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4 | Inland FREITAG 29. MAI 2015 | 5 Schwerpunkt Veranstaltung der Frauen in der FBP «Nehmen Frauen ihre Chancen wahr, können sie den Himmel einreissen» Chance Monique R. Siegel befasst sich seit Jahrzehnten mit der Frauenbeteiligung in Politik und Wirtschaft. Sie fordert die Frauen auf, ihre Chancen wahrzunehmen. VON SILVIA BÖHLER «Volksblatt»: Frau Siegel, in Ihrem jüngsten Buch «War’s das schon?» heisst es: «Frauen können heutzuta- ge überall Toppositionen einneh- men und ihren Einfluss geltend ma- chen.» Worauf führen Sie das zu- rück? Monique R. Siegel: Frauen sind heute oft besser ausgebildet als Männer. Das ist auf die Entwicklung vor rund 20 Jahren zurückzuführen, als die Jungs Computer- und Videospiele entdeckten, vor allem Burschen mit Ritalin behandelt wurden und männliche Vorbilder fehlten. Dies al- les hatte zur Folge, dass sie sich nicht freiwillig mit Wissen und Ler- nen beschäftigen wollten. In dersel- ben Zeit haben sich die Mädchen die schon lange durchgeführten Förder- massnahmen zunutze gemacht, wurden schliesslich auf die Universi- täten geschickt und können nun sehr gute Abschlüsse vorweisen. Jetzt sind sie «ready to go». Die Frauen haben in Bezug auf die Ausbildung also bessere Startbedin- gungen. Nehmen Sie diese auch wahr? Zum Teil bekommen sie bereits gute Jobs angeboten, zum Teil müssen sie ihr Können und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, aber noch propagieren. Wenn sie al- lerdings ihre Chancen wahrnehmen, können sie den Himmel einreissen. Sie sagen aber auch, dass Frauen mit Männern nicht konkurrieren soll- ten, sondern eigene Wege gehen sollten. Frauen sollten niemals versuchen, einen Mann zu kopieren. Wir sind keine Männer. Frau- en müssen ihre eige- nen Wege finden, aber mit Männern, die dieselben Anlie- gen haben, zusam- menarbeiten. Wir haben so lange über die Politik und die Wirtschaft genör- gelt, jetzt haben wir die Chance, es anders zu machen. Jetzt möchte ich auch Taten sehen. Wie sieht diese andere Arbeitswelt Ihrer Meinung nach aus? Den Job fürs Leben gibt es schon lan- ge nicht mehr, das ist klar. Die Gene- ration der Millenials wird mindes- tens sechs Berufe ausüben, meiner Meinung nach sogar mehr. Wir be- finden uns jedoch in einem Paradig- menwechsel, hin zu einer humane- ren, faireren Arbeitswelt, mit glei- cher Entlöhnung für beide Ge- schlechter. Die Kreativarbeit wird wichtig und sie hat nichts mit Prä- senz zu tun. Mit den heutigen elekt- ronischen Mitteln kann vieles auch von zu Hause erledigt werden. War- um verlangt man also von den Frau- en, dass sie in Prozenten denken? Kein Mann würde freiwillig Teilzeit arbeiten. Teilzeit gilt als Karrierekil- ler Nummer 1. Die Begriffe Teilzeit und Vollzeit sind daher völlig über- holt. Es kann sein, dass man projekt- bezogen länger arbeiten muss, das ist in Ordnung, aber dann muss es auch möglich sein, anschliessend weniger zu arbeiten, ohne sich er- klären zu müssen. Im Zuge der Gleichberechtigung wäre ich auch für eine Angleichung des Pensionie- rungsalters, wenn es in Zukunft so etwas überhaupt noch gibt. Ein Systemwechsel wird sich wahr- scheinlich nicht von selbst realisie- ren. Wie ist Ihre Meinung zur ge- setzlich geregelten Frauenquote? Ich war nie für eine Quote, niemand will die Quote. Ich habe meine Mei- nung allerdings geändert, als Studien veröffentlicht wurden, die beweisen, dass gemischte Teams an der Unter- nehmensspitze profitabler sind als rein männliche. Wenn Sie das zu En- de denken, müsste das heissen: Fir- men, die nicht um Frauen in Top-Po- sitionen bemüht sind, betrügen ihre Aktionäre. Eine auf, sagen wir, fünf Jahre befristete Quote wäre quasi der Nachhilfeunterricht, den sie sich selbst eingebrockt haben. Die Frauen sind also unerlässlich für die Wirtschaft? Sie sind es. Die Rolle der Frau zu stärken, ist die eine Sache, aber die Rolle der Wirtschaft und Konjunktur zu stärken, ist noch eine andere. Dazu leisten Frauen einen enormen Beitrag, denn sie sind gut ausgebildet und flexibel. In Amerika gibt es gar eine Verlagerung des Fa- milieneinkommens. Das Einkom- men wird zu einem grossen Teil von den Frauen erarbeitet. Deren Män- ner waren häufig im Finanzsektor oder in der Industrie tätig, wo Ar- beitsplätze weggefallen sind. Sie raten Liechtenstein, über den ei- genen Tellerrand zu blicken? Schauen wir über die Grenzen Liech- tensteins oder der Schweiz hinaus, gibt es eine ganz andere Welt, von der wir lernen können. Nicht nur, dass dort Frauenquoten eingeführt wurden und die Länder wirtschaft- lich profitabler arbeiten. Die Norwe- ger oder Franzosen etwa haben eine völlig andere Mentalität. In diesen Ländern muss sich eine Frau erklä- ren, wenn sie nicht arbeitet. Wenn sie mit dieser Selbstverständlichkeit starten, ist es natürlich leichter, die Kinderbetreuung oder gleichberech- tigte Haus- und Erziehungsarbeiten zu regeln. Wer betreut die Kinder, wenn die Frau Karriere macht? Die Eltern. Die Lebenserwartung liegt derzeit bei 90 Jahren, bald bei 100 – und dies in gutem Zustand. 10 bis 12 Jahre, in denen man für die Kinder ein bisschen zurücktreten muss, ist sowohl für Frauen als auch für Männer nicht zu viel verlangt. Zudem wird derzeit einiges getan und endlich Geld für Kindertages- stätten und Tagesschulen bereitge- stellt. Das hätte schon längst passie- ren dürfen, dann hätten wir diese Problematik nicht, die vielen den Blick für ihre Chancen verdunkelt. Hier müssen die Frauen aktiv wer- den. Wir vergessen aber auch, dass wir eine grosse Zunahme von älte- ren Menschen haben, die gepflegt werden müssen. Und das wurde bis- her als Aufgabe der Frauen gesehen. Dagegen wehre ich mich vehement. Das ging vielleicht früher, als sie Hausfrauen waren. Heute ist das nicht mehr möglich. In Ihrem Vortrag sprachen Sie über einen möglichen Strategiewechsel auf der Zielgeraden. Wir sprechen von einem Prozess, Prozesse benötigen Zeit. Wir können nicht erwarten, dass morgen alle einsichtig sind und sich alles ändert. Inzwischen können Frauen aber neue Allianzen eingehen: Es sind die jungen Väter, die ihnen helfen kön- nen. Sie wollen nämlich genau das, was die Frauen immer schon woll- ten, eine humanere, fairere Arbeits- welt. Sie wollen ebenfalls mit ihren Kindern Zeit verbringen. Und zwar ab Babyalter. Ganz abgesehen davon habe ich nicht gesagt, dass ein Stra- tegiewechsel einfach zu vollziehen sein wird. Es gibt in der Geschichte viele Frauen, die Pionierarbeit ge- leistet haben. Das war nicht einfach. Aber sie haben durchgehalten. Be- harrlichkeit und Durchhaltevermö- gen sind feminine Eigenschaften, die zum Ziel führen werden. Wie stehen Sie zur Einführung einer Frauenquote? Impressionen aus dem Gasometer in Triesen Aurelia Frick: «Es geht um ein Miteinander» Wende Weil bisherige Strategien zur Durchsetzung von Chancengleichheit für Frauen versagten, will Ministerin Aure- lia Frick neue Wege gehen. Sie lädt alle zur Diskussion ein. VON SILVIA BÖHLER «Ich hatte mein Frühstücksbrötchen noch nicht fertig geschmiert, als be- reits Telefonanruferinnen und -an- rufer ihre Meinung kundtun muss- ten. Alles wohl gemeinte Ratschläge natürlich, die mich vor weiteren Feh- lern warnen sollten», erzählte Regie- rungsrätin Aurelia Frick gestern im Gasometer in Triesen mit Humor von den zum Teil heftigen Reaktio- nen auf ihr «Volksblatt»-Inter- view vom 23. Mai. Darin hatte sie die Überprüfung einer Quote in Betracht gezogen und die Behauptung aufge- stellt, dass Frauen neben Qualifikati- on, Kompetenz, Erfahrung und Elo- quenz noch andere, teils unfaire Qualifizierungen, wie das Aussehen, oder die Kleidung, über sich ergehen lassen müssten. Dies bekräftigte sie gestern eine weiteres Mal und nahm auch sich selbst nicht aus: «Glauben Sie, ich wüsste nicht, wie häufig über mich diesbezüglich diskutiert wird?» Frick fordert Diskussion Obwohl sie mit der FBP einer Partei angehöre, die mit der ersten Regie- rungsrätin, der ersten Regierungs- chef-Stellvertreterin und den ersten zwei Vorsteherinnen im Land, in Sa- chen Frauen durchwegs eine Vorrei- terrolle einnehme, könne man mit dem Erreichten nicht zufrieden sein. Aurelia Frick: «Hand aufs Herz. Nach den Gemeinderatswah- len im März wurde der geringe Frau- enanteil kurz be- klagt. Dann gingen alle wieder zur Ta- gesordnung über.» Die bisherigen Stra- tegien zur Durch- setzung der Chan- cengleichheit von Frauen und Män- nern haben offen- sichtlich nicht zum Ziel geführt. «Es braucht also eine Strategieände- rung. Wir dürfen die Hände nicht in den Schoss legen», ist Frick über- zeugt. Auch wenn sie keine Befür- worterin der gesetzlich verordneten Frauenquote ist, fordert die Regie- rungsrätin die Bürger des Landes zu einer nüchternen Diskussion auf – auch über das Pro und Contra einer Frauenquote. Frick stellte gestern in Triesen aber auch klar, dass Liechtenstein die Frauen und die Männer brauche: «Es geht nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander.» Monique R. Siegel In Berlin geboren, nach New York ausgewandert, nun in Zürich wohnhaft Monique R. Siegel ist in Berlin geboren. Nach der Schulzeit und ersten Berufsjahren in Deutschland ist sie nach New York aus- gewandert und hat dort an der Columbia University und der New York University auf dem Zweiten Bildungsweg ein Germanis- tik-Studium abgeschlossen Seit 1971 lebt sie in der Schweiz, wo sie nach mehrjähri- ger Führungstätigkeit 1980 in Zürich eine eigene Firma gegründet und sich als Wirt- schaftsberaterin, Publizistin und Referentin im In- und Ausland etabliert hat. «Frauen sollten niemals versuchen, einen Mann zu kopieren. Wir sind keine Männer.» MONIQUE R. SIEGEL WIRTSCHAFTSBERATERIN Buchtipp War’s das schon? Frauen können heutzutage überall Top-Positionen ein- nehmen und ihren Einfluss geltend machen. Aber of- fenbar haben das viele Frauen noch gar nicht ge- merkt! Um mit Männern konkurrieren zu können, passen sich viele Frauen dem System an, anstatt es aus der Poleposition infra- ge zu stellen. Dieses Buch ist eine schonungslose Analyse und ein eindring- licher Appell, endlich zu handeln. «War’s das schon? Wie Frauen ihre Chance verpassen»; Monique R. Siegel; ISBN 978-3-280-05550-2; gebunden mit Schutzumschlag; 26.90 Franken. «Ich erhielt lauter wohl gemeinte Ratschläge, die mich vor weiteren Fehlern warnen sollten.» AURELIA FRICK REGIERUNGSRäTIN Regierungsrätin Aurelia Frick hat auf ihr «Volksblatt»-Interview zahlreiche Reak- tionen erhalten. (Fotos: Nils Vollmar) «Ich bin gegen Verordnungen und deshalb auch nicht für eine Quote. Frauen sind gut ausgebildet, sie sollten mutiger sein und keine Angst vorm Versagen haben.» MONIKA BÜCHEL GAMPRIN «Ich bin eher gegen die Quote. Man sollte die Menschen ermuntern, sich für eine Sache einzu- setzen – egal ob Mann oder Frau. Wichtig ist die Erarbeitung von Lösungen.» MICHAEL KONRAD VADUZ «Viel wichtiger als eine Quote ist es, Rahmenbedingungen zu kreieren, die das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.» ALICE NÄGELE VADUZ «Bis heute war ich ein strikter Gegner der Quote. Ich könnte mir nun allerdings vorstellen, dass die Quote ein Türöffner für qualifizierte Frauen sein könnte.» ROLAND ELKUCH SCHELLENBERG «Ich würde eine Quote auf Zeit befürworten, denn ich denke, sie würde einen gesell- schaftlichen Wandel im Denken auslösen. Eine Quote macht den Frauen Mut.» ALEXANDRA SCHIEDT SCHAAN FBP-Parteipräsident Thomas Banzer will künftig häufiger darüber diskutieren, wie Frauen besser in Führungspositionen integriert werden können. Führten eine angeregte Podi- umsdiskussion, von links: Mo- deratorin Berit Pietschmann, Regierungsrätin Aurelia Frick, Referentin Mo- nique R. Siegel und Vorsteherin Maria Kaiser- Eberle. Hatten viel Spass an der Veranstal- tung, von links: Mafina Paopolo, Tania Wyss und Martha Rupp- Laupper. Clarissa Frommelt von den Frauen in der FBP begrüsste die Besucher. Die Ruggeller Vorsteherin Maria Kaiser- Eberle erzählte von ihren Erfahrungen. Referentin Monique R. Siegel während ihres Vortrags. (Fotos: Nils Vollmar)

«Nehmen Frauen ihre Chancen wahr, - eurokultur.ch Volksblatt.pdf · men, die nicht um Frauen in Top-Po-sitionen bemüht sind, betrügen ihre Aktionäre. Eine auf, sagen wir, fünf

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Page 1: «Nehmen Frauen ihre Chancen wahr, - eurokultur.ch Volksblatt.pdf · men, die nicht um Frauen in Top-Po-sitionen bemüht sind, betrügen ihre Aktionäre. Eine auf, sagen wir, fünf

4 | Inland freitag 29. Mai 2015 | 5

Schwerpunkt Veranstaltung der Frauen in der FBP

«Nehmen Frauen ihre Chancen wahr, können sie den Himmel einreissen»Chance Monique R. Siegel befasst sich seit Jahrzehnten mit der Frauenbeteiligung in Politik und Wirtschaft. Sie fordert die Frauen auf, ihre Chancen wahrzunehmen.

Von SilVia Böhler

«Volksblatt»: Frau Siegel, in Ihrem jüngsten Buch «War’s das schon?» heisst es: «Frauen können heutzuta-ge überall Toppositionen einneh-men und ihren Einfluss geltend ma-chen.» Worauf führen Sie das zu-rück?Monique R. Siegel: Frauen sind heute oft besser ausgebildet als Männer. Das ist auf die Entwicklung vor rund 20 Jahren zurückzuführen, als die Jungs Computer- und Videospiele entdeckten, vor allem Burschen mit Ritalin behandelt wurden und männliche Vorbilder fehlten. Dies al-les hatte zur Folge, dass sie sich nicht freiwillig mit Wissen und Ler-nen beschäftigen wollten. In dersel-ben Zeit haben sich die Mädchen die schon lange durchgeführten Förder-massnahmen zunutze gemacht, wurden schliesslich auf die Universi-täten geschickt und können nun sehr gute Abschlüsse vorweisen. Jetzt sind sie «ready to go».

Die Frauen haben in Bezug auf die Ausbildung also bessere Startbedin-gungen. Nehmen Sie diese auch wahr?Zum Teil bekommen sie bereits gute Jobs angeboten, zum Teil müssen sie

ihr Können und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, aber noch propagieren. Wenn sie al-lerdings ihre Chancen wahrnehmen, können sie den Himmel einreissen.

Sie sagen aber auch, dass Frauen mit Männern nicht konkurrieren soll-ten, sondern eigene Wege gehen sollten.Frauen sollten niemals versuchen, einen Mann zu kopieren. Wir sind keine Männer. Frau-en müssen ihre eige-nen Wege finden, aber mit Männern, die dieselben Anlie-gen haben, zusam-menarbeiten. Wir haben so lange über die Politik und die Wirtschaft genör-gelt, jetzt haben wir die Chance, es anders zu machen. Jetzt möchte ich auch Taten sehen.

Wie sieht diese andere Arbeitswelt Ihrer Meinung nach aus?Den Job fürs Leben gibt es schon lan-ge nicht mehr, das ist klar. Die Gene-ration der Millenials wird mindes-tens sechs Berufe ausüben, meiner Meinung nach sogar mehr. Wir be-finden uns jedoch in einem Paradig-menwechsel, hin zu einer humane-ren, faireren Arbeitswelt, mit glei-cher Entlöhnung für beide Ge-schlechter. Die Kreativarbeit wird wichtig und sie hat nichts mit Prä-senz zu tun. Mit den heutigen elekt-ronischen Mitteln kann vieles auch von zu Hause erledigt werden. War-um verlangt man also von den Frau-en, dass sie in Prozenten denken? Kein Mann würde freiwillig Teilzeit arbeiten. Teilzeit gilt als Karrierekil-ler Nummer 1. Die Begriffe Teilzeit und Vollzeit sind daher völlig über-holt. Es kann sein, dass man projekt-bezogen länger arbeiten muss, das ist in Ordnung, aber dann muss es auch möglich sein, anschliessend weniger zu arbeiten, ohne sich er-klären zu müssen. Im Zuge der Gleichberechtigung wäre ich auch für eine Angleichung des Pensionie-rungsalters, wenn es in Zukunft so etwas überhaupt noch gibt.

Ein Systemwechsel wird sich wahr-scheinlich nicht von selbst realisie-ren. Wie ist Ihre Meinung zur ge-setzlich geregelten Frauenquote?

Ich war nie für eine Quote, niemand will die Quote. Ich habe meine Mei-nung allerdings geändert, als Studien veröffentlicht wurden, die beweisen, dass gemischte Teams an der Unter-nehmensspitze profitabler sind als rein männliche. Wenn Sie das zu En-de denken, müsste das heissen: Fir-men, die nicht um Frauen in Top-Po-sitionen bemüht sind, betrügen ihre Aktionäre. Eine auf, sagen wir, fünf Jahre befristete Quote wäre quasi der

Nachhilfeunterricht, den sie sich selbst eingebrockt haben.

Die Frauen sind also unerlässlich für die Wirtschaft?Sie sind es. Die Rolle der Frau zu stärken, ist die eine Sache,

aber die Rolle der Wirtschaft und Konjunktur zu stärken, ist noch eine andere. Dazu leisten Frauen einen enormen Beitrag, denn sie sind gut ausgebildet und f lexibel. In Amerika gibt es gar eine Verlagerung des Fa-milieneinkommens. Das Einkom-men wird zu einem grossen Teil von den Frauen erarbeitet. Deren Män-ner waren häufig im Finanzsektor oder in der Industrie tätig, wo Ar-beitsplätze weggefallen sind.

Sie raten Liechtenstein, über den ei-genen Tellerrand zu blicken?Schauen wir über die Grenzen Liech-tensteins oder der Schweiz hinaus, gibt es eine ganz andere Welt, von der wir lernen können. Nicht nur, dass dort Frauenquoten eingeführt wurden und die Länder wirtschaft-lich profitabler arbeiten. Die Norwe-ger oder Franzosen etwa haben eine völlig andere Mentalität. In diesen Ländern muss sich eine Frau erklä-ren, wenn sie nicht arbeitet. Wenn sie mit dieser Selbstverständlichkeit starten, ist es natürlich leichter, die Kinderbetreuung oder gleichberech-tigte Haus- und Erziehungsarbeiten zu regeln.

Wer betreut die Kinder, wenn die Frau Karriere macht?Die Eltern. Die Lebenserwartung liegt derzeit bei 90 Jahren, bald bei 100 – und dies in gutem Zustand. 10 bis 12 Jahre, in denen man für die Kinder ein bisschen zurücktreten muss, ist sowohl für Frauen als auch für Männer nicht zu viel verlangt.

Zudem wird derzeit einiges getan und endlich Geld für Kindertages-stätten und Tagesschulen bereitge-stellt. Das hätte schon längst passie-ren dürfen, dann hätten wir diese Problematik nicht, die vielen den Blick für ihre Chancen verdunkelt. Hier müssen die Frauen aktiv wer-den. Wir vergessen aber auch, dass wir eine grosse Zunahme von älte-ren Menschen haben, die gepflegt werden müssen. Und das wurde bis-her als Aufgabe der Frauen gesehen. Dagegen wehre ich mich vehement. Das ging vielleicht früher, als sie Hausfrauen waren. Heute ist das nicht mehr möglich.

In Ihrem Vortrag sprachen Sie über einen möglichen Strategiewechsel auf der Zielgeraden.Wir sprechen von einem Prozess, Prozesse benötigen Zeit. Wir können nicht erwarten, dass morgen alle einsichtig sind und sich alles ändert. Inzwischen können Frauen aber neue Allianzen eingehen: Es sind die jungen Väter, die ihnen helfen kön-nen. Sie wollen nämlich genau das, was die Frauen immer schon woll-ten, eine humanere, fairere Arbeits-welt. Sie wollen ebenfalls mit ihren Kindern Zeit verbringen. Und zwar ab Babyalter. Ganz abgesehen davon habe ich nicht gesagt, dass ein Stra-tegiewechsel einfach zu vollziehen sein wird. Es gibt in der Geschichte viele Frauen, die Pionierarbeit ge-leistet haben. Das war nicht einfach. Aber sie haben durchgehalten. Be-harrlichkeit und Durchhaltevermö-gen sind feminine Eigenschaften, die zum Ziel führen werden.

Wie stehen Sie zur Einführung einer Frauenquote?Impressionen aus dem Gasometer in Triesen

Aurelia Frick: «Es geht um ein Miteinander»Wende Weil bisherige Strategien zur Durchsetzung von Chancengleichheit für Frauen versagten, will Ministerin Aure-lia Frick neue Wege gehen. Sie lädt alle zur Diskussion ein.

Von SilVia Böhler

«Ich hatte mein Frühstücksbrötchen noch nicht fertig geschmiert, als be-reits Telefonanruferinnen und -an-rufer ihre Meinung kundtun muss-ten. Alles wohl gemeinte Ratschläge natürlich, die mich vor weiteren Feh-lern warnen sollten», erzählte Regie-rungsrätin Aurelia Frick gestern im Gasometer in Triesen mit Humor von den zum Teil heftigen Reaktio-nen auf ihr «Volksblatt»-Inter-view vom 23. Mai. Darin hatte sie die Überprüfung einer Quote in Betracht gezogen und die Behauptung aufge-stellt, dass Frauen neben Qualifikati-on, Kompetenz, Erfahrung und Elo-quenz noch andere, teils unfaire Qualifizierungen, wie das Aussehen, oder die Kleidung, über sich ergehen lassen müssten. Dies bekräftigte sie gestern eine weiteres Mal und nahm auch sich selbst nicht aus: «Glauben Sie, ich wüsste nicht, wie häufig über mich diesbezüglich diskutiert wird?»

frick fordert DiskussionObwohl sie mit der FBP einer Partei angehöre, die mit der ersten Regie-

rungsrätin, der ersten Regierungs-chef-Stellvertreterin und den ersten zwei Vorsteherinnen im Land, in Sa-chen Frauen durchwegs eine Vorrei-terrolle einnehme, könne man mit dem Erreichten nicht zufrieden sein. Aurelia Frick: «Hand aufs Herz. Nach den Gemeinderatswah-len im März wurde der geringe Frau-

enanteil kurz be-klagt. Dann gingen alle wieder zur Ta-gesordnung über.» Die bisherigen Stra-tegien zur Durch-setzung der Chan-cengleichheit von Frauen und Män-nern haben offen-

sichtlich nicht zum Ziel geführt. «Es braucht also eine Strategieände-rung. Wir dürfen die Hände nicht in den Schoss legen», ist Frick über-zeugt. Auch wenn sie keine Befür-worterin der gesetzlich verordneten Frauenquote ist, fordert die Regie-rungsrätin die Bürger des Landes zu einer nüchternen Diskussion auf – auch über das Pro und Contra einer Frauenquote.Frick stellte gestern in Triesen aber auch klar, dass Liechtenstein die Frauen und die Männer brauche: «Es geht nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander.»

Monique R. SiegelIn Berlin geboren, nach New York ausgewandert, nun in Zürich wohnhaftMonique R. Siegel ist in Berlin geboren. Nach der Schulzeit und ersten Berufsjahren in Deutschland ist sie nach New York aus-gewandert und hat dort an der Columbia University und der New York University auf dem Zweiten Bildungsweg ein Germanis-tik-Studium abgeschlossen Seit 1971 lebt sie in der Schweiz, wo sie nach mehrjähri-ger Führungstätigkeit 1980 in Zürich eine eigene Firma gegründet und sich als Wirt-schaftsberaterin, Publizistin und Referentin im In- und Ausland etabliert hat.

«Frauen sollten niemals versuchen, einen Mann zu kopieren. Wir sind

keine Männer.»Monique r. Siegel

Wirtschaftsberaterin

BuchtippWar’s das schon?

frauen können heutzutage überall top-Positionen ein-nehmen und ihren einfluss geltend machen. aber of-fenbar haben das viele frauen noch gar nicht ge-merkt! Um mit Männern konkurrieren zu können, passen sich viele frauen dem system an, anstatt es aus der Poleposition infra-ge zu stellen. Dieses buch

ist eine schonungslose analyse und ein eindring-licher appell, endlich zu handeln.

«War’s das schon? Wie frauen ihre Chance verpassen»; Monique r. Siegel; iSBn 978-3-280-05550-2; gebunden mit Schutzumschlag; 26.90 franken.

«Ich erhielt lauter wohl gemeinte Ratschläge, die mich vor weiteren Fehlern

warnen sollten.»aurelia friCk

regierUngsrätin

Regierungsrätin Aurelia Frick hat auf ihr «Volksblatt»-Interview zahlreiche Reak-tionen erhalten. (Fotos: Nils Vollmar)

«Ich bin gegen Verordnungen und

deshalb auch nicht für eine Quote. Frauen sind

gut ausgebildet, sie sollten mutiger sein

und keine Angst vorm Versagen haben.»

Monika BüChelgaMPrin

«Ich bin eher gegen die Quote. Man sollte die Menschen ermuntern,

sich für eine Sache einzu-setzen – egal ob Mann oder Frau. Wichtig ist

die Erarbeitung von Lösungen.»

MiChael konraDVaDUz

«Viel wichtiger als eine Quote ist es,

Rahmenbedingungen zu kreieren, die das

Verhältnis zwischen den Geschlechtern und die

Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.»

aliCe nägeleVaDUz

«Bis heute war ich ein strikter Gegner der

Quote. Ich könnte mir nun allerdings

vorstellen, dass die Quote ein Türöffner für qualifizierte Frauen sein

könnte.»rolanD elkuChschellenberg

«Ich würde eine Quote auf Zeit befürworten, denn ich denke, sie würde einen gesell-schaftlichen Wandel im Denken auslösen.

Eine Quote macht den Frauen Mut.»

alexanDra SChieDt schaan

FBP-Parteipräsident Thomas Banzer will künftig häufiger darüber diskutieren, wie Frauen besser in Führungspositionen integriert werden können.

Führten eine angeregte Podi-umsdiskussion, von links: Mo-deratorin Berit Pietschmann, Regierungsrätin Aurelia Frick, Referentin Mo-nique R. Siegel und Vorsteherin Maria Kaiser-Eberle.

Hatten viel Spass an der Veranstal-tung, von links: Mafina Paopolo, Tania Wyss und Martha Rupp-Laupper.

Clarissa Frommelt von den Frauen in der FBP begrüsste die Besucher.

Die Ruggeller Vorsteherin Maria Kaiser-Eberle erzählte von ihren Erfahrungen.

referentin Monique r. Siegel während ihres Vortrags.

(fotos: nils Vollmar)