der. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies nur einengeringen Zuwachs von 0,42 %, die Mitgliederzahlenblieben damit in den letzten Jahren insgesamt weit-gehend stabil. 15 Kammern verzeichneten einen Zu-wachs, zwölf Kammern einen Rückgang der Mitglieder-zahlen. Weiter gestiegen ist der Frauenanteil in der An-waltschaft: von 33,87 % im Vorjahr auf nunmehr34,37 %.Erstmals enthält die Statistik auch Zahlen zu Syndikus-rechtsanwälten. Aufgrund des zum 1.1.2016 in Kraftgetretenen Gesetzes zur Neuregelung des Rechts derSyndikusrechtsanwälte gibt es nunmehr die Zulas-sungsarten Syndikusrechtsanwalt und Rechtsanwalt(Doppelzulassung), Syndikusrechtsanwalt (Einzelzulas-sung) sowie Rechtsanwalt (Einzelzulassung). Zum 1.1.2017 gab es insgesamt 8.753 Syndikusrechtsanwälteund Rechtsanwälte mit Doppelzulassung, 957 Syn-dikusrechtsanwälte und 154.683 Rechtsanwälte. Deut-lich höher als bei den Rechtsanwälten ist der Frauen-anteil bei den Syndici: 42,83 % der doppelt Zugelasse-nen sind weiblich, und sogar 54,23 % der reinenSyndikusrechtsanwälte.Auch die Anzahl derjenigen Rechtsanwälte, die nebenihrem Beruf als Rechtsanwalt zugleich als Wirtschafts-

prüfer und/oder Steuerberater und/oder vereidigterBuchprüfer tätig sind, hat sich nur geringfügig ver-ändert. Zum 1.1.2017 waren 639 Rechtsanwälte auchals Wirtschaftsprüfer, 2.151 auch als Steuerberaterund 402 auch als vereidigte Buchprüfer tätig. Weiterrückläufig ist mit 5.570 die Anzahl der Anwaltsnotare.

Bewegung zeigte sich bei den Gesellschaften: Deutli-che Zuwächse gab es bei den Rechtsanwalts-GmbHs(825) und Partnerschaftsgesellschaften: Die Zahl derPartnerschaftsgesellschaften stieg auf 5.332, davon1.814 mit beschränkter Berufshaftung; ferner sind155 LL.P. zugelassen.

Die Gesamtzahl der erworbenen Fachanwaltschaftenhat weiter zugenommen und beträgt nunmehr 53.677.Beliebteste Fachanwaltschaft ist nach wie vor die für Ar-beitsrecht (10.370), gefolgt von der Fachanwaltschaftfür Familienrecht (9.516); diese bleibt mit 57,53 % dieFachanwaltschaft mit dem größten Frauenanteil. Die äl-teste Fachanwaltschaft (für Steuerrecht) belegt mit4.944 Fachanwälten Platz 3. 43.419 Rechtsanwälte (da-von 13.402 weiblich), haben Fachanwaltstitel erworben.Damit beträgt der Anteil der Fachanwälte an der Ge-samtzahl der zugelassenen Rechtsanwälte 26,41 %.Mitgliederstatistik und die Fachanwaltsstatistik sind ab-rufbar unter www.brak.de/statistiken.

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

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MITGLIEDER DER RECHTSANWALTSKAMMERN ZUM 1.1.2017

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Entwicklung der Fachanwaltschaften seit 1960Ja

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1960 836 75 911

1970 1.296 52 1.348 47,97

1980 1.609 32 1.641 21,74

1989 2.097 259 692 145 3.193 94,58

1990 2.145 307 911 190 3.553 11,27

1991 2.137 316 952 196 3.601 1,35

1993 2.170 355 1.060 250 3.835 6,50

1994 2.260 413 1.340 294 4.307 12,31

1995 2.350 464 1.557 319 4.690 8,89

1996 2.415 520 1.749 349 5.033 7,31

1997 2.507 579 2.110 384 5.580 10,87

1998 2.674 643 194 1.160 2.487 409 7.567 35,61

1999 2.769 706 438 2.238 2.843 432 9.426 24,57

2000 2.792 785 702 2.297 3.315 459 30 11.080 17,55

2001 2.939 866 912 3.789 3.827 542 141 13.016 17,47

2002 3.151 966 1.129 4.502 4.414 612 268 15.042 15,57

2003 3.391 1.044 1.326 5.126 5.000 673 373 16.933 12,57

2004 3.570 1.111 1.456 5.648 5.446 733 446 14 18.424 8,81

2005 3.688 1.145 1.585 5.943 5.948 787 561 222 19.879 7,90

2006 3.901 1.178 1.730 6.353 6.457 845 631 395 125 276 396 360 173 21 22.841 14,90

2007 4.042 1.244 1.865 6.935 7.047 930 755 588 401 1.007 1.156 1.192 540 60 67 104 9 11 27.953 22,38

2008 4.313 1.299 2.096 7.474 7.669 1.065 931 726 628 1.540 1.762 1.610 793 98 255 372 41 71 4 32.747 17,15

2009 4.431 1.329 2.276 7.749 8.038 1.155 1.060 818 777 1.887 2.104 1.845 942 120 411 539 85 135 218 35.919 9,69

2010 4.463 1.372 2.414 8.098 8.368 1.252 1.147 883 916 2.181 2.420 2.013 1.076 134 543 734 121 190 372 48 38.745 7,87

2011 4.615 1.416 2.596 8.373 8.701 1.346 1.261 967 1.052 2.441 2.744 2.163 1.205 150 652 891 154 244 515 83 41.569 7,29

2012 4.728 1.456 2.755 8.716 9.101 1.453 1.367 1.052 1.182 2.726 2.981 2.310 1.320 156 773 1.033 193 290 642 106 44.340 6,67

2013 4.795 1.473 2.931 8.967 9.425 1.567 1.446 1.122 1.310 2.950 3.210 2.421 1.444 166 855 1.211 226 354 732 118 46.723 5,37

2014 4.864 1.501 3.087 9.181 9.713 1.658 1.525 1.211 1.412 3.126 3.410 2.560 1.548 178 959 1.339 254 402 820 130 48.878 4,61

2015 4.923 1.524 3.215 9.367 10.010 1.746 1.580 1.272 1.506 3.284 3.591 2.678 1.629 186 1.019 1.483 292 480 900 135 20 50.840 4,01

2016* 4.910 1.570 3.542 9.685 10.265 1.881 1.662 1.379 1.661 3.559 3.876 2.796 1.807 203 1.093 1.619 332 539 1013 143 81 13 53.629 5,49

2017 4.944 1.553 3.448 9.516 10.370 1.829 1.663 1.368 1.616 3.479 3.814 2.846 1.818 201 1.130 1.656 359 556 1073 155 124 145 14 53.677*An

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Große Mitgliederstatistik zum 1.1.2017RAK Rechtsanwalt

und Syndikus-rechtsanwalt

Syndikus-rechtsanwalt

Rechtsanwalt darunter Rechts-beistand

RA-GmbH

RA-AG

RA-UG

Mit-glieder§ 60

Abs. 1S. 3

BRAO

Mit-glieder01.01.2017

Partnerschafts-gesellschaften

Anwaltsnotare aus-länd.RAe

WP StB v. BP ges. w insge-samt

davonges. w ges. w ges. w ges. w PartG-

mbBLL.P

BGH 0 0 0 0 43 7 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 43 0 0 0

Bamberg 81 28 14 7 2.569 805 0 0 4 6 53 9 7 1 10 0 0 0 2.681 93 32 0

Berlin 536 238 51 21 13.450 4.522 716 120 127 37 144 13 1 0 84 0 0 5 14.127 1.367 171 32

Brandenburg 50 22 7 3 2.270 860 0 0 4 2 19 3 0 0 10 0 0 0 2.337 61 11 0

Braunschweig 86 35 24 16 1.569 506 190 27 4 2 20 2 3 1 10 0 0 1 1.693 32 10 1

Bremen 64 34 10 6 1.842 589 181 33 12 3 9 6 4 0 6 0 0 0 1.926 68 9 1

Celle 261 105 47 32 5.632 1.835 666 108 18 15 112 17 13 0 31 1 1 7 5.984 221 57 0

Düsseldorf 942 385 79 41 11.369 3.783 154 23 71 54 117 28 14 0 61 1 0 0 12.466 183 145 38

Frankfurt 1.651 747 112 61 16.887 5.997 829 151 224 77 96 19 16 0 60 6 1 0 18.733 319 160 8

Freiburg 103 51 17 4 3.405 1.122 0 0 14 26 62 30 5 0 25 0 0 0 3.555 123 44 0

Hamburg 641 291 63 36 9.650 3.245 0 0 67 76 229 42 29 0 48 3 1 3 10.439 360 175 10

Hamm 627 248 65 38 13.043 4.022 1.472 185 23 12 42 1 10 2 45 0 1 1 13.792 314 125 0

Karlsruhe 285 125 32 17 4.307 1.435 0 0 21 15 77 23 5 0 28 4 1 0 4.662 112 47 2

Kassel 76 29 5 3 1.664 524 172 21 1 2 13 6 3 0 8 0 0 0 1.756 43 18 0

Koblenz 139 61 31 16 3.149 1.010 0 0 6 9 45 12 1 0 16 0 0 0 3.336 82 46 0

Köln 852 371 63 35 11.823 4.025 0 0 51 21 127 30 8 0 51 3 1 5 12.806 356 112 1

Meckl.-Vorp. 13 5 3 3 1.525 493 0 0 1 3 22 2 0 0 6 1 0 0 1.548 49 10 0

München 1.230 525 135 74 19.808 7.239 0 0 189 127 505 65 77 13 145 2 1 15 21.413 699 330 60

Nürnberg 249 110 44 26 4.400 1.580 0 0 18 57 92 21 9 1 30 1 0 5 4.738 126 56 0

Oldenburg 69 21 21 11 2.626 786 453 62 3 16 78 9 6 0 15 0 0 0 2.737 47 28 0

Saarbrücken 55 27 8 4 1.373 466 0 0 4 6 15 5 1 0 18 0 0 0 1.455 21 14 0

Sachsen 75 34 19 13 4.618 1.694 0 0 11 8 39 7 0 0 33 0 0 0 4.745 142 29 1

Sachsen-Anh. 17 4 5 3 1.733 631 0 0 0 2 6 1 0 0 1 2 1 0 1.759 28 8 0

Schleswig 95 36 8 4 3.752 1.178 664 100 6 12 66 3 3 0 8 0 0 4 3.870 118 37 0

Stuttgart 410 168 74 38 6.888 2.179 60 3 41 39 93 33 11 1 46 0 0 8 7.437 264 109 1

Thüringen 20 8 1 0 1.951 681 0 0 0 3 15 3 0 0 13 0 0 0 1.985 53 13 0

Tübingen 74 24 8 3 1.958 593 13 0 10 7 42 5 5 0 12 0 0 0 2.057 25 10 0

Zweibrücken 52 17 11 4 1.388 427 0 0 2 2 12 6 2 0 5 0 0 0 1.458 26 8 0

Bundesgebiet 8.753 3.749 957 519 154.683 52.234 5.570 833 932 639 2.151 402 233 19 825 24 8 54 165.538 5.332 1.814 155

RAK Celle 5 MG weniger als in kleiner Statistik; RAK Düsseldorf 4 MG weniger als in kleiner Statistik; RAK Nürnberg 1 MG weniger als in kleiner Statistik; RAK Tübingen 5 MG weniger als in kleiner Statistik;

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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SITZUNG DER SATZUNGSVERSAMMLUNG

Die 5. Sitzung der 6. Satzungsversammlung findet am 1.12.2017 in Berlin statt.

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGBERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN*LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ)

NUTZUNG DER ANWALTSKANZLEI FÜR EINEIMMOBILIENVERWALTUNG

BRAO §§ 14 II Nr. 8, 27, 43, 43a, 59a

* 1. Von einer Kanzlei im Rechtssinne kann nur beiVorhandensein organisatorischer Maßnahmen ge-sprochen werden, die der Öffentlichkeit den Willendes Rechtsanwalts offenbaren, anwaltliche Dienst-leistungen bereitzustellen. Der Rechtsanwalt mussdem rechtsuchenden Publikum in den Praxisräu-men zu angemessenen Zeiten für anwaltlicheDienste zur Verfügung stehen.* 2. Die Ausübung einer Immobilienverwaltungdurch einen Rechtsanwalt in den Räumen seinerKanzlei birgt nicht die Gefahr einer Verletzung derVerschwiegenheitspflicht gem. § 43a II BRAO.* 3. Auch die Sicherung der strafprozessualen Be-schlagnahmeverbote erfordert keine räumlicheTrennung von Kanzlei und Immobilienverwaltung.BGH, Beschl. v. 21.3.2017 – AnwZ (Brfg) 3/17

AUS DEN GRÜNDEN:[1] I. Der Kl. wendet sich gegen einen von der Bekl.ausgesprochenen belehrenden Hinweis v. 31.3.2016.Darin wird beanstandet, der Kl. verstoße gegen die in§ 27 I BRAO verankerte Kanzleipflicht, weil seineRechtsanwaltssozietät in ihren Kanzleiräumen eine Im-mobilienverwaltung beherberge, die unter Nutzungder gleichen Anschrift und der gleichen Kommunikati-onsverbindungen vom Kl. als namensgebendem Soziusder Rechtsanwaltssozietät betrieben werde.[2] Der AGH hat den belehrenden Hinweis aufgeho-ben. Die Bekl. beantragt die Zulassung der Berufunggegen das Urteil des AGH.[3] II. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vonder Bekl. geltend gemachten Zulassungsgründe(§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 1 und 3 VwGO) liegennicht vor.[4] 1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des ange-fochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e S. 2 BRAO,§ 124 II Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt

voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz odereine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigenArgumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwaBGH, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehltes. Ein Verstoß des Kl. gegen die Kanzleipflicht gem.§ 27 I BRAO liegt nicht vor.

[5] a) Nach § 27 I BRAO muss der Rechtsanwalt imBezirk der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied erist, eine Kanzlei einrichten und unterhalten.

Erreichbarkeiterforderlich

Die Kanzlei dient dazu, die Erreichbarkeit des Anwaltsfür das rechtsuchende Pu-blikum, Berufskollegen, Ge-richte und Behörden si-cherzustellen. Von einer

Kanzlei im Rechtssinne kann daher nur bei Vorhanden-sein organisatorischer Maßnahmen gesprochen wer-den, die der Öffentlichkeit den Willen des Anwalts of-fenbaren, anwaltliche Dienstleistungen bereitzustellen(Senat, Beschl. v. 20.10.2014 – AnwZ (Brfg) 32/13,BeckRS 2014, 20924 Rn. 11 und NJW-RR 2009, 1577Rn. 5). Der Rechtsanwalt muss dem rechtsuchendenPublikum in den Praxisräumen zu angemessenen Zei-ten für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen (Se-nat, NJW-RR 2009, 1577). Letzteres erscheint fraglich,wenn die Praxisräume zur Wahrung anwaltlicherPflichten – wie der Verschwiegenheitspflicht gem.§ 43a II BRAO – ungeeignet sind (vgl. hierzu Sieg-mund, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufs-recht, 2. Aufl., § 27 BRAO Rn. 19).

Keine Gefahr fürVerschwiegenheit

[6] b) Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen. Dennder AGH ist zutreffend da-von ausgegangen, dassdie Ausübung der Immobi-lienverwaltung durch den

Kl. in den Räumen seiner Rechtsanwaltssozietät nichtdie Gefahr einer Verletzung der Verschwiegenheits-pflicht gem. § 43a II BRAO birgt.

[7] aa) Entgegen der Auffassung der Bekl. erfordertdie Sicherung der strafprozessualen Beschlagnahme-verbote (§ 97 StPO i.V.m. § 53 I 1 Nr. 2 und 3 StPO)

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

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nicht eine räumliche Trennung von Kanzlei und Immo-bilienverwaltung.[8] Der AGH hat zutreffend darauf hingewiesen, dassGegenstände i.S.v. § 97 I StPO, die sich im Mitgewahr-sam eines Rechtsanwalts in dessen Kanzleiräumen be-finden, auch dann vor einem staatlichen Zugriff ge-schützt sind, wenn der nichtanwaltliche Sozius an ih-nen unmittelbaren Besitz hat (vgl. BVerfG, NJW 2016,700 Rn. 76). Der Schutz vor staatlichem Zugriff bestehtbei solchen Gewahrsamsverhältnissen unabhängig da-von, ob es sich bei demjenigen, der neben dem Rechts-anwalt Besitz oder Mitbesitz an den betreffenden Ge-genständen hat, um einen Sozius des Rechtsanwaltsoder einen Berufsträger handelt, der sich seinerseitsauf ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 I 1StPO berufen kann. Eine derartige Begrenzung desSchutzes vor staatlichem Zugriff ergibt sich auch nichtaus dem Beschluss des BVerfG v. 12.1.2016 (NJW2016, 700). Dort wird – nach Erörterung des Schutzesbestimmter nichtanwaltlicher Berufsgruppen vor einerBeschlagnahme – ausgeführt, dass sich unabhängighiervon („zudem“) der Schutz vor einem staatlichen Zu-griff auch aus dem Gewahrsam des Rechtsanwalts er-gebe, der kein Alleingewahrsam sein müsse. Die Er-wähnung des nichtanwaltlichen „Sozius“ dient dabeinicht der Begrenzung des (Mit-)Besitz ausübenden Per-sonenkreises. Sie folgt allein aus dem Zusammenhangder zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage eines So-zietätsverbots nach § 59a I 1 BRAO. In der Entschei-dung des BVerfG wird vielmehr auf strafprozessualeRechtsprechung verwiesen, in der – ohne eine weitereBegrenzung des Kreises der nichtanwaltlichen Mit-gewahrsamsinhaber – zur Begründung des Beschlag-nahmeverbots gem. § 97 I StPO der Mitgewahrsamdes Rechtsanwalts als ausreichend erachtet wird, so-fern nicht der Beschuldigte Mitgewahrsam inne hat(BVerfG, NJW 2016, 700 unter Hinweis auf BGHSt19, 374 und BGHSt 25, 168, 169; LG Aachen, MDR1981, 603).[9] Auch im strafprozessualen Schrifttum wird einhelligdie Auffassung vertreten, dass für das Beschlagnahme-verbot gem. § 97 I StPO der Mitgewahrsam des Zeug-nisverweigerungsberechtigten genügt, soweit nicht derweitere Mitgewahrsam dem Beschuldigten zusteht.Eine darüber hinausgehende Begrenzung des Kreisesder nichtanwaltlichen (Mit-)Gewahrsamsinhaber erfolgtebenfalls nicht (vgl. Menges, in Löwe-Rosenberg, StPO,26. Aufl., § 97 Rn. 29; MüKoStPO/Hauschild, 1. Aufl.,§ 97 Rn. 20; BeckOKStPO/Ritzert, § 97 Rn. 6b [Stand:1.1.2017]).[10] Greift aber das Beschlagnahmeverbot des § 97 IStPO im Fall eines Rechtsanwalts, der neben einem an-deren in den Kanzleiräumen tätigen, selbst nicht zeug-nisverweigerungsberechtigten GewahrsamsinhaberMitgewahrsam ausübt, so gilt das Beschlagnahmever-bot erst recht in dem vorliegenden Fall eines Rechts-anwalts, der Mit- oder Alleingewahrsam an den von ei-nem Beschlagnahmeverbot betroffenen Gegenständen

innehat und zugleich in seinen Kanzleiräumen einenBeruf ausübt, der nicht zur Verweigerung des Zeugnis-ses berechtigt (vgl. zum Gewahrsam eines Syndikus-anwalts, der seine Verteidigungsunterlagen im Bürodes Unternehmens aufbewahrt, LG Frankfurt, WM1995, 47, 48; Menges, in Löwe-Rosenberg, § 97Rn. 20).

[11] Entgegen der Auffassung der Bekl. folgt aus der– zutreffenden – Auffassung des AGH nicht, dass derRechtsanwalt Beschlagnahmeschutz für alle Unterla-gen und sonstigen Gegenstände erlangt, die nicht sei-ner anwaltlichen Tätigkeit, sondern einem beliebigenZweitberuf zuzuordnen sind. Geschützt sind stets nurdie in § 97 I StPO genannten Gegenstände, die demGewahrsam des Rechtsanwalts als gem. § 53 I 1StPO Zeugnisverweigerungsberechtigtem unterliegen.Dieser Schutz wird dadurch, dass der Rechtsanwalt inseinen Kanzleiräumen einen weiteren, nicht zur Zeug-nisverweigerung berechtigenden Beruf ausübt, wedererweitert noch beeinträchtigt.

[12] bb) Zu Recht ist der AGH davon ausgegangen,dass auch eine etwaige im Hinblick auf die Immobilien-verwaltung des Kl. durchgeführte Telefonüberwachungnicht die Gefahr einer Verletzung seiner anwaltlichenVerschwiegenheitspflicht begründet. Erkenntnisse, diedurch eine Ermittlungsmaßnahme erlangt werden, diesich nicht gegen den zeugnisverweigerungsberechtig-ten Rechtsanwalt richtet, über die letzterer jedochdas Zeugnis verweigern dürfte, dürfen gem. § 160a I2, 5 StPO nicht verwendet werden. Aufzeichnungenhierüber sind gem. § 160a I 3, 5 StPO unverzüglichzu löschen. Damit dürfen aber auch Erkenntnisse nichtverwendet werden, die aus einer sich gegen denRechtsanwalt als Immobilienverwalter richtenden Tele-fonüberwachung erlangt werden, indes seine Tätigkeitals Rechtsanwalt betreffen und deswegen gem. § 53 IStPO seinem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen.Hierdurch wird der Gefahr einer Verletzung der an-waltlichen Verschwiegenheitspflicht hinreichend vor-gebeugt.

[13] 2. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzlicheBedeutung (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 3 VwGO).Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechts-streit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürfti-ge und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sichin einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kannund deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheitan einer einheitlichen Entwicklung und Handhabungdes Rechts berührt (vgl. nur BGH, Beschl. v. 6.2.2012– AnwZ (Brfg) 42/11, Rn. 25 m.w.N.).

[14] Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die vonder Bekl. zur Begründung ihres Antrags auf Zulassungder Berufung formulierte Rechtsfrage ist, soweit siesich in vorliegendem Zusammenhang konkret stelltund entscheidungserheblich ist, eindeutig zu verneinenund nicht klärungsbedürftig. Auf die vorstehenden Aus-führungen wird Bezug genommen.

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BERUFSRECHTE UND -PFLICHTEN

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HINWEISE DER REDAKTION:Mit Urteil vom 24.7.2007 hat das AnwG München(BRAK-Mitt. 2007, 269) entschieden, dass füreinen Rechtsanwalt die Anbringung eines Praxis-

schilds sowie die Veranlassung eines Eintragsin das örtliche Telefonbuch nicht mehr zu denAnforderungen an die Einrichtung einer Kanzleizählen.

WERBUNG

KEIN VERSICHERUNGSSCHUTZ BEI VORSÄTZ-LICHEM VERSTOSS GEGEN BERUFSRECHT

BRAO § 43b; ARB § 3 IV

* 1. Die Grenzen zulässiger Werbung sind über-schritten, wenn die Werbung darauf abzielt, geradedurch ihre reißerische und/oder sexualisierendeAusgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachterszu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhande-ner Informationswert in den Hintergrund gerücktwird oder gar nicht mehr erkennbar ist.* 2. Es ist einem Rechtsanwalt unbenommen, Pin-Up-Kalender an Dritte zu verteilen. Verboten ist diesRechtsanwälten allerdings dann, wenn diese Fotosmit Werbung für die Anwaltskanzlei versehen sind.* 3. Auch die Ausstrahlung der Kunstfreiheit gebie-tet es nicht, Versicherungsschutz für eine vorsätzli-che, rechtswidrige Herbeiführung des Versiche-rungsfalls zu gewähren.

* 4. Es ist nicht von Relevanz, ob das Berufsrechtzwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterscheidet.Durch § 3 IV ARB soll das Risiko ausgeschlossenwerden, dass der Versicherungsnehmer auf Kostendes Versicherers den Versicherungsfall provoziert.LG Köln, Urt. v. 23.3.2017 – 24 S 22/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Bereits mit Beschluss vom 10.11.2014 hat dasAnwG Köln (BRAK-Mitt. 2015, 102) entschieden,dass die Verteilung eines Pin-Up-Kalenders durch ei-nen Rechtsanwalt an potentielle Rechtsuchendeoder Mandanten eine unzulässige Werbemaßnah-me darstellt. Eine derartige Anpreisung sei plakativreklamehaft und auf eine Effekthascherei ausgerich-tet, die mit der eigentlichen anwaltlichen Leistungim Rahmen einer vertrauensvollen Mandatsbearbei-tung nichts gemein habe.

FACHANWALTSCHAFTEN

BESONDERE PRAKTISCHE ERFAHRUNGEN IMMEDIZINRECHT

FAO §§ 5 I lit. i, 14b; BRAO § 32 I 1; VwVfG § 38 I 1;GG Art. 3

* 1. Teilt der Geschäftsführer einer Rechtsanwalts-kammer einem Rechtsanwalt mit, dass nach Auffas-sung des Fachausschusses für Medizinrecht alleindie Tatsache, dass ein Berufsträger überwiegend imBereich des Veterinärrechts tätig ist, der Anerken-nung der Fälle grundsätzlich nicht entgegenstehe,liegt hierin keine wirksame verwaltungsrechtlicheZusicherung, veterinärrechtliche, pferderechtlicheFälle grundsätzlich zu berücksichtigen.* 2. Über die Anerkennung von Fällen entscheidetverbindlich ausschließlich der Vorstand einerRechtsanwaltskammer im Rahmen des Antragsver-fahrens nach der Fachanwaltsordnung. Der Vor-stand ist dabei an die Stellungnahme eines Fach-ausschusses nicht gebunden.

* 3. Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheitmehrere Kammern in Deutschland den Fachanwalts-titel für Medizinrecht Personen verliehen haben, dieden Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Recht der Veteri-närmedizin haben, lässt sich kein Anspruch ausArt. 3 I GG auf Verleihung der Fachanwaltsbezeich-nung ableiten. Der Gleichbehandlungsgrundsatzgilt nur im Verhältnis zum selben Rechtsträger.* 4. Den Satzungsmaterialien, insbesondere dem Ab-lauf der Beratungen in der Satzungsversammlung,lässt sich entnehmen, dass es dieser im Wesentli-chen um den humanmedizinischen Bereich ging.* 5. Eine Gleichstellung veterinärmedizinrechtlicherund humanmedizinrechtlicher Fälle ist mit Sinnund Zweck der Fachanwaltschaften nicht zu verein-baren. Ein Mandant, der zu einem Fachanwalt fürMedizinrecht geht, erwartet, dass sich dieser in ers-ter Linie im Bereich des Rechts der Humanmedizinauskennt.BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ (Brfg) 11/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

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FACHANWALTSCHAFTEN

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SOZIETÄTSRECHT

UNZULÄSSIGE BETEILIGUNG EINERPARTNERSCHAFTSGESELLSCHAFT

BRAO § 59c I, § 59e I 1, § 59h III 1; PartGG § 1; GGArt. 3, Art. 12

1. Eine Partnerschaftsgesellschaft kann gem. § 59eI 1 BRAO nicht Gesellschafterin einer Rechts-anwaltsgesellschaft sein (Anschluss an und Fortfüh-rung von BGH, Beschl. v. 9.7.2001 – PatAnwZ 1/00,BGHZ 148, 270).

*2. Aus den Gesetzesmaterialien geht der eindeuti-ge Wille des Gesetzgebers hervor, die Rechts-anwaltsgesellschaft als eine aus natürlichen Per-sonen bestehende Berufsausübungsgesellschaft zuschaffen, die im Interesse der Rechtspflege, der Un-abhängigkeit der Berufsangehörigen, insbesonderedes Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege, unddes unverzichtbaren persönlichen Vertrauensver-hältnisses zum Auftraggeber eine möglichst trans-parente Struktur aufweisen und hierdurch vor Ab-hängigkeiten und Einflussnahmen geschützt wer-den soll.

*3. Sowohl die gesetzlichen Bestimmungen zurRechtsanwaltsgesellschaft als auch die Vorschrif-ten des PartGG zeigen, dass der Gesetzgeber beider Gestaltung dieser Regelungen bestrebt war, ei-ner Beteiligung von Gesellschaften an der vor-genannten Gesellschaft und mithin der Bildung„mehrstöckiger Gesellschaft“ entgegenzuwirken.BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ (Brfg) 33/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Gemäß § 59c II BRAO ist es einer Rechtsanwalts-gesellschaft versagt, sich ihrerseits als Gesellschaf-terin an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftli-chen Berufsausübung zu beteiligen. Damit ist es ei-ner Rechtsanwaltsgesellschaft nicht möglich, sichals Gesellschafterin an einer anderen Rechts-anwaltsgesellschaft (vgl. hierzu AGH Mecklenburg-Vorpommern, BRAK-Mitt. 2001, 239) oder an einerPartnerschaftsgesellschaft zu beteiligen. Letzteresergibt sich zudem aus § 1 I 3 PartGG, wonach Ge-sellschafter einer Partnerschaft nur natürliche Per-sonen sein können.

VERGÜTUNG

ANRECHNUNG EINER MEHRFACHANGEFALLENEN GESCHÄFTSGEBÜHR

RVG VV Vorb. 3 IV 1, S. 5

Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tä-tigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werdendie vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche imWege objektiver Klagehäufung in einem einzigen ge-richtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfah-rensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstande-nen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höheanteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.BGH, Beschl. v. 28.2.2017 – I ZB 55/16

AUS DEN GRÜNDEN:[1] I. Der Kl. mahnte die Bekl. vorprozessual mit dreigesonderten Schreiben seiner späteren Prozessbevoll-mächtigten wegen verschiedener wettbewerbswidrigerHandlungen vergeblich ab. Er erwirkte im späterenRechtsstreit beim Landgericht ein Versäumnisurteil,mit dem die Bekl. zur Unterlassung der mit den Ab-mahnungen beanstandeten Handlungen und zur Zah-lung einer Vertragsstrafe nebst Zinsen verurteilt wur-de. Außerdem verurteilte das LG die Bekl. zur Zahlungder durch die drei vorgerichtlichen Abmahnschreiben

entstandenen Kosten, die jeweils eine 1,3fache Ge-schäftsgebühr enthalten, die sich aus Streitwerten von45.000 Euro, 20.000 Euro und 45.000 Euro errechnenund 1.414,40 Euro, 964,60 Euro und 1.414,40 Euronetto betragen. Die Kosten des Verfahrens erlegtedas LG der Bekl. auf und setzte den Streitwert für dasgerichtliche Verfahren auf 135.000 Euro fest.[2] Der Kl. beantragte, zu seinen Gunsten eine Verfah-rensgebühr i.H.v. 1.087,45 Euro gegen die Bekl. fest-zusetzen. Dabei ging er von einer 1,3fachen Verfah-rensgebühr aus einem Streitwert von 135.000 Euroi.H.v. 2.174,90 Euro aus und setzte hiervon eine nachdemselben Streitwert berechnete 0,65fache Geschäfts-gebühr i.H.v. 1.087,45 Euro ab.[3] Das LG hat von der Verfahrensgebühr i.H.v.2.174,90 Euro Beträge i.H.v. 707,20 Euro, 482,30 Eu-ro und 702,20 Euro mit der Begründung abgezogen,die Hälfte der nach den jeweiligen Einzelstreitwertenentstandenen und titulierten vorprozessualen Ge-schäftsgebühren müssten auf die Gesamtverfahrens-gebühr angerechnet werden. Es hat daher eine restli-che Verfahrensgebühr i.H.v. 283,20 Euro festgesetzt.Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Kl.hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit derzugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kl. seinenAntrag auf Festsetzung der Verfahrensgebühr weiter,soweit dieser erfolglos geblieben ist.

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[4] II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dasLG habe zu Recht die titulierten vorprozessual angefal-lenen drei Geschäftsgebühren auf die im nachfolgen-den Rechtsstreit verdiente 1,3fache Verfahrensgebührmit jeweils 0,65 angerechnet, wobei zugunsten des Kl.noch 5 Euro zu wenig angerechnet worden seien. Füreine derartige Anrechnung spreche bereits der Wort-laut der Vorb. 3 IV 1 VV RVG. Für die vom Kl. erstrebteAnrechnung einer nach einem Gesamtwert von135.000 Euro berechneten Geschäftsgebühr enthalteder Wortlaut der Regelung dagegen keine Anhalts-punkte. Die gegen eine derartige Anrechnung geltendgemachten Billigkeitserwägungen überzeugten nicht.Habe im Innenverhältnis zwischen dem Kl. und seinemProzessbevollmächtigten eine Anrechnung sämtlicherGeschäftsgebühren zu erfolgen, gelte dies gem.§ 15a II RVG auch für die Kostenerstattung, da die Ge-schäftsgebühren tituliert seien.[5] III. Die nach § 574 I 1 Nr. 2 ZPO statthafte undauch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nichtbegründet. Die Beurteilung des Beschwerdegerichtshält der rechtlichen Nachprüfung stand.[6] 1. Nach der Regelung in der Vorb. 3 IV 1 VV RVGwird die wegen desselben Gegenstands entstandeneGeschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des ge-richtlichen Verfahrens angerechnet, bei Wertgebührenjedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75.Bei einer wertabhängigen Gebühr erfolgt nach derVorb. 3 IV 5 die Anrechnung nach dem Wert des Ge-genstands, der auch Gegenstand des gerichtlichenVerfahrens ist.[7] 2. Zwischen den Parteien ist nicht in Streit, dass dieTätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Kl. vorpro-zessual dieselben Rechte oder Rechtsverhältnisse unddamit dieselben Gegenstände wie das spätere Klage-verfahren betraf. Auf die Anrechnung kann sich dieBekl. als Dritte gem. § 15a II RVG berufen, weil die Ge-schäftsgebühren zu ihren Lasten tituliert sind. Diesstellt die Rechtsbeschwerde nicht in Abrede.[8] 3. Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerdegegen den vom Beschwerdegericht gebilligten Umfangder Anrechnung der Geschäftsgebühren durch das LG.[9] a) Es ist umstritten, in welcher Weise die Anrech-nung bei mehreren Geschäftsgebühren zu erfolgen hat,wenn diese wie im Streitfall in einer einheitlichen Ver-fahrensgebühr bei objektiver Klagehäufung aufgehen.[10] aa) Nach einer Ansicht, die sich auf den Wortlautder Vorb. 3 IV 1 und S. 5 VV RVG stützt, werden alleentstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichenHöhe anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet(Ahlmann, in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VVVorb. 3 Rn. 90; Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, RVG,22. Aufl., Vorb. 3 VV Rn. 295). Dies kann dazu führen,dass nach der Anrechnung weniger als eine 0,55facheVerfahrensgebühr verbleibt oder diese sogar ganz ent-fällt (Ahlmann, in Riedel/Sußbauer, VV Vorb. 3Rn. 89 f.; Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, Vorb. 3 VVRn. 285, 295; ebenso für die Anrechnung von Verfah-rensgebühren aus verschiedenen selbstständigen Be-weisverfahren auf eine Gesamtverfahrensgebühr inder Hauptsache gem. Vorb. 3 V RVG VV: OLG Frank-furt, AGS 2013, 163 [165]).

[11] bb) Nach anderer Auffassung ist eine einheitlicheGeschäftsgebühr aus den addierten Gegenstandswer-ten zu bilden, die anteilig auf die Verfahrensgebühr an-zurechnen ist (OLG Koblenz, JurBüro 2009, 304). Dieswird im Schrifttum mit einer entsprechenden Anwen-dung von § 15 III RVG begründet und hat zur Folge,dass mindestens ein Anteil von 0,55 der Verfahrens-gebühr verbleibt (N. Schneider, NJW-Spezial 2009,252; ders., ZAP Fach 24, 1299 [1303]; ders., Fälle undLösungen zum RVG, 4. Aufl., § 8 Rn. 39; Enders, Jur-Büro 2009, 113 [115]).[12] b) Der zuerst genannten Auffassung ist der Vor-zug zu geben.[13] aa) Hierfür spricht der Wortlaut der Vorb. 3 IV 1VV RVG. Danach ist Grundlage der Berechnung desanrechenbaren Gebührenanteils allein eine tatsächlichentstandene Geschäftsgebühr, nicht hingegen eine fik-tive Geschäftsgebühr (vgl. BGH, NJW-RR 2015, 189Rn. 16 im Fall der Anrechnung einer Geschäftsgebührauf mehrere nach Prozesstrennung entstandene Ver-fahrensgebühren). Die Anrechnung gem. Vorb. 3 IV 5VV RVG nach dem Wert des Gegenstands, der auchGegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist, knüpftan die Bestimmung in der Vorb. 3 IV 1 VV RVG anund lässt die Fiktion einer tatsächlich nicht angefalle-nen Geschäftsgebühr ebenfalls nicht zu (BGH, NJW-RR 2015, 189 Rn. 16; vgl. Müller-Rabe, in Gerold/Schmidt, Vorb. 3 VV Rn. 285 f.). Aus diesem Grundkann der dem Kostenfestsetzungsantrag des Kl. zu-grunde liegenden zweiten Auffassung, die von der Ver-fahrensgebühr eine fiktive Geschäftsgebühr nach demStreitwert des gerichtlichen Verfahrens absetzen will,nicht gefolgt werden. Eine Geschäftsgebühr in dieserHöhe ist nicht entstanden. Sie kann deshalb im Rah-men der Anrechnung nicht berücksichtigt werden. Aufden Umstand, dass der Kl. nach dieser Auffassung diefiktive Geschäftsgebühr ohnehin nicht aus dem vomLG festgesetzten Gesamtstreitwert von 135.000 Euro,sondern nur aus der Summe der Einzelstreitwerteseiner vorgerichtlichen Tätigkeit i.H.v. insgesamt110.000 Euro berechnen könnte, kommt es deshalbnicht mehr an.[14] bb) Die Rechtsbeschwerde hält dem ohne Erfolgentgegen, dass unter Anwendung dieser Grundsätzeeine Anrechnung von tatsächlich entstandenen Ge-schäftsgebühren im Einzelfall die prozessführende Tä-tigkeit des Rechtsanwalts völlig entwerten würde.[15] Die Anrechnung soll ausschließen, dass ein unddieselbe Tätigkeit doppelt – durch die Geschäfts- undzusätzlich durch die Verfahrensgebühr – vergütet wird.Der Umfang der durch das Betreiben des Geschäftseinschließlich der Information veranlassten anwalt-lichen Tätigkeit wird entscheidend davon beeinflusst,ob der Anwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit be-reits mit der Angelegenheit befasst war (BGH, NJW2008, 364 Rn. 16). Unter der Geltung der BRAO fürRechtsanwälte wurde die Geschäftsgebühr auf die Pro-zessgebühr gem. § 31 Nr. 1 BRAGO in vollem Umfangangerechnet (§ 118 I Nr. 1 und II BRAGO). Demgegen-über soll nach dem RVG dem Rechtsanwalt grundsätz-lich ein Teil der Geschäftsgebühr verbleiben. Entstehtjedoch wie im Streitfall die Geschäftsgebühr mehrfach,

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weil der Rechtsanwalt mehrfach vorgerichtlich tätigwird, und fällt im anschließenden gerichtlichen Verfah-ren die Verfahrensgebühr nur einmal an, kann eine Re-duzierung der Verfahrensgebühr oder deren Wegfallinfolge der Anrechnung nicht als unbillig angesehenwerden, weil sie im Ergebnis der früheren Rechtslageentspricht. Das Beschwerdegericht hat zutreffend an-genommen, dass die Gefahr eines negativen Saldos(vgl. OLG Koblenz, JurBüro 2009, 304) nicht besteht,weil eine Anrechnung maximal in der Höhe der Ge-bühr erfolgen kann, auf die angerechnet wird.[16] cc) Die Rechtsbeschwerde macht zu Unrecht gel-tend, aus der die Anrechnung regelnden Vorschrift er-gebe sich, dass dem Rechtsanwalt 0,55 der Verfah-rensgebühr verbleiben solle. Die Vorb. 3 IV 1 VV RVGregelt nicht, wie hoch die nach der Anrechnung verblei-bende Verfahrensgebühr ausfällt, sondern in welchemUmfang die Anrechnung erfolgt, stellt dabei auf denfür die Geschäftsgebühr maßgeblichen Gebührensatzab und begrenzt diesen auf 0,75.[17] dd) Es kommt nicht in Betracht, statt einer An-rechnung von jeweils einer 0,65fachen Geschäfts-gebühr einen quotalen Anteil der Geschäftsgebührauf die Verfahrensgebühr anzurechnen, der dem Ver-hältnis entspricht, den der Gegenstand der vorgericht-lichen Tätigkeit am Gesamtstreitwert des gerichtlichenVerfahrens hat.[18] Für den Fall, dass vorgerichtlich auf Seiten mehre-rer Personen gesonderte Geschäftsgebühren angefallen

sind, diese Personen jedoch in einem Klageverfahren ge-meinschaftlich vertreten werden, wird in der Rechtspre-chung allerdings die Auffassung vertreten, dass die vor-prozessual für mehrere Gegenstände angefallenen Ge-schäftsgebühren auf die spätere Verfahrensgebührentsprechend dem Anteil des jeweiligen Gegenstandsam gerichtlichen Verfahren angerechnet werden müss-ten (OLG Frankfurt, AGS 2009, 569 [570]; BayVGH,Beschl. v. 23.1.2008 – 6 C 07.238, Rn. 6). Ob diese Auf-fassung zutrifft, kann im Streitfall offen bleiben, weil einFall subjektiver Klagehäufung nicht vorliegt.[19] Die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Abrede, dasses für eine derartige Quotelung jedenfalls im Streitfall,in dem der Kl. alleiniger Auftraggeber ist, an einer ge-setzlichen Grundlage fehlt.[20] ee) Der Kl. macht ohne Erfolg geltend, der Um-stand, dass er aus prozessökonomischen Gründen nichtin mehreren Verfahren, in denen mehrfach Verfahrens-gebühren angefallen wären, sondern in einem einzigenRechtsstreit gegen die Bekl. vorgegangen sei, dürfenicht dazu führen, dass seinem Prozessbevollmächtig-ten nur ein geringer Anteil der Verfahrensgebühr ver-bleibe. Zu Recht hat das Beschwerdegericht dieses rech-nerische Ergebnis nicht als unbillig angesehen. Es istder vom Gesetzgeber angeordneten Gebührendegressi-on geschuldet, die dazu führt, dass bei einer objektivenKlagehäufung niedrigere Gebühren anfallen als bei ei-ner Geltendmachung der Einzelansprüche in mehrerenProzessen.

RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ

SCHADENSREGULIERUNG DURCHVERSICHERUNGSMAKLER

RDG §§ 2, 3, 5; UWG § 3a

* 1. Die schadensregulierende Tätigkeit gehörtauch deshalb nicht als Nebenleistung zum Berufs-oder Tätigkeitsbild als Versicherungsmakler, weildafür keine Rechtskenntnisse benötigt werden, diefür die Haupttätigkeit als Versicherungsmakler er-forderlich sind.* 2. Das langjährige Ausbleiben von Beschwerdengegen die Schadensregulierung lässt nicht denSchluss zu, dass für einen Versicherungsmakler beider Schadensregulierung im Auftrag des Versiche-rers kein Interessenkonflikt im Verhältnis zur Tätig-keit des Versicherungsmaklers für den Versiche-rungsnehmer besteht.BGH, Beschl. v. 3.11.2016 – I ZR 107/14

AUS DEN GRÜNDEN:[1] Die gem. § 321a ZPO statthafte und auch im Übri-gen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet.[2] I. Der Anspruch der Bekl. auf rechtliches Gehör ausArt. 103 I GG ist durch das Senatsurteil v. 14.1.2016(BRAK-Mitt. 2016, 200) nicht verletzt.

[3] 1. Der Senat hat angenommen, es erscheine nichtvon vornherein ausgeschlossen, dass sich in bestimm-ten Branchen das Tätigkeitsbild des Versicherungs-maklers dahingehend gewandelt habe oder künftigwandeln könne, dass es eine schadensregulierende Tä-tigkeit des Maklers umfasse. Für die im Streitfall maß-gebliche Branche der Haftpflichtversicherung im Be-reich der Textilreinigung sei dazu indes nichts vorgetra-gen und auch sonst nichts ersichtlich.[4] 2. Die Bekl. macht geltend, mit diesen Ausführun-gen habe der Senat ihren Anspruch auf rechtliches Ge-hör (Art. 103 I GG) verletzt. Die Klage sei in beiden Vor-instanzen abgewiesen worden, ohne dass dabei auf dietatsächlichen Verhältnisse auf dem Markt für Haft-pflichtversicherungen im Bereich der Textilreinigung ein-gegangen worden sei. Es sei auch nicht erkennbar, wel-che Erkenntnismöglichkeiten der Senat als Revisions-gericht insoweit unabhängig von entsprechendemParteivortrag hätte haben können. Unter diesen Um-ständen fordere Art. 103 I GG, der Bekl. durch eine Zu-rückverweisung der Sache in die Berufungsinstanz dieErgänzung ihres Sachvortrags zu ermöglichen.[5] 3. Die Gehörsrüge der Kl. ist unbegründet.[6] a) Ob die Schadensregulierung im Bereich der Tex-tilhaftpflichtversicherung als Nebenleistung zum Be-rufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers ge-hört und deshalb gem. § 5 I RDG erlaubt ist, war die

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RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ

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zentrale Frage des Streitfalls, zu der die Parteien in bei-den Vorinstanzen umfassend vorzutragen hatten. Da-bei war erkennbar, dass es außer auf das gesetzlicheLeitbild des Versicherungsmaklers nach § 59 III VVGauch auf tatsächliche Wandlungen des Tätigkeitsbildsbei der Textilhaftpflichtversicherung ankommen konn-te. Die Bekl. hatte daher auch zu diesem Gesichtspunktvorinstanzlich vorzutragen, ohne dass es dazu einesgerichtlichen Hinweises bedurfte.[7] b) Unabhängig davon fehlt es an der Entschei-dungserheblichkeit des von der Bekl. gerügten Gehörs-verstoßes.[8] aa) Der Senat hat ausgeführt, die schadensregulie-rende Tätigkeit der Bekl. gehöre auch deshalb nicht alsNebenleistung zu ihrem Berufs- oder Tätigkeitsbild alsVersicherungsmakler, weil dafür keine Rechtskenntnis-se benötigt würden, die für die Haupttätigkeit als Ver-sicherungsmakler erforderlich seien (BGH, Urt. v. 14.1.2016 – I ZR 107/14, GRUR 2016, 820 Rn. 28 – Scha-densregulierung durch Versicherungsmakler). Dieseselbstständig tragende Begründung des Senatsurteilsgreift die Anhörungsrüge nicht an.[9] bb) Der Senat hat ferner angenommen, der Annah-me einer erlaubten Rechtsdienstleistung stehe imStreitfall außerdem § 4 RDG entgegen (BGH, GRUR2016, 820 Rn. 31 ff. – Schadensregulierung durch Ver-sicherungsmakler). Soweit die Bekl. gegen die Annah-me eines Interessenkonflikts i.S.v. § 4 RDG in der Anhö-rungsrüge erstmals geltend macht, trotz einer sehrgroßen Zahl von ihr regulierter Einzelschadensfälle seiim Bereich der Textilreinigungswirtschaft in den letzten50 Jahren kein einziges rechtliches Verfahren gegensie angestrengt worden, woraus sich zwangsläufigdas Fehlen eines Interessenkonflikts ergebe, kann da-mit kein Gehörsverstoß des Senats begründet werden.[10] Das Berufsbild des Versicherungsmaklers, die Tä-tigkeit der Bekl. bei der Schadensregulierung für dieZurich-Versicherung sowie die Möglichkeit eines Inte-ressenkonflikts ist Gegenstand des Verfahrens in denVorinstanzen gewesen. Die Bekl. hatte Gelegenheit,hierzu vorzutragen und hat dies auch getan oder hättees tun müssen.[11] Im Übrigen lässt das langjährige Ausbleiben vonBeschwerden gegen die Schadensregulierung durchdie Bekl. nicht den Schluss zu, dass für sie bei der Scha-densregulierung im Auftrag des Versicherers kein Inte-ressenkonflikt zu ihrer Tätigkeit als Versicherungsmak-ler für den Versicherungsnehmer besteht. So kann dasFehlen von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mitder Schadensregulierung etwa auf einer regelmäßiggeringen Schadenshöhe oder auf einer mangelndenTransparenz der Schadensregulierung beruhen, weilden Reinigungsunternehmen als Versicherungsneh-mern die Reaktion ihrer Kunden auf die Schadensregu-lierung verborgen bleiben könnte. Ferner soll § 4 RDGschon die Gefahr und nicht erst den tatsächlichen Ein-tritt von Interessenkonflikten ausschließen.[12] II. Nach dem in der Anhörungsrüge für den Falleiner Zurückverweisung der Sache an das Berufungs-gericht angekündigten neuen Sachvortrag spricht zu-dem alles dafür, dass die schadensregulierende Tätig-

keit der Bekl. im Textilreinigungsbereich mit 12.000bis 15.000 Einzelschadensfällen jährlich einen zeitli-chen und quantitativen Umfang erreicht, der als weite-re Haupttätigkeit der Bekl. anzusehen ist, die sie fürdie Versicherer erbringt. Soweit sich die Schadensregu-lierung in Vollmacht eines Versicherers als Haupttätig-keit darstellt und Rechtsdienstleistungen umfasst,kommt eine Anwendung von § 5 I RDG auch aus die-sem Grund nicht in Betracht.

ANMERKUNG:Die dieser Anhörungsrüge vorausgegangene Grund-satzentscheidung des BGH v. 14.1.2016 (BRAK-Mitt.2016, 200) nimmt zum einen zu grundsätzlichen Pro-blemstellungen des RDG Stellung. Zum anderen hatdie Entscheidung jedoch auch große praktische Rele-vanz, die über den entschiedenen Fall deutlich hi-nausgeht.Der BGH teilt die Auffassung, wonach eine Rechts-dienstleistung nur bei einer besonderen, intensivenund substantiellen Prüfung der Rechtslage anzuneh-men sei, nicht. Er stellt klar, dass an das Erfordernisder rechtlichen Prüfung kein hoher Maßstab angelegtwerden darf. Von daher reicht eine konkrete Subsumti-on eines Sachverhalts unter die maßgeblichen gesetzli-chen Bestimmungen aus, die über eine bloße schema-tische Anwendung von Rechtsnormen ohne rechtlichePrüfung hinausgeht. Der beklagte Versicherungsmaklerhatte in dem beanstandeten Schreiben erläutert, dassder Schadenersatzanspruch auf der Grundlage desvom Geschädigten angegebenen Anschaffungspreisesunter Berücksichtigung eines konkret ermittelten Pau-schalabzugs Neu für Alt berechnet worden sei. Insoweitweist der BGH darauf hin, dass diese Berechnungs-methode den gesetzlichen Bestimmungen keineswegsunmittelbar zu entnehmen sei, so dass eine konkreteSubsumtion eines Schadensfalls unter die maßgeblicheRegelung des Schadensersatzrechts vorliege.Wichtig sind auch die Ausführungen des BGH zurNebendienstleistung: Je geringere Anforderungenan eine Rechtsdienstleistung zu stellen sind, destomehr rückt die Frage einer zulässigen Nebenleistungin den Fokus. Der Senat stellt für die Beurteilung derFrage, ob eine Schadensregulierung als Nebenleis-tung zum Berufs- bzw. Tätigkeitsbild eines Versiche-rungsmaklers gehört, auf die gesetzliche Definitionim § 59 III VVG ab. Er weist zu Recht darauf hin,dass ein Versicherungsmakler danach zwar für denvon ihm betreuten Versicherungsnehmer im Rahmeneiner erlaubten Nebenleistung schadensregulierendtätig werden kann. Eine Tätigkeit für den Versichererlässt sich jedoch mit dem gesetzlichen Leitbild desVersicherungsmaklers nicht vereinbaren.Der Senat stellt darüber hinaus darauf ab, dass eineTätigkeit des Versicherungsmaklers für den Versiche-rer auch im Hinblick auf § 4 RDG unzulässig ist.Eine ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienst-leistung sei nicht möglich, wenn eine Interessenskolli-sion im Raum stehe. Eine derartige Interessenskollisi-on ist bei der Schadensregulierung des Versiche-rungsmaklers für den Versicherer naheliegend.

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RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ

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Der Versicherungsnehmer kann durchaus das Inte-resse haben, dass Ansprüche des Geschädigten mög-lichst reibungslos reguliert werden, da er seine Ge-schäftsbeziehung zum Geschädigten nicht gefährdetwissen will. Der Versicherer hat demgegenüber nichtnur das Interesse, sondern auch die vertragliche Ver-pflichtung, unberechtigte Schadenersatzansprücheabzuwehren. Gerade über die Höhe eines Schadener-satzanspruchs können durchaus unterschiedlicheAuffassungen bestehen, sodass insoweit eine Interes-senkollision häufig geradezu naheliegt.Neben diesen grundlegenden Ausführungen zur Aus-legung des Begriffs der Rechtsdienstleistung und denAnforderungen an eine zulässige Nebenleistung hatdas Urteil jedoch auch gravierende praktische Kon-sequenzen. Es ist keineswegs selten, dass Versiche-rungsmakler von Versicherungsunternehmen mit derSchadensregulierung beauftragt werden. Die Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) weist unterdem 15.2.2017 darauf hin, dass das Urteil des BGHnicht nur die Versicherungsmakler selbst betrifft, son-dern auch Versicherungsunternehmen, die mit Ver-sicherungsmaklern zusammenarbeiten. Die BaFin ver-tritt die Auffassung, dass für eine schadensregulieren-de Tätigkeit von Versicherungsmaklern für Versichererkein Raum mehr bestehe. Nach Auffassung der BaFingilt dieses nicht nur für die Schadensregulierung alssolche, sondern in der Regel auch für die Schadens-bearbeitung im Sinne einer Aufbereitung des Versiche-rungsfalls, wenn die Entscheidung über das Ob und

das Wie der Regulierung beim Versicherungsunter-nehmen verbleibt. Von daher kann ein Versichererein bislang als Versicherungsmakler tätiges Unter-nehmen nur dann weiterhin mit der Schadensregulie-rung beauftragen, wenn das Unternehmen seinenStatus als Versicherungsmakler aufgibt und den Sta-tus eines Versicherungsvertreters annimmt.

Die BaFin geht auch davon aus, dass das Urteil desBGH über eine Tätigkeit im Rahmen der Schadens-regulierung hinausreicht. Auch die Risikoprüfung, dieAntragsannahme und die Bestandsverwaltung durcheinen Versicherungsmakler im Auftrag des Versiche-rers kann unzulässig sein. Wenn sich diese Tätigkeitenals Rechtsdienstleistungen darstellen, so dürfte eineInteressenskollision geradezu auf der Hand liegen,wenn die Risikoprüfung beispielsweise im Auftrag desVersicherers vorgenommen wird. Der Versicherungs-nehmer hat naturgemäß ein Interesse, dass die Risiko-prüfung nicht allzu rigoros ausfällt, während der Ver-sicherer eher an einer restriktiveren Prüfung interes-siert sein dürfte. Der Gesamtverband der DeutschenVersicherungswirtschaft (GDV) weist in seiner Stel-lungnahme zu der Veröffentlichung der BaFin daraufhin, dass eine Konsequenz aus dem Urteil des BGHauch sein könnte, dass die Schadensregulierungdurch das Versicherungsunternehmen selbst oderdurch einen Rechtsanwalt vorgenommen wird.

Rechtsanwalt Dr. Michael Burmann, Fachanwalt fürVerkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Erfurt

SYNDIKUSRECHTSANWÄLTE

ZULASSUNG ALS SYNDIKUSRECHTSANWALTFÜR GESCHÄFTSFÜHRERTÄTIGKEIT

BRAO §§ 46, 46a

* 1. Übt ein Unternehmensjurist eine Tätigkeit alsGeschäftsführer aus, indiziert diese Tätigkeit nochkeine Zweifel an seiner Unabhängigkeit.* 2. Es liegt auf der Hand, dass der Umfang der Er-füllung der Pflichten eines Geschäftsführers für rei-ne Immobilienverwaltungsgesellschaften bei zweiGeschäftsführern gering ist.AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 16.3.2017 – 1 AGH 26/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

LEITER „PERSONAL UND RECHT“ ALSSYNDIKUSRECHTSANWALT

BRAO §§ 46, 46a

* 1. Ein als Leiter „Personal und Recht“ bei einerUnternehmensgruppe aus der Textilwirtschaft täti-

ger Volljurist kann als Syndikusrechtsanwalt zuge-lassen werden.* 2. Die fachlich unabhängige Tätigkeit eines Unter-nehmensjuristen prägt dessen Tätigkeit, wenn die-ser den Anteil der rechtlichen Tätigkeit mit über70 % seiner Gesamtarbeitszeit beziffert, währender den Anteil der reinen Personaltätigkeit auf unter30 % schätzt. Damit ist die anwaltliche Tätigkeit imRahmen des Anstellungsverhältnisses die qualitativund quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung.AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.2.2017 – 1 AGH 20/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

ZULASSUNG ALS SYNDIKUSRECHTSANWALTFÜR TÄTIGKEIT IN EINEM THEATER

BRAO §§ 46, 46a

1. Ein als Referent und Stellvertreter des Geschäfts-führenden Direktors bei einem Theater tätiger Voll-jurist kann als Syndikusrechtsanwalt zuzulassensein.*2. Der Umstand, dass ein Syndikusrechtsanwaltdem Tarifrecht der künstlerisch Tätigen unterliegt,

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widerspricht nicht einer fachlich unabhängigen,eigenverantwortlichen anwaltlichen Tätigkeit.AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 27/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Bereits mit Urteil vom 25.11.2016 (BRAK-Mitt.2017, 90) hat der AGH Nordrhein-Westfalen be-tont, dass der Umstand, dass ein Unternehmens-jurist in den Anwendungsbereich eines Tarifvertra-ges fällt, nicht automatisch dazu führt, dass seineTätigkeit als nicht weisungsfrei einzuordnen ist.

ABWICKLUNG UND VERTRETUNG

DAUER DER ABWICKLUNG EINER KANZLEI

BRAO § 55

* 1. Das Institut der Abwicklung dient in erster Linieden Interessen der Rechtsuchenden. Im Interesseder Sicherheit des Rechtsverkehrs, mithin insbeson-dere auch zum Schutz der Mandanten, wird durchdie Bestellung eines Abwicklers für die Kanzlei desfrüheren Rechtsanwalts die Fortführung der laufen-den Angelegenheiten ermöglicht.* 2. Hinsichtlich der Dauer der Abwicklung ist dasErmessen der Rechtsanwaltskammer insoweit ein-geschränkt, als die Abwicklung im Regelfall zu-nächst ein Jahr nicht übersteigen soll. Darüber hi-naus kann die Rechtsanwaltskammer unter Aus-übung pflichtgemäßen Ermessens bereits vorAblauf des Bestellungszeitraums den Abwickler ab-berufen, wenn dies geboten erscheint.* 3. Ein einmal bestellter Abwickler hat keinen An-spruch darauf, bis zur endgültigen Abwicklung derKanzlei Abwickler zu bleiben. Im Umkehrschluss ha-ben ein Abwickler und ein ausgeschiedener Rechts-anwalt keinen Anspruch darauf, dass die Bestellungzum Abwickler über ein von der Rechtsanwaltskam-mer hinaus bestimmten Zeitpunkt andauert.Sächsischer AGH, Beschl. v. 13.2.2017 – AGH 4/16 (I)

AUS DEN GRÜNDEN:1. Die Kl. haben sich gegen den Bescheid der Bekl. v.13.4.2016 gewendet, mit welchem diese die Bestel-lung des Kl. zu 2 zum Abwickler der Kanzlei der ehe-maligen RAin A, Kl. zu 1, bis zum 30.6.2016 verlängerthatte. Darüber hinaus begehrten die Kl., die Bekl. zuverpflichten, die Abwicklerbestellung des Kl. zu 2 biszum 31.12.2016 oder bis zu einer eventuell vorher ein-tretenden Neuzulassung zu verlängern.Die Kl. zu 1 war bis zum 6.11.2014 als Rechtsanwältinzugelassen. Die Zulassung wurde ihr wegen Ver-mögensverfalls entzogen. Die hiergegen eingelegtenRechtmittel wurden rechtskräftig zurückgewiesen.Mit Bescheid v. 26.1.2014 wurde der Kl. zu 2 durch dieBekl. zum Abwickler der Kanzlei der Kl. zu 1 bestellt.Die Bestellung war zunächst befristet bis zum 28.2.2015. Aufgrund verschiedener Anträge des Kl. zu 2wurde die Abwicklerbestellung durch die Bekl. jeweilsbis zum 31.12.2015 und 31.3.2016 verlängert. Mit

Schreiben v. 7.3.2016 beantragte der Kl. zu 2 erneut,seine Bestellung als Abwickler zu verlängern, undzwar bis zum 31.12.2016. Daraufhin änderte die Bekl.den angegriffenen Bescheid und verlängerte die Ab-wicklerbestellung lediglich bis zum 30.6.2016.2. Mit Schreiben v. 14.4.2016 wurde der angegriffeneBescheid der Kl. zu 1 bekannt gegeben. Die Klage, da-tiert v. 2.5.2016, war vorab per Telefax am gleichenTag beim AGH eingegangen.Die Kl. waren der Auffassung, dass ein Abwickler auchüber die in § 55 I BRAO als Regelfall normierte Dauereines Jahres hinaus bestellt werden könne. Das Gesetzsehe keine absolute Höchstdauer vor. Schließlich habeder Abwickler schwebende Aufträge abzuwickeln. Einevorzeitige Beendigung von Mandaten würde den Inte-ressen der Mandanten widersprechen. Es sei daherauch Pflicht des Abwicklers, sich um eine Verlängerungder Abwicklung zu bemühen. Schließlich hätten dieMandanten des ausgeschlossenen Anwalts ein berech-tigtes Interesse daran, dass die anhängigen Rechts-streitigkeiten möglichst ohne Zeitverlust und ohneMehrkosten zu Ende geführt würden.Da die Bekl. in dem angegriffenen Bescheid nicht dar-gelegt habe, weshalb die Abwicklung zeitlich auf den30.6.2016 begrenzt sei, gehe man von einem Ermes-sensausfall aus, zumindest aber von einem Ermessens-fehlgebrauch.Die Kl. haben beantragt,1. den Bescheid der Bekl. v. 13.4.2016 insoweit auf-zuheben, als die Abwicklerbestellung nur bis zum30.6.2016 verlängert wird,2. die Bekl. zu verpflichten, die Abwicklerbestellung v.26.11.2014 unter Beibehaltung des bisherigen Abwick-lers RA B vorerst bis zum 31.12.2016 – oder bis zu ei-ner eventuell vorher eintretenden Neuzulassung – zuverlängern.Im Wege des Einstweiligen Rechtschutzes wurde be-antragt, die Bekl. zu verpflichten, die Abwicklerbestel-lung mit dem Abwickler RA B bis zur Rechtskraft derEntscheidung über den 30.6.2016 hinaus vorerst biszum 31.12.2016 – oder bis zu einer eventuell vorhereintretenden Neuzulassung – zu verlängern.Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen und dieKosten des Verfahrens den Kl. aufzuerlegen.3. Die Kl. haben mit Schriftsatz v. 12.7.2016 denRechtsstreit für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz v. 8.12.2016 hat sich die Bekl. der Erledigung angeschlossenunter Verwahrung gegen die Kosten.4. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendungvon § 92 III VwGO einzustellen. Über die Kosten ist

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gem. § 112c I BRAO, § 161 II VwGO nach billigem Er-messen zu entscheiden. Billigem Ermessen entsprichtes im vorliegenden Fall, die Kosten den Kl. aufzuerle-gen, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg hatte.a) Es kann dahinstehen, ob die Kl., die keine Anwältin(mehr) ist, überhaupt aktivlegitimiert ist. Zwar kanngrundsätzlich auch der ausgeschiedene RechtsanwaltRechtsschutz beim AGH begehren, z.B. die Bestellungeines Abwicklers für seine Kanzlei oder die Festsetzungder Vergütung für den Abwickler anfechten (vgl. BGH,EGE XIV, 138; BGH, NJW-RR 1993, 1335; AGH Rhein-land-Pfalz, Beschl. v. 17.7.1997 – 2 AGH 1/96). Vorlie-gend begehrte die Kl. zu 1 aber nicht die Aufhebung ei-ner möglicherweise im weiteesten Sinne sie belastendenEntscheidung, sondern eine positive Entscheidung, sodass die Eröffnung des Rechtswegs zur Anwaltsgerichts-barkeit für die Kl. zu 1 zumindest zweifelhaft ist.b) Ungeachtet dessen bestand aber weder für die Kl.zu 1 noch für den Kl. zu 2 ein Rechtsschutzbedürfnis.Zwar gibt ein behaupteter Anspruch in der Regel demAnspruchsteller ein solches Rechtsschutzbedürfnis.Gleichwohl kann es an einem solchen dann fehlen,wenn ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfol-gung zweckwidriger, nicht schutzwürdiger Ziele aus-genutzt werden soll. So verhält es sich im vorliegendenFall. Das Institut der Abwicklung dient in erster Linieden Interessen der Rechtsuchenden. Im Interesse derSicherheit des Rechtsverkehrs, also insbesondere auchzum Schutz der Mandanten, wird durch die Bestellungeines Abwicklers für die Kanzlei des früheren Rechts-anwalts die Fortführung der laufenden Angelegenhei-ten ermöglicht. Die Mandanten eines ausgeschlosse-nen Rechtsanwalts haben ein berechtigtes Interessedaran, dass die anhängigen Rechtsstreitigkeiten mög-lichst ohne Zeitverlust und Mehrkosten zu Ende geführtwerden. Dem trägt das Institut der Abwicklung Rech-nung (Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 55Rn. 2 m.w.N.). Die Bestellung eines Abwicklers erfolgtalso zum Schutz der Mandanten und zur Wahrungdes Ansehens der Anwaltschaft. Bei der Tätigkeit desAbwicklers handelt es sich um eine fremdnützige Tätig-keit (Feuerich/Weyland, § 55 Rn. 2).

Kein Anspruch aufVerlängerung

c) Zudem ist auch ein Anspruch der Kl. auf die begehr-te Verlängerung der Ab-wicklerbestellung nicht er-kennbar. Noch ist erkenn-bar, dass sie in ihren

Rechten verletzt sind.

Regelfall: 1 Jahr

Zwar ist der RAK, die für die Bestellung des Abwicklerszuständig ist, ein Ermes-sen eingeräumt, das siepflichtgemäß auszuüben

hat (Bayerischer AGH, BRAK-Mitt. 2005, 195; EGHHamm, Beschl. v. 19.10.1990 – 1 ZU 27/90). Hinsicht-lich der Dauer der Abwicklung ist das Ermessen derRAK aber bereits eingeschränkt, da die Abwicklung imRegelfall zunächst ein Jahr nicht übersteigen soll (EGHStuttgart, BRAK-Mitt. 1987, 210). Schon dies sprichtgegen einen Anspruch hinsichtlich der angekündigtenAnträge sowohl der Kl. zu 1 als auch des Kl. zu 2. Da-rüber hinaus kann die RAK unter Ausübung pflicht-gemäßen Ermessens auch vor Ablauf des Bestellungs-zeitraums den Abwickler abberufen, wenn dies gebo-ten erscheint. Der einmal bestellte Abwickler hat alsokeinen Anspruch darauf, bis zur endgültigen Abwick-lung der Kanzlei Abwickler zu bleiben. Im Umkehr-schluss hat der Abwickler und erst recht nicht der aus-geschiedene Anwalt einen Anspruch darauf, dass dieBestellung zum Abwickler über einen von der RAK hi-naus bestimmten Zeitpunkt andauert. Insoweit kannein Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch seitens derRAK denknotwendig nicht zu Lasten der Kl. gehen. Ei-nen Anspruch auf eine Verlängerung der Abwickler-bestellung über den von der Bekl. festgelegten Zeit-raum können daher weder die Kl. zu 1 noch der Kl. zu2 aus eigenem Recht geltend machen (Feuerich/Wey-land, § 55 Rn. 14).

HINWEISE DER REDAKTION:Mit Beschluss vom 18.1.2010 (BRAK-Mitt. 2010,135) hat der Bayerische AGH entschieden, dass esauch im Falle einer zerstrittenen Sozietät, in der einSozius verstorben ist, zweckmäßig sein kann, nichtden überlebenden Sozius zum Abwickler zu bestel-len. Die Rechtsanwaltskammer kann hierzu abernicht grundsätzlich verpflichtet werden. Soweit inAusnahmefällen auch beim Tod eines Rechts-anwalts einer Sozietät die Bestellung eines Abwick-lers geboten ist, ist der Sozius bei Unterlassung derBestellung eines Abwicklers gleichwohl nicht in sei-nen eigenen Rechten verletzt.

PROZESSUALES

ANFECHTUNG EINER MISSBILLIGENDENBELEHRUNG DURCH ANWALTSGESELLSCHAFT

BRAO §§ 43b, 59k; UWG § 5 I Nr. 3

* 1. Gegen eine missbilligende Belehrung steht le-diglich einem Rechtsanwalt selbst, nicht aber derRechtsanwaltsgesellschaft, der er angehört, eineKlagebefugnis zu.

* 2. Mangels Schuldfähigkeit einer juristischen Per-son kann die von einer missbilligenden Belehrungausgehende Rechtswirkung eine Rechtsanwalts-gesellschaft von vornherein nicht erfassen.Niedersächsischer AGH, Gerichtsbescheid v. 8.11.2016 –AGH 18/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

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PROZESSUALES

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SONSTIGES

AKTENEINSICHTSRECHT IN VORSTANDS-PROTOKOLLE EINER RECHTSANWALTSKAMMER

BRAO § 76; IFG NRW §§ 4, 7 I

1. Wird gem. § 4 I IFG NRW Einsicht in die Protokol-le von Sitzungen des Vorstands einer RAK begehrt,entfällt gem. § 4 II 2 IFG NRW die Verschwiegen-heitspflicht der Vorstandsmitglieder der Rechts-anwaltskammer nach § 76 BRAO.2. Der im Hinblick auf die Protokolle der Vorstands-sitzungen einer Rechtsanwaltskammer geltend ge-machte Anspruch auf Informationszugang ist gem.§ 7 I, III 2 IFG NRW auf den Zugang zu den protokol-lierten Beratungsgegenständen und Beratungsergeb-nissen beschränkt. Er umfasst nicht den Zugang zuden in den Protokollen dokumentierten Wort- undDiskussionsbeiträgen der Sitzungsteilnehmer, dasheißt zum Beratungsverlauf im engeren Sinne.3. Die Versagung von Akteneinsicht gem. § 4 I, § 5 I5 IFG NRW unter dem Gesichtspunkt eines unver-hältnismäßigen Verwaltungsaufwands kommt nurals ultima ratio in Betracht. Insofern ist ein stren-ger Maßstab anzulegen.BGH, Urt. v. 20.3.2017 – AnwZ (Brfg) 46/16

AUS DEM TATBESTAND:[1] Der Kl. ist seit 2004 Mitglied der Bekl. In den Jah-ren 2008 bis 2013 bildete er in seiner Einzelkanzleidrei Rechtsanwaltsfachangestellte aus. Die beiden zu-letzt eingegangenen Berufsausbildungsverhältnissewaren Verbundausbildungsverhältnisse gem. § 10 VBBiG, die im Rahmen des sog. ESF-Förderprogrammsauf der Grundlage von Bescheiden der Bezirksregie-rung K. mit jeweils 4.500 Euro gefördert wurden. Zuvorhatte die Bekl. jeweils in einer „Stellungnahme der RAKzum Antrag des Ausbildungsverbundes“ bescheinigt,dass der Kl. nicht alle nach der Ausbildungsverord-nung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im vol-len Umfang vermitteln könne. Mit Bescheid v. 13.2.2013 nahm die Bezirksregierung Köln die Zuwen-dungsbescheide zurück mit der Begründung, der Kl.habe unrichtige Stellungnahmen der Bekl. zum Ausbil-dungsverbund vorgelegt, da er seit dem Jahr 2008 be-reits eine Auszubildende selbstständig ausgebildet ha-be. Zugleich forderte sie den Kl. zur Rückzahlung derFörderbeträge auf.[2] Der Kl. hat gegen den Rücknahme- und Rückforde-rungsbescheid der Bezirksregierung vor dem VG KölnAnfechtungsklage erhoben. Gegen die Bekl. hat ereine Amtshaftungsklage erhoben, die das LG Köln mitUrteil v. 26.1.2016 abgewiesen hat. Hiergegen hatder Kl. Berufung zum OLG Köln eingelegt. Dieses hatdas Verfahren gem. § 148 ZPO bis zur rechtskräftigenEntscheidung des vor dem VG Köln anhängigenRechtsstreits ausgesetzt.

[3] Die Bekl. übersandte dem Kl. mit Schreiben v.31.10.2014 und 24.11.2014 auf dessen Aktenein-sichtsgesuch v. 9.9.2014 Auszüge aus Protokollen vonSitzungen ihres Vorstands, ihres Präsidiums und ihrerfür die Aus- und Fortbildung der Rechtsanwaltsfach-angestellten zuständigen Abteilung. Mit Schreiben v.2.1.2015 teilte sie dem Kl. auf dessen Anfrage mit,seit dem Jahr 2007 sei weder im Vorstand noch inder zuständigen Abteilung für Aus- und Fortbildungs-angelegenheiten über „Verbundausbildung“ und dasESF-Förderprogramm der betrieblichen Ausbildung imVerbund beraten worden. Der Kl. begehrte daraufhin,zuletzt mit an die Bekl. gerichtetem Schreiben v. 20.2.2015, Akteneinsicht in die Protokolle des Gesamtvor-standes und der Ausbildungsabteilung der Bekl. seitdem 1.1.2007. Diese wurde ihm nicht gewährt.[4] Mit seiner Klage verfolgt der Kl. den von ihm gel-tend gemachten Anspruch auf Akteneinsicht – hilfswei-se Informationszugang – weiter. Hierzu beruft er sichauf seine mitgliedschaftliche Stellung und daraus re-sultierende Teilhaberechte an der anwaltlichen Selbst-verwaltung der Bekl. aus § 60 I BRAO, auf einen An-spruch auf Informationszugang gem. § 4 IFG NRWund – erstmals in der Berufungsbegründung – auf§ 810 BGB.[5] Der AGH hat die Klage abgewiesen und die Beru-fung zugelassen. Er hat einen Anspruch des Kl. auf Ak-teneinsicht aus der BRAO verneint. Auch Ansprücheaus dem IFG NRW, über die gem. § 112c I 1 BRAO,§ 173 S. 1 VwGO, § 17 II GVG mitzuentscheiden sei,bestünden nicht.

AUS DEN GRÜNDEN:[6] I. Die Berufung des Kl. ist zulässig. Sie hat in demaus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.[7] 1. Der Kl. hat gegen die Bekl. aus §§ 4 I, 5 I 5 IFGNRW einen Anspruch auf Einsicht in die Protokolle derSitzungen ihres Gesamtvorstands und ihrer Ausbil-dungsabteilung in der Zeit vom 1.1.2007 bis zum Tagder mündlichen Verhandlung vor dem Senat (20.3.2017), soweit darin Beratungsgegenstände und -er-gebnisse wiedergegeben werden, keine personenbezo-genen Daten offenbart werden und entsprechendeAuszüge aus den Protokollen dem Kl. noch nicht erteiltworden sind.[8] a) Das IFG NRW gilt nach § 2 I 1 IFG NRW für dieVerwaltungstätigkeit von der Aufsicht des Landes unter-stehenden juristischen Personen des öffentlichenRechts. Es findet damit auch auf die Verwaltungstätig-keit von Rechtsanwaltskammern Anwendung (AGHNordrhein-Westfalen, NJW-RR 2013, 1329; VG Köln,Urt. v. 23.1.2014 – 13 K 3710/12, Rn. 23; OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2015, 123 [zu § 2 IFG Berlin];Weyland, in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 76Rn. 28a; Franßen/Seidel, IFG NRW, 2007, Rn. 153).[9] b) Der damit grundsätzlich gem. § 4 I IFG NRW be-stehende Anspruch des Kl. auf Zugang zu den bei der

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SONSTIGES

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Bekl. vorhandenen amtlichen Informationen i.S.v. § 3IFG NRW ist nicht nach § 4 II 1 IFG NRW ausgeschlos-sen. Danach gehen besondere Rechtsvorschriften überden Zugang zu amtlichen Informationen, die Aus-kunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsichtden Vorschriften des IFG NRW vor.[10] Es bestehen keine besonderen Rechtsvorschriften,die den Zugang zu Protokollen des Vorstands einerRAK regeln (Weyland, in Feuerich/Weyland, § 76Rn. 28b; so wohl auch OVG Berlin-Brandenburg,NVwZ-RR 2015, 123 [124]). In der BRAO ist allein das– vorliegend nicht streitgegenständliche – Recht desRechtsanwalts auf Akteneinsicht in die über ihn geführ-ten Personalakten bestimmt (§ 58 BRAO). Soweit in§ 76 BRAO die Pflicht der Vorstandsmitglieder zur Ver-schwiegenheit geregelt ist, handelt es sich nicht umeine besondere Rechtsvorschrift über den Zugang zuamtlichen Informationen i.S.v. § 4 II 1 IFG NRW (vgl.zu gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten Schoch,IFG (Bund), 2. Aufl., § 1 Rn. 380 m.w.N.). Die Ver-schwiegenheitspflicht gem. § 76 BRAO entspricht derallgemeinen beamtenrechtlichen Regelung über dieAmtsverschwiegenheit (vgl. mit ausführlicher Begrün-dung OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2015, 123[124]; Weyland, in Feuerich/Weyland, § 76 Rn. 9,28a; zur beamtenrechtlichen Verschwiegenheitspflichtvgl. § 37 BeamtStG; zum Umfang der Verschwiegen-heitspflicht gem. § 76 BRAO vgl. Weyland, in Feu-erich/Weyland, § 76 Rn. 8; Lauda, in Gaier/Wolf/Gö-cken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 76 BRAORn. 10). Sie entfällt daher wie diese gem. § 4 II 2 IFGNRW im Rahmen des IFG NRW (Weyland, in Feu-erich/Weyland, § 76 Rn. 28a; vgl. zu § 4 II 2 IFGNRW: Fraktionsentwurf eines Gesetzes über die Frei-heit des Zugangs zu Informationen für das Land Nord-rhein-Westfalen, LT-Drs. 13/1311, 11; Franßen/Seidel,IFG NRW, Rn. 543).[11] Aus dem Fehlen einer bereichsspezifischen Son-derregelung kann auch nicht, wie der AGH erwogenhat, im Umkehrschluss gefolgert werden, dass ein Ak-teneinsichtsrecht ausgeschlossen sein soll. Hierfür istnichts ersichtlich.

Einsichtsrecht desKammermitglieds

Vielmehr besteht, wie der AGH an anderer Stelle selbstzutreffend dargestellt hat,ein – in der BRAO nichtausdrücklich geregeltes –Einsichtsrecht des Kam-

mermitglieds in bestimmte Protokolle und hinsichtlichbestimmter Vorstandsbeschlüsse. Die Regelungen derBRAO sind mithin keine abschließenden, den Vorschrif-ten des IFG NRW vorgehenden Informationszugangs-regelungen.[12] c) Der vom Kl. geltend gemachte Anspruch aufZugang zu den streitgegenständlichen Protokollen istnicht, auch nicht teilweise, gem. § 9 IFG NRW zumSchutz personenbezogener Daten ausgeschlossen. Ge-genstand der Tätigkeit und damit auch der Protokolledes Vorstands einer RAK und seiner Abteilungen kön-nen zwar ausweislich der ihnen in §§ 73, 77 BRAO zu-gewiesenen Aufgaben auch personenbezogene Vor-

gänge sein. Der Kl. hat jedoch in der Berufungsbegrün-dung (S. 13, 15) klargestellt, keine in den Protokollenenthaltenen personenbezogenen Informationen zu be-gehren. Sein Antrag auf Informationszugang ist daherin diesem, auf nicht personenbezogene Informationenbeschränkten Sinne auszulegen.

Beschränkung auf Be-ratungsgegenständeund -ergebnisse

[13] d) Der Anspruch des Kl. auf Informationszugangist jedoch gem. § 7 I, III 2IFG NRW auf den Zugangzu den protokollierten Be-ratungsgegenständen und-ergebnissen der Sitzungen

des Gesamtvorstands und der Ausbildungsabteilungder Bekl. beschränkt. Soweit der Kl. auch die in denProtokollen dokumentierten „internen Beratungen“und „Meinungsäußerungen“ der Vorstandsmitgliederder Bekl. erforschen will (Klageschrift, S. 3; Schriftsätzev. 21.2.2016, S. 3, und v. 12.7.2016, S. 1), besteht einentsprechender Anspruch auf Informationszugangnicht und ist die Klage unbegründet.[14] Nach § 7 I IFG NRW ist der Antrag auf Informati-onszugang für Protokolle vertraulicher Beratungen ab-zulehnen, gemäß § 7 III 2 IFG NRW sind jedoch die Er-gebnisse solcher Beratungen nach Abschluss des je-weiligen Verfahrens zugänglich zu machen.[15] aa) Beratungen des Vorstands oder einer Vor-standsabteilung einer RAK sind, wie der AGH zutreffenderkannt hat, vertrauliche Beratungen i.S.v. § 7 I IFGNRW (so auch Weyland, in Feuerich/Weyland, § 76Rn. 28b). Die umfassende Verschwiegenheitsverpflich-tung der Mitglieder des Vorstands gem. § 76 BRAO ge-bietet die Nichtöffentlichkeit und damit die Vertraulich-keit der Vorstandsberatungen (vgl. zur Nichtöffentlich-keit von Vorstandssitzungen einer Rechtsanwaltskam-mer, Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, § 70 BRAO Rn. 11;Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl., § 72 Rn. 1).[16] bb) Indes wird nicht der gesamte Inhalt der Proto-kolle vertraulicher Beratungen von § 7 I IFG NRW ge-schützt. Bereits die Überschrift dieser Norm stellt klar,dass sich der von ihr gewährte Schutz auf den Prozessder behördlichen Entscheidungsfindung, nicht aber aufdessen Ergebnisse bezieht. Zweck des Ausschlusstat-bestandes des § 7 I IFG NRW ist es, einen unbefange-nen und freien Meinungsaustausch zu gewährleisten.Es soll in einer Atmosphäre der Offenheit und ohnevon außen hineingetragene Interessenkollisionen einallein an der Sache orientierter Austausch von Argu-menten erfolgen können und auch für die Zukunft wei-terhin gewährleistet sein. Schutzgut ist der behördlicheEntscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbil-dung erfordert, um eine effektive, funktionsfähige undneutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Un-ter „Beratung“ ist daher der Beratungsverlauf selbstmit den dabei vorgebrachten Diskussions- und Abwä-gungsbeiträgen zu verstehen, nicht aber der Bera-tungsgegenstand und das Beratungsergebnis. Nurder eigentliche Vorgang der behördlichen Entschei-dungsfindung, das heißt die Besprechung, Beratschla-gung und Abwägung – der Beratungsprozess im enge-ren Sinne – wird geschützt. Der Beratungsgegenstand

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(einschließlich der zuvor vorliegenden Sachinformatio-nen) und abschließende Entscheidungen sind dagegenoffen zu legen (OVG NRW, Urt. v. 5.9.2006 – 8 A2190/04, Rn. 164 ff., 186 ff. [Niederschriften der Sit-zungen der Grundwasserkommission] und v. 17.5.2006 – 8 A 1642/05, Rn. 73; Beschl. v. 1.12.2010 –13a F 47/10, Rn. 25 ff. [Protokolle über Sitzungen derZentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen]; Gew-Arch 2007, 113 [unter 4] m.w.N.; zu § 3 I Nr. 3b IFG(Bund) vgl. OVG NRW, Urt. v. 2.11.2010 – 8 A 475/10, Rn. 89 ff. [Protokolle von Sitzungen der DeutschenLebensmittelbuch-Kommission]; zu § 8 I 1 Nr. 2 UIGvgl. BVerwG, NVwZ 2012, 1619 Rn. 26; ausführlichzur Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden i.S.v.§ 7 I Nr. 1 Alt. 3 UIG a.F. OVG Schleswig, NVwZ 1999,670, 671 f.; Franßen/Seidel, IFG NRW Rn. 821 ff.,852 f.; Haurand/Möhring/Stollmann, IFG NRW 58f.;vgl. ferner Axler, CR 2002, 847 [852]).[17] cc) Unter Berücksichtigung des auf diese Weisebestimmten Schutzbereichs von § 7 I IFG NRW ergibtsich für den vom Kl. geltend gemachten Anspruch Fol-gendes:[18] Der Kl. hat einen Anspruch auf Zugang zu den Pro-tokollen der Sitzungen des Gesamtvorstands und derAbteilung für Aus- und Fortbildungsangelegenheitender Bekl. ab dem 1.1.2007 bis zum Schluss der mündli-chen Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits, so-weit in den Protokollen die Beratungsgegenstände –einschließlich der zuvor vorliegenden Sachinformatio-nen – und die Beratungsergebnisse i.S.v. abschließen-den Entscheidungen wiedergegeben werden. Bei diesenProtokollinhalten handelt es sich nicht um von § 7 I IFGNRW geschützte vertrauliche Beratungen.[19] Soweit dagegen der eigentliche Beratungsprozessin Gestalt von Wort- und Diskussionsbeiträgen der Sit-zungsteilnehmer protokolliert wurde, besteht kein In-formationszugangsanspruch des Kl.[20] e) Der in den vorstehenden Grenzen gegebeneAnspruch auf Informationszugang ist in Gestalt dervom Kl. begehrten Akteneinsicht zu gewähren. Die Ak-teneinsicht stellt eine Form des Informationszugangsnach dem IFG NRW dar (Axler, CR 2002, 847 [851];Haurand/Möhring/Stollmann, IFG NRW, 32). Begehrtder Antragsteller eine bestimmte Art des Informations-zugangs, so darf nach § 5 I 5 IFG NRW nur dann eineandere Art bestimmt werden, wenn hierfür ein wichti-ger Grund vorliegt. Derartige Gründe hat die Bekl.nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersicht-lich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aktenein-sicht im Wege der Überlassung von Kopien gewährtwerden kann (vgl. Schoch, IFG (Bund), § 1 Rn. 263m.w.N. zu § 1 II IFG (Bund); zu § 29 III VwVfG vgl.Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl., § 29Rn. 41). Diese Form der Akteneinsicht erscheint vorlie-gend besonders geeignet, da sie – mittels Schwärzun-gen – gewährleistet, dass der Kl. keine Kenntnis vonpersonenbezogenen Daten und dem von § 7 I IFGNRW geschützten Beratungsprozess im engeren Sinneerhält (zur Schwärzung personenbezogener Daten vgl.§ 10 I 1 IFG NRW).

Kein unverhältnis-mäßiger Aufwand

[21] f) Die Gewährung von Akteneinsicht in die Vor-stands- und Abteilungspro-tokolle seit dem 1.1.2007bereitet der Bekl. keinenunverhältnismäßigen Auf-

wand (zur Verweigerung des Informationszugangsnach dem IFG NRW bei unverhältnismäßigem Auf-wand vgl. VG Köln, Urt. v. 23.1.2014 – 13 K 3710/12, Rn. 32 ff.; Franßen/Seidel, IFG NRW, Rn. 624). DieVersagung des – an sich berechtigten – Informations-zugangs wegen unverhältnismäßigen Verwaltungsauf-wands kommt nur als ultima ratio in Betracht, ins-besondere wenn durch die Gewährung des Informati-onszugangs die Arbeitsfähigkeit der Behörde gefährdetwird. Insofern ist ein strenger Maßstab anzulegen (Fran-ßen/Seidel, IFG NRW Rn. 624: nur in Extremfällen; vgl.zu § 7 II 1 Alt. 2 IFG (Bund) OVG Berlin-Brandenburg,Urt. v. 7.6.2012 – 12 B 34.10, Rn. 41; VGH Kassel,NVwZ 2010, 1036, 1043; Schoch, IFG (Bund), § 7Rn. 105 m.w.N.; Bretthauer, NVwZ 2012, 1144 [1146];Spindler, ZGR 2011, 690, 706 f.; Raabe/Helle-Meyer,NVwZ 2004, 641 [647]). Es ist sicherzustellen, dassder materiell-rechtlich bestehende Anspruch auf Zu-gang zu amtlichen Informationen nur in seltenen Aus-nahmefällen dem verfahrensrechtlichen und verwal-tungspraktischen Einwand des unverhältnismäßigenVerwaltungsaufwands weichen muss (Schoch, IFG(Bund), § 7 Rn. 105).[22] Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gege-ben. Die Bekl. hat die Unverhältnismäßigkeit des ihr ent-stehenden Aufwands in dem vorliegenden Rechtsstreitnicht geltend gemacht und hierzu nicht vorgetragen.Nach den unwidersprochenen Ausführungen des Kl. inder Berufungsbegründung (S. 20) belief sich der Ge-samtumfang der streitgegenständlichen Protokolle biszum 1.7.2015 auf insgesamt 646 Seiten. Der Aufwandfür die Durchsicht und Teilschwärzung dieser Dokumen-te erscheint zwar durchaus erheblich, aber noch nichtunverhältnismäßig im vorgenannten Sinne. Dies giltumso mehr, als Behandlungsgegenstand und -ergebniszumeist einfach – am Anfang und am Ende der Tages-ordnungspunkte – zu finden sein werden. Es ist nicht er-kennbar, dass durch die erforderlichen Arbeiten die Ar-beitsfähigkeit der Bekl. gefährdet würde.[23] 2. Ob dem Kl. ein Anspruch auf Akteneinsichtoder Informationszugang aufgrund seiner mitglied-schaftlichen Stellung und daraus resultierenden Teil-haberechten an der anwaltlichen Selbstverwaltungder Bekl. zusteht, kann vorliegend offen bleiben (vgl.AGH NRW, NJW-RR 2013, 1329, zu einem Anspruchdes Mitglieds einer RAK auf Einsichtnahme in den voll-ständigen Prüfbericht der Wirtschaftsprüfer zum abge-laufenen Geschäftsjahr der RAK). Denn ein solcher An-spruch reichte vorliegend jedenfalls nicht weiter alsdas bereits nach § 4 IFG NRW bestehende Aktenein-sichtsrecht des Kl.[24] a) Der Kl. trägt vor, er beabsichtige nach Informa-tionsgewinnung durch Akteneinsicht als Mitglied derKammerversammlung diese über den Umgang desVorstandes der Bekl. hinsichtlich der Erteilung von sub-

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ventionsrelevanten Stellungnahmen an Kammermit-glieder zur Erlangung von Fördergeldern zu unterrich-ten. Soweit die von ihm begehrte Akteneinsicht die vor-genannte Thematik als Beratungsgegenstand der Vor-standssitzungen der Bekl. und die hierzu erzieltenBeratungsergebnisse betrifft, ergibt sich ein entspre-chender Anspruch bereits aus § 4 IFG NRW (s. vorste-hend zu 1), so dass dahinstehen kann, ob er auch ausden vom Kl. geltend gemachten Teilhaberechten folgt.[25] Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Ein-sicht auch in den protokollierten Beratungsverlauf hatder Kl. nicht. Die Kenntnisnahme von Wortbeiträgen,Überlegungen und Meinungsäußerungen einzelnerVorstandsmitglieder ist für den Kl. zur Wahrnehmungseiner mitgliedschaftlichen Rechte im Rahmen einerKammerversammlung nicht erforderlich. Soll in derKammerversammlung ein bestimmtes Thema erörtertwerden, mag für die Kammerversammlung und ihreMitglieder von Interesse sein, ob und mit welchem Er-gebnis das Thema vom Kammervorstand beraten wor-den ist. Der – naturgemäß bis zur Beschlussfassungdes Vorstands vorläufige – Beratungsverlauf und Mei-nungsbildungsprozess innerhalb der Vorstandssitzungist hingegen für die Kammerversammlung ohne er-kennbare Relevanz.

Vertraulichkeit nach§ 76 BRAO

[26] Zudem ist, wie der AGH zutreffend erkannt hat,die aus der Verschwie-genheitspflicht gem. § 76BRAO folgende Vertrau-lichkeit der Vorstandssit-

zungen zu berücksichtigen. Sie würde weitgehend aus-gehöhlt, wenn ein Kammermitglied mit der Begrün-dung, es wolle zu einem bestimmten Thema auf derKammerversammlung vortragen, stets auch Einsichtin den protokollierten vertraulichen Beratungsverlaufnehmen könnte. In Abwägung mit der gesetzlich be-stimmten Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder desKammervorstands hat daher das – ohnehin allenfallsals gering zu bewertende – Interesse des Kammermit-glieds, zur Vorbereitung eines Beitrags zur Kammerver-sammlung auch den vertraulichen Inhalt des Bera-tungsverlaufs des Kammervorstands zu erfahren, zu-rückzutreten.[27] b) Etwas anderes ergibt sich vorliegend auchnicht in Anbetracht der Rechtsstreitigkeiten, die derKl. derzeit vor dem VG Köln und dem OLG Köln führt.Ein aus seinen in diesen Verfahren verfolgten Ansprü-chen und Rechtspositionen folgendes Interesse an derKenntnis von Beratungsverläufen von Vorstandssitzun-gen der Bekl. ist, wie der AGH ebenfalls zutreffend er-kannt hat, nicht im Ansatz dargetan und auch sonstnicht ersichtlich.[28] 3. Schließlich folgt ein weitergehender Anspruchdes Kl. auf Akteneinsicht und Informationszugangauch nicht aus § 810 BGB. Nach dieser Vorschriftkann, wer ein rechtliches Interesse daran hat, eine infremdem Besitz befindliche Urkunde einzusehen, vondem Besitzer die Gestattung der Einsicht verlangen,wenn die Urkunde in seinem Interesse errichtet oderin der Urkunde ein zwischen ihm und einem anderen

bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist oderwenn die Urkunde Verhandlungen über ein Rechts-geschäft enthält, die zwischen ihm und einem anderenoder zwischen einem von beiden und einem gemein-schaftlichen Vermittler gepflogen worden sind.[29] Die Voraussetzungen eines solchen Einsichts-rechts sind vorliegend nicht gegeben. Bei den Protokol-len des Vorstands der Bekl. und seiner Abteilungenhandelt es sich, wie letztlich auch der Kl. nicht ver-kennt, nicht um Urkunden der in § 810 BGB genann-ten Art. Soweit der Kl. § 810 BGB erweiternd auf alleFälle eines berechtigten Interesses des Anspruchstel-lers an der Kenntnis von Urkunden angewendet wissenwill, teilt der Senat diese Auffassung nicht.[30] Im Übrigen ginge ein etwaiges, auf § 810 BGBund ein „berechtigtes Interesse“ des Kl. gestütztes Ak-teneinsichtsrecht nicht weiter als der Informations-zugangsanspruch nach § 4 I IFG NRW. Insofern wirdauf die vorstehenden Ausführungen zu 2 Bezug ge-nommen. Sie gelten für ein etwaiges Einsichtsrechtaus § 810 BGB in gleichem Maße.

ANMERKUNG:Erstmals hat der BGH zum Anspruch eines Mitgliedsgegenüber seiner Rechtsanwaltskammer auf Heraus-gabe von Informationen nach dem Informationsfrei-heitsgesetz (IFG) eines Landes entschieden. Seine Ent-scheidungsbefugnis ergab sich daraus, dass das Mit-glied unter anderem seinen – von vornherein nichtvöllig ausgeschlossenen – Anspruch auf sein Teilhabe-recht als Kammermitglied nach § 60 I 2 BRAO ge-stützt hatte (zum umgekehrten Fall vgl. OVG Nord-rhein-Westfalen, Beschl. v. 26.8.2009 – 8 E 1044/09). Damit war über § 112a I BRAO der Rechtswegzum AGH eröffnet und der Anwaltssenat des BGHüber § 112a II Nr. 1 BRAO für die Berufung zuständig.Nach § 112c I 1 BRAO, § 173 S. 1 VwGO, § 17 II GVGwar über Ansprüche aus dem IFG, hier des LandesNRW, mitzuentscheiden. Interessanterweise hat derAnwaltssenat des BGH aber am Ende nur über die An-sprüche nach IFG NRW entschieden; die originär be-rufsrechtlichen Ansprüche hat er dahinstehen lassen.1. Aufgrund des klaren Wortlauts in § 2 I 1 IFG NRWstellte sich die Anwendbarkeit des IFG NRW auf diebeklagte Kammer für den BGH als nicht problema-tisch dar. Insbesondere hatte sich in Nordrhein-West-falen bereits eine eindeutige Rechtsprechung in derVerwaltungsgerichtsbarkeit hierzu entwickelt. So hat-ten das VG Köln – übrigens wohl in derselben Sache– sowie der AGH Nordrhein-Westfalen (BRAK-Mitt.2014, 35) die Anwendbarkeit bereits bejaht. Interes-santerweise hatte der AGH Nordrhein-Westfalenden Anspruch eines Mitglieds auf Übersendung desBerichts des Wirtschaftsprüfers am Ende gar nichtauf das IFG NRW gestützt, sondern ihn mit § 27VwVfG begründet. Dabei deutete er an, dass ein In-formationsanspruch nach IFG NRW nicht unproble-matisch bejaht werden könne.Der AGH Nordrhein-Westfalen sah es nämlich alsProblem an, wenn ein Mitglied einer Körperschaft –wie im vorliegenden Fall – Rechte aus seiner organ-

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schaftlichen Stellung ableitet und es damit mögli-cherweise nicht als natürliche Person tätig wird. DerInformationsanspruch steht aber – anders als beimvon der Zielrichtung her vergleichbaren Umweltinfor-mationsgesetz, nach dem jeder – auch juristischePersonen und nicht rechtsfähige Personen – An-spruch auf freien Zugang zur Information über dieUmwelt hat, nach § 4 I IFG NRW ausdrücklich nurnatürlichen Personen zu. So wurde beispielsweiseder Informationsanspruch für juristische Personenausdrücklich versagt (VG Düsseldorf, Urt. v. 3.7.2015 – 26 K 5211/13). Der BGH ging in seiner Ent-scheidung nicht einmal am Rande auf dieses Rechts-problem ein.Der Anwendungsbereich von Gesetzen zur Informati-onsfreiheit ist auch auf Bundesebene ein aktuelles The-ma. So hatte das VG Berlin (BRAK-Mitt. 2016, 261; n.r.)die BRAK als „Behörde des Bundes“ i.S.d. § 1 I 1 IFGBund angesehen mit dem Argument, diese sei Teilder mittelbaren Bundesverwaltung i.S.v. Art. 86 GG.Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Behörden-begriff erfolgte bedauerlicherweise nicht.Der Behördenbegriff orientiert sich nach der Gesetzes-begründung zum IFG an § 1 IV VwVfG (BT-Drs. 15/4493, 8). Danach ist Behörde jede Stelle, die Auf-gaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Unddieser verfahrensbezogene bzw. funktionale Behör-denbegriff setzt nach herrschender Meinung Hoheits-befugnisse voraus (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl.2016, § 1 VwVfG Rn. 52a). Die BRAK verfügt als bloßeDachorganisation bzw. Verbandskörperschaft der re-gionalen Rechtsanwaltskammern allerdings über kei-ne dezidierten Hoheitsbefugnisse (vgl. § 177 BRAO).Die Rechtssetzung ist auf das eigenständige OrganSatzungsversammlung übertragen (BGH, BRAK-Mitt.2010, 267). Eine Abschlussprüferaufsichtskommissionwie bei der Wirtschaftsprüferkammer existiert eben-falls nicht (vgl. zur WPK BT-Drs. 18/1200, 99 f.).Es erscheint auch zweifelhaft, ob die BRAK dem IFGnach dem Gesetzeszweck unterliegen sollte. Das Infor-mationszugangsrecht und die Transparenz behördli-cher Entscheidungen sind wichtige Voraussetzungenfür die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten,sie dienen der Kontrolle staatlichen Handelns ein-schließlich der Korruptionsbekämpfung und der öffent-lichen Partizipation (BeckOK InfoMedienR/Debus,15. Ed., § 1 IFG Rn. 3). Die BRAK wird allerdings ge-genüber dem Bürger gar nicht tätig. Und selbst gegen-über den einzelnen Mitgliedern der Regionalkammernhat sie keine unmittelbaren Aufgaben zu erfüllen. DieKontrolle ihres Handelns erfolgt durch die Regional-kammern (vgl. etwa § 189 I 2 BRAO) und durch dieRechtsaufsicht (§ 176 II BRAO). Vor diesem Hinter-grund hat die Rechtsaufsicht zwar ein Informations-recht. Doch besteht dieses nur, soweit es zur Durch-führung der Rechtsaufsicht erforderlich ist (Franz,JuS 2004, 937 [939 re.Sp.], zur Staatsaufsicht überdie Kommunen; a.A. Ewer, AnwBl.-Online 2017, 98[99 re.Sp.]). Würde man nun noch ein unbeschränktesInformationsrecht schaffen, liefen diese rechtsstaatli-chen Beschränkungen leer, und umgekehrt hätten Drit-te einen weitergehenden Informationsanspruch als die

Rechtsaufsicht. Vergegenwärtigt man sich zudem,dass die BRAK Selbstverwaltungsorgan eines verfas-sungsrechtlich besonders gebundenen Berufs ist(Schäfer, BRAK-Mitt. 2017, 1), liegt es sogar nahe,dass der Gesetzgeber eine Klarstellung dergestaltvornimmt, dass die BRAK ausdrücklich aus dem An-wendungsbereich des IFG herausgenommen wird.2. Der BGH beschränkt den Informationsanspruch desKammermitglieds auf den Zugang zu den in der Vor-standsitzung der beklagten Kammer protokolliertenBeratungsgegenständen und -ergebnissen. Dieser um-fasst somit nicht den Zugang zu den in den Protokol-len dokumentierten Diskussionsbeiträgen der Sit-zungsteilnehmer, d.h. zum Beratungsverlauf im enge-ren Sinne. Dabei fällt allerdings auf, dass der BGHdie Frage, ob nicht der gesamte Informations-anspruch an der Verschwiegenheitspflicht nach § 76BRAO scheitern könnte, lapidar mit einem Verweis ab-gelehnt hat, diese sei gleichbedeutend mit der (beam-tenrechtlichen) Amtsverschwiegenheit. Als Begrün-dung dient lediglich die Berufung auf die Entschei-dung des OVG Berlin-Brandenburg (NVwZ 2015, 123).Diese Bezugnahme ist aber ungeeignet. Denn die Ent-scheidung des OVG Berlin-Brandenburg erging mit Be-zug auf das IFG Berlin; in § 4 II 2 IFG NRW hingegenwird ausdrücklich nur von der „Amtsverschwiegen-heit“ gesprochen, die einem Auskunftsanspruch nichtentgegenstehen könne. Zudem kam das OVG (NVwZ2015, 123 [124 oben]) in seiner Entscheidung zu ei-nem falschen Schluss. Zwar ging es noch selbst davonaus, dass eine Geheimhaltungspflicht dann zu beja-hen sei, wenn sie dem Schutz besonders sensiblerGrundrechtsbereiche diene. Ein solcher besondererSchutzzweck sei nach der Natur der unter die all-gemeine Verschwiegenheitspflicht fallenden Angele-genheiten und unter Berücksichtigung dessen, dassdie BRAO (abgesehen von der Regelung der Aktenein-sicht in § 58 BRAO) keine näheren Bestimmungenhierzu enthalte, nicht erkennbar. Dabei wurde über-sehen, dass Sinn und Zweck der Pflicht aus § 76BRAO auch und gerade der Schutz der anwaltlichenVerschwiegenheitspflicht ist (Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, § 76 BRAO Rn. 2); diese steht sehr wohl unterdem besonderen Schutz der Verfassung.Völlig zu Recht aber hat der BGH dem Kläger einenRiegel vorgeschoben, interne Beratungen und Mei-nungsäußerungen von Vorstandsmitgliedern auszufor-schen. Nach § 7 IFG NRW hat hier der Schutz des be-hördlichen Entscheidungsbildungsprozesses Vorrang.Gleichwohl wird diese Einschränkung bei den betroffe-nen Kammern einen schalen Nachgeschmack hinter-lassen: Denn nun sind sie verpflichtet, alle Protokolleso zu bearbeiten, dass nur Beschlussgegenstand und-ergebnis erkennbar bleiben. Im konkreten Fall bedeu-tet dies eine Nachbearbeitung von Protokollen auszehn Jahren. Dieser hohe Verwaltungsaufwand istwohl nicht unverhältnismäßig im Sinne des IFG. Allenbetroffenen Kammern kann daher nur empfohlen wer-den, zukünftig bei der Erstellung von Protokollen da-rauf zu achten, dass sich Beratung und Beschlussleicht voneinander trennen lassen.

Rechtsanwalt Dr. Alexander Siegmund, München

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

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ArbeitsrechtArbeitsrecht aktuell1.7.2017, München, Sheraton München WestparkHotel

Arbeitsrecht im Arbeitnehmermandat – erprobte Kon-zepte15.7.2017, Kiel, Haus des Sports

DAIvent: Aktuelles Arbeitsrecht an der Ostsee – Teil 1:Fremdpersonaleinsatz – neuer Arbeitnehmerbegriff –Arbeitsvertragsrecht; Teil 2: Prozessrecht – Zahlungs-klage – Prozessvergleiche im Arbeitsrecht10.–12.8.2017, Lübeck-Travemünde, ATLANTIC GrandHotel Travemünde

Sommerkurs: Schwerbehindertenarbeitsrecht – BEM –Entgeltfortzahlung24.–26.8.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

81. Fachanwaltslehrgang Arbeitsrechtab 31.8.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Bank- und KapitalmarktrechtDAIvent: Aktuelles Bank- und Kapitalmarktrecht an derOstsee – Teil 1: Aktuelle Rechtsprechung zum Kapital-marktrecht – Neueste Entwicklungen in der Rechtspre-chung zum Kredit- und Kreditsicherungsrecht; Teil 2:Aktuelle Entwicklungen bei Allgemeinen Geschäfts-bedingungen zu Preisen und Entgelten im Bankrecht17.–19.8.2017, Lübeck-Travemünde, A-Rosa Trave-münde

Bau- und ArchitektenrechtUpdate VOB/B: Aktuelle Entwicklungen, insb. bei Ver-tragsänderungen und Kündigungsgründen22.7.2017, Kiel, Haus des Sports

ErbrechtAktuelles Erbschaftsteuerrecht für Erbrechtler1.7.2017, Kiel, Haus des Sports

Das Pflichtteilsmandat1.7.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main), DAI-Ausbildungscenter

FamilienrechtUnterhalts- und Zugewinnberechnungen mit Excel ef-fektiv gestalten: Excelberechnungen anhand der neues-ten BGH-Rechtsprechung4.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Teilungsversteigerung des Familienheims – Chancenund Risiken7.7.2017, Tübingen, Hotel Stadt Tübingen

Sommerkurs: Unterhaltsrecht anhand von Fällen13.–15.7.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt amMain), DAI-Ausbildungscenter

DAIvent: Aktuelles Familienrecht an der Ostsee –Teil 1: Elternunterhalt; Teil 2: Bewertungen und aktuel-le BGH-Rechtsprechung im Familienrecht2.–4.8.2017, Lübeck-Travemünde, ATLANTIC GrandHotel Travemünde

Sommerkurs: Bewertung im Familienrecht – Stolper-steine Zugewinn und Versorgungsausgleich10.–12.8.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Gewerblicher RechtsschutzRelative Eintragungshindernisse im Spiegel der Recht-sprechung von EuGH und EuG12.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

DAIvent: Aktuelle Entwicklungen im GewerblichenRechtsschutz an der Ostsee10.–12.8.2017, Lübeck-Travemünde, A-Rosa Trave-münde

Handels- und GesellschaftsrechtSommerkurs: Unternehmenskauf6.–8.7.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

InformationstechnologierechtEU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) – NeueVerpflichtungen und Compliance-Anforderungen5.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

InsolvenzrechtInsolvenzanfechtung: Reform 201712.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

DAIvent: Aktuelles Insolvenzrecht an der Ostsee –Teil 1: Das Gutachten des Insolvenzverwalters – UpdateInsolvenzanfechtung – Sanierungsberatung; Teil 2: Ge-sellschaftsrecht für Insolvenzverwalter10.–12.8.2017, Lübeck-Travemünde, A-Rosa Trave-münde

KanzleimanagementDas digitale Büro1.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Miet- und WohnungseigentumsrechtAktuelle Entwicklungen im Wohnraummietrecht unterbesonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung6.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Der Mietprozess von A bis Z21.7.2017, Tübingen, Hotel Stadt Tübingen

DAIvent: Aktuelles Mietrecht an der Ostsee – Teil 1:Gewerberaum- und Wohnraummietrecht; Teil 2: Ak-tuelle Rechtsprechung und aktuelle Verfahrensfragenim Wohnungseigentumsrecht17.–19.8.2017, Lübeck-Travemünde, ATLANTIC GrandHotel Travemünde

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AKTUELLE HINWEISE

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(Fortsetzung S. XII)

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Vertragsgestaltung im Gewerberaummietverhältnis un-ter Berücksichtigung der aktuellen BGH-Rechtsprechung25.8.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

MigrationsrechtPraxisprobleme des Aufenthalts- und Staatsangehörig-keitsrechts sowie des Asyl- und Flüchtlingsrechts5.7.2017, Düsseldorf, Tagungsraum der RAK Düssel-dorf

SozialrechtSGB-Beitragsrecht aktuell für Arbeits-, Steuer- und Sozi-alrechtler5.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Effektive Prüfung von Rentenbescheiden8.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Wiederholungs- und Vertiefungskurs Sozialrecht 201731.8.–2.9.2017, Kassel, Schlosshotel Bad Wilhelms-höhe

SteuerrechtDer außergerichtliche Steuerstreit7.7.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Sommerkurs: Internationales Steuerrecht27.–29.7.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt amMain), DAI-Ausbildungscenter

Sommerkurs: Bilanzrecht intensiv24.–26.8.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

VergaberechtAktuelle Fragen des Vergaberechts6.7.2017, Düsseldorf, Tagungsraum der RAK Düssel-dorf

VERANSTALTUNGEN

UNION INTERNATIONALE DES AVOCATS (UIA) –WORKSHOP IN HAMBURG/JAHRESKONGRESSIN TORONTO

Die UIA ist eine der traditionsreichsten internationalenRechtsanwaltsorganisationen. Über ihre Einzel- undKollektivmitglieder erreicht sie über zwei Millionen Kol-leginnen und Kollegen in über 120 Ländern.

Auf nahezu wöchentlichen UIA-Veranstaltungen unter-schiedlichster Formate und auf allen Kontinenten wer-den sowohl fundiertes Grundlagenwissen vermitteltals auch aktuelle Rechtsentwicklungen diskutiert. Da-rüber hinaus engagiert sich die UIA weltweit intensivin berufs- und menschenrechtlichen Fragen.

Workshop zu Mediation in Hamburg

Am 29. und 30.6.2017 findet in Hamburg ein interna-tionaler UIA-Mediations-Workshop statt. Dieser wirdvon der Mediationstrainerin Prof. Dr. Nadja Alexandergeleitet. Prof. Dr. Alexander ist Direktorin der Singapo-re International Dispute Resolution Academy (SIDRA),Professorin an der Singapore Management University,Mediatorin sowie unabhängige Beraterin internationa-ler Körperschaften mit Schwerpunkt in der grenzüber-schreitenden und interkulturellen Mediation. Der Work-shop beschäftigt sich insbesondere mit der Vorberei-tungsphase sowie mit der Rolle des Rechtsbeistandswährend der Mediation. Weiter vermittelt der Workshopanhand praktischer Übungen das von Prof. Dr. Alexan-der entwickelte Mediations-Metamodell, welches aufsechs verschiedenen Mediationsmodellen basiert. DieTeilnehmer erhalten nach Abschluss der Veranstaltungdas SIDRA Certificate for Mediation Advocacy. Teilneh-mer mit Erfahrung als Parteivertreter in der Mediationund entsprechend geführten Nachweisen ihrer Tätigkeithaben die Möglichkeit, nach Abschluss des Workshopsihre Bewerbung für das international anerkannte IMICertiticate für Mediation Advocacy/Mediation Advising(www.imimediation.org) einzureichen. Die Veranstaltungfindet in englischer Sprache statt.

Einzelheiten zum Programm sowie das Anmeldeformu-lar für den Workshop finden Sie auf der Homepage derUIA unter www.uianet.org. Für weitere Auskünfte ste-hen Dr. Mario Krogmann, Präsident des German Na-tional Comittees der UIA ([email protected]), so-wie Verena Moll, UIA-Direktorin für Weiterbildung([email protected]) zur Verfügung.

Jahreskongress in Toronto

Erstmals seit 30 Jahren findet vom 27. bis 31.10.2017wieder ein UIA-Jahreskongress in Kanada statt. Torontoist mit 2,7 Millionen Einwohnern die größte Stadt Kana-das, Kultur- und Wirtschaftszentrum sowie einer der be-deutendsten Finanzplätze der Welt. Die UIA und ihreOrganisatoren erwarten erneut mehr als 1.000 Kolle-ginnen und Kollegen aus über 70 Ländern, rund 300hochrangige Referenten aus allen juristischen Berufenund eine Vielzahl von Fachveranstaltungen.

BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017 | AKTUELLE HINWEISE

XII

(Fortsetzung von S. X)

otto-schmidt.de/pla5 | otto-schmidt.de/plak4

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Zu den übergreifenden Hauptthemen des UIA-Jahres-kongresses gehören in diesem Jahr die Ausbeutungder natürlichen Lebensgrundlagen und die damit ver-bundenen Fragestellungen, sowohl auf allen wirt-schaftsrechtlichen Gebieten als auch unter menschen-rechtlichen Gesichtspunkten („Natural Resource Exploi-tation: Business and Human Rights“), ferner dieGeltendmachung und Durchsetzung von Terrorismus-schäden, insbesondere gegenüber Regierungen undBehörden, aber auch gegenüber Privatunternehmen,beispielsweise Kommunikationsunternehmen und Be-treibern „sozialer Medien“, die als Plattform für be-stimmte Kommunikationsformen und Netzwerke in An-spruch genommen werden („Legal Remedies for Vic-tims of Terrorism“).

Darüber hinaus finden von Freitag bis Dienstag wie ge-wohnt rund 30 Workshops, Seminare und Podiumsver-anstaltungen zu Themen aus allen Rechtsgebietenstatt. Auch für diejenigen, die sich in ihrer praktischenArbeit nicht schwerpunktmäßig mit den Hauptthemendes Kongresses beschäftigen, bestehen also zahlreicheOptionen, sich zu informieren und einzubringen. Un-abhängig hiervon bietet jeder UIA-Jahreskongress Ge-legenheit, sich von Beiträgen aus fachfremden Rechts-gebieten anregen zu lassen.

Weitere Informationen über den UIA-Jahreskongress inToronto sowie über alle weiteren Veranstaltungen undAktivitäten der UIA finden Sie unter www.uianet.org.Gern stehe ich darüber hinaus für Fragen und Anre-gungen zur Verfügung. Bitte senden Sie mir eineE-Mail an [email protected].

Dr. Mario Krogmann, Hamburg, Präsident desGerman National Comittees der UIA

ARBEITSTAGUNG DER ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜRVERWR IM DAV – LANDESGRUPPE SACHSEN/SACHSEN-ANHALT/THÜRINGEN

Die diesjährige Jahresarbeitstagung wird am10.11.2017 im Historischen Festsaal des Rathausesvon Quedlinburg stattfinden.

Der Präsident des VerwG Halle, Ulrich Meyer-Bocken-kamp wird über die aktuelle Rechtsprechung des Er-schließungs- und Ausbaubeitragsrechtes referieren,die Vors. Richterin am VerwG Dresden Renate Czubwird zu den Problemen im Schulrecht vortragen, Minis-terialdirigent im Sächsischen Ministerium der Justiz,Dresden, ehemals Vorsitzender Richter am OLG Dres-den Robert Bey trägt zum Thema „Die elektronischeAkte und das beA“ vor und Rechtsanwalt und Fach-anwalt für Verwaltungsrecht, Hamm, Michael Hoppen-berg zum „Der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz“.

Auskünfte und Anmeldungen:

Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht im DAV,– Landesgruppe Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen –,E-Mail: [email protected]

AKTUELLE HINWEISE | BRAK-MITTEILUNGEN 3/2017

XIII

Neuauflageschon registriert?

Unangefochten und unschlagbar – das ist der Gustavus seitüber 30 Jahren, wenn es um die Anmeldung beim Handelsre-gister geht. Notare, Rechtsanwälte und deren Bürovorsteher,aber auch Rechtspfleger, Registerrichter und die Geschäfts-führer und Syndici der Unternehmen selbst schlagen in die-sem Standardwerk nach, um zu erfahren, ob und wie Vorgängeoder Veränderungen in einem Unternehmen zumHandelsre-gister angemeldet werdenmüssen.

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Elterliche Sorge und UmgangDr. Michael Giers21.06.2017 | 08.11.2017

Vollstreckung von UnterhaltstitelnDr. Michael Giers06.07.2017

Aktuelle Entwicklungen im Recht derfaktischen PartnerschaftProf. Dr. Martin Löhnig18.07.2017

Überlassung der Ehewohnung zur Allein-nutzungDr. Isabell Götz24.08.2017

Haftungsfallen im Güter- und Versorgungs-ausgleichsrechtDr. Rainer Kemper27.11.2017

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Page 59: JUNI 2017 48. JAHRGANG 3/2017 - BRAK-Mitteilungen · 16.3.2017 1AGH 26/16 Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für Geschäftsführertätig-keit (LS) 137 AGH Nordrhein-Westfalen 10.2.2017

Beispielhaftes Rechenwerk.

Mit dem „Leipziger Kostenspiegel“, herausgegeben und inhaltlich betreut von der Län-dernotarkasse, steht demNotar und seinenMitarbeitern ein ganz besonderes, höchsteffektives Hilfsmittel zur Verfügung, das keine Kostenfrage unbeantwortet lässt.

Für die Neuauflage hat das Autorenteam vieles optimiert: Die Darstellung derBeispielrechnungenwurde neu konzipiert und ist jetzt noch eingängiger. DieErläuterungen sind vertieft worden. Die inzwischen vorliegende Rechtsprechungund Literatur zumGNotKG sind eingearbeitet.

Der ganz spezielle, fallorientierte Ansatz, mit dem dasWerk schon in seiner erstenAuflage einen sicheren, reproduzierbaren Umgangmit dem notariellen Kostenrechtgewährleistet hat, wurde natürlich beibehalten.

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Leipziger Kostenspiegel

Notarkosten – Sachverhalt – Rechnung– Erläuterung.Herausgegeben vonder Ländernotarkasse. Bearbeitetvon denMitarbeitern der dortigenKostenprüfungsabteilung. 2. neubearbeitete Auflage 2017, ca. 1.600Seiten Lexikonformat, gbd. 89,80 €.Erscheint im Juli.ISBN 978-3-504-06764-9.

topaktuelle

Neuauflage

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