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LITERATURKRITIK - ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT

LITERATURKRITIK - ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT978-3-476-05557-6/1.pdf · Literaturkritik - Anspruch und Wirklichkeit DFG-Symposion 1989 Herausgegeben von Wilfried Barner 1. B. Metzlersche

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LITERATURKRITIK - ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT

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GERMANISTISCHE SYMPOSIEN BERICHTSBÄNDE

Im Auftrag der Germanistischen Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft und in Verbindung mit der »Deutschen Vierteljahrs­schrift für Literaturwissenschaft und Geistes-

geschichte«

herausgegeben von Albrecht Schöne

XII

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Literaturkritik -Anspruch und Wirklichkeit

DFG-Symposion 1989

Herausgegeben von Wilfried Barner

1. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung

Stuttgart

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CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Literaturkritik - Anspruch und Wirklichkeit: DFG-Symposion 1989/ hrsg. von Wilfried Barner. - Stuttgart :

Metzler, 1990 (Germanistische-Symposien-Berichtsbände ; 12)

ISBN 978-3-476-00727-8 NE: Barner, Wilfried [Hrsg.); GT

ISBN 978-3-476-00727-8 ISBN 978-3-476-05557-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-05557-6

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset­zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen

Systemen.

© 1990 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung

und earl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1990

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Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IX

1. Tag: Literaturkritik als Institution

WILFRIED BARNER (Tübingen): Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 HERBERT JAUMANN (Bielefeld): Das Modell der Literaturkritik in der

frühen Neuzeit: Zu seiner Etablierung und Legitimation. . . . . . . . . 8 HANs-GEORG WERNER (Halle a. d. Saale): Selbstdenken und Mitfühlen.

Zu Eigenart und Rang der Literaturkritik Lessings ..... . . . . . . . 24 VOLKER RIEDEL (Berlin/DDR): Literaturkritik und klassische Philologie

bei Lessing ..................................... 38 SEBASTIAN NEUMEISTER (Berlin): Lyrik statt Klassik. Anmerkungen zur

Entstehung der modernen Literaturkritik in der italienischen und französischen Romantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

GÜNTER OESTERLE (Gießen): »Kunstwerk der Kritik« oder >>vorübung zur Geschichtsschreibung«? Form- und Funktionswandel der Charak-teristik in Romantik und Vormärz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

GERT MATTENKLoTT (Marburg): Literarische Kritik im Kontext deut-scher Judaica (1895-1933): Moritz Heimann und Efraim Frisch .... 87

W ALTER HINCK (Köln): Kommunikationsweisen gegenwärtiger Litera-turkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

GEORG BRAUNGART (Tübingen): Diskussionsbericht ............. 108

2. Tag: Literaturkritik als >Literatur<

HANS ULRICH GUMBRECHT (Stanford): Einführung ............ " 122 EBERHARD LÄMMERT (Berlin): Literaturkritik - Praxis der Literaturwis-

senschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 MATTHIAS LUSERKE (Saarbrücken): Adam Müllers Begriff der vermit-

telnden Kritik von 1806 als Wendepunkt in der Geschichte der deut-schen Literaturkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 140

GERHARD R. KAISER (Gießen): »Durch solche Mittelgläser bricht sich im letzten leicht das Licht zur Nacht.« Jean Pauls Rezension zu Mme de Staels »De I'Allemagne« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155

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VI Inhaltsverzeichnis

HARTMUT STEINECKE (Paderborn): »Unsre neueste Erfindung: eine pro­ductive Kritik«. Thesen und Materialien zur Diskussion um Kritik als Literatur bei den Jungdeutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 175

KARLHEINz STIERLE (Konstanz): L'homme et l'reuvre. Sainte-Beuves Li-teraturkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 185

DIRK GörrscHE (Münster i. W.): Liebeserklärungen und Verletzungen-zur Literaturkritik von Martin Walser und Ingeborg Bachmann .... 197

NIKOLINA BURNEvA (Veliko Tärnovo): Literaturkritik und Fiktion in Christa Wolfs Prosa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 213

BENNo WAGNER-PITZ (Siegen): Diskussionsbericht . . . . . . . . . . . . .. 221

3. Tag: Literaturkritik und philosophische Ästhetik

RÜDIGER BUBNER (Tübingen): Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 231 HEINRICH NIEHUES-PRÖBSTING (Münster i. W.): Über den Zusammen-

hang von Rhetorik, Kritik und Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 237 CARSTEN ZELLE (Siegen): Schönheit und Schrecken. Zur Dichotomie

des Schönen und Erhabenen in der Ästhetik des achtzehnten Jahr-hunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 252

JENS KULENKAMPFF (Duisburg): Zum Begriff der Kunstkritik ....... 271 JÜRGEN SÖRING (Neuchätel): Das ästhetische Syndrom - Diagnose und

Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 286 FRIEDRIcH VOLLHARDT (Hamburg): Literaturkritik und philosophische

Ästhetik an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Problemkon-stellationen im Frühwerk von Georg Lukacs (1910-1918) . . . . . . .. 302

HEINRICH KAULEN (Bonn): »Die Aufgabe des Kritikers«. Walter Benja-mins Reflexionen zur Literaturkritik 1929-1931 . . . . . . . . . . . . .. 318

ANDREI CORBEA·HorSIE (Jassy): Der Literatur-Kritiker als Literaturkriti-ker. Bemerkungen zu dem (doch) resignierten Adorno. . . . . . . . .. 337

CHRISTOPH MENKE-EGGERS (Konstanz): »Deconstruction and Criticism« - Zweideutigkeiten eines Programms. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 351

BIRGIT SANDKAuLEN-BocK (München): Diskussionsbericht . . . . . . . .. 367

4. Tag: Literaturkritisches Werten

RENATE VON HEYDEBRAND (München): Einführung. . . . . . . . . . . . .. 383 MARTIN SWALES (London): Der Moraltrompeter von Cambridge? Zu F.

R. Leavis ...................................... 391 ürro LORENz (Göttingen): Pro domo - der Schriftsteller als Kritiker. Zu

Peter Handkes Anfängen ............................ 399 THoMAs ANZ (München): Literaturkritisches Argumentationsverhalten;

Ansätze zu einer Analyse am Beispiel des Streits um Peter Handke und Botho Strauß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 415

HARRO MÜLLER-MIcHAELs (Bochum): Didaktische Wertung - Ein Bei-trag zur Praxis literarischen Urteilens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 431

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Inhaltsverzeichnis VII

REINHOLD VIEHOFF (Siegen): Literaturkritik 1973 und 1988 - Aspekte des literaturkritischen Wertewandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 440

JÖRG DREWS (Bielefeld): Über den Einfluß von Buchkritiken in Zeitun-gen auf den Verkauf belletristischer Titel in den achtziger Jahren . .. 460

HEINRICH VORMWEG (Köln): Literaturkritik ist keine Wissenschaft . . .. 474 ALBREcHT KoscHoRKE (München): Diskussionsbericht ........... 487 HANS ULRICH GUMBRECHT (Stanford): Bericht über die Schlußdiskussion 501

Personenregister ................................... 507

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Vorbemerkungen

Unter dem Titel »Literaturkritik« fand vom 26. bis zum 29. September 1989 in der Nähe von Marbach am Neckar (»Haus Steinheim«) ein internationales und interdisziplinäres Symposion statt. Seine schriftlichen Vorlagen und die Haupt­linien der Diskussionen sind im vorliegenden Band dokumentiert. Die Reihe der >Germanistischen Symposien<, zu denen die Konferenz gehörte, wird seit mehr als anderthalb Jahrzehnten durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Einer Idee Albrecht Schönes folgend, ist sie vorzugsweise solchen Gegenständen und Problemen gewidmet, die fächerübergreifendes Arbeiten erfordern und für die eine diskussionsintensive Veranstaltungsform besondere Impulse verspricht.

Literaturkritik - ein >germanistisches< Thema? Überhaupt eines, zu dem sich gemeinsame wissenschaftliche Grundlagen formulieren lassen? Die Erfor­schung der Literaturkritik, ihrer Prinzipien wie ihrer historischen Entwicklung, gehört nicht gerade zu den glanzvollen Kapiteln in der Geschichte der Litera­turwissenschaften, zum al in Deutschland. Über Literaturkritik ist seit ihrem Bestehen gestritten worden. In ihrem Teilbereich >Rezensionswesen< beschäf­tigt sie die meisten derer, die sich für Literatur interessieren und am >literari­schen Leben< teilnehmen. Aktuelle Streitfälle mit ihren Intrigen, Subjektivis­men und Machtmißbräuchen lassen immer wieder an ihrer Seriosität, ja an ihrer Existenzberechtigung zweifeln. Sie hat als Institution alle ihre Krisen überlebt, auch alle Prinzipiendiskussionen, wie sie von Zeit zu Zeit auszubre­chen pflegen. Seit Ende der 60er Jahre sind sie Gegenstand immer neuer Sam­melbände und Themenhefte.

Das Funktionale, oft Taggebundene hat Literaturkritik nicht zu den >großen< Themen der Literaturwissenschaft aufsteigen lassen. Die Gipfelgestalten wie Lessing oder Friedrich Schlegel sind gewiß oft gewürdigt. Seit etwa zwei Jahr­zehnten haben auch unsere Kenntnisse über historische Teilfelder und über einzelne bedeutende Kritiker - oft ohnehin schon prominente Autoren der Literaturgeschichte - merklich zugenommen. Es existieren mehrere Versuche des monographischen Überblicks. Aber gerade sie lassen bei näherem Zusehen die großen Lücken unseres Wissens erkennen.

Hinzu treten begriffliche Komplikationen und Konfusionen. Der deutsche Terminus >Literaturkritik< ist bekanntermaßen erheblich enger als etwa >lite­rary criticism< im amerikanischen Gebrauch, der >Literaturwissenschaft< ein­schließt. Man hat dies nicht selten als Symptom für die relative Abschottung der deutschen Literaturwissenschaft gegen die aktuelle, öffentliche Auseinan-

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X Vorbemerkungen

dersetzung über Literatur gedeutet. Auch wenn im einzelnen mancher Versuch zur Öffnung unternommen wurde, etwa durch Beteiligung von immer mehr Zunftkollegen am Feuilleton: Spezialisierung und terminologische Hermetisie­rung großer Teile der fachwissenschaftlichen Produktion selbst haben den Gra­ben zugleich verbreitert. Und mit den elektronischen Massenmedien steht die Kommunikation über Literatur vor strukturellen Umschichtungen, die noch kaum präzise faßbar, geschweige denn wissenschaftlich analysiert sind.

Schon bisher konnte es mit Gründen zweifelhaft sein, etwa Friedrich Schle­gels >Kritik<, als höchste Form der Poesie, zusammen mit der Buchbespre­chung in einem Lokalblatt unter den gleichen weiten Begriff der >Literaturkri­tik< zu subsumieren. Soll nun auch noch die literarische Talkshow im Fernse­hen darunter fallen? Und die Phänomene scheinen noch weiter auseinanderzu­driften, wenn man sie zu den avancierten Ästhetik-Diskussionen unseres Jahr­hunderts, von Benjamin über Adorno bis zur >Postmoderne<-Welle, in Bezie­hung setzt.

Ein Versuch scheint an der Zeit, sowohl über den Status historischer Modell­untersuchungen als auch über aktuelle Prinzipiendebatten in eine Bestandsauf­nahme anhand überschaubarer Teilfelder einzutreten. Die deutschen Verhält­nisse können dabei im Zentrum stehen, jedoch den Blick zugleich, in kontra­stiv präzisierender Absicht, zu romanischen und angelsächsischen Ländern hin öffnen. Die philosophische Ästhetik indes, in ihren historischen Ausformun­gen, hält die Kardinalfrage im Bewußtsein, inwiefern von >Kritik< prinzipiell und in den geschichtlichen Stufen überhaupt die Rede sein könne.

Unter diesen Prämissen haben sich im Auftrag der Senatskommission für germanistische Forschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft vier Kolle­gen, Renate von Heydebrand, Rüdiger Bubner, Hans Ulrich Gumbrecht und der Unterzeichnete zusammengetan. Entsprechend dem für die >Germanisti­schen Symposien< geltenden Regelwerk haben sie einen Ausschreibungstext formuliert, der im Dezember 1987 sowie in den ersten Monaten des Jahres 1988 in einer Reihe wissenschaftlicher Zeitschriften des In- und Auslandes er­schien.

Die wesentlichen Partien seien hier noch einmal wiedergegeben, zugleich als inhaltliche und organisatorische Detaillierung des Unternehmens:

»Über die Legitimität der Literaturkritik, über ihre Pflichten wie über ihre tatsächlichen Wirkungen und Funktionen wird gestritten, seit es Literaturkritik gibt. Kaum eine andere Institution des literarischen Lebens erregt derart >par­teiisches< Interesse. Speziell für Deutschland ist die Tendenz zur Trennung von der >zünftigen< Literaturwissenschaft oft festgestellt und beklagt worden. Sie ist der Erforschung der Literaturkritik, ihrer geschichtlichen Erscheinungen und ihrer theoretischen Grundlagen, nicht günstig gewesen. Die heftigen, meist ganz auf die Gegenwart gerichteten Normdebatten der 60er und 70er Jahre haben diese Situation ebensowenig verändert wie etwa der zunehmende Trend zur professoralen Zeitungsrezension.

Vereinzelte neuere Fallstudien und historische Überblicke lassen erkennen, daß die Zwischenposition der Literaturkritik, nicht als Defizit, sondern als

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Vorbemerkungen XI

Grundlage einer Funktionsbestimmung genommen, ergiebige methodische Zugänge ermöglicht. Neu zu untersuchen sind unter anderem: die jeweilige >vermittelnde< Aufgabe im Kommunikationsfeld zwischen Autor, Verleger/ Buchhändler und Leser, das Verhältnis zwischen literaturkritischem Diskurs und philosophischer Ästhetik, die Divergenzen zwischen >Dienstleistung< und dem - seit der Romantik wiederholt vertretenen - Anspruch, selbst >Literatur< zu sein.

Solche Problemstellungen erfordern ein Zusammenwirken verschiedener Disziplinen: vor allem Sozial- und Institutionengeschichte der Literatur, philo­sophische Ästhetik, Literaturtheorie, Medienwissenschaft, Komparatistik. Die Leitfragen des Symposions richten sich auf die für Literaturkritik spezifischen Spannungen zwischen Normen, Theorien, Programmen einerseits, konkreten Bedingungen, Funktionen, Realisationen andererseits. Literaturkritik wird dabei verstanden als öffentliche Auseinandersetzung über Literatur. Zwar bil­det die Gattung >Rezension< hier den Kernbereich, doch gehören Essay, Streit­schrift, periodischer Bericht selbstverständlich hinzu. Für die Gegenwart sollen die Medien Hörfunk und Fernsehen Beachtung finden, während Theaterkritik wegen ihrer besonderen Voraussetzungen nicht Schwerpunktthema sein kann; ausgegrenzt bleiben müssen auch Kunstkritik, Musikkritik, Filmkritik. [ ... ]

Die Beiträge sollen nach Möglichkeit die theoretisch-methodologischen Aspekte an ergiebigen und überschaubaren Beispielen entwickeln. Theoretisch akzentuierte Versuche sind dabei nicht ausgeschlossen. Kontrastive Studien mit dem Blick auf romanische und angelsächsische Länder sind sehr erwünscht, doch soll der deutschsprachige Bereich die Perspektive bestimmen. Um die Arbeitsökonomie des Symposions - auch die Effizienz der Diskussionen - zu erhöhen, sollen sich die Beiträge bei der geschichtlichen Exemplifikation nach Möglichkeit auf folgende Zeiträume konzentrieren: Frühzeit der Literaturkri­tik, Romantik und erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, Weimarer Republik, 1945 bis zur Gegenwart.

Vorbereitung und Durchführung des Symposions haben Renate von Heyde­brand/München, Rüdiger Bubner/Tübingen und Hans Ulrich Gumbrecht/Sie­gen sowie der Unterzeichnende übernommen. Sie sind als Kuratoren zuständig für die folgenden Rahmenthemen (deren stichworthafte Charakterisierung Anregungen geben, jedoch Ergänzungen keineswegs ausschließen soll): 1. Literaturkritik als Institution (WILFRIED BARNER)

Soziale, ökonomische, politische, religiöse Konditionierungen, hierbei auch nationale Ausprägungen und >System<-Spezifisches; die Medien der Litera­turkritik; Interdependenz mit Strukturen des literarischen Markts; Eigenart literaturkritischer Öffentlichkeiten, auch synchron; Kommunikationskreise, regionale Zentren und ihre Bedeutung; Periodizität und Nichtperiodizität von Literaturkritik; das Novitätsprinzip; akademische und nichtakademi­sche Literaturkritik; Feuilleton und andere Kontexte; Wirkungen von Lite­raturkritik (Hypothesen, empirische Resultate).

2. Literaturkritik als >Literatur< (HANS ULRICH GUMBRECHT)

Zum >literarischen< Status von Literaturkritik; Propagierung eines >Litera­tun-Anspruchs, Höhepunkte; Funktionsübergänge zwischen >poetischem<

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XII Vorbemerkungen

und literaturkritischem Diskurs; Gattungsspektrum und Sprache der Litera­turkritik; Literaturkritik zwischen Literaturwissenschaft und Literatur; Auseinandertreten von Literaturkritik und Literaturwissenschaft besonders in Deutschland, Entwicklungen in anderen Ländern (Symbiosen?); Ansätze zur historischen Orientierung von Literaturkritik: Ursprünge, Varietäten, Konsequenzen.

3. Literaturkritik und philosophische Ästhetik (RÜDIGER BUBNER)

Bloße Synchronien, >zwei Geschichten<?; europäische Traditionsstränge: Rhetorik, (Anti-)Platonismus u. a.; >deutsche< Suprematie in der Ästhetik?; Literaturkritik vor und nach Baumgarten; Vermittlungen: Kant und Schil­ler, Hegel und die Junghegelianer; marxistische Ästhetik: Lukacs, Benja­min, Adorno; philosophische Probleme des Werturteils; Künstler- und Kri­tiker-Ästhetik sub specie philosophiae; dezidierte Ästhetik-Ferne; decon­struction, semiotische Ästhetik in ihrer Bedeutung für die Literaturkritik.

4. Literaturkritisches Urteilen (RENATE VON HEYDEBRAND)

Wertungsverfahren in der Literaturkritik; literaturkritische Urteile als >ästhetische< Urteile (im Sinne Kants)?; Objektivierbarkeit literaturkriti­scher Urteile; bewußte Subjektivität; >pädagogische< Aspekte; Literaturkri­tik für Leser und Literaturkritik für Autoren; Implizität und Explizität der Normen und der Kategorien; Wertungskonventionen, Bedeutung von Kanonbildungen; Autoren-Image und Genre-Erwartung als Vor-Urteile; selektive Prozesse, nachgeschobene Theorien; Rollendefinitionen, vom >Kunstrichter< bis zum >stellvertretenden Leser<; >Höhenkämme< und >Nie­derungen< in der Literaturkritik; die Diskussionen um die Wertung von Literatur: Glasperlenspiel der Theorie?«

Auf die Ausschreibung gingen fast doppelt so viele Angebote ein, wie Teilneh­merplätze zur Verfügung standen. Die im einzelnen recht schwierige Auswahl geschah zuallererst nach Gesichtspunkten des anregenden Niveaus, der inter­disziplinären Perspektive und der Eignung für eine vertiefende Diskussion. Mehrere an sich qualitätvolle Exposes konnten nicht berücksichtigt werden, da sie sich thematisch oder dem Ansatz nach mit anderen, noch geeigneteren überschnitten. An eine >Flächendeckung< war von vornherein nicht gedacht. Schon die - in sich gewiß problematische - Beschränkung auf bestimmte Epo­chen (in der Ausschreibung) sollte in erster Linie einer Konzentrierung der Diskussionen dienen.

Die allermeisten Beiträger haben ihre ausgearbeiteten Vorlagen mit einer >Pünktlichkeit< eingesandt, die besonders dankbare Anerkennung verdient. So wurde es auch ermöglicht, den größten Teil der Texte rechtzeitig und in Ruhe durchzuarbeiten. Eine weitere erfreuliche Erfahrung bedeutete es, daß alle Beiträger sich bereit erklärten, zu einer bestimmten Vorlage einen vorbereite­ten >Kurzkommentar< zu formulieren - auch wenn dabei vielleicht nicht in jedem Fall der >ideale< oder auch gewünschte Diskussionspartner getroffen worden war.

Die Vorlagen wurden, verteilt auf die vier >Themen-Tage<, in der gleichen Reihenfolge präsentiert und diskutiert, wie sie im vorliegenden Band erschei-

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Vorbemerkungen XIII

nen - mit Ausnahme des Beitrags von Heinrich Vormweg, der am 27. Septem­ber im Marbacher Deutschen Literaturarchiv als öffentlicher Vortrag gehalten wurde. Jede Vorlage wurde von ihrem Verfasser zunächst noch einmal kurz rekapituliert und erläutert, zum Teil auch zusätzlich pointiert. Der >Kurzkom­mentar< eines anderen Teilnehmers eröffnete dann die Diskussion.

Birgit Sandkaulen-Bock, Georg Braungart, Albrecht Koschorke und Benno Wagner-Pitz haben die Diskussionsberichte auf der Basis persönlicher Auf­zeichnungen (aber zum Teil auch mit gegenseitiger kollegialer Hilfestellung während des Symposions) verfaßt. Ihre individuellen >Handschriften< sollen mit Absicht erkennbar bleiben.

Zu den bereits im vorhinein absehbaren Chancen und Schwierigkeiten der Diskussion gehörte das Aufeinandertreffen vor allem dreier Perspektiven - um nicht sogleich von >Diskursen< zu Teden: Literaturhistoriker (germanistische, romanistische, anglistische), Philosophen und >praktizierende< Literaturkriti­ker. Daß einzelne Teilnehmer mehrere Erfahrungshorizonte und Kompeten­zen durch Personalunion in sich vereinigten, machte einen spezifischen Reiz der Sache aus; es half auch wiederholt. Rasche, gutgemeinte Harmonisierun­gen sollten unbedingt vermieden werden. Da die drei >Gruppen< in solcher Konstellation selten zusammentreffen - und zum Thema >Literaturkritik< offenbar noch nie zusammengetroffen sind -, waren gegenseitige Positionsbe­stimmungen, auch Grenzziehungen nachgerade wünschenswert.

Es bedeutete eine der positivsten Erfahrungen des Symposions, daß von Anfang an eine große Bereitschaft zum Hinhören, Nachfragen und Klären spürbar wurde. Gewiß konnte man mitunter an der Gemeinsamkeit des >Gegenstandes< zweifeln, etwa wenn von der Kantischen Analytik des Schönen die Rede war und dann von »deconstruction«, von Jean Paul und dann wieder von der Alltagspraxis gegenwärtiger Zeitungskritik. Daß sich recht bald schon Leitmotive und rote Fäden herausbildeten, auch bewußte Problemwiederauf­nahmen, die weiterführten, ist allen Teilnehmern des Symposions zu danken, gewiß auch der freundschaftlich-kollegialen Zusammenarbeit der Kuratoren und der Redaktoren im Vorfeld und während der Tagung.

Als hochwillkommenes atmosphärisches Moment, das die Dialogbereit­schaft förderte, erwiesen sich nicht nur das gepflegte Ambiente des »Hauses Steinheim« (Bildungsstätte der Baden-Württembergischen Wirtschaft) und die Fürsorglichkeit der dortigen Mitarbeiter. Auch das anmutig Abgelegene des Hauses war dem Zusammenhalt der Teilnehmerschaft überaus zuträglich, besonders den vielen Gesprächen zwischendurch und bis spät in die Nacht hin­ein. Dieser scherzhaft so bezeichnete leichte >Kasernierungseffekt< hat seinen unverächtlichen Anteil am wissenschaftlichen Gelingen des Ganzen.

Daß ein solches Unternehmen möglich wurde, ist natürlich in allererster Linie der nicht selbstverständlichen Förderung durch die Deutsche For­schungsgemeinschaft zu danken, personifiziert in ihrem umsichtigen, erfahre­nen und nimmermüden Fachreferenten Dr. Manfred Briegel. In doppelter Weise machte sich jedoch auch >Marbach< verdient: die Deutsche Schillerge­sellschaft mit ihren Instituten (Schiller-Nationalmuseum und Deutsches Litera­turarchiv) unter dem Direktorat von Dr. Ulrich Ott, und mit der für das Sym-

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XIV Vorbemerkungen

posion zuständigen Mitarbeiterin Irina Renz. Über Marbach wurden die Kon­takte zum Haus Steinheim hergestellt. Und Marbach lud uns am Nachmittag und Abend des zweiten Tages ein: zu einer eigens für uns zusammengestellten kleinen Ausstellung »Literaturkritik« (brillant präsentiert durch Reinhard Tgahrt), zu einer Spezialführung durch das Haus und zu Heinrich Vormwegs öffentlichem Vortrag mit anschließendem Empfang.

Daß die Vorlagen, die Einführungen und die Diskussionsberichte schon wenige Wochen nach Ende des Symposions in satzfertiger Form - die Vorlagen inhaltlich unverändert - fast vollständig beisammen waren, verdient den Dank an alle Teilnehmer. Die engagierte Hilfe der Mitkuratoren Renate von Heyde­brand, Rüdiger Bubner und Hans Ulrich Gumbrecht sowie der Redaktoren Birgit Sandkaulen-Bock, Georg Braungart, Albrecht Koschorke und Benno Wagner-Pitz sei hier ausdrücklich noch einmal erwähnt.

Die J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, namentlich ihr Lektor Dr. Bernd Lutz und seine Mitarbeiterin Petra Wägenbaur, nahm das Druckmanu­skript in bewährte Obhut. Nicola Müller und Mark Seidel waren mir mit Sorg­falt und Findigkeit bei den Korrekturen behilflich. Nun stellt sich der Band »Literaturkritik« der Literaturkritik - in ihrem engeren und in ihrem weiteren Sinne.

Tübingen, im Januar 1990