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Lebenslanges Lernen im Spannungsfeld von Agilität und Disziplin
– eine Perspektive für Qualität und Funktionale Sicherheit
Jürgen, Mottok
Regensburg University of Applied Sciences
Jürgen Mottok
Rugby Scrum – What‘s agile?
23.04.2011 2
Jürgen Mottok
Agilität als Prinzip der Philosphie?Die Schule von Athen (Raffael, 1510-1511)
23.04.2011 3
Jürgen Mottok
Was ist Lernen?
23.04.2011 4
Jürgen Mottok
Behaviorismus in der Softwareentwicklung?
23.04.2011 5
• Black Box • Verhaltensänderung durch Belohnung & Bestrafung • Reiz-Reaktions-Lernen • Klassisches Konditionieren • Lernender steht unter Beobachtung (sofortige Korrektur möglich) • Lernschritte werden vom Lehrenden so gewählt, dass Erfolge erzielt
werden können
Jürgen Mottok
Behaviorismus in der Softwareentwicklung?
23.04.2011 6
Irrglaube: Software Factory
Der Black-Box-Mensch oder Long Dark Night of Behavorismus
Der Arbeitnehmer bekommt sein Geld und arbeitet dafür sachlich und ohnepersönliche Eigenheiten, die er professionell hinten anstellt. Das Innere des Menschen stört tendenziell und hat am Arbeitsplatz nichts zu suchen.
Jürgen Mottok
Kognitivismus in der Softwareentwicklung
23.04.2011 7
• Entwicklung von Lösungen durch den Lernenden • Selbstfindung von Infos • Schüler = Empfänger • Lehrer = Sender • Neugier, Interesse, implizites Lernen, Intuition • Entdeckendes Lernen (Bruner) • Lernender steuert Lernprozess • Eigenaktivität & Intrinsische Motivation • Interne Verarbeitungsprozesse • Lösung bereits vorhandener Probleme
Beispiel: XP-Praktikten wie Pair-Programming
Jürgen Mottok
Konstruktivismus – EinordnungDie „agile“ Lerntheorie
23.04.2011 8
Was heißt „Konstruktivismus“?
… ist Teil der Erkenntnistheorie John Locke (1631-1704)
• Ursprung, Gewissheit und Umfang der menschlichen Erkenntnis untersuchen
Ernst von Glasersfeld (1996)• Wissen existiert nur in den Köpfen von Menschen• das denkende Subjekt konstruiert sein Wissen nur auf der Grundlage der eigenen Erfahrung
Paul Watzlawick (1976)• Wirklichkeit ist das Ergebnis von Kommunikation• Wirklichkeit ist die Konstruktion von Bedeutung
Kein einheitliches fertiges Theoriegebäude, sondern philospohisch-erkenntnistheoretische „Baustelle“
Kanizsa Dreieck
Jürgen Mottok
Konstruktivismus - Grundannahmen
23.04.2011 9
Wissen und Erkenntnisse gehen nicht unmittelbar aus unserer Wahrnehmung hervor, sondern durch eigenes Handeln.
Lebende Systeme organisieren sich selbst ihre kognitiven Strukturen und können sich dabei grundsätzlich nur auf Ihre eigenen Zustände beziehen.
Die Selbstorganisation verläuft nicht zufällig oder beliebig, sondern wird durch die eigenen biologisch gegebenen und lebensgeschichtlich entwickelten Strukturen bestimmt.
Jürgen Mottok
Der Lernprozess- auch in der Softwareentwicklung
23.04.2011 10
Wenn Lernen die Weiterentwicklung einer subjektiven Wirklichkeit ist, dann impliziert dies eine Selbststeuerung des Lernprozesses:
Der Lernende findet seinen Weg (und muss diesen finden), um möglichst effektiv sein Wissen zu erweitern.
[Waldherr2009].
Jürgen Mottok
Der konstruktivistische Bildungsansatz
23.04.2011 11
Wissen kann nicht von einem Lehrer an Lernende übertragen werden.
Schaffung optimaler Bedingungen für Lernende derart, dass sie Wissen selbst für sich konstruieren können.
Anstatt Lernenden Informationen sowie verschiedene Skills zur Verfügung zu stellen, bevorzugt der Konstruktivismus es, ein Umfeld zu fördern, in dem Lernende Wissen erwerben durch Erforschen und Untersuchen sogenannter authentischer Fragen, entweder alleine oder in Gruppen [Aviram2000].
Jürgen Mottok
Lernen – die konstruktivistische Sicht
23.04.2011 12
Lernen im didaktisch konstruktivistischen Kontext bedeutet:
1. Konstruktion(„Wir sind Erfinder unserer Wirklichkeit“)
„Selbst erfahren, ausprobieren, untersuchen, experimentieren, immer in eigene Konstruktion ideeller oder materieller Art überführen und in den Bedeutungen für die individuelle Interessen-, Motivations- und Gefühlslage thematisieren.“ [Reich2008]
Jürgen Mottok
Lernen – die konstruktivistische Sicht
23.04.2011 13
2. Rekonstruktion („Wir sind die Entdecker unserer Wirklichkeit“
- sammelnde Wiedergabe)
• Wer hat es damals so und wer hat es anders gesehen?
• Welche Handlungsmöglichkeiten haben Beobachter damals festgestellt und welche fallen uns hierzu ein?
• Welche unterschiedlichen Experten kommen zu welcher Aussage und wie stehen wir dazu?
In dieser Perspektive wird gefragt, welche Motive derdamalige Beobachter hatte, um seine Festlegungen zutreffen. Faktenwissen steht dabei nicht im Vordergrund.
Jürgen Mottok
Lernen – die konstruktivistische Sicht
23.04.2011 14
3. Dekonstruktion
(„Es könnte auch anders sein! Wir sind die Ent-Tarner unserer Wirklichkeit!“)
• Erkennung selbst vollzogenen Auslassungen• Mögliche anderen Blickwinkel einnehmen• Nachentdecken der Erfindungen anderer• Öffnung neuer Perspektiven• Selbstgefälligkeit der eigenen Erfindung erkennen
In dieser Perspektive will der Ent-Tarner kritischgegenüber den eigenen blinden Flecken sein.
Jürgen Mottok
Vier Grundpostulate
23.04.2011 15
Vier Grundpostulate (Reich [1997])
1. Unterricht ist als konstruktiver Ort der „möglichst weitreichender eigener
Weltfindung“
2. Aufklärung und Reflexion in Eigenverantwortung der Lehrenden und
Lernenden
3. Festlegung von Zielen gemeinsam in Selbst- und Mitbestimmung
4. Neugestaltung der Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden
Kein traditionell autoritärer, allwissender Idealtypus eines Lehrenden
Lehrender steigert die intrinsische Motivation der Lernenden
Lernender lernt zu lernen
Lehrmethode ist Planen, Fragen und Reflektieren
Jürgen Mottok
Kennzeichen des Projektlernens
23.04.2011 16
Projektlernen (John Dewey [1910])
1. Menschliche Erfahrungen entstehen dabei als ein Wechselspiel von erfahrenen und erzeugten Handlungen.
2. Im Handeln wird somit Wissen konstruiert.
Kennzeichen sind:
• Handlungsorientierung, wobei körperliche und geistige Arbeit gefragt
sind und möglichst alle Sinne angesprochen werden sollen
• Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Lernenden wie bei
freier Arbeit und Lernerautonomie
• Teamwork (kooperatives Lernen)
Jürgen Mottok
Projektlernen – Fünf Stufen
23.04.2011 17
Die fünf Stufen des Projektlernens sind:
1. praktische Tätigkeit und primäre Erfahrung
2. das Problem und das reflektierende Denken
3. Tatsachen-Material entdecken
4. die Hypothese und die vorgeschlagene Lösung des Problems
5. die Erprobung und Überprüfung durch praktische Handlungen
Jürgen Mottok
Gruppen Puzzle Beispiel UML
Proj
ektte
ams
ohne
UM
L-K
ennt
niss
e Projektteam 1
Projektteam 2
Projektteam 3
Projektteam 4
Projektteam 5
Teams zur Erarbeitungvon UML-Know-how
Use Cases
Abläufe
Klassen
Interaktion
U UU UU
A AA AA
K KK KK
I II II
Gruppen von Spezialisten
Use Cases
Abläufe
Klassen
Interaktion
U A K I
U A K I
U A K I
U A K I
U A K I
Proj
ektte
ams
mit
UM
L-Sp
ezia
liste
n Projektteam 1
Projektteam 2
Projektteam 3
Projektteam 4
Projektteam 5
Umstrukturierender Teams
Umstrukturierender Teams
Aufbau vonSpezialwissen
Jürgen Mottok
Ideenquellen für Software Engineering : „Methodenbaukästen“
23.04.2011 19
Reich, K.: Konstruktivistische Didaktik – Lehr- und Studienbuch mit Methodenpool, 4. Auflage, Beltz Verlag, 2008,url: http://methodenpool.uni-koeln.de
Macke, G., Hanke, U., Viehmann, P., Hochschuldidaktik, Lehren, vortragen, prüfen, Beltz Verlag, Weinheim, 2009.
Waldherr, F, Walter, C., didaktisch und praktisch, Ideen und Methoden für die Hochschullehre, Schäffel-Poeschel, Stuttgart, 2009.
Jürgen Mottok
Lehr-Lern-Prinzipiender Neurodidaktik
23.04.2011 20
Die zwölf Lehr-Lern-Prinzipien der ganzheitlichen Informationsverarbeitung im Gehirn als integrierte Interpretation unterschiedlicher Ergebnisse der Gehirnforschung übersetzt aus dem Englischen basierend auf [Caine2004].
Jürgen Mottok
Wissenschaft: Sozialpsychologie findet universalen Wertekreis (Schwarz 1992).
23.04.2011 21
KontinuitätKomplementaritätPluralität
Jürgen Mottok
Spiraldynamik und WertekreisMensch und Firmenkultur
23.04.2011 22
Beige:Beat!
Purple:Revere!
Red: Grab!
Blue: Earn! Orange: Win!
Org Green: Care!
Org Yellow: Excel!
Strack, 2008
Jürgen Mottok
Ein sich ändernder,zyklischer Prozess
23.04.2011 23
Jürgen Mottok
Erste Farbe Akzeptanz bzw. Ablehnung
23.04.2011 24
Jürgen MottokSeite 25
„Lernen von der Natur als Anregung für eigenständiges technisches Weiterarbeiten“ – Werner Nachtigall
Düsseldorfer VDI-Tagung 1993: Bionik als Wissenschaftsdisziplin• systematisch mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktionen,
Verfahren und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme beschäftigt
Soziobiologie• Aspekte des Zusammenwirkens belebter und unbelebter Teile und System sowie die
wirtschaftlich-technische Anwendung biologischer Organisationskriterien
Bionik
Jürgen MottokSeite 26
Zehn Grundprinzipien natürlicher Konstruktion
Integrierte statt additive Konstruktion• die Teammitglieder in der Software-Entwicklung sind multifunktionell
Optimierung des Ganzen statt Maximierung eines Einzelelements• Zusammenspiel des Teams wird optimiert und nicht die Arbeit des Einzelnen• Erhöhte Fehlertoleranz durch N-Augen-Prinzip
Multifunktionalität statt Monofunktionalität• der Mitarbeiter soll mehrere Rollen erfüllen können
Feinabstimmung gegenüber der Umwelt• dynamisch Adaption der Teamgröße (dynamisches Team)
Energieeinsparung statt Energieverschleuderungeffizientes, statt ausuferendes Arbeiten: (XP-Prinzip:40 Stundenwoche, „Man hat nur
begrenzte Energie für die kreative Arbeit
Bionik
Jürgen MottokSeite 27
Zehn Grundprinzipien natürlicher Konstruktion
Direkte und indirekte Nutzung der Sonnenenergie [Fremdenergie]• Energiemanagement in technischen Systemen, auch in Automotive Embedded
Systemen
Zeitliche Limitierung statt unnötiger Haltbarkeit• Teamzusammenstellung den Projektgegebenheiten anpassen• Refaktorierung ermöglicht das Ersetzen von „Alt“-Code und die Weiterentwicklung
von Code
Totale Rezyklierung statt Abfallanhäufung• Reuse, d.h. Wiederverwendung von Design und Code auf verschiedenen
Abstraktionsebenen wie beispielsweise Architekturen, Frameworks, Bibliotheken und Klassen
Bionik
Jürgen MottokSeite 28
Zehn Grundprinzipien natürlicher Konstruktion
Vernetzung statt Linearität• keine Filterung von Informationen im Team, Sender und Empfänger verständigen sich
im Dialog (Kommunikation anstelle Information, Diversität und Fehlertoleranz)
Entwicklung im Versuchs-Irrtums-Prozess• aus Fehlern lernen: im Entwicklungsprozess wird Buch (Lernlogbuch,
Retrospektive, Reflexion) über in der Vergangenheit aufgetretene Fehler und die Fehlerursachen geführt.
• Ein adaptiver, lernender Entwicklungsprozess führt zu einer stetigen Verbesserung der Entwicklungskultur. Damit kann ein hoher CMMI Reifegrad kann erreicht werden. „Lebenslanges Lernen“
Bionik
Jürgen Mottok
Agiler Roundtrip
23.04.2011 29
RequirementsUse-Cases
Konzept & Realisierung Test &AbsicherungTests
Requirements
vervollständigen
Use-Cases
detaillieren
Continuous
Integration
(Build-Server)
Implementierung und SW-Architektur erfolgen
entsprechend der Requirements und Use-
Cases.
Umfangreiche Unit-Tests erlauben zu jeder
Iteration ein Architektur-Refactoring.
Integrations-Tests orientieren sich an den
vorgegebenen Use-Cases.
Unbekannte Requirements, unvollständige Use-
Case-Beschreibungen werden vervollständigt.
Tillmann Schumm, 15.4.2011, FDAK-SE
Jürgen Mottok
Safety Lifecycle gem. ISO 26262
23.04.2011 30
Jürgen Mottok
Agiler Roundtrip erweitert für sicherheitsrelevante Systeme
23.04.2011 31
Requirements,Use-Cases,
Konzept & Realisierung Test &AbsicherungTests
Continuous
Integration
(Build-Server)
Requirements & Safety-Eigenschaften
HW & technischesKonzept
Safety-Req.,techn. Safety-Concept
zusätzliche Automatismen
Zu den Requirements und Use-Cases werden Safety-Ziele und Technisches Sicherheits-
Konzeptals Vorgabe verwendet
Safety-Requirements und SW-Architektur werden automatisiert überprüft ( im Rahmen des Continuous Integration)
Tillmann Schumm, 15.4.2011, FDAK-SE
Jürgen Mottok
Lernende Softwareentwicklung- ein paar Thesen
23.04.2011 32
1. Lernende Individuen sind wichtiger als extrinsisch vorgegebene
Ordnung und Struktur.
2. Funktionierende Programme sind das Ergebnis von Lernkurven der
Individuen. Eine Reflexion der Erfahrungen und eine Dokumentation
findet statt. Agilität und Disziplin ergänzen sich.
3. Gemeinsame offene Lernkultur mit dem Kunden.
4. Lernen heißt Veränderung:
Offene Lernkulturen ermutigen Veränderungsbereitschaft.
Jürgen Mottok23.04.2011 33
Lebenslanges Lernen
ist nicht das Bewahren von Fakten,
sondern das Weitergeben
des Feuers der Neugierde.
Frei nach Gustav Mahler