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ZERSPANUNG 40 Neue koaxiale Grob- und Feinbearbeitung – Reiben und Honen im Kombiwerkzeug STAND DER TECHNIK In den meisten Fällen werden der- zeitig in der industriellen Fertigung Funktionsbohrungen durch Grobbe- arbeitungen und anschließend durch Feinbearbeitungen auf die erforderli- che funktionsnotwendige Endquali- tät gebracht. In der Regel sind dafür verschiedene Bearbeitungsverfahren bzw. Werkzeuge notwendig, welche hintereinandergeschaltet durch Werk- zeugwechsel zum Einsatz kommen. Die Grobbearbeitung im Abtragsbe- reich von bis ca. 0,5mm im Durchmes- ser erfolgt vorwiegend durch Bohren, Drehen oder Reiben, die Feinbearbei- tung von bis zu 0,1mm im Durchmes- ser durch Reiben und verschiedene Honverfahren bzw. Honverfahrens- kombinationen. Nach dem Stand der Technik wurden Steuergehäuseboh- rungen gemäß Bild 1 mit den Boh- rungsabmessungen von Durchmes- ____von Ulrich Klink und Martin Dellin Fotos: IHT Klink Bild 1: Koaxiale Grob- und Feinbearbeitung - Reiben und Honen mittels Kombiwerkzeug FDream von Diahon [3] Die Neuentwicklung betrifft ein Werkzeug zur Feinbearbeitung von Bohrungen. Die funktionsbe- dingt hohen Qualitätsanforderungen an Bohrungen machen oft viele Bearbeitungsoperationen in der industriellen Fertigung erforderlich. Besonders diffizile Bauteilbohrungen, wie bei Steuerge- häusen, mit Ringnuten, verschieden langen Stegbreiten und schlechter Anlieferungsqualität der Rohbohrung sind eine fertigungstechnische Herausforderung. Mit der Neuentwicklung ist es ge- lungen, Reiben und Honen hintereinander zu schalten und koaxial in ein Werkzeug zu integrieren. Mit dieser Technik können mehrere Bearbeitungsstufen eliminiert und die Wirtschaftlichkeit und Qualität weiter verbessert und zukunftsfähig gemacht werden. Dieses Reibhonwerkzeug wurde von der Firma Diahon als FDream-Werkzeug erfolgreich entwickelt und inzwischen zur Produktionsrei- fe gebracht. Das Kombiwerkzeug ist durch das eingetragene Gebrauchsmuster DE20 2020 102 652 U1 geschützt. Im Folgenden wird exemplarisch an einem relativ komplexen Bauteil, einem Steuer- gehäuse mit langer und vielfach unterbrochener Bohrung, der Prozess beschrieben.

Neue koaxiale Grob- und Feinbearbeitung – Reiben und ......kostengünstig Fertigen; Carl Hanser Verlag München Wien 2016, ISBN 978-3- 446-44192-7 [2] Diahon Werkzeuge GmbH & Co

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  • ZERSPANUNG

    40

    Neue koaxiale Grob- und Feinbearbeitung –

    Reiben und Honen im Kombiwerkzeug

    STAND DER TECHNIK

    In den meisten Fällen werden der-

    zeitig in der industriellen Fertigung

    Funktionsbohrungen durch Grobbe-

    arbeitungen und anschließend durch

    Feinbearbeitungen auf die erforderli-

    che funktionsnotwendige Endquali-

    tät gebracht. In der Regel sind dafür

    verschiedene Bearbeitungsverfahren

    bzw. Werkzeuge notwendig, welche

    hintereinandergeschaltet durch Werk-

    zeugwechsel zum Einsatz kommen.

    Die Grobbearbeitung im Abtragsbe-

    reich von bis ca. 0,5mm im Durchmes-

    ser erfolgt vorwiegend durch Bohren,

    Drehen oder Reiben, die Feinbearbei-

    tung von bis zu 0,1mm im Durchmes-

    ser durch Reiben und verschiedene

    Honverfahren bzw. Honverfahrens-

    kombinationen. Nach dem Stand der

    Technik wurden Steuergehäuseboh-

    rungen gemäß Bild 1 mit den Boh-

    rungsabmessungen von Durchmes-

    ____von Ulrich Klink und Martin Dellin

    Foto

    s: IH

    T K

    link

    Bild 1: Koaxiale Grob- und Feinbearbeitung - Reiben und Honen mittels Kombiwerkzeug FDream von Diahon [3]

    Die Neuentwicklung betrifft ein Werkzeug zur Feinbearbeitung von Bohrungen. Die funktionsbe-

    dingt hohen Qualitätsanforderungen an Bohrungen machen oft viele Bearbeitungsoperationen in

    der industriellen Fertigung erforderlich. Besonders diffizile Bauteilbohrungen, wie bei Steuerge-

    häusen, mit Ringnuten, verschieden langen Stegbreiten und schlechter Anlieferungsqualität der

    Rohbohrung sind eine fertigungstechnische Herausforderung. Mit der Neuentwicklung ist es ge-

    lungen, Reiben und Honen hintereinander zu schalten und koaxial in ein Werkzeug zu integrieren.

    Mit dieser Technik können mehrere Bearbeitungsstufen eliminiert und die Wirtschaftlichkeit und

    Qualität weiter verbessert und zukunftsfähig gemacht werden. Dieses Reibhonwerkzeug wurde von

    der Firma Diahon als FDream-Werkzeug erfolgreich entwickelt und inzwischen zur Produktionsrei-

    fe gebracht. Das Kombiwerkzeug ist durch das eingetragene Gebrauchsmuster DE20 2020 102 652

    U1 geschützt. Im Folgenden wird exemplarisch an einem relativ komplexen Bauteil, einem Steuer-

    gehäuse mit langer und vielfach unterbrochener Bohrung, der Prozess beschrieben.

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    ser 38 x 160mm und dem Werkstoff

    EN-GJS-500-7 (GGG 50) in fünf Ar-

    beitsgängen wie in Tabelle 1 bearbeitet.

    Dieser herkömmliche Arbeitsablauf

    beinhaltet somit fünf Arbeitsgänge

    und fünf verschiedene Werkzeuge mit

    analog fünf Werkzeugwechseln auf

    der Bearbeitungsmaschine bei einer in

    Summe reinen Bearbeitungszeit von

    180s. [1]

    NEUE GROB- UND FEIN-BEARBEITUNGSTECHNIK MITTELS KOMBIWERKZEUG FDREAM

    Bei den in der Literatur recherchierten

    Kombi-Werkzeugen mit den Bereichen

    Bohren, Reiben, Honen war wohl das

    Entstehen von Riefenziehern (Rück-

    zugsriefen), verursacht durch die de-

    finierten Vorbearbeitungsschneiden,

    eine größere Qualitätseinschränkung.

    Die Koaxialitätssicherung der ver-

    schiedenen Verfahrensstufen unter

    Berücksichtigung der Rundlauffehler

    war aus diesem Grund ein entschei-

    dender Aspekt bei der Neuentwick-

    lung eines Kombiwerkzeugs.

    Die Ausgangsform der Bohrung liegt

    exemplarisch bei Bild 1 in Summe

    bei einer Qualitätsabweichung von

    ca. 0,1mm. Das neuentwickelte Kom-

    biwerkzeug umfasst zur Grobbearbei-

    tung vorgeschaltet den Reibring mit

    neun PKD-Schneiden und sichert ei-

    nen Abtrag von bis zu ca. 0,5mm im

    Durchmesser. Den Reibringschneiden

    mit einer Schneidenlänge von ca. 5mm

    ist der Honabschnitt nachgelagert. Der

    Honabschnitt ist konzipiert als ge-

    schlitzter Grundkörperabschnitt zur auf-

    weitbaren Verschleißkompensation. In

    diesem Bereich sind zwölf Diamant-

    honleisten D64 L x B = 100mm x 3mm

    am Umfang aufgebracht. In dieser ers-

    ten Honstufe werden etwa 0,025mm

    im Durchmesser abgetragen.

    Der Honabschnitt ist derart ausgeführt,

    dass eine radiale Führung des Werk-

    zeugs im Betrieb erreicht wird. Unter

    einer radialen Führung ist in diesem

    Zusammenhang zu verstehen, dass

    die Rotationsachsen sowohl des Hon-

    abschnittes als auch des Reibabschnit-

    tes im Betrieb in Vorschubrichtung

    fluchten. Dadurch kann ein Abdriften

    bei verschiedenen Krafteinwirkungen

    über die Bohrungslänge verhindert

    werden. Resultierend sind reprodu-

    zierbare maßhaltige kombinierte Be-

    arbeitungen auch langer, unterbro-

    chener Bohrungen. Der Honabschnitt

    erfüllt bei dieser Anordnung also eine

    Doppelfunktion, nämlich zum einen

    die erste Stufe der Honbearbeitung,

    das Vorhonen und zum anderen die

    spielfrei, stabile Führung des vorge-

    schalteten Reibabschnittes, sodass die

    Zylinderform (Rundheit, Geradheit)

    und Koaxialität über die ganze Boh-

    rungslänge erreicht werden kann.

    Das Werkzeug wird so eingestellt, dass

    der Durchmesser des Honbereichs um

    20-25µm größer ist als der Durchmes-

    ser des Reibbereichs. Mit dieser Füh-

    rungs- und Schneidtechnik können

    Rückzugsriefen der Reibschneiden

    beim Rückhub des Werkzeugs aus der

    Bohrung wirksam vermieden werden.

    Bei der neuen Kombiwerkzeug- bzw.

    FDream-Technik sind der zweite und

    dritte Arbeitsgang in einem Arbeits-

    gang gemäß Tabelle 2 vereint.

    1. Arbeitsgang Pilotreiben (erster Steg für Führung)

    2. Arbeitsgang einschneidig Reiben

    3. Arbeitsgang FDhone Vorhonen

    4. Arbeitsgang FDhone Zwischenhonen

    5. Arbeitsgang FDhone Fertighonen

    Tab. 1: Herkömmliche Arbeitsfolge

  • ZERSPANUNG

    42

    Dieser neuentwickelte Arbeitsablauf

    mit dem Kombiwerkzeug FDream be-

    inhaltet somit zwei Arbeitsgänge, auf

    der jeweiligen Bearbeitungsmaschine,

    bei einer in Summe reinen Bearbei-

    tungszeit von 60s. [3]

    VERFAHRENSTECHNOLOGIE

    Bei dieser Bearbeitungstechnik sind

    die Werkzeuge fest mit der Haupt-

    spindel und die Werkstücke fest in

    einer Aufnahmevorrichtung mit dem

    Aufspanntisch verbunden und positi-

    oniert. Der Werkzeugwechsel kann je

    nach Produktionsstückzahlen manuell

    oder automatisch erfolgen. Alle drei

    Honstufen erfolgen mit den für diese

    Aufgabe prädestinierten Festdorn-Hon-

    werkzeugen (FDhone). Diese Werkzeu-

    ge werden ähnlich wie Reibwerkzeuge

    eingesetzt. Das FDhone-Werkzeug wird

    auf den Fertigdurchmesser der jewei-

    ligen Honstufe geschliffen und einge-

    stellt. Die Bearbeitung der Bohrung er-

    folgt in der Regel in einem Doppelhub

    (Arbeitshub) und einem Ausfeuerhub.

    Die FDhone-Technologie eignet sich

    speziell bei hohen Anforderungen an

    die Zylinderform und Durchmesser

    von unterbrochenen Bohrungen (z.B.

    Ventilblöcke oder Steuergehäuse) oder

    auch für kurze Durchgangsbohrungen

    ohne die Anforderungen eines defi-

    nierten Honwinkels in der Oberfläche.

    Je nach Forderung an die Qualität kön-

    nen mehrere Honoperationen hinter-

    einandergeschaltet oder auch Kombi-

    nationen mit den aktiv aufweitenden

    Honwerkzeugen angewendet werden.

    Das robuste FDhone-Werkzeugkonzept

    hat neben der beschriebenen Vorteile

    auch weitere Vorteile in der Wirtschaft-

    lichkeit. Während man beim konventi-

    onellen Honen in der Regel bei Schnitt-

    geschwindigkeiten kleiner 100m/min

    arbeitet, liegt man bei dem vorlie-

    genden Beispiel (s. Bild 1, Tabelle 2)

    bei bis zu 140m/min, was sich entspre-

    chend in der geringen Taktzeit nieder-

    schlägt. Ein wichtiger Aspekt dabei ist

    allerdings, dass bei den relativ groß-

    flächigen Honschneidflächen und der

    Intensivzerspanung ausreichend viel

    Kühlschmierstoff an die Wirkstelle

    1. Arbeitsgang Pilotreiben (erster Steg für Führung)

    2. Arbeitsgang9-schneidig Reiben und FDream-

    Vorhonen mit D64

    3. Arbeitsgang FDhone Zwischenhonen mit D46

    4. Arbeitsgang FDhone Fertighonen mit D25

    Tab. 2: Neue Kombiwerkzeug – bzw. FDream-Technik Arbeitsfolge

    Bild 2: Neuentwickeltes Kombiwerkzeug FDream von Diahon mit Festdornhonbereich, vorgeschaltetem Reibring und µ-matik Verschleißkompensation [3]

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    kommt. Beim vorliegenden Fall ist eine

    Innen- und Außenkühlung integriert.

    Die bisher erzielten Form-, Lage- und

    Rauheitstoleranzen sind in Tabelle 3

    wiedergegeben. [1,2,3]

    ZUSAMMENFASSUNG

    Es sind wenige Beispiele von Kombi-

    nationswerkzeugen bei der Feinbear-

    beitung bekannt. Am häufi gsten wer-

    den allerdings bei Verfahrensgleichheit

    Doppelhonwerkzeuge zum Vor- und

    Fertig- oder dem sogenannten Plateau-

    honen eingesetzt. Diese Technik ist

    allerdings nur bei größeren Durchmes-

    sern umsetzbar. Insofern stellt das neu-

    entwickelte Kombiwerkzeug FDream

    der Firma Diahon, durch das eingetra-

    gene Gebrauchsmuster DE20 2020 102

    652 U1 geschützt, einen wesentlichen

    Fortschritt in diesem Honsegment dar.

    Durchmesser 38,000 + 0,002

    Zylinderform