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Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser
Kapitel 7
Erwartungsbildung,
Konsum und
Investitionen
Version: 20.12.2011
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 2
Erwartungen und Konsumnachfrage
Eine Theorie, die explizit die Erwartungen der
Konsumenten berücksichtigt, wurde von
Milton Friedman (Die Permanente Einkommens-
hypothese) und
Franco Modigliani (Die Lebenszyklushypothese
des Konsums)
in den 50er Jahren erarbeitet.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 3
Konsumverhalten bei perfekter Voraussicht
Ein perfekt voraussehender Konsument trifft seine
Konsumentscheidung, indem er den Wert seines
gesamten Vermögens (GVt) zugrunde legt:
Das Gesamtvermögen umfasst:
Den Wert seines Humanvermögens. Dies ist der vom
Konsumenten abdiskontierte Wert seines zukünftig erwarteten
Einkommensstroms nach Steuern.
Die Summe aus Finanz-, Immobilen- und Sachvermögen.
Hierbei handelt es sich auch um abdiskontierte zukünftige
Zahlungsströme, deren Gegenwartswert in der Regel vom
Markt ermittelt wird.
( )t tC C GV
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 4
Konsumverhalten bei perfekter Voraussicht
Die Annahme hinter dieser Konsumfunktion ist, dass das Gesamtvermögen des Konsumenten einen permanenten Einkommensstrom über seine Lebenszeit erzeugt, der zu Konsumzwecken verwendet werden kann.
Der konstante Konsumstrom (also der jährliche Konsum ausgedrückt in realen Gütereinheiten), den sich ein Konsument leisten kann, ergibt sich aus seinem Gesamtvermögen geteilt durch seine erwartete Restlebenszeit.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 5
Konsumverhalten bei perfekter Voraussicht
aus dem 2-Periodenmodell im Wachstumskapitel
permanentes Einkommen 𝑦 : 𝑦1 +𝑦2
1+𝑟= 𝑦 +
𝑦
1+𝑟
Konsumglättung (Keynes-Ramsey-Regel): 𝑐2 = 𝑐1𝛽(1 + 𝑟), wenn 𝛽 = 1 + 𝑟 (langfristig), dann 𝑐2 = 𝑐1 = 𝑐
aufgrund der Konkavität der Nutzenfunktion gilt: 𝑈 𝑐 >𝑈 𝑐1 + 𝛽𝑈 𝑐2 (in der Abbildung ist aus Vereinfachungs-gründen 𝛽 = 1)
ct
U(ct)
c1 c2 𝒄
𝑼 𝑼(𝒄 )
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 6
Konsumverhalten bei perfekter Voraussicht
Probleme dieser Sichtweise:
1. Kann eine solche Rechnung über die gesamte Lebenszeit
überhaupt durchgeführt werden?
2. Es besteht ein hohes Maß an Unsicherheit.
3. Die Existenz von Kreditrestriktionen verhindert die
Erzeugung eines konstanten Konsumstroms.
Beispiel eines Studenten, der über kein Einkommen
verfügt und der sich über seine Studienzeit einen Kredit
aufnehmen müsste, um den jährlichen Konsum zu
realisieren.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 7
Eine realistischere Darstellung
Konsum hängt nicht nur vom Gesamtvermögen
sondern auch vom jetzigen Einkommen ab.
t( , )t LT tC C GV Y T
LT tY T aktuell verfügbares Einkommen.
tT Reale Steuern in t.
LtY Reales Arbeitseinkommen in t.
Empirische Studien über die relative Bedeutung von
Vermögen und von gegenwärtigen Einkommen für die
Konsumentscheidung zeigen, dass beide den
Konsum beeinflussen.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 8
Eine integrierte Sichtweise des
Konsumverhaltens
Welche Rolle spielen Erwartungen bei der
Bestimmung des Konsums?
Sie beeinflussen den Konsum über zwei Kanäle:
Der direkte Kanal ist das Humanvermögen, bzw. die
Erwartungen des Konsumenten über zukünftiges
Einkommen, zukünftige Realzinsen und zukünftige Steuern.
Der indirekte Kanal ist das Vermögen aus Aktien, Anleihen,
und Immobilien. Die Erwartungen über den Wert des Finanz-
und Sachvermögens werden auf den Finanzmärkten gebildet.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 9
Eine integrierte Sichtweise des
Konsumverhaltens
Erwartungen über ein stärkeres Wachstum in der
Zukunft:
1. erwartete Produktion erwartetes Arbeitseinkommen
Humanvermögen Gegenwartskonsum
2. erwartete Produktion erwarteter Gewinn erwartete
Dividende Aktienkurse Finanzvermögen
Gegenwartskonsum
Problem der starken Schwankungen von Finanztiteln
transitorische (vorübergehende) Änderungen der
Aktienkurse sollten keinen Einfluss auf den heutigen
Konsum haben
permanente (dauerhafte) Änderungen schon
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 10
Aktienkursschwankungen und Konsum
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 11
Aktienkursschwankungen und Konsum
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 12
Aktienkursschwankungen und Konsum
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 13
Eine integrierte Sichtweise des
Konsumverhaltens
Veränderungen des aktuellen Einkommens werden insgesamt nicht 1:1 in Konsumänderungen umgesetzt: Ein dauerhaftes Sinken des Einkommens senkt das
Humanvermögen und führt zu einem dauerhaft gesunkenen Konsum.
Vorübergehende Veränderungen des laufenden Einkommens, wie z.B. in einer Rezession oder in einer Boomphase, führen dazu, dass sich der Konsum unterproportional mit dem Einkommen verändert.
0 1 0 1
0 1 2
Konsum in der kurzen Frist:
0
Konsum in der langen Frist:
1 1 0
t tt t t t
t t t
t t t t
t t t
t t
t t
c c Y TC C Y c c TC c c Y T
Y Y Y Y
C C YC s Y s
Y Y
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 14
Erwartungen und Konsumnachfrage
Die Konsumnachfrage ist abhängig vom
Gesamtvermögen und vom aktuellen Einkommen.
Da der Realzins in die Berechnung des
Gesamtvermögens eingeht, bestimmt er auch das
aktuelle Konsumniveau mit.
Die Stärke der Konsumreaktion bei Einkommens- und
Vermögensänderungen hängt davon ab, ob die
beobachteten Veränderungen als dauerhaft
(permanent) oder vorübergehend (transitorisch)
erachtet werden.
Bei Einkommensänderungen wird der Konsum
unterproportional reagieren.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 15
Investitionen
Investitionsentscheidungen hängen von den laufenden
Verkäufen, den gegenwärtigen realen Zinsen und den
Erwartungen über die Zukunft ab.
Die Entscheidung eines Unternehmens, eine
Maschine zu kaufen, hängt vom Gegenwartswert der
Gewinne ab, welche die Firma erwarten kann, wenn
sie diese Maschine kauft. Dagegen stehen die Kosten
der Anschaffung.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 16
Gewinnerwartungen und Investitionen
Abschreibungen:
Um die erwartete Lebensdauer der Investition sowie
ihre Nützlichkeit in den nächsten Jahren zu ermitteln,
müssen Abschreibungen berücksichtigt werden.
Die Abschreibungsrate misst, welches Ausmaß an
Funktionsfähigkeit eine Maschine während eines
Jahres einbüßt.
Abschreibungen mindern den Gewinn.
Vernünftige Werte für liegen zwischen 4% und 15%
für Maschinen und zwischen 2% und 4% für Gebäude
und Fabriken.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 17
Gewinnerwartungen und Investitionen
Der Gegenwartswert der erwarteten Gewinne, V(et):
Der Gegenwartswert im Jahr t des erwarteten Gewinns
im Jahr t+1 ist gleich:
1
1
1
e
t
tr
Im Jahr t+2,
Für den Gegenwartswert des gesamten erwarteten
Gewinns gilt nun:
2
1
11
1 1
e
e t
t t
( )( r )( r )
1 2
1
1 11
1 1 1
e e e
t t tet t t
Vr r r
In t getätigte Investition erbringt
erstmals Gewinne in t+1.
Die erste Abschreibung
findet in t+2 statt.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 18
Gewinnerwartungen und Investitionen
Die Bestimmung des Gegenwartswertes der Gewinne:
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 19
Die Investitionsentscheidung
It bezeichne die aggregierten Investitionen, t bezeichne
den Gewinn je Maschine (oder je Kapitaleinheit) für die
gesamte Ökonomie, und V(et) bezeichne den erwarte-
ten Gegenwartswert des Gewinns je Kapitaleinheit.
Dann ergibt sich folgende Investitionsgleichung:
e
t tI I V
In Worten: Investitionen hängen positiv vom erwarteten
Gegenwartswert zukünftiger Gewinne (je Kapitaleinheit)
ab.
V(et) hängt wiederum positiv von den aktuellen und den
erwarteten Gewinnen und negativ von den aktuellen und
den erwarteten Realzinsen ab.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 20
Investitionen und der Aktienmarkt
James Tobin argumentierte, dass es eine enge Beziehung zwischen dem Aktienmarkt und den Investitionen gibt.
Der Aktienpreis offenbart einem Unternehmen, wie der Aktienmarkt eine bereits investierte Einheit Kapital bewertet.
Dies entspricht seiner Zahlungsbereitschaft für eine weitere Einheit.
Wenn die Aktienmarktbewertung den Kaufpreis einer Maschine übersteigt, sollte das Unternehmen diese kaufen.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 21
Investitionen und der Aktienmarkt
Die Marktkapitalisierung von Unternehmen (Aktienpreis multipliziert mit der Anzahl an Aktien) dividiert durch den Wert des Kapitalstocks der Unternehmen bezeichnet man als Tobin’s q.
Tobin`s q ist das Verhältnis zwischen dem Wert einer Kapitaleinheit und ihrem aktuellen Wiederbeschaffungswert, d.h. den Preis, den Unternehmen zahlen müssten, um alle Investitionsgüter neu zu beschaffen.
Je höher der Wert des Kapitals relativ zu seinem Wiederbeschaffungswert ist, desto höher sollten die Investitionen sein.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 22
Investitionstätigkeit und Aktienmarkt
Tobin`s q und das Verhältnis von Investitionen zu Kapital, jährliche Veränderungsraten, USA 1960-1999
Empirisch ist ein
enger Zusammen-
hang zwischen
Investitionen und
der Aktienmarkt-
bewertung
feststellbar.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 23
Ein vereinfachter Spezialfall
Nehmen wir an, dass:
Zukünftige Gewinne sowie die Realzinsen in Zukunft den
beobachteten Wert beibehalten, und
Wirtschaftssubjekte statische Erwartungen (sie erwarten,
dass die Zukunft der Gegenwart entspricht) haben.
Unter diesen Annahmen lässt sich
folgendermaßen darstellen:
e tt
t
V( )r
1 2
1
1 11
1 1 1
e e e
t t tet t t
Vr r r
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 24
Ein vereinfachter Spezialfall
Die Investitionen sind eine Funktion des Verhältnisses
zwischen Gewinn je Kapitaleinheit und der Summe aus
Realzinsen und Abschreibungsrate.
Den Ausdruck bezeichnet man als Gebrauchs-
bzw. Mietkosten des Kapitals.
Es handelt sich dabei um Opportunitätskosten, die den
mit der Investitionsentscheidung einhergehenden
Verzicht auf alternative Anlageformen misst.
e
t tI I V Wenn: und
Dann gilt:
tr
e tt
t
V( )r
tt
t
I Ir
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 25
Aktuelle versus zukünftige Gewinne
Investitionen hängen sowohl von den zukünftig
erwarteten Gewinnen als auch von Veränderungen
des aktuellen Gewinns ab.
Grund 1: Die Firmen nehmen einen Anstieg der
aktuellen Gewinne als Hinweis für einen dauerhaften
Gewinnzuwachs in der Zukunft.
eher unwahrscheinlich
e
t t tI I V ,
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 26
Aktuelle versus zukünftige Gewinne
Investitionen hängen sowohl von den zukünftig
erwarteten Gewinnen als auch von Veränderungen
des aktuellen Gewinns ab.
Grund 2: Unternehmen zögern, Kredite aufzunehmen,
wenn ihre gegenwärtigen Gewinne niedrig sind.
Wenn die Gewinne heute allerdings sehr hoch sind,
muss das Unternehmen keinen Kredit aufnehmen, um
seine Investitionen zu finanzieren. Es muss also nicht
potenzielle Gläubiger überzeugen.
e
t t tI I V ,
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 27
Aktuelle versus zukünftige Gewinne
0
20
40
60
80
100
120
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
in %
der
gesam
ten V
erm
ögensbild
ung
Innenfinanzierungsquote, Deutschland
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 28
Investitionen und Gewinnerwartungen
Der Zusammenhang zwischen Investitionen und aktuellen Gewinnen, USA 1960-2003
Obwohl unsere Theorie vorhersagt, dass aktuelle Gewinne nur eine
unbedeutende Rolle bei der Bestimmung der Investitionen einnehmen, weisen
beide Größen einen engen empirischen Zusammenhang auf.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 29
Unternehmensumsatz und Unternehmens-
gewinn
Was sind die Determinanten des
Unternehmensgewinns?
Umsatzniveau (approximiert durch die Produktion Yt)
eingesetzter Kapitalstock
Wenn der Umsatz pro Kapitaleinheit steigt, dann sollte
auch der Gewinn pro Kapitaleinheit zunehmen:
tt
t
Y
K
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 30
Unternehmensumsatz und Unternehmens-
gewinn
Veränderungen des Gewinns pro Kapitaleinheit und der Produktion pro Kapitaleinheit in den Vereinigten Staaten, 1960-2004
tt
t
Y
K
Normalerweise
entwickeln sich
Gewinne und
Produktion
gleichgerichtet.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 31
Investitionen und Gewinnerwartungen
Ähnlich wie beim Konsum sollte allerdings ein Anstieg
des aktuellen Gewinns bzw. Umsatzes nur dann zu
Investitionen führen, wenn das Unternehmen erwartet,
dass dieser Anstieg nicht nur temporärer bzw.
transitorischer Natur ist.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 32
Die Volatilität von Konsum und Investitionen
Investitionen sind volatiler als der Konsum. Wenn sich das Einkommen verändert, werden Konsumenten
ihren Konsum nie um mehr verändern als sich ihr Einkommen verändert hat.
Investitionen hingegen können sich stärker als der aktuelle Gewinn verändern, wenn davon ausgegangen wird, dass der Gewinnanstieg von längerer Dauer ist.
Bsp.: das Verhältnis von Kapital zu Umsatz ist 4; ein dauerhafte Umsatzanstieg um 10 Mio. € erfordert unmittelbare Investitionen i.H.v. 40 Mio. €, um das Verhältnis aufrecht zu erhalten; in den Folgeperioden gehen die Investitionen auf ihren ursprünglichen Pfad zurück
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 33
Die Volatilität von Konsum und Investitionen
Relative Wachstumsraten von Konsum und Investitionen in Deutschland, 1960-2005
Die Volatilität des Konsums ist wesentlich geringer als die Volatilität der
Investitionen.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 34
Die Volatilität von Konsum und Investitionen
Normalerweise bewegen sich Konsum und
Investitionen gemeinsam.
Beide Komponenten tragen langfristig gleich viel zu
den Schwankungen der Produktion bei.
Zwar sind die Schwankungen der Investitionen höher als die
des Konsums, allerdings ist der Anteil der (Ausrüstungs-)
Investitionen am Bruttoinlandsprodukt deutlich geringer als
der des privaten Konsums.
Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 35
Die Volatilität von Konsum und Investitionen
Anteile am Bruttoinlandsprodukt, Deutschland
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Ausrüstungsinvestitionen privater Konsum