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– 185 – – 186 – Adressänderungen, Neu- und Abbestellungen bitte an: verlag nova & vetera e.K., Bataverweg 21, 53117 Bonn (i.A. des Hrsg.) David Berger: Editorial ............................................................ Walter Hoeres Selektive Wahrnehmung – Fragen zum Fall Sobrino ................ Georg Muschalek: Priestermangel – Nicht eine Not, sondern die Freiheit zu neuen Möglichkeiten ........................................... Josef Spindelböck Die Botschaft von Fatima als Aufruf zur Bekehrung der Herzen Wolfgang F. Rothe Die Pfarrei. Ihr Wesen und Auftrag, ihre Gefährdung und Zukunft Impressum ................................................................................ Joseph Schumacher Die Wertschätzung der Vernunft im katholischen Denken ........ Joseph Overath: Herbert Vorgrimlers Eschatologie zwischen Biblizismus und Traditionsschelte ............................................. Peter-Julian Eymard Lobrede auf den hl. Thomas von Aquin .................................... KONTROVERSE Maximilian Krah Die Kraft in der verschieden gewordenen Gesellschaft ............ Walter Hoeres Die Nivellierung geht weiter ..................................................... BUCHBESPRECHUNGEN Peter H. Görg Peter Dyckhoff: Einübungen in das Ruhegebet ......................... Stefan Hartmann Raniero Cantalamessa: Schauen auf den dreifaltigen Gott ......... Harm Klueting: Beate Beckmann u.a. (Hrsg.): Die unbe- kannte Edith Stein: Phänomenologie und Sozialphilosophie .... Josef Spindelböck Francisco F. Carvajal: Lauheit – wenn die Liebe erkaltet ......... T HEOLOGISCHES Katholische Monatsschrift Begründet von Wilhelm Schamoni Jahrgang 37, Nr. 5/6 Mai/Juni 2007 G 6892 PVSt, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, G6892 INHALT 186 187 191 195 199 214 215 227 235 239 244 245 247 251 253 Ende April berichtete das „Schwäbische Tagblatt“ über den Widerstand, den der „Priesterrat der Diözese Rottenburg-Stutt- gart“ gegen die von Rom unzweideutig geforderte Richtigstel- lung der deutschen Übersetzung des pro multis in der Neuüber- setzung des Messbuchs mit Berufung auf die Heilige Schrift geäußert hat (Ausgabe vom 26.4.2007). Dieser Vorgang provo- ziert zwei Fragen: zunächst einmal nach den Auswirkungen des Rätesystems auf die katholische Kirche in Deutschland; sodann nach den biblischen Grundlagen der Übersetzung der Konse- krationsworte. So erlauben wir uns zu Beginn dieses Heftes mit einer gewissen Genugtuung auf zwei neue Bände der im Zu- sammenhang mit der Zeitschrift THEOLOGISCHES herausgegebe- nen Reihe QUAESTIONES NON DISPUTATAE hinweisen. Zum einen konnte Prof. Georg Mays Studie „Die andere Hierarchie“ aufgrund der anhaltenden großen Nachfrage nun in einer dritten Auflage erscheinen. Sie geht zurück auf einen beeindruckenden Vortrag, den der international bekannte Kir- chenrechtler 1997 in Fulda gehalten hat. Obgleich die wenige Wochen nach diesem Vortrag erschienene Vatikanische „In- struktion zu einigen Fragen über die Mitwirkung der Laien am Editorial

Katholische Monatsschrift - · PDF filetal, frontal geschieht, sondern subkutan, indem man ganz einfach nur noch vom Menschen Jesus spricht. Und ihn als edlen, gottbe-geisterten Menschen

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Adressänderungen, Neu- und Abbestellungen bitte an:verlag nova & vetera e.K., Bataverweg 21, 53117 Bonn (i.A. des Hrsg.)

David Berger: Editorial ............................................................Walter HoeresSelektive Wahrnehmung – Fragen zum Fall Sobrino ................Georg Muschalek: Priestermangel – Nicht eine Not, sonderndie Freiheit zu neuen Möglichkeiten ...........................................Josef SpindelböckDie Botschaft von Fatima als Aufruf zur Bekehrung der HerzenWolfgang F. RotheDie Pfarrei. Ihr Wesen und Auftrag, ihre Gefährdung und ZukunftImpressum ................................................................................Joseph SchumacherDie Wertschätzung der Vernunft im katholischen Denken ........Joseph Overath: Herbert Vorgrimlers Eschatologie zwischenBiblizismus und Traditionsschelte .............................................Peter-Julian EymardLobrede auf den hl. Thomas von Aquin ....................................

KONTROVERSE

Maximilian KrahDie Kraft in der verschieden gewordenen Gesellschaft ............Walter HoeresDie Nivellierung geht weiter .....................................................

BUCHBESPRECHUNGEN

Peter H. GörgPeter Dyckhoff: Einübungen in das Ruhegebet .........................Stefan Hartmann Raniero Cantalamessa: Schauen auf den dreifaltigen Gott .........Harm Klueting: Beate Beckmann u.a. (Hrsg.): Die unbe-kannte Edith Stein: Phänomenologie und Sozialphilosophie ....Josef SpindelböckFrancisco F. Carvajal: Lauheit – wenn die Liebe erkaltet .........

THEOLOGISCHESKatholische Monatsschrift

Begründet von Wilhelm Schamoni

Jahrgang 37, Nr. 5/6 Mai/Juni 2007

G 6892

PVSt, Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, G6892

INHALT

186

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Ende April berichtete das „Schwäbische Tagblatt“ über denWiderstand, den der „Priesterrat der Diözese Rottenburg-Stutt-gart“ gegen die von Rom unzweideutig geforderte Richtigstel-lung der deutschen Übersetzung des pro multis in der Neuüber-setzung des Messbuchs mit Berufung auf die Heilige Schriftgeäußert hat (Ausgabe vom 26.4.2007). Dieser Vorgang provo-ziert zwei Fragen: zunächst einmal nach den Auswirkungen desRätesystems auf die katholische Kirche in Deutschland; sodannnach den biblischen Grundlagen der Übersetzung der Konse-krationsworte. So erlauben wir uns zu Beginn dieses Heftes miteiner gewissen Genugtuung auf zwei neue Bände der im Zu-sammenhang mit der Zeitschrift THEOLOGISCHES herausgegebe-nen Reihe QUAESTIONES NON DISPUTATAE hinweisen.

Zum einen konnte Prof. Georg Mays Studie „Die andereHierarchie“ aufgrund der anhaltenden großen Nachfrage nun ineiner dritten Auflage erscheinen. Sie geht zurück auf einenbeeindruckenden Vortrag, den der international bekannte Kir-chenrechtler 1997 in Fulda gehalten hat. Obgleich die wenigeWochen nach diesem Vortrag erschienene Vatikanische „In-struktion zu einigen Fragen über die Mitwirkung der Laien am

Editorial

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Dienst der Priester“ sich wie eine Bestätigung der Ausführun-gen Mays von höchster kirchlicher Stelle liest (Msgr. Bök-mann), scheint es, dass man in Deutschland nur ansatzweise ge-willt war, die klaren Weisungen des Lehramtes auch konkretumzusetzen.

Von größter Aktualität ist daher nach wie vor die gesamteStudie. Noch immer gilt, was Prof. May am Ende seiner Arbeitschreibt: „Das Rätesystem muss ersatzlos abgeschafft werden,damit die Hirten ihre Freiheit, ihre Hauptesstellung in derGemeinde und ihre Berufsfreudigkeit wieder erlangen können.Wenn das Priestertum leben soll, muss die von den deutschenBischöfen aufgebaute Räteherrschaft sterben.“ Auch was derKanonist zur Institution des Priesterrates schreibt, wird ange-sichts der oben angesprochenen Episode gut verständlich: „DerPriesterrat ist kein Fundament, auf dem sich etwas Solides er-bauen ließe, sondern Treibsand, der von den Fluten der Zeit-strömung hin- und herbewegt wird. In den Sitzungen wird vielZeit vertan, unerleuchtete Meinungen melden sich häufig zuWort.“ (S.52) – man möchte ergänzen: und scheinen sich nichtselten sogar durchzusetzen! (Georg May, Die andere Hierar-chie, 179 Seiten, € 12,-).

Der Frage nach der korrekten Übersetzung der eucharisti-schen Einsetzungsworte Jesu bzw. des pro multis geht in demXII. Band der Reihe P. Franz Prosinger vom Standpunkt derExegese nach. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dassCard. Ratzinger nicht allzu lang vor seiner Wahl zum Papst

diese Studie sozusagen ausdrücklich empfohlen hat. Es existiertein Brief, in dem er 2004 schrieb: „… dass P. Prosinger von derPetrusbruderschaft bei dem weltberühmten Exegeten des Bibel-Instituts, P. Vanhoye S.I., eine Lizentiatiatsarbeit über dieseFrage geschrieben und ganz klar bewiesen hat, dass die Über-setzung [der eucharistischen Einsetzungsworte Jesu in der latei-nischen Wendung pro multis] ‚für viele’ heißen muss, was vonden gestrengen Prüfern des Bibel-Instituts auch angenommenworden ist.“

Liest sich das Buch Mays wie ein Kommentar zurLaieninstruktion, so stellt diese Arbeit eine großartige Apologiejenes Briefes vom November 2006 dar, mit dem KardinalArinze im Auftrag des Heiligen Vaters die korrekte Überset-zung anmahnte. Die überarbeitete und aktualisierte StudieProsingers wird durch eine ausführliche Einleitung desDogmatikers Manfred Hauke (Lugano) in die Thematik untersystematischem Aspekt ergänzt (Franz Prosinger, Das Blut desBundes – vergossen für viele? 133 Seiten, € 10,-).

Die Mitglieder eines Priesterrates, der immerhin beansprucht„Senat des Bischofs“ zu sein, wären gut beraten, sich mit der ein-schlägigen Fachliteratur zu beschäftigen, bevor sie derartigeÄußerungen in die Öffentlichkeit transportieren und damit denWiderstand gegen Römische Weisungen herausfordern.

Dem Verlag Franz Schmitt (Bestelladresse auf der letztenSeite des Heftes!) gebührt das Verdienst, beide Bände zu einemgünstigen Preis verfügbar gemacht zu haben.

David Berger

WALTER HOERES

Selektive Wahrnehmung Fragen zum Fall Sobrino

Qualis homo, talis eius oratio. Wie der Mensch ist, so ist seine Sprache.

Cicero: Tusculanae disputationes 5,47

Rückschauend wirft die Zensurierung des salvadorianischenBefreiungstheologen Jon Sobrino zwei zusammenhängende Fra-gen auf, die den Fall als überaus exemplarisch für die Kirchen-krise erscheinen lassen. Sie ist ja eine Glaubenskrise, die ganz si-cher viele Facetten, aber eine einheitliche Wurzel hat. Von ihrläßt sich jedenfalls dann sprechen, wenn aus ihr alle einzelnen„Neuformulierungen“ des Glaubens, die de facto seiner Aufhe-bung gleichkommen und alle Versuche, Glaubenswahrheitendurch geflissentliches Totschweigen zu verdrängen, abgeleitetwerden können sowie auch der Verlust der Ehrfurcht und die er-satzlose Streichung bisheriger Frömmigkeitsformen. Und wirrennen offene Türen ein, wenn wir diesen letzten Grund derGlaubenskrise in dem schleichenden Arianismus, der Leugnungder Gottheit Christi erblicken, die in der Regel nicht offen, bru-tal, frontal geschieht, sondern subkutan, indem man ganz einfachnur noch vom Menschen Jesus spricht. Und ihn als edlen, gottbe-geisterten Menschen beschreibt.

Statt von seiner gottmenschlichen Natur sprechen die Vertreterder Christologie von unten, die sich längst in erschreckenderBreite eingebürgert hat, von der „Faszination“, die Jesus auf sie

ausübe. Das ist das neue Edelwort, das sie ständig im Munde füh-ren und mit dem sie zugleich konzedieren, daß sie den überlie-ferten Glauben an die Menschwerdung Gottes durch die Bewun-derung für eine überragende humane Lichtgestalt ersetzt haben.

Die Nagelprobe für unsere Behauptung, daß der Arianismusder eigentliche Grund und Mittelpunkt der Glaubenskrise sei,ist leicht. Schon die historisch kritische Exegese, die heute dieTheologiestudenten verunsichert, steht eben als „kritische“ un-ter dem Vorbehalt, daß nicht sein kann, was nicht sein darf undman mithin die sogenannten „Hoheitstitel Jesu“, die ihm in derSchrift gegeben werden, rein natürlich oder schlimmer nochpsychologisch erklären muß: wiederum mit der „Faszination“oder Bewunderung, die die Jünger Jesu für den Meister emp-fanden. Wenn so die rein natürliche Erklärung die stillschwei-gende hermeneutische Voraussetzung der Exegese wird, dannfällt natürlich auch die Jungfrauengeburt, die so aus einem rea-len Ereignis zu einer bloßen menschlichen Haltung, zur blei-benden keuschen Gesinnung Marias wird, sodaß man raffiniertmit der einen Hand Maria jene Reverenz erweist, die man ihrmit der anderen als Mutter Gottes stillschweigend wiedernimmt. Dann kann man auch die Wunder Jesu im Sinne derBultmannschen Entmythologisierung wegfallen lassen, wie dasbekanntlich kirchenweit geschieht und von uns oft genug doku-mentiert worden ist. Und dann wird auch die Auferstehung Jesu

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– wiederum psychologisch – zu einem Widerfahrnis der Jüngerumfunktioniert.

Daß der subkutane oder ganz offene Arianismus auch denSchwund der eucharistischen Frömmigkeit erklärt, liegt auf derHand. Welcher Vater, so wird heute schon allenthalben gut hu-manistisch argumentiert, würde seinen Sohn derart unmensch-lichen Qualen wie der Kreuzigung aussetzen ! Wobei die still-schweigende Voraussetzung, die heute theologisches Denkenso sehr vergiftet, wieder die gleiche ist. Man setzt die Bezie-hung Christi zu seinem Vater ganz einfach mit der eines norma-len Menschen zum Vater gleich und dann hat man natürlichrecht! Und so kann keine Rede mehr davon sein, daß Christusam Kreuze für uns ein Opfer von unermeßlichem Wert darge-bracht hat. Daß mit der Leugnung des Sühnopfercharakters desKreuzestodes auch das Wesen der hl. Messe als unblutige Ver-gegenwärtigung des Kreuzesopfers in Frage gestellt wird, liegtauf der Hand. Und doch sprechen schon die Kirchenzeitungenvon der „problematischen Tradition“, die davon ausging: „Jesusmußte den Kreuzestod erleiden, um die Ehre des Vaters wieder-herzustellen“. Dazu Herbert Frohnhofen, Professor für Dogmatikan der katholischen Fachhochschule Mainz im „Sonntag“ vom11.9.1994: „Diese Auffassung wird heute mit Recht auch deshalbabgelehnt, weil sie ein problematisches Gottesbild voraussetzt“.

Der schleichende Arianismus ist schließlich der Grund fürden ständigen Ärger über die hierarchische Struktur der Kirche,die letzten Endes darin begründet ist, daß sie der mystischeLeib Christi ist. Wie versichert uns doch P. Medard Kehl SJ, sei-nes Zeichens Dogmatiker an der philosophisch-theologischenHochschule St. Georgen in Frankfurt: Die Kirche „ist keineswegsder fortlebende Christus“! Wobei durchaus zu beachten ist, daßder Kontext diese Aussage stützt und allererst ermöglicht.1

An dieser Stelle würde es zu weit führen, den Zusammen-hang dieses einseitigen Jesuanismus mit dem Modalismus zuentwickeln, den so prominente Theologen wie Karl Rahner ver-treten haben und der darin besteht, die Besonderheit der gött-lichen Personen und damit das Geheimnis der hl. Dreieinigkeitso sehr zu verdunkeln, daß von ihm allenfalls eine verschiede-ne Benennung Gottes oder ganz einfach die Tatsache verbleibt,daß er in je verschiedenen Beziehungen zu den Geschöpfensteht. Seitens der Rahner-Schüler, die den Meister immer nochmit einer nahezu kultischen Verehrung umgeben, wurde denVorwürfen natürlich wieder das Standard-Argument entgegen-gehalten, man habe ihn falsch verstanden und er habe etwasvöllig anderes gemeint als das, was man ihm unterstelle.

Und damit sind wir schon bei der ersten Frage, die uns zudieser Rückschau auf die Irrungen und Wirrungen des FallesSobrino motiviert. Warum drücken sich so viele unserer theolo-gischen Wortführer gerade heute im Angesicht der apokalypti-schen Glaubenskrise so verkürzt und verschwommen aus, wennes um die Gottheit Christi und damit um das Geheimnis der In-karnation geht? Der Jesuitenorden, so ein Sprecher der Gesell-schaft Jesu, werde nicht nur keine Sanktionen gegen Pater So-brino ergreifen. Er sei im Gegenteil vollkommen einverstandenmit dem, was er geschrieben habe. Die von der Glaubenskon-gregation kritisierten Zitate seines Werkes beträfen lediglich

Aussagen, die gegen die Intention des Verfassers verstandenwerden könnten. Somit gehe es nicht um Glaubensabweichun-gen, sondern allein um Defizite in der Darstellung theologi-scher Fragen wie der des Verhältnisses von göttlicher undmenschlicher Natur in der Person Jesu.

Wir sehen hier davon ab, daß diese offene Aufmüpfigkeitgegen Rom selbst heute noch singulär ist. Liest man freilich dieregelmäßigen kritischen Kommentare der Jesuitenzeitschrift„Stimmen der Zeit“ zu den römischen Verlautbarungen, dannist man nicht mehr ganz so überrascht. Und das umso weniger,wenn man die theologische Ausrichtung des Ordens in den letz-ten Jahrzehnten verfolgt, die dazu geführt hat, daß er unter dergleichen Auszehrung leidet wie die ganze Kirche. Aber wenn esstimmt, und es wirklich allein um Aussagen geht, „die gegendie Intention des Autors verstanden werden können“ und somitin Darstellung und Ausdruck schwerwiegende Mängel aufwei-sen, dann erhebt sich doch die Frage, wie so etwas möglich ist.Warum ergänzen die betr. Autoren ihre einfühlsame Beschrei-bung des Menschen Jesus und seiner Solidarität mit den Armennicht einfach durch den unmißverständlichen Hinweis, daß erder Sohn Gottes, ja wahrer Gott und Mensch ist? So aber bleibtangesichts der ständigen Versicherungen, die ja als solche nichtneu sind, man habe sich nur unvollkommen und „verkürzt“ aus-gedrückt, ein merkwürdiger Nachgeschmack und der nahelie-gende Verdacht, man wolle den eigenen unterschwelligen Aria-nismus mit einer Unbeholfenheit entschuldigen, die man frühernoch nicht einmal einem Seminaristen hätte durchgehen lassen.

Immerhin sollte ein so langes Studium, wie es der Jesuiten-orden seinen Angehörigen gewährt, ausreichen, daß sie sich indieser Hinsicht, auf die heute alles ankommt, klar und unmiß-verständlich ausdrücken und zwar so, daß die ganze Spannwei-te des Christusglaubens gewahrt und vor allem kein Zweifel anihrem eigenen Bekenntnis bleibt. Und das gilt mutatis mutandisvon all den heutigen Theologieprofessoren und berufenen Ver-kündern, die nur den „Jesus zum Anfassen“ predigen und darobzur Rede gestellt flugs ihre volle und ganze, genuine Recht-gläubigkeit betonen. Zudem wäre es gerade für die, die sich beiihrem legitimen Kampf für eine gerechtere Gesellschaft auf dasEvangelium berufen, doch eine ungleich erhabenere Vorstel-lung und Möglichkeit, sich hier auf den alten und von Sieges-zuversicht erfüllten Kampfruf der Kirche „Gott mit uns!“ unddamit auf den Sohn Gottes zu berufen, der aus ErbarmenMensch geworden ist, als auf den zum Sozialapostel verkürztenMenschen Jesus, der immer schon weiß, wo den kleinen Mannder Schuh drückt!

Und damit stehen wir schon bei der zweiten Frage, die derFall Sobrino anregt. Wie kommt es, daß das oberste Lehramtbei seinen Zensuren so selektiv verfährt: eine Frage, die ohneweiteres weitergegeben werden kann an die Glaubenskommis-sion der Bischöfe ? Wir erinnern uns an die monatelangen Aus-einandersetzungen, die wir damals zusammen mit dem Dogma-tiker an der inzwischen aufgelösten philosophisch-theologi-schen Hochschule Königstein Prof. Leander Drewniak OSB umdas Buch des Frankfurter Dogmatikers Hans Kesssler: “Erlö-sung als Befreiung“ geführt haben,2 Damals schrieb Prof.Drewniak in der „Deutschen Tagespost“, man glaube seinenAugen nicht zu trauen, wenn man hier lesen müsse: „Daß Jesus

1 Medard Kehl SJ: Die Kirche. Eine katholische Ekklesiologie. Würzburg1992 S.80. Vgl. dazu Walter Hoeres: Ende der Vereinnahmung? In: Theo-logische Blütenlese (Respondeo 12) Siegburg 2001, S. 64ff. 2 Düsseldorf 1972.

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Immerhin erregte der Vorgang damals noch einiges Aufse-hen. Aber auch das scheint inzwischen nicht mehr der Fall unddamit verschärft sich noch unsere Frage nach dem Grunde derselektiven Zensurierung unserer Jesuaner. Schon vor Jahrenhaben wir auf die ebenfalls bis zur Unkenntlichkeit verkürzen-de Leugnung der Präexistenz Christi als des von Ewigkeit herexistierenden Wortes Gottes durch den Tübinger Theologiepro-fessor Karl-Josef Kuschel hingewiesen, der sinnigerweise ineiner von der Katholischen Akademie der Erzdiözese Freiburgherausgegebenen Schrift zu dem Ergebnis kommt: „Jesus hatmöglicherweise weder von sich als Gottessohn gesprochen,noch gar Aussagen über seine Präexistenz als Gottessohngemacht … Die nachösterliche Rede von Jesus als Gottessohnhat ihren Sachgrund nicht in Jesu göttlichem Wesen, nicht ineiner präexistenten Gottessohnschaft, sondern in der Praxis derVerkündigung des irdischen Jesus selber: in seiner einzigarti-gen Beziehung zu Gott“.5

Daß auch der prominenteste Rahner-Schüler Herbert Vor-grimler Schwierigkeiten mit der Christologie und hier beson-ders mit dem Konzil von Chalkedon hat, ist bekannt und vonuns anhand seines weitverbreiteten Taschenbuches: „Jesus-Got-tes und des Menschen Sohn“ ausführlich kommentiert worden.6

Offenbar stellt er sich die beiden Naturen in Christus wie Stangenvor, die in seinem Personsein zusammenlaufen. Anders ist dieFrage nicht zu verstehen, die er hier aufwirft und die eine bestür-zende Unkenntnis philosophischer Grundbegriffe verrät. „Sinddenn Naturen fertige Größen wie Bausteine einer Maschine? Wasgehört eigentlich zu einer Natur? Ist Person neben oder über denNaturen zu denken?“7 Um schließlich im Gegensatz zum Konzilvon Chalkedon und damit zur Glaubenstradition der Kirche demMenschen Jesus eine eigene Personalität zuzuschreiben8. Und diejesuanische Tendenz geht hier so weit, daß er selbst die Sünden-losigkeit Christi in Zweifel zieht und das mit dem Argument, daß„Jesus“ eben ein ganzer Mensch gewesen sei!

Unbestreitbar ist, daß eine oder zwei Schwalben noch keinenSommer machen. Doch wer die theologische Literatur der letz-ten Jahre verfolgt hat, wird zugeben müssen, daß der Arianis-mus sich zur lähmenden und weitverbreiteten Heimsuchung derKirche entwickelt hat und durch eine selektive Exegese gestütztwird, deren kritisches Bewußtsein darin besteht, von vornehe-rein all die vielfältigen Zeugnisse für die Gottheit Christi auszu-blenden, die immer wieder in den hl. Schriften des neuen Bun-des aufleuchten. Und vor diesem Hintergrund sind unsere bei-den Fragen nur allzu berechtigt.

selbst aber seinem Tod eine besondere Bedeutung für anderezugeschrieben habe, dafür finden wir keine Anhaltspunkte. Alleneutestamentlichen Aussagen, die den Tod Jesu als Heilsereig-nis verstehen, sind erst nach Jesu Tod entstanden … Wir wissennicht einmal, wie Jesus das über ihn verhängte Todesurteil auf-genommen hat. Mag sein, daß er das sich ihm aufdringende To-desschicksal am Ende als etwas sehen lernte, was mit Gottesunbegreiflicher Führung zusammenhing … Wir wissen esnicht“. Und Kessler fährt fort: „Mit allergrößter Wahrschein-lichkeit kann die heutige neutestamentliche Forschung sagen:Jesus hat seinen Tod nicht als Sühnopfer, nicht als Genugtuung,nicht als Loskauf verstanden, und es lag auch nicht in seinerAbsicht, gerade durch seinen Tod die Menschen zu erlösen“.3

Um schließlich dem Ganzen in der inzwischen auch nicht mehroriginellen Weise die Krone aufzusetzen: „Streng genommenwird also im ganzen Neuen Testament die Aussage von der In-karnation im späteren Sinne überhaupt nicht gemacht. Die Redevom Fleischwerden des Logos bleibt vielmehr ein Mittel, dasauszusagen, was der irdische Weg und das irdische Wirken Jesuvon Nazareth bedeuten“.4

Dabei geht es hier nicht darum, alten Kohl, „crambe repeti-ta“ aufzuwärmen. Aber der Fall zeigt mit erschreckender Deut-lichkeit, daß sich am Argumentationsmuster der Beschwichti-gungsstrategen nichts geändert hat. Damals wurde uns von bi-schöflicher Seite – es war noch die Zeit des Limburger Diöze-sanbischofs Dr. Wilhelm Kempf – bedeutet, Kesslers Buch ent-halte keine Glaubensirrtümer, sondern es handele sich allenfallsum eine verkürzte (und als solche dann auch mißverständliche)Darstellung der Person Jesu. Und im gleichen Sinne verteidig-te Rahner den Kollegen Kessler in einem engagierten Leser-brief in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: ganz zuschweigen von den Invektiven, die wir uns von anderer Seiteanhören mußten.

3 A.a.O. S. 24f.4 A.a.O. S. 57.5 Karl-Josef Kuschel: Gottessohn von Ewigkeit. Jüdische Wurzeln-christliche

Entfaltung-existentielle Bedeutung. In: Heute glauben (Freiburger Akade-mieschriften 7) Herausgegeben von der Katholischen Akademie der Erzdiö-zese Freiburg). Düsseldorf 1993 S. 53.

6 Herder-Taschenbuch. Feiburg. Vgl. dazu: Walter Hoeres: Reflektierte Glau-bensboten. In: Theologische Blütenlese (Respondeo l2). Siegburg 200l S. 38ff.Auf die „Mißverständlichkeit“ des Buches von Vorgrimler hat auch AndreasSchönberger in der Una Voce Korrespondenz 1990 Heft 5 hingewiesen.

7 A.a.O. S. 69.8 A.a.O. S. 77.

Walter HoeresSchönbornstr. 47, 60431 Frankfurt/M.

GEORG MUSCHALEK

Priestermangel – Nicht eine Not, sondern die Freiheit zu neuen MöglichkeitenDie Vorbereitung einer zweiten Stufe der Kooperativen Pastoral

Die folgenden Überlegungen gehen von dem Artikel aus:U.F. Schmälzle, Charismen teilen in überschaubaren Räumen.Woran orientieren sich die diözesanen Umstrukturierungsmaß-nahmen?1

Der Autor ist Vorsitzender der Konferenz der deutschspra-chigen Pastoraltheologen und Pastoraltheologinnen.

Die erste Stufe der Kooperativen Pastoral ging fast aus-schließlich von der Tatsache aus, daß ein Priestermangel herr-sche. Auch dies war schon eine Voraussetzung und ein Motivfür die tiefgreifende Reform mit dem Namen „Kooperative Pa-storal“, die nicht einfach der Wirklichkeit entsprachen. Zu-nächst wurde der noch größere Gläubigenmangel, der das Zah-

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1 Herderkorrespondenz Bd.61 4/2007, 175-179.2 Zur genaueren Begründung dieser und der folgenden Aussagen vgl. G. Muscha-

lek, Von der Seelsorge zur Kooperativen Pastoral. Paul van Seth-Verlag 2005.3 A.a.O. S.175 Sp.b unten.4 A.a.O. S.176 Sp.a unten; 178 Sp.a oben.5 179 Sp. A oben.6 177 Sp.a Mitte. 7 178 Sp.a oben.

lenverhältnis anders erscheinen ließ, ignoriert. Damit wurdedann auch zu wenig die allgemeine Entchristlichung einer neu-en Kultur berücksichtigt2.

Jetzt aber haben sich die Gewichte verschoben. Das mächti-ge Motiv für eine weitergehende Umordnung der Pastoral inden Gemeinden ist nun: es wäre sehr schlimm und ein Wider-stand gegen den Geist Gottes, wenn es wieder mehr priesterli-che Berufungen gäbe. Sie würden den Laien ihre reichen cha-rismatischen Befugnisse entziehen.

1. Der neue Entwurf – kritisch gelesen– Nicht große Pastoraleinheiten, sondern „eine auf Augen-

höhe sich entwickelnde Seelsorge im überschaubaren Räumenund Orten“3 tut not

Hier ist die überschaubare Ortsgemeinde gemeint. Sovielauch für sie spricht: hier ist anderes angestrebt. Es soll die Orts-gemeinde bleiben, weil für sie alles Notwendige da ist: die Ge-meindemitglieder mit allen ihren Charismen. In großen seel-sorglichen Räumen, also in pastoralen Verbänden, gäbe es im-mer noch eine irgendwie klerikale Leitung, die die Charismennicht zum Zuge kommen ließe. – „Auf Augenhöhe“ soll siesein. Offenbar soll es keine Über- und Unterordnung mehr ge-ben. Sie soll geschwisterlich sein.

– Nur so kommt der Reichtum der Charismen zutage.Dies ist ein Vorurteil, über das unter Ziffer 2 mehr zu sagen

sein wird– Das Priestertum ist das große Hindernis für die Entfaltung

dieses ReichtumsNach dem Autor ist das Priestertum eine Institution, die das

Heil „garantiert“4 und mit dieser „pastoralen Macht“ „entmün-digt“5 und das Miteinander der Christen in der Gemeinde ehervergiftet6 als fördert. Sowohl das erste wie das zweite sind hin-gesetzte Tatsachen, die theologisch bzw. kirchengeschichtlichnicht haltbar sind. Das sakramentale opus operatum garantiertnicht das Heil. Und ebenso falsch ist die Behauptung, daß die„pastorale Macht“, die jetzt noch den Priestern gehöre, von ihremWesen her (so ist die Bedeutung der Aussage vom Kontext alleinzu verstehen) unterdrücke und vergifte. Diese, das Heil garantie-rende pastorale Macht des Priestertums behindere und verhinde-re die Fülle der freien Charismen der Christen in der Gemeinde.

– Das Heil für die Menschen ist die Präsenz ChristiEin weiteres Schlüsselwort ist die „Präsenz Christi“ als der

Inbegriff des Heils. Ohne Schwierigkeiten findet der Autor Be-lege dafür, daß die Präsenz Christi auch ohne das sichtbare Sa-krament und also ohne Priester möglich sei. Eine wichtigeQuelle für ihn ist das Zweite Vatikanische Konzil. Es wird ineiner erstaunlich großzügigen Weise zitiert. Stellen für die Prä-senz Christi ohne sakramentales Geschehen werden als Belegezitiert. Verschwiegen wird, daß dicht neben diesen Stellen dienotwendige Verknüpfung mit der hierarchischen Struktur derKirche betont wird. Der Autor hätte noch deutlichere und ver-bindlichere Texte in der Schrift selbst finden können. Dort fin-

den sich aber auch Forderungen des Sich-Bindens an den Ortund die geschichtliche Person des Heils. „Wer mein Fleischnicht ißt …“ Der Autor löst die höchst subtile Vielschichtigkeitdes Christentums, wie es der Herr wollte, auf in zwei klar defi-nierte und einander feindlich gegenüberstehende Positionenauf: hier priesterliche Herrschaft und da die freie Welt der Cha-rismen „auf Augenhöhe“. Mehrere Formen der Präsenz Christiohne priesterlich-sakramentale Tätigkeit werden genannt: dasHören des Wortes Gottes (so wie es jeder schon bei sich hat undlesen kann), das gemeinsame Beten („wo zwei oder drei …“),die tätige Liebe, die in dem Notleidenden Christus findet, ohneihn zu kennen.

Präsenz Christi: es ist so wahr, daß wir sie brauchen und daßsie uns verheißen ist. Und doch, wenn sie allein als Heilsmyste-rium hingestellt wird, ist sie ungenügend. Es wird von uns inWirklichkeit ein Glaube gefordert, der das Leben verändert, biszur Teilnahme am Opfer Christi und damit bis zur eigenen Um-gestaltung in Christus hinein. Eine Konzentrierung auf das ei-gene Charisma, das für die anderen wertvoll ist, läßt den Ein-zelnen doch in die Mitte rücken, so sehr dies auch verbal ge-leugnet wird. Es ist eben dann nicht primär die Annahme desWerkes Gottes, die in der Mitte steht. Für Christus ist es mehr diestatische Präsenz. Der Mensch aber teilt mit, aus der eigenen Fül-le (die natürlich vom Geist stammt, wie hinzugefügt wird).

Es kann, wie gewöhnlich, auf verschiedene Aussagen hinge-wiesen werden, die auch gemacht wurden und die beweisensollen, daß diese Defizite oder Reduzierungen nicht bestehen.Es reicht aber nicht – hier wie anderswo – , nur einige Wirklich-keiten auch noch zu erwähnen. Es entscheidet der Kontext unddie sprachliche Gewichtung über die Wichtigkeit des Gesagten.

– Die „Pastoralmacht“7 müsse von den Priestern auf dieLaien übergehen

Die Gründe hierfür sind vor allem: daß in der Schrift und inder frühen Tradition die „Präsenz Christi“ (in den erwähntenFormen) Wirklichkeit wird ohne priesterlich-sakramentale Ver-mittlung; daß die von der Schrift so wichtig gehaltene Gabe derCharismen sich auswirken müsse, unbehindert durch Institutio-nen, und daß nur so ein gutes und geschwisterliches Miteinan-der entstehen kann.

Wenn dies kritisch zu lesen ist, wäre sehr vieles zu sagen.Der Zweck dieser Zeilen zwingt zu kurzen Bemerkungen. Esfällt auf, mit welcher Unbekümmertheit (vielleicht ist esUngeniertheit) mit den Quellen unseres Glaubens umgegangenwird, also mit der Schrift, dem Vaticanum II und der Überliefe-rung der Kirche. Dies wurde schon oben erwähnt. Manchesandere könnte angeführt, ohne Schwierigkeiten. Es kann aberhier nicht geschehen. Nur dies noch: einiges ist schlichtwegfalsch. So die auch sonst oft wiederholte Behauptung, daß dasAmt der Leitung, der Lehre, des Priestertums im Neuen Testa-ment noch nicht vorhanden war. Diese Behauptung ist aber hiereine der wichtigsten Grundpfeiler des Entwurfs. Über andere,gefährliche Reduzierungen der christlichen Botschaft wird un-ter der Ziffer 2 zu reden sein.

2. Die zugrundeliegenden Motive– AutoritätsfeindlichkeitEs wird nicht zu leugnen sein, daß sie vorliegt. Die schnelle

Gleichsetzung von Überordnung mit Unterdrückung und Ernie-

drigung (eine Gleichsetzung, die mehr ist als ein Nachdenkenüber möglichen Mißbrauch) verrät einen inneren Aufstand ge-gen sie selbst. Psychologisch gesehen steckt hinter diesem Auf-stand gewöhnlich die Angst vor der Autorität. Dies aber hier zusagen ist zwecklos, da diejenigen, die es angeht, mit gutemRecht sagen können, daß sie davon bei sich überhaupt nichtsvorfinden. Dieser Widerstand gegen Autorität überhaupt ist nichtnur theologisch falsch und exegetisch überhaupt nicht zubegründen, sondern verstößt auch gegen Grundeinsichten einernüchternen und sehr gut begründeten Psychologie.

– Ideal der Gleichheit und Brüderlichkeit als zu erstrebenderirdischer Heilszustand

Dieser Punkt hat mit dem vorhergehenden zu tun. Das Ver-schwinden der Konflikte und Differenzen zwischen den Men-schen, also Streit und Krieg und Sünde, wird in einer Selbstver-ständlichkeiten erwartet, die durch nichts zu erschüttern ist.

– Die Reduzierung des Heilsmysteriums auf eine eher faßba-re Größe

Das Konzentrieren des Heilswerks Christi auf seine „Prä-senz“ macht es, ohne daß man es vielleicht ausdrücklich will,annehmbarer und faßbarer. Einen Wegbegleiter können wir ne-ben uns spüren, ohne daß man dafür an ein Mysterium glaubenund sich ihm ausliefern müßte. Anderes wird vom HeilswerkChristi nicht gesagt. Es fällt das Opfer Christi aus. Freilich kannhier nicht alles gesagt werden, was zum Heilswerk gehört.Wenn es aber aus dem Kontext heraus hätte gesagt werden müs-sen, kommt das Nichterwähnen einer Leugnung gleich.

– Die Unfähigkeit zum Umgang mit der sehr differenziertenFülle der Kirche

Die Vereinfachung fällt überall auf. In Gegensätzen wird ge-dacht, nicht in Spannungpolen. Eine Schwarzweißzeichnungliegt überall da vor, wo der Mensch Schwierigkeiten mit derdifferenzierten Realität vorfindet. Er kann sich nicht in den vie-len Aspekten unserer Wirklichkeit zurechtfinden. Ein Versuchbesteht dann darin, die Wirklichkeit aufzuspalten in gute undböse Seiten, also in Annehmbares und Zuverwerfendes. DieseTendenz im einzelnen Menschen findet sich dann oft wieder inkollektiven Verhaltensweisen.

3. Die Auswirkungen auf die heutige Kirche– Unsere Glaubenswelt wird verfälscht Die Menschwendung des Sohnes Gottes wird nicht ernstge-

nommen. Sie erscheint nirgendwo, müßte aber erscheinen dort,

wo ungeschmälert, also ganz neu im neutestamentlichen Sinn,von der Präsenz Christi gesprochen wird. Seine Präsenz ist diesakramentale Gegenwart, seine räumlich-zeitliche Faßbarkeit.Der Höhepunkt dieser wirkenden Gegenwart Christi wäre dieEucharistie.

– Eine deutliche Hinwendung zur Reformation als die Lö-sung unserer pastoralen Probleme

„Die Realität und Dynamik einer koinonisch begründetenChristuspräsenz wurde zum Treibsatz der Reformation ... Dergegenwärtige pastorale Notstand kann zur Chance werden,wenn sich die Bistumsleitungen im Sinne der Kirchenkonstitu-tion (LG 8) tatsächlich unter das Evangelium stellen und diePrinzipien der Gemeindeleitung von den in der Bibel bezeugtenFormen der Christuspräsenz her definieren.“ Gemeint ist damitdie Übertragung der Gemeindeleitung an Laien.

– Die Christen werden betrogen um das, worauf sie einAnrecht haben

Es geht im Christentum nicht primär um Ämter, auch nichtum die der Laien, sondern um das große Werk der Erlösung undder Vergöttlichung des Menschen. Dies ist ohne Lehre, ohneLeitung, ohne priesterlichen Opferdienst nicht zu haben (abge-sehen von geheimen anderen Wegen, die Gott mit den Men-schen geht und die unseren Planungen verwehrt sind). Es ist –schlicht gesagt – ein Betrug an den Menschen, die durch dieTaufe ein Recht auf diese neuen Welten haben, auf die Welt derneuen Lehre, die Welt der Führung, die Welt des eucharisti-schen Kultes. Es ist ein Betrug an den Menschen, die sich dage-gen nicht wirklich wehren können.

Die theologischen und historischen Mängel des vorliegen-den Artikels würden es nicht nötig machen, sich mit ihm inten-siver zu beschäftigen. Das auch schon deswegen, weil ähnlicheVorstöße schon früher vorgenommen wurden, worauf der Autorselbst hinweist8.

Da dies aber der neueste Vorstoß ist und er von dem Vorsit-zenden der Konferenz der Pastoraltheologen vorgetragen wird,sollte er doch nachdenklich machen.

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8 So z.B. 178 Sp.b unten.

Prof. Dr. Georg MuschalekRohrstr. 5, 85095 Denkendorf

JOSEF SPINDELBÖCK

Die Botschaft von Fatima als Aufruf zur Bekehrung der Herzen1

Vor 90 Jahren – jeweils am 13. der Monate Mai bis Oktoberdes Jahres 1917 – erschien im portugiesischen Ort Fatima dieheilige Gottesmutter Maria drei Kindern und überbrachte durchsie der ganzen Welt eine Botschaft des Himmels zur Bekehrungund Rettung der Seelen.2

Die drei Seherkinder Lúcia dos Santos, Jacinta und Fran-cisco Marto wurden entsprechend ihrer Auffassungsgabe vonGott durch die Erscheinungen der heiligen Jungfrau Maria in

den Glauben eingeführt. Auf diese Weise verwirklichten sichdie Worte der Gottesmutter im Magnifikat, dass Gott die Nie-drigen erhöht (vgl. Lk 1,52) und jene zerstreut, die stolzen Sin-nes sind (vgl. Lk 1,51), denn als die Kinder diese einfache unddoch so erhabene Botschaft im Auftrag der Gottesmutter an dieMenschen weitergaben, da war es für sie nicht leicht, bei denAngesehenen und Gebildeten, bei den Mächtigen und bei denvon sich selbst Eingenommenen Glauben zu finden. Es bedurf-

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1 Die folgenden Überlegungen gehen zurück auf eine Fatimapredigt, welcheder Verfasser am 5. Mai 2007 in der Peterskirche in Wien anlässlich des „62.Marianischen Sturmgebetes“ gehalten hat.

2 Zur Dokumentation der Ereignisse in Fatima vgl. L. Gonzaga da Fonseca,Maria spricht zur Welt, Freiburg 198218; Adolf Fugel / Georges Inglin, Fati-ma in Wort und Bild. 90 Jahre Weg einer Botschaft des Himmels (1917-2007), Aadorf 2007.

3 Vgl. als vorläufig abschließendes lehrmäßiges Dokument der kirchlichenAnerkennung im Hinblick auf die Veröffentlichung des sog. „Dritten Ge-heimnisses von Fatima“: Kongregation für die Glaubenslehre, Die Botschaftvon Fatima, 13. Mai 2000 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, hg.vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Nr. 147).

4 „Er hat am Anfang den Menschen erschaffen und ihn der Macht der eigenenEntscheidung überlassen.“ – Sir 15,14. Der Mensch soll „seinen Schöpferaus eigenem Entscheid suche(n) und frei zur vollen und seligen Vollendungin Einheit mit Gott gelange(n) [ita ut Creatorem suum sponte quaerat et libe-re ad plenam et beatam perfectionem ei inhaerendo perveniat].“ – 2. Vatika-nisches Konzil, Pastorales Konstitution über die Kirche in der Welt von heu-te „Gaudium et spes“, Nr. 17, lat. in: AAS 58 (1966) 1037.

5 Zum theologischen Stellenwert von sog. Privatoffenbarungen vgl. Leo Scheff-czyk, Privatoffenbarungen, in: Remigius Bäumer / Leo Scheffczyk (Hg.), Ma-rienlexikon, Bd 5, St. Ottilien 1993, Sp. 318-320. Dort heißt es, dass Privat-offenbarungen „nicht zum depositum fidei gehören und auch nicht als dessen

Ergänzung oder Ausweitung verstanden werden können“ (319); mit der kirch-lichen Anerkennung „übernimmt die Kirche nicht die Bürgschaft für den gött-lichen Ursprung der Privatoffenbarungen. Die Anerkennung oder Approbationdurch die Kirche besagt nur, dass solche Kundgaben nichts gegen den Glaubenund die Sitten Gerichtetes enthalten und ohne Gefahr genutzt werden können“(ebd.). Bereits Karl Rahner hatte angemerkt: „Privatoffenbarungen sind inihrem Wesen ein Imperativ, wie in einer bestimmten geschichtlichen Situationvon der Christenheit gehandelt werden soll.“ Sie seien in ihrem Wesen „keineneuen Behauptungen, sondern ein Befehl.“ – Karl Rahner, Visionen undProphezeiungen (Quaestiones Disputatae 4), Freiburg im Breisgau, 19582, 27.

6 Johannes Paul II., Predigt zur Seligsprechung von Jacinta und FranciscoMarto am 13. Mai 2000, in: L’Osservatore Romano. Wochenausgabe indeutscher Sprache, 19. Mai 2000, S.1 und 6.

7 Die Jungfrau Maria fragte die Kinder bei der ersten Erscheinung am 13. Mai1917 ausdrücklich: „Wollt ihr euch Gott darbieten, um alle Leiden zu ertra-gen, die Er euch schicken wird, zur Sühne für die Sünden, durch die Erbeleidigt wird und als Bitte um die Bekehrung der Sünder?“ Die Antwort derKinder war ein freudiges: „Ja, wir wollen es!“, worauf die Gottesmutter sag-te: „Ihr werdet also viel leiden müssen, aber die Gnade Gottes wird eureStärke sein!“ Vgl. Fugel / Inglin, a.a.O., 108.

8 Pius XII. hatte diese heilsdramatische Sichtweise in der Enzyklika „MysticiCorporis“ vom 29. Juni 1943 so formuliert: „Während Er nämlich am Kreu-ze starb, hat Er den unermesslichen Schatz der Erlösung seiner Kirche ver-

te der ganzen Serie von Erscheinungen, verbunden mit wunder-baren Ereignissen wie zuletzt dem Sonnenwunder und zahlrei-chen Gnadenerweisen, sowie schließlich der kirchlichen Aner-kennung, dass diese Botschaft von Fatima zur vollen Entfaltungihrer Wirksamkeit kommen konnte.3

90 Jahre danach kann man fragen: Was haben die Menschenvon der Botschaft der Jungfrau und Gottesmutter Maria begrif-fen? Wie sind sie eingegangen auf ihre eindringlichen Bittennach dem Gebet des Rosenkranzes, nach Umkehr, nach Erneue-rung des Lebens aus dem Glauben? Die Antwort muss naturge-mäß verschieden ausfallen, denn in der Ordnung der Gnade gibtes keinen Automatismus. Jeder Mensch ist frei und soll inFreiheit sein Ja zu Gottes Plan der Erlösung geben.4 Und so istauch die Botschaft von Fatima, die im Wesen nichts anderessein will als eine Kurzfassung und eine Erinnerung an dasEvangelium5, auf jeweils verschiedenen Boden gefallen und hatauf verschiedene Weise Frucht gebracht (vgl. Mt 13,1-9.18-23).Die eigentliche Frucht der Heiligkeit hat sie zuerst in den Se-herkindern selbst hervorgebracht, wenn bewusst gemacht wird,dass Jacinta und Francisco Marto am 13. Mai 2000 von PapstJohannes Paul II. seliggesprochen worden sind.6 Bei Lúcia dosSantos konnte dies aus zeitlichen Gründen noch nicht gesche-hen, da sie erst vor zwei Jahren, am 13. Februar 2005, im hohenAlter von 98 Jahren verstorben ist.

Vielleicht überraschen die Strenge und die Konsequenz, mitder sich die drei „Fatima-Kinder“ den Aufruf der GottesmutterMaria zu Gebet und stellvertretender Buße für die Bekehrungder Sünder und für den Frieden in der Welt zu Eigen gemachthaben. Dies ist nicht mit natürlichen Gründen zu erklären, undauch die schockierende Höllenvision des Juli 1917 vermagnicht den ausreichenden Grund dafür abzugeben. Der eigentli-che Grund für ein solches Übermaß an Opfer und Hingabe desGebetes, das diese Kinder auf sich genommen haben, war dieMacht der Liebe, welche sie in ihrem Herzen ergriffen hatteund sie zu jedem von Gott gewollten Opfer befähigte.7 Gottselbst hatte ihnen durch seine heilige Mutter Maria gezeigt, wiegut er ist und wie groß er den Menschen erschaffen hat und zuwelch hohem Ziel er den Menschen erwählt hat. Von daherwurde den Kindern die Unheilsmacht der Sünde in besondererWeise aufgezeigt und bewusst gemacht, was die Menschen vonGott trennt. Was war dann naheliegender, als dass sich die Kin-

der zu jedem Opfer bereit erklärten, um in geheimnisvoller So-lidarität der Liebe mitzuwirken an der Rettung der Seelen? So-weit es von ihnen abhängen würde, sollte kein Mensch für ewigverloren gehen! Sie hatten den Wert der Ewigkeit begriffen underkannt, dass es letztlich nur darauf ankommt, in der LiebeGottes zu leben und zu sterben. Wenn dies garantiert ist, findetder Mensch sein letztes Glück, seine Seligkeit. Wenn GottesGebote befolgt werden, welche stets Gebote der Liebe sind,dann wird auch Frieden werden auf Erden.

Diese heilsgeschichtlichen Zusammenhänge, welche sich imLeben der drei Seherkinder exemplarisch verwirklicht haben,werden auch im Lauf der Welt- und Kirchengeschichte der ver-gangen 90 Jahre sichtbar: Zwei Weltkriege haben unsäglichesUnheil bewirkt; der Kommunismus hat seine Irrtümer tatsäch-lich über die Welt verbreitet, bevor er überraschend in vielenLändern zusammengebrochen ist und doch noch nicht endgül-tig überwunden scheint. Materialismus und Gottlosigkeit sindauch im Westen für viele prägend geworden, und der offene undauch schleichend-verborgene Abfall vieler Menschen von Gotthaben noch kein Ende gefunden. Die Kirche wurde verfolgt,der jeweilige Heilige Vater musste viel leiden und hat auch jetztgroße Sorgen zu tragen. Angesichts dieser Negativbilanz, dienur schlagwortartig so manche Entwicklung benennen kann,könnte man – rein menschlich gesprochen – aufgeben und inMutlosigkeit und Verzweiflung zurücksinken. Genau dies aberist nicht der Sinn der Botschaft von Fatima!

Fatima ist vielmehr ein Aufruf zur Bekehrung und zumGebet, um all das viele Unheil, welches die Menschen als Folgeder Sünden heimsucht, abzuwenden und Gott anzurufen, dasser sich seines Volkes erbarmen möge. Und Gott, der die Herzenkennt, weiß, wie viel Gutes tatsächlich durch so viele stilleBeter und opferbereite Menschen in den letzten Jahren undJahrzehnten geschehen ist und in der Zukunft noch weitergeschehen wird. Jesus Christus wirkt machtvoll auch in unsererZeit, und der Arm des Herrn ist nicht verkürzt, sondern Gottschenkt Gnade in reichem Maß in den Herzen der Menschen.Erst in der Ewigkeit wird gleichsam die Frucht alles Betens undOpferns offenbar werden: Wie viele Menschen sich zu Gottbekehrt haben, wie viele Menschen neu zum Glauben gefundenhaben und auf diese Weise ihr Heil erlangt haben, weil anderefür sie gebetet und geopfert haben!8

Letztlich ist es aber nie menschliche Kraft, welche die Ret-tung und das Heil bewirken kann: Vielmehr ist es das Erlö-sungsopfer des Herrn, welches er am Kreuz dargebracht hat unddas auf den Altären vergegenwärtigt wird, wenn der Priester inder Person Christi das heilige Messopfer feiern darf.9 Die Kir-che verkündet den Tod des Herrn und seine Auferstehung underwartet die ewige Vollendung bei der Wiederkunft des Herrn.

Die Gottesmutter Maria ruft also durch die Seherkinder mitder ganzen Kraft und Innigkeit ihrer mütterlichen Liebe dieMenschen dazu auf, ihr Leben in Dankbarkeit als GeschenkGottes anzunehmen und zu einer Gabe der Liebe für viele zumachen. So wie Maria als Jungfrau und Gottesmutter auf Erdendem Heilsplan Gottes treu gedient hat, indem sie geglaubt, ge-betet, geopfert und im Herzen gelitten hat, sollen auch die ein-zelnen Christen in Einheit mit ihr ihre Herzen Gott in Liebedarbringen, damit möglichst viele Menschen gerettet werden.

Weil die heilige Gottesmutter Maria in einzigartiger Weisemit Gott verbunden ist, erträgt es ihr mütterliches Herz nicht,dass Gott so sehr und so viel von den Sünden der Menschenbeleidigt wird. Sie erträgt es nicht, dass Seelen verlorengehen,für die ihr Sohn Jesus Christus sein kostbares Blut vergossenhat. Sie erträgt es nicht, wenn die Guten gleichgültig sind undlau, und fleht darum von Herzen alle an, umzukehren und end-lich zu beginnen, mit Gottes Gnade nach Heiligkeit zu streben.Die Liebe Christi drängt die himmlische Mutter, in Fatima undan vielen anderen kirchlich anerkannten Erscheinungsorten dieBotschaft der Umkehr und der Hinwendung zu Gott zu verkün-den. Wer ein Herz hat, wird wir die Bitte der Gottesmutter nichtüberhören, sondern sich bemühen, ihr nach Kräften zu entspre-chen. Dann wird Gott – wie es in Fatima verheißen ist – dieTage der Menschen segnen und ihnen seinen Frieden und seineLiebe in Fülle schenken.

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macht, ohne dass sie ihrerseits dazu beitrug. Wo es sich aber darum handelt,den Schatz auszuteilen, lässt Er seine unbefleckte Braut an diesem Werkeder Heiligung nicht nur teilnehmen, sondern will, dass dies sogar in gewis-sem Sinne durch ihre Tätigkeit bewirkt werde. Ein wahrhaft schaudererre-gendes Mysterium [Tremendum sane mysterium], das man niemals genugbetrachten kann: dass nämlich das Heil vieler abhängig ist von den Gebetenund freiwilligen Bußübungen der Glieder des geheimnisvollen Leibes JesuChristi, die sie zu diesem Zweck auf sich nehmen; und von der Mitwirkung,die die Hirten und Gläubigen, besonders die Familienväter und -mütter, unse-rem göttlichen Erlöser zu leisten haben.“ Dt. zitiert nach: W. Jussen (Hg.), Ge-rechtigkeit schafft Frieden. Reden und Enzykliken des Heiligen Vaters PapstPius XII., Hamburg 1946, Nr. 453, S.301; lat. in: AAS 35 (1943) 213.

9 Bei dieser Gelegenheit darf an folgende lehramtliche Aussage im feierlichenGlaubensbekenntnis Pauls VI. erinnert werden: „Wir glauben, dass die Mes-se, die vom Priester kraft der durch das Weihesakrament empfangenen Ge-

walt in der Person Christi gefeiert und von ihm im Namen Christi und derGlieder seines mystischen Leibes dargebracht wird, in Wahrheit das Opfervon Kalvaria ist, das auf unseren Altären sakramental gegenwärtig wird.[Nos credimus Missam, quae a sacerdote in persona Christi, vi potestatis persacramentum Ordinis receptae, celebratur, quaeque ab eo Christi et membro-rum eius mystici Corporis nomine offertur, revera esse Calvariae Sacrifici-um, quod nostris in altaribus sacramentaliter praesens efficitur.]“ – Paul VI.,Sollemnis professio fidei, 30. Juni 1968, in: AAS 60 (1968) 437-445, hier442, dt. in: Ferdinand Holböck, Credimus. Kommentar zum Credo PaulsVI., Salzburg 19702, 37.

Dr. theol. habil. Josef SpindelböckKleinhain 63107 St. Pölten-TraisenparkÖsterreich

WOLFGANG F. ROTHE

Die PfarreiIhr Wesen und Auftrag, ihre Gefährdung und Zukunft1

0. EinleitungWoran denkt ein gläubiger und seinen Glauben praktizieren-

der katholischer Christ in erster Linie, wenn von Kirche die Re-de ist? An die Gesamtkirche und den Papst? An die Diözese undden Bischof? Oder an seine Pfarrei und deren Pfarrer? In derRegel wird man wohl davon ausgehen können, dass Letzteresder Fall ist: In der Pfarrei begegnet der Gläubige der Kirche inkonkreter, erfahrbarer, ihm vertrauter Gestalt. Die Pfarrei ist je-ne Erscheinungsform von Kirche, durch die der Gläubige über-haupt erst in die Lage versetzt wird, die Kirche in ihren ande-ren wesentlichen Erscheinungsformen – als Gesamtkirche undTeilkirche [Diözese] – kennen und diese anderen Erscheinungs-

1 Den folgenden Ausführungen liegt das Manuskript eines im Rahmen einerVeranstaltung des Katholischen Bildungswerks am 11. Dezember 2006 inWeitra (Diözese St. Pölten) gehaltenen Vortrags zugrunde, das im Hinblickauf die Veröffentlichung geringfügig überarbeitet und mit Anmerkungenversehen wurde.

formen in ihren jeweiligen Bedeutungen und Bezügen verste-hen zu lernen. Die Pfarrei ist die örtliche, heimatliche und imIdealfall familiäre Erscheinungsform von Kirche, Ortskirche imwahrsten Sinn des Wortes.2

Dieser Tatsache hat auch das Zweite Vatikanische KonzilRechnung getragen, indem es bereits in seinem ersten Doku-

2 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: „Der Priester, Hirte und Leiter derPfarrgemeinde“ – Instruktion (4. August 2002), Città del Vaticano 2002 (deut-sche Übersetzung: SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ [Hg.]:Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, 157), Nr. 18. Vgl. auch LUDWIGSCHICK: Die Pfarrei, in: JOSEPH LISTL / HERIBERT SCHMITZ (Hg.): Handbuchdes katholischen Kirchenrechts, 2., grundlegend neubearbeitete Auflage, Re-gensburg 1999, 484-496, 484-485. Die mitunter gebräuchliche Bezeichnungder Teilkirche (Diözese) als Ortskirche (vgl. z. B. GISBERT GRESHAKE: Teilkir-che – 1. Begriff, in: STEPHAN HAERING / HERIBERT SCHMITZ [Hg.]: Lexikon desKirchenrechts [= Lexikon für Theologie und Kirche kompakt, 7], Freiburg imBreisgau / Basel / Wien 2004, 938-940, 939) ist hingegen – zumindest in derRegel – sachlich unzutreffend.

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3 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Konstitution über die heilige Liturgie „Sa-crosanctum Concilium“ (4. Dezember 1963), in: Acta Apostolicae Sedis 56(1964), 97-138 (deutsche Übersetzung in: HEINRICH SUSO BRECHTER u.a.[Hg.]: Das Zweite Vatikanische Konzil – Dokumente und Kommentare, TeilI [= Lexikon für Theologie und Kirche, Zwölfter Band, 2., völlig neu bear-beitete Auflage], Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1966, 15-109), Nr. 42.

4 ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Dogmatische Konstitution über die Kirche„Lumen gentium“ (21. November 1964), in: Acta Apostolicae Sedis 57(1965), 5-75 (deutsche Übersetzung in: BRECHTER [Hg.]: Das Zweite Vatika-nische Konzil [s. Anm. 3], 157-347), Nr. 26.

5 Vgl. auch KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nrn. 18-20. WOLFGANG F. ROTHE: Der Pfarrer als „pastor proprius paroeciae sibicommissae“ – Anmerkungen zu einem wenig beachteten Dokument der Kle-ruskongregation, in: Forum Katholische Theologie 19 (2003), 254-271, 258.

6 Vgl. hierzu und zum Folgenden PETER KRÄMER: Pfarrei – 1. Begriff und Ge-schichte, in: STEPHAN HAERING / HERIBERT SCHMITZ (Hg.): Lexikon des Kir-chenrechts (= Lexikon für Theologie und Kirche kompakt, 7), Freiburg imBreisgau / Basel / Wien 2004, 743-746, 744.

7 Vgl. WINFRIED AYMANS: Kanonisches Recht – Lehrbuch aufgrund des Co-dex Iuris Canonici, Band II – Verfassungs- und Vereinigungsrecht, Pader-born / München / Wien / Zürich 1997, 190; Franz Kalde: Diözesane und qua-sidiözesane Teilkirchen, in: LISTL / SCHMITZ (Hg.): Handbuch des katholi-schen Kirchenrechts (s. Anm. 2), 420-425, 425.

ment, der Konstitution über die heilige Liturgie, auf die Bedeu-tung der Pfarrei hingewiesen hat, die „auf eine gewisse Weisedie über den ganzen Erdkreis hin verbreitete sichtbare Kirche“darstellt3. Die Pfarrei ist aber nicht nur eine Darstellung, eineSichtbarwerdung, ein Abbild der universalen katholischenKirche, sondern weit mehr. Nach der Lehre des wohl bedeu-tendsten Konzilsdokuments, der dogmatischen Konstitutionüber die Kirche, ist die universale Kirche Christi „wahrhaft inallen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwe-send […]. In diesen Gemeinden, auch wenn sie oft klein undarm sind oder in der Diaspora leben, ist Christus gegenwärtig,durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostoli-sche Kirche geeint wird“4.

Aus diesem Befund lassen sich zwei auf den ersten Blickvielleicht widersprüchlich erscheinende, in Wirklichkeit abergegenseitig ergänzende Schlussfolgerungen ziehen. Erstens:Eine Ortskirche ist niemals die Kirche schlechthin. Sie ist derenTeil und folglich nicht das Ganze. Sie ist überhaupt nur dannKirche, wenn sie sich nicht in sich selbst verschließt und gegen-über allem anderen abschottet, sondern als Teil des Größerenund Ganzen versteht, das heißt zunächst als Teil der betreffen-den Teilkirche (Diözese), dann vor allem aber auch als Teil dereinen, heiligen, katholischen und apostolischen Gesamtkirche.Zweitens: Die Gesamtkirche bleibt ohne die konkrete Verwirk-lichung in den Ortskirchen eine mehr oder weniger abstrakte,gesichtslose Größe. Um den Gläubigen die Gegenwart und dasHeilswirken Christi verkünden und erfahrbar machen zu kön-nen, bedarf sie der „Erdung“, das heißt der Verwirklichung undKonkretisierung vor Ort.

Im Folgenden soll darum einmal der Frage nachgegangenwerden, wessen die Ortskirche (worunter hier und im Folgen-den die Pfarrei verstanden wird) überhaupt bedarf, um als Teilder Gesamtkirche Kirche zu sein – mit anderen Worten: was dasWesen der Pfarrei ausmacht und worin ihr ureigener und ei-gentlicher Auftrag besteht. Daran anschließend soll in einemzweiten Schritt ein ebenso nüchterner wie ernüchternder Blickin die Zukunft geworfen werden. Denn die Pfarrei – als theolo-gische und kirchenrechtliche Größe ebenso wie in ihren kon-kreten Verwirklichungen vor Ort – ist gegenwärtig in hohemMaß gefährdet.

1. Wesen und Auftrag der PfarreiIm Unterschied zu Gesamt- und Teilkirche (Diözese) gehört

die Pfarrei zwar nicht zu den wesentlichen, dessen ungeachtetaber sehr wohl zu den wichtigen und faktisch unverzichtbarenElementen der Kirchenverfassung.5 Ihre Notwendigkeit und

Existenzberechtigung ergab bzw. ergibt sich daraus, dass – an-ders als in der Urkirche – Teilkirche (Diözese) und Ortskircheim Lauf der Zeit immer häufiger und immer weiter auseinanderfielen6: Anfänglich hatte das Christentum vor allem in den Städ-ten Fuß gefasst. Die städtischen Bischofssitze der Urkirche wa-ren insofern gleichsam Teilkirche (Diözese) und Ortskirche(Pfarrei) in einem. Mit der Ausbreitung des Christentums auchauf dem Land ergab sich jedoch immer mehr die schon reinpraktische Notwendigkeit, dass von den Bischöfen bestimmtePriester mit der Seelsorge in kleineren und abgelegenen Ortenbetraut werden mussten, und zwar fest und auf Dauer.

Aufgrund dieser durchgängigen Entwicklung ist es nachkirchlichem Recht bis heute verbindlich vorgeschrieben, dass„jede Diözese oder andere Teilkirche in verschiedene Teile, d.h. Pfarreien, aufzugliedern“ (can. 374 § 1 CIC) ist.7 Was aberist eine Pfarrei? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein,um von einer Pfarrei sprechen zu können? Wie ist eine Pfarreigrundsätzlich beschaffen und geordnet? Kurz: Was ist es, daseine Pfarrei zur Pfarrei macht?

Wiederum gibt das Kirchenrecht eine klare Antwort: „DiePfarrei ist eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die ineiner Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Hirtensorgeunter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ih-rem eigenen Hirten anvertraut wird“ (can. 515 § 1 CIC). EinePfarrei wird also durch die folgenden Wesensmerkmale ge-kennzeichnet: Sie umfasst (1.) eine bestimmte Gemeinschaftvon Gläubigen; sie ist (2.) Teil einer Teilkirche (Diözese) undin dieser von Rechts wegen auf Dauer errichtet; sie dient (3.)der seelsorglichen Betreuung der ihr zugehörigen Gläubigen;und sie ist (4.) einem unter der Autorität des Diözesanbischofsstehenden Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut. Zu be-achten ist, dass, um von einer Pfarrei sprechen zu können, allediese vier Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssen.

1.1. „Die Pfarrei ist eine bestimmte Gemeinschaft von Gläu-bigen“

Eine bestimmte Einheit unterscheidet sich von einer unbe-stimmten Einheit derselben Art dadurch, dass sie sich von allenanderen Einheiten derselben Art eindeutig abgrenzen lässt. Aufden Gegenstand dieser Ausführungen bezogen bedeutet dies,dass sich eine Pfarrei von allen anderen Pfarreien, besondersnatürlich von den sie unmittelbar umgebenden, eindeutig ab-grenzen lassen muss. Kann daraus nun gefolgert werden, dassdie Pfarrei eine nicht nur separate und in sich geschlossene,sondern auch unabhängige und autonome kirchliche Gemein-schaft bildet? Ist sie selbst der Maßstab ihres Glaubens und ih-rer Kirchlichkeit? Hat sie das Recht, in Fragen des Glaubenswie auch des Gottesdienstes und der kirchlichen Leitung ihreeigenen Wege zu gehen?

Nichts weniger als das! Eine Pfarrei ist ja – wie bereits er-wähnt – vom Kirchenrecht her als eine Gemeinschaft von Gläu-

bigen definiert.8 Als Gläubige im Sinn des Kirchenrechts geltenzwar zunächst einmal alle Getauften (vgl. can. 204 § 1 CIC),doch sind nicht alle Gläubigen in der Lage, die ihnen eigenenRechte und Pflichten im vollen und umfassenden Sinn auszuü-ben (vgl. can. 96 CIC).9 Dies gilt zunächst einmal nur für diekatholischen Gläubigen, das heißt jene, die „voll in der Ge-meinschaft der katholischen Kirche“ stehen, indem sie ihr„durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramenteund der kirchlichen Leitung“ verbunden sind (can. 205 CIC).Mit anderen Worten: Um die den Gläubigen zukommendenRechte und Pflichtend ausüben und etwa eine Gemeinschaftvon Gläubigen im Sinn des Kirchenrechts bilden zu können,muss als Grundvoraussetzung die volle Gemeinschaft im Be-kenntnis des unverkürzten und unverfälschten katholischenGlaubens, in der Feier des Gottesdienstes, vor allem der Sakra-mente und hier wiederum vor allem der heiligsten Eucharistie,sowie in der im Weihesakrament begründeten, hierarchisch ge-gliederten Ordnung der Kirche gegeben sein.

Demgegenüber erfolgt die Abgrenzung der Pfarrei gegenü-ber anderen Pfarreien „in aller Regel territorial“, das heißt, sieumfasst „alle Gläubigen eines bestimmten Gebietes“ (can. 518CIC).10 Eine solche gebietsmäßige Abgrenzung hat nichts mitdem Glauben, nichts mit Theologie, nichts mit der Geltung desKirchenrechts zu tun, sondern folgt rein praktischen Gegeben-heiten. Denn die Pfarrei ist – wie Winfried Aymans treffend for-muliert – schlicht und einfach die „effektivste Seelsorgsein-heit“11: Um den Aufgaben und Problemen der Seelsorge vor Ortgerecht werden zu können, bedarf es eben einer überschauba-ren, vertrauten, im wahrsten Sinn des Wortes bodenständigenOrdnung und Zuständigkeit.

1.2. Die Pfarrei ist „in einer Teilkirche auf Dauer errichtet“Das zweite Charakteristikum einer Pfarrei besteht darin, dass

sie Teil einer Teilkirche, das heißt in der Regel Teil einer Diö-zese ist.12 Diese Feststellung mag zunächst wie ein Gemeinplatzanmuten, ist aber für das theologische und kirchenrechtliche(Selbst)Verständnis der Pfarrei von großer Bedeutung: Wäh-rend die Untergliederung der Gesamtkirche in Teilkirchen(Diözesen) zur wesensmäßigen Verfassung der einen und einzi-gen von Christus gegründeten Kirche gehört und damit göttli-chen, unveränderlichen Rechts ist, folgt die Untergliederungder Teilkirchen (Diözesen) in Pfarreien zum einen geschichtlich

gewachsenen und zum anderen seelsorglich-praktischen Gege-benheiten; sie ist folglich menschlichen, das heißt im Prinzipveränderlichen Rechts.13 Zwar sind die Grenzen einer Teilkirche(Diözese) ebenso veränderlich wie die Grenzen einer Pfarrei,doch gehört es zum Wesen der Kirche bzw. ihrer Verfassung,dass sie aus einer Vielzahl von Teilkirchen (Diözesen) besteht,nicht aber, dass sie aus einer Vielzahl von Pfarreien besteht.

Bedeutet dies nun, dass die Pfarreien etwas Sekundäres, Ne-bensächliches, letztendlich Verzichtbares darstellen? Mitnich-ten! Die erwähnten geschichtlich gewachsenen und seelsorg-lich-praktischen Gegebenheiten sind nämlich derart bedeutsamund bestimmend, dass sie weder ignoriert noch ohne Weiteresverändert werden können, ohne die derzeitige kirchliche Orga-nisations- und Seelsorgestruktur als Ganze auf den Kopf zustellen: Wollte man die Pfarreien grundsätzlich abschaffen,müsste man zugleich ermöglichen und garantieren, dass der zu-ständige Diözesanbischof als der oberste Hirte der ihm anver-trauten Teilkirche (Diözese) selbst die gesamte (Pfarr)Seelsorgeausübt, das heißt den bestehenden Bedarf an Messen undBeichtgelegenheiten deckt und alle anstehenden Taufen, Trau-ungen, Krankensalbungen und Begräbnisse hält.14 Dass das al-lein schon aus praktischen Gründen unmöglich ist, versteht sichvon selbst.

Darum ist im Kirchenrecht vorgesehen, dass die Teilkirchen(Diözesen) nicht nur verbindlich in Pfarreien aufgeteilt werden(vgl. 374 § 1 CIC), sondern dass diese Pfarreien außerdem aufDauer, das heißt auf unbegrenzte Zeit errichtet werden (vgl.can. 515 § 1 CIC).15 Auf diese Weise soll garantiert werden, dassdie kirchliche Organisations- und Seelsorgestruktur nicht Be-liebigkeit und Willkür unterworfen bleibt, sondern von Bestän-digkeit, Verlässlichkeit und Vertrautheit gekennzeichnet ist.

1.3. Die Pfarrei dient der „Hirtensorge“Das kirchliche Gesetzbuch von 1983 endet mit einem pro-

grammatischen Hinweis darauf, dass das Heil der Seelen in derKirche immer das oberste Gesetz sein muss (vgl. can. 1752CIC). Mit anderen Worten: Die Sorge um die Seelen – die Seel-sorge oder Hirtensorge16 – ist ebenso Zweck wie Maßstab fürdas gesamte Sein und Tun der Kirche, für alle ihre Strukturenund Aktivitäten.

Das gilt auch und im Besonderen für die Pfarrei. Denn diePfarrei ist nicht Selbstzweck, sondern dient – wiederum mit denWorten von Winfried Aymans ausgedrückt – „dem ordentlichenVollzug der kirchlichen Heilssendung“17, das heißt sie bildet denbewährten, regulären, allgemein verbindlichen Rahmen, in demdie der Kirche von Christus anvertrauten Heilsmittel, allenvoran die Sakramente und hier wiederum vor allem die heilig-ste Eucharistie, den Gläubigen zugewandt werden.

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8 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 18. Vgl.auch AYMANS: Kanonisches Recht (s. Anm. 7), Band II, 414-415; CHRISTOPHOHLY: Kooperative Seelsorge – Eine kanonistische Studie zu den Verände-rungen teilkirchlicher Seelsorgestrukturen in den Diözesen der Kölner Kir-chenprovinz (= Dissertationen – Kanonistische Reihe, 17), St. Ottilien 2002,8-9 und 24-25.

9 Vgl. hierzu und zum Folgenden AYMANS: Kanonisches Recht, Band II(Anm. 7), 49-59; WOLFGANG F. ROTHE: „Communio“ als Maßstab und Zielder kirchlichen Heilssendung – Kirchenrechtliche Anmerkungen zu einemviel strapazierten theologischen Schlüsselbegriff, in: REINHARD DÖRNER(Hg.): „Prüfet die Geister…“ (1 Joh 4, 1) – Viele Wege, aber der eine Heils-weg (= Berichtband der Osterakademie Kevelaer 2006 des Kardinal-von-Galen-Kreises e. V.), Stadtlohn 2006, 154-176, 170-172.

10 Vgl. AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 414; SCHICK: DiePfarrei (s. Anm. 2), 486; ROTHE: Der Pfarrer als „pastor proprius paroeci-ae sibi commissae“ (s. Anm. 5), 260.

11 AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 190.12 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 18. Vgl.

auch AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 190 und 412; OHLY:Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 9-10 und 25.

13 Vgl. SCHICK: Die Pfarrei (s. Anm. 2), 484; ROTHE: Der Pfarrer als „pastorproprius paroeciae sibi commissae“ (s. Anm. 5), 258.

14 Der Diözesanbischof ist für die Ausübung der Seelsorge in der ihm anver-trauten Diözese der sowohl Erst- wie Letztverantwortliche: Nach can. 383 §1 CIC hat er sich – zumindest theoretisch – „in der Ausübung des Hirten-dienstes […] um alle Gläubigen zu kümmern, die seiner Sorge anvertrautwerden, gleich welchen Alters, welchen Standes oder welcher Nation, ob siein seinem Gebiet wohnen oder sich dort nur auf Zeit aufhalten“.

15 Vgl. AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 413.16 Zu den im CIC weitgehend synonym verwendeten Begriffen Hirtensorge

und Seelsorge vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm.2), Nr. 19. Vgl. auch SEVERIN LEDERHILGER: Seelsorge, in: HAERING / SCHMITZ(Hg.): Lexikon des Kirchenrechts (s. Anm. 6), 887-888.

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17 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 18. Vgl.auch AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 412; SCHICK: DiePfarrei (s. Anm. 2), 485; OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 10-12.

18 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 19. Vgl.auch AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 415; GEORG MAY:Die andere Hierarchie (= Quaestiones non disputatae, 2), Siegburg 1997,112-114; SCHICK: Die Pfarrei (s. Anm. 2), 488; HERIBERT HEINEMANN: DerPfarrer, in: LISTL / SCHMITZ (Hg.): Handbuch des katholischen Kirchen-rechts (s. Anm. 2), 496-514, 496 und 500; OHLY: Kooperative Seelsorge (s.Anm. 8), 10-12 und 25-26.

19 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 20. Vgl.auch AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 415; SCHICK: DiePfarrei (s. Anm. 2), 488; HERIBERT HEINEMANN: Der Pfarrer, in: LISTL /SCHMITZ (Hg.): Handbuch des katholischen Kirchenrechts (s. Anm. 2), 496-514, 500-501; OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 16.

20 Vgl. MAY: Die andere Hierarchie (s. Anm. 18), 15 und 113.21 KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 19.22 Vgl. AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 415; HEINEMANN:

Der Pfarrer (s. Anm. 19), 497 und 508; OHLY: Kooperative Seelsorge (s.Anm. 8), 17-18; ROTHE: Der Pfarrer als „pastor proprius paroeciae sibicommissae“ (s. Anm. 5), 268-270.

23 Vgl. ebd. 269.24 Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: Dekret über die Hirtenaufgabe der Bi-

schöfe „Christus Dominus“ (28. Oktober 1965), in: Acta Apostolicae Sedis58 (1966), 673-696 (deutsche Übersetzung: in: HEINRICH SUSO BRECHTERu.a. [Hg.]: Das Zweite Vatikanische Konzil – Dokumente und Kommentare,Teil II [= Lexikon für Theologie und Kirche, Dreizehnter Band, 2., völlig neubearbeitete Auflage], Freiburg im Breisgau / Basel / Wien 1967, 148-247),Nr. 30; KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 18.Vgl. auch SCHICK: Die Pfarrei (s. Anm. 2), 488; HEINEMANN: Der Pfarrer (s.Anm. 19), 500-501; ROTHE: Der Pfarrer als „pastor proprius paroeciae sibicommissae“ (s. Anm. 5), 262-264.

25 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 18.

Dieser zentrale Aspekt droht angesichts der zahlreichen vie-lerorts üblichen (und an sich nicht zu beanstandenden) Fülle anpfarrlichen Aktivitäten sowie den aktuellen Diskussionen umpastorale Pläne und Strukturen mitunter ein wenig in Verges-senheit zu geraten. Insofern gilt es umso deutlicher in Erinne-rung zu rufen, dass sich jede pfarrliche Aktivität und Struktur-diskussion immer daran messen lassen muss, ob und inwieweitsie dem Heil der Seelen dient.

1.4. Die Pfarrei ist „unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihrem eigenen Hirten anvertraut“

Weil die Pfarrei dem Heil der Seelen, näherhin der Vermitt-lung der der Kirche von Christus anvertrauten Heilsmittel, ins-besondere der Sakramente und hier vor allem der heiligsten Eu-charistie, dient, bedarf sie notwendigerweise dem Dienst desPriesters, ohne den es keine heilige Messe, keine Beichte, keineKrankensalbung gibt. Sie bedarf aber nicht irgendeines beliebi-gen, jederzeit austauschbaren priesterlichen Funktionärs, son-dern eines Seelsorgers, der ihr – wie es in can. 515 § 1 CICheißt – als eigener Hirte zur Verfügung steht.18 Aufgrund dessensteht und fällt die Pfarrei mit dem Amt bzw. mit dem Dienst despfarreigenen priesterlichen Hirten, dem Pfarrer.

Was aber ist ein Pfarrer? Was bedeutet es für einen Priester,eigener Hirte einer Pfarrei zu sein? Was bedeutet es für dieGläubigen einer Pfarrei, einen Priester als eigenen Hirten zu ha-ben? Die Kirche ist kein Dienstleistungsbetrieb und die Seel-sorge keine Dienstleistung. Kirche und Seelsorge leben davon(und dafür), Christus, den Guten Hirten, zu repräsentieren undin seinem Auftrag und in seiner Vollmacht die von ihm gestifte-ten Heilsmittel, insbesondere die Sakramente, den Gläubigenauszuspenden. Dieser Zusammenhang hat auch im kirchlichenRecht seinen Ausdruck gefunden, wenn Amt und Dienst desPfarrers in can. 519 CIC als Ausübung des Dienstes Christi, nä-herhin der „Dienste des Lehrens, des Heiligens und des Lei-tens“, bestimmt wird.19 Mit anderen Worten: Der Pfarrer hat dieAufgabe, den ihm anvertrauten Gläubigen den katholischenGlauben unverkürzt und unverfälscht zu verkünden, durch dieauthentische Feier des Gottesdienstes und der Sakramente zuihrer Heiligung beizutragen und sie in der Gemeinschaft derKirche dem Ziel ihres irdischen Lebens, dem ewigen Heil, ent-gegen zu führen.

Der biblisch begründete Begriff des „eigenen Hirten“ (can.515 § 1 CIC) bringt das theologische und rechtliche Verhältnisvon Pfarrer und Pfarrei bildhaft zum Ausdruck: Pfarrer undPfarrei sollen einander kennen, einander vertrauen und fürei-nander da sein wie der Hirt für die Herde und die Herde für den

Hirten.20 Der Hirt lebt ebenso von seinen Schafen wie für seineSchafe; es ist ganz und ungeteilt für sie da, führt sie auf guteWeide geführt und beschützt sie vor den Angriffen der Wölfe.Um dieses Vertrauensverhältnis zu begründen, bedarf es einerfesten, institutionalisierten Form der Zusammengehörigkeit, jaeiner gegenseitigen Identifikation von Hirt und Herde, vonPfarrer und Pfarrei. Dies aber ist nur möglich ist, wenn derDienst eines Pfarrers in einer bestimmten Pfarrei von einer ge-wissen Ausschließlichkeit und Dauerhaftigkeit gekennzeichnetist. Angesichts dessen hat sich die Kongregation für den Klerusvor geraumer Zeit gehalten gesehen daran „zu erinnern, dassdas Amt des Pfarrers, weil es seinem Wesen nach ein Hirtenamtist , vollen Anspruch und Stabilität erfordert“.21

Darum gilt es von Rechts wegen als Grundregel und Ideal,dass ein Pfarrer erstens auf unbegrenzte Zeit bestellt wird (can.522 CIC) und dass ihm zweitens (nur) eine einzige Pfarrei an-vertraut wird (vgl. can. 526 § 1 CIC).22 Jede Abweichung vondieser Regel – was von Rechts wegen grundsätzlich nicht aus-geschlossen ist (vgl. cann. 522 und 526 § 1 CIC) – muss auf denbegründeten Ausnahmefall beschränkt bleiben, darf also wederzur rechtlichen noch zur faktischen Regel erhoben werden.23

Würde dies geschehen, bliebe nämlich das wesentliche Charak-teristikum des Pfarramts, nämlich eigener Hirte der ihm anver-trauten Gemeinschaft von Gläubigen zu sein, auf der Strecke,würde – zumindest längerfristig betrachtet – als solches in Fra-ge gestellt und letztendlich vielleicht sogar preisgegeben.

So wichtig dieses Charakteristikum auch sein mag, darf esdoch nicht zu dem Fehlschluss verleiten, Pfarrer und Pfarreiseien sich ausschließlich gegenseitig verantwortlich: Weder istder Pfarrer der Angestellte der Pfarrei noch sind die Pfarrange-hörigen die Untertanen des Pfarrers. Wiederum ist in diesemZusammenhang daran zu erinnern, dass die Pfarrei Teil einesgrößeren Ganzen ist: Teil der einen, heiligen, katholischen undapostolischen Kirche, näherhin Teil einer bestimmten Teilkir-che (Diözese). Darum übt der Pfarrer die ihm kraft seines Am-tes eigenen Rechte und Pflichten stets unter der Autorität desDiözesanbischofs aus, das heißt in dessen Auftrag wie auch –insofern er die zur Ausübung des Pfarramts notwendige Prie-sterweihe von ihm empfangen hat – in dessen Vollmacht (vgl.515 § 1 CIC).24 „Die innere Verbindung mit der diözesanen Ge-meinschaft und mit dem Bischof“ – erläutert die Kongregationfür den Klerus – „sichert der Pfarrgemeinde die Zugehörigkeitzur Gesamtkirche“25. Und Winfried Aymans ergänzt: „In gewis-

ser Analogie zu den konziliaren Aussagen über den Papst undden Diözesanbischof 26[…] darf der Pfarrer durchaus als Prin-zip und Fundament der Einheit in seiner Pfarrei bezeichnetwerden.“27

1.5. Die Mitarbeiter des PfarrersNicht notwendigerweise, aber doch – unter Berücksichtigung

der örtlichen und seelsorglichen Umständen – sinnvollerweisekönnen dem Pfarrer in der Ausübung seines Hirtendiensteshaupt- oder nebenamtlich tätige Mitarbeiter zur Seite stehen.Dabei kann es sich nach can. 519 CIC um Priester (Kapläne)und Diakone ebenso handeln wie um Laien (Katecheten, Pasto-ralassistenten).28 So sehr man dabei auch auf eine geordnete undvon gegenseitiger Achtung geprägte Zusammenarbeit Wert le-gen sollte, darf doch nie in Vergessenheit geraten, dass es sichbeim Pfarrer und seinen Mitarbeitern niemals um ein „Team“gleichberechtigter „Seelsorger“ handelt29, sondern dass die we-sentliche theologischen und rechtlichen Koordinaten der Pfar-rei in einem von Mit- wie Füreinander geprägten Gegenübervon Pfarrer und Pfarrei, von Hirt und Herde, bestehen. Dassel-be gilt analog auch für die vielfach ehrenamtlich ausgeübtenDienste von Küster, Organist, Kirchenchor, Ministranten etc.„Entsprechend ihrem Stand in der hierarchisch gegliedertenKirche sowie ihren Anstellungsdekreten und Dienstaufträgen“ –schreibt Ludwig Schick – haben die pfarrlichen Mitarbeiter „inZusammenarbeit mit dem Pfarrer und in Unterordnung unterihn zur Auferbauung der Pfarrei als lebendige und aktive Teil-gemeinschaft der Kirche Christi beizutragen“30.

1.6. Die pfarrlichen BeratungsgremienEin geordnetes Für- und Miteinander von Pfarrer und Pfarrei

setzt nicht nur voraus, dass die Herde ihren Hirten, sondernauch, dass der Hirt seine Herde mit ihren spezifischen Anlie-gen, Bedürfnissen und Sorgen kennt. Zu diesem Zweck sindvom Kirchenrecht her zwei pfarrliche Gremien vorgesehen, die –ohne zum Wesen der Pfarrei zu gehören – den Pfarrer beratenund unterstützen sollen: Der allgemein verbindliche Vermögens-verwaltungsrat und der nach Ermessen des zuständigen Diöze-sanbischofs einzurichtende Pfarrpastoralrat (Pfarrgemeinderat).31

Während Funktion und Kompetenz des Vermögensverwaltungs-rats weitgehend unstrittig sind, kommt es zwischen Pfarrer undPfarrpastoralrat (Pfarrgemeinderat) in der Praxis immer wiederzu Konflikten. In Anbetracht dessen gilt es mit den Worten derKleruskongregation daran zu erinnern, dass es sich bei Letzte-rem um nicht mehr und nicht weniger handelt als „um ein bera-tendes Organ, das eingesetzt ist, damit die Gläubigen als Aus-druck ihrer Taufverantwortung dem Pfarrer, der dem Rat vor-steht, mit ihrer Beratung in pastoralen Belangen helfen kön-nen“32. Zu Recht warnt Georg May davor, den Pfarrpastoralrat(Pfarrgemeinderat) als Gegenpol oder Kontrollorgan des Pfar-rers zu betrachten.33 Ein solches pseudodemokratisches Miss-verständnis würde nicht nur die tatsächliche Bedeutung diesesGremiums ad absurdum führen, sondern auch die für die Pfarr-seelsorge grundlegende Beziehung zwischen Pfarrer und Pfar-rei beeinträchtigen.

1.7. Die Pfarrkirche und andere pfarrliche EinrichtungenEine Pfarrei ohne Pfarrkirche ist schwerlich vorstellbar. Die

Pfarrkirche macht – wie Ludwig schick schreibt – „deutlich,dass die Zugehörigkeit zur Kirche ‚geortet’, d. h. konkret seinsoll. In der Pfarrei mit ihrer Pfarrkirche wird das Leben desChristen an einen Ort gebunden und in ihm konkretisiert“34.Trotzdem gehört die Pfarrkirche – anders als dies noch im CIC/1917 der Fall war – nicht zu den Wesenselementen der Pfarrei.35

Dasselbe gilt auch für andere pfarrliche Einrichtungen wiePfarrhaus und Pfarrheim, ohne die sich das Leben einer Pfarreischwerlich in der den meisten Gläubigen gewohnten Weise ent-falten könnte. Der Grund, warum in den kirchenrechtlichen Be-stimmungen über die Pfarrei selbst die Pfarrkirche nur am RandErwähnung gefunden hat, liegt jedoch auf der Hand: Nicht einGebäude, also eine leblose Einrichtung, kann die Identifikationder Gläubigen mit ihrer Pfarrei begründen, sondern nur die le-bendige, im Glauben begründete Beziehung untereinander undmit dem zuständigen Pfarrer als eigenem Hirten.

1.8. ZusammenfassungZusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Pfar-

rer und die seiner Hirtensorge anvertrauten Gläubigen die bei-den wesentlichen Voraussetzungen und Kennzeichen einerPfarrei bilden: Sinnvollerweise kann es weder eine Pfarrei ohnePfarrer noch einen Pfarrer ohne Pfarrei geben. Beide sind wieHirt und Herde aufeinander verwiesen. Obgleich es durchausauch andere Formen und Strukturen der Seelesorge geben kann(und gibt), bleibt – mit den Worten von Georg May – festzuhal-ten, dass der Pfarrer „der Prototyp des Seelsorgers“36 und diePfarrseelsorge folglich der Prototyp der Seelsorge ist.

2. Gefährdung und Zukunft der PfarreiUngeachtet der zentralen Bedeutung, die der Pfarrseelsorge

im Rahmen des kirchlichen Heilswirkens zukommt, ist diese inder jüngeren Vergangenheit – zumindest was den deutschspra-

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26 Vgl. ZWEITES VATIKANISCHES KONZIL: „Lumen gentium“ (s. Anm. 4), Nr. 23.27 AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 428. Vgl. ROTHE: Der

Pfarrer als „pastor proprius paroeciae sibi commissae“ (s. Anm. 5), 264.28 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 25. Vgl.

auch MAY: Die andere Hierarchie (s. Anm. 18), 115-125; HERIBERT HEINE-MANN: Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Pfarrers, in: LISTL /SCHMITZ (Hg.): Handbuch des katholischen Kirchenrechts (s. Anm. 2), 515-528; OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 12-14.

29 Zur Frage einer angemessenen Terminologie vgl. KONGREGATION FÜR DENKLERUS U. A.: Instruktion „Ecclesiae de mysterio“ zu einigen Fragen überdie Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester (15. August 1997), in: ActaApostolicae Sedis 89 (1997), 852-877 (deutsche Übersetzung: SEKRETARIATDER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ [Hg.]: Verlautbarungen des Apostoli-schen Stuhls, 129), Art. 1; DIES.: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 23. Vgl. auchMAY: Die andere Hierarchie (s. Anm. 18), 125-126.

30 SCHICK: Die Pfarrei (s. Anm. 2), 489.31 Vgl. hierzu und zum Folgenden KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Prie-

ster (s. Anm. 2), Nr. 26. Vgl. auch AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s.Anm. 7), 439-442; MAY: Die andere Hierarchie (s. Anm. 18), 134-146;SCHICK: Die Pfarrei (s. Anm. 2), 489; FRANZ KALDE: Pfarrgemeinderat undPfarrvermögensverwaltungsrat, in: LISTL / SCHMITZ (Hg.): Handbuch deskatholischen Kirchenrechts (s. Anm. 2), 529-535; OHLY: Kooperative Seel-sorge (s. Anm. 8), 26; ROTHE: Der Pfarrer als „pastor proprius paroeciaesibi commissae“ (s. Anm. 5), 267-268.

32 KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 26.33 Vgl. MAY: Die andere Hierarchie (s. Anm. 18), 142-145.34 SCHICK: Die Pfarrei (s. Anm. 2), 489-490.35 Vgl. AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 417; SCHICK: Die

Pfarrei (s. Anm. 2), 489.36 MAY: Die andere Hierarchie (s. Anm. 18), 113.

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37 Vgl. hierzu und zum Folgenden GEORG MUSCHALEK: Von der Seelsorge zurkooperativen Pastoral – Über eine Ausweitung der Seelsorge, die zu ihrerZerstörung werden kann, Eitensheim 2005, 7 und 62.

38 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 19.39 Vgl. MUSCHALEK: Von der Seelsorge zur kooperativen Pastoral (s. Anm. 37), 7.40 Vgl. SCHICK: Die Pfarrei (s. Anm. 2), 494.41 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 19. Vgl.

auch AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 416; SCHICK: DiePfarrei (s. Anm. 2), 494; OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 31-34.

42 Vgl. AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 417 und 419; HEINE-MANN: Der Pfarrer (s. Anm. 19), 497; OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm.8), 34-35.

43 Vgl. AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 419.44 KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 19. Vgl.

AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 419-421; SCHICK: DiePfarrei (s. Anm. 2), 493; HEINEMANN: Der Pfarrer (s. Anm. 19), 498-499;OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 35-45; ROTHE: Der Pfarrer als„pastor proprius paroeciae sibi commissae“ (s. Anm. 5), 265-266; MU-SCHALEK: Von der Seelsorge zur kooperativen Pastoral (s. Anm. 37), 25-26.

chigen Raum anbelangt – in eine ernste Krise geraten.37 AmDeutlichsten tritt diese Krise angesichts der dramatisch zurück-gegangenen Teilnehmerzahlen der (sonntäglichen) Gottesdien-ste zutage. Mit dem zahlenmäßigen Rückgang der so genanntenpraktizierenden Katholiken korrespondiert der nicht wenigerdramatische zahlenmäßige Rückgang der Priester und der Kan-didaten für den Empfang der Priesterweihe. Weitgehend stabilgeblieben ist demgegenüber die Zahl der Gottesdienste. Inso-fern ergibt sich – etwas plakativ ausgedrückt – folgendes Bild:Immer weniger Priester müssen immer mehr Gottesdienste fei-ern, die wiederum von immer weniger Gläubigen besucht wer-den. Ein ähnliches Zerrbild tritt im Blick auf die pfarrliche Ver-waltung und die pfarrlichen Beratungsgremien zutage. Insoferndürfte außer Frage stehen, dass seelsorgliche Strukturreformenunvermeidlich sind.38 Dafür stehen vom Kirchenrecht her vierGrundmodelle zur Verfügung.

2.1. Die Zusammenlegung von PfarreienSeelsorgliche Strukturen sind grundsätzlich veränderlich. Im

Laufe der Zeit sind Veränderungen in diesem Bereich immerwieder notwendig geworden, um den jeweiligen ZeitumständenRechnung zu tragen. So wurden etwa in der Folge des Konzilsvon Trient, also von der Mitte des 16. Jahrhunderts an, die bisdahin oftmals sehr großflächigen Landpfarreien in vielen Fällengeteilt und vermehrt, um den Gläubigen den Kirchenbesuch zuerleichtern. In der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälftedes 20. Jahrhunderts hingegen mussten angesichts der wachsen-den Städte viele neue Stadt(rand)pfarreien gegründet werden.Heute hingegen geht die Entwicklung in die entgegen gesetzteRichtung: Die Zahl der bestehenden Pfarreien ist vielerorts zugroß und steht weder zu den seelsorglichen Bedürfnissen derGläubigen noch zu den finanziellen und personellen Möglichkei-ten der Diözesen in einem angemessenen Verhältnis.39

Vom Kirchenrecht her steht einer Zusammenlegung vonPfarreien dort, wo es notwendig oder zumindest sinnvoll ist,grundsätzlich nichts im Weg.40 Nach can. 515 § 2 CIC ist es Sa-che des Diözesanbischofs, Pfarreien zu errichten, aufzuhebenoder nennenswert zu verändern, wobei er lediglich zuvor denPriesterrat anhören muss.41 Zu beachten ist dabei freilich, dasses den betroffenen Gläubigen im konkreten Fall oft alles ande-re als leicht fällt sich damit abzufinden, dass ihre bisherigePfarrkirche mit einem Mal zur Filialkirche „degradiert“ wirdund sie sich dazu angehalten sehen, den (sonntäglichen) Gottes-dienst in einer anderen Kirche zu besuchen. Eine noch schmerz-lichere Erfahrung ist es zu erleben, dass Kirchen mitunter ge-schlossen, zweckentfremdet oder gar abgerissen werden (müs-sen).

Die nicht zu unterschätzende Gefahr bei der Zusammenle-gung bzw. Auflösung von Pfarreien besteht darin, dass die be-troffenen Gläubigen geistlich entwurzelt und kirchlich „ortlos“werden. Dies ist zumal dann der Fall, wenn die neuen (Groß)-

Pfarreien nach rein pragmatischen Kriterien unter Missachtungder örtlichen und gefühlsmäßigen Gegebenheiten – also gleich-sam am „grünen Tisch“ – geschaffen oder so maßlos dimensio-niert werden, dass sich der einzelne Gläubige in ihnen zu ver-lieren droht. Abgesehen von dieser Gefahr stellt die Zusam-menlegung von Pfarreien jedoch die theologisch und rechtlichklarste, konsequenteste und dauerhafteste Lösung zur Bewälti-gung der eingangs dargestellten Krise dar.

2.2. Die seelsorgliche Betreuung mehrerer Pfarreien durcheinen Pfarrer

Dass mehrere (kleine) Pfarreien von einem einzigen Pfarrerseelsorglich betreut werden, ist eine seit längerem übliche undin der Regel unproblematische Praxis. Umso mehr gilt es sichder von Rechts wegen nach wie vor bestehenden Grundregelbewusst zu bleiben, dass ein Pfarrer nach can. 526 § 1 CIC nor-malerweise „nur für eine Pfarrei die pfarrliche Sorge haben“soll.42 Ein Abweichen von dieser Grundregel ist im Einzelfallmöglich und kann – wiederum nach can. 526 § 1 CIC – „wegenPriestermangels oder anderer Umstände“ angebracht sein.

Bevor eine solche Praxis im konkreten Fall zur Dauerlösungwird, sollte allerdings zumindest in Erwägung gezogen werden,die von einem Pfarrer gemeinsam betreuten Pfarreien auchrechtlich zusammenzulegen43 – zumal in can. 526 § 1 CIC aus-drücklich verlangt ist, dass es sich bei den von einem Pfarrergemeinsam betreuten Pfarreien um solche handeln muss, dieeinander benachbart sind, das heißt sich in (unmittelbarer)räumlicher Nähe zueinander befinden. Eine rechtliche Zusam-menlegung hätte den Vorteil, dass zum einen auf eine zeit-,kraft- und kostenintensive doppelte bzw. mehrfache Verwal-tung verzichtet werden könnte, und zum anderen, dass dasGrundprinzip von Hirt und Herde gewahrt bliebe, dass nämlichein Pfarrer nur – und damit ungeteilt – für eine Pfarrei da wäre.

2.3. Die seelsorgliche Betreuung einer oder mehrerer Pfar-reien durch mehrere Priester gemeinsam

„Wo die Umstände es erfordern, kann“ nach can. 517 § 1CIC „die Hirtensorge für eine oder für verschiedene Pfarreienzugleich mehreren Priestern solidarisch übertragen werden“,wobei immer einer dieser Priester als Moderator „die Zusam-menarbeit zu leiten und dem Bischof gegenüber zu verantwor-ten hat“. Seitens der Kleruskongregation wird dieses im kirch-lichen Recht neu eingeführte Modell der Pfarrseelsorge wiefolgt erläutert und begründet: „Das eine Amt des Pfarrers unddie eine Seelsorge der Pfarre wird also einem mehrfachen In-haber übertragen, der sich aus verschiedenen Priestern zusam-mensetzt, die eine identische Teilhabe am anvertrauten Amt[…] erhalten.“44 Es soll dazu beitragen, die einzelnen Amts-pflichten der Priester effizienter zu organisieren, ihre gegensei-tige Mitverantwortung zu fördern und ihnen eine gemeinschaft-

liche Lebensführung (das heißt die Haus-, Tisch- und/oder Ge-betsgemeinschaft) zu erleichtern.45

Im Rahmen der seelsorglichen Strukturreformen, wie siederzeit in vielen Diözesen des deutschsprachigen Raums durch-geführt bzw. vorbereitet werden, scheint sich dieses Modell ei-ner zunehmenden Beliebtheit zu erfreuen. Allerdings wird es inder Praxis meist so gestaltet, dass es den angestrebten Zielen –Straffung der Verwaltung sowie Förderung des gemeinschaftli-chen Lebens und Wirkens der Priester – geradewegs zuwider-läuft: Zum einen werden die bereits bestehenden Verwaltungs-ebenen (Pfarrei und Dekanat) meist noch um eine weitere Ver-waltungsebene (Pastoralverbund o. ä.) mit eigenen Beratungs-gremien (Pastoralverbundrat etc.) vermehrt, zum anderen wirddas personale Gegenüber von Priester und Gläubigen ebensowie das im Weihesakrament begründete Miteinander der Prie-ster zugunsten eines weitgehend undifferenziert aus Priesternund Laien gebildeten „Seelsorgeteams“ aufgegeben.46

Die damit verbundenen Gefahren sind enorm. Letztendlichdroht bei diesem Modell – zumindest wenn es in der skizzier-ten Weise zur Anwendung kommt – das Wesen der Pfarrei aufder Strecke zu bleiben. Schließlich sah sich selbst die Klerus-kongregation gehalten auf einige offenkundige Schwierigkeitenhinzuweisen, die diese Form der Pfarrseelsorge mit sich bringtund die man „klugerweise nicht ignorieren [kann], da die Iden-tifizierung mit dem eigenen Hirten den Gläubigen eigen ist unddie wechselnde Anwesenheit mehrerer Priester, wenn auch un-tereinander koordiniert, verwirrend sein und nicht verstandenwerden kann“; außerdem rief die Kleruskongregation in Erin-nerung, dass das „Seelsorgeteam“ „immer und nur aus Prie-stern allein zusammengesetzt“47 zu sein hat. Soll demnach dieseelsorgliche Betreuung einer oder mehrerer Pfarreien durchmehrere Priester im konkreten Einzelfall gerechtfertigt sein,dann muss dadurch eine straffere Verwaltung sowie ein stärke-res Miteinander der betroffenen Priester in Dienst und Lebensowohl angestrebt als auch erzielt werden. Ansonsten stellt sichdie Frage, ob dadurch nicht ganz andere, dem Wesen des Prie-stertums ebenso wie dem Wesen der Pfarrei entgegen gesetzteZiele verfolgt werden: nämlich die Auflösung des seelsorgli-chen Grundprinzips von Hirt und Herde.

2.4. Die seelsorgliche Betreuung einer Pfarrei durch einenNichtpriester

Noch bedenklicher als die seelsorgliche Betreuung eineroder mehrerer Pfarreien durch mehrere Priester gemeinsam istein weiteres Modell, das im Rahmen der vielerorts durchge-führten seelsorglichen Strukturreformen zur Anwendung ge-bracht wird: die seelsorgliche (Mit)Betreuung einer Pfarrei durcheinen Nichtpriester. Nach kirchlichem Recht besteht, wenn es(ausschließlich!) „wegen Priestermangels“ unvermeidbar er-scheint, grundsätzlich die Möglichkeit, „einen Diakon oder eineandere Person, die nicht die Priesterweihe empfangen hat, […]an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei [zu] beteili-gen“; dabei muss jedoch immer ein Priester – gewöhnlich derPfarrer einer anderen Pfarrei – „mit den Vollmachten und Be-fugnissen eines Pfarrers ausgestattet“ werden und so die Hir-tensorge leiten (can. 517 § 2 CIC).48 Soweit die Theorie.

In der Praxis wird dieses Modell nicht selten aus nurschwach verbrämten ideologischen Gründen dazu herangezo-gen, eine Kirche ohne Priester und eine (Pfarr)Seelsorge (weit-gehend) ohne Sakramente zu etablieren: Vielerorts leiten die sogenannten „Pfarrbeauftragten“ faktisch die Pfarrei, wohnenvielleicht sogar (samt Familie) im Pfarrhaus und behandeln denpriesterlichen Moderator wie einen weisungsgebundenen, un-tergebenen Mitarbeiter. Auf dessen Dienste greifen sie häufigüberhaupt nur dann zurück, wenn es sich – etwa um einen Vor-rat an konsekrierten Hostien für priesterlose Wortgottesdiensteanzulegen – nicht vermeiden lässt. Sie organisieren und leitendas liturgische Leben der Pfarrei bis hin zu priesterlosen Sonn-tagsgottesdiensten und verstehen ihren Dienst nicht als notla-genbedingte und je früher desto besser zu überwindende Aus-nahme, sondern als legitimen und vollwertigen Ersatz für denDienst des Priesters. Das Fehlen des Priesters bzw. Pfarrers er-scheint im konkreten Fall nicht mehr als Mangel, sondern alsVariante einer vermeintlich vollwertigen Seelsorge und wirdden Gläubigen, um die Verwirrung vollständig zu machen, viel-leicht sogar als Chance und erster Schritt zur Überwindungeines überholten klerikerzentrierten Kirchenbildes dargestellt.

In Anbetracht solcher Entwicklungen sah sich die Klerus-kongregation gerade auch bezüglich dieses Modells der Pfarr-seelsorge gehalten, eine ernste und nachdrückliche Warnungauszusprechen.49 Vor allem wurde auf dessen Ausnahmecharak-ter und Vorläufigkeit hingewiesen: Die Bestellung eines Nicht-priesters zum „Pfarrbeauftragten“ muss auf den begründetenEinzelfall beschränkt bleiben, darf weder zur Regel noch zurfaktischen Dauerlösung werden und muss vor allem jeden An-schein vermeiden, in Konkurrenz zum Dienst des Priesters zutreten bzw. diesen letztlich entbehrlich erscheinen zu lassen.50

Insofern gilt es gerade dort, wo dieses Modell zur Anwendunggelangt, die absolute Notwendigkeit des Priestertums, der Sa-kramente und hier vor allem der heiligsten Eucharistie für dasLeben und Wirken der Kirche immer wieder neu in Erinnerungzu rufen und Priesterberufungen mit größtmöglichem Nach-druck zu fördern.

2.5. ZusammenfassungFür die Beseitigung bzw. Milderung der aufgrund des (zu-

mindest in den deutschsprachigen Diözesen massiv voran-schreitenden) Priestermangels hervorgerufenen seelsorglichenProbleme stehen vom Kirchenrecht her grundsätzlich vier Mo-delle zur Verfügung. Ausschließlich das erste Modell – dierechtliche Zusammenlegung von Pfarreien – ist als Dauerlö-sung vorgesehen. Die drei anderen Modelle – die seelsorglicheBetreuung mehrerer Pfarreien durch einen Pfarrer, die seelsorg-liche Betreuung von einer oder mehreren Pfarreien durch meh-rere Priester sowie die seelsorgliche Betreuung einer Pfarreidurch einen Nichtpriester – können immer nur im begründetenEinzelfall und auf Zeit angewandt werden. Um die grundlegen-de Zuordnung von (einem) Pfarrer zu (einer) Pfarrei im Sinn

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45 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 19. 46 Konkrete Beispiele aus einzelnen Diözesen finden sich in MUSCHALEK: Von

der Seelsorge zur kooperativen Pastoral (s. Anm. 37), 52-56, beschrieben.47 KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 19.

48 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 23 Vgl.AYMANS: Kanonisches Recht, Band II (s. Anm. 7), 421-422; SCHICK: DiePfarrei (s. Anm. 2), 493-494; HEINEMANN: Der Pfarrer (s. Anm. 19), 499-500; OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 45-64; ROTHE: Der Pfarrerals „pastor proprius paroeciae sibi commissae“ (s. Anm. 5), 266-267; MU-SCHALEK: Von der Seelsorge zur kooperativen Pastoral (s. Anm. 37), 88-89.

49 Vgl. KONGREGATION FÜR DEN KLERUS: Der Priester (s. Anm. 2), Nr. 23-24.50 Vgl. ebd.

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51 Vgl. OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 64-69; MUSCHALEK: Von derSeelsorge zur kooperativen Pastoral (s. Anm. 37), 88-89.

52 Beispiele finden sich in OHLY: Kooperative Seelsorge (s. Anm. 8), 74-261; MU-SCHALEK: Von der Seelsorge zur kooperativen Pastoral (s. Anm. 37), 48-71.

53 PAPST JOHANNES PAUL II.: Predigt beim Gottesdienst im Landhauspark in St.Pölten (20. Juni 1998), in: SEKRETARIAT DER ÖSTERREICHISCHEN BISCHOFS-KONFERENZ (Hg.): Johannes Paul II. und Österreich – Festgabe der Öster-reichischen Bischofskonferenz zum 80. Geburtstag des Heiligen Vaters, St.Pölten / Wien / Linz 2000, 387-391, 389.

des biblischen Bildes von Hirt und Herde nicht zu gefährden,sind diese drei Modelle, wenngleich in unterschiedlichem Aus-maß, in jedem einzelnen Fall als ein notwendiges Übel zu be-trachten, das es baldmöglichst zu beseitigen gilt. Sie – wie es inletzter Zeit Mode geworden ist – unter dem Schlagwort der„kooperativen Seelsorge“ als verbindlich und dauerhaft anzu-wendende Modelle für eine grundlegende seelsorgliche Struk-turreform vorzusehen, würde der Intention des kirchlichen Ge-setzgebers diametral entgegenstehen und die sakramentaleStruktur der Kirche, näherhin den auf der Pfarrseelsorge basie-renden ordentlichen Vollzug der kirchlichen Heilssendung, mas-siv gefährden und letztendlich preisgeben.51

3. AusblickReformen seelsorglicher Strukturen sind von Theologie und

Kirchenrecht her grundsätzlich möglich und in Anbetracht desfortschreitenden Priestermangels wie auch der ansonsten wenigGrund zu Optimismus bietenden seelsorglichen Lage imdeutschsprachigen Raum schlichtweg unvermeidlich. In vielenDiözesen wurden solche Reformen bereits durchgeführt, in an-deren stehen sie in Vorbereitung. Die entscheidende Frage istalso längst nicht mehr ob, sondern wie diese Reformen durch-geführt wurden bzw. werden. Die bisherige Erfahrung zeigt,dass in der konkreten Gestaltung solcher „Pastoralkonzepte“sowohl eine große Vielfalt als auch ein nicht minder großesKonfliktpotential besteht.52 Die Erfahrung zeigt aber auch, dasssich dieses Konfliktpotential nur dort und nur in dem Ausmaßentlädt, wo das Grundprinzip jeder Seelsorge, wie es im bibli-schen Bild von Hirt und Herde seinen zeitlos gültigen Ausdruckgefunden hat, unterminiert oder gar aufgegeben wird. In derPraxis geschieht dies in zunehmendem Maß unter Berufung aufdas Schlagwort einer so genannten „kooperativen Seelsorge“,von der – bewusst vorsichtig formuliert – nicht gerade behaup-tet werden kann, dass sie der Identität des Priesters, näherhindes Pfarrers, und der Weckung neuer Berufungen zum Priester-tum förderlich ist.

Die Wahrung des Prinzips von Hirt und Herde ist demgegen-über sowohl das erklärte Anliegen Roms, näherhin der Klerus-kongregation, als auch das berechtigte Anliegen der betroffenenGläubigen. Seitens der Kleruskongregation wird vor allem dar-auf gedrungen, die theologische und rechtliche Grundstrukturder Kirche zu wahren, die von der im Weihesakrament begrün-deten hierarchischen Ordnung getragen wird und in der Feierder heiligsten Eucharistie ihren deutlichsten Ausdruck und ihreinnerste Verwirklichung findet. Die betroffenen Gläubigen hin-gegen wollen nichts anderes, als dass die Kirche dort, wo sieleben, präsent ist und dass ihnen ein Priester als Pfarrer zurVerfügung steht, den sie kennen, dem sie vertrauen und den sieals den ihren betrachten können. Beide Anliegen ergänzen ein-ander und streben letztendlich ein und dasselbe Ziel an. Dieses

Ziel ist kein anderes als die Zuordnung von Hirt und Herde, vonPfarrer und Pfarrei, von Priester und Gläubigen vor Ort.

Ohne die vielfältigen Aktivitäten in den Pfarreien gering zuschätzen und das Engagement der Laien in der Kirche nichtausreichend zu würdigen gilt es dennoch festzuhalten: Die Kir-che lebt aus den Sakramenten und vor allem aus dem Geheim-nis der heiligsten Eucharistie. Darum muss sich jede seelsorgli-che Strukturreform daran messen lassen, ob und inwieweit siedavon ausgeht und darauf hinzielt, den Gläubigen die Teilnah-me an der Feier der heiligsten Eucharistie zu ermöglichen bzw.sie dazu anzuhalten, an der Feier der heiligsten Eucharistieauch dann teilzunehmen, wenn es im konkreten Fall mit Müheverbunden ist, etwa wenn man sich dazu in einen anderen Ortoder eine andere Kirche begeben muss. Denn in der der heilig-sten Eucharistie ist – wie es in can. 897 CIC ausgedrückt ist –„Christus der Herr selber enthalten […]; durch sie lebt undwächst die Kirche beständig“.

Zur Feier der heiligsten Eucharistie aber bedarf es des Prie-sters. Der Maßstab und das „Erfolgs“kriterium eines jeden Pa-storalkonzepts besteht folglich darin, ob und inwieweit diesesden Dienst der (noch) vorhandenen Priesters würdigt und mehrnoch, ob und inwieweit es neue Berufungen zum Priestertum zuwecken und zu fördern in der Lage ist – kurz: Maßstab und „Er-folgs“kriterium eines jeden Pastoralkonzeptes sind die Zahlender Berufungen zum Priestertum und der Priesterweihen. Ab-schließend seien darum die ebenso schlichten wie treffenden, injedem Fall aber providentiellen Worte zitiert, die Papst Johan-nes Paul II. im Rahmen seiner Predigt in St. Pölten am 20. Juni1998 gesprochen hat: „Letztlich kann ein Priester immer nurvon einem Priester ersetzt werden.“53

IMPRESSUM

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1 Denzinger/Schönmetzer, Nr.Nr. 1521.1555.2 Vgl. Jacques Maritain, Der Bauer von der Garonne. Ein alter Laie macht

sich Gedanken, München 1969, 101-104.3 Gilbert Keith Chesterton, The Catholic Church and Conversion, New York

1927, 86.

JOSEPF SCHUMACHER

Die Wertschätzung der Vernunft im katholischen Denken

Wir kommen damit zu einem neuen Formelement des Ka-tholischen. Begonnen hatten wir mit dem katholischen „et“ unddann die vier „notae“ angefügt. Hier geht es nun um das katho-lische Formelement der „ratio“. Es beinhaltet die Wertschät-zung der Vernunft. Sie ist ein sehr bedeutendes Strukturprinzipdes Katholischen. Die positive Sicht der menschlichen Vernunftist, nicht anders als die positive Sicht des menschlichen Wil-lens, bedingt durch die katholische Rechtfertigungslehre, wiesie in der Zeit der Reformation bzw. durch das Konzil vonTrient mit Nachdruck herausgestellt wurde. Die katholischeRechtfertigungslehre geht davon aus, dass die Erbsünde die Na-tur des Menschen zwar verwundet, nicht jedoch zerstört hat1.Anders die Reformatoren. Sie betrachteten sowohl den Intellektdes Menschen als auch seinen Willen mit Misstrauen. Aufgrundihrer Rechtfertigungslehre betonten sie, der menschliche Intel-lekt und auch der menschliche Wille seien durch die Ursündenicht nur geschwächt, sondern wesenhaft zerstört.

Dank der positiven Sicht der menschlichen Vernunft ist daskatholische Denken zutiefst davon überzeugt, dass der Menschdie Wahrheit erkennen kann, auch die metaphysische Wahrheit.Das katholische Denken und Empfinden ist in dieser Hinsichtvon Grund auf optimistisch. Es gehört zum Wesen des Men-schen, nach der Wahrheit zu trachten – so die katholische Auf-fassung –, deshalb hat der Mensch auch die Fähigkeit, zurWahrheit zu gelangen, und zwar aus eigenen Kräften. Wie derMensch mit Hilfe seiner Augen sehen und mit Hilfe seiner Oh-ren hören kann, so kann er mit Hilfe seines Intellektes oder sei-ner geistigen Natur die Wahrheit erkennen. Seine geistige Naturist auch durch die Ursünde nicht zerstört. Der Mensch ist für dieWahrheit geschaffen. Deshalb kann er sie auch erkennen, solan-ge ihm diese Fähigkeit nicht durch ein irgendein Ereignis vonaußen her genommen ist2.

Der Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton (+ 1936) – imJahre 1922 konvertierte er zur katholischen Kirche – bringt die-se Position auf den Punkt, wenn er feststellt: „Wenn man einKatholik wird, so bedeutet das nicht, dass man aufhört zu den-ken, vielmehr lernt man, wie man denken muss“ – „to becomea Catholic is not to leave off thinking, but to learn how tothink“3. Er hat dabei jene im Blick, die meinen – dieser Feststel-lung begegnet man immer wieder –, der Katholik dürfe nichtdenken.

Gemäß dem katholischen Denken und Empfinden gilt derPrimat des Logos vor dem Ethos. Das heißt: Das Sein bzw. dieErkenntnis der Struktur des Seins ist die Voraussetzung für dasrichtige Handeln, „agere sequitur esse“. Durch die Erkenntnisder Wirklichkeit findet der Mensch die richtigen Normen fürsein Handeln. Das Erkennen ist die Voraussetzung für das ethi-sche Handeln, wobei freilich das Erkennen des Guten nochnicht seine Realisierung bedeutet.

Seit eh und je versteht sich die römische Kirche als Anwaltder menschlichen Vernunft. Das hat einen qualifizierten lehr-amtlichen Ausdruck gefunden auf dem I. Vatikanischen Konzil,und zwar in der Konstitution über den katholischen Glauben(„De fide catholica“, auch „Dei Filius“ genannt). Das I. Vatika-nische Konzil hat nur zwei dogmatische Konstitutionen verab-schiedet, die genannte dogmatische Konstitution über den ka-tholischen Glauben und die Konstitution über die Kirche („DeEcclesia Christi“, oder „Pastor aeternus“). In der Konstitutionüber den katholischen Glauben erklärt das Konzil es als einenGlaubenssatz, dass die Vernunft, die ihren Gesetzen treu bleibt,von ihren eigenen Prinzipien aus bis zu einem Punkt vordringenkann, an dem Gott als Urgrund und letzter Sinn aller Wirklich-keit sichtbar wird, an dem das Wissen in den Glauben, die Phi-losophie in die Theologie übergeht. Das Konzil hat damit dienatürliche Gotteserkenntnis dogmatisiert, definiert, und ihreLeugnung als formelle Häresie bestimmt. Es wollte damit dieinnere Einheit von Glauben und Wissen unterstreichen, wie sievon den Vätern über die großen Theologen des Mittelalters bisin die Gegenwart hinein immer wieder hervorgehoben wordenist. Die Definition richtete sich damals vor allem gegen denAgnostizismus Kants, der den Fiduzialglauben Luthers philo-sophisch vollendet hat, weshalb man ihn mit Recht als dengenuinen Interpreten der Glaubenstheorie Luthers bezeichnethat.

Schon vor dem I. Vatikanischen Konzil hatte sich die Kirchewiederholt für die Vernunft des Menschen eingesetzt, wenn siedie Fähigkeit des menschlichen Geistes, über das Erfahrungs-mäßige hinaus vorzudringen, unterstrichen hatte. So hatte siesich etwa gegen Averroes (+ 1198), gegen Luther (+ 1546) undauch gegen Kant (+ 1804) gewandt. Eigentlich hat die katholi-sche Kirche stets eine Lanze gebrochen für die Rationalität,nicht für den Rationalismus. Eine Lanze für die Rationalitätalles Geschaffenen und des Schöpfers hat auch die viel ge-schmähte Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ des PapstesPius X. vom 8. September 1907 gebrochen, wenn sie gegen al-len Positivismus, Pragmatismus und Phänomenalismus dietranszendente, über das Erfahrungsmäßige hinausreichendeKraft der Vernunft geschützt hat.

Das heißt: Gemäß dem katholischen Denken kann es keinenGegensatz zwischen Wissen und Glauben geben, weil Gott derUrheber der natürlichen wie der übernatürlichen Wirklichkeitist.

Gerade die größten Theologen der Kirche, wie Origenes (+254), Augustinus (+ 430), Thomas von Aquin (+ 1274) und JohnHenry Newman (+ 1890), waren sehr bemüht um eine Synthesevon Glauben und Wissen. Sie haben sich vordringlich darumbemüht, das Wissen dem Glauben dienstbar zu machen. Die ka-tholische Kirche findet sich in ihrer Wertschätzung der Vernunftgestützt durch die Lehre von den „lÒgoi spermatikÒi“, durch dieLehre von den „rationes seminales“, die seit Justin, dem Märty-rer – er starb am Ende des 2. Jahrhunderts –, immer wieder vonden Kirchenvätern artikuliert worden ist.

Nach katholischer Auffassung ist die menschliche Naturdurch die Ursünde krank und geschwächt, aber nicht wesenhaftlädiert. Demgemäß ist der menschliche Intellekt kurzsichtig,nicht aber ganz und gar dem Irrtum verfallen (in metaphysi-

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4 Franz Xaver Kiefl, Katholische Weltanschauung und modernes Denken. Ge-sammelte Essays über die Hauptstationen der neueren Philosophie, Regens-burg 31922, 433.

5 Ebd., 434.6 Martin Luther, Vorlesungen über den Römerbrief 1515/16 (nach der Über-

setzung von E. Ellwein), München 1927, 300; vgl. Uta Ranke-Heinemann,Der Protestantismus, Wesen und Werden, Essen 21965, 104.

7 Hans Urs von Balthasar, Eschatologie, Die Theologie der letzten Dinge, in:Theologie heute, München 21959, 139.

8 Irenäus von Lyon, Adv. Haereses, lib. IV, c. 12, 1.

schen Fragen). Daraus resultiert die Überzeugung der Kirche,dass es in den nichtchristlichen Religionen nicht ausschließlichTrug und Irrtum gibt.

Heute ist man in dieser Hinsicht allerdings nicht selten ei-nem anderen Extrem verfallen, wenn man in den Religionen ingleicher Weise Offenbarungen Gottes sieht wie im Christen-tum. Dabei ist zu bedenken: Wenn alles Offenbarung Gottes ist,dann kann man schließlich auch sagen, dass nichts Offenbarungist. Dann ist nämlich alle Philosophie schon Theologie. Wennaber alle Philosophie schon Theologie ist, dann kann manschließlich auch sagen: Alle Theologie ist Philosophie. VomChristentum bleibt dann nichts mehr übrig als interessantemenschliche Spekulation über Gott und die Welt. Und derGlaube wird dann zu einer mehr oder weniger vagen Vermu-tung hinsichtlich der Existenz einer jenseitigen Welt und ihrerGestalt.

Also: Wenn es auch Wahres und Richtiges in den Religionengibt, so heißt das nicht, dass sie als solche Offenbarungscharak-ter haben, wie man das heute immer wieder lesen kann.

Die Vernunftfeindlichkeit der ReformatorenDie Skepsis der Reformatoren gegenüber der Natur des

Menschen, damit auch gegenüber dem menschlichen Intellekt,hat verschiedene Gesichter. Nicht zuletzt ist sie es, die zur Ab-lehnung einer rationalen Glaubensbegründung führt. Dann ruhtder Glaube rein in sich selbst. Diesen Tatbestand bezeichnetman als Fideismus, und den nicht rational fundierten Glaubenbezeichnet man dann als „Fiduzialglauben“.

Luther kannte überhaupt keine Berechtigung der Erkenntnisan im religiösen Leben. Sein Fiduzialglaube richtet sich daherauch gegen die vom katholischen Dogma behauptete Möglich-keit eines Wissens von der Offenbarungstatsache. Die Autoritätder Bibel ist für ihn von daher durch nichts anderes als durcheine unmittelbare, irrationale Gewissheit sanktioniert. Lutherpolemisiert gegen die „Hure Vernunft“, wie er sagt, gegen dieVernunft als eine „Hure des Teufels“. Ein wenig positiver isthier Melanchthon, ein anderer bedeutender Reformator, er starbim Jahre 1560, der – aus praktischen Erwägungen – zum Be-gründer einer philosophischen Scholastik des Protestantismuswurde. Die religiösen Urgedanken Luthers hat später Kant zuEnde gedacht, wie die neuere Forschung festgestellt hat. Kanthat den Fiduzialglauben Luthers in seinem philosophischenGrundansatz konsequent weitergeführt. Kant erklärt, dem er-kennenden Menschengeist bleibe die Transzendenz (Gott, Frei-heit, Unsterblichkeit) ewig verschlossen. Und für ihn findet derMensch einen Zugang zur jenseitigen Welt nur als sittlich wol-lendes Wesen. Von daher hat man Kant zu Recht als den genui-nen Interpreten der Glaubenstheorie Luthers bezeichnet. Derprotestantische Theologe Friedrich Schleiermacher (+ 1834)hat dann im 19. Jahrhundert die kantische Form der lutheri-schen Gedanken in die moderne Theologie eingeführt4. Stetshat man Kant seither innerhalb der protestantischen Theologiemit größtem Wohlwollen aufgenommen. Heute gilt das freilichauch weithin für die katholische Theologie, was jedoch imGrunde nicht möglich ist, was zumindest auf Kosten der katho-lischen Eigenart, des „proprium catholicum“ geht.

Kant und Luther stehen im Grunde auf dem Boden der glei-chen philosophischen Weltanschauung, während der gewisser-maßen dazwischen eingeschobene Standpunkt Melanchthons,der die gereinigte Wissenschaft und das gereinigte Wort alszwei gottgegebene Wege der Wahrheitserkenntnis versteht, eineInkonsequenz darstellt gegenüber dem Grundansatz des luthe-rischen Denkens5.

In der Abwertung der Vernunft gibt es im Übrigen bei denReformatoren verschiedene Grade der Intensität, ohne dass da-bei das grundsätzliche Misstrauen unwirksam wird. Am stärk-sten ist die Abwertung der Vernunft bei Luther. Alle Philoso-phie und alles Vertrauen auf die Vernunft sind nur Selbsttäu-schung und Selbstgerechtigkeit für ihn. Der Glaube muss nachihm vollends verzichten auf jede menschliche Sicherung. DieAversion gegen die Philosophie ist bei Luther sehr viel stärkerals bei dem Reformator Calvin (+ 1564). Luther erklärt bei-spielsweise in seiner Römerbriefvorlesung von 1515/16: „Ichglaube, dass ich dem Herrn diesen Gehorsam schuldig bin, wi-der die Philosophie zu streiten und zur Heiligen Schrift zu mah-nen“6. Immer wieder begegnet uns bei Luther „die Brandmar-kung aller philosophischen Fragestellung als einer bloßen Göt-zen- und Mythenfabrik, deren unerwünschte Produkte durchdiejenigen der christlichen Offenbarung einfachhin überholtsind und daher abgeschafft werden müssen“7. Alle Philosophieund alles Vertrauen auf die Vernunft ist für ihn Selbstgerechtig-keit, und der Glaube muss nach ihm auf jede menschliche Si-cherung verzichten.

Die von den Kirchenvätern immer wieder akzentuierte Lehrevon dem „lÒgoi spermatiko…“ spricht jedoch eine andere Spra-che als die pessimistische Erbsündenlehre im Protestantismus.Die Zuordnung von Natur und Gnade (von Wissen und Glau-ben), ist eine unangefochtene Überzeugung in der Christenheitgewesen bis zur Zeit der Reformation. Gegen die protestantischeAuffassung von der Dialektik von Natur und Gnade und für dieZuordnung von Natur und Gnade zueinander steht unter anderemdas Wort des Irenäus von Lyon (+ um 202): „Dominus naturalialegis non dissolvit, sed extendit et implevit“ – „Gott hat dasNaturgesetz nicht aufgelöst, sondern ausgedehnt und erfüllt“8.

Die Scholastik entwickelt dann das Axiom: „Gratia non de-struit naturam, sed supponit, elevat et perficit eam“ – „die Gna-de zerstört nicht die Natur, sondern unterstützt, erhebt und ver-vollkommnet sie“. Das gilt auch für das Verhältnis von Wissenund Glauben. Das Wissen zerstört nicht den Glauben, sondernunterstützt, erhebt und vervollkommnet ihn.

Die Lehre von den „lÒgoi spermatiko…“Aus der Hochschätzung des Natürlichen ergibt sich auch die

positive Einstellung der Kirche zu allem Wahren, Schönen undEchten in der vorchristlichen und außerchristlichen Welt. Schonimmer war die Kirche der Überzeugung, dass es im Heidentumnicht bloß Abfall gibt. Die Lehre von den „lÒgoi spermatiko…“wurde, wie gesagt, bereits in der Väterzeit nachdrücklich ver-

treten. Die natürliche Wahrheitserkenntnis muss demnach in denheidnischen Philosophien sowie in den nichtchristlichen Reli-gionen lediglich von dem abergläubischen Beiwerk getrennt wer-den, dann können sie zum Fundament der christlichen Wahrheitwerden. So hat die Kirche schon in der Zeit der KirchenväterPlaton (+ 347 v. Chr.), Aristoteles (+ 322 v. Chr.), Plotin (+ 269n. Chr.) und viele andere heidnische Philosophen gereinigt, umihre Weisheit so dem Logos dienstbar zu machen. In diesemGeist bezeichnen die Kirchenväter Platon geradezu enthusia-stisch als den Advent des Christentums9, und in diesem Geistbemühen sie sich mit größter Selbstverständlichkeit um die Re-zeption von allem Wahren und Echten aus der Philosophie undaus den Religionen der vor- und außerchristlichen Welt. So sehrsie offen sind für die heidnische Philosophie und für die heidni-schen Religionen, so sehr weisen sie die darin enthaltenen Irr-tümer und den darin enthaltenen Aberglauben zurück.

Mit Vorliebe unterstreichen die Kirchenväter die Ähnlichkei-ten zwischen den Dogmen des Christentums und den Lehrender Philosophen. Sie haben keinerlei Hemmungen, sich in dieSchule der heidnischen Denker zu begeben, obwohl sie strengsind gegenüber den hochmütigen Ansprüchen dieser Denkerund voll Spott für deren Ohnmacht, auf den Grund der Wahrheitzu kommen. So sehr sie überzeugt sind von dem teuflischen Ur-sprung der Götzenkulte, so wenig lassen sie sich durch die iro-nischen Äußerungen eines Porphyrius (+ um 300) oder einesKaisers Julian (+ 363) über die allmählich ins christliche Lebeneingeführten heidnischen Bräuche beirren.

Diesen Gedanken greift später Kardinal Newman (+ 1890)auf, wenn er sagt: „Man wirft uns vor, dies oder jenes finde sichschon bei den Heiden, es sei also nicht christlich. Wir möchtenlieber sagen: Es findet sich im Christentum, also ist es nichtheidnisch“. Und er fügt hinzu: „Uns beunruhigt es nicht, zu er-fahren, dass die Lehre von den Engeln aus Babylon stammt,uns, die wir wissen, dass diese Engel die Weihnacht besungenhaben; und es stört uns auch nicht, bei Philo (+ 50 n. Chr.) derVorstellung eines Mittlers zu begegnen, wenn der richtige Mitt-ler in Wahrheit auf Golgotha gestorben ist“10. Er artikuliert seinVertrauen auf die Vernunft und macht damit in genialer Weisedie katholische Position geltend, wenn er schreibt: „… Mankann in den heidnischen Philosophien und Religionen einengroßen Teil dessen finden, was gemeinhin für christliche Wahr-heit gehalten wird, sei es in ihren Rudimenten oder in einem be-stimmten einzelnen Aspekt. So findet sich etwa eine Lehre vonder Trinität sowohl im Orient wie im Abendland: und ähnlichdie Zeremonie der Waschung und der Opferritus. Die Lehrevom Logos ist platonisch, die Lehre von der Menschwerdungist indisch; die von einem Himmelreich ist jüdisch, die von denEngeln und Dämonen stammt aus der Magie; die Verbindungzwischen Sünde und Körperlichkeit ist gnostisch … Der Glau-be an die Macht der Sakramente ist pythagoräisch; die Toteneh-rungen stammen aus dem Polytheismus“11. Es kommt hier nichtauf die einzelnen Beispiele an, die Newman anführt. Und manwird auch sagen können, dass er seine These von den Entleh-nungen übertreibt. Entscheidend aber ist sein Anliegen, die po-

sitive Sicht der Kirche zu betonen hinsichtlich der Wahrheit, woimmer sie zu finden ist. Er bekräftigt seine Position noch ein-mal, wenn er erklärt: „… Wir glauben auf Grund der HeiligenSchrift, dass vom Urbeginn an der Herr der moralischen Welt-ordnung über ihre ganze Oberfläche hin Samen der Wahrheitausgestreut hat, die auf mannigfache Weise Wurzel fassten undwohl auch, wie es vorkommen mag, mitten in der Wüste Pflan-zen entstehen ließen, wilde vielleicht, aber lebendige immerhin,ähnlich wie die niederen Tiere zwar keine Seele besitzen, aberdennoch Spuren eines immateriellen Prinzips tragen. So schöp-fen auch die Philosophien und Religionen der Menschheit ihrLeben aus gewissen wahren Ideen, obschon sie nicht unmittel-bar göttlichen Ursprungs sind. Was der Mensch ist unter denTieren, das ist die Kirche unter den Schulen dieser Welt; undwie Adam einst den Tieren, die ihn umgaben, ihren Namen ver-lieh, so hat die Kirche von Anfang an sich rings auf der Erdeumgeblickt und die Lehren, die sie dort vorfand, sich gemerktund geprüft. Begonnen hat sie mit den Chaldäern, dann nahmsie Wohnung unter den Kananäern, sie ist nach Ägypten hinab-gestiegen, von da nach Arabien hinübergegangen, bis sie sich inihrem eigenen Land festsetzte. In der Folge begegnete sie denHandelsleuten von Tyrus, der Weisheit des Orients, dem Reich-tum von Saba. Dann wurde sie in die Gefangenschaft nach Ba-bylon geschleppt, und schließlich durchlief sie die SchulenGriechenlands. Und überall, wo sie weilte, verfolgt oder trium-phierend, überall war sie lebendiger Geist, Geist und Wort desAllerhöchsten; ‚sitzend inmitten der Gelehrten, ihnen zuhörendund sie befragend‘. Was sie Richtiges sagten, nahm sie auf, ihreIrrtümer verbesserte sie, ihre Lücken füllte sie aus, ihre Ansätzeergänzte sie, ihre Vermutungen entwickelte sie und erweiterteso allmählich den Umfang und verfeinerte den Sinn ihrer Un-terweisungen. Weit entfernt, ihr Credo darum in Zweifel ziehenzu müssen, weil es Ähnlichkeit hat mit fremden Theologien,gehen wir sogar so weit zu behaupten, dass ein besonderes Mit-tel der Vorsehung, uns göttliches Wissen zu vermitteln, dieseswar, dass sie der Kirche erlaubte, es aus der gesamten Welt zuziehen und in diesem Sinne ‚die Milch der Heiden zu sau-gen‘“12.

Die katholische Rechtfertigungslehre, die positiver über denGeist des Menschen und seine Vernunft denkt als die reforma-torische, die weiß um die Wahrheitselemente in den Religionen,wird daher auch die Missionierung der Völker nicht als Zerstö-rung ihrer Religionen, sondern als deren Vollendung verstehen,als Aufrichtung, Umwandlung und Heiligung. Sie wird dabeibemüht sein, die innere Kontinuität zu wahren. Daher ist dieAkkommodation im Missionswerk stets gefordert, freilich imRahmen des Möglichen. Die Grenze der Hereinnahme der au-ßerbiblischen Wahrheit ist dabei die christliche, näherhin diekatholische Identität.

In dieser positiven Sicht auch des Heidentums gründet dertraditionelle Vorwurf des Protestantismus an die katholischeKirche, sie habe eine Fülle von heidnischen Elementen aufge-nommen.

Der französische Theologe Henri de Lubac (+ 1991), eingenuiner Kenner der Lehre der Kirchenväter, erklärt, in der Tatkönne man sagen, dass das Christentum die alte Welt verwan-

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9 Karl Adam, Das Wesen des Katholizismus, Düsseldorf 121949 (11924), 175-177.10 John Henry Newman, zitiert nach Henri de Lubac, Katholizismus als Ge-

meinschaft, Einsiedeln 1943, 253 bzw. 409.11 Zit. nach Henri de Lubac, Katholizismus als Gemeinschaft, Einsiedeln 1943,

407 (John Henry Newman, Critical and Historical Essays, 12: Milmans,Christianity 1871, Bd. 2, 231 ff).

12 Zit. nach Henri de Lubac, Katholizismus als Gemeinschaft, Einsiedeln 1943,407 (John Henry Newman, Critical and Historical Essays, 12: Milmans,Christianity 1871, Bd. 2, 231ff).

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13 Henri de Lubac, Katholizismus als Gemeinschaft, Einsiedeln 1943, 249f.14 Ebd., 266.15 Ebd., 255.

16 Justin, Apologia II, cap. 8, n. 1.17 Ambrosius, In psalmum 43, n. 88 (Patrologia Latina 14, 1131).18 Henri de Lubac, Katholizismus als Gemeinschaft, Einsiedeln 1943, 249.19 Ebd.

delt habe, indem es sie aufgesogen habe13. Die Assimilation desFremden, sofern es ein Spiegel der göttlichen Wahrheit ist, istvon daher ein wesentliches Element des Katholischen.

Die positive Einstellung der Kirche zu allem Natürlichen hatihr oftmals den Vorwurf des Synkretismus eingetragen. Daraufwurde bereits in einem anderen Zusammenhang hingewiesen.Dieser Vorwurf besteht nicht zu Recht, denn das Christentumund die Kirche haben in alter Zeit nicht alles aufgenommen,was ihnen an geistigen Strömungen begegnet ist. So haben dieKirchenväter etwa die Gnosis als nicht mit der geoffenbartenWahrheit kompatibel zurückgewiesen und sich konsequent vonihr distanziert. Sie erkannten den extremen Synkretismus dieserHeilslehre, und schon dadurch erwies sie sich in ihren Augenals dem Christentum nicht assimilierbar. Die Auseinanderset-zung der Kirche mit der Gnosis war im christlichen Altertumein Kampf auf Leben und Tod, weil die Gnosis der Vernunftschmeichelte, wenn auch einer fragwürdigen Vernunft, undweil die Herzen der Massen gewann, deren Erwartungen sie er-füllte. Man hat es es als ein Wunder Gottes bezeichnet, dass dieKirche in dem unerbittlichen geistigen Kampf mit der Gnosisden Sieg davongetragen hat.

Die Kirche hat es stets abgelehnt, in pragmatischer Weise dieverschiedenen Positionen zu übernehmen und nebeneinanderzu stellen, wohl aber war sie stets bereit, die Wahrheit anzuneh-men, wo immer sie ihr begegnete, und alles, was irgendwiebrauchbar war, zu assimilieren. Das bedeutete jedoch nicht,dass man die übernatürliche Wahrheit auf das menschliche Maßherabsetzte. Das Gegenteil war vielmehr der Fall. Man passteden Menschen der übernatürlichen Wahrheit an und erhob ihnzum Maß dieser Wahrheit, deren Herrschaft und Gericht manihm verkündete14 .

Wo immer die Kirche die Wahrheit vorfindet, ist sie bereit,sie zu übernehmen, unter Umständen nachdem sie gereinigtwurde von den mit ihr einhergehenden Irrtümern. Diese Hal-tung, alles Wahre und alles, was assimilierbar ist, aufzunehmen,ist stets ein wesentliches Moment des Katholischen gewesen,faktisch und programmatisch.

Dem Willen, alles, was assimilierbar ist, aufzunehmen, ent-spricht jene andere Tendenz der Kirche, nichts, was nicht zumGlauben gehört, aufzuerlegen. Auch diese Haltung ist nichtpragmatisch zu werten, sie ist vielmehr im Dogma grundgelegt,in der Eigenart des katholischen Christentums15.

Zum Katholischen gehört demnach wesenhaft eine radikaleAufgeschlossenheit gegenüber jeder Wahrheit und gegenüberjedem Wert, ganz gleich wo sie gefunden werden. Daraus folgt,dass das Katholische nicht ausgrenzend oder abgrenzend ist,sondern eingrenzend. Die Fähigkeit der Kirche, alles Echte undWahre aufzunehmen, ihre Wertschätzung der Wahrheiten undder Werte, die die Vernunft erkannt und gefunden hat, ist imGrunde auch ein wesentliches Moment ihres Universalismusoder, so kann man es vielleicht auch sagen, die Wertschätzungder Wahrheiten und der Werte, die die Vernunft erkannt undgefunden hat, durch das Christentum und die Kirche folgt ausdem Formelement des Universalismus oder der Katholizität derKirche.

Das katholische Denken traut dem menschlichen Intellekt auchnach der Ursünde zu, dass er mit Hilfe seiner natürlichen Ver-standeskräfte wesentliche religiöse Wahrheiten erkennen kann,dass er vor allem die Wirklichkeit Gottes erreichen kann. Unddem Willen traut das katholische Denken zu, dass er prinzipiellgut handeln kann, das heißt, dass nicht alles, was der Mensch tut,böse ist, dass der Mensch nicht in allem, was er tut, sündigt.

Nach katholischer Auffassung ist die menschliche Naturohne Zweifel krank und geschwächt, aber nicht gänzlich ver-dorben. Das bedeutet, dass die menschliche Vernunft kurzsich-tig und schwankend ist, dass sie aber nicht ganz und gar zumIrrtum verurteilt ist, dass deshalb die Gottheit ihr nicht ganzund gar verborgen sein kann. „Der Same des göttlichen Wortesist dem ganzen Menschengeschlecht eingeboren“, sagt der Kir-chenvater Justin (+ um 165 n. Chr.) in seiner zweiten Apolo-gie16. Das göttliche Ebenbild ist im Menschen zwar verfinstert,verschlechtert oder entstellt, aber es ist immer da. So schreibtder Kirchenvater Ambrosius (+ 397): „Etsi avertis, Domine,faciem tuam a nobis, tamen signatum est in nobis lumen vultustui, Domine“ – „wenn du auch, o Gott, dein Antlitz von uns ab-wendest, so ist dennoch das Licht deines Angesichtes in unseingegraben“17. „Die falschen Religionen sind“ von daher „vieleher solche, die sich verirrt oder festgefahren haben, als solche,deren ursprüngliche Bewegung selbst Trug oder die in ihrensämtlichen Grundgedanken falsch wären“18. Hinzukommt, dassdie Religionen oft weniger auf verkehrten als auf kindlichen,um nicht zu sagen kindischen Vorstellungen beruhen19.

Nach katholischer Auffassung kann oder darf daher das Na-turhafte im Menschen nicht abgewertet werden. Das gilt für dieLeiblichkeit wie für die Sinnlichkeit wie für die geistigen Anla-gen des Menschen. In der Auseinandersetzung mit den Gnosti-kern und Manichäern in der Alten Kirche und mit den Albigen-sern und Bogomilen im Mittelalter betonte die Kirche immerwieder das Recht und die Würde des menschlichen Leibes unddamit auch die Würde der Ehe. Darin wurde sie noch bestärktdurch den Glauben an die Auferstehung des Fleisches, der einintegrales Moment ihres Credos darstellt und als solcher nocheinmal die positive Sicht des Naturhaften in der Kirche und imChristentum unterstreicht.

Der Sinn der Kirche für alles Schöne und für die Kunst In der Wertschätzung des Naturhaften gründet auch der Sinn

der Kirche für alles Schöne und für die Kunst. Die Pflege derKunst hatte seit eh und je einen bedeutenden Platz im katholi-schen Christentum inne, speziell die Pflege der religiösen Kunst.

Weil die Natur im katholischen Denken so positiv gesehenwird, deshalb wird der Mensch in ihm auch als Sinnenwesenvoll und ganz bejaht. Die Ehrfurcht vor dem Leib und vor demNatürlichen sind wesentliche Momente des katholischen Den-kens. Das leitende Prinzip ist dabei die Hinführung von der ir-dischen Schönheit zur überirdischen Schönheit gemäß demAxiom „per visibilia ad invisibilia“.

In dieser grundlegend positiven Einstellung zur Schöpfung undzu allem Sichtbaren wurzelt auch die Bedeutung der Sakramentein der Kirche, die hohe Wertung von sichtbaren Zeichen als In-

strumenten der unsichtbaren Gnade. Die Sakramente sind Zei-chen, Instrumente der unsichtbaren Gnade, die auf Grund ihrerHerleitung von Christus her „ex opere operato“ wirken.

Die Wertschätzung des Sichtbaren setzt sich noch einmalfort in den Sakramentalien, deren Wirkung sich nicht von Chri-stus herleitet, wie das bei den Sakramenten der Fall ist, sondernvon dem fürbittenden Gebet der Kirche. Aber immer geht esauch hier um sichtbare Zeichen, die Instrumente und Träger derunsichtbaren Gnade werden, wenn etwa das Wasser oder dasSalz oder das Öl oder die Nahrungsmittel gesegnet werden20.

Daher ist die Weltflucht im Kontext des Katholischen mit-nichten zu rechtfertigen, wenngleich die Askese darin stets sehrgroß geschrieben wurde und auch heute noch sehr groß ge-schrieben wird, jedenfalls prinzipiell. Die Askese wird hiergrundlegend missverstanden, wenn man sie als Weltflucht ver-steht. Im Kontext des Katholischen übt man Askese nicht ausVerachtung gegenüber der Welt, sondern als Mittel zum Zweck,als Mittel zum Zweck des Wachsens in der Liebe zu Gott. VomAnsatz her kommt die Weltflucht eher dem reformatorischenChristentum zu. Demgemäß ist das katholische Christentumvon der Wurzel her optimistisch.

Der Hintergrund der Wertschätzung der Vernunft im katholi-schen Denken und der daraus hervorgehenden Assimilations-kraft ist der Naturbegriff im katholischen Denken. Dieser wirdhier nämlich vertieft und nichts weniger als zerstört. Daherkann der katholische Glaube den Menschen bejahen, wie er ausder Hand Gottes hervorgegangen ist. Darum ist es – nach katho-lischer Auffassung – Aufgabe des Menschen, seine Natur in derGnade zu vollenden.

In der Gegenwart erscheint das katholische Vertrauen zurVernunft allerdings stark erschüttert. Das ist ein Tribut an einenirrationalen Zeitgeist oder auch die Folge eines falsch verstan-denen ökumenischen Dialogs. In diesem Kontext muss die En-zyklika „Fides et ratio“ des Papstes Johannes Paul II. vom 14.September 1998 gesehen werden, wenn sie nachdrücklich dieHinordnung der natürlichen Erkenntnis auf die übernatürlicheunterstreicht und die vielfach angefochtene Bedeutung der Ver-nunft für den Glauben emphatisch hervorhebt. Die Enzyklikastellt fest, dass die Kirche rational ist in ihrem Denken, nichtrationalistisch, und sie stellt aufs Neue die genuin katholischeHochschätzung der „ratio“ gegen alle Formen des Fideismus,sei es in der Theologie oder in der Philosophie.

Der Philosoph Jacques Maritain21, der das „proprium catho-licum“ tief durchdacht hat, spricht in diesem Zusammenhangvon einer Verkümmerung der Natur des „animal rationale“.Und er erklärt: „Der Mensch steht (heute) … im Begriff, dasVertrauen nicht nur zum philosophischen, sondern auch zumvorphilosophischen spontanen Denken zu verlieren, das alsnatürliche Gabe, als gesunder Menschenverstand zu seiner nö-tigsten Ausrüstung gehört und das sich in der Alltagssprachezugleich verbirgt und zeigt. Seien wir immer misstrauisch,wenn unter dem Vorwand, es handle sich bloß um ‚sprachlicheKategorien‘, allgemein menschliche Grundeinsichten herabge-setzt werden ... Wenn jedermann alles das missachtet, was der

geistige Instinkt dunkel wahrnimmt, Gut und Böse zum Bei-spiel, die sittliche Verpflichtung, Recht und Gerechtigkeit oderein bewusstseinsunabhängiges Sein, die Wahrheit, die Unter-scheidung zwischen Substanz und Akzidenz oder das Identi-tätsprinzip, so bedeutet das, dass alle Welt anfängt, den Ver-stand zu verlieren“22.

„Das vorphilosophische Denken zerfällt, und dadurchgleicht der Mensch, der von seinem Wesen her dazu bestimmtwäre, seinen Verstand zu gebrauchen, einem Tier, das seine In-stinkte verloren hat. Er gleicht Bienen, die nicht mehr wissen,wie sie Honig machen sollen, oder Pinguinen und Albatrossen,die keine Nester mehr bauen können“23. Maritain charakterisiertdiesen Zustand als „Logophobie“, als Angst vor dem Logos.

Die Angst vor dem Logos, von der Maritain spricht, findetihren Niederschlag in einem sich ausbreitenden Fideismus, derdie Verankerung der „fides“ in der „ratio“ ablehnt, wodurch derGlaube zu einer vagen Vermutung wird, zu einer Option, wo-durch der Glaube jeden objektiven Ausweis verliert und zueiner Funktion der inneren Erfahrung und des ganz persönli-chen Erlebnisses wird.

Nach katholischer Auffassung ist der Glaube jedoch Über-nahme von Fremdeinsicht auf Grund von Eigeneinsicht in dieGlaubwürdigkeit einer Person, in die Glaubwürdigkeit einesZeugen. Im katholischen Verständnis ist der Glaube nichtgleich Meinen oder gleich einer irgendwie gearteten Option, imkatholischen Verständnis ist der Glaube, wie gesagt, Übernah-me von Fremdeinsicht. Diese gründet im Vertrauen zu einerPerson, und sie hat zur Voraussetzung die Glaubwürdigkeit desZeugens, die rational gesichert sein muss. Dabei bedarf es derEigeneinsicht in die Autorität des Zeugen, in sein Wissen undin seine Wahrhaftigkeit. In diesem Sinne stellt der Glaube einenWeg zur Gewinnung von Erkenntnis dar, der im Alltag grund-sätzlich unentbehrlich ist. Wie im Sein die Gnade oder dasÜbernatürliche auf der Natur aufbaut, so baut im Erkennen derGlaube auf der Vernunft auf. In solchem Verständnis ist derGlaube für das katholische Denken in einer bewiesenen Objek-tivität verankert, während er für das protestantische Denkenletzten Endes in der Subjektivität der inneren religiösen Erfah-rung oder des inneren Erlebnisses seine Wurzeln hat24.

Natur und Gnade – Vernunft und GlaubeWie es zwischen Natur und Gnade keine Trennung gibt, so

kann es auch zwischen Vernunft und Glaube keine Trennung ge-ben. Natur und Gnade sowie Erkennen und Glauben sind im Ver-gleich miteinander wesenhaft verschieden, ohne dass sie getrenntsind voneinander in der Wirklichkeit. Durch den Glauben wird dieErkenntnisfähigkeit der Vernunft überhöht, und die Vernunftschafft das Fundament für den Glauben. Die Überhöhung der Er-kenntnisfähigkeit der Vernunft wird manifest in den verschiedenentheologischen Disziplinen, sofern sie den Inhalt des Glaubensdeutlich machen und das „credibile“ von dem „intellegibile“ schei-den, also in der spekulativen Aufgabe der Theologie, die neben derpositiven Aufgabe dieser Wissenschaft steht. Dabei erhält derGlaube sein Fundament in der rationalen Glaubensbegründung.

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20 Vgl. Karl Adam, Das Wesen des Katholizismus, Düsseldorf 121949 (11924),172-174.

21 Jacques Maritain, Der Bauer von der Garonne, Ein alter Laie macht sichGedanken, München 1969.

22 Ebd., 23.23 Ebd., 25.24 Franz Xaver Kiefl, Katholische Weltanschauung und modernes Denken. Ge-

sammelte Essays über die Hauptstationen der neueren Philosophie, Regens-burg 31922, 434.

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25 Bernhard Poschmann, Katholische Frömmigkeit, Würzburg 1949, 83.26 Denzinger/Schönmetzer, Nr. 3026.

Das bedeutet, dass die Vernunft ihren Bereich hat und derGlaube den seinen, dass die Vernunft aber den Bereich desGlaubens betreten kann und muss, dass aber auch der Glaubeden Bereich der Vernunft betreten kann und muss. Faktisch istes so, dass die Vernunft das Fundament für den Glauben schafftund dass der Glaube die Erkenntnisfähigkeit der Vernunft über-höht. Dabei hat die Theologie die doppelte Aufgabe, den Glau-ben positiv darzustellen in seiner Inhaltlichkeit und seine Aus-sagen verstehbar zu machen, soweit das möglich ist. Dabei istsie bemüht, durch die geistige Durchdringung der Offenbarunggegebenenfalls zu neuen Glaubenserkenntnissen zu gelangen.

Nach katholischer Auffassung sind Verstand und Wille glei-chermaßen beim Glaubensakt beteiligt. Der Glaube ist wederbloße Erkenntnis im Sinne des älteren Rationalismus, noch ister eine blinde Bestätigung des Willens im Sinne des modernenVoluntarismus. Der katholische Glaubensbegriff lehnt beideExtreme ab. Von daher ist es verständlich, wenn er von beidenSeiten angegriffen wird, wenn die einen ihn als unvernünftigund die anderen ihn als intellektualistisch bezeichnen. DerGlaube darf einerseits nicht unvernünftig sein, andererseits darfaber auch nicht zu einem reinen Erkenntnisakt degradiert wer-den. Dem Intellekt kommt die Einsicht in die Glaubwürdigkeitdes Zeugen oder des Zeugnisses zu sowie die Erkenntnis dergeistigen Inhalte, die hier übermittelt werden, dem Willen hin-gegen die Zustimmung zu dem als glaubwürdig und glaubens-verpflichtend Erkannten bzw. zu dem sich offenbarenden Gott.

Der Glaube ist stets auch eine Sache des Intellekts, sofern erdie Eigeneinsicht in die Glaubwürdigkeit des Zeugen voraus-setzt und sofern in ihm geistige Inhalte übermittelt werden. Daszu betonen ist heute notwendiger denn je, da der protestantischeGlaubensbegriff sich immer mehr auch im katholischen RaumGeltung verschafft.

Wir müssen unterscheiden zwischen dem Glauben als Aktund dem Glauben als Inhalt, denn beim Glauben gibt es immerein dativisches Moment und ein akkusativisches. Ich glaubeeiner Person, und ich glaube das, was sie mir mitteilt. Der Aktdes Glaubens meint die vertrauensvolle Hinwendung zu einerPerson, der Inhalt das, was diese Person mitteilt. Im religiösenGlauben werden objektive Wahrheiten oder – besser – Wirk-lichkeiten durch Gott mitgeteilt, die verstandesmäßig aufge-nommen werden, nicht anders als andere Wahrheiten und Wirk-lichkeiten, welche die natürliche Vernunft erkennt25.

Im Protestantismus wird der Glaube verkürzt auf das dativi-sche Moment, auf die „fides qua“, und wird dadurch zum Fidu-zialglauben. Faktisch wird er dabei reduziert auf das Vertrauenauf Gottes Barmherzigkeit und auf die Gewissheit der Sünden-vergebung, die es als solche freilich nach katholischer Auffas-sung nicht gibt.

Nach katholischer Auffassung ebnet die Vernunft den Wegzum Glauben, baut die „fides“ auf der „ratio“ auf. Das findetvor allem seinen Ausdruck in der Überzeugung von der rationa-len Aufweisbarkeit Gottes, die durch das I. Vatikanische Konzilgar zu einem Dogma erhoben worden ist. Das Konzil stellt fest,dass Gott „mit dem Licht der Vernunft aus den geschaffenenDingen mit Sicherheit erkannt werden kann“26. Die natürlicheGotteserkenntnis ist die Voraussetzung für eine rationale Glau-bensbegründung, ohne sie gibt es keine rationale Glaubensbe-

gründung. Wenn ich schon nicht mit der Vernunft erkennenkann, dass Gott existiert, dann kann ich auch nicht vernünfti-gerweise erkennen, dass er sich offenbart hat. Dann aber hängtder Glaube, objektiv betrachtet, in der Luft, wenn ich auch nochso viele gute Gründe dafür anführen kann.

Die Vernunft ebnet den Weg zum Glauben in zweifacherWeise. Zum einen, indem sie die Existenz Gottes und dessengrundlegende Eigenschaften aufzeigt und in Verbindung damiteinige weitere Wahrheiten der sogenannten „praeambula fidei“,wie die Unsterblichkeit der Geistseele des Menschen, die Abso-lutheit der Wahrheit, die objektive metaphysische Erkenntnis-fähigkeit des Menschen, seine Willensfreiheit, seine sittlicheVerantwortlichkeit und die Objektivität der sittlichen Normen,zum anderen, indem sie die Glaubwürdigkeit der kirchlichenVerkündigung bzw. des Anspruchs der Kirche, die authentischeInterpretin der Offenbarung Gottes zu sein, darlegt, wobei dieErkenntnis der Glaubwürdigkeit nicht mit der Glaubenszustim-mung verwechselt werden darf. Es geht hier darum, dass die„recta ratio“ die Vernunftgemäßheit des Glaubens darlegt, in-dem die die Tatsache der Offenbarung aufzeigt und den sich of-fenbarenden Gott in den Blick bringt.

Die Erkenntnis Gottes und die Glaubenszustimmung zu sei-ner Offenbarung, das sind verschiedene Dinge. Aber die Er-kenntnis Gottes, die natürliche Gotteserkenntnis, ist die Voraus-setzung für eine rationale Glaubensbegründung. Davon gehtdas Alte wie auch das Neue Testament aus und widerlegt damitdie intellektuelle Skepsis der Reformatoren.

Dabei darf man allerdings nicht der Meinung sein, in dervernünftigen Glaubensbegründung werde eine mathematischeGewissheit erreicht. Im Bereich der Philosophie und der Theo-logie (und überhaupt in den Geisteswissenschaften) gibt es nurdie freie Gewissheit, die trotz aller logischen Schlüssigkeit dieZustimmung nicht erzwingt, wie das bei allen Formen der ma-thematischen oder auch der notwendigen Gewissheit der Fallist, die auch die Naturwissenschaften bestimmt. Wir müssenunterscheiden zwischen der notwendigen Gewissheit und derfreien Gewissheit, zwischen der „certitudo necessaria“ und der„certitudo libera“. In den Geisteswissenschaften und in derTheologie ist deshalb nur eine freie Gewissheit zu erreichen,weil die Wahrheiten oder die Wirklichkeiten, um die es hiergeht, schwieriger und gegebenenfalls existentieller Natur sind,das heißt: weil sie unter Umständen die ganze Person betreffen.Bei der Erkenntnis solcher Wahrheiten spielen außer dem Intel-lekt das Ethos und der Affekt eine Rolle.

Überall wo es um die „certitudo libera“ geht, spielen das af-fektive Erleben und das moralische Verhalten eine nicht unbe-deutende Rolle im Erkenntnisprozess. Das gilt auch für dieGottesbeweise und noch einmal – in anderer Weise – für die ra-tionale Glaubensbegründung. Ist jemand hinsichtlich der Aner-kennung der Existenz Gottes psychisch blockiert oder mora-lisch in einer solchen Verfassung, dass er nicht will, dass Gottexistiert, dass er die Existenz Gottes nicht bejahen kann, oderleugnet er die Verantwortlichkeit des Menschen oder gar seineFreiheit, kann er intellektuell auch mit Hilfe der Gottesbeweisenicht zur Existenz Gottes vordringen. Dann vermag die objek-tive Gewissheit der philosophischen Gotteserkenntnis keinesubjektive Gewissheit im erkennenden Subjekt hervorzubrin-gen und auch nicht die Gewissheit der Glaubwürdigkeit der Of-fenbarung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine objektiveGewissheit subjektiv nicht auch als eine solche erlebt werdenmuss. Erkennen und erleben oder erfahren, das sind verschiede-ne Kategorien.

Angesichts dieser Zusammenhänge wird die rationale Got-teserkenntnis zu einer freien sittlichen Tat, das dürfen wir nichtübersehen, wenn auch nicht in dem Maße wie die Glaubens-entscheidung, die sich ja nicht auf den Gott der Philosophen,sondern auf den Gott der Offenbarung richtet27. Die Situation isthier jeweils eine andere, sofern die Gottesbeweise ein Wissen,ein Wissen in freier Gewissheit, begründen, während die ratio-nale Glaubensrechtfertigung den Glauben begründet. DieExistenz des Gottes der Philosophen kann ich wissen, an densich offenbarenden Gott aber kann ich nur glauben, freilich miteinem vernünftigen Glauben.

Die Vernunft ist deshalb auf den Glauben hingeordnet, weildie Natur auf das Übernatürliche hingeordnet ist, weil letztenEndes Gott der Urheber der natürlichen wie auch der übernatür-lichen Ordnung ist. Daher kann es auch keine Widersprüchegeben zwischen Wissen und Glauben, denn Gott ist identisch,wenn ich so sagen darf, mit dem Widerspruchsprinzip, über-haupt ist er identisch mit den obersten Seins- und Denkprinzi-pien. Die logische Struktur der Wirklichkeit ist ein Abglanz derlogischen Struktur Gottes, wenn man hier überhaupt von„Struktur“ reden darf. Auf jeden Fall ist es so, dass alles, wasnotwendig ist und nicht anders oder nicht nicht sein kann, in derNotwendigkeit Gottes gründet.

Im katholischen Denken ist die rationale Vorbereitung desGlaubensaktes von großer Bedeutung. Wird die Philosophie alsWeg zum Glauben verstanden, findet man den Gott der Offen-barung im Gott der Philosophen. Weil aber die Natur die Vor-aussetzung für die Gnade ist, weil das Übernatürliche auf derNatur aufbaut, deshalb hat der Glaube und deshalb hat auch dieTheologie zusammen mit der Existenz Gottes eine Reihe von

grundlegenden philosophischen Wahrheiten zur Voraussetzung,nämlich die Existenz einer objektiven Wahrheit, die Realität dergeistigen Person, die Verschiedenheit von Leib und Seele, dieObjektivität von Gut und Böse, die Freiheit des menschlichenWillens, die Unsterblichkeit der Geistseele, die objektive Er-kenntnisfähigkeit des Menschen, die Existenz eines persön-lichen Gottes und noch vieles andere, das gewissermaßen in derchristlichen Offenbarung wesenhaft eingeschlossen ist. Dasheißt: Diese elementaren Grundwahrheiten setzt die Offenba-rung voraus, die alttestamentliche wie auch die neutestamentli-che. Deshalb schließt die Glaubensentscheidung im katholi-schen Verständnis immer implizit eine Annahme dieser grund-legenden natürlichen Wahrheiten ein, deshalb schließt die Glau-bensentscheidung im katholischen Verständnis auch – wiede-rum implizit – jede Philosophie aus, die diese grundlegendenWahrheiten leugnet. Demnach kann der Gläubige eine Philoso-phie, die diese Wahrheiten leugnet, nicht annehmen.

Damit ist gesagt, dass die jüdisch-christliche Offenbarungstets unvereinbar ist mit einem erkenntnistheoretischen, mit ei-nem metaphysischen oder mit einem moralischen Relativismus,dass sie ferner stets unvereinbar ist mit einer materialistischen,mit einer immanentistischen und mit einer subjektivistischenWeltsicht, wie immer diese Richtungen sich im Einzelnen auchdarstellen mögen. Unvereinbar ist die christlich-jüdische Of-fenbarung schließlich auch mit der Weltanschauung des Ag-nostizismus, der zwar nicht die Transzendenz definitiv ver-neint, sie aber doch als eine Frage bezeichnet, die wir nicht lö-sen können. Das griechische Verbum „¢gnoe‹n“, von dem sichder Begriff „Agnostizismus“ herleitet, bedeutet „nicht wissen“.Wo immer diese Zusammenhänge übersehen werden, das wirddas Wesen des Katholischen verdunkelt28.

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27 Vgl. Bernhard Poschmann, Katholische Frömmigkeit, Würzburg 1949, 88-90.28 Dietrich von Hildebrand, Das trojanische Pferd in der Stadt Gottes, Regens-

burg 1968, 91f.

1 Der Verfasser dieser Zeilen ist seit 1982 in der Krankenhaus-Seelsorge tätigund hat einige schriftliche Beiträge zu diesem schönen Feld der priester-lichen Tätigkeit verfaßt. Zu nennen sind u.a. Behandeln wie Christus. Bau-steine einer Berufsethik für Heilberufe, Abensberg 1998 und „Euthanasieoder Kakothanasie? Der nichtchristlich Hintergrund eines Schlagwortes“,in: Theologisches 36 (2006), 129-140.

2 ,,… und das Ewige Leben. Amen!“. Christliche Hoffnung über den Tod hin-aus. Münster 2007.

3 Karl Rahner / Herbert Vorgrimler: Kleines Konzilskompendium. Freiburg 1966.4 Theologie ist Biographie. Erinnerungen und Notizen, Münster 2006; vgl. dazu

die Besprechung von David Berger in: Theologisches 36 (2006), 353-362.5 David Berger (Hrsg.): Karl Rahner – Kritische Annäherungen, Siegburg 2004.

Prof. Dr. Joseph SchumacherMerianstr. 2179104 Freiburg i. Br.

JOSEPH OVERATH

Herbert Vorgrimlers Eschatologie zwischen Biblizismus und Traditionsschelte

Wer als Pfarrer Seelsorge am Krankenhaus vollzieht, ist im-mer froh, wenn er eine gut verständliche Eschatologie in dieHand bekommt. Denn die Frage nach der Hoffnung eines ge-tauften Menschen ist eine der wichtigen Fragen im Umgang mitSterbenden1.

Der ehemalige Dogmatiker aus Münster, Herbert Vorgrim-ler, arbeitet seit seiner Emeritierung als Krankenhaus-Pfarrerund hat nach achtjähriger Tätigkeit am Krankenhaus eine all-gemein verständliche Übersicht über die Letzten Dinge ge-schrieben2. Vorgrimmler ist vielen Generationen von Theolo-gen u.a. bekannt durch seinen Kommentar zu den Texten desII. Vatikanums3. Letztlich hat er seine Memorien veröffent-licht, darin wird deutlich, daß er ganz auf der Seite des Theo-logen Karl Rahner und der von ihm beeinflußten Bischöfe zusuchen ist4.

Eines der Kennzeichen der Rahnerischen Theologie ist dasHinterfragen5; Vorgrimler hinterfragt gerne, zeichnet skizzen-

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6 Vgl. hierzu etwa: Elef Bucke-Lassen: Das schwere Gespräch. Einschnei-dende Diagnosen menschlich vermitteln, Köln 2005.

7 Über die Hoffnung der Kranken, in: Werke, Bd.7. Hamburg 2000, 357ff.8 Vorgrimler 54ff.9 (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhle, 135) Bonn 1998, Nr. 54.10 Walther Zimmerli: Grundriß der alttestamentlichen Theologie, Stuttgart

1972, 26.

11 Leo Scheffczyk: ,,Unsterblichkeit“ bei Thomas von Aquin auf demHintergrund der neueren Diskussion, München 1989, 22.

12 Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.: Eschatologie. Tod und ewiges Leben,Regensburg 2007, 124.

haft Problemstellungen auf, stellt evangelische Positionen dar –bietet aber kaum echte Glaubenshilfe für den Alltag eines Seel-sorgers im Krankenhaus und keinerlei Hilfe für das übrige Per-sonal und die Verwandten von Patienten. So klammert er dasgroße Thema der Angst einfach aus6 und er reflektiert auchnicht über die spezifische Hoffnung der kranken Menschen,wie es etwa in vorbildlicher Weise der Münsteraner PhilosophJosef Pieper getan hat7.

Auch die drängende Frage nach der Euthanasie wird nichtgestellt; dafür ergeht er sich in heftiger Polemik gegen denHymnus des Stundengebets ,,Dies irae “8.

Nur unter drei Aspekten ist das Buch ,,… und das EwigeLeben“ hier zu untersuchen: 1. soll die Frage nach dem Stellen-wert der Bibel gestellt werden, dann 2. ist das Buch in diekirchliche Lehre einzuordnen und 3. soll ein kurzer Blick aufdie philosophischen Thesen geworfen werden.

Herbert Vorgrimlers Buch ist von vielen Zitaten der Hl.Schrift durchzogen und auf den ersten Blick scheint es, als obdie Bibel die Quelle seiner Eschatologie ist.

Aber schon seine Bemerkung ,,Christen befragen die HeiligeSchrift, das Dokument göttlicher Offenbarung, nach Antworten.Leider begegnen hier wie auch in anderen Fällen der Nachfrage inder Bibel widersprüchliche Auffassungen“(13) läßt aufhorchen.

Wer nun denkt, jetzt werde auf ,,Dei Verbum“ rekurriert unddie Heilige Überlieferung als Glaubensquelle katholischenDenkens herangezogen, irrt. Vielmehr ist die Bibel „… dieQuelle des christlichen Glaubens … (33). Hier wird schlicht-weg übersehen, daß die Apostolische Überlieferung mehrumfaßt als die ,,Bibel“ und daß sich im Rahmen dieser HeiligenÜberlieferung die ,,widersprüchlichen Auffassungen“ verste-hen lassen. Der Verfasser hat großen Respekt vor der ,,Bibel-wissenschaft“(74) Die Übereinstimmung von Theologen istihm fast schon sakrosankt(62). Papst Johannes Paul II. hat inseiner Enzyklika ,,Fides et Ratio“ von einem ,,latenten Fideis-mus“ gesprochen, dem große Teile der heutiger Theologen er-liegen9. Man ergibt sich nur einer Methode der Exegese, wäh-rend es aber viele Methoden gibt und man identifiziert das WortGottes allzu schnell allein mit der Bibel.

In welche Widersprüche ein Theologe geraten kann, wenn erbezüglich dieses Themenkomplexes keine klare Grundent-scheidung getroffen hat, zeigt die Interpretation des 1. Kapitelsder Genesis (18-19). Dort übernimmt Vorgrimler die Meinung,daß Gott ,,… am Anfang aller Dinge nicht allein ist“(18). DerSchöpfer sei bei der Erschaffung der Welt schon in einenKampf mit den Todesmächten verstrickt gewesen. Man hat fastden Eindruck, hier solle ein gottfeindliches ,,Prinzip“ vertretenwerden. Demgegenüber weist ein Alttestamentler aber auf dieTatsache hin, daß all das, was sich dem Schöpfer entgegenstellt„… kein Element eigener Mächtigkeit …“10 ist.

Eigenwillig ist auch der Gedanke, von der ,,Geburt des Fe-gefeuers“(64). Vorgrimler weist mit Recht die These Le Goffszurück, erst im Mittelalter sei das Fegefeuer“ geboren“(63).

Woher kommt die Lehre vom Reinigungszustand dann? Ein,,… klares, eindeutiges Zeugnis in der Heiligen Schrift …“ fin-det Vorgrimler nicht (62-63). Er führt das Fegefeuer auf das alt-kirchliche Bußverfahren zurück.. Dabei kommt es ihm nicht inden Sinn, die Schriftstellen, die durchaus an ein Fegefeuer den-ken lassen, als Ausgangspunkt der kirchlichen Lehre anzuer-kennen. Wer die Bibel im Lichte der Heiligen Überlieferungliest, der kann auch die Lehre vom Purgatorium verstehen.

Denn man darf doch nicht übersehen, daß die ,,Bibel“ jüngerist als die Kirche. Und die Kirche hat in ihrer Liturgie schonimmer an die Verstorbenen gedacht und sie in ihre Gebete ein-geschlossen. Nicht ohne Spannung bleiben auch die Ausfüh-rungen über den Tod (26ff). Obwohl Vorgrimler die ,,Theo-rie“(26) ,, Der Tod ist die Trennung der Seele vom Leib“ auch,,in Spuren“ in der Bibel findet, mag er diesem Satz kaum zuzu-stimmen. Er unterscheidet dann schnell wieder zwischen einemhebräischen und griechischen Seelenbegriff, um letztlich dieSeele nicht adäquat zu deuten.

Wenn nun die Bibel wirklich die ,,Quelle des christlichenGlaubens“(33) ist – wie er betont – dann gibt es also Gläubige,die mehr ,,hebräisch“ oder „griechisch“ glauben und denken?Der fachfremde Leser wird hier die Frage stellen, welche Hoff-nung er denn nun bekommen soll aus diesen Verstrickungen –Hoffnung möchte das Buch schenken, auch über den Tod hin-aus …

Vorgrimler steht bei seinen Betrachtungen über die Seeleund deren Unsterblichkeit ganz im Bann der evangelischenTheologiegeschichte. Im 19. Jahrhundert wurde um das richti-ge Verhältnis von Unsterblichkeit der Seele und der Auferste-hung des Fleisches gerungen. Viele evangelische Theologenunterstellten der katholischen Lehre, sie sei einfach identischmit ,,Platon“ und dieser Vorwurf entzündete sich an der Platon-Deutung des 19. Jahrunderts. ,,Es ging dieser Richtung mitRecht um die Abkehr von der aufklärerischen, durch die libera-le Theologie des 19. Jahrhunderts emporgetragenen Lehre vonder naturhaften Unsterblichkeit der Seele, die soteriologischund gnadentheologisch als unzureichend und gefahrvoll emp-funden werden mußte. Unberechtigterweise aber wurde die Un-sterblichkeitsauffassung schlechthin mit der katholischen Theo-logie identifiziert, so daß etwa der evangelische Exeget O. Cull-mann an diese die Frage richten konnte, ob sie nicht das 15. Ka-pitel des 1. Korintherbriefes, das von der Auferstehung des Lei-bes spricht, dem Phaidon Platons geopfert hätte11.

Es kann keine Rede davon sein, dieser falsche Seelenbegriffhätte irgendetwas zu tun mit der kirchlichen Redeweise von derSeele und deren Trennung vom Leib in Tod und mit dem Wei-terleben der Seele. Vielmehr gilt, was Joseph Ratzinger bereitsin den neunziger Jahren formulierte: „Der Begriff der Seele,wie ihn Liturgie und Theologie bis zum 2.Vatikanum verwen-det haben, hat mit der Antike so wenig zu tun wie der Auferste-hungsgedanke. Er ist ein streng christlicher Begriff und konnteso überhaupt nur auf dem Boden des christlichen Glaubens for-muliert werden“12.

Vorgrimlers Eschatologie bekennt sich – unter Ausblendungder oben genannten Fakten – zur einer ,,Verwandlung im Tod“,

wie er seine Abwandlung der These von der Auferstehung im Todnennt (31). Wir werden noch erkennen, welche Philosophie hin-ter dieser Umdeutung der kirchlichen Lehre steht.

Im Hinblick auf die Heilige Schrift ist diese Theorie hinfäl-lig. Wenn Lk 16, 19-31, das Gleichnis vom reichen Prasser unddem armen Lazarus schon für die Eschatologie bemüht wird,dann nur so, daß gesagt werden muß: „Eine ,,Auferstehung imTod“ kennt Jesus nicht“13. Vorgrimler sieht in dem Gleichnis,,geographische Anschauungen“ (61). Damit nimmt er den al-ten, unberechtigten Vorwurf auf, die katholische Lehre von denLetzten Dingen sei so etwas wie eine ,,Jenseitstopographie“.

Das Absehen von der Heiligen Überlieferung bei der Deu-tung der Letzten Dinge kommt auch bei der Exegese von Joh 20zum Tragen. Vorgrimler bezieht sich auf eine Deutung vonKommentatoren. Sie schildern, dass Jesus nach Joh 20 den Jün-gern den Heiligen Geist geschenkt hat (46-47). Wenn dieserText angesichts des christlichen Sterbens auch Trost schenkenkann, so fragt man sich doch, warum hier nicht auf die Einset-zung des Bußsakramentes (und infolgedessen auf die Bedeu-tung des Sakramentes angesichts des Sterbens) eingegangenwurde. Denn der Geist Gottes erschafft die Menschen durch dieBuße immer wieder neu; hier geschieht Neuschöpfung, die sichunmittelbar vom österlichen Herrn ableitet14.

Die wenigen Beispiele machen deutlich, daß VorgrimlersBuch über die Hoffnung eben nicht christliche Hoffnung ver-mittelt, sondern den Leser in das Hinterfragen treibt. In derKrankenhaus-Seelsorge – angesichts des Sterbens – ist nichtdas Problematisieren und Exegetisieren angesagt, sondern dasBekenntnis, das sich aus der Bibel und der Heiligen Überliefe-rung speist.

Beim Lesen des Buches fällt auf, daß die letzte größereLehräußerung der Kirche über die Eschatologie nicht erwähntwird. Die große und hoffnungmachende Lehre der Kirche wirdan nicht wenigen Stellen des Buches in Zweifel gezogen; dieKirche aber spricht ganz eindeutig über die Echatologie15.

Die Kirche hat sich in neuerer Zeit öfter über die Lehre vonden Letzten Dingen zu Wort gemeldet. Dabei fällt auf, daß sieunbeeindruckt von großen Teilen heutiger Theologie ihre Dok-trin nicht geändert hat. Ebenso fällt auf, daß viele Theologen –so auch Vorgrimler – diese Texte nicht oder kaum würdigen.

Vorgrimler meint eine „… Besinnung …“ der Kirche zu er-kennen (55); die Lehre würde sich seit dem letzten Konzil än-dern. Als Gradmesser dieser neuen Tendenz führt er die Strei-chung der Totensequenz aus der Exequienmesse an (54ff). Die-ser Text, den viele Generationen gesungen haben und auch heu-

te noch mit kirchlicher Erlaubnis16 singen, ist für ihn ein „…Schreckenstext …“ (55). Er verschweigt, dass der Hymnus kei-neswegs aus den offiziellen liturgischen Büchern der Kircheverschwunden ist – er steht nunmehr im Stundenbuch17. Vor-grimler übersieht hier, daß der Hymnus sich einer bibelnahenSprache bedient und zudem das Mysterium fascinosum et tre-mendum, die Mitte aller Religion, sehr gelungen zum Ausdruckbringt18.

Jemand, der diesen klassischen Text der abendländischenChristenheit einen „Schreckenstext“ nennt, verrät damit, daß ermehr zu einem vagen Heilsoptimismus neigt. Vorgrimler kriti-siert das Johannesevangelium als Hintergrund des „Schrek-kenstextes“ (53 -54). Er kann hier nicht unter scheiden zwi-schen bildlicher Ausmalung und der Aussageabsicht – sonstkönnte er auch das „Dies irae“ für den heutigen Beter ent-schlüsseln. Denn viele Menschen, die heute im Krankenhauszum Sterben kommen, kennen diesen Hymnus – pastoral sinn-voll könnte es sein, die Bildersprache zu erklären und sie mitder Lehre der Kirche – wie sie sich etwa im Kompendium desKatechismus findet – zu kombinieren.

Die Glaubenskongregation mahnt eigens die Seelsorger, Bil-dern der Heiligen Schrift mit Ehrfurcht zu begegnen: ,,Es ist not-wendig, ihren verborgenen Sinn zu erfassen und dabei der Gefahrzu entgehen, sie allzusehr auszudünnen, da dies oft die Wirk1ich-keit entleert, die durch diese Bilder ausgesagt werden“19.

Doch auch die mittelalterliche ,,Ars moriendi“ fällt der Un-gnade des Münsteraner Krankenhaus-Seelsorgers und Dogmati-kers anheim. Anstatt im Rahmen seines Hoffnungsbuches theo-logische verantwortbare Leitsätze über eine Sterbebegleitung an-zubieten20, wirft er der Ars moriendi“ vor, daß sie den Sterbendenmit ,,den Schrecken von Teufel und Hölle konfrontiert“ (43).

,,Damalige Auffassung“(43), die „Gewissenserforschung,das Glaubensbekenntnis im Sinn der katholischen kirchlichenLehre, die Erweckung von Reue und Leid, das Sündenbekennt-nis im Sakrament der Buße, die Lossprechung, die Krankensal-bung, die man damals als ‚Letzte Ölung’ bezeichnete“ (43).

Was hier als ,,damalige Auffassung“ diffamiert ist, findetsich auch nach dem Konzil in den offiziellen Büchern der Kir-che. Zwar kennt das Buch an anderer Stelle (46) die Sakramen-te, aber es bleibt unklar, warum dann die Polemik gegen die,,Ars moriendi“ so hart ausgefallen ist. Das mittelalterlicheBuch war im Grunde etwas ganz ,,Modernes“; es war ein Trai-ningsprogramm für die Laien, die dem Nächsten die Sterbebe-gleitung schenkten und es regte an zu einem stellvertretendenBeten für den Sterbenden. Warum also diese Polemik?

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13 Ders.: Jesus von Nazareth, 1.Teil, Freiburg 2007, 256.14 Vgl. hierzu Benedikt Schwank: Evangelium nach Johannes, St. Ottilien

1996, 480ff.15 Umfassend, aber von Vorgrimler nicht herangezogen: ,,Recentiores episco-

porum synodi“ vom 17.Mai 1979; die Glaubenskongregation betont, daß esein ,,verbale instrumentum“ geben muß, damit der Glaube der Kirche ver-kündigt werden kann (DH 4650- 4659), hier 4653; entgegen den Mahnun-gen der Kirche wurden aber fast überall in Deutschland Begriffe wie ,,See-lenmesse“ liquidiert zugunsten einer Begrifflichkeit, die sich von der Häre-sie der ,,Auferstehung im Tod“ ableitet.Es wurde und wird fast nur von ,,Auferstehungsmessen“ geredet; dazu kommtja, daß das deutsche Rituale für das Begräbnis die Seele eliminiert hat. DieFolgen liegen mittlerweile auf der Hand; da die Kirche die Seele ,,versteckte‘wuchs der Einfluß der asiatischen Seelenwanderungslehre an und viele Men-schen lassen sich nunmehr ohne kirchlichen Beistand beerdigen.

16 Das Missale Romanum des Trienter Konzils ist mit Erlaubnis der Kirche fürverschiedene Gruppen und Priester erlaubt. Vorgrimler übersieht die bibel-theologischen Hintergründe dieses Hymnus, der zudem in der mehrstimmi-gen Musik einen festen Platz hat. Anstatt diese pastorale Chance zu nutzen,beargwöhnt er diesen wertvollen Text, der aus dem Umkreis der franziska-nischen Frömmigkeit stammt.

17 Das ,,Dies irae“ kann auf die Lesehore, die Laudes und die Vesper verteilt inder 34. Woche des Jahreskreises gebetet werden. Vorgrimler nimmt diesnicht zur Kenntnis.

18 Vgl. hierzu mein: Herr - Gott. Eine religionsphilosophische Skizze, Abens-berg 2001, 111ff.

19 DH 4658.20 Vgl. mein: Be – Handlen wie Christus. Bausteine einer Ethik für Heilberu-

fe, Abensberg 1998, 65ff; es bleibt ein Desiderat, daß auch die Universitäts-theologie sich mit solchen Fragen befaßt.

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21 Ratzinger, Eschatologie 191.22 Ebd. 130.23 Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, 171. Bonn 2005, Nr.15.24 Ziegenaus, Anton: Die Zukunft der Schöpfung in Gott. Eschatologie, Aachen

1996, 214.

Aber das Mittelalter findet keine Gnade in Vorgrimlers Au-gen. War es doch die Zeit, da die Päpste Ablässe einführten unddas „Messopfer“ für die Verstorbenen feiern ließen (66). Nachdem Hoffnungsbuch wollte man dadurch Sündenstrafen abkür-zen – warum hier die Vergangenheitsform?

Vielleicht liegt der Schlüssel zum Verständnis dieser undanderer Aussagen Vorgrimlers in der Hypothese von der ,,Auf-erstehung im Tod“, die Vorgrimmler lieber Verwandlung imTod nennt (31). Man kann dieses Konzept sicher ,,ungeklärtnennen“21. Es stellt sich auch die Frage, wie die Existenz desPurgatoriums mit dieser nichtbiblisches These zu vereinbarenist.

Dahinter steht sicherlich auch die Ablehnung der Seelenleh-re der Kirche, die man gerne als ,,thomistisch“ einstuft (31).Dann kann gesagt werden, daß kein Gläubiger die ,,Seelen-lehre“ des heidnischen Philosophen Aristoteles oder des Tho-mas von Aquin übernehmen muß. Vorgrimler löst keine der vie-len Fragen um die Seele und deren Weiterleben.

Er stellt die ,,Seelenlehre“ in Frage, ohne ein sinnvolleresKonzept an die Stelle setzen zu können. Er übersieht, was Jo-seph Ratzinger zu bedenken gegeben hat: „Die Materie als sol-che kann nicht der Konstanz-Faktor im Menschen sein: Sie istauch während des irdischen Lebens in steter Umbildung begrif-fen. Insofern ist eine Dualität, die die Konstante von dem Varia-blen unterscheidet, unerläßlich und einfach von der Logik derSache her gefordert. Die Unterscheidung zwischen Seele undLeib ist aus diesem Grund unverzichtbar“22.

Ähnliche Irritationen wie die Seelenlehre Vorgrimlers berei-ten dem katholischen Leser auch die Ausführungen über eine,,Wiederbringung aller Dinge für den Aufbau des ewigen Rei-ches Gottes“ (Moltmann), den er (58) zitiert. Das Gericht Got-tes besteht darin, daß die Menschen das Kreuz Christi vorgehal-ten bekommen: Es ist die Antwort Gottes auf jede Schuld desMenschen“ (58) Auch das Bild vom Gnadenstuhl wird herange-zogen.

Die Kirche lehrt – bis in die Enzyklika „Deus Caritas est“hinein –, dass es im Gericht einen ,,… endgültigen Entscheidüber Wert oder Unwert eines Menschenlebens …“23 geben wird.Vorgrimler zitiert wieder Moltmann (82), der am Ende derZeiten nicht mehr erkennen kann, dass der Mörder ewig seineOpfer getötet haben soll. Hier haben wir es nicht nur mit derHoffnung, dass die Hölle leer sein wird, zu tun, sondern mit ei-ner Gewißheit der Rettung aller.

Für Vorgrimler gibt es eine ,,Hölle“ und er wehrt sich auchgegen einen Gott, der rächt (82). Aber in Gott fallen Gerechtig-keit und Barmherzigkeit zusammen; die Freiheit des Menschen,sich gegen den Schöpfer zu entscheiden, muß auch angesichtsder ewigen Verdammung bedacht werden. ,,Der Grund für dieewige Gottesferne liegt nicht in Gott, sondern im Menschen“24.

Was nun die Seelsorge, besonders im Krankenhaus, angeht,so ist es am besten, den Menschen die Lehrdokumente der Kir-che auszulegen; diese sprechen eindeutig über die Letzten Din-ge. Erinnert sei an den ,,Katechismus der Katholischen Kir-

che“25 und an das ,,Kompendium“26 auch das ,,Credo des Got-tesvolkes“ Papst Paul VI.27 stellt die Lehre gut dar.

All diese Texte scheinen Vorgrimler bei der Abfassung sei-nes Buches nicht beeindruckt zu haben.

Welches sind die philosophischen Grundlagen Vorgrimlers?Wenn er z.B. sagt, niemand brauche an ,,Arme Seelen“ zu glau-ben, welche Voraussetzungen hat diese Meinung?

Er sagt dies (31), nachdem er sich zur Lehre ,,Verwandlungim Tod“ bekannt hat. Nun liegt auf der Hand, daß er sich strengan Karl Rahners Gedankenwelt hält28. Rahner hatte versucht,unter Abwendung von der Lehre des hl. Thomas von Aquin, dasLeib-Seele-Problem neu zu durchzudenken.

Bei diesen denkerischen Bemühungen aber hatte die Lehrevon der „anima separata“ keinen Platz mehr29.

Nun ist es nach wie vor kirchliche Lehre, daß die Seeledurch den Tod vom Leib getrennt wird und dann als „mensch-liches Ich“ im Zwischenzustand weiter1ebt30. Nun hat nie einKatholik behaupten können, die Seele im Zwischenzustand seinicht bedauernswert. Die Seele lebt ja nicht aus sich heraus; siestrahlt auch nicht ein Pathos der Unsterblichkeit aus und sie istauch nicht ,,göttlich“, wie manche Aufklärer meinten. Rahnersund Vorgrimrnlers Bedenken richten sich nicht gegen den hl.Thomas, sondern gegen eine Mixtur der evangelischen Pole-mik, die auf katholischer Seite verbrämt ist mit seiner Kritik am,,Thomismus“. Denn Thomas weiß, daß die Seele nicht die Un-sterblichkeit als Ziel hat, sondern die Auferstehung des Flei-sches anstrebt31. Aber die Auferstehung des Leibes wird erst ge-währleistet durch den Konstanz Faktor der Seele.

Joseph Ratzinger hat sehr anschaulich beschrieben, daß dieersten Probleme bezüglich der Seele bei Martin Luther auftre-ten mußten. Bislang waren Unsterblichkeit der Seele undAuferstehung von den Toten nicht als ein Gegensatz beschrie-ben worden; nur aber wurde die Kirche mehr „… als eigen-mächtige Verderberin des reinen Wortes …“ gesehen und nunkommt auch ein Affekt auf gegen das angeblich hellenischeElement im Glauben der Kirche32.

Diese Angst treibt auch Vorgrimlers Buch um. Er unterschei-det einen griechischen und hebräischen Seelenbegriff (26-27)Und wenn etwa zu Allerheiligen der Gesang „Iustorum animae“erklingt (vgl. Weisheit 3,1), dann wäre dies nicht der authen-tische Glaube, sondern eben eine Verfälschung des Hellenis-mus, den man bekämpfen müßte.

Warum fragt man nicht einfach danach, was denn die Seeleist, d.h. warum stellt der Theologe nicht zuerst die philosophi-

25 Catechismus Catholicae Ecclesiae, Vatikan 1997; dort wird endlich wiederrichtig über die ,,Auferstehung des Fleisches“ gesprochen; Nr. 988ff. Nr.1015 weist auf das Axiom ,,Caro salutis est cardo“ hin; dieser Aspekt wirdbei Vorgrimler vollkommen ausgeblendet, weil er von Rahner einen vagenBegriff der Materie übernimmt.

26 Katechismus der Katholischen Kirche: Kompendium, Bonn/Vatikan 2005;hier taucht wieder der falsche Begriff ,,Auferstehung der Toten“ auf (Nr.202), wenn auch die richtige Übersetzung ,,des Fleisches“ in Klammern hin-zugefügt ist.

27 Papst Paul VI.: Echo der Stimme Christi. Das Credo des Gottesvolkes von1968, Mit einem Kurzkommentar versehen und neu herausgegeben von Jo-seph Overath, Münster 2005.

28 Ratzinger, Eschatologie 191.29 Scheffczyk 14 ff.30 DH 4653.31 Scheffczyk 43 ff.32 Ratzinger, Eschatologie 211.

sche Frage nach dem Wesen der Seele und konfrontiert dieseEinsicht mit den verschiedenen biblischen Ansätzen?

Diese sind die weltanschaulichen Fragen, die ungeklärt sind,die dann aber theologische Hinterfragbarkeit produzieren. Letzt-lich spricht aus dem Buch Vorgrimlers eine subjektive Philoso-phie, ein Mangel an Metaphysik.

Papst Johannes Paul II. hat die Kirche an die Bedeutungeiner soliden und wahren Philosophie für die Theologe erinnert.Er stellte nach dem II. Vatikanum einen ,,Verfall“ bezüglich derwahren Philosophie in ihrem Verhältnis zur Glaubenswissen-schaft fest33.

Wichtig ist die Erkenntnis, daß die Theologie auch Begriffebenutzen muß, die sie nicht geprägt hat, sondern die ihr die Phi-losophie bereitstellt. Viele theologische Inhalte lassen sichnicht erklären ohne den Rückgriff auf die Philosophie34.

Beim Lesen des Buches Vorgrimlers merkt man auf Schrittund Tritt, daß viele weltanschaulich-philosophische Vorent-scheidungen aufgenommen worden sind, die aber nicht einerMetaphysik entspringen, die die Wahrheit des Seins erreicht.Das kommt auch in der Bemerkung zu Tage: ,,Vorsicht: Philo-sophie“ (24), wenn er über den Seelenbegriff nachdenkt! Dasdie Rahner-Schule u.a. euch die Lehren des hl. Thomas von

Aquin neuinterpretiert hat – und dabei ihm wohl kaum gerechtwird – hat für das Leib-Seele-Problem Leo Scheffczyk darge-stellt35.

Der Aquinate erreicht mit seiner Philosophie und Theologiedie Wirklichkeit. ,,Weil er die Wahrheit vorbehaltlos anstrebte,konnte er in seinem Realismus deren Objektivität anerkennen.Seine Philosophie ist wahrhaftig die Philosophie des Seins undnicht des bloßen Scheins“36.

Das Buch meines Münsteraner Kollegen in der Kranken-haus-Seelsorge stellt mehr Fragen als es beantwortet. Unter-schiedliche Positionen stehen oft nebeneinander. Nur das Kapi-tel über den Himmel (83ff.) ist etwas hilfreicher.

Der Leser wird nicht in die Sprache der Kirche eingeführt;ja, die Riten der Sakramente, die im Krankenhaus an der Tages-ordnung sind, sind nicht in die Deutung einbezogen worden.

Wer als Theologe hinterfragt, sollte nicht dabei stehen blei-ben, sondern um der unsterblichen Seelen willen auch die Ant-wort des Glaubens geben. Daß der evangelische TheologeMoltmann oft das ,,Fazit“ Vorgrimlers bildet, verunsichert denkatholischen Leser nicht wenig. Hilfreicher als das Hinterfra-gen ist dann doch die vielgescholtene ,,Satzwahrheit“. Ange-sichts des Todes gilt es, ein eindeutiges Bekenntnis zu schenken– da halte ich mich lieber an die große und schöne Lehre derKirche, wie sie uns z.B. noch im ,,Kompendium“ des Ka-techismus an die Hand gegeben worden ist.

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PETER-JULIAN EYMARD

Lobrede auf den hl. Thomas von AquinEinfache Notizen für eine Lobrede auf den hl. Thomas von Aquin,

die der hl. P. Eymard noch als Marist, wahrscheinlich den Studenten seiner Kongregation gehalten hat.

33 Fides et Ratio, Nr.6134 Ebd. Nr.66.35 Scheffczyk 8 ff.36 Fides et Ratio, Nr. 44.

Dr. theol. Joseph Overath Hauptstr. 54, 51789 Lindlar

Es wäre erbaulich, an die allerersten Lebensjahre dieses Hei-ligen zu erinnern, der schon damals die Bezeichnung „engels-gleich“ verdiente, weil er sich frei von den Leidenschaften undFehlern der Kindheit erwies, weil er durch seine sittliche Un-schuld, die Heiterkeit seines Gesichtsausdrucks, seine Beschei-denheit und Milde, seine zarte Frömmigkeit und seine großzü-gige Nächstenliebe zu den Armen Bewunderung erwarb. Allesin ihm kündigte einen Heiligen an, der mit den reichlichstenSegnungen Gottes ausgestattet war.

Um ihn nachzuahmen ist es aber wertvoller, sich damit zubegnügen, seine Treue zu den wichtigsten Gnaden seinesLebens hervorzuheben: die Gnade seiner Berufung, die Gnadedes geistlichen Lebens und jene der Wissenschaft.

1. Die Gnade der Berufung zum geistlichen Stand.Thomas v. Aquin ist achzehn Jahre alt, als er sich zum geist-

lichen Leben im Orden des hl. Dominikus berufen fühlt. Aber so-gleich unternimmt seine Mutter eine Reihe von Schritten, um ihnvon seinem Plan abzubringen. Sie geht dabei sogar soweit, ihnals Gefangenen in der Schloßfestung Rocca Secca, wo er gebo-

ren worden war, einzusperren. Seine beiden Schwestern unter-stützten die Bemühungen ihrer Mutter; seine Brüder schicken ei-ne Kurtisane zu ihm, um ihn von seiner Tugend abzubringen. Al-les bleibt umsonst. Thomas geht zum Angriff über; er bekehrt sei-ne Schwestern, eine von ihnen wird Ordensfrau; er treibt die un-verschämte Frau in die Flucht, indem er sie mit einem brennen-den Holzscheit, das er aus dem Herd seines Zimmers geholt hat-te, davonjagt; mit diesem Holzstück macht zum Zeichen seinesTriumphes an der Mauer ein großes Kreuzzeichen und erhält alsBelohnung aus der Hand des Engels einen Strick, der das Ge-schenk der vollkommenen Keuschheit bedeutet, welche Gott ge-währt. Es bedurfte des Eingreifens von Kaiser Friedrich II. undebenso des Papstes Innozenz IV., um seine Eltern von ihrem Wi-derwillen abzubringen. Nach einem Jahr Gefangenschaft gelanges Thomas unter Mithilfe seiner Freunde, durch ein Fenster sei-nes Zwingers zu entkommen und ins Kloster zurückzukehren.

2. Die Gnade des Ordenslebens.Sein Gehorsam ging soweit, sich dem Willen der niedersten

Brüder zu ergeben. Als er eines Tages im Kloster in Bologna

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einen Spaziergang machte, gebot ihm ein Ordensmann, den ernicht kannte, ihn in die Stadt zu begleiten; er führte dabei dieAutorität des Priors an, der ihm erlaubt hatte, den ersten Reli-giosen mitzunehmen, den er gerade unbeschäftigt antreffenwerde. Und Frater Thomas folgte ihm sofort, obwohl ihm einBein sehr starke Schmerzen bereitete.

Im Speisesaal unterbricht der Mitbruder, welcher mit demKorrigieren des Vorlesers beauftragt war, den Bruder Thomaszu unrecht; dieser änderte ohne Protest seine richtige Ausspra-che in die falsche. Als Thomas nachher um den Grund diesesVerhaltens gefragt wurde, antwortete er: es ist unwichtig, eineSilbe lang oder kurz auszusprechen, aber der Gehorsam sei et-was Wichtiges. – Seine Abtötung war so stark, daß er bei Tischaufs Essen vergaß, in seinem Studium oder Gebet versunken; esmußte ihn jemand aufs Essen hinweisen. Er schlief wenig undverharrte nach der Komplet lange Zeit in der Kirche und kehr-te dann schnurstracks in seine Zelle zurück, um nicht dieAufmerksamkeit der Gemeinschaft auf sich zu lenken.

Er feierte die hl. Messe mit einer Andacht, welche die Anwe-senden bewegte; und oft konnte man ihn im Augenblick derKommunion vor Liebe weinen sehen. – aus seinen Gesichtszü-gen und Blicken konnte man das Ansteigen seiner Innigkeit ab-lesen, das ihn während des Empfanges des Leibes und BlutesJesu Christi erfaßte.

3. Die Gnade der Wissenschaft.Er war ihr treu und entwickelte sie durch seine Demut.

a) Die Demut seines Schweigens, die man für ein Zeichenvon niederer Intelligenz hielt. Man nannte ihn den stummenOchsen wegen seines Schweigens und seiner ziemlich stämmi-gen Statur. Er nahm das zwingende Angebot eines Mitschülersan, der ihm Nachhilfestunden geben wollte! Dies ging bis zudem Tag, als ihn sein Meister Albert der Große verpflichtete,öffentlich eine der schwierigsten Thesen zu verteidigen. BruderThomas leistete diese Arbeit in einer so brillanten und beschei-denen Weise, daß sich der Meister nicht zurückhalten konnte,den Schluß daraus zu ziehen: Wir nennen ihn stummen Ochsen,aber seine Lehre wird ein derartiges Brüllen werden, daß es inder ganzen Welt widerhallen wird.

b) Demut bei seiner wissenschaftlichen Arbeit.Er ruhte nicht auf seinem Genie aus, sondern arbeitete im-

merfort weiter in seiner Fähigkeit zu Intuitionen und ganz per-sönlichen Gedankenentwicklungen; er sucht dafür Zeugnisseaus der Tradition und sichert sich die Autorität der Väter undLehrer der Kirche, die vor ihm gewirkt haben. Schließlich hörter auf dem Höhepunkt seines wissenschaftlichen Ruhmes, vierMonate vor seinem Tode, zu schreiben auf, weil er nach einerlangen Exstase erklärte, er hätte die Offenbarung so hoher undschöner Wahrheiten erhalten, daß in seinen Augen alles, was erbis jetzt geschrieben und gelehrt habe, wenig Wert hätte.

c) Demut in der Selbstwertschätzung.Die ganze Wissenschaft schrieb er Gott zu als der Quelle,

aus der er sie geschöpft habe, wie einem Meister, von dem ersie empfangen habe. Als er eines Tages von jemandem gefragtwurde, von woher er soviel Wissen geholt habe, zeigte er aufdas Kreuz und gab zur Antwort: dies ist mein Meister; manlernt mehr zu Füßen des Gekreuzigten als in den Büchern1.

Diese Demut bewahrt ihn vor aller Ehrsucht und Überheb-lichkeit. Selbst zu seinen Gegnern während der theologischen

Kontroversen zeigte er sich bescheiden und leutselig; nie hat ersich nach seiner eigenen Aussage bei einem Ausbruch eitlenRuhmes aufgehalten, den er durch seine Lehrerfolge hervorge-bracht hatte; er hat stets kirchliche Würden und Ehrenämter, dieihm angeboten wurden, ausgeschlagen. Hingegen war er gernebereit, Leuten aller Schichten, die ihn um Erklärungen und Ratfragten, zur Verfügung zu stehen.

Was er am höchsten schätzte, war die Übereinstimmung mitGott, dessen Liebe ihn verzehrte. Als er eines Tages vor seinemKruzifix betete, geriet er in Exstase; da kam gerade ein Mitbru-der und hörte überrascht den Dialog zwischen dem Heiligenund dem Gekreuzigten: „Du hast schön über mich geschrieben,Thomas! Welchen Lohn willst du dafür haben? - Keinen ande-ren, als dich selbst, o Herr.“

Auf der Reise zum Konzil nach Lyon erkrankte er im Klosterder Zisterzienser von Fossanuova. Man hört, wie er oft folgen-de Worte des hl. Augustinus wiederholt: „Mein Leben wird erstdann ein volles Leben, wenn es von dir erfüllt wird. Sobald ichmit meinem ganzen Selbst mit dir vereinigt sein werde, dannwird es für mich weder Schmerz noch Müdigkeit mehr geben.Aber ich bin noch nicht genug von dir erfüllt, deswegen falleich mir zur Last“2. Und er fügte hinzu: Bald wird der Gott allenTrostes den Höhepunkt seiner Barmherzigkeit setzen und allemeine Sehnsüchte erfüllen. Bald, bald werde ich ihn sehen.

Einem Ordensmann, der ihn fragte, was er tun müsse, um ineiner fortwährenden Treue zur Gnade zu leben, antwortete derHeilige: „Jeder, der unablässig in der Gegenwart Gottes wan-delt, wird stets bereit sein, ihm über sein Handeln Rechen-schaft zu geben und niemals seine Liebe durch Einwilligung zurSünde verlieren.“

Dies waren seine letzten Worte. Er starb im Alter von knapp48 Jahren.

1 Vgl. Thom. a Vallgornera, Lib. de myst.theol., a. ult. 2 Bekennt., 10. Buch, Kap. 28.

Graden abzeichnete, vorbei sind. Die klaren, nach außen sichtba-ren und starren Grenzen und Kriterien der sozialen Hierarchiesind in den letzten 50 Jahren verschwunden. Aber daraus folgtdoch mitnichten, daß es keine neuen Maßstäbe, keine neuen Un-terscheidungsmerkmale, keine neuen Schichtungen geben würde.

Das Gegenteil ist der Fall. Die alten, klaren und vor allem of-fensichtlichen Kriterien sind durch eine „gläserne Wand“ ersetztworden, durch ein vielschichtiges, ständig mäanderndes Systemvon Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um „dazu gehö-ren“ zu dürfen. Während es in Hoeres „guter alter Zeit“ reichte,aus der richtigen Familie zu stammen und – am besten nach ei-nem Universitätsstudium – eine „gute Stellung“ zu finden,kommt es heute vor allem auf die konkrete „Persönlichkeit“ an,die sich in ihrem Habitus ausdrückt. Dieser Habitus muß dem„Code“ entsprechen, den die beherrschen und praktizieren, diedazu gehören.

Um es zu exemplifizieren: Der Oberarzt mit exzellenten No-ten aus bestem Hause wird, wenn er ansonsten wenig unterhalt-sam und zudem humorlos ist, im schlimmsten Fall noch mit der„falschen“ Frau verheiratet, nicht das gesellschaftliche Ansehenerreichen, wie der Studienabbrecher, der es nach mehreren Un-ternehmensgründungen und einer Weltreise zum gefragten Wer-betexter gebracht hat und imstande ist, eine anspruchsvolle undgebildete Gesellschaft mit Geist, Witz und Charme zu bezaubern.

Entsprechend werden bereits heute bei großen Konzernen diebisherigen „assessment center“, in denen Bewerber üblicherwei-se auf ihre fachlichen Fähigkeiten und ihre psychische Belastbar-keit geprüft wurden, durch Abendessen mit dem Personalchefausgetauscht; man will sicher stellen, daß die Führungskraft vonmorgen den „Code“ beherrscht und das angestrebte „Dazu-gehö-ren“ nicht durch unangemessene Tischmanieren oder gar als un-passend empfundenes Kommunikationsverhalten stört.

Hier hatte Bieger mit der Mode ein gutes Stichwort gegeben.Während es in der Zeit der klaren Hierarchien letztlich auf

Geschmack und Mode nicht primär ankam – der Grundkonsensbestand, und alles weitere war irrelevant – ist die Frage nach derpassenden und angemessenen Kleidung ein zunehmend entschei-dendes Kriterium. Die Frau, die etwa zu den mittlerweile belieb-ten und in ihrer Wichtigkeit nicht zu unterschätzenden kleinenabendlichen „Parties“ in die Phalanx der etuikleidtragenden Da-men in davon grob abweichendem „Outfit“ eintritt, dürfte – so-fern sie nicht bereits als dazugehörig anerkannt ist – nicht nur ihreigenes Ansehen dauerhaft ramponiert haben, sondern zudem da-für gesorgt haben, daß sich die entsprechenden Einladungen anden Ehemann spürbar reduzieren. Begriffe wie der des „dressco-de“, den man beachten muß und den man verletzen kann, in demman „underdressed“, in Ausnahmefällen auch „overdressed“ –Abendkleid bei Gartenparty – erscheint, finden hier ihre Ursacheund Berechtigung. Stil und Geschmack sind Eintrittskarten, ohnedie es nicht geht und grenzen zugleich ab.

Die Abgrenzung wird dann durch die „Marken“ manifestiert.Ein Polo-Shirt der Marke „Fred Perry“, so wußte sogar der„Spiegel“ zu berichten, sei für den „Mann von Welt“ akzeptabel,aber nur, wenn es nicht in die Hose gesteckt werde.

Daß Hoeres diese kleinen, aber feinen Details nicht kennt, ehrtihn. Ihm ist zuzugeben, daß die Unterschiede kleiner gewordensind und bei unvoreingenommener Betrachtung von außen kaumauffallen. Aber deshalb nicht etwa unbedeutend werden. Siedürften tatsächlich viel härter, schneidender und ausschließlichersein, als es die alten Grenzen je waren. Der von Hoeres aufgegrif-

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1 Hoeres, Der Käfig des Milieus, Theologisches 2006, 405ff.2 Bieger, Die Jüngeren sind anders!, http://www.bonifatiuswerk.de/bonifatius-

werk/leseecke/bonifatiusblatt_deutschland/2006_05_21_Bieger.php.

MAXIMILIAN KRAH

Die Kraft in der verschieden gewordenen GesellschaftWenn das Gegenteil eines Fehlers zum Fehler wird –

eine Erwiderung auf Walter Hoeres, wie Eckhard Bieger SJ.

In Theologisches1 setzte sich Hoeres mit einem Beitrag des P.Bieger SJ auseinander, den dieser im Mantelteil der „Nordost-deutschen Kirchenzeitung“, die in mehr als der Hälfte der deut-schen Bistümer als Bistumszeitung vertrieben wird, publizierthat2. Die im Ergebnis zutreffende Kritik verdient eine Präzi-sierung.

I.Bieger macht in seinem Beitrag eine Betrachtung der sozialen

Realität zum Ausgangspunkt. Er legt dar, daß sich die Gesell-schaft in Milieus zersplittert, deren Lebenswirklichkeiten immerweiter auseinander divergieren und baut darauf seine Folgerungauf, wonach die Kirche, will sie nicht den Zugang zu den Men-schen verlieren, ihre bislang eher uniformen Seelsorgemodellediversifizieren müsse, was Bieger ausdrücklich auch für die Artder Feier des Gottesdienstes anstrebt.

Bieger argumentiert, daß die Zersplitterung der Gesellschaftin verschiedene Milieus zwangsläufig zu verschiedenen religiö-sen Ausdrucksformen führe, „weil beispielsweise jedes sozio-kul-turelle Milieu durch eine andere „Musikfarbe“ geprägt ist.“ Des-halb müsse die Kirche anerkennen, daß sie nicht mehr nur miteinem Seelsorgemodell auftreten können, denn: „Sie hat auchnicht die Kraft, die so verschieden gewordene Gesellschaft in ei-nem Raum zu versammeln, zu integrieren“. So kommt Bieger zuder Schlußfolgerung: „Frankfurts 40 Kirchen werden eine je eige-ne Gottesdienstkultur mit jeweils eigenem Musikstil entwickeln.“.

II.Hoeres Kritik dagegen erfolgt zweistufig. Zum einen weist er

gegen den soziologischen Ansatz des Jesuiten auf die wesensmä-ßige Unveränderlichkeit des Menschen hin, zum anderen bestrei-tet er die Zersplitterung der Gegenwartsgesellschaft in voneinan-der zunehmend isolierte Milieus, womit er sich auf soziologi-sches Terrain wagt – und nicht zu überzeugen vermag.

Hoeres setzt Biegers Feststellung der Zersplitterung der Ge-sellschaft die These der „Vermassung“ entgegen.

Er konstatiert zunächst – und zu Recht – die Einebnung deralthergebrachten sozialen Trennlinien:

„Man braucht nur an den himmelweiten Unterschied zu den-ken, der einst den Geheimrat, den Hofrat erster Klasse oder denKommerzienrat vom Arbeiter oder Angestellten getrennt hat oderdie „gnädige Frau“ vom Dienstmädchen und der in einer Zeit, inder Beruf und Stand immer mehr zu austauschbaren Jobs degene-rieren, nur noch obsolet, wenn nicht gar komisch wirkt! Und in derim Prinzip jeder Zugang auch zu akademischen Berufen findet!“

Und übersieht, daß sich die Gesellschaft sehr wohl neu geord-net hat.

Zwar ist richtig, daß die Zeiten, in denen sich die gesellschaft-liche Hierarchie an Titeln, Schulterstücken und akademischen

Kontroverse

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fene Hang zur egalitären Jeans in nahezu allen Damengarderobender westlichen Welt schafft nur eine Scheingleichheit. Über dieMarke der betreffenden Hose und – in Zeiten des Figurbewußt-seins von zentraler Bedeutung – die Art des Tragens wird dieEgalität wieder durchbrochen und die eigene gesellschaftlicheZugehörigkeit manifestiert.

Nachlesen kann man das in den Frauenzeitschriften, in denenHoeres nur „Charles und Camilla, die Affairen von Prinz Albertvon Monaco, von Boris Becker und der Filmsternchen, die je-weils en vogue sind“ finden will. So sympathisch es wiederumist, daß sich Hoeres der Lektüre dieser Presseerzeugnisse konse-quent entzieht, so verwunderlich ist es, wenn er dem kritisiertenAutor Bieger vorwirft, er würde über etwas schreiben, was ernicht kennt. Denn natürlich behandelt etwa die „Vogue“ andereThemen als die „Bild der Frau“, findet man in „Cosmopolitan“keine Berichte über Boris Becker, sowenig die „Bunte“ Kochre-zepte abdruckt. Selbst in der Gruppe der sog. „Klatschzeitun-gen“, die also tatsächlich das von Hoeres angegebene Themen-spektrum abdecken, findet der Wettbewerb nicht über die immerneuen „Schaumkronen“, sondern über die Adressaten der Be-richterstattung statt; der mittlerweile zum Fürsten gewordenePrinz Albert von Monaco wird also in „Frau im Spiegel“ zum sel-ben Thema eine andere Berichterstattung finden als in „Gala“.

Dieser Wandel der Maßstäbe, nach denen sich die Gesell-schaft sortiert, ist dabei auch nicht primär die Folge eines Nieder-gangs. Es ist die Folge dessen, was mit dem Schlagwort der „Ver-westlichung“ umschrieben wird.

Manieren, Stil und Etikette sind in den westeuropäischen Kul-turen Kinder der großstädtisch-höfischen Gesellschaften. In ih-nen verbanden sich von je her intellektuelle Bildung mit der Fä-higkeit, diese durch Witz, Charme, Auftreten; kurz: durch denCode des eigenen Verhaltens, zu demonstrieren. In Deutschlandfehlte diese hauptstädtische Gesellschaft. Statt dessen entwickel-ten sich mit dem Militär und der Universität zwei alternative stil-bildende Milieus, die für die bürgerliche Verhaltenskultur prä-gend wurden. Der Kommandoton und das Hierarchiedenken desReserveoffiziers verbanden sich mit der pompösen Gespreiztheitdes deutschen Ordinarius. Diese Melange führte zu dem „him-melweiten Unterschied, der einst den Geheimrat, den Hofrat er-ster Klasse oder den Kommerzienrat vom Arbeiter oder Ange-stellten getrennt hat oder die „gnädige Frau“ vom Dienstmäd-chen“ und der Verwunderung darüber, daß mittlerweile „jederZugang auch zu akademischen Berufen findet“; beides Phänome-ne, die weniger zeit- denn ortsabhängig waren. Daß dieser kultu-relle deutsche Sonderweg sein Ende gefunden hat, ist zutreffend.

Mit „Vermassung“ hat das wenig zu tun. „Vermassung“ ist dabei zunächst eine unglückliche Übertra-

gung des Begriffs der „Popularisierung“. Diese bezeichnet einendoppelten Trend: zum einen die Eröffnung der Teilhabe weiterSchichten der Bevölkerung an politischer, kultureller und wirt-schaftlicher Macht, hervorgerufen insbesondere durch den Zu-gang zu Bildung. Gewissermaßen also die Öffnung des Wegsnach „oben“. Zum anderen den gegenteiligen Trend, daß für dasBewußtsein und das kulturelle Selbstverständnis einer Gesell-schaft nicht mehr die Trends, Formen und Ansichten der Ober-schicht exklusiv prägend sind, sondern die sog. „Populärkultur“zum eigentlichen Spiegelbild der sozialen Entwicklung wird. Al-so der Blick nach „unten“, wobei „unten“ die Mittelschichten,nicht das wiederentdeckte „Prekariat“ meint.

Diese Popularisierung – „Vermassung“ hat eine von vornher-ein negative Konnotation“ – führt dabei aber gerade nicht zueiner Uniformierung. Wohl eher im Gegenteil. Weil sie die Ex-

klusivität und Maßstäblichkeit des Stils der Oberschichten auf-hebt, schafft sie erst die Möglichkeit, daß sich davon divergieren-de, „alternative“, Lebensstile entwickeln. Popularisierung führtalso eher zur Divergenz denn zur Uniform.

Was im übrigen an der Veränderung der Medienlandschaftdeutlich wird.

Während es in den 30er Jahren nicht nur in Deutschland nochmöglich war, mittels eines Rundfunkprogramms nahezu das gan-ze Volk zu erreichen, haben wir mittlerweile eine kaum mehr zuüberschauende Medien- und Programmvielfalt erreicht. DerTrend geht, so die einschlägigen Expertisen, zu einer weiterenDiversifizierung der Medienlandschaft in Spartenkanäle. Ausdem Medienkonsumenten werde der „Prosument“, der sich seineigenes Medienprogramm selbst über die technischen Möglich-keiten des Internets produziere, ehe er zum Konsum schreite.

Die Argumente Hoeres´ sind dabei gleichwohl lehrreich. Denn sie zeigen die Probleme konservativer Intellektueller,

ihre berechtigten Anliegen im Rahmen der heutigen Gesellschaftdurchzusetzen. Die Analyse wird dabei häufig durch eine vor-weggenommene Wertung erschwert. Man erliegt dem kulturpes-simistischen Zauber der eigenen Begrifflichkeiten, so als sei etwa„Vermassung“ ein objektives Kriterium und kein von vornhereinnegativ besetzter Kampfbegriff.

Konservatismus ist die Überzeugung, daß es ewige, dem Zei-tenwandel entzogene Werte und Wahrheiten gibt. Der Konserva-tive steht damit im Gegensatz zum Fortschrittsgläubigen, der voneiner Dominanz des Zeitlichen ausgeht. Die Gefahr des Konser-vativen ist es, den Zeitenwandel zu negieren und nicht zwischenaktueller Fassade und immerwährender Wahrheit zu trennen unddeshalb jeden Fassadenneuanstrich für einen Angriff auf dieWahrheit zu halten.

Die Wahrheit bringt Hoeres dankenswerterweise ins Bewußt-sein, wenn er sich aus der terra incognita der Soziologie zurück-zieht und in der Philosophie wieder die Maßstäbe konservativenDenkens verdeutlicht.

Klar wie gewohnt gelingt es Hoeres in diesen Teilen seinerKritik, den Vorrang des ewig Wahren vor den Niederungen zeit-genössischer sozialer Trends zu betonen.

III.Dieser Weg führt zum eigentlichen Kern der Kritik an Bieger.

Denn der Jesuit gibt ja mit seinem Eingeständnis, daß es „derKirche“ – gemeint ist die „Kirche des Konzils“ – nicht mehr ge-linge, die verschieden gewordene Gesellschaft zu integrieren, zu,daß sie die Kraft, die immerwährende Wahrheit gegen die Ver-gänglichkeiten des Jetzt zu behaupten, nicht hat. Bieger erkenntalso im Gegensatz zu Hoeres die sozialen Trends genau, ist abernicht in der Lage, sie durch die Verkündigung der heilbringendenWahrheit aufzuheben. Vielmehr bleibt er in ihnen gefangen, weiler sie in Ermangelung einer konkreten Vorstellung von dem, wasdas Irdische überragt, als das Entscheidende mißinterpretiert.

Biegers These ist damit zunächst ein Eingeständnis des Schei-terns der „Neuen Messe“.

Diese war bekanntlich von Paul VI. und seinem Liturgiekom-missar Bugnini am Reißbrett entworfen worden, um dem „mo-dernen Menschen“ seinen eigenen religiösen Ausdruck zu ge-währen. Das primäre Ziel der Liturgiereform war es, durch einezeitangepaßte Liturgie mehr Menschen als bisher zu erreichen.Man wollte die Liturgie dem Menschen und seinen Bedürfnissenanpassen. Nun erklärt Bieger aufgrund seiner insoweit zutreffen-den sozialen Analyse, daß dies nicht möglich ist und prophezeitdie völlige Zersplitterung und Zerfaserung des katholischen Got-tesdienstes – in den 40 Frankfurter Kirchen 40 verschiedene Got-

tesdienste, weil die Neue Messe keine Kraft habe, die verschie-denen Milieus zu integrieren. Weil aber das lex orandi dem lexcredendi folgt, hieße das, daß Bieger auch von 40 verschiedenenArten des Glaubens ausgehen muß. Damit wäre das erste Attributder Kirche, das unam der sanctam catholicam et apostolicam ec-clesiam, dahin.

Diese „Neue Messe“ scheitert, weil sie zeitabhängig ist, wäh-rend Gott ewig ist.

Die Hl. Messe – die klassische – kann auf eine bis in denAbendmahlssaal zurückreichende ununterbrochene Tradition zu-rückgreifen. Von dort wurde sie von den Aposteln zu den Kir-chenvätern weitergegeben und erhielt in der untergehenden Anti-ke ihre Prägung. Jede Generation, jedes Jahrhundert hat das, waszeitabhängig war und sich überlebt hatte, sorgfältig abgeschlif-fen. So ist ein Ritus entstanden, in dem sich alles Irdische zurück-nimmt und die Wahrheit, an sich eine geistige Kategorie, mate-rialisiert ist. Ob in der Spätantike, dem Mittelalter, der Neuzeitoder dem Heute – immer war diese Messe der jeweiligen Gegen-wart entrückt, weil sie den Kern, das Sein des Seienden, zumAusdruck brachte.

Das Einlassen auf dieses Ewige verlangt Kraft und Gnade.Aber weil es zeitunabhängig ist, besitzt es die Fähigkeit, die Jahr-hunderte zu verbinden. So wie es die Jahrhunderte verbindenkonnte, konnte es auch in den Jahrhunderten Fürsten mit Bauern,städtische Kaufleute mit Rittern und Fremde mit Einheimischenzusammen vor Gott führen. Der Verzicht auf diese göttliche Li-turgie und ihr Ersatz durch ein innermenschliches Gemein-schaftsmahl beraubt die Kirche ihrer Integrationskraft undzwingt sie, den verschiedenen und abgegrenzten menschlichenGemeinschaften ihre je eigene Gebetsform zu gewähren. Dasführte im Protestantismus zum Ende jeder den Namen verdienen-den Liturgie. Das begann im Katholizismus, als die universaleLiturgiesprache aufgegeben und dadurch in den jeweiligenSprachräumen Binnen-Liturgien entstanden. Der Prozeß schrei-tet nun fort, in dem die Diversifizierung von den großen Gemein-schaften, die durch die gemeinsame Sprache geschaffen werden,auf die kleineren durchbricht. Aus der Liturgie für die kulturelldeterminierte Sprachgemeinschaft wird eine Vielfalt von Gebets-formen für jede sozio-kulturelle Gruppe, die in Ermangelung ei-ner übergeordneten Idee auf einer eigenen Form des Glaubensbestehen. Was Bieger beschreibt ist die Konsequenz der im Kon-zil beschlossenen und mit der Abschaffung der Hl. Messe umge-setzten Liturgiereform.

Diese Entwicklung kann nun konsequent zu Ende geführtoder aber umgekehrt werden. Einigkeit besteht zumindest darin,daß der status quo unbefriedigend ist.

Man kann mit Bieger den Gedanken an einen einheitlichenGlauben, der in den Dogmen bestimmt und in der Hl. Messe aus-gedrückt ist, zugunsten einer an jede menschliche Gruppe ange-paßten „Spiritualität“, die mehr auf das bestehende irdische Le-bensgefühl denn auf die Anforderungen Gottes acht gibt, aufge-ben. Christentum wird dann zu einem Oberbegriff zahlreicher inLehre und Praxis verschiedener kleinerer Gemeinschaften, derenGemeinsamkeit sich auf ein humanitäres Gutmenschentum be-schränkt, im besten Fall noch mit dem Papst als medientaugli-chem Obermoderator.

Das ist die Auflösung des Katholischen im Ökumenismus. Eswäre das Ende der Vorstellung eines seienden und sich offenba-renden Gottes, der durch Gnade im Glauben irrtumsfrei erkanntwerden kann. Jede Gruppe und im Ergebnis jedes Individuumkönnte sich seinen Glauben, seinen Gott nach den jeweiligenirdischen Anforderungen selbst basteln. Einzige Geschäftsgrund-

lage wäre die Anerkennung des Rechts des anderen zu einem di-vergierenden Gottesbild, das sich dann eben auch in einem ande-ren Gottesdienst ausdrückt. Aufgabe der Priester wäre nicht mehrdie Vermittlung des Glaubens, sondern die Moderation des Dia-logs zwischen diesen verschiedenen Gruppen.

Es führt zum Sieg des Pantheons über die Kirche, es schließtden Himmel und verkauft Gott für die Bequemlichkeit, nicht ummehr um die Wahrheit streiten zu müssen. Nicht, daß eine solcheReligion nicht spannend und unterhaltsam sein könnte – sie ist esvielleicht sogar mehr als die traditionelle – es ist aber eine Reli-gion ohne Ernst, und damit ohne Erlösung.

Die Alternative ist die Rückgewinnung des Glaubens. In einerZeit der von Bieger ja richtig erkannten Diversifizierung brauchtes des festen Punktes, des Felsens, von dem aus der Wandel derZeit in der Gewißheit der Unvergänglichkeit beobachtet und ge-staltet werden kann. Dieser Felsen ist der traditionelle Glauben.Aus der Unbestreitbarkeit seiner Grundsätze fließt die Identitätder Glaubenden. Die Einigkeit im Glauben führt zur Einigkeit inder Praxis. Der Auflösung des Glaubens mit der aus ihr folgen-den Auflösung der Liturgie steht als Alternative die Rückgewin-nung des Glaubens und mit ihr der Hl. Messe entgegen.

IV.Die Auseinandersetzung mit Bieger und Hoeres lohnt sich.

Während Bieger die sozialen Trends richtig erkennt, fehlt es ihmam Mittel, die sich daraus ergebenden Herausforderungen zu lö-sen. Anstatt die Menschen aus dem Dunkel ihrer „sozio-kulturel-len Milieus“ zu befreien, bietet er eine Religion, deren Ziel es zusein scheint, die Macht der Milieus zu erhalten. Er schließt denWeg in den Himmel zugunsten der lächerlichen Vorstellung, auseinem Kleinbürger einen besseren Kleinbürger, aus einem Rockereinen besseren Rocker und – in Frankfurt ja praktiziert – aus ei-nem Schwulen einen besseren Schwulen machen zu müssen.Denn auf nichts anderes läuft Biegers milieuabhängige Glau-benspraxis ja hinaus.

Hoeres hat das richtig erkannt. Leider setzt er mit seiner Kritikzu früh an. In dem er bereits die Analyse mit Wertungen über-frachtet, macht er sich angreifbar und schwächt zudem seine ei-gene These. Denn diese läuft ja gerade darauf hinaus, daß derMensch durch Gottes Gnade imstande ist, sich aus dem „Käfigdes Milieus“ zu befreien. Das setzt aber voraus, daß es ein sol-ches Milieu auch geben muß. Die Wahrheit des Glaubens beweistsich auch im Jetzt und Heute. Deshalb ist es nicht nötig, die Rea-lität zu negieren. Gerade die objektive Analyse bringt oft mehrArgumente für den Glauben als ein Kulturpessimismus, der im-mer und überall nur Verfall sieht und deshalb die eigenen Chan-cen verkennt.

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WALTER HOERES

Die Nivellierung geht weiterEine kurze Replik

Zu der wohlwollenden Stellungnahme Maximilian Krahs zumeinem Artikel: „Der Käfig des Milieus“ (Theologisches Nov./Dez. 2006) darf ich eine kurze Ergänzung beisteuern. Zunächstbin ich überrascht, daß Krah ausgerechnet bei mir als Schülerund ehemaligem Doktoranden (wenn auch nicht Anhänger) Ador-nos eine abgehobene Soziologie findet, die die Gesellschaft vonewigen Wahrheiten her betrachtet statt auf ihre konkreten Verän-derungen einzugehen. Gerade vor der in theologischen Kreisen

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B U C H B E S P R E C H U N G E N

nicht seltenen abstrakten Betrachtung, die den „Menschen ansich“ der „Gesellschaft an sich“ gegenüberstellt und dabei stehenbleibt, habe ich in diesen Spalten und in anderen Organen schonseit Jahrzehnten immer wieder gewarnt.

Ich gebe Herrn Krah gerne zu, daß der Begriff der Vermas-sung ungeheuer vieldeutig und auch abgegriffen ist. Aber die vonihm angeführten Beispiele ändern nichts an meiner Diagnose,daß die Gesellschaft immer gleicher wird und die von Pater Bie-ger hervorgehobene Zersplitterung in verschiedene sozio-kultu-relle Milieus weitgehend nur in seiner Vorstellung existiert. Rich-tig ist, daß es heute in unserer Aufsteiger-Gesellschaft vor allemauf die „konkrete Persönlichkeit ankommt“, die sich in einem„vielschichtigen, ständig mäanderndem System von Anforderun-gen“ bewähren muß. Aber gerade dieses in unserer mobilen undglobalen Industriegesellschaft ständig wechselnde Anforde-rungsprofil beweist doch, was ich sagen will. Verlangt wird im-mer das gleiche und das für alle Aufsteiger: grenzenlose Anpas-sungsbereitschaft und quickes Bescheidwissen und damit jeneFähigkeit, sich auf immer neue Situationen einzustellen, in dersich nunmehr alle gleichen. Gerade diese Mobilität und Versalitätbeweist, daß es nunmehr für die Aufsteiger, die Vorbild für dieganze Gesellschaft sind, keine Schranken und festen Unterschie-de mehr gibt.

Und was das Abendessen mit dem Personalchef angeht, indem er herausfinden will, ob die „Führungskraft von morgen denCode beherrscht“, so sind es auch hier die immer gleichen Eigen-schaften, die getestet werden: die des Chefverkäufers und dieDurchsetzungsfähigkeit in einem weitgehend anonymen Großbe-trieb. Im übrigen gelten all diese Kriterien nicht für die immernoch wachsende Schar der Beamten und öffentlichen Angestell-ten. P. Bieger und M.Krah mögen dies als Beleg dafür nehmen,daß es auch heute noch sehr verschiedene Milieus gibt. Aber die-se sind nicht zuletzt durch die Art bestimmt, wie die Leute lebenund hier dürften sich heute die Drei- oder Vierzimmer-Wohnun-gen, die Eßgewohnheiten und Autos eines gut bezahlten Vorar-beiters, eines gehobenen Angestellten, eines Studienrates oderObersteuerinspektors kaum mehr wesentlich voneinander unter-scheiden! Hinzu kommt noch die Tatsache, daß selbst die Ein-richtung, die Möbel und Haushaltsmaschinen in einer Welt, inder der rasche Verschleiß zum unentbehrlichen Stimulans derWirtschaft geworden ist, nicht mehr „für die Ewigkeit“ ange-schafft werden und somit auch nicht mehr dazu dienen, michdauerhaft von den anderen zu unterscheiden.

Unerfindlich bleibt die Feststellung, daß ich die kleinen, aberfeinen Unterschiede in der Kleidung nicht zur Kenntnis nehme.Der bloße Augenschein zeigt doch, daß die Heerscharen der Pas-

santen entweder in den immer gleichen Anoraks herumlaufen,die bei aller Gepflegtheit doch den Eindruck erwecken, als seiendie Leute immer noch auf der Flucht oder eben in Jeans. Richtigist, daß es hier verschiedene Marken gibt und daß alle den Ehr-geiz haben, sich bessere – eben Marken-Jeans – zu leisten. Dochob das als Beispiel für eine fundamentale Verschiedenheit im Ge-schmack und im „Outfit“ gelten kann, sei dahingestellt !

Zutreffend ist, wenn M. Krah bemerkt, die Uniformität derKlatschzeitungen erweise sich gerade darin, daß sie alle über dieimmer gleichen Reizthemen oft gänzlich Verschiedenes berich-ten, um wenigstens dadurch Profil zu zeigen. Aber die Unifor-mität der Kulturindustrie, die er ansonsten nicht sehen will, reichtviel tiefer und hat mit der Tatsache, daß wir eine kaum mehrüberschaubare Vielfalt von Medien haben, nichts zu tun. Sie istdurch drei Faktoren gekennzeichnet, die es rechtfertigen, heutevom Zeitalter der Masse zu sprechen. So diffus dieser Begriff imeinzelnen auch ist, so markiert er doch den Trend.

Zunächst einmal vermitteln uns alle diese Medien, um anzu-kommen, das immer gleiche flache, durch Liberalismus, Ag-nostizismus und eine oberflächliche political correctness be-stimmte Weltbild. Sodann vermitteln sie uns jene Halbbildung,die uns fähig macht, über alles gescheit zu reden und doch nichtsin der Tiefe zu wissen. Schon bei den Kindern ist es so und wirdvon den meisten Eltern gefördert. In der ersten halben Stunde se-hen sie eine Sendung über den Regenwald am Amazonas, sodannwerden sie eine halbe Stunde lang in die Wüste Serengeti ent-führt, um sich sodann möglicherweise über Karnevalsbräuche inRio de Janeiro zu informieren. Und drittens zerstört diese Dauer-berieselung, der sich heute kaum mehr jemand entzieht, die In-nerlichkeit und damit jene Selbständigkeit der Persönlichkeit, dieallemal der beste Schutz gegen Vermassung ist. Generell aber giltdas, was ich seinerzeit in der Una Voce Korrespondenz schrieb:

„Im Zuge der weltweiten Migration werden die Einzelnen ausihrer angestammten Heimat herausgerissen, die ja nicht nur eingeographischer Ort ist, sondern das substantielle Leben des ob-jektiven Geistes, also die Einheit aller gewachsenen Bindungenvon Religion, Kultur, Sitten und Gebräuchen. Was sie statt des-sen gewinnen, ist jene Kulturindustrie, die über die Medien einegeistig amorphe und insofern tatsächlich uniforme Masse heran-bildet, die ihren Ursprüngen längst entfremdet ist und geschichts-und kulturlos auf hohem technokratischem Wissensstand vorsich hinlebt“.1

1 Walter Hoeres: Niemand kann zwei Heren dienen – die Sprengkraft der Öff-nung zur Welt. In: Una Voce Korrespondenz Jan./Febr. 2004 S. 7.

PETER DYCKHOFF:

Einübung in das RuhegebetEine christliche Praxis nach JohannesCassian

München, Don Bosco Verlag 2006,2 Bände, zus. 670 Seitenmit einer Cassian-Ikone aus Holz

ISBN-13: 978-3-7698-1583-2Preis 98,- €

Seit geraumer Zeit ist festzustellen, dass immer mehr Men-schen unter Stress, Unausgeglichenheit, innerer Leere und psy-chischer Erschöpfung leiden. Da die Verwurzelung im Glaubenund der christlichen Frömmigkeit ebenfalls schwindet, suchtman sein Heil in allen möglichen und unmöglichen Angebotenvom klassischen Psychotherapeuten über dubiose (und teure)Motivationstrainer bis hin zu fernöstlichen und esoterischenÜbungen. Begibt man sich nun auf die Suche nach genuinchristlichen Gebetsübungen, so kann man Verwunderliches er-leben. Da sind katholische Bildungshäuser, die nicht in Be-trachtung oder das Rosenkranzgebet, sondern in diverse Yoga-Praktiken einführen, man findet katholische Priester und Patres,

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die sich nicht mehr Exerzitien- sondern Zen-Meister nennen.Dabei wird oft übersehen, dass man die genannten Praktikenkaum von ihrem philosophischen (um nicht zu sagen heidni-schen) Hintergrund lösen kann. Es ist nicht zuletzt das BeispielWilligis Jäger, der eben durch seine Vertiefung in die fernöstli-chen Praktiken auch in der Theorie zum Pantheismus gelangte.

Demgegenüber ist es erfrischend, die Werke des Priestersund Exerzitienmeisters Peter Dyckhoff zu lesen. Nachdem erbereits mehrere kleinere Werke über christliches Beten in derTradition der frühen Mönche herausgegeben hat, ist nun ein vo-luminöses Opus über das christliche Ruhegebet (auch Hesy-chastisches Gebet genannt) im Anschluss an Johannes Cassianerschienen. Bereits in der Einführung macht der Autor deutlich,welche reinigende Wirkung die ständige Wiederholung einesVerses (z. B. „Herr, Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dichmeiner“) auf Körper, Geist und Seele besitzt und wie dieses Be-ten eine Entgrenzung auf Gott hin bewirkt (I/9). Dabei machtDyckhoff auch den christlichen Unterschied zu den oben er-wähnten Praktiken deutlich, wenn er schreibt: „Durch das Ruhe-gebet verlässt der Betende sich nicht auf ein grenzenloses Nichts,sondern es ist ein Sich-Verlassen auf Jesus Christus.“ (I/11).

Im ersten Abschnitt (I/17-136) wird nun Leben, Werk undWirkungsgeschichte von Johannes Cassian dargestellt. Er wares, der das von den ägyptischen Mönchsvätern praktizierte Ru-hegebet auch im Abendland verbreitete.

Der umfangreiche zweite Abschnitt (I/137-350; II, 7-226)liefert eine Übersetzung der Kernquellen Cassians mit Kom-mentar und spiritueller Einübung. Dyckhoff beginnt mit einerDarstellung seiner persönlichen Erfahrungen mit dem Ruhege-bet (138-153) und einigen wichtigen Vorbemerkungen zum ge-lingenden Üben (154-164). Die folgenden Texte Cassians sindin Form des Dialogs (Unterredungen) mit Abt Isaak überliefert.

Zum Abschluss stellt der Autor noch einmal ausführlich diezu beobachtenden Veränderungen für Körper, Geist und Seeledar (II/227-246). Dies geschieht wieder aufgrund der eigenenErfahrungen des Autors, der nun schon seit mehreren Jahrzehn-ten das Ruhegebet praktiziert. Ein Anhang mit Fragebögen(II/247-260) dient zur Überprüfung und evt. Korrektur. Außer-dem liefert Dyckhoff ein breit angelegtes Literaturverzeichnis(II/261-304).

Wenn das vorgestellte Werk auch nicht ganz billig ist, so istes doch eine lohnende Anschaffung für jeden, der mithilfechristlichen Betens zu größerer innerer Ausgeglichenheit und v.a. zu einer vertieften Verbindung zu Christus als Gnaden- undRuhequelle finden will. Die beigefügte Ikone und derSchmuckschuber verleihen dem Angebot noch einen eigenenCharme.

Peter H. Görg, Hartenfels

RANIERO CANTALAMESSA

Schauen auf den dreifaltigen Gott

Köln, Adamas Verlag 2004, 142 Seiten, ISBN: 978-3-925746-99-4, Preis 13,50 €

Was ist christlich „Spiritualität“? Inhalt und Spannweite desSpiritualitätsbegriffs sind schon länger im Unklaren. „KeinWort im religiösen Raum hat in den letzten Jahren einen sol-chen Boom erlebt“, meinte Josef Sudbrack, der gegen die Auf-lösung christlicher Spiritualität in unverbindliche und ungegen-ständliche Meditation nach Art des Zen oder eines Pantheismussein Grundlagenwerk „Gottes Geist ist konkret. Spiritualität imchristlichen Kontext“ (Würzburg 1999) verfasste. Der von je-dem Fundamentalismusverdacht freie Jesuit setzt sich darinauch mit dem mittlerweile exklaustrierten Benediktiner Willi-gis Jäger, der jüngst bei einem von Bamberger Freimaurern or-ganisierten Vortrag über tausend zahlende Zuhörer hatte (unddamit sogar seinen ebenfalls sehr erfolgreichen Münster-schwarzacher Mitbruder Anselm Grün deutlich übertraf) kri-tisch auseinander. Auf dem Titelblatt des Sudbrack-Buches warein Wolkenkratzerbild mit einem kleinen weißen Zielpunkt ab-gebildet – eine nach dem 11. September 2001 erschreckend ge-wordene „Konkretheit“, die aus manchen träumerischen Har-monisierungen der Hemisphären aufrüttelte und zum „Kampfder Kulturen“ (Samuel Huntington) zu führen schien. Christlichist aber, unbeschadet der unverzichtbaren Rolle der Metaphysikim Erkenntnisprozess, nun das konkret Geistliche immer dermenschgewordene Gott und der jeweilige Mit-Mensch, dernicht durch Theorien, Ausflüge ins Abstrakte oder auch „Spiri-tuelle“ und durch Transzendierungen überspielt, relativiert undschließlich überwunden werden darf. Von jüdischer Seite hat

dies Emmanuel Levinas mit seiner Betonung des „Anderen“und seines „Antlitzes“ intensiv zu bedenken gegeben. Spiritua-lität von Christen ist gewiss schon im Neuen Testament vielfäl-tig und mehrgestaltig, oft aber vereinseitigt sie sich heute ineine Genitiv-Spiritualität (der verschiedenen Kulturen undKontinente, der Berufstätigen, der verschiedenen geistlichenBewegungen, der Befreiung der Armen oder der Frauen), diedann nicht mehr das Ganze des Christlichen einzufalten unddarzustellen vermag wie es in den biblischen Schriften, bei denKirchenvätern (Augustinus!) und den großen Orden noch derFall war. Wo findet also der Orientierung suchende Leser heute„spirituelle“ Orientierung, ohne sich zu sehr in theologischeFachprobleme und akademische Streitigkeiten zu verlieren?Welchen zeitgenössischen Autor kann man bedenkenlos nachOrientierung suchenden Zeitgenossen zur Lektüre empfehlen,wenn es um eine christliche, kirchliche und katholische Spiri-tualität gehen soll?

Im Zuge der Sehnsucht nach therapeutischem Verstanden-sein scheint der bereits erwähnte Benediktiner Anselm Gründen Nerv der Zeit zu treffen und sich immer mehr als eine Art„Drewermann light“ anzubieten. Doch hat seine immenseBuchproduktion wohl ihren Zenit überschritten und seinSchreibstil bleibt theologisch oft unbefriedigend. So muss sichder Blick auch auf ausländische Autoren richten und da fällt(neben dem eher schwer verständlichen und nicht unumstritte-nen katholischen Inder Raimon Panikkar) besonders der päpst-liche Hausprediger, Exerzitienmeister und KapuzinertheologeRaniero Cantalamessa (Jg. 1934) ins Auge. Verkannt und ver-zeichnet wurde er noch im Jahr 2000 von Paul Konrad Kurz in„Geist und Leben“, der jesuitischen „Zeitschrift für christlicheSpiritualität“, als bloßer „Kompilator“, der den „Kontext der

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Welt heutiger Christen“ nicht in Sicht kommen lasse (GuL 73,2000, 233f). Die Resonanz bei den Lesern ist die beste Wider-legung dieser Herabsetzung. Der Kölner Adamas Verlag hatsich seit Jahren des Werkes von Cantalamessa angenommenund Titel über Jesus Christus als „Heiligen Gottes“, Maria als„Spiegel für die Kirche“, das Kreuz, das Ostergeheimnis unddie Eucharistie veröffentlicht. Keine Nebenthemen also, son-dern Kernfragen und Kernwahrheiten, die spirituell vertieft undtheologisch verständlich begründet werden, indem der Autorsouverän „Altes und Neues“ aus dem spirituellen Schatz derKirche hervorzieht und zur Betrachtung vorlegt. Zuletzt er-schienen die hier vorzustellenden Betrachtungen, die Cantala-messa im Advent des Heiligen Jahres 2000 und in der Fasten-zeit 2001 dem päpstlichen Haus vorgetragen hat, unter dem Ti-tel „Schauen auf den dreifaltigen Gott“. Ausgangspunkt wardas eben zuende gegangene Heilige Jahr 2000 und das schonfast wieder vergessene apostolische Schreiben Novo millenioineunte von Papst Johannes Paul II. vom 6. Januar 2001 mit dergroßen Einladung „Duc in altum! – Fahr hinaus auf den See!“(Lk 5,4). Cantalamessa möchte die Augen des Lesers zunächstvor allem durch Betrachtung bildlicher Darstellungen, die imBuch farbig wiedergegeben werden, zum „Schauen auf dendreifaltigen Gott“ hinlenken. Dazu dient ihm unter dem Zen-tralgedanken der Einheit und der Perichorese (wörtlich: wech-selseitige Durchdringung) die berühmte Dreifaltigkeitsikonevon Rubljow, sodann mit Blick auf das Leid der Welt die Dar-stellung der Dreifaltigkeit mit dem Gekreuzigten als Zentrumvon Masaccio in der Florentiner Kirche Santa Maria Novella,ein später auch von Dürer übernommenes Motiv (heute imKunstmuseum Wien).

Es geht Cantalamessa dabei nicht um ikonographisches oderkunsthistorisches Spezialwissen, sondern um einen lebendigenAusgangspunkt für weitergehende Betrachtungen zum größtenund tiefsten Geheimnis christlichen Glaubens. Dabei erweist ersich nicht nur als Kenner der Tradition und des kirchlichenLehramtes in dieser Frage (anders als die von J. Stöhr in THEO-LOGISCHES 11/12, 2006, 361-371, kritisch behandelte „Handrei-chung“ der Glaubenskommission der DBK), sondern auch mo-derner Theologen wie Moltmann oder Balthasar, die zum The-ma „Schmerz Gottes“ und zur Gottrede nach Auschwitz Denk-anstösse lieferten. Er sieht bei diesen Ansätzen aber auch dieGefahr des Eindringens eines gewissen Tragizismus in daschristliche Gottesbild, wenn vom „Leiden Gottes“ und vom„gekreuzigten Gott“ zu sehr unter Ausblendung des in der Auf-erstehung Christi bereits Wirklichkeit gewordenen Triumphesüber Leiden und Tod gesprochen wird: „Schon im seelsorgeri-schen Bereich genügt der Hinweis auf das Leiden Gottes nicht,um den Menschen eine Antwort auf die Frage nach dem Sinndes menschlichen Leidens zu geben“ (32). In einer äußerstdichten, aber verständlichen und nachvollziehbaren Fülle vonZusammenhangen und Verweisen wird dann die Trinität als„göttliche Einfachheit“ und Überwinderin der Heuchelei (Hy-pokrasie) der Welt geschildert, ein ganz ungewohnter und ori-ginärer Zugang (62-78). Auch dient die Betrachtung der göttli-chen Schönheit der Dreifaltigkeit dann dazu, die Faszinationeiner falschen Schönheit zu unterscheiden und zu durchschau-en (79-102). Im dreieinigen Leben „liebt Gott sich selbst ohnedie geringste Spur von Egoismus und bewundert sich selbst oh-ne die geringste Spur von Narzissmus“ (80). Die „Ambiguitätdes Schönen“ (P. Evdokimov) ist immer mehr ein Kennzeichender Moderne geworden und bedarf der verstärkten Wachsam-keit. Schon die Bibel spricht vom verführerischen „Engel desLichtes“. Als ein „spirituelles Problem“ erkennt Cantalamessa

die Existenz des Christen in einer von allen Seiten sich aufdrän-genden Mediengesellschaft und stellt die Frage: „Wie könnenwir in einem von Sexualität so stark gesättigten Klima zur Se-ligkeit (und Gottesschau) derer gelangen, die reinen Herzenssind, einer Seligkeit, die allen Gläubigen verheißen ist?“ (84).Dazu reichten die äußeren Schutzmaßnahmen von früher nichtmehr aus, es bedürfe der Befestigung der inneren Schutzwälle,um für die Wirklichkeit Gottes überhaupt empfänglich zu blei-ben (worauf auch Papst Benedikt XVI. in seiner MünchenerPredigt vom 10. September 2006 zu sprechen kam). Die Heili-gen – Cantalamessa erwähnt besonders Augustinus und seinenOrdensvater Franziskus – vermögen der Erfahrung der geord-neten Schönheit der Schöpfung und des in ihr verborgen sichausdrückenden Schöpfers eine Stütze zu sein (93-99). Hierkönnte auch die Wahrnehmungslehre eines Romano Guardinioder Hans Urs von Balthasar weitere Türen öffnen. Im weiterenbetont Cantalamessa mit der Kirchenkonstitution Lumen Genti-um und mit Papst Johannes Paul II. den gemeinschaftsstiften-den Charakter der Dreifaltigkeit. Koinonía und communio sindWesen sowohl des Geheimnisses der Kirche wie auch der gött-lichen Dreieinigkeit, weshalb Cantalamessa auch – anders alsH. Vorgrimler in einer in monotheisierenden Modalismus fal-lenden Darlegung (GOTT Vater, Sohn und Heiliger Geist, Mün-ster 22003) – bei aller Durchdringung und Verbundenheit aufdas Gegenüber und die Eigenständigkeit der göttlichen Perso-nen Wert legt. Nur so ist auch eine wirkliche „Spiritualität derGemeinschaft“ (117) im Kleinen oder Großen ohne Vereinnah-mung und Absorbierung möglich. Schließlich will die Betrach-tung der Dreifaltigkeit auch zum Ewigen streben (121-136),Ursprung und Ziel der Lebensbewegung verbinden, um nachdem letzten Pascha des Pilgerweges „dort anzukommen, vonwo wir aufgebrochen sind,/ und diesen Ort zum ersten Mal zukennen“ (T. S. Eliot, Four Quartets). Nach der Lehre der vierSchriftsinne vollenden sich hier historischer Buchstabe, allego-rischer Glaube, praktische Moral und eschatologische Anago-gie. Dabei wird jedoch alles so Ersehnte und vielleicht Er-fahrene nach einer mittelalterlichen Legende von zwei wettei-fernden Mönchen (Rufus und Rufinus) ganz anders, totaliteraliter (127), sein als alle vorherigen Vorstellungen. So ist auchin der Darlegung Cantalamessas die Souveränität des als dreiei-nig erfahrenen und angebeteten Gottes gegenüber allen Bildernund ergreifenden Verstehensversuchen gewahrt. Dem ent-spricht das weltliche Dasein des Christen in einer „Fremde“,die im griechischen Urtext das Wort paroikía (Pfarrei) erhältund die im „Brief an Diognet“ nicht nur für die frühen Christenprägnanten Ausdruck fand: „Sie nehmen an allem teil wie Bür-ger, und sie ertragen alles wie Fremde (pároikoi); für sie ist jedeFremde Heimat und jede Heimat Fremde“ (V,5). Cantalamessafolgert daraus: „Wir alle müssen ‚Pfarrer’ sein und die Kircheeine einzige große ‚Pfarrei’“ (132). Diese Andeutungen ausdem dichten und erbaulichen Text des päpstlichen Hauspredi-gers (auch unter Benedikt XVI.) lassen vielleicht die Fülle, ausder er zu schöpfen vermag, erahnen. Die „Kontemplation derTrinität“, zu der er einlädt, macht uns unsere wahre Wurzel undHeimat, unsere Her- und Zukunft bis zum „letzten Pascha“geistlich bewusst. Es ist nicht wahr, dass es für den Weg derKirche und der Christenheit im 21. Jahrhundert spirituell keineüberzeugenden Orientierungen und Leitgestalten gäbe. Vieleswurde ausgesät, dessen Ernte erst jetzt eingebracht und geko-stet werden kann, anderes harrt noch der neuen Entdeckung:Duc in altum!

Stefan Hartmann, Oberhaid

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deutlich identifiziert hatte (ohne ihre Identität als Preußin undDeutsche aufzugeben). Ihr erklärter Wille zur Sühne, der sie inden Karmel führt, steht im Kontext ihrer Überzeugung von Ge-meinschaft, einem ‚corpus mysticum‘ gegenseitigen Aufbaus:sich in eine Lücke zu werfen für andere. [...] mit einer nüchter-nen Bereitwilligkeit, die kein Besserwissen braucht, ebensowe-nig den sinnlosen Streit, ob sie sich für ‚ihr Volk‘ so hätte opfernmüssen (S. 38f.). Am Ende des Aufsatzes steht Paul Celans „Nie-mandsrose“ BENEDICTA.

Ruth Hagengruber stellt unter dem Titel „Sozialphilosophieals ‚strenge Wissenschaft‘“ „Überlegungen zu Edith Stein undEdmund Husserl“ an (S. 59-72) und geht darin u.a. dem innerenZusammenhang zwischen den „Beiträgen zur philosophischenBegründung der Psychologie und der Geisteswissenschaften“ –das war der Obertitel der beiden Abhandlungen „PsychischeKausalität“ und „Individuum und Gemeinschaft“ – und der „Un-tersuchung über den Staat“ nach. Sie findet den Zusammenhangin der Frage nach der psychischen Verfaßtheit des Individuumsund des Miteinanders der Individuen. Michele Nicoletti kann inseiner Abhandlung „‚Eine Untersuchung über den Staat‘ – einephilosophische Grundlegung der politischen Theorie?“ (S. 73-89)daran anknüpfen. Er stellt Edith Steins Staatstheorie in Bezie-hung zu anderen Arbeiten, die sich mit dem Blick des Phänome-nologen politischen, gesellschaftlichen oder juristischen Proble-men zuwenden, nämlich zu Adolf Reinachs „Die apriorischenGrundlagen des bürgerlichen Rechtes“ von 1913, dem zweitenTeil von Max Schelers „Ethik“ von 1916, der „Idee der sittlichenHandlung“ von Dietrich von Hildebrand von 1916 und der Ab-handlung „Zur Ontologie der sozialen Gemeinschaft“ von GerdaWalter von 1923 und macht vor allem Reinach und Scheler alsQuelle für Edith Steins Reflexion dingfest. Deutlich wird EdithSteins Distanz zu Scheler und seinen Begriffen der „Verschmel-zung“ und der „kollektiven Solidarität“, deutlich ihr Festhaltenan dem „unhintergehbaren Wert des Einzelnen und seiner Frei-heit“ (S. 80) – mit Recht nennt Nicoletti den Namen Jacques Ma-ritain –, deutlich damit auch der nüchterne AntihegelianismusSteins: „Der Staat ist [bei Edith Stein] nicht Person, aber er bedarfder Personen, um das Recht walten zu lassen. [...] Der Staatbraucht Personen: Personen, die ihn repräsentieren und an seinerstatt handeln, aber auch Personen, die ihn anerkennen“ (S. 85).

Auf das geistige Verhältnis Edith Steins zu Max Scheler gehtauch Claudia Mariéle Wulf in ihrem Beitrag „Freiheit und Ver-antwortung in Gemeinschaft – eine brisante Auseinandersetzungzwischen Edith Stein und Max Scheler“ (S. 91-114) ein, die mitder bei Scheler anders als bei ihr geordneten Konfiguration von„Gemeinschaft“, „Gesellschaft“ und „Staat“ und mit SchelersVerständnis des Staates als Quasi-Person zusammenhängt, wäh-rend bei Edith Stein das Individuum stärker gewichtet wird. Soliegen die Differenzen beider Denker „in der Auffassung vomSubjekt der Verantwortung und im Freiheitsbegriff“ (S. 107), wo-bei der „Ursprung der Freiheit“ (S. 113) bei Edith Stein auf „einejenseits des Mechanismus der individuellen Persönlichkeit lie-gende Kraftquelle“ (S. 113) hinweist, die Wulf im „Gebiet derReligionsphilosophie“ (113) – warum sagt sie nicht: bei Gott? –erwartet. Ihr Vergleich Scheler ./. Stein führt zu dem Ergebnis:„Schelers Theorie läuft also Gefahr, einer Ideologisierung Türund Tor zu öffnen. Es wird deutlich, daß seine Empfänglichkeitfür verschiedenste Anregungen ihn in den Sog der Gemein-schaftsideologien seiner Zeit geraten läßt. Auch hier zeigt sich,daß die allgemeine wirtschaftliche und politische Unsicherheit inden Zwischenkriegsjahren ein idealer Nährboden war für solche

BEATE BECKMANN / HANNA-BARBARA GERL-FALKOVITZ (HRSG.):

Die unbekannte Edith Stein: Phänomenologie und Sozial-philosophie

Frankfurt a.M. u.a., Peter Lang 2006 278 Seiten, broschiertISBN-10: 3-631-55329-3, Preis 45,- €

Es gibt die (relativ) bekannte Edith Stein, die Konvertitin zumkatholischen Glauben von 1922, die Lehrerin im Mädchengym-nasium des Dominikanerinnenklosters St. Magdalena in Speyerder Jahre 1922 bis 1932, den „glücklichen Mönch“ als Gast inder Benediktinerabtei Beuron seit 1928, die Referentin auf Ta-gungen und Kongressen seit 1928, die Dozentin am DeutschenInstitut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster seit 1932, dieKarmelitin Teresia Benedicta a Cruce in Köln und später im nie-derländischen Echt seit 1933, das Opfer des Holocaust in derHölle von Auschwitz 1942 und neuerdings auch die Verfasserindes seit 2003 im Wortlaut bekannten Briefes an Pius XI. von1933, aber auch die Übersetzerin der „Quaestiones disputatae deveritate“ des hl. Thomas, die den Versuch einer produktiven Ver-bindung von Thomas und Husserl, von Scholastik und Phänome-nologie, unternahm. Und dann gibt es die unbekannte EdithStein, die Autorin der frühen phänomenologischen Schriften, be-ginnend mit der Dissertation „Zum Problem der Einführung“bzw. „Das Einfühlungsproblem in seiner historischen Entwick-lung und in phänomenologischer Betrachtung“ von 1916 überdie 1919 als Habilitationsschrift für eine Habilitation in Göttin-gen gedachten Abhandlungen „Psychische Kausalität“ und „Indi-viduum und Gemeinschaft“, die beide 1922 im „Jahrbuch fürPhilosophie und phänomenologische Forschung“ veröffentlichtwurden, bis zu ihrer „Untersuchung über den Staat“, die 1925 anderselben Stelle erschien. Dieser unbekannten Edith Stein galt2004 eine Tagung in Salzburg, deren Beiträge in dem hier anzu-zeigenden Band vorliegen.

Einleitend behandelt Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz „EdithSteins wenig bekannte Seite: Sozialphilosophie aus dem Geistder Phänomenologie“ (S. 25-40). Gerl-Falkovitz stellt die Bedeu-tung des Ersten Weltkriegs als „entsetzliche Zäsur der europäi-schen Geschichte, die fast unmittelbar auf den Zweiten Weltkriegzuführte“ (S. 29) heraus und verfolgt denkerische Bewältigungs-wege wie die des Jesuiten Erich Przywara („Ringen der Gegen-wart. Gesammelte Aufsätze 1922-1927“, 1929), Oswald Speng-lers („Der Untergang des Abendlandes“, 1918/22) oder des „ka-tholischen Frühlings“ der 1920er Jahre mit seiner Entdeckungder Kirche als „Gemeinschaft des ‚corpus mysticum‘“ (S. 31),aber auch des jungen Martin Buber, um diesen Strömungen EdithSteins Sozialphilosophie jener Jahre zuzuordnen: „Wohltuendnüchtern heben sich Sprache und Ductus Edith Steins in ihrenÜberlegungen zur Sozialphilosophie von solchen schwankendenund exaltierten Mythisierungen ab, wie sie etwa bei [Ernst]Bloch und dem jungen Buber zu finden waren. Es bleibt festzu-halten, daß sie ihre Analysen weder im gängigen Klima der Le-bensphilosophie noch des ‚bestimmenden Blutes‘ niederschrieb“(S. 34). Aber im Finale ihres Lebens wurde sie gerade davon ein-geholt, „der Zugehörigkeit erstens zum Judentum und zweitenszur katholischen Kirche (denn diese Kirche sollte aufgrund desHirtenbriefes der katholischen niederländischen Bischöfe ‚be-straft‘ werden). Ihre blutsmäßige Abstammung wurde als biolo-gische Tatsache so etwas wie ein Verbrechen. Noch dazu betrafes nicht sie allein, sondern ihre Familie und ihr ‚Volk‘, mit demsie sich unter dem Druck der zerstörerischen Ausgrenzung so

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Dr. Paul Blecha hat als Übersetzer aus dem Spanischen diedeutsche Fassung eines lesenswerten geistlichen Büchleins desspanischen Opus-Dei-Priesters Francisco F. Carvajal (Home-page des spanischen Autors: http://www.franciscofcarvajal.org)vorgestellt, welches im Spanischen unter dem Titel „La tibieza“erschienen war und nun im Verlag Fassbaender, Wien, unterdem Titel „Lauheit – wenn die Liebe erkaltet“ erstmals aufDeutsch publiziert wurde. Der Titel klingt vielleicht etwasnegativ und könnte zum Fehlurteil führen, den Leser erwarte indiesem Buch nur die unfruchtbare und auf Dauer lästige Klagedarüber, dass im geistlichen Leben der Christen so vieles nichtdem entspricht, was Gott von uns will. Tatsächlich beginnt dasBuch mit der Analyse jenes unheilvollen Zustandes, den dieVäter und Lehrer der Kirche als „Lauheit“ oder geistige Träg-heit beschrieben haben. Doch merkt man gleich nach den erstenZeilen, dass es dem Verfasser nicht um eine bloße Klage überNegatives oder gar um eine Anklage konkreter Menschen geht,sondern um einen Weg zum wahren Glück. Von einer Perspek-tive unerschütterlichen Glaubens in die Güte Gottes wird näm-lich einerseits die Gefahr der Mittelmäßigkeit und des Ab-driftens vom rechten Weg klar aufgezeigt, andererseits geht esum Mittel und Wege, wie ein geistlicher Mensch – ob Priester,Ordensmann/-frau oder Laie – dieser Gefahr der Lauheit in

Prof. Dr. theol. Dr. phil. Harm KluetingUniversität KölnAlbertus-Magnus-Platz50923 Köln

Ideologien und daß so im Ersten Weltkrieg der Zweite schon an-gelegt war. Denn eine Ideologisierung von Gemeinschaft, dieFreiheit und Verantwortung untergräbt, führt unweigerlich in dieKatastrophe – und das gilt bis heute. Steins nüchterne Analysehätte demgegenüber die Potenz gehabt, gegen eine Ideologisie-rung von Gemeinschaft, wie sie im Dritten Reich geschah, zu im-munisieren“ (S. 114). Hier schließt sich der Aufsatz von BeateBeckmann-Zöller über „Die Herausforderung des Gemein-schafts-Gedankens für katholische Denker im zeitgenössischenUmfeld Edith Steins: Gerda Walter (1897-1977), Romano Guar-dini (1885-1968), Dietrich von Hildebrand (1889-1977), JosefPieper (1904-1997)“ (S. 115-134) an. Ihr Ausgangspunkt ist daskatholische Verständnis von Kirchengemeinschaft, das „mit derGottesbeziehung immer auch eine bestimmte Sicht der Gemein-schaftsauffassung (der Stellung des Einzelnen in der Kirche)“ (S.116) evoziert, was zumindest eine terminologische Nähe zu poli-tischen Gemeinschaftsideologien der Zwischenkriegsjahre zurFolge hatte. Doch musste man den damit gegebenen Gefahrennicht erliegen, wie etwa Guardini in Vorträgen zwischen 1916und 1930 vor der Überschätzung der Erlösungskraft von „Ge-meinschaft“ warnte. „Die Warnungen der genannten katholi-schen Denker haben leider nach 1933 nicht vor größerem Scha-den bewahren können. Dennoch sind leitende und bleibende Ge-danken im Vorfeld der nationalsozialistischen Ideologie ausge-sprochen worden, wie der, daß die Person durch ihre Bestim-mung für die Ewigkeit einen höheren Eigenwert hat als jeglicheForm von irdischer Gemeinschaft“ (S. 133).

Der wertvolle Band enthält weitere Beiträge, die hier ausRaumgründen nicht gewürdigt werden können, aber wenigstensgenannt werden sollen: Urbano Ferrer, „Kausalität und Motiva-tion bei Edith Stein“, Margaretha Hackermeier, „Einfühlung undIntersubjektivität bei Edith Stein“, Wolfgang Rieß, „Die sozial-philosophische Letztbegründung von Individuum und Gesell-schaft bei Simon L. Frank und Edith Stein“, Lidia Ripamonti,„Sein, Wesen und Existenz bei Edith Stein und Martin Heideg-ger“, Peter Volek, „Identität der Person bei Thomas von Aquin,John Locke, Daniel von Wachter und Edith Stein“, René Kauf-mann, „Zum Personalismus William Sterns und Edith Steins Kri-tik“, Bernhard Augustin, „Ethische Elemente in der Anthropolo-gie Edith Steins“, Katharina Westerhorstmann, „Pro-Existenz alsStärke weiblichen Seins. Die Studien Edith Steins zum Frau-sein“, Cordula Haderlein, „‚Als Mann und Frau schuf Er sie‘.Das Werden der geschlechtlichen Identität – eine Spurensuche inder Geschichte der Geschlechterpsychologie“, Elisabeth Dona-baum, „Pädagogik bei Edith Stein“, Emese Deschmann-Palos,„Lebendige Wirkung der Pädagogik Edith Steins im 21. Jahr-hundert. Ein exemplarischer Vergleich von Schulen in Ungarnund Deutschland“.

rechter Weise entgegentreten kann, bevor sie sich lähmend sei-ner bemächtigt, bzw. wie jemand, vielleicht lau geworden, ausdiesem Zustand wieder heraustreten und zu neuem Eifer undneuer Freude im Dienst Gottes gelangen kann. Dabei werdenim Grunde die altbewährten Ratschläge des geistlichen Lebenspräsentiert, wie sie von der Heiligen Schrift, den Kirchenväternund den geistlichen Lehrmeistern vielfach empfohlen wordensind: Gebet und innerer Blick auf Jesus Christus, Lesung undBetrachtung der Heiligen Schrift sowie Staunen über die vielenWunder Gottes in der Schöpfung und im Alltag, Treue in denkleinen Dingen, Großmut und Opferbereitschaft aus Liebe,Kampf gegen die Todsünde, aber auch gegen die lässlicheSünde sowie in besonderer Weise die Empfehlung zur häufigenund regelmäßige Beichte. Das Sakrament der Buße ist nicht alslästige Pflichtübung und Routine zu sehen, sondern als von derGnade getragene Sensibilisierung für die Wirklichkeit Gottesund eines auf ihn hin ausgerichteten Lebens, um so die Sündezu überwinden und mit Kraft und Freude das Gute zu tun. AmSchluss wird in inniger Weise auf die Gottesmutter Maria Be-zug genommen, da der geistliche Umgang mit Maria unweiger-lich zu Jesus Christus, ihrem Sohn, führt und insofern als das„beste Heilmittel“ gegen alles Böse und alle Bedrohungen undGefährdungen des geistlichen Lebens anzusehen ist.

Weitere Informationen und Direktbestellung unter: www.fassbaender.com/index.php?dest=lauheit&dir=religion.

Dr. theol. habil. Josef SpindelböckKleinhain 63107 St. Pölten-TraisenparkÖsterreich

FRANCISCO F. CARVAJAL:

Lauheit – wenn die Liebe erkaltet.

Aus dem Spanischen übersetzt von Dr. Paul Blecha,Wien, Fassbaender 2007, 136 SeitenISBN: 978-3-900538-85-9, Preis 11,- € zzgl. Versandkosten

– 199 – – 200 –

H. van Straelen SVDSelbstfindung oder HingabeZen und das Licht der christlichen MystikNr. 1, 4. erw. Aufl. 1997, 144 S., C 9,–

W. SchamoniKosmos, Erde, Mensch und GottNr. 3, 64 S., C 6,–

W. HoeresEvolution und GeistNr. 4, 174 S., 2. wesentlich erweiterteAuflage 12,– C

J. Stöhr u. B. de Margerie SJDas Licht der Augen des GotteslammesNr. 5, 72 S., C 6,–

L. ScheffczykZur Theologie der EheNr. 6, 72 S., C 6,–

A. Günthör OSBMeditationen über das ApostolischeGlaubensbekenntnis, Vaterunserund Gegrüßet seist du, MariaNr. 7, 136 S., C 9,–

J. DörmannDie eine Wahrheit und die vielenReligionenNr. 8, 184 S., C 9,–

J. AuerTheologie, die Freude machtNr. 9, 64 S., C 6,–

K. Wittkemper MSCHerz-Jesu-VerehrungHier und HeuteNr. 10, 136 S., C 9,–

Regina HinrichsIhr werdet sein wie GottNr. 11, 2. Aufl., 112 S., C 9,–

Walter HoeresTheologische BlütenleseNr. 12, 180 S., C 10,–

Walter HoeresKirchensplitterNr. 13, 86 S., C 6,–

Walter HoeresZwischen Diagnose und TherapieNr. 14, 324 S., C 12,–

Heinz-Lothar Barth„Nichts soll dem Gottesdienst vorgezo-gen werden“Nr. 15, 199 S., C 10,–

David BergerWas ist ein Sakrament?Thomas von Aquin und die Sakramenteim allgemeinenNr. 16, 116 S., C 8,–

Manfred HaukeDas Weihesakrament für die Frau –eine Forderung der Zeit?Nr. 17, 128 S., C 9,–

Walter HoeresGottesdienst als GemeinschaftskultNr. 1, 44 S., C 6,–

F.-W. Schilling v. CanstattÖkumene katholischer VorleistungenNr. 2, 2. erw. Aufl., 46 S., C 6,–

Ulrich Paul LangeMaria, die in der Kirche nach Chris-tus den höchsten Platz einnimmt unddoch uns besonders nahe ist (Anspra-chen)Nr. 3, 93 S., C 6,–

Richard GiesenKönnen Frauen zum Diakonat zuge-lassen werden?Nr. 4, 122 S., C 8,–

Joseph OverathHoffnung auf das Morgen der KircheNr. 5, 76 S., C 6,–

Georg MayKapitelsvikar Ferdinand PiontekNr. 6, 70 S., C 6,–

Joseph OverathErst Deformation, dann Reforma-tion?Nr. 7, 208 S., C 10,–

QUAESTIONESNON

DISPUTATAEG. MayDie andere HierarchieBd. II, 2 unv. Aufl. 1998, 184 S., C 12,–

Balduin SchwarzEwige PhilosophieBd. III, 2000, 144 S., C 11,–

Bernhard PoschmannDie Lehre von der KircheBd. IV, 2000, Hrsg. von Prof. Dr.G. Fittkau 344 S., C 14,–

Walter HoeresWesenseinsicht und Transzendentalphiloso-phieBd. V, 2001, 178 S., C 12,–

G. Klein/M. Sinderhauf (Bearb.)Erzbischof Johannes Dyba„Unverschämt katholisch“Band VI, 592 S., 3. Auflage16,5 x 23,5 cm, Festeinband, C 17,–

Leo Kardinal ScheffczykÖkumene – Der steile Weg der WahrheitBand VII, 368 S., C 15,–

David Berger (Hrsg.),Karl Rahner: Kritische AnnäherungenBand VIII, 512 S., C 19,–

Leo Kardinal ScheffczykDer EinziggeboreneBand IX, 232 S., C 12,–

Leo EldersGespräche mit Thomas von AquinBand X, 304 S., C 14,–

Walter HoeresHeimatlose VernunftBand XI, 320 S., C 14,–

W. SchamoniTheologischer Rückblick1980, 184 S., C 9,–

W. SchamoniDie seligen deutschen Ordensstifterinnendes 19. Jahrhunderts1984, 88 S., C 6,–

R. BaumannGottes wunderbarer Ratschluss1983, 192 S., C 9,–

E. von Kühnelt-LeddihnKirche kontra Zeitgeist1997, 144 S., C 11,–Joh. Overath/Kardinal Leo ScheffczykMusica spiritus sancti numine sacraConsociatio internationalis musicae sacraehrsg. von Dr. G. M. Steinschulte2001, 156 S., geb. C 5,–Alfred Müller-ArmackDas Jahrhundert ohne Gott2004, 191 S., C 12,–

Herausgeber: David BergerIn Zusammenarbeit mit der FG „Theologisches“ e.V.

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