Lacan - Seminar_XVII_Auszug

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  • 7/29/2019 Lacan - Seminar_XVII_Auszug

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    Jacques Lacan

    Seminar XVII

    DIE KEHRSEITE DER PSYCHOANALYSE

    (1969-1970)

    [3. FASSUNG, NOVEMBER 2007]

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    INHALT

    I (I/1)1 [26.11.1969] 5 I Production des 4 discours

    (A) Impromptu 1 [03.12.1969] 17 : AnalyticonII (I/2) [10.12.1969] 27 ComplementIII (II) [17.12.1969] 30 II Le matre et l'hysteriqueIV (III) [14.01.1970] 39 III Savoir moyen de jouissanceV (IV) [21.01.1970] 52 IV Vrit, soeur de jouissanceVI (V) [11.02.1970] 65 V Le champ Lacanienne

    AU-DELA DU COMPLEXE D'OEDIPE

    VII (VI) [18.02.1970] 77 VI Le matre chatrVIII (VII) [11.03.1970] 89 VII Oedipe et Moise et le pre de la hordeIX (VIII/1) [18.03.1970] 103 VIII Du mythe la structureX (VIII/2) [08.04.1970] 114 Complement : RadiophonieXI (IX) [15.04.1970] 116IX La froce ignorance de yahv

    L'ENVERS DE LA VIE CONTEMPORAINE

    XII (X) [13.05.1970] 132 X Pantheon

    XIII (XI) [20.05.1970] 139 XI Les sillons de l'althosphre() Impromptu 2 [03.06.1970] 151

    XIV (XII) [10.06.1970] 159 XII L'impuissance de la vritXV (XIII) [17.06.1970] 173 XIII Le pouvoir des impossibles

    Anhang 1 (B) Expos von A. Caquot 185 (gehrt zum 15.04.1970)Anhang 2 () Radiophonie Versionenvergleich 189

    (Diese PDF enthlt die beiden markierten Sitzungen)

    1 Die eingeklammerten Ziffern bzw. Buchstaben geben die Zhlung der Version Seuil wieder.

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    I

    26. NOVEMBER 1969

    [9] Erlauben Sie mir, meine lieben Freunde, ein weiteres Mal diese Assistenz2

    zu befragen undzwar in allen Bedeutungen des Wortes , die Sie mir leisten, und ganz besonders heute, indem Sie,d. h. einige unter Ihnen, mir in eine dritte meiner Verschiebungen folgen.Ehe ich diese Befragung wiederaufnehme, kann ich um dem, dem es gebhrt, dafr zu danken nicht weniger tun, als deutlich zu machen, wie ich hier bin. Nmlich in der Eigenschaft einerLeihgabe, die die Fakultt der Rechte freundlicherweise mehreren meiner Kollegen von den Hautestudes3 zukommen lt, zu denen sie mich freundlicherweise hat zhlen wollen. Die Fakultt derRechte, und insbesondere ihre hchsten Autoritten, namentlich der Herr Dekan, seien hier, durchmich und, denke ich, mit Ihrer Zustimmung, dafr bedankt.Wie der Aushang Sie vielleicht unterrichtet hat, werde ich hier nicht da mir der Ort nicht jedenMittwoch angeboten wrde nur am zweiten und dritten Mittwoch jeden Monats sprechen, wo-

    durch ich mir, zweifellos zum Zwecke anderer Verpflichtungen, die anderen Mittwoche freihalte.Und insbesondere glaube ich ankndigen zu knnen, da ich am ersten dieser Mittwoche im Monat,zumindest zu einem Teil, d.h. jeden zweiten [Monat], also an den ersten Mittwochen im Dezember, Februar, April und Juni,nicht, wie es irrigerweise angekndigt worden war, mein Seminar nach Vincennes tragen werde,sondern das, was ich in Kontrast dazu und um zu betonen, da es sich um etwas anderes handelt,mit Vorbedacht Vier Impromptus genannt habe, denen ich einen humoristischen Titel gegeben habe,den Sie erfahren werden an den Orten, an denen er bereits ausgehngt ist.[10] Weil es mir, wie Sie sehen, gefllt, diesen Hinweis in der Schwebe zu lassen, nutze ich dasganz schnell dazu aus, mich hier von einem Gewissensbi zu befreien, der mir von einer Art vonAufnahme zurckgeblieben ist, die ich einer Person bereitet habe, denn beim Drbernachdenkenwar sie wenig liebenswrdig nicht da ich es so gewollt htte, aber faktisch ergab es sich so.Eines Tages kam auf der Strae eine Person vielleicht ist sie hier, und zweifellos wird sie sichnicht zu erkennen geben auf mich zu, gerade als ich ein Taxi besteigen wollte. Sie hielt dafr ihrkleines Moped an und sagt zu mir: Sind Sie das, der Doktor Lacan? Ja doch, sage ich zu ihr,und warum? Werden Sie Ihr Seminar wieder halten? Aber ja, bald. Und wo? Undda, zweifellos hatte ich meine Grnde dafr, sie wird es mir sicher glauben wollen, antwortete ichihr: Das werden Sie sehen. Worauf sie auf ihrem kleinen Moped davonfuhr, das sie derart fixgestartet hatte, da ich verdutzt und mit schlechtem Gewissen zugleich zurckblieb. DiesenGewissensbi habe ich heute aussprechen wollen, indem ich ihr meine Entschuldigung anbiete, fallssie da ist, damit sie mir verzeihe.

    Offen gesagt, das ist ganz sicher eine Gelegenheit zu bemerken, da, wenn man sich, zumindestdem Anschein nach, auf die Palme gebracht [excd] zeigt, man dies nie, egal auf welche Weise,durch das berma [excs] eines andern wird. Man wird es immer deshalb, weil dieses bermamit einem berma bei Ihnen zusammenfllt. Weil ich wegen dieses Punktes bereits in einemgewissen Zustand war, der ein berma an intensiver Beschftigung darstellte, habe ich michzweifellos auf eine Weise gezeigt, die ich dann sehr schnell unpassend fand.Treten wir darber in das ein, was es mit dem, was wir dieses Jahr bringen, auf sich haben wird.

    1Die Psychoanalyse verkehrt herum [ l'envers], so habe ich geglaubt dieses Seminar betiteln zu

    2 Im Orig. assistance = Anwesenheit, Zuhrerschaft, Beistand, Mitwirkung, Hilfe.3 Gemeint ist diecole Pratique des Hautes tudes, als deren Lehrbeauftragter Lacan seit 1964 fungierte.

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    DIE KEHRSEITE DER PSYCHOANALYSE SITZUNG I (26.11.1969)

    sollen.Glauben Sie nicht, dieser Titel schulde irgend etwas dem Tagesereignis, das glaubt, es sei auf dem

    besten Wege dazu, eine gewisse Anzahl von Orten zu verkehren. Ich werde dafr nur folgendes alsBeweis bringen. In einem Text, der vom Jahr 1966 datiert, und insbesondere in einer jener Einlei-tungen, die ich zum Zeitpunkt der Sammlung meinercrits verfat habe und die sie skandieren, in

    einem Text, der sich betiteltDe nos antcdents4

    , charakterisiere ich auf der Seite 685

    , was es mitmeinem Diskurs, einer Wiederaufnahme, sage [11] ich, des Freudschen Projektes ber die Kehrseiteauf sich gehabt hat. Das ist also lange vor den Ereignissen geschrieben worden eine Wieder-aufnahme ber die Kehrseite [par lenvers].Was heit das? Letztes Jahr ist mir, mit viel Beharrlichkeit, widerfahren, da ich das, was es mitdem Diskurs auf sich hat, als eine notwendige Struktur unterschied, die das, stets mehr oder wenigergelegenheitsabhngige, Sprechen um vieles bersteigt. Was ich vorziehe, so habe ich gesagt undeines Tages sogar ausgehngt, das ist ein Diskurs ohne Worte.Denn in Wahrheit kann er sehr gut ohne Worte bestehen. Er besteht in bestimmten fundamentalenBeziehungen. Diese knnten sich, buchstblich, ohne die Sprache nicht aufrechterhalten. Vermittelsdes Instrumentes der Sprache richtet sich eine bestimmte Anzahl von stabilen Beziehungen ein, in

    denen sich ganz sicher etwas schreiben kann, das sehr viel umfassender ist, sehr viel weiter reichtals das, was tatschlich gesagt wird [les nonciations effectives]. Dazu, da unser Verhalten, unsereAkte sich gegebenenfalls vom Rahmen gewisser uranfnglicher Aussagen [noncs] her ein-schreiben, bedarf es dessen nicht. Wre dem nicht so, was wre dann mit dem, was wir in der Erfah-rung, und zwar speziell der analytischen, wiederfinden wobei diese sich an dieser Stelle nur des-halb in Erinnerung bringt, weil sie es genau bezeichnet hat , was wre dann mit dem, was sich fruns wiederfindet unter dem Aspekt des berich?Es gibt Strukturen anders wten wir sie nicht zu bezeichnen , um6 das zu charakterisieren, wasablsbar ist von jenem in Form von, das ich mir letztes Jahr zu akzentuieren erlaubt habe, indem icheinen besonderen Gebrauch davon machte, das heit, das, was namens der fundamentalen Bezie-hung geschieht, die ich definiere als die eines Signifikanten zu einem andern Signifikanten. Worausdas Auftauchen dessen resultiert, was wir das Subjekt nennen namens des Signifikanten, der, indiesem Fall, so fungiert, da er es, dieses Subjekt, bei [auprs] einem anderen Signifikanten repr-sentiert.Wie ist diese fundamentale Form zu situieren? Diese Form wenn Sie mchten, schreiben wir sie,ohne noch lnger zu warten, dieses Jahr auf eine neue Weise. Letztes Jahr hatte ich es von derExterioritt des Signifikanten S1 her getan desjenigen, von dem unsere Definition des Diskursesausgeht, so wie wir ihn in diesem ersten Schritt akzentuieren werden , seiner Exterioritt zu einemKreis, der gekennzeichnet ist durch die Sigle A, das heit das Feld des groen Anderen. Verein-fachend aber betrachten wir S1 und, bezeichnet durch das Zeichen S2, die Batterie der Signifikanten.Es handelt sich um die, die bereits da sind, wohingegen am Ursprungspunkt, an den wir uns stellen,

    um zu bestimmen, was es mit dem Diskurs auf sich hat, mit dem als Statut der Aussage [nonc]aufgefaten Diskurs, S1 derjenige ist, den man als intervenierend anzusehen hat. Er interveniert in[12] eine Signifikantenbatterie, bezglich deren wir niemals irgendein Recht zu der Auffassunghaben, sie sei verstreut und bilde nicht bereits das Netz dessen, was sich ein Wissen nennt.Es setzt sich zunchst von jenem Moment an, wo S1 etwas reprsentiert durch seine Intervention indas Feld, das, an dem Punkt, wo wir sind, definiert ist als das bereits strukturierte Feld einesWissens. Und das, was sein Darunterliegendes ist, hypokeimenon, das ist das Subjekt, das, insofernes diesen spezifischen Zug reprsentiert, vom lebenden Individuum zu unterscheiden ist. Ganzsicher ist letzteres der Ort des ersteren, sein Markierungspunkt, es gehrt aber nicht zur Ordnungdessen, was das Subjekt hereinbringt namens des Statuts des Wissens.

    4 Deutsch unter dem Titel Von dem, was uns vorausging in Schriften III, S. 7-14.5 Vgl. Schriften III, S. 11.6 Transkript: bezeichnen, um

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    Zweifellos liegt da, um das Wort Wissen herum, der Punkt der Zweideutigkeit, wegen dem wir

    heute das zu akzentuieren haben, wofr ich Ihre Ohren bereits auf mehrerlei Wegen, Pfaden, mittelsBeleuchtungen, blitzlichthaften Zgen sensibilisiert habe.Soll ich es fr die ansprechen, die davon Notiz genommen haben, fr die, denen das vielleicht nochimmer im Kopf herumgeht? Es ist mir letztes Jahr widerfahren, Wissen das Genieen des Andern zunennen.Eine komische Geschichte. Das ist eine Formulierung, die, offen gesagt, noch nie vorgebracht wor-den war. Sie ist nicht mehr neu, denn ich habe ihr schon letztes Jahr vor Ihnen ausreichende Wahr-scheinlichkeit verleihen, ber sie sprechen knnen, ohne besondere Einsprche dagegen zu erwec-ken. Das ist einer der Treffpunkte, die ich fr dieses Jahr ankndigte.Komplettieren wir zunchst, was zuerst auf zwei Fen stand und dann auf dreien, geben wir ihmseinen vierten diesen da.

    Ich habe darauf schon recht lange insistiert, und besonders im letzten Jahr, denn das Seminar warschon lange genug dafr gehalten worden Dun Autre lautre7 habe ich es betitelt. Dieser andere,der kleine, mit dem derseiner allgemeinen Bekanntheit, war das, was wir auf dieser Ebene, der derAlgebra, der Signifikantenstruktur, als das Objekt a bezeichnen.Auf dieser Ebene der Signifikantenstruktur mssen wir nur die Art und Weise kennen, auf die dasarbeitet. So haben wir die Freiheit, zu sehen, was es bewirkt, wenn wir die Dinge so schreiben, dawir das ganze System um eine Vierteldrehung verschieben.[13] Diese berhmte Vierteldrehung, ich spreche von ihr lange genug und bei anderen Gelegen-heiten insbesondere seit dem Erscheinen dessen, was ich unter dem TitelKant avec Sade8

    geschrieben habe , damit man sich hat denken knnen, da man vielleicht eines Tages sehenwrde, da sich das nicht auf die Tatsache des sogenannten SchemaZbeschrnkt und da es frdiese Vierteldrehung andere Grnde gibt als die reine Zuflligkeit bildlicher Darstellung.

    $

    a

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    1

    2

    Hier ein Beispiel. Wenn es begrndet scheint, da die Kette, die Abfolge der Buchstaben dieserAlgebra, nicht durcheinandergebracht werden darf, dann werden wir dadurch, da wir uns dieserOperation der Vierteldrehung widmen, vier Strukturen erhalten mehr nicht , deren erste Ihnengewissermaen den Ausgangspunkt zeigt.Es ist sehr leicht, auf dem Papier rasch die brigen drei zu erzeugen.

    Dies soll nur einen Apparat spezifizieren, der absolut nichts Aufgezwungenes hat, wie man auseiner gewissen Perspektive heraus meinen knnte, nichts, was von irgendeiner Realitt abstrahiertwre. Ganz im Gegenteil, es ist bereits eingeschrieben in das, was als diese Realitt funktioniert,von der ich gerade gesprochen habe, der des Diskurses, der bereits in der Welt ist und sie sttzt,zuallermindest die, die wir kennen. Nicht nur ist es bereits eingeschrieben, sondern es ist Teil ihrerGrundfesten.Wenig von Bedeutung ist ganz sicher die Form der Buchstaben, mit denen wir diese symbolischeKette schreiben, sofern sie sich nur unterscheidet das gengt, damit sich etwas von konstantenBeziehungen zeigt. Soviel zur Beschaffenheit dieser Formel.Was [be]sagt sie? Sie situiert ein Moment. Es ist die Folge dessen, was unser Diskurs hier entwic-keln wird, der uns sagen wird, welchen Sinn man diesem Moment geben sollte. Sie sagt, da in

    7 Sminaire XVI,Dun Autre lautre (1968/69).8 Dt. unter dem Titel Kant mit Sade in Schriften II, S. 133-163.

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    ebendem Augenblick, in dem der S1 in das bereits konstituierte Feld der anderen Signifikanten inter-veniert, insofern sie sich bereits als solche untereinander verketten, dadurch, da er bei einemandern aus System interveniert, dies erscheint: $, das wir das Subjekt als gespaltenesgenannt haben. Dessen gesamtes Statut haben wir dieses Jahr wiederaufzunehmen, in seiner

    besonderen Betonung.

    Schlielich, wir haben von jeher betont, da aus diesem Trajekt etwas hervorgeht, das als ein Ver-lust definiert ist. Ebendas bezeichnet der Buchstabe, der sich liest als das Objekt a.[14] Wir haben auch den Punkt bezeichnet, aus dem wir diese Funktion des verlorenen Objektsextrahieren. Nmlich aus dem Diskurs Freuds ber den spezifischen Sinn der Wiederholung beimsprechenden Sein. In der Tat geht es bei der Wiederholung keineswegs um irgendeinen beliebigenGedchtniseffekt im biologischen Sinne. Die Wiederholung hat einen bestimmten Bezug zu dem,was die Grenze dieses Wissens ist und was sich das Genieen nennt.Deshalb handelt es sich bei der Formel, da das Wissen das Genieen des Anderen ist, um einelogische Artikulation. Des Andern wohlverstanden insofern, als denn es gibt keinen Andern dieIntervention des Signifikanten ihn als Feld erscheinen lt.Zweifellos werden Sie mir sagen, da wir uns da alles in allem weiterhin im Kreise drehen der

    Signifikant, der Andere, das Wissen, der Signifikant, der Andere, das Wissen usw. Genau da abererlaubt der Term Genieen uns, den Einsetzungspunkt des Apparats zu zeigen. Indem wir das tun,kommen wir zweifellos aus dem heraus, was es authentisch mit dem Wissen auf sich hat, aus dem,was als Wissen erkennbar ist, um uns auf die Grenzen zu beziehen, auf ihr Feld als solches, jenes,mit dem das Sprechen Freuds sich auseinanderzusetzen wagt.Aus all dem, was dieses [Sprechen] artikuliert, ergibt sich was? Nicht das Wissen, sondern die Ver-wirrung. Nun, ber die Verwirrung selbst mssen wir nachdenken, denn es geht um die Grenzenund darum, aus dem System herauszukommen. Aus ihm herauszukommen vermge wessen? Ver-mge eines Dursts nach Sinn, so als ob das System seiner bedrfte. Es hat keinerlei Bedrfnis, dasSystem. Wir aber, wir schwachen Wesen, so wie wir uns im Laufe dieses Jahres an allen Wende-

    punkten wiederfinden werden, wir bedrfen des Sinnes. Nun, da ist einer.Vielleicht ist es nicht der wahre. Gleichviel aber, sicher ist, da wir sehen werden, da es viel vondiesem Vielleicht ist er nicht der wahre gibt, dessen Insistenz uns im eigentlichen Sinne die Dimen-sion der Wahrheit nahelegt.Bemerken wir die Zweideutigkeit, die in der psychoanalytischen Dummheit das Wort Trieb* ange-nommen hat, statt da man sich zu erfassen befleiigt, wie sich diese Kategorie artikuliert. Diese istnicht ohne Vorlufer, will sagen: das Wort hat bereits einen Gebrauch erfahren, und der reicht weitzurck, bis hin zu Kant. Das aber, wozu er im analytischen Diskurs dient, verdiente wirklich, daman sich nicht berstrze, ihn allzuschnell durch instinctzu bersetzen. Schlielich aber kommt eszu diesen Ausrutschern nicht ohne Grund, und auch wenn wir seit langem auf dem aberrantenCharakter dieser bersetzung insistiert haben, haben wir doch das Recht, Nutzen aus ihr zu ziehen.

    Sicher nicht und [15] schon gar nicht bei diesem Anla , um den Begriff Instinkt zu besttigen,sondern um in Erinnerung zu rufen, was vom Diskurs Freuds ihn [= den Begriff] bewohnbar macht und um einfach zu versuchen, ihn, diesen Diskurs, anders bewohnt werden zu machen.Populrerweise ist die Vorstellung vom Instinkt durchaus die von einem Wissen einem Wissen,von dem man nicht fhig ist zu sagen, was das bedeutet, von dem man jedoch, und nicht ohneBerechtigung, meint, es habe zum Ergebnis, da das Leben fortbesteht. Wenn wir dagegen demeinen Sinn verleihen, was Freud ber das Lustprinzip sagt: da es fr das Funktionieren des Lebenswesentlich ist, weil es das ist, worin sich die niedrigste Spannung aufrechterhlt , ist damit nicht

    bereits das gesagt, wovon die Folge seines Diskurses erweist, da es ihm aufgedrngt wird? Nm-lich der Todestrieb.Dieser Begriff ist ihm aufgedrngt worden durch die Entwicklung einer Erfahrung, der analytischen

    Erfahrung, insofern sie Diskursstruktur ist. Denn vergessen wir nicht, da man den Todestrieb nichterfindet, indem man das Verhalten der Leute betrachtet.

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    Der Todestrieb, wir haben ihn hier. Wir haben ihn da, wo etwas geschieht zwischen Ihnen und dem,was ich sage.

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    Ich habe gesagt: dem, was ich sage, ich spreche nicht von dem, was ich bin. Wozu auch, da mandas, alles in allem, dank Ihrer Assistenz sieht. Es ist nicht so, da fr mich spricht. Manchmal undmeistens spricht sie an meiner Statt.Wie auch immer das, was rechtfertigt, da ich hier etwas sage, ist das, was ich die Essenz dieserManifestation nennen wrde, nmlich die verschiedenen aufeinander folgenden Assistenzen, die ichauf angezogen habe je nach den Orten, an denen ich sprach.Es lag mir viel daran, irgendwo die folgende Bemerkung einzuflechten, denn heute, wo ich aneinem neuen Ort bin, schien mir der Tag dafr gekommen. Am Stil dessen, was ich diese Mani-festation genannt habe, hat der Ort stets seinen gewichtigen Anteil gehabt, und ich will die Gele-genheit nicht verstreichen lassen, zu sagen, da sie einen Bezug zum gelufigen Sinn des Begriffs

    Deutunghat. Was ich gesagt habe durch Ihre, fr Ihre und in Ihrer Assistenz, ist, zu jedem dieser

    Zeitpunkte definiert man sie als geographische Orte immer schon gedeutet.Das wird in den kleinen sich drehenden Quadripoden Platz finden mssen, von denen ich heute an-fange Gebrauch zu machen, und ich werde darauf zurckkommen. Um Sie aber nicht [16] vllig imLeeren zu lassen, werde ich Ihnen davon sofort etwas zeigen.Htte ich zu deuten, was ich zwischen 1953 und 1963 in Sainte-Anne gesagt habe, will sagen, in-dem ich dessen Deutung festmache Deutung in einem Sinne, der dem der analytischen Deutungentgegengesetzt ist und der wirklich sprbar macht, wie sehr die analytische Deutung selbst derallgemeinen Bedeutung des Wortes zuwiderluft , dann wrde ich sagen, das Merklichste, dieSaite, die wirklich schwang, das war der Jux.Die exemplarischste Figur dieser Hrerschaft, die zweifellos eine medizinische war schlielichgab es aber auch einige Zuhrer, die nicht Mediziner waren , war die, die meinen Diskurs als eineArt fortgesetzten Aussto von Gags abheftete. Genau das wird fr mich das Charakteristischste andem sein, was zehn Jahre lang die Essenz meiner Manifestation war. Zustzlicher Beweis: DieDinge haben erst an dem Tag angefangen sauer zu werden, als ich ein Trimester der Analyse desWitzes widmete.9

    Das ist eine groe Parenthese, und lange kann ich in diese Richtung nicht gehen. Hinzufgen muich aber doch, was das Charakteristische an der Deutung des Ortes war, wo Sie mich letztesmalverlassen haben, die cole normale suprieure.E.N.S. als Initialen ist das absolut groartig. Das dreht sich ums Seiende. Man mu von denBuchstaben-quivoken stets zu profitieren wissen, vor allem, weil es die drei ersten Buchstaben desWortes enseigner[unterrichten] sind. Nun, in der rue dUlm10 hat man bemerkt, da das, was ich

    sagte, ein Unterricht war.Vorher war das nicht so offensichtlich. Man nahm es nicht einmal an. Die Professoren, und ins-besondere die Mediziner, waren sehr beunruhigt. Die Tatsache, da es berhaupt nicht medizinischwar, hinterlie einen starken Zweifel daran, ob es die Bezeichnung Unterricht verdiente, und zwar

    bis zu dem Tage, an dem man hat Brschchen kommen sehen die von den Cahiers pourlanalyse11 , die in jener Ecke ausgebildet worden waren, in der man wie ich schon vor sehr lan-ger Zeit gesagt hatte, und zwar eben zur Zeit der Gags aufgrund des Ausbildungseffekts nichtswei, es aber auf bewundernswerte Weise unterrichtet. Da sie das, was ich sagte, so gedeutethaben ich spreche heute von einer anderen Deutung als der analytischen , hat durchaus einenSinn.

    9 Im Sminaire V,Les formations de linconscient(1957/58).10 Sitz derE.N.S.11 Gegrndet 1966 auf Initiative des Cercle dpistmologie an derE.N.S., u.a. von J.-A. Miller.

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    Natrlich wei man nicht, was hierpassieren wird. Ich wei nicht, ob Jurastudenten kommen wer-den, ehrlich gesagt aber, fr[17] die Deutung wre das entscheidend. Wahrscheinlich wird es die

    bei weitem wichtigste Zeit von den dreien sein, da es dieses Jahr darum geht, die Psychoanalyseverkehrt herum zu nehmen, und ihr vielleicht, genau das, ihr Statut zuzuweisen, in dem Sinne desBegriffs, den man den juristischen nennt. Jedenfalls hat das ganz sicher stets, und in letzter Konse-

    quenz, mit der Struktur des Diskurses zu tun gehabt. Wenn das Recht wenns nicht das ist, wennman da nicht sprt, wie der Diskurs die reale Welt strukturiert, wo dann? Ebendeshalb sind wir hieran keinem schlechteren Platz als anderswo.

    Nicht also einfach nur aus Grnden der Bequemlichkeit habe ich diesen Glcksfall akzeptiert.Sondern es ist auch das, was Ihnen auf Ihrer Rundreise die geringste Strung bereitet, zumindestdenen, die an die andere Seite gewhnt waren. Ich bin nicht ganz sicher, ob es wegen der Parkpltzesehr bequem ist, aber schlielich haben Sie dafr ja trotzdem noch die rue dUlm.12

    3Machen wir weiter.

    Wir waren bis zu unserem Instinkt und zu unserem Wissen gekommen, die, alles in allem, durch dassituiert sind, was Bichat vom Leben definiert. Das Leben, so sagt er und das ist die tiefgrn-digste Definition, sie ist berhaupt nicht prudhommesk, wenn Sie genau hinsehen , ist dieGesamtheit der Krfte, die dem Tod widerstehen.Lesen Sie, was Freud ber den Widerstand des Lebens gegen die Neigung zum Nirwana schreibt,wie man auf andere Weise den Todestrieb bezeichnet hat in dem Moment, als er ihn eingefhrt hat.Zweifellos vergegenwrtigt er sich, im Zentrum der analytischen Erfahrung die eine Diskurs-Erfahrung ist , diese Neigung zur Rckkehr zum Unbelebten. Bis dahin geht Freud. Was aber, sosagt er, die Bestndigkeit dieser Blase ausmacht in der Tat drngt sich das Bild bei eingehenderLektre dieser Seiten auf , das ist, da das Leben dorthin nur auf Wegen zurckkehrt, die immerdieselben sind und die es einmal gut gebahnt hat. Was ist das wenn nicht der wahre Sinn, der demverliehen ist, was wir im Begriff Instinkt an Implikation eines Wissens finden?Jenen Pfad, jenen Weg, man kennt ihn, es ist das Wissen der Vorfahren. Und dieses Wissen, was istdas? wenn wir nicht vergessen, da Freud das einfhrt, was er selbst das Jenseits des Lustprinzipsnennt, welch letzteres dadurch jedoch nicht umgekehrt wird. Das Wissen, das ist das, was bewirkt,da das Leben an einer bestimmten Grenze zum Genieen hin innehlt. Denn der Weg zum Tode darum gehts, es ist ein Diskurs ber den Masochismus , [18] der Weg zum Tode ist nichts anderesals das, was sich Genieen nennt.Es gibt ein uranfngliches Verhltnis des Wissens zum Genieen, und genau da wird das eingesetzt,was in dem Moment auftaucht, in dem der Apparat dessen erscheint, was es mit dem Signifikantenauf sich hat. Infolgedessen ist es vorstellbar, da wir die Funktion jenes Auftauchens des Signifi-

    kanten damit [mit dem Genieen] in Zusammenhang bringen.Das reicht, so wird man sagen, mssen wir denn alles erklren? Und der Ursprung der Sprache,warum nicht? Jeder wei, da es, um ein Wissen korrekt zu strukturieren, ntig ist, auf die Fragenach den Ursprngen zu verzichten. Was wir tun, indem wir dies hier artikulieren, ist im Hinblickauf das, was wir dieses Jahr zu entwickeln haben und was sich auf der Ebene der Strukturen pla-ziert, berflssig. Es ist eine vergebliche Suche nach Sinn. Aber, wie ich bereits gesagt habe: tragenwir dem Rechnung, was wir sind.Ich fahre also fort. Im Verbund mit einem Genieen und nicht mit irgendeinem x-beliebigen,zwei felsohne mu es opak bleiben13 , im Verbund mit einem Genieen, das unter allen andern

    privilegiert ist nicht dadurch, da es das sexuelle Genieen ist, denn das, was dieses Genieenbezeichnet dadurch, da es im Verbund steht, das ist der Verlust des sexuellen Genieens, das ist die

    12 Die Fakultt der Rechte, gelegen an der Place du Panthon, ist nur wenige hundert Meter von derE.N.S. entfernt.13 Transkript: auch wenn es opak bleiben mu

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    DIE KEHRSEITE DER PSYCHOANALYSE SITZUNG I (26.11.1969)

    Kastration in bezug auf das, im Verbund mit dem sexuellen Genieen taucht in der FreudschenFabel von der Wiederholung die Erzeugung von folgendem auf, das grundlegend ist und einemSchema Gestalt verleiht, das buchstblich artikuliert ist: da, insofern als S1, nachdem es erschienenist erstes Zeitmetrum , sich bei S2 wie derholt, woher im In-Bezug-treten das Subjekt auftaucht,etwas einen gewissen Verlust re pr sentiert14, der jene Anstrengung wert ist, die man auf den Sinn

    hin gemacht hat, um seine Zweideutigkeit zu verstehen.Aus gutem Grund habe ich dieses selbe Objekt, das ich andererseits als das bezeichnet hatte, um dassich in der Analyse die gesamte Dialektik der Frustration organisiert, letztes Jahr dieMehrlust[plus-de-jouir] genannt. Das bedeutet, da der Verlust des Objektes auch die Kluft ist, das Loch, dasoffensteht fr etwas, von dem man nicht wei, ob es die Reprsentation des Genie-Mangels[manque jouir] ist, der sich durch den Proze15 des Wissens situiert, insofern es dort einen ganzanderen Akzent gewinnt dadurch, da es von da an vom Signifikanten skandiertes Wissen ist. Ist esgar dasselbe?Der Bezug zum Genieen akzentuiert sich pltzlich16 durch jene noch virtuelle Funktion, die sichdie des Begehrens nennt. Aus diesem Grunde auch nenne ichMehrlustdas, was hier erscheint, undartikuliere es nicht mittels einer Durchbrechung oder einer bertretung.[19] Man hre doch bitte mal ein klein wenig mit diesem Gestammel auf. Was die Analyse zeigt,falls sie etwas zeigt ich rufe hier die, die da eine etwas andere Seele haben als die, von der man,so wie Barrs es vom Leichnam sagt, sagen knnte, da sie stammelt , ist ganz genau, da mannichts bertritt. Sich einschleichen ist nicht bertreten. Eine angelehnte Tr sehen heit nicht, durchsie hindurchzugehen. Wir werden die Gelegenheit haben, das, was ich gerade einfhre,wiederzufinden hier ist es nicht bertretung, sondern viel eher Einbruch, Sturz ins Feld, vonetwas, das zur Ordnung des Genieens gehrt ein berschu.

    Nun, selbst das, vielleicht ist es das, wofr man bezahlen mu. Aus ebendiesem Grund habe ichIhnen letztes Jahr gesagt, da bei Marx erkannt wird, da das a, das da ist, auf der Ebene funk-tioniert, die sich durch den analytischen Diskurs, nicht durch einen andern als Mehrlust artiku-liert. Genau das entdeckt Marx als das, was auf der Ebene des Mehrwerts wirklich geschieht.

    Natrlich hat nicht Marx den Mehrwert erfunden. Nur kannte vor ihm niemand dessen Platz. Es warderselbe zweideutige Platz wie der, den ich gerade genannt habe, der der Zuviel-Arbeit, derMehrarbeit. Wofr wird bezahlt? sagt er wenn nicht genau fr Genieen, das irgendwo hin mu.Das Strende daran ist, da man, wenn man fr es bezahlt, es hat, und dann, sobald man es hat, istes sehr dringlich, da man es verschwendet. Verschwendet man es nicht, dann hat das alle mgli-chen Konsequenzen.Lassen wir die Sache fr den Augenblick in der Schwebe.

    4Was tue ich gerade? Ich beginne, Sie einfach dadurch, da ich ihn situiert habe davon zu

    berzeugen, da dieser vierfige Apparat mit vier Positionen dazu dienen kann, vier grundlegendeDiskurse zu definieren.Nicht aus Zufall habe ich Ihnen gerade diese Form als erste gegeben. Nichts besagt, da ich nichtauch von jeder andern htte ausgehen knnen, beispielsweise von der zweiten. Es ist jedoch einedurch historische Grnde determinierte Tatsache, da diese erste Form, die, die ausgehend vondiesem Signifikanten gelesen wird, der ein Subjekt bei einem anderen Signifikanten reprsentiert,eine ganz besondere Bedeutung hat, und zwar insofern, als sie sich in dem, was wir[20] dieses Jahrdarlegen werden, unter den vieren festmachen lassen wird als die Artikulation des Diskurses desHerrn.Der Diskurs des Herrn ich denke, es ist berflssig, Ihnen etwas ber seine historische Bedeutung

    14 Textetablierung nach dem Transkript.15 Transkript: Progre16 Dieses Wort nur in der Version Seuil.

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    zu berichten, denn im groen ganzen sind Sie ja doch mittels jenes Siebes rekrutiert, das man dasuniversitre nennt, und von daher nicht ohne Wissen darber, da die Philosophie von nichtsanderem spricht als davon. Noch ehe sie davon spricht, das heit, noch ehe sie ihn bei seinem

    Namen nennt zumindest bei Hegel, und von ihm auf ganz spezielle Weise illustriert, springt einemdas in die Augen , war es bereits offensichtlich, da auf der Ebene des Diskurses des Herrn etwas

    erschienen war, das uns, was den Diskurs so zweideutig er auch sein mag angeht, betrifft unddas sich die Philosophie nennt.Ich wei nicht, bis wohin ich das das treiben knnte, was ich heute fr Sie zu pointieren habe, dennwir drfen nicht trdeln, wenn wir die vier Diskurse, um die es geht, alle durchgehen wollen.Wie heien die andern? Ich werde es Ihnen sofort sagen, warum auch nicht und wre es nur, umSie zu hei zu machen.Der da, der zweite auf der Tafel, das ist der Diskurs der Hysterika. Das ist nicht sofort zu sehen, ichwerde es Ihnen aber erklren.Und dann die zwei andern. Einer davon ist der Diskurs des Analytikers. Der andere nein, ichwerde Ihnen ganz bestimmt nicht sagen, was das ist. Wenn das heute einfach so gesagt wird, dannwrde das zu zu vielen Miverstndnissen Anla geben. Sie werden sehen es ist ein ganz und gar

    aktueller Diskurs.Machen wir also mit dem ersten weiter. Ich mu begrnden, was es auf sich hat mit derBezeichnung des algebraischen Apparats hier als dem, der die Struktur des Diskurses des Herrn lie-fert.S1, das ist, sagen wir, um schnell zu machen, der Signifikant, die Signifikantenfunktion, auf den

    bzw. die sich das Wesen des Herrn sttzt. Andererseits erinnern Sie sich vielleicht an das, woraufich letztes Jahr mehrmals den Akzent gesetzt habe das dem Sklaven eigene Feld, das ist dasWissen, S2. Liest man die Zeugnisse, die wir vom antiken Leben besitzen, jedenfalls von demDiskurs, der ber dieses Leben gehalten wurde lesen Sie dazu diePolitikdes Aristoteles , dannlt das, was ich vom Sklaven sage, nmlich da er dadurch gekennzeichnet ist, da er der Trgerdes Wissens ist, keinen Zweifel zu.In der Antike ist er nicht, wie unser moderner Sklave, einfach eine Klasse: er ist eine der Familieeinbeschriebene Funktion. Der Sklave, von dem Aristoteles spricht, ist ebensosehr in der Familiewie im Staat, und [21] in der einen noch mehr als im anderen. Er ist es deshalb, weil er der ist, derber ein Gewut-wie [savoir-faire] verfgt. Bevor man danach fragt, ob das Wissen sich wei, obman auf der Perspektive eines Wissens, das sich selbst vllig transparent ist, ein Subjekt grndenkann, ist es wichtig zu wissen, wie man das Register dessen ausquetscht, was, ursprnglich, Ge-wut-wie ist.Was also ist das, was unter unseren Augen geschieht und der Philosophie ihren Sinn, einen erstenSinn verleiht? Sie werden noch andere geliefert bekommen. Dank Platon verfgen wir glckli-cherweise ber Spuren davon, und es ist sehr wesentlich, sich daran zu erinnern, um richtig einord-

    nen zu knnen, worum es geht, und berhaupt, wenn etwas von dem, was uns umtreibt, einen Sinnhat, dann kann das nur der sein, die Dinge richtig einzuordnen. Was bestimmt die Philosophie inihrer gesamten Evolution? Dies: der Diebstahl, der Raub, der Entzug des Wissens, die am Skla-ventum begangen werden durch die Operation des Herrn.Um das zu bemerken, gengt es, in Platons Dialogen ein wenig gebt zu sein, und Gott wei, daich mich seit sechzehn Jahren darum bemhe, sie denen, die mir zuhren, zu vermitteln, dieseGebtheit.Unterscheiden wir zunchst das, was ich in diesem Fall die zwei Seiten des Wissens nennenmchte: die artikulierte Seite und jenes Gewut-wie, das dem tierischen Wissen so verwandt ist,

    beim Sklaven aber absolut nicht jenes Apparates entbehrt, der daraus ein Sprachnetz macht, undzwar ein sehr gut artikuliertes. Es geht darum, zu bemerken, da das, die zweite Schicht, der arti-

    kulierte Apparat, sich bermitteln lt, was bedeutet: sich bermitteln lt aus der Tasche desSklaven in die des Herrn vorausgesetzt, man hatte zu dieser Zeit Taschen.

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    Genau da liegt die ganze Anstrengung, das freizulegen, was sich die episteme nennt. Das ist einulkiges Wort, ich wei nicht, ob Sie je ernsthaft darber nachgedacht haben sich in eine gute Stel-lung bringen, alles in allem ist das dasselbe Wort wie verstehen*. Es geht darum, die Stellung zufinden, die erlaubt, da das Wissen Herrenwissen wird. Die Funktion derepisteme, spezifiziert alsbermittelbares Wissen lesen Sie Platons Dialoge , ist, zur Gnze, stets den handwerklichen, das

    heit den dienenden Techniken entlehnt. Worum es geht, das ist, aus ihnen die Essenzherauszuziehen, damit dieses Wissen Herrenwissen wird.Und dann verdoppelt sich das natrlich durch einen kleinen Rcksto [choc en retour], der ganz dasist, was man einen Versprecher nennt, eine Wiederkehr [retour] des Verdrngten. Ja, aber, sagt deroder der, Karl Marx oder ein anderer17.Lesen Sie imMenon nach, den Moment, in dem es um die Wurzel aus 2 geht und darum, [22] dasie nicht mebar ist.18Es gibt da einen, der sagt: Schauen wir mal, der Sklave, er mge kommen,der liebe Kleine, ihr werdet schon sehen, er wei. Man stellt ihm Fragen, Herrenfragen natrlich,und der Sklave antwortet auf die Fragen natrlich das, was diese Fragen bereits als Antwortendiktieren. Man findet da eine Form von Sptterei. Es ist eine Weise, die Figur zu verhhnen, die daschon wieder an den Herd zurckgekehrt ist. Man zeigt, da der Ernst, die Absicht dabei darin liegt,

    sehen zu lassen, da der Sklave wei, jedoch nur, indem man es ber diesen hhnenden Umwegeingesteht. Was man verbirgt, ist, da es nur darum geht, dem Sklaven seine Funktion auf der Ebenedes Wissens zu rauben.Um dem, was ich gerade gesagt habe, seinen Sinn zu geben, mte man sehen und diesen Schrittwerden wir nchstesmal tun , wie sich die Stellung des Sklaven in Hinsicht auf das Genieen arti-kuliert. Ebendies habe ich letztes Jahr bereits umrihaft gesagt, und zwar in der Form eines

    pittoresken hint. Was man fr gewhnlich sagt, ist, da das Genieen das Privileg des Herrn ist. DasInteressante dagegen ist jeder wei es das, was, darin, es dementiert.Kurz, worum es hier geht, das ist das Statut des Herrn. Als Einfhrung heute wollte ich Ihnen blosagen, in welchem Mae uns dieses Statut, das auszusprechen sich fr einen nchsten Schrittaufzuheben lohnt, zutiefst angeht. Es geht uns an, wenn das, was sich enthllt und sich zugleich aufeinen Winkel in der Landschaft reduziert, die Funktion der Philosophie ist. Angesichts des Raums,den ich mir gegeben habe und der dieses Jahr krzer ist als in anderen, kann ich es zweifellos nichtentwickeln. Das hat aber keine Bedeutung; mge jemand dieses Thema wiederaufgreifen unddaraus machen, was er will. Die Philosophie in ihrer historischen Funktion ist dieses Entziehen, fastwrde ich sagen: dieser Verrat, am Wissen des Sklaven, um daraus die Transmutation inHerrenwissen zu erhalten.Heit das, was wir auftauchen sehen als Wissenschaft, die uns beherrscht, sei die Frucht der Ope-ration? Auch da wieder stellen wir und man mu sich wirklich nicht berstrzen im Gegenteilfest, da dem nicht so ist. Jene Weisheit, jene episteme, die aus allen mglichen Zuflchten zu allenmglichen Dichotomien gemacht ist, hat nur zu einem Wissen gefhrt, das sich mit dem Wort

    bezeichnen lt, das Aristoteles selbst dazu diente, das Wissen des Herrn zu charakterisieren eintheoretisches Wissen. Nicht in der schwachen Bedeutung, die wir diesem Wort verleihen, sondern inder akzentuierten Bedeutung, die das Wort theora bei Aristoteles hat. Eine eigenartige Sache.19 Ichkomme darauf zurck, denn fr meinen Diskurs ist es der zentrale Punkt, ein Angelpunkt erst andem Tag, an dem, durch eine Bewegung des Verzichts auf dieses, wenn ich so sagen darf, unrechterworbene Wissen, [23] jemand aus dem strikten Verhltnis von S1 zu S2 zum erstenmal dieFunktion des Subjekts als solche extrahiert hat ich habe Descartes genannt, Descartes, so wie ichglaube, ihn, nicht ohne bereinstimmung mit zumindest einem bedeutenden Teil derer, die sich mitihm beschftigt haben, artikulieren zu knnen , erst an diesem Tag wird die Wissenschaft geboren.

    17 Transkript: ob nun Kallimachos oder ein anderer, kurz: Was bin ich da? ...

    18 Dieses Beispiel bringt Lacan bereits im Sminaire II,Le moi dans la thorie de Freud... (1954/55); vgl. in der dt.Ausgabe S.27 ff.; hier wie dort wird irrtmlich Wurzel aus 2 fr das korrekte Wurzel aus 8 angegeben.

    19 So im Transkript. Seuil: faute singulire / Transkript: chose singulire

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    Es empfiehlt sich, den Zeitpunkt, zu dem die Kehrtwendung dieses Versuchs der Weitergabe[passation] des Wissen des Sklaven an den Herrn erscheint, von dem seines Neubeginns zu unter-scheiden, den nur eine bestimmte Art und Weise motiviert, in der Struktur jede mgliche Funktionder Aussage zu behaupten, insofern allein die Artikulation des Signifikanten sie [die Funktion]sttzt. Dies als kleines Beispiel fr die Aperus, die Blitze20, die die Arbeitsweise, die ich Ihnen

    dieses Jahr vorschlage, Ihnen bringen kann. Glauben Sie nicht, dabei bliebe es.Was ich hier vorgebracht habe, stellt von dem Moment an, wo man es zeigt, zumindest jenen Cha-rakter des Augenffnens fr eine Evidenz dar: Wer kann leugnen, da die Philosophie je etwasanderes gewesen ist als eine faszinierende Unternehmung zugunsten des Herrn? Am andern Endehaben wir den Diskurs Hegels und seine Ungeheuerlichkeit, genannt das absolute Wissen. Was kanndas absolute Wissen eigentlich besagen, wenn wir von der Definition ausgehen, bezglich deren ichmir daran zu erinnern erlaubt habe, da sie grundlegend ist fr das, was es mit unserem Vorgehen

    betreffend das Wissen auf sich hat?Von da werden wir nchstes Mal vielleicht ausgehen. Zumindest wird das einerunserer Ausgangs-

    punkte sein, denn es gibt noch einen anderen, der nicht geringer ist und der ganz besonders heilsamist aufgrund der wahrhaft erdrckenden Ungeheuerlichkeiten, die man von den Psychoanalytikern

    hrt betreffend das Begehren zu wissen.Wenn es etwas gibt, das die Psychoanalyse uns hartnckig aufrechtzuerhalten zwingen mte, dann,da das Begehren zu wissen keinerlei Bezug zum Wissen hat auer natrlich, wir begngen unsmit dem schlpfrigen Wort bertretung. Eine grundlegende Unterscheidung, die aus Sicht derPdagogik die uersten Konsequenzen hat: Das Begehren zu wissen ist nicht das, was zum Wissenfhrt. Was zum Wissen fhrt, das ist man wird mir gestatten, es mit mehr oder weniger Aufschubzu begrnden der Diskurs der Hysterika.Tatschlich gibt es eine Frage, die man sich stellen mu. Der Herr, der jene Operation der Verschie-

    bung, der Kontenbewegung mit dem Wissen des Sklaven durchfhrt hat er Lust zu wissen? Hat erdas Begehren zu wissen? Ein wahrer Herr, wir haben es im allgemeinen gesehen bis in eine erstkurz zurckliegende Zeit, und man sieht das immer weniger, ein wahrer Herr begehrt berhauptnichts zu wissen er begehrt, da es luft. Und warum sollte er wissen wollen? Es gibt amsantereDinge. Wie ist es dem Philosophen gelungen, dem Herrn das Begehren zu wissen einzuflen?Damit verlasse ich Sie. Das ist eine kleine Provokation. Wenn jemand das bis zum nchsten Malherausbekommt, soll er es mir sagen.

    20 Seuil: dj peru des clairs / Transkript: des aperus, des clairs]

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    3. JUNI 1970

    ... Ich bedauere, da die richtig gesagt: Vincennesche Zuhrerschaft nicht zahlreicher ist, dennbeim ersten Mal hatte sie mir einen Empfang bereitet, den ich warm nennen wrde, und zwar indem Sinne, da es hei hergegangen war. Ich habe das sehr gut gefunden. Ich war aufgewrmt vondort weggegangen ...... Genau danach wrde ich Sie gerne fragen. Ich erzhle Dinge, die, speziell dieses Jahr, die Kehr-seite der Psychoanalyse betreffen ...Was ist da eigentlich los? ... Nun, mein Bester, genau darum gehts! Sie werden mir das ausmachen,oder ich trete rein! Machen Sie Ihr Ding da aus, sofort, und verschwinden Sie! ... Weil das genau dieFrage ist, wegen der ich zweimal nicht wiedergekommen bin, nmlich weil dasDpartement de

    Psychanalyse sich erlaubt hat, in einem Text, von dem ich hier einen Abzug habe, auf dem Um-schlag zu reproduzieren:Dpartement de Philosophie22. Nun bin ich, was meine Beziehungen zum

    Dpartement de Philosophie anging, der Ansicht, da diese Verffentlichungs-Operation dennauch die Sache, die hier passiert ist, hatte einen gewissen Wert, auf jeden Fall den, zu illustrieren,wovon ich spreche, wenn ich vom Dialog spreche, nmlich, wohl verstanden, da der Dialog, daes keinen gibt, da das aber trotzdem etwas Lebendiges hatte: es ging hei her! Das im Namen des

    Dpartement de Philosophie23 zu reproduzieren, das nenne ich Denunziation, denn als man es las,war es natrlich ein absoluter Bldsinn! Ich spreche von denen, die sich zu Wort gemeldet haben,denn ich, ich habe getan, was ich konnte, damit das so wenig bld wie mglich sein sollte! Also, woist der Kerl, der das verffentlicht hat und der heute wieder damit anfangen wollte? Wo ist diesergewisse Bernard Nrigot, ich will ihn sehen! Sind Sie das? Sind Sie das? Na, Sie haben genau dieFresse, die ich mir vorgestellt hatte. Wieso ist das nicht im Namen desDpartement de

    Psychanalyse gemacht worden?Das ist obendrauf gedruckt worden! Das ist Denunziation! Genaudamit versucht man Sie zu kriegen! Denn da kann man lesen: Das passiert tatschlich am

    Dpartement de Philosophie! Und heute haben Sie wieder damit angefangen, wie? Jeder machts inder Tat, wies ihm beliebt, und ich wei, da es im Moment ein Zeitvertreib in Paris ist, abendskleine Zusammenknfte zu veranstalten mit Es wird ein [Ton-]Band von Lacan geben. Jedenfalls

    bedeutet das absolut nicht, da dasDpartement de Psychanalyse, das mit meinem Kommen zumDpartement dePhilosophie nicht das geringste zu tun hatte, diese Verffentlichung machen mute.Und auch wenn in der Tat jeder das Recht hat, Tonbandaufnahmen zu machen, so hat doch nicht

    jeder das Recht, das, was ich hier sagen mchte, zu verffentlichen. Nun, genau darum ging es hiereinmal mehr!Es gab heute ein paar Dinge, die ich den Leuten von Vincennes zu sagen hoffte. Ich wollte mich zu-

    sammen mit ihnen danach fragen, was sie von den Dingen, die ich erzhle, verstehen knnen, ichspreche aus ihrer Position heraus, ihrer Position von Leuten, die am Centre Exprimental de Vin-cennes sind. Wie knnen sie diese Erfahrung nachempfinden? Was knnen sie [sich] davon erhof-

    21 Das nachfolgende Protokoll ist nur im Transkript berliefert. Die Datumsangabe (3. Juni 1970) begnstigt denSchlu, da es sich hier um ein von Miller entweder unterdrcktes oder ihm unbekanntes weiteresImpromptu amCentre Exprimentalin Vincenneshandelt, da der 3. Juni der erste Mittwoch in diesem Monat war. Von denangesprochenen Sujets her fgt sich der Text gut in die zeitliche Lcke zwischen den Sitzungen vom 20. Mai und 10.Juni 1970 ein. Auch E. Roudinesco verzeichnet (in:Jacques Lacan. Esquisse dune vie, histoire dun systme depense, Paris 1993, S. 644; deutsche Ausg. S. 747) ein 2.Impromptu (betitelt Des units de valeur, was inhaltlich zudem hier wiedergegebenen Protokoll passen wrde), jedoch unter dem 14. Mrz 1970, was wenig wahrscheinlich ist,da dieses Datum nicht auf einen Mittwoch fiel. Ausgefallen wren demnach nicht, wie Roudinesco angibt, die beidenletzten, sondern die beiden mittlerenImpromptus, die auf den 4. Februar bzw. 1. April 1970 gefallen wren.

    22 Das Transkript hat hierDpartement de Psychanalyse, was jedoch nicht plausibel ist, wie Lacans weitere Ausfhrun-gen zeigen.

    23 Siehe Anm. 2.

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    fen? Denn was die Hoffnungen betrifft, so gibt es ganz sicher noch andere als Sie, die [sich] etwaserhoffen von den Resultaten des Centre Exprimental de Vincennes, und sogar innerhalb vonVincennes gibt es Leute, die [sich] etwas erhoffen, da gibt es eine groe Vielfalt.Sehen wir mal, ich werde die Sache nicht ohne Anhaltspunkt machen. Heute morgen habe ich einenkleinen Text erhalten, der gestern zusammengehauen worden ist. Jemand war so freundlich, ihn mir

    zu bringen, mir diese Sache zu bringen, die sich nenntLa Loi dOrientation [etwa: Gesetz zurRichtungsbestimmung]24, das imBulletin Officiel de l'Education Nationale steht. Hier der letzte Ab-satz des ersten Artikels: Auf allgemeine Weise wirkt der Hochschulunterricht, die Gesamtheit desUnterrichts, der auf die Gymnasialzeit folgt, an der kulturellen Befrderung der Gesellschaft mitund ebendadurch an ihrer Entwicklung Entwicklung zur Gesellschaft zu einer greren Ver-antwortlichkeit eines jeden Menschen fr sein eigenes Schicksal. Wie? Sehen Sie das?Ich, ich gestehe, da ich mich nicht sicher fhlen wrde, stnde ich an Ihrer Stelle. Die Entwicklungder Gesellschaft hin zu einer greren Verantwortlichkeit, die also jedem Menschen fr sein eigenesSchicksal hinzugefgt wird, denn es ist doch ziemlich merkwrdig, wenn man sieht, wie im selbenSatz abgegangen wird von der Gesellschaft, die sich entwickelt dank der kulturellen Befrderung,von der wir schlielich zu sagen versuchen, wo sich das situieren kann. Sie werden also mehr und

    mehr verantwortlich sein fr Ihr eigenes Schicksal, das genau ist die Bestimmung der Gesamtheitdes Unterrichts, der auf die Gymnasialzeit folgt.Weil es eine derartige Mehrheit von Leuten gibt, die an mein Seminar gewhnt sind, erlaube ichmir, hier ohne weiteren Kommentar einfach dieses kleine Schema hergesetzt zu haben, von dem ichmeine, ich habe es als spezifisch fr das hervorgehoben, was ich dieses Jahr vom Diskurs derUniversitt artikuliert habe.

    1

    2

    S

    S

    $

    a

    Dieses Schema bedeutet, da das Wissen hierreprsentiert ist, durch dieses S2, das den Sinn hat, zuprzisieren, da es Wissen nur als artikuliertes gibt. Selbst das intuitive Wissen mu dies sein, damites die Konsistenz von Wissen hat, damit es verifiziert werden kann. Was es mit dem S1 auf sich hat

    genau das werden wir versuchen mssen zu sagen, und danach das, was es mit dem kleinen a aufsich hat, das auf derselben Zeile steht wie das S2. Das kleine a, das ist das, was, in diesem Diskursder Universitt, sich spezifiziert durch ein Objekt, von dem ich seit kurzem zu zeigen versuche,welche wesentliche Funktion es in jeder Diskurswirkung hat.Bezglich dieses kleinen a stelle ich die Verbindung her zwischen dem, was im analytischen Dis-kurs zu artikulieren erlaubt, was man das Begehren nennt, und etwas, das als seine Ursache gesetztist, abgesehen davon, da diese Ursache eigentlich nur dadurch gefunden werden knnte, da mansich am Ort des Andern situierte, nmlich da das, was die Psychoanalyse aufdeckt, ist, da unser

    Begehren, das, was uns, obgleich nur wenig greifbar, so erscheint, als sei es trotzdem unser Al-lereigenstes, da wir deswegen an das angehngt sind, was ich den Ort des Andern nenne, insofernsich dort, durch Bestimmung und weil es nur dort einschreibbar ist, all das einschreibt, was sichartikuliert.Damit will ich sagen, da es ausgeschlossen ist, da irgend etwas eine geschriebene Form anneh-men knne auerhalb dieses Ortes, der nicht neutral ist, der bewohnt ist, der nicht von jemand x-Beliebigem bewohnt ist, der vor allem bewohnt ist von dem, was man sich am Horizont der Zeitendessen vorstellen mu, was ein erstes Wissen ist, jenes erste Wissen, bei dem man Einbruch [irrup-

    24 La Loi dOrientation vom 12. November 1968, das die Reorganisation des Hochschulwesens einleitete, beinhaltetedie Auflsung der alten Strukturen (Fakultten, denen ein Dekan vorstand) durch die Bildung sogenannterUER(Units denseignement et de recherche = Lehr- und Forschungseinheiten), zu denen sich die Lehrenden

    zusammenschlieen sollten. Aus den UER entstanden neue Universitten, u.a. die Aufteilung der alten Sorbonne indie Universit de Paris I-XIII, mit formeller Autonomie und Mitbestimmung durch die Studierenden und dastechnische Personal.

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    tion] macht, Bi, ich behaupte: indem man aus ihm Nutzen zieht, es ausbeutet ... (folgt die Episodevom Mann mit dem Tonbandgert25).Ich werde Ihnen noch ein weiteres Mal zusammenfassen, was Ihnen zu sagen ich die Absicht hatte.Es tut mir leid, da ich die anderen Auszge aus dem Gesetz zur Orientierung, die ichhervorgehoben habe, bergehen mu, gleichwohl aber bleibt es nicht aus, da es gesammelt werden

    mu: Lehrende und Forschende genieen volle Unabhngigkeit, vollstndige Freiheit desAusdrucks in Ausbung ihrer Lehrfunktion und ihrer Forschungsttigkeit, unter dem Vorbehalt, denihnen, entsprechend den universitren Traditionen und den Bestimmungen des vorliegendenGesetzes, die Prinzipien der Objektivitt und der Toleranz auferlegen.Was ich Ihnen heute sagen wollte, war eine erste Anmerkung zu dem, was die Objektivitt aus-macht, da wo Sie sind, denn das, was Sie hier in diesem Tableau vorstellen, das, was, eigentlichgesagt, die Sttze ist, das ist das Objekt a. Das Objekt a wenn die Analyse die Praxis ist, die er-laubt hat, seinen Charakter des irreduziblen Residuums hervorspringen zu lassen in allem, wasdurch die Sprachwirkung gefangen ist, dann wirklich, um zu zeigen, da es keine kleine Sache istund da es berhaupt nicht zufllig ist, da Sie sich ganz genau als diejenigen [wieder]finden, die indas Feld des Diskurses der Universitt eintreten, hier wesentlich eintreten in der Eigenschaft von so

    vielen Objekten a, wie Sie sind, weil Sie nichts dafr knnen, da Sie nicht diejenigen sind, durchdie eine Geschlechterlinie von Erzeugern Sie ganz oben einpflanzt, sondern von der Sie zum Glcknur die zwei oder drei letzten Generationen kennen mssen. Gerade aufgrund dessen, da Sie allemiteinander, wie Sie da sind, dazu verurteilt worden sind, das Loch zu stopfen, sind Sie, die zweioder drei letzten Generationen, die Ursache ihres Begehrens.Genau in dieser Eigenschaft werden Sie als Gegenstnde der Hoffnung projiziert, weil man andersnicht definieren kann, da Sie die Fortsetzung der Gymnasialzeit sind, wobei die Gymnasialzeitselbst die Vorbereitung fr diese Fortsetzung ist, anders gesagt die Periode, in der man versucht hat,Sie zu formen, um Sie zugnglich zu machen fr die Funktion, die Sie hier einnehmen werden aufder Ebene des Hochschulunterrichts.Im Moment hat die Objektivitt, um dies hier geht, Gestalt angenommen. Objektiv sind Sie, jedervon Ihnen auf individuelle Weise, eine Werteinheit [unit de valeur]. Kleines va-va, kleines leur-leur, jeder von Ihnen ist eine Werteinheit. Sie sind gewertet [valeurs]. Vor so vielen Werteinheitengeziemt es sich, sich zu verbeugen!Das Besondere an dieser Reform der Universitt ist, da sie klarmacht, worum es geht. In der Uni-versitt gab es, wie man sagt, ein Unbehagen, ein Unbehagen, das sich etwas schuldete, das in derOrdnung einer eigenartigen sozialen Schaukel steht. Zum Beispiel ich rede Klartext sagt sie, dadas, worum es geht betreffend diese Bande [troupe], mit deren Formung man sich im Hochschulun-terricht befat, da es also zehnmal zu spt ist. Sie verstehen: Wenn man im Hochschulunterrichtist, dann mu man nicht mehr geformt werden, dann ist man mehr als ober-geformt!Als Objekte sind Sie Werteinheiten, und als Objekte klein a wie man Ihnen in Erinnerung ruft: die

    Prinzipien der Objektivitt und der Toleranz, so sagt man , als Objekte a toleriert man Sie!Genau ber diesen Punkt htte ich Ihnen heute gern einiges gesagt. Mit anderen Worten, ich httegern versucht, Sie zu desorientieren. Ganz sicher werde ich gezwungen sein, zum ersten Ansatzdessen zurckzukehren, was zu sagen ich fortfahren werde an der Fakultt der Rechte. Ich werdeIhnen das Gerst dessen liefern, was in meiner nchsten Aussage wiederholt werden wird. Ichwerde es kommentieren mit Untersttzung dessen, was ich heute ein wenig fr Sie vorbereitet hatte.Es gibt etwas, das die Funktion definiert, die oben links nacheinander durch einen der vier Buch-

    25 Im Frhjahr 1969 war einem der Herausgeber vonLes Temps modernes anonym ein Manuskript zugesandt wordenmit dem TitelDialogue psychanalytique (in:Les Temps modernes, Nr. 274, April 1969, S.1824-1840; dt. in:Kursbuch29, 1972, S.27-34). Es stellt die (bearbeitete) Transkription des Mitschnitts einer Analyse-Sitzung vom November1967 dar, in deren Verlauf der Analysant den Diskurs seines Analytikers als repressiven Herrschaftsdiskurs zu

    entlarven versucht. Gegen den Widerstand der Redaktion, der auch J.-B. Pontalis angehrte, beschlo Sartre, dasDokument, versehen mit einem eigenhndigen Vorwort und Entgegnungen von Pontalis u. Bernard Pingaud, zuverffentlichen.

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    staben unserer Algebra besetzt wird. Diese Funktion fhrt uns grundlegend in das ein, was es mitdem Diskurs des Herrn auf sich hat.Der Diskurs des Herrn, das ist ein komisches Ding. Es ist sehr merkwrdig, da man sich nichtmehr bei der Tatsache aufhlt, da das, was den Diskurs des Herrn einrichtet, installiert, unterhlt da ganz und gar ausgeschlossen ist, da das die Gewalt ist, weil diejenigen, auf die dieser Diskurs

    angewandt wird, trotz allem die bergroe Mehrheit bilden. Es ist absolut nicht zu sehen, warumder Diskurs des Herrn dem standhalten sollte. Der Diskurs des Herrn, das ist ein diskursivesFaktum. Und zwar deshalb, weil der Signifikant als Herrensignifikant fungieren kann. Ebendas wirdvor uns mehr und mehr getarnt aus dem Grund, da, weit davon entfernt, da dieser Diskurs durchall die Versuche, die glauben, sie seien subversiver Natur, auch nur im allermindesten erschttertwrde, ermessen Sie gleichwohl, was Sie mit Hnden greifen knnen: in welchem Ausma in

    bezug auf das, was Sie sich von der Vergangenheit vorstellen knnen gerade die Gewalt stets daist, also manifest und immer berwltigender, um jetzt effektiv den Diskurs des Herrn zu sttzen.Schon whrend ich heute hierher gekommen bin, um Sie zu sehen, bin ich 36 Wagen begegnet, dieganz allein schon von der Masse der Gewalt zeugen ...!Das ist ein falscher Anschein. Darauf gekommen ist man nur aufgrund der Tatsache, da das mit

    etwas ganz anderem angefangen hat, etwas, das wirklich der Signifikant des Herrn war, der Signifi-kant S1, insofern als er es ist, der all das beschleunigt, integriert, polarisiert, was sich in der Welt anso Kostbarem finden lt, nmlich dieses immense menschliche Wissen, das sich gefangen, einge-zwngt findet in dieser Bewegung, die inauguriert worden ist durch die Einrichtung des Diskursesdes Herrn.Man darf sich von diesen Entfaltungen der Gewalt nicht beeindrucken lassen. Natrlich ist das eineKonsequenz aus der Tatsache, da der Herr, da ihm ein paar Sachen passiert sind. Insbesondere istihm passiert, da der Apparat des Wissens ganz langsam auf ihn zugeglitten ist. Ebendas nennt mandie Wissenschaft, die Wissenschaft, die berhaupt keine Angelegenheit des Fortschritts derErkenntnis ist, sondern etwas, das funktioniert, das insbesondere zum Vorteil des Diskurses desHerrn funktioniert.Genau das ist das Ansehen, das bewirkt, da das, was es mit der Universitt auf sich hat, immernoch standhlt; denn das, was die Universitt, historisch gesehen, sttzen soll, ist etwas, das unterden gegenwrtigen Bedingungen unfhig ist standzuhalten. Die Vorstellung von dem Wissen, dasdie Summe all dessen wre, was sich ernten lt aus den verstreuten Erinnerungen, das Treibgut, dieDinge, die umhertreiben, die gerade passiert sind, die man kulturelle nennt, das htte schon vorlanger Zeit ausgedient, wrde sich jetzt nicht herausstellen, da es durch diesen funktionierendenApparat gesttzt wird, der dort alles hineinbringt, was an Wissenschaftlichem er zu sttzen vermag

    ich spreche von jenem alten menschlichen Diskurs. Das, was an Wissenschaftlichem er zu sttzenvermag, das sind die Methoden des Katalogisierens, des Klassifizierens. Und im Namen dessenwahrt dieses alte Wissen einfach so den Anschein, es hielte stand.

    Und aus Grnden, die nichts mit der Strke dieses Diskurses zu tun haben einige Leute sind alsStudenten hier, das heit, sie beeilen sich anerkannt zu werden in dieser Gesellschaft, die im Begriffist, mit Riesenschritten davonzurennen, nmlich ganz schnell ihre Grundfesten abzuwerfen , gehendie Werteinheiten dort fortschreitend von einem Gebrauchs- in einen Tauschwert ber. Was auchimmer Sie wollen mgen, Sie sind prdestiniert dazu, in dieser kleinen Mechanik dieselbe Rolle zuspielen wie alles, was es in der kapitalistischen Gesellschaft mit dem Objekt a auf sich hat, nmlichalsMehrwertzu funktionieren. Sie sind wahre Werte in dem Sinne, da Sie Teil dieser Bewegungsind, der Zahlenbewegung, die den Tauschmodus sttzt, den Modus des Marktes, der diekapitalistische Gesellschaft bildet.

    Nur, ein inkarnierterMehrwertzu sein ist etwas anderes, als ein zhlbarerMehrwertzu sein. Wennman ein inkarnierterMehrwertist, dann addiert sich diese Sammlung. Die Werteinheit, das erzeugt

    ganz sicher Dinge, nmlich ein Unbehagen, von dem Sie Unrecht htten zu glauben, ich wrdeseine Reichweite auf einige Schreiereien begrenzen, die ich hier hre. Denn offen gestanden sind

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    die Dinge, die ich Ihnen gerade sage, sehr ernste Dinge, und sie sind natrlich auf einer anderenEbene als dieses Gekreische so geartet, da sie die Gesellschaft, um die es geht, nmlich diekapitalistische Gesellschaft, ganz ernsthaft in Frage stellen.Wenn ich die Zeit htte, dann wrde ich zeigen, da das, was passiert, etwas Wichtiges hervorhebt,nmlich das, was Sie ausdrcklich zu beweisen beauftragt sind, was Sie tatschlich zu beweisen

    beginnen natrlich auf andere Weise als durch Gekreische: nmlich, da Sie, was die Massen an-geht, auf rein gar nichts zhlen knnen, so wie der gesamte Fortschritt der Geschichte es Ihnenzeigen kann, denn stellen Sie sich vor, da, wenn es tatschlich so ist, da sich in der Masse bis-weilen Revolutionre finden, da man sie dann eher findet, wenn die Massen als Massen organisiertsind. Bis zu diesem Augenblick sind die, die die Revolution gemacht haben, Rebellen. Es sind die

    Matrosen von Kronstadt.Nun, vielleicht gibt es im Augenblick tatschlich welche, die gewissermaen den Auftrag haben,das zu beweisen. Nichts besagt, da ihnen nicht auch irgend etwas glcken wird was, wei mannicht. Womit sie im Augenblick zu tun haben, ist, da das, was Freud inMassenpsychologie und

    Ich-Analyse zeigt, nmlich da das, was die Masse produziert, die Idealisierung ist, die imaginreIdealisierung. Sie reproduziert ganz genau das Wiedererscheinen des Diskurses des Herrn.

    Ebendeswegen werde ich, wenn man versucht, Freud mit Marx in Verbindung zu setzen ich binaber nicht der einzige, der diese Haltung einnimmt, die ich uere , dazu gebracht, da ich frot-zele. Denn wenn es in der Tat etwas gibt, das Freud beitrgt, dann ist das etwas ber Marx hinaus,und insbesondere etwas, das zu sehen erlaubt, warum, nach der Wirkung, der von Marx' Diskursgetragenen Wirkung sich, was die Stabilitt des Diskurses des Herrn angeht, nichts gendert hat.

    Nun, es geht darum zu sehen, was Ihnen von der Ebene des Objekts klein a, das Sie bilden, nmlichvon der Seite her, wo das seine Inzidenz in einen Diskurs hat, angeboten wird. Genau das werde ichheute nicht weitertreiben knnen, ich werde es aber in meiner nchsten Sitzung fortsetzen mittelszweier Begriffe, die ich bisher noch nicht vorgebracht habe. Diese beiden Begriffe heien dasUnmgliche und das Unvermgen. Das ist nicht das gleiche. Wie durch Zufall wird das Un-mgliche, stellen Sie sich das vor, im Diskurs Freuds in den Vordergrund gestellt, herausgehoben,ins Licht gerckt, und zwar ganz genau bezglich desAnalysierens*. Es ist einer dieserunmglichen Berufe*, zu denen er dasRegieren* gesellt sowie das, was uns interessiert, dieFormung der Menschen, dasErziehen.Das Unmgliche, so habe ich geuert, ich, Lacan, das Unmgliche, das ist das Reale. Falls Siefinden, das sei nicht ausreichend bewiesen durch die Tatsache des Regierens, Groziehens, Erzie-hens, des Analysierens auch warum nicht? Man lt nicht ab davon das ist das Reale. Das,worum es geht, das Gelenk, mittels dessen die Wissenschaft sich mit etwas verbinden kann, das Sie

    betrifft, ist genau das: da dieses Unmgliche als solches bewiesen werde, ich sage: bewiesen.Damit meine ich, da das, was uns die Befragung der Sprache einbringt, folgendes ist: Da wirmerken, da die Mathematik, da die Logik, die aus ihr hervorgeht, uns hier einmal mehr nicht im

    Stich lassen. Genau das beweisen sie, da, gerade indem sie uns nicht fehlgehen lt dabei dennman sollte nicht fehlgehen , die Wahrheit zu suchen, sie in das Gestell der Sprache zu bringen, siezu formalisieren, die mathematische Logik uns lehrt, uns diesen Schritt tun lt, da etwas Un-mgliches darin liegt, in einem beliebigen System und selbst auf einem bestimmten gehobenen

    Niveau man kann nicht sagen, da die Arithmetik zu gehoben wre , als wahr zu beweisen, daetwas Unmgliches darin liegt, das Wahre zu beweisen. Da genau haben wir das Reale.Die Wahrheit, vertrauen Sie nicht auf sie, sie hat Bezug zu was? Sicher nicht zum Wissen, sonderngerade zu diesem Realen. Sie war die Art und Weise, sich auf dieses Reale hin zu orientieren, so-lange man keine andern Mittel hatte. Ebendeshalb lt sie sich nur durch ein Halb-Sagen berset-zen. Ganz sicher, es ist da, an ihrem Platz, dieses Ding, das die Rolle der Wahrheit spielt in dem,was ein Wissen sein knnte, ein an seinen Platz gesetztes Wissen. Dieses Ding ist der S1 des Dis-

    kurses des Herrn.Jeder kann die Probe darauf machen, da genau da all das liegt, was mittels eines bestimmten Wis-

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    sens das Reale sttzt, und genau damit habe ich angefangen, indem ich sagte, da die Wissenschaftdas ist, was den Diskurs des Herrn konstituiert, ihn an der Macht hlt. Und genau da liegt die Falle,die Ihnen gestellt ist, wenn Sie sich faszinieren lassen durch diese Wahrheit, denn das ist eben nurdie Hlfte davon. Es ist eine Seite, es ist das, was das Halb-Sagen der Wahrheit notwendig macht.Und das, was Sie zu prfen haben, ist folgendes: Es steht nicht auf der Seite dessen, was verborgen

    ist unter diesem satzungsgemen, a-cephalen Wissen schreiben Sie das, wie Sie wollen , demWissen, in dem sich und sie ist nicht im Begriff, am Boden zu liegen die Universitt darstellt.Unter diesem Apparat, dieser Satzung, dieser bertragung [collation], dieser Imagination einesinstituierten Wissens sprt man, ganz sicher, da es ein wenig knirscht. Man lt die Leine lockerauf der Seite des Humanismus, ja, sogar der Menschlichkeit. Glauben Sie mir, dem Apparat wirdsdeshalb nicht schlechter gehen, zumindest noch eine ganze Weile lang. Was von Ihnen verlangtwird, von Ihnen, die Sie in der Tat an einem Platz stehen, der der des Andern ist, das ist, zu produ-zieren, etwas zu produzieren, das dieser Angelegenheit zu Hilfe kommt. Das, was Sie produzierenmssen, das steht da, unten rechts, es nennt sich: die Kultur. Man hat es Ihnen gesagt: kulturelleBefrderung des Gesellschaft.In dem ganzen Mae, in dem Sie irgendwelche angenehmen Schwafeleien zu produzieren wissen

    werden, werden Sie das System ernhren. Denn genau dahinter verschanzt sich die Unmglichkeit:da sie ein Unvermgen zeigt in dem ganzen Mae, in dem Sie dieser Verhaftung nachgeben, indem Sie wie junge Hunde herumspringen. Ich staune darber, da es so jemanden, wie es ihn frhermal gegeben hat, heute nicht mehr gibt. Es gibt bereits einen gewissen Goethe, der davon ge-sprochen hat bezglich eines Hundes, den erStudenten-Scholar* nennt26, das wahre Tier, geformtdurch die Studien, von denen er sprach, wie Sie sich zuweilen vielleicht erinnern. Nun, es gibt kei-nen Hund, aber bilden Sie sich nicht ein, Sie wrden, indem Sie sich einfach so auf die Jagd nachall dem machen, was Ihnen Ihre Emprung nahelegt, nicht dem System dienen. Im Gegenteil, Sieernhren es!Was Sie mglicherweise tun mssen, das ist, sich ganz eng an die Unmglichkeit zu halten. Genauso kann der eine oder andere um nicht zu sagen: alle, denn sicherlich sind nicht alle fr dieseFunktion bereit , genau so kann der eine oder andere das vollenden, was wirklich die BezeichnungRevolution verdient hinsichtlich des Diskurses des Herrn. Es ist die Vollendung der Drehung. Willsagen, da, anaroder nicht, es besser fr Sie wre, ana zu sein, ohne r, anders gesagt, Analytiker zusein, anders gesagt, in der Stellung zu sein, danach zu fragen, was es mit der Kultur auf sich hat,wenn sie in der Herrenposition ist.Sie haben Ihre Zeit nicht zu verlieren, whrend Sie hier sind, am Centre Exprimentaloder an-derswo. Sie haben nicht Kultur zu produzieren, Sie haben eine Stufe niedriger zu suchen, dasWeniger eher als das Mehr, nicht die Wahrheit, [sondern] das Unmgliche des Realen. Genau daranheften sich die Besten unter Ihnen, die, die gerade deshalb nicht da sind, weil sie im Knast sitzen,genau daran heften sie sich. Es geht darum, wahrhaftig dem ins Gesicht zu sehen, was es mit einem

    Apparat auf sich hat, einem Funktionieren und einem Realen.Dieser Weg ist, eigentlich gesagt, eben nur hierdurch zu bewerkstelligen, nmlich als Ursache desBegehrens, Ursache dessen, was sogar namens des Amtes [de par loffice] dessen fehlgeht, was inder menschlichen Ttigkeit als das hchste erscheinen kann, nmlich diese Funktion der Sprache in

    jenem Apparat der Wissenschaft dessen, womit Sie zu tun haben, hier und jetzt. Was tue ich anderesals das, aber auch nicht mehr als das, wenn nicht, da ich versuche, da Leute entstehen, die sich zuhalten wissen in dieser Stellung des Analytikers, aus der heraus tatschlich und allein das vollendet,das zurckgedreht werden kann, was ich die Drehung des Diskurses des Herrn genannt habe.Denn schlielich, wenn Sie hier mein kleines Schema modifizieren, um es durch das des analyti-schen Diskurses zu ersetzen, dann ist das, was Sie sehen werden, wenn das kleine a in die Positionoben links bergegangen ist, was? Etwas, das sich, unten rechts, produzieren wird: Es ist der S1, den

    Sie da wiederfinden werden, nmlich ein neuer Herrensignifikant.26 Nmlich den als Pudel auftretenden Mephisto in Faust, 1. Teil, V 1174-77.

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    Ich bin verdammt kein Progressist, da das, was ich Ihnen erklre, ist, da man sich im Kreis dreht.Man dreht sich zwar im Kreis, aber man wechselt die Stufe. Wenn der Schritt dessen getan seinwird, was es tatschlich mit der Inzidenz eines analytischen Diskurses auf sich haben kann, wird einneuer Kreis beginnen knnen, der zweifellos nicht so, wie wir vielleicht vermuten, den ganzenApparat zum Verschwinden bringt, auf den wir uns in dieser Demonstration grnden, der aber, nach

    einer Drehung, vielleicht wirklich eine Entriegelung, eine Umstellung durchsetzt. Der Her-rensignifikant wird dann vielleicht ein bichen weniger blde sein. Seien sie sicher, da er, wenn erein bichen weniger blde ist, ein bichen unvermgender [impuissant] sein wird. Das wird, absolutgesprochen, kein Fortschritt sein. Es wird bewirken, da das, was Sie getan haben werden, einenSinn haben wird, und um Ihnen zu sagen, woher das rhrt, der Sinn, nun, werden Sie erwarten, daich ein bichen weitergekommen bin in meinem Diskurs.